Gabriel Singer

Natur als Angelpunkt

(10.08.2020)

In Gabriel Singers Büro am Institut für Ökologie stehen die Zeichen auf Ankunft. Die Einrichtung beschränkt sich vorerst auf einen Schreibtisch und drei Bürostühle. Umzugskartons stehen dort, wo bald eine Couch vor einem großen Whiteboard Platz finden soll – zum Nachdenken mit dem Team. Dazwischen parkt ein gelbes Klapprad. „Eigentlich hätte das alles Anfang des Jahres über die Bühne gehen sollen“, erklärt der gebürtige Niederösterreicher. Dann wollten er und seine Familie von Berlin, wo er in den vergangenen sieben Jahren geforscht hat, wieder in die Berge ziehen. „Jetzt geschieht das eben nach dem Covid-19-Lockdown“, meint er gelassen – allerdings nicht ohne die merkliche Freude darüber, den Herausforderungen des Berliner Home Office, das er sich während des Lockdowns mit zwei Kleinkindern „geteilt“ hat, zu entkommen.

Zurück zur Natur (?)

Mit dem Umzug kommt Singer auch seinem Forschungsobjekt näher. „Berlin ist eine tolle Stadt, die viele Möglichkeiten bietet“, meint er. „Aber rein ökologisch betrachtet ist es ein urbaner Lebensraum, von Seenlandschaften umgeben. Da fehlt mir etwas die topographische Energie, das Wasser fließt einfach zu langsam.“ So war er in den vergangenen Jahren viel auf Forschungsreisen angewiesen, um Daten zu sammeln. In Tirol wird sich das zumindest teilweise ändern. Bäche und Flüsse sind in greifbarer Nähe – „wobei naturbelassene Fließgewässer auch im Alpenraum mehr als rar sind“, schränkt er ein. Sich einen besseren Überblick darüber zu verschaffen, wie viel Natur im Gebirge überhaupt noch übrig ist, hat er sich als eines seiner ersten Ziele gesetzt – sowohl als Ökologe, als auch Hobby-Sportler.

Alpine Herausforderungen

Im alpinen Lebensraum fühlt sich Singer auch abseits der Arbeit mehr als zuhause. Dort sucht er sportlichen Ausgleich zum einen beim Klettern auf Fels. Die ultimative Kombination aus Sport, Passion, und auch Beruf findet er zum anderen dort, wo er auch forscht: Als begeisterter Kajaker sind Tirols Wildwasser für den Ökologen wissenschaftlich ebenso faszinierend wie sportliche Herausforderung. „Wobei wir die Sache am Anfang sicher ein wenig langsamer mit ein paar Wanderungen mit den Kindern angehen werden“, sagt Singer. So ist die Natur zwar auch Forschungsobjekt, bei Weitem aber nicht nur: „Für mich gibt es mehr als nur die intellektuelle Auseinandersetzung mit einem Lebensraum. Eine Landschaft kann, darf und soll auch emotional erlebt werden. Als Wissenschaftler hat man natürlich den Luxus, unterschiedliche Brillen aufzusetzen, die einem die Funktionsweisen, die Stoffflüsse und mehr ebenso zeigen, wie die Ästhetik emotional zugänglich machen.“

Ursprünglich waren es allerdings weniger Sport und Wissenschaft, die Singers Interesse an der Natur geweckt haben. Stattdessen war es der aktive Umweltschutz, der Stein des Anstoßes zur akademischen Karriere wurde. „Was aber nicht bedeutet, dass Ökologen automatisch Naturschützer sind – auch wenn das bei mir so ist“, gibt er zu bedenken. „Als Wissenschaftler erfassen wir Daten objektiv und wertfrei.“ Heute sieht sich Singer vor allem in einer akademischen Verantwortung, Wissen in die Welt hinauszutragen. „Denn wenn wir uns hinter reinen Daten verstecken, nutzen sie niemandem. Für mich gehört es auch dazu, mich als Wissenschaftler ein wenig zu exponieren. Gerade, wenn ich mir zum Beispiel die Fließgewässersituation in Tirol ansehe.“ Damit ist die Natur für Singer Angelpunkt und treibende Kraft, sowohl beruflich als Objekt seiner Forschung und Neugierde, als auch privat als etwas Erfahrens- und Erlebenswertes. „Und irgendwo dazwischen spannt der Schutz dessen, was mich begeistert, fasziniert aber auch professionell beschäftigt, eine Brücke“, sagt er. „Ein bisschen Aktivist bin ich also vielleicht auch heute noch.“

(Autor: Daniel Feichtner)

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Steckbrief

Gabriel Singer

Name

Mag. Dr. Univ.-Prof. Gabriel Singer

Funktion

aquatischer Biochemiker am Institut für Ökologie

An der Uni seit

2020

Wohnort

Innsbruck

Herkunft

Niederösterreich

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