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Credit: Brenner-Archiv

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Anton Unterkircher: Zu Adolf Pichler

 

Denkmal des Tiroler Dichters Adolf Pichler (1819-1900) in Innsbruck

Zum Anlass seines 200. Geburtstags ist der Sammelband Die verlorenen Seelen von Malcesine. Adolf Pichler (1819–1900) erschienen. Dieser wurde im September vor dem Adolf-Pichler-Denkmal am Adolf Pichler Platz präsentiert. 
Pichler war zu seiner Zeit der bekannteste liberale Intellektuelle in Tirol, ein Universalgelehrter, der sich in einem ausgeprägt katholisch-konservativen Milieu behaupten musste. Er studierte Jus, Literatur, Philosophie, schließlich Medizin (abgeschlossen) und unterrichtete Deutsch und Naturgeschichte am Gymnasium in Innsbruck. Den 1851 angestrebten Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur, für den ihn die Universität Innsbruck einstimmig vorschlug, erhielt er wegen seiner 1848er Vergangenheit und seiner antiklerikalen Haltung nicht. Dafür wurde er 1867 zum ordentlichen Professor für Mineralogie und Geologie an der Universität Innsbruck ernannt. Er verfasste neben seinen naturwissenschaftlichen auch mehrere germanistische Arbeiten und betätigte sich vor allem auch als Literaturkritiker und Literarhistoriker. Daneben hat er ein beachtliches literarisches Oeuvre geschaffen. Er besaß zu seiner Zeit auch einiges Ansehen unter Schriftstellerkollegen wie Hebbel, Stifter, Grillparzer, Kürnberger und Rosegger, sein Werk wurde jedoch nie Teil des literarischen Kanons. Doch war er selbstbewusst genug, dass er schon zu Lebzeiten bestimmte, dass der Hauptteil seines literarischen Nachlasses ins Goethe- und Schillerarchiv nach Weimar gehen sollte. Ein Teilnachlass ist aber noch in Innsbruck verblieben und liegt als Leihgabe des Ferdinandeums im Brenner-Archiv.
Die Aufgabe, Texte von Pichler zu publizieren, schien auf den ersten Blick ganz leicht zu sein. Denn posthum ist von 1905-1909 eine 17-bändige Werkausgabe im renommierten Georg Müller Verlag in München erschienen. Doch mit den darin edierten Texten kann man nicht zufrieden sein. Diese Ausgabe – übrigens ohne Kommentar, geschweige dass sie einen kritischen Apparat enthielte – hat Pichler ins 20. Jahrhundert hinüberzuretten versucht. Diese über die Jahre entstandene Werkausgabe übernahm dann die seit 1901 geltende große Rechtschreibreform: Damit verbunden sind sprachliche, stilistische und grammatikalische Glättungen. Ebenso verschwinden altertümliche Ausdrucks- und Schreibweisen. Diese alte Werkausgabe enthält also keine authentischen Pichler-Texte mehr und vermittelt den Autor paradoxerweise nicht mehr als einen Autor des 19. Jahrhunderts! So hat das Herausgeberteam begonnen, die Erstausgaben zu lesen und sich auf die Suche nach Manuskripten gemacht. Dies erwies sich als schwierig, hat doch Pichler im Regelfall seine Manuskripte nach der Publikation vernichtet. Er arbeitete aber trotzdem an seinen Texten weiter, mit zunehmendem Alter glättete er selbst manch markige Stelle, oft einem möglichen Eingriff der Zensur vorauseilend, aber wohl auch, weil er einer Vereinnahmung etwa von antiklerikaler und deutschnationaler Seite vermehrt entgegenwirken wollte. Das hier abgebildete ‚Manuskript‘ hat Pichler selbst noch für die Werkausgabe vorbereitet. Es besteht zum größten Teil aus Zeitungsartikeln, einer Serie Allerlei aus Italien, die 1874 in der Wiener Abendpost (Beilage zur Wiener Zeitung) erschienen ist. Dazwischen hat Pichler maschinschriftliche und handschriftliche Seiten eingeschoben und in die Zeitungsausschnitte selbst handschriftlich hineinkorrigiert. Es ist eine erstaunliche Leistung, dass mit diesem ‚Manuskript‘ und der schwer lesbaren Handschrift der umfangreiche Nachlassband Allerlei aus Italien (1906) hergestellt werden konnte. Ein Artikel daraus, betitelt mit Allerlei aus Italien, wurde in diesem Sammelband (Seite 47 bis 57) nach dem vorliegenden Manuskript ediert, der aus den oben erwähnten Gründen stark von der Fassung der Werkausgabe abweicht.

 

Die verlorenen Seelen von Malcesine. Adolf Pichler (1819–1900). Werke und Materialien. Hg. von Johann Holzner, Lenka Schindlerová und Anton Unterkircher. Innsbruck, Wien, Bozen: Studienverlag 2019 (Edition Brenner-Forum 14), 234 S. 

Lexikon LiteraturTirol

 

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