Luis Miguel Rodríguez-Rojas

Ein buntes schwarzes Schaf

(08.03.2023)

Die Diskrepanz zwischen Miguel Rodriguez-Rojas und seinem (noch) in sterilem Weiß gehaltenen Büro im Digital Science Center ist beinahe greifbar. „Die Wände sind zu kahl für meinen Geschmack“, lacht der 35-jährige Kolumbianer, während er Mate-Tee trinkt – stilecht aus einer metallbeschlagenen Kalebasse und durch eine Bombilla, einen metallenen Strohhalm, der als Trinkhilfe ebenso wie als Teesieb fungiert. Er trägt ein Hemd und eine hippe Strickweste. Das blau-karierte Sakko hängt über der Rückenlehne seines Stuhls. Abgerundet wird das Ensemble mit einer hölzernen Fliege. „Ginge es nach mir, würde ich ein paar Graffiti-Künstler einladen, um ein wenig Farbe reinzubringen.“

Hommage & Heimat

Einen ersten Anfang dazu hat er selbst schon geleistet. Über seinem Schreibtisch hängt ein in knalligen Farben gehaltenes Porträt von Margaret Oakley Dayhoff, der „Mutter der Bioinformatik“, des Feldes, dem sich Rodriguez-Rojas verschrieben hat. „Das Bild ist Teil einer Serie von Porträts einflussreicher Wissenschaftlerinnen“, erzählt er. „Bei mir daheim hängen drei weitere davon.“ Zum einen ist das Bild eine Hommage: an seine Disziplin ebenso wie an in der Forschung oft übersehenen Frauen. Zum anderen hat er damit aber auch ein Stück zuhause mitgebracht: „Die Porträt-Reihe hat der Ehemann meiner Mutter gemalt“, ergänzt er und scherzt: „Ich bin in einer Familie voller Künstler und Humanisten aufgewachsen. Als Naturwissenschaftler bin ich sozusagen das schwarze Schaf.“

Verschwimmende Grenze

Der engen Familienbande tut das natürlich keinen Abbruch: Mindestens jeden dritten Tag unterhält sich Rodriguez-Rojas mit seinen Eltern – obwohl er seit mittlerweile 15 Jahren im Ausland lebt. Und auch die Kluft zwischen Geistes- und Naturwissenschaften sei primär eine konstruierte, ist er überzeugt: „Im Digital Science Center haben wir zum Beispiel diskutiert, dass es beim Programmieren im Grunde genommen darum geht, Dinge so präzise wie möglich zu definieren. Genau das ist auch eine Kerndisziplin der Philosophie“, beschreibt er. „Und ganz grundsätzlich finde ich, liegt auch ganz einfach eine besondere Art der Schönheit darin, die tieferen Wahrheiten der Natur zu ergründen.“

Prädisponierte Passion

So bietet seine Arbeit dem Bioinformatiker durchaus ein Ventil für Kreativität. Trotzdem legt er viel Wert auf seine Freizeit. „Das habe ich in den USA gelernt. Dort hat man als Akademiker kaum Privatleben“, berichtet er. Deswegen ist es ihm wichtig, ganz klare Grenzen zu ziehen. „Das ist hier in Tirol deutlich leichter und wird viel besser akzeptiert.“ Wirklichen künstlerischen Ausdruck sucht er abseits der Arbeit - in einem quintessenziellen Aspekt der Kultur seiner Heimat: „Als Kolumbianer lernt man zu tanzen, wenn man zu laufen beginnt“, erklärt Rodriguez-Rojas. Und diese Passion begleitet ihn – nach Frankreich, in die USA und jetzt auch nach Innsbruck. „Am liebsten tanze ich aber Partnertänze einfach zum Spaß – insbesondere Zouk. Das ist ein brasilianischer Tanz, der in Innsbruck leider nicht zu finden ist. Zumindest noch nicht.“ Dafür stehen andere Tänze am Programm: Salsa, Cumbia, und mehr.

Kleine Großstadt

Ganz so häufig wie vor drei Jahren wagt sich Rodriguez-Rojas allerdings nicht mehr aufs Parkett. Als er in Atlanta lebte, wurde noch ein oder zwei Mal wöchentlich getanzt und zwei Mal die Woche trainiert, sind es in Innsbruck eher ein oder zwei Mal im Monat. „Die Tanz-Szene hier ist natürlich nicht vergleichbar mit der in einer Großstadt wie Bogota oder Atlanta“, gibt er zu. Ganz nehmen lassen will er sich das Vergnügen nicht, auch wenn hier andere Stile getanzt werden als die, die er gewohnt ist: „Tanzen ist ein wunderbarer Weg, sich auszudrücken und eine Art der Intimität, auch mit eigentlich fremden Menschen.“

Kultur & Natur

Dass ihm Innsbruck dazu weniger Gelegenheit gibt, findet er aber verzeihbar: „Natürlich war es eine große Umstellung hierherzukommen.“ Immerhin leben in seiner Heimatstadt mehr als sieben Millionen Menschen. Und auch die Metropolregion Atlanta hat mit mehr als sechs Millionen Einwohnern viel zu bieten. „Ich vermisse die Großstadt schon.“ Aber dank der Universitäten und Hochschulen und weil Innsbruck eben die größte Stadt in der Region sei, gebe es hier viel Leben und eine sehr lebendige Kulturszene auf engem Raum. Und auch sonst hat die Tiroler Hauptstadt so manches zu bieten: „Anfangs dachte ich, dass ich mich am Bergpanorama schnell sattsehen werde. Aber das ist auch nach zwei Jahren noch nicht passiert.“ Und Rodriguez-Rojas weiß nicht nur den Anblick der Berge zu schätzen. Im Sommer stehen auch Wanderungen am Programm. Nur beim Thema Wintersport gibt er sich zögerlich. „Als ich hierhergezogen bin, ist mir gesagt worden, in Innsbruck sei es wichtiger, Skifahren zu lernen, als deutsch zu sprechen“, meint er. „Bislang bin ich mit der Sprache weiter. Aber irgendwann wird Skifahren wohl auch kommen müssen. Eilig habe ich es aber nicht.“

(Autor: Daniel Feichtner)

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Steckbrief

Luis Miguel Rodríguez-Rojas

Name

Luis Miguel Rodríguez-Rojas

Funktion

Assistenzprofessor am Digital Science Center und am Institut für Mikrobiologie

An der Uni seit

2020

Wohnort

Innsbruck

Herkunft

Bogota, Kolumbien

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