Birgit Sattler

Ein Leben im Eis

(29.07.2020)

„Frauen brauchen Abenteuer.“ Dieser Spruch findet sich auf einer von zahlreichen Ansichtskarten, die die Außenseite von Birgit Sattlers Bürotür am Institut für Ökologie zieren – und er könnte nicht besser zur Innsbrucker Wissenschaftlerin passen, denn diese hat in ihrem Leben tatsächlich bereits so einige außergewöhnliche Abenteuer erlebt. Die meisten davon führten die Mikrobiologin und Ökologin in die kalten, schneebedeckten Regionen der Erde, allen voran die Polargebiete rund um Arktis und Antarktis, wo Sattler Leben und Lebensformen im ewigen Eis untersucht hat. Insgesamt begab sie sich dafür siebenmal in die Arktis und zwölfmal in die Antarktis, wobei ihre Feuertaufe am südlichen Ende der Welt den stärksten Eindruck auf sie gemacht hat. „Meine erste Expedition war einfach ein einziges Staunen, über Landschaft, Natur und das große weite Nichts“, erinnert sich Sattler zurück. „Das hat mich sehr geprägt, von da an war es fast wie eine Sucht.“

Sofort „yes“ gesagt

Dabei kam die Einladung zu ihrer ersten Forschungsreise für die gebürtige Schwazerin damals gänzlich unerwartet, wie sie erzählt: Nachdem sie im Rahmen einer Tagung in den USA einen Vortrag zum Thema Eis-Mikrobiologie in alpinen Hochgebirgsseen gehalten habe, sei ein Professor aus Montana an sie herangetreten und habe sie rundheraus gefragt, ob sie nicht Teil seiner nächsten Expedition in die Antarktis sein wolle. „Es war fast wie in einem schlechten Film“, schmunzelt Sattler rückblickend, „aber ich habe natürlich sofort ‚yes‘ gesagt.“ Und so brach sie 1996 nach langen Vorbereitungen, Trainings und medizinischen Tests mit einem Team in die sogenannten McMurdo Dry Valleys auf, wo in der großen Forschungsstation ebenfalls noch diverse Kurse und Übungseinheiten sowie ein Überlebenstraining anstanden. „Aber so richtig vorbereiten kann man sich auf solch einen Aufenthalt ohnehin nicht“, ist die 50-Jährige überzeugt. „Wenn man dann dort ist und mehrere Monate im Eis zubringt, ist das nämlich einfach etwas ganz anderes, vor allem in mentaler Hinsicht. Man gelangt wirklich an seine psychischen Grenzen.“

Eigentlich nicht für andere gedacht

Ihre Erfahrungen bei dieser und den zwei folgenden Expeditionen in die Antarktis hat Birgit Sattler auch in Buchform festgehalten – die Eindrücke seien so stark gewesen, dass sie nach einer Möglichkeit gesucht habe, sie irgendwie zu bewältigen. „Ich wollte das für mich abarbeiten und habe dann alles wie in einem Rausch niedergeschrieben“, so die Wissenschaftlerin. „Er war eigentlich nie für andere gedacht und doch sehr privat, deswegen habe ich den Text danach aber lange liegengelassen.“ Neben persönlichen Erlebnissen beschreibt das Werk, das erst 20 Jahre nach ihrer ersten Reise in die Antarktis erschienen ist, auch Sattlers tägliche Arbeit im südlichen Polargebiet, die in erster Linie aus der Erforschung von Mikroorganismen im Eis bestand. Dafür entnahm und analysierte die Ökologin unter anderem meterlange Bohrkerne aus zugefrorenen Seen.

Schließlich beim Eis gelandet

Eine gewisse Faszination für Schnee und Eis habe sie zwar schon immer gehegt, dass sie sich am Ende auf dieses Gebiet spezialisieren würde, sei letztlich jedoch auch für Birgit Sattler selbst etwas überraschend gewesen. „Ursprünglich wollte ich mehr in den Bereich klassische Limnologie gehen“, erklärt sie. „Aber durch meinen Professor und Mentor Roland Psenner bin ich schließlich beim Eis gelandet. Und ich habe es nie bereut.“ Nicht zuletzt aufgrund der damit verbundenen Expeditionen an die kältesten Enden der Welt, die Sattler auch heute noch reizten – wenn ihre Tätigkeit an der Universität es denn zulasse. „Die Büroarbeit ist im Vergleich zu früher schon etwas mehr geworden. Je älter man wird, desto mehr verkommt man zum Papiertiger“, meint die 50-Jährige, die sich im Rahmen ihrer Forschung nicht nur mit Lebensformen in Polargebieten, sondern auch in den Alpen auseinandersetzt. „Aber die Feldarbeiten sind zum Glück noch immer ein großer Bestandteil meiner Arbeit, die lasse ich mir nicht nehmen.“ Falls man Birgit Sattler also mal nicht in ihrem Büro oder Labor antreffen sollte, stehen die Chancen gut, dass sie wieder mal im Eis unterwegs ist – bei ihrem nächsten Abenteuer.

(Autor: Simon Leitner)

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Steckbrief

Birgit Sattler

Name

Mag. Dr. Priv.-Doz. Birgit Sattler

Funktion

Professorin am Institut für Ökologie

An der Uni seit

1992

Wohnort

Innsbruck

Herkunft

Fritzens

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