News-Redaktion der Universität Innsbruck. Mai 2017
Bildmaterial: Robbie Shone
„Höhlen gehören neben dem Eis in Polarregionen zu den wichtigsten Klimaarchiven, die es gibt. Die Erdoberfläche ist Verwitterung und Erosion ausgesetzt und verändert sich ständig. In Höhlen aber bleiben Spuren der Vergangenheit bestens konserviert, in manchen Fällen über viele hunderttausend Jahre“, erzählt Yuri Dublyansky. Der Geologe widmet sich bereits seine gesamte wissenschaftliche Karriere lang den Höhlen und ihren besonderen Ablagerungen – den Speläothemen, also Höhlenmineralen.
Sobald der erste Tropfen in die Höhle gelangt, beginnt die Aufzeichnung des Klimakalenders.
Die bekanntesten unter ihnen sind Tropfsteine, die als Stalagmiten vom Boden nach oben wachsen oder als Stalaktiten von der Höhlendecke hängen. Sie entstehen, wenn Wasser – etwa Regenwasser – von der Oberfläche durch den Boden sickert und auf diesem Weg den Kalk, genauer gesagt das Mineral Kalzit, aus dem Gestein löst. „Genau in dem Moment, in dem der erste Tropfen in die Höhle gelangt, beginnt die Aufzeichnung des Klimakalenders: Jahr um Jahr bilden sich hauchdünne Kalkschichten, die uns Rückschlüsse darauf ermöglichen, wie das Klima in vergangenen Zeiten war“, erklärt Dublyansky. „Das ist gewissermaßen zu Stein gewordener Niederschlag.“
Ein Bohrer, der atmet.
Um aus den Kalzitablagerungen Proben entnehmen zu können, arbeiten die Geologinnen und Geologen mit einem leistungsstarken Bohrer, mit dem zylindrische Kerne von 2,5 Zentimeter Durchmesser gewonnen werden können. Bei dieser Tätigkeit ist Ausdauer gefragt: „Man muss sehr behutsam vorgehen, um die Bohrkerne nicht abzubrechen. Für 50 Zentimeter benötigen wir etwa 2,5 Stunden“, erklärt Dublyansky.
Das Innsbrucker Team hat viel Erfahrung im Beproben von Speläothemen auf der ganzen Welt - allerdings in einem meist trockenen Umfeld. Das Devils Hole 2 brachte hier eine neue Herausforderung mit sich: Bereits vor einigen Jahren fassten Yuri Dublyansky und Christoph Spötl den Entschluss, in dieser Höhle auch unterhalb des Wasserspiegels Bohrkerne zu entnehmen. „Wir wollen anhand der Proben das Klima so weit wie möglich zurück rekonstruieren, dazu zählt auch die Entwicklung des Grundwasserspiegels“, so der Geologe. „Dazu benötigen wir Proben von mehreren Stellen in der Höhle, die sich zum Teil auch unter dem Wasser befinden“.
Einen Bohrer dieser Art gibt es nicht zu kaufen.
Daher benötigten die Geologen spezielle Adaptionen für ihren Bohrer, damit dieser auch unter Wasser einsatzfähig ist. „Da es diese Technik nicht zu kaufen gibt, mussten wir sie selbst konstruieren“, verdeutlicht Yuri Dublyansky. Ein Spezialist in Deutschland fertigte zunächst einen maßgeschneiderten Neoprenanzug für die Bohrmaschine an. „Wir entwarfen zudem einen speziellen Plastikaufsatz, der in 3D-Druck angefertigt wurde, um Wasser vor dem Eindringen in die Bohrmaschine zu hindern“. Bevor die Spezialanfertigung in den USA zum Einsatz kam, führten Dublyansky und Spötl Tests durch, unter anderem im Achensee in Tirol:
Test im Tiroler Achensee. Video: Yuri Dublyansky
Die Tests des Bohrers verliefen positiv und Anfang Februar 2017 machte sich das Team auf den Weg nach Nevada, um gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der University of Minnesota in einem Zeitraum von zwei Wochen verschiedene Untersuchungen in Devils Hole 2 durchzuführen. Begleitet wurden sie bei ihrer Arbeit neben weiteren Höhlentauchern von dem professionellen Höhlenfotografen Robbie Shone. Das Video- und Bildmaterial dieser Reportage wurde dankenswerter Weise von ihm zur Verfügung gestellt.
Aus der Vergangenheit lernen
Yuri Dublyansky entnahm zwei Bohrkerne tauchend: Dazu wurde er nicht über Pressluftflaschen, sondern über einen langen Schlauch mit Luft versorgt, der an einem Kompressor angeschlossen war. „Um mit einer klassischen Tauchausrüstung in Höhlen tauchen zu dürfen, wäre aufgrund der gefährlichen Umstände eine spezielle zusätzliche Zertifizierung nötig", sagt der Geologe. Dubylansky konnte so auch etwa vier Stunden am Stück unter Wasser bleiben: „Das Wasser hat eine Temperatur von etwa 34 Grad, hat also eine angenehme Wärme, um zu arbeiten."
Yuri Dublyansky und Kathleen Wendt freuen sich über die gelungene Bohrung. Video: Robbie Shone
Neben den neuen Messungen zur zeitlichen Einstufung der Kalzitablagerungen untersuchen die Innsbrucker Forscherinnen und Forscher sowohl die Temperatur des Grundwasserkörpers als auch dessen Schwankungen. Die Messergebnisse zeigen, dass beispielsweise der Wasserspiegel vor 20.000 Jahren rund neun Meter höher war. Das Forscherteam kann so Trocken- und Feuchtphasen in diesem Teil Nordamerikas rekonstruieren – und damit auch ein klareres Bild der Klimageschichte zeichnen. Dies stellt eine wichtige historische Datengrundlage für den Südwesten der USA dar, der immer wieder von Dürren heimgesucht wird. „Viele Aspekte der Entwicklung des Klimas in den letzten hunderttausenden von Jahren sind noch nicht bis ins Detail untersucht und verstanden. Um zukünftige klimatische Änderungen besser abschätzen zu können, müssen wir so genau wie möglich in die Vergangenheit blicken. Die Kalzitablagerungen des Devils Hole ermöglichen uns das“, so Dublyansky.
Leidenschaft seit Kindestagen
Für Yuri Dublyansky spielen Höhlen und ihre Besonderheiten schon seit Kindestagen eine wichtige Rolle. Als Sohn des bekannten russischen Höhlenforschers Viktor Dublyansky war der Geologe sehr früh mit dem Thema und der Faszination für Höhlen in Berührung. „Meine frühesten Erinnerungen reichen bis ins Kleinkindalter zurück: Als ich etwa drei Jahre alt war, nahm mich mein Vater erstmals in eine Höhle mit. Wir lebten auf der Krim, wo es sehr viele Höhlen gibt. Da es dort eher warm ist, waren wir mit Schnee nicht besonders vertraut. Mein erster Höhlenbesuch fand im Sommer statt und unter dem Höhleneingang sah ich einen großen Schneehaufen. Und dieses Bild vom Schneehaufen – noch dazu im Sommer – habe ich immer noch bildlich vor mir", erzählt der Geologe. Nach mehr als 30 Jahren in der Forschung haben Höhlen für den Wissenschaftler keineswegs ihren Reiz verloren. Auch jene nicht, die er vermeintlich schon sehr gut kennt:
„Jeder Quadratzentimeter einer Höhle kann interessant sein.“
- Yuri Dublyansky
Text: Melanie Bartos
Bildmaterial (Fotos und Videos): Robbie Shone
Universität Innsbruck, Mai 2017