Familie Wittgenstein

Kultur und Ethos der Familie Wittgenstein

Ausgehend vom Nachlass Margaret Stonborough-Wittgenstein besteht das Ziel des Projekts in der wissenschaftlichen Erschließung der sozio-kulturellen Beziehungen von vier Generationen der Familie Wittgenstein. Aus den im Nachlass befindlichen Briefen, Tagebüchern und der von Hermine Wittgenstein verfassten Familienchronik soll insbesondere ethischen und ästhetischen Aspekten nachgegangen werden, die die Familie Wittgenstein in ihrer Lebensweise, ihren Interessen und Tätigkeiten prägten.

Durch den dem Forschungsinstitut Brenner-Archiv seit dem Jahre 2009 zur Verfügung stehenden Nachlass von Margaret Stonborough/Wittgenstein hat sich die Möglichkeit zu einem Forschungsprojekt eröffnet, das unter den Aspekten Kultur und Ethos der Familie Wittgenstein bearbeitet wird. Es handelt sich dabei um ein umfangreiches Konvolut von 600, bisher fast zur Gänze unbekannten Briefen, die sich über vier Generationen der Familie erstrecken, weiters um Tagebuchaufzeichnungen Karl Wittgensteins und seiner Töchter Hermine und Margaret, sowie um die Familienerinnerungen von Hermine Wittgenstein.
Bei Einsicht der Materialien hat sich nicht nur der hohe kulturgeschichtliche Wert hinsichtlich der nun belegten vielfältigen soziokulturellen Kontakte der Familie gezeigt, sondern auch eine neue Forschungsperspektive hinsichtlich des Philosophen Ludwig Wittgenstein eröffnet. Im Gegensatz zum bisher erfassten Briefwechsel Ludwig Wittgensteins mit seiner Familie (von und an Ludwig Wittgenstein) geht es nun um den Briefwechsel innerhalb der Familie, wobei Ludwig selbst weder angesprochen wird noch zum Sprechen kommt, sondern nur aus dem Blickwinkel seiner Eltern und Geschwister, somit von außen, wenngleich nicht aus Distanz, betrachtet wird. Damit kommt nicht nur die Sicht der Familie auf ihn, sondern auch seine „besondere“ Stellung innerhalb der Familie deutlich zum Ausdruck – eine Sicht, die für die Wittgenstein-Forschung neue Erkenntnisse erwarten lässt, dies nicht nur in biographischer, sondern auch in philosophischer Hinsicht. Das betrifft vor allem die im Zentrum des Projekts stehenden Aspekte von Kultur und Ethos bzw. Ästhetik und Ethik. Diese waren der Familie  offensichtlich ein wesentliches Anliegen und lassen sich auch in Wittgensteins Philosophie als lebenslange Komponente verfolgen. Darüber hinaus sind Begriffe wie „Identität“, „Familienähnlichkeit“, „Sprachspiel“ und „Lebensform“ im Hinblick auf die Wittgensteinsche Familienstruktur zu erforschen.
Die Relevanz des Projekts besteht somit in mehrfacher Hinsicht – in kulturwissenschaftlicher, historischer und in philosophischer Hinsicht, wobei im Mittelpunkt die Familie Wittgenstein als Paradigma für eine außergewöhnliche Familie steht, die sich durch mannigfaltige Tätigkeiten im sozialen und kulturellen Bereich mit dem Anspruch eines hohen Ethos auszeichnete. Deren geistiges Erbe durch die wissenschaftliche Bearbeitung der vorliegenden Materialien im Hinblick auf eine Edition in Erinnerung zu rufen und zu bewahren ist Ziel des Projekts.  

Die aus Text, Kommentar, Bildteil und wissenschaftlicher Analyse bestehende Edition soll in vier Teilen erscheinen:
1. Die Familienerinnerungen der Hermine Wittgenstein. (abgeschlossen, erscheint am 10. November 2015 bei Haymon)
2. Wissenschaftliche Analyse.
3. Eine Auswahl an Briefen aus vier Generationen.
4. Die Tagebücher von Karl und Hermine Wittgenstein sowie von Margaret Wittgenstein/Stonborough.

Hochzeit Familie Wittgenstein

 Silberhochzeit von Karl und Leopoldine Wittgenstein.

Ad. 2: Wissenschaftliche Analyse:
Nach Erscheinen der Familienerinnerungen soll als nächster Band die unter dem Titel Ethos und Kultur der Familie Wittgenstein stehende wissenschaftliche Analyse sein:
Diese kann als eine Fortsetzung eines von Cecilia Sjögren angestrebten Projekts gesehen werden, dessen Ausarbeitung durch ihren frühen Tod nicht weiter verfolgt werden konnte. Allerdings legte Cecilia Sjögren eine Sammlung von Fotos, Briefen und Texten der Familie Wittgenstein an, die als Grundlage für weitere Forschungen über die sozio-kulturellen Beziehungen der Familie (deren maßgebliche Förderungen von Kunst und Wissenschaft wie z.B. der Wiener Secession und Wiener Werkstätte, der Akademie der Wissenschaften sowie der Schaffung von Krankenhäusern) herangezogen werden können.
Dazu kommen die oben erwähnten, nunmehr im Forschungsinstitut Brenner-Archiv befindlichen  Materialien aus dem Nachlass Margaret Stonborough/Wittgenstein hinzu. Aus diesem Bestand sollen Querverbindungen zu weiteren Briefen der Familie Wittgenstein sowie zu Ludwig Wittgensteins philosophischem Nachlass die im Zentrum des Projekts stehenden Aspekte des geistig-kulturellen Erbes beleuchten und dabei neue Erkenntnisse in ethischer und ästhetischer Hinsicht gewonnen werden.

 
Projektleitung und Projektbearbeiterin: Dr. Ilse Somavilla
Kooperationspartner: Pierre Stonborough, Wien.
Finanzierung: Der erste Teil – Hermine Wittgensteins Familienerinnerungen – wurde für ein Jahr von Nachkommen der Familie Wittgenstein finanziert.

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