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Credit: © Brenner-Archiv

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Christine Riccabona: Markus Vallazzas „Wolkensteiner“ in der Zeitschrift das Fenster

 

Redaktionsarchiv das Fenster,

Seit 2018 beherbergt das Brenner-Archiv das Redaktionsarchiv der Tiroler Kulturzeitschrift das Fenster (1967-2001). Die begonnene Bearbeitung des Bestandes bietet seither die Möglichkeit, die kulturgeschichtliche Bedeutung der Zeitschrift näher zu erforschen. Darüberhinaus veranlasst uns das Sichten, Verzeichnen und Erschließen der Materialien immer wieder, einzelne interessante Beiträge, Themen, Kuriositäten und wertvolle Besonderheiten der Zeitschrift anhand der Materialien ins Blickfeld zu rücken. Derzeit bietet eine Vitrinenausstellung erstmals kursorische Streiflichter auf die Materialien des Redaktionsarchivs.

Die Fotografie einer Radierung von Markus Vallazza, die den Künstler bei der Arbeit und einem Glas Wein mit dem mittelalterlichen Barden Oswald von Wolkenstein zeigt (siehe Abbildung), ist eine von rund 30 Fotografien, die Kristian Sotriffer für seinen Beitrag in das Fenster Nr. 12/1973 gemacht hat. Die hier abgebildete Radierung hat den Titel Markus und der Wolkensteiner und sie gehört zu jenem aus 25 Radierungen bestehenden Zyklus Oswald von Wolkenstein, der wohl Vallazzas bedeutendstes Frühwerk ist. Markus Vallazza, der seit 1962 in Sammel- und Einzelausstellungen in Österreich und Italien präsent war, stand mit Sotriffer seit 1970 in Kontakt. Es entwickelte sich alsbald eine bis zu Sotriffers Tod (2002) anhaltende Verbindung, in der über das Freundschaftliche hinaus oftmals auch widerstreitende, aber nichts desto weniger für beide wichtige Diskussionen über kunstästhetische Fragen stattfanden. Sotriffer wandte sich im Frühjahr 1973 an Wolfgang Pfaundler mit dem Angebot, in das Fenster einen „größeren Beitrag über Markus Vallazza und Oswald von Wolkenstein“[i] zu veröffentlichen, für den er sich vorsorglich eine „großzügiges (Raum-) Angebot“[ii] erbat, das ihm von Pfaundler auch gewährt wurde: Er druckte Abbildungen der 25 Radierungen sowie begleitender Vorarbeiten und Zeichnungen und den vollständigen Begleittext Sotriffers. Das originale Mappenwerk dieses Wolkensteiner-Zyklus‘, das in der Edition Tusch in limitierter Auflage im selben Jahr erschienen ist[iii], konnte so einem größeren Publikum bekannt gemacht werden.

Den über drei Jahre andauernden Arbeitsprozess an diesen Radierzyklus hat der Kunstkritiker der Presse Kristian Sotriffer, der auch Vermittler, Förderer und Freund des Künstlers war, begleitet. Kristian Sotriffer bleibt über die Jahre überzeugt, dass Vallazza „im radierten Werk zur eigentlichen Fülle und Festigkeit gereift ist“. Die Radierung erweise sich für Vallazza „als die seiner Spontaneität mit Präzision zu verbinden suchenden, realistisch-imaginären Ausdrucksweise am adäquatesten.“ (Edition Tusch 1984) 
Es mag unter anderem auch der gemeinsame Herkunftsraum gewesen sein (die Familie von Sotriffers Vater stammte wie Markus Vallazza aus dem Grödnertal), der Affinitäten und eine Art gegenseitiger Anziehung bewirkte. Sotriffer begleitete und beobachtete Vallazzas Arbeit, schrieb Besprechungen und Katalogbeiträge. Sotriffer war von den Zeichnungen Vallazzas, die Anfang der 1970er Jahre zur Legende Eisenhand, (ladnisch Man de fyér) so beeindruckt , dass er Vallazza zur weiteren Auseinandersetzung mit den Liedern Oswald von Wolkensteins motivierte. Das Ergebnis ist 1973 eben jenes im Fenster vorabgedruckte Mappenwerk, das in der Graphikreihe der Edition Tusch erschienen und mit jenem begleitenden Essay von Sotriffer versehen ist. 
In diesem Begleittext erläutert Sotriffer das Werk in der für ihn typischen Form eines literarischen Essays. Er erzählt den in den Radierungen erschlossenen Mythos nach, verortet Lebensstationen des Wolkensteiner, vermittelt historische Details aus Quellen und Überlieferungen, streut literarische Nachdichtungen in seinen Text – kurzum: Sotriffer bildet das historische, ideengeschichtliche mythologische Fundament der Oswald-Sage begleitend zu den Bildern Vallazzas ab. 
In der Zeitschrift alte und moderne kunst, für die Sotriffer regelmäßig Beiträge verfasste, gab es die Reihe Künstlerprofile. Sotriffer vermittelte darin 1973 sein Porträt von Vallazza ganz unmittelbar: „Markus zeichnet, wie er lebt, und er lebt zeichnend. […] Er scheint nichts zu vergessen, was er je einmal gesehen hat – und vergisst doch wieder alles, wenn er zeichnet, weil es ein Teil seiner selbst geworden ist“.[iv]
Sotriffer verfasste in den folgenden Jahren mehrere Artikel und Essays zu den Werken Vallazzas, zuletzt 1994 zu einem Band mit Dolomitenradierungen: Jenseits der Baumgrenze. Motive aus den Dolomiten, herausgegeben von Otto Breicha. Sotriffer nähert sich den 15 auf Aluminium und Zink radierten Landschaftsmotiven nahezu literarisch und bringt Vallazzas Arbeit einmal mehr mit dem uralten Sagenschatz der Dolomiten in Verbindung: „Er filtert die Essenz dessen heraus, was das Verwunschene dieses Steinlebens bestimmt (…). Etwas von den darin zu findenden Träumen und Verheißungen wird auch den Künstler begleitet haben.“[v]
Im Sommer 2002, in Sotriffers letzten Lebensjahr, zeichnete Vallazza ein Porträt des langjährigen Weggefährten und schrieb nach dessen Tod im Dezember 2002 einen sehr persönlich gehaltenen Nachruf. Am Ostersonntag dieses Jahres verstarb Markus Vallazza im Alter von 82 Jahren. Zuletzt hatte er noch Radierungen für den Erinnerungsband über Kristian Sotriffer, der im Herbst dieses Jahres erscheinen soll, zur Verfügung gestellt. Vallazza zählt zu den international renommierten Grafikern und Künstlern seiner Generation. Einen Überblick über sein Radierwerk von 1966 bis 2006 geben zwei umfangreiche Bände im Folio-Verlag.

Christine Riccabona 

 

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[i] Korrespondenz Kristian Sotriffer an Wolfgang Pfaundler, 4.2.1973, Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Redaktionsarchiv „das Fenster“, Verzeichnis in Bearbeitung.
[ii] Ebenda.
[iii] Oswald von Wolkenstein. 25 Radierungen. Mit Liedern des Dichters und einem einleitenden Essay von Kristian Sotriffer. Edition Tusch, Wien 1973.
[iv] Kristian Sotriffer: Markus Vallazza. In: alte und neue kunst 126, 1973 (Künstlerprofile), S. 36.
[v] Kristian Sotriffer: Markus Vallazza: Jenseits der Baumgrenze. Motive aus den Dolomiten. Hg. Otto Breicha. Wien, Salzburg, 1994.
 

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