Elwin Huaman

Von den Anden in die Alpen

(14.11.2023)

Bei vielen Wahltiroler:innen hinterlässt Innsbrucks Gebirgs-Kulisse bleibenden Eindruck. Auch Elwin Huaman genießt das Panorama rund um die Stadt, in der er seit mittlerweile fast fünf Jahren zu Hause ist. Tief beeindruckt von den Alpen wie viele andere, die zum ersten Mal in Innsbruck sind, war der gebürtige Peruaner, der zur Volksgruppe der Quechua gehört, allerdings nicht. Ihn verbindet dafür etwas anderes mit den Bergen: ein Gefühl der Vertrautheit und auch ein wenig Heimat. „Die Region, aus der ich komme, ist ungefähr auf dem halben Weg zwischen Machu Picchu und Puno am Titicaca-See“, erzählt er. „Mein Heimatort hat in etwa 12.000 Einwohnerinnen und Einwohner und liegt auf rund 4.000 Metern Seehöhe.“

Berg-Verbunden

Die Quechua leben dort auch heute noch nicht nur in, sondern auch mit und von den Bergen. „Die meisten von uns sind einen großen Teil der Woche unterwegs“, beschreibt er. „Von Montag bis Samstag sind sie kaum daheim, sondern hüten Alpakas, pflanzen und ernten Kartoffeln oder Quinoa und kommen übers Wochenende zurück.“ Auch seine Familie hat rund 70 Alpakas, ein gutes Dutzend Kühe und nicht zuletzt Meerschweinchen – allerdings nicht als Haus-, sondern als Nutztiere, die vor allem als Fleischlieferanten dienen.

Erste Schritte

Mitten in den Anden aufgewachsen, kam der Informatiker erst relativ spät mit Computern in Kontakt. Ihren Nutzen erkannte er aber sofort. „Als ich ungefähr 14 war, brachte mein Vater einen Computer nach Hause“, meint er lachend. „Den haben ich und meine Geschwister natürlich nicht verwenden dürfen. Wir hätten ja etwas kaputt machen können.“ Also schlich er sich in der Mittagspause nach Hause, um das neue Spielzeug unbemerkt zu benutzen. Dabei entdeckte er schnell, dass er damit unter anderem Hausaufgaben deutlich effizienter erledigen konnte – und nicht nur das. „Ich habe bald angefangen, die Texte in mehreren Versionen zu schreiben, um sie dann an meine Klassenkameraden und -kameradinnen zu verkaufen.“

Multi-Disziplinär

Nach der Schule zog es Huaman erst nach Altiplano, wo er Systemtechnik studierte. Von dort ging es nach seinem Abschluss weiter nach Spanien – erst nach Salamanca, wo er einen Master in Digital Information Systems absolvierte und dann nach Oviedo, wo ein Master in Web Engineering dazukam. „Ich wollte etwas von der Welt sehen“, erklärt er. „Und zu studieren war der beste Weg dazu.“ Seinen Eifer dabei erklärt er sich nicht zuletzt durch den kulturellen Kontext, in dem er aufgewachsen ist. „Wir tun Dinge nicht ‚zum Spaß‘“, erklärt er. „Wir tun Dinge. Und wir haben – oft viel – Spaß dabei. Aber wir tun sie mit dem nötigen Ernst. Der Spaß kommt von selbst.“

Feldarbeit

Vor mittlerweile beinahe fünf Jahren ist Huaman nach einem kurzen Intermezzo als Analyst für Tourismusdaten in Slowenien schließlich für seinen PhD in Informatik nach Innsbruck gekommen. Dabei spezialisiert er sich auf Knowledge Graphs, digitale Strukturen die dazu dienen, Informationen so zu speichern, damit sie sowohl von Menschen als auch Maschinen gelesen und verarbeitet werden können. In seiner Freizeit ist er auch hier in Tirol viel im Gebirge unterwegs. Die Natur direkt zu erleben und zu spüren ist ihm wichtig: „Was mir aber fehlt, ist, Land bestellen und etwas anbauen zu können. Einmal eigenen Grund zu haben, und dort etwas zu züchten, wäre ein Traum.“ Ganz versagt bleibt ihm das aber nicht: Einmal jedes Jahr fährt er für einen Monat nachhause – zum einen natürlich, um seine Familie zu besuchen. „Aber zum anderen auch, um bei der Ernte und mit den Alpakas zu helfen“, erzählt er.

Wissens-Schatz

Doch auch wenn Huaman nach Tirol zurückkommt, hat er einen wichtigen Aspekt seiner Heimat und seiner Kultur im Gepäck: Er spricht nämlich nicht nur fließend Quechua, die indigene und nicht verschriftlichte Sprache der Region, aus der er stammt. Er ist auch aktiv an ihrem Erhalt beteiligt. „Ich habe vor ein paar Jahren begonnen, mich zu fragen, welchen gesellschaftlichen Wert die Technologie hat, mit der ich arbeite“, beschreibt er. „Viele der indigenen Sprachen in Peru werden zusehends von Spanisch verdrängt. Ich denke, meine Generation könnte die letzte sein, die noch Quechua beherrscht.“ Daraus hat er die Idee zu Qichwabase entwickelt, einer Online-Datenbank im Wiki-Format, die er leitet und die es sich zum Ziel gemacht hat, das Wissen rund um die Sprache zu sammeln und zu konservieren. Das ist aber nur die halbe Miete. „Zugleich müssen wir auch eine Community aufbauen, die die Sprache am Leben erhält“, fährt Huaman fort. „Und daran arbeite ich gerade und veranstalte Workshops und Kurse, jedes Mal, wenn ich in Peru bin, um neue Leute für das Projekt zu begeistern.“

(Autor: Daniel Feichtner)

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Steckbrief

Porträt von Elwin Huaman vor dem Inn; im Hintergrund Berge

Name

Elwin Huaman

Funktion

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Archäologien und macht außerdem jeweils einen PhD in Informatik und in Sprachwissenschaften

An der Uni seit

2018

Wohnort

Innsbruck

Herkunft

Peru

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