Heinrich von Trott zu Solz

Digitalisierung des Nachlasses von Heinrich von Trott zu Solz

Die Digitalisierung des gesamten Nachlasses von Heinrich von Trott zu Solz (1918–2009) schafft die Grundlage für ein in Planung befindliches internationales und interdisziplinäres Forschungsprojekt.

Projektdauer: Juni 2018 bis Ende 2019

 

Förderkreis „1669 – Wissenschafft Gesellschaft“ der Universität Innsbruck

 

Nachlass Heinrich von Trott zu Solz

 

Heinrich von Trott zu Solz, 2007

Heinrich von Trott zu Solz (1918–2009) entstammt einem alten hessischen Adelsgeschlecht und ist der jüngste Sohn des Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau und ehemaligen preußischen Kultusministers August von Trott und der Eleonore von Schweinitz. In der evangelischen Klosterschule in Ilfeld gründet er 1932 den illegalen NS-Schülerbund, in dem er sich gegen das Spießertum engagieren will. Schon 1934 geht Trott – wie man aus den Tagebuchstellen deutlich sieht – Schritt für Schritt auf Distanz zum nationalsozialistischen Regime. Wesentlich geprägt wird Heinrich von Trott von seinen zwei älteren Brüdern Werner und Adam. Werner ist 1932 zusammen mit Wilhelm Kütemeyer Mitbegründer der gegen den Nationalsozialismus gerichteten Zeitschrift Der Sumpf, an der auch die ehemaligen Brenner-Mitarbeiter Carl Dallago, Josef Leitgeb und Friedrich Punt mitarbeiten. Adam wird 1944 wegen seiner Mitbeteiligung am Stauffenberg-Attentat hingerichtet. Bei drei so starken und verschiedenen Charakteren kommt es zwischen den Brüdern immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen.

Heinrich von Trott zu Solz mit Ralph Giordano, 2002

Auch Ludwig von Ficker versucht einmal zwischen Heinrich und Adam wegen dessen vermeintlicher Angepasstheit an das nationalsozialiste System zu vermitteln. Heinrich von Trott orientiert sich nun an seinem Bruder Werner und macht sich in Verbindung mit Kütemeyerals auf die Suche nach Verbündeten im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Eine Zeitschrift zu gründen (eine Art Fortsetzung des Sumpf) gelang ebenso wenig, wie Ernst Jünger als Mitarbeiter dafür zu gewinnen. Trotts Besuch hingegen spiegelt sich in Jüngers Buch Auf den Marmorklippen (1939). Weitere Kontakte entstehen u.a. zu Reinhold Schneider und 1939 zu Ludwig von Ficker, der 1942 Trotts Konversion zum Katholizismus begleitet. 1940 versucht Trott zusammen mit seinem Bruder Werner und den Brüdern Wilhelm und Martin Kütemeyer den Brenner als Widerstandszeitschrift zu reaktivieren, was Ficker ablehnt, da er selber – obwohl die Zeitschrift verboten worden ist – die Hoffnung auf eine eigenständige Weiterführung nicht aufgeben will.

Heinrich von Trott: Tagebuch, 1941

1940–1944 wird Trott an der Front eingesetzt, zunächst in Russland. Später kommt Heinrich nach Holland, 1944 nach Frankreich, wo er desertiert – wenige Tage vor Adams Hinrichtung. Er kommt in verschiedene Gefangenenlager in Frankreich, zuletzt nach Ascot in England, in dem deutsche Regime-Gegner zusammengefasst werden. Die Desertion ist wohl die schwerste Entscheidung in seinem Leben, denn hier geht es um die Infragestellung von den traditionellen und auch in seiner Familie hochgehaltenen Auffassungen der Begriffe Ehre, Pflichterfüllung und Gehorsam. Nach Kriegsende baut sich Trott mit Forstwirtschaft und Sägewerk, das er bis Mitter der 1980er Jahre betreibt, eine eigene Existenz auf. Er hält aber weiterhin engen Kontakt mit Künstlern und Intellektuellen und ist 1947/48 Mitorganisator und Sekretär der Gesellschaft Imshausen, die mit dem Potential der Widerstandsbewegung einen Neuaufbau Deutschlands versuchen will.

 

Heinrich von Trott zu Solz mit Schülern, um 2000

Heinrich von Trott mit Schülern, um 2000

 

Heinrich von Trott zu Solz, 1938

Der Nachlass Heinrich von Trott gelangte im Wege der Schenkung 2017 an das Brenner-Archiv. Die archivarische Bearbeitung wurde im Juni 2018 abgeschlossen, das Material in 36 Kassetten abgelegt. Er besteht zum größeren Teil aus Korrespondenzen, u.a. mit Heinrich Böll, Wilhelm Kütemeyer, Walter Warnach, aber auch mit Familienmitgliedern, etwa Adam und Werner von Trott, enthält aber auch wichtige Dokumente, Tagebücher und Materialien aus der Kriegszeit und Kriegsgefangenschaft und von der Gesellschaft Imshausen. Da es eine weitverzweigte Familie in Deutschland gibt, war von Anfang an eine Digitalisierung des gesamten Bestandes angedacht. Doch bei weitem wichtiger ist diese Zugänglichmachung für ein geplantes wissenschaftliches Projekt, das diesen Bestand erforschen soll. Da ein solches Projekt von vornherein interdisziplinär angelegt werden muss und diese Spezialisten nicht alle nach Innsbruck kommen können, gewinnt die optimale digitale Aufbereitung besonderes Gewicht.

Brief von Heinrich von Trott zu Solz an Hertha Vogelstein, 1963

Für die Erforschung des Bestandes braucht es Kulturwissenschaftler, Historiker, Politikwissenschaftler, Literaturwissenschaftler und Theologen. Denn gerade in Sachen des Glaubens – zumal in der Ausgesetztheit des Krieges – bieten diese Materialien ein spannendes Forschungsfeld. Warum spielt Ficker mit seinem zunehmend katholischer werdenden Zeitschriftenunternehmen da eine so wichtige Rolle? Und wie hängt die Glaubensfrage  mit dem Widerstand zusammen, wie verträgt sich damit die adelig-konservative Herkunft, wie geht das Alles mit dem Liebäugeln mit dem Sozialismus zusammen? 

 

 

Literatur:
Michaela Seul: Ein aufrechtes Leben. Heinrich von Trott zu Solz. Mit einem Geleitwort von Ralph Giordano und einem Nachwort von Hartmut Mehringer. Mit 22 Abbildungen. München: Herbig 2007
Wolfgang M. Schwiedrzik: Träume der ersten Stunde. Die Gesellschaft Imshausen. Berlin: Siedler 1991
Anton Unterkircher: Ich hab gar nichts erreicht. Carl Dallago 1869–1949. Innsbruck: Studienverlag 2013 (Edition Brenner-Forum 9)

 

Kontakt: Markus EnderAnton Unterkircher

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