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SCHNELL GENAU UMFASSEND
Kapitel 8
Wir haben bereits mit dem Sachenrecht Bekanntschaft gemacht und Eigentum, Besitz und Innehabung begrifflich voneinander geschieden → KAPITEL 3: Abgrenzung: Besitz ¿ Eigentum. Dort wurde auch die für den Erwerb dinglicher Rechte grundlegende Lehre von Titel und Modus besprochen. Hier ist daran zu erinnern, dass es für den gültigen Erwerb dinglicher Rechte, zB des Eigentums an einer Liegenschaft, nach der Lehre von Titel und Modus (§§ 380, 431 ABGB) der Eintragung ins Grundbuch bedarf. Eigentums- und Besitzerwerb gehen demnach grundsätzlich Hand in Hand. – Hier wollen wir uns aber vornehmlich dem Sachenrecht vom Grundsätzlichen her nähern, dh sein Wesen, seine Aufgabe und Funktionen betrachten (A.I.), um anschließend das Eigentum als zentrales Rechtsinstitut des Sachen- und des Privatrechts kennenzulernen (A.II.-VIII.). Anschließend wird auf Sonderprobleme, nämlich Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung (B.), Gutglaubenserwerb und Doppelverkauf (C.), die Lehre vom Rechtsobjekt (D.), die Dienstbarkeiten und Reallasten (E.) sowie das Baurecht (F.) eingegangen.
Überblick
A. Grundgedanken des Sachenrechts
I. Recht der Sachgüterzuordnung
Dem Sachenrecht kommt innerhalb des Privatrechts, ja der gesamten Rechtsordnung eine zentrale Ordnungsaufgabe zu, die gerne übersehen wird, zumal diese bedeutende gesellschaftliche Leistung vom (Privat)Recht mit großer Zurückhaltung erbracht wird. – Das Sachenrecht trägt dadurch in hohem Maße zum Entstehen des Rechtswertes „Rechtssicherheit” bei.
Sachenrecht erzeugt Rechtssicherheit
Literaturquelle
1. § 308 ABGB: Dingliche Sachenrechte
Das Sachenrecht fasst die dinglichen Rechte zusammen; § 308 ABGB formuliert:
„Dingliche Sachenrechte sind das Recht des Besitzes, des Eigentums, des Pfandes, der Dienstbarkeit und des Erbrechts.”
Diese Definition wird heute mehrfach berichtigt: Einerseits wird der Besitz nicht mehr als dingliches Recht verstanden (→ KAPITEL 3: Zum Besitzbegriff) und zum andern das Erbrecht nicht als dingliches, sondern nur als absolutes Recht → KAPITEL 17: Einweisung in die Erbschaft ¿ Das Verlassenschaftsverfahren . – Die folgende Folie gibt einen ersten Überblick über das Eigentum (als dingliches Vollrecht) und seine Ausführungen sowie die beschränkten dinglichen Sachenrechte.
Korrekturen


Arten der Sachenrechte: Überblick
Abbildung 8.1:
Arten der Sachenrechte: Überblick


Dingliche Rechte
Abbildung 8.2:
Dingliche Rechte
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2. Das Eigentum als dingliches Vollrecht <-> Beschränkte dingliche (Sachen)Rechte
Dingliche Rechte gewähren eine unmittelbare Sachherrschaft; das gilt für das Eigentum wie die beschränkten dinglichen Sachenrechte. Und dies meint: Das Sachenrecht besteht ohne Dazwischentreten anderer Personen wie zB beim Kauf, wo dem Käufer nur ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Verkäufer auf Lieferung des Kaufgegenstands, nicht aber ein unmittelbares Recht daran, eingeräumt wird.
Unmittelbare Sachherrschaft
Zur Unterscheidung ius in re (Recht an einer Sache selbst: Sachenrecht) und ius ad rem (Recht auf eine Sache: Schuldrecht) → KAPITEL 1: Dingliche Rechte und Forderungsrechte. Diese Unterscheidung ist auch dem römischen Recht noch fremd und geht auf die Glossatoren (Ende 11./12. Jhd) zurück.
Eigentum ist das dingliche Vollrecht an einer Sache. Das heißt: Die mit dem Eigentumsrecht inhaltlich verbundenen Befugnisse müssen nicht erst einzeln aufgezählt werden, weil sie grundsätzlich alle in einer Rechtsordnung anerkannten Rechte an einer Sache umfassen.
Dingliches Vollrecht
Zur historischen Entwicklung → Vom Gemeinschafts- zum Individualeigentum – Zu den Schranken und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums → Schranken des Eigentums und → Sozialpflichtigkeit des Eigentums
Alle anderen dinglichen Sachenrechte sind demgegenüber bloße Abspaltungen oder Teile dieses umfassenden dinglichen Vollrechts; zB das Pfandrecht oder die Servituten. Man bezeichnet diese Abspaltungen vom Vollrecht als beschränkte dingliche Rechte.
Beschränkte dingliche Rechte
Das Vollrecht lebt wieder auf, wenn die rechtliche Beschränkung – zB durch eine Servitut oder ein Pfandrecht – wegfällt; sog Flexibilität des Eigentums. Vgl etwa § 469 ABGB: Sog Verfügungsrecht des Eigentümers nach Rückzahlung der Pfandschuld → KAPITEL 15: Das Pfandrecht als Recht an fremder Sache.
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3. Aufgabe des Sachenrechts
Aufgabe des Sachenrechts ist es, Sachen – bewegliche wie unbewegliche, körperliche wie unkörperliche, also Vermögensobjekte rechtlich erkennbar und verlässlich an Rechtssubjekte zuzuordnen; an natürliche und juristische Personen. Das Sachenrecht ist demnach das Recht der Sachgüterzuordnung. Diese Zuordnung muss klar und für andere erkennbar erfolgen, weil nur so Gewähr besteht, dass die jeweilige Rechtsposition (sachenrechtlich Berechtigter) von anderen, die damit in Berührung kommen, respektiert werden kann. Dazu kommt, dass Gläubiger in Bezug auf die sachenrechtliche Zuordnung von Rechtsobjekten, die ihrer Sicherheit dienen, nicht getäuscht, sondern in ihren berechtigten Interessen geschützt werden sollen.
Recht der Sachgüterzuordnung
Daher muss die Pfandsache, wenn sie eine bewegliche körperliche ist, wirklich übergeben werden – sog Faustpfandprinzip (→ KAPITEL 2: Die rechtliche Erwerbungsart: Modus traditio), weil nur dieser Publizitätsakt sicherstellt, dass der Pfandgläubiger ein gültiges und verwertbares Pfandrecht erwirbt. – Zum sog Afterpfand: §§ 454, 455, 460 ABGB. – Deshalb entstehen Hypotheken nur durch Eintragung ins Grundbuch → KAPITEL 2: Das Grundbuch.
Der Besitz (→ KAPITEL 3: Die Funktion des Besitzes) unterstützt das Sachenrecht bei der Erfüllung seiner Aufgaben ganz wesentlich indem er die durch das Sachenrecht zuzuordnenden Sachen an Rechtssubjekte faktisch zuordnet, während die Sachenrechte diese Zuordnung rechtlich vornehmen. Der Besitz schafft dadurch die Voraussetzungen – auf ihm aufbauender – rechtlicher Zuordnung. – Darin liegt die Bedeutung des Besitzes, der deshalb auch als bloße Tatsache rechtlich geschützt wird. Das ABGB erblickte – wie erwähnt – im Besitz noch ein dingliches Sachenrecht; § 308 ABGB.
Besitz: faktischer Sockel des Sachenrechts
So wie die im Anschluss zu besprechenden Sachenrechtsprinzipien funktional das Sachenrecht bei seiner Aufgabe der Sachgüterzuordnung unterstützen, fördert auch die dem korrekten Erwerb dinglicher Rechte dienende Lehre von Titel und Modus dieses Ziel → KAPITEL 2: Die Lehre von Titel und Modus. Dieses alte auf das römische Recht zurückgehende Konzept will einen rechtsinhaltlich nachvollziehbaren Erwerb dinglicher Rechtspositionen erreichen und orientiert sich dabei auch an Gerechtigkeitsüberlegungen.
Sachenrechtsprinzipien


SachR: Recht der Sachgüterzuordnung
Abbildung 8.3:
SachR: Recht der Sachgüterzuordnung


Aufgaben des Sachenrechts (1)
Abbildung 8.4:
Aufgaben des Sachenrechts (1)


Aufgaben des Sachenrechts (2)
Abbildung 8.5:
Aufgaben des Sachenrechts (2)
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4. Rechtsprinzipien des Sachenrechts
Aus der geschilderten rechtlichen Funktion ergeben sich – gleichsam aus der „Natur der Sache” – bestimmte Rechtsprinzipien des Sachenrechts:
Dingliche Rechte haften an der Sache, an der sie bestehen. Man sagt, sie gewähren eine unmittelbare Sachherrschaft. Dingliche Rechtsbeziehungen sind von hoher Intensität, Festigkeit und Dauer. Das zeigt sich ua daran, dass sie nur ausnahmsweise, also bei weitem nicht so leicht wie Schuldrechte (einseitig) beendet werden können. Dazu → Beendigung von Servituten
Dinglicher Charakter
Zu sonstigen Vorzügen dinglicher Rechte → KAPITEL 15: Dingliche und obligatorische Sicherheiten.
Sachenrechte wirken rechtlich nicht nur (wie Schuldrechte) gegenüber bestimmten Personen, sondern gegen alle, oder wie man sagt: gegenüber Jedermann. – Das Eigentum einer Person – etwa das aus einem Kaufvertrag (durch Übergabe) erworbene – ist von allen Menschen zu respektieren, und nicht etwa nur vom Verkäufer; vgl § 354 letzter HalbS, § 366 und § 472 Satz 2 (Servituten) ABGB.
Absolute Wirkung
Im Gegensatz dazu wirken schuldrechtliche Beziehungen grundsätzlich nur zwischen den beteiligten Parteien, also etwa zwischen Verkäufer und Käufer; man sagt daher, das Schuldrecht wirke relativ, dh nur zwischen den Parteien (= inter partes) eines Vertrags.
Schuldrecht wirkt inter partes
Auch die sog Immaterialgüterrechte (Urheber-, Patent-, Marken-, Musterschutzrecht) entfalten, obwohl keine dinglichen Rechte, absolute Wirkung. Ja sie gewähren, dem Vorbild des Sachenrechts folgend, dem Rechtsträger auch Priorität; vgl etwa § 43 PatG, § 23 Abs 1 MarkG, § 19 MuSchG. – Sie nehmen daher eine Mittelstellung zwischen dem Schuld- und Sachenrecht ein. Mehr zu den Immaterialgüterrechten SIEHE... (Lercher)
Die absolute Wirkung der Sachenrechte setzt ihre Erkennbarkeit voraus. Sachenrechtliche Rechtspositionen müssen daher für andere / Dritte einsichtig sein, was vor allem für die Übertragung, also den Erwerb von Sachenrechten (Eigentum, Pfandrecht, Servituten etc.) Bedeutung hat. Daher gibt es eigene Übertragungsregeln; zB für bewegliche Sachen: § 426 ABGB (körperliche Übergabe), § 427 ABGB (Übergabe durch Zeichen = symbolische Übergabe), § 428 ABGB dagegen unterläuft zum Teil den Publizitätsgrundsatz mit der darin geregelten Übergabe durch Erklärung → KAPITEL 2: Übergabe durch Erklärung.
Publizität
Problematisch ist hier vor allem das Besitzkonstitut (§ 428, 1. Fall ABGB), weil dabei keine nach außen hin erkennbare Veränderung der Sachgüterzuordnung erfolgt, während bei der Übergabe kurzer Hand und der Besitzanweisung eine Veränderung der nach außen hin erkennbaren Sachgüterzuordnung bereits vor der angestrebten Rechtsänderung stattgefunden hat.
Durchbrochen wird das Publizitätsprinzip auch beim Eigentumsvorbehalt; dazu → Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel Streng gehandhabt wird dieser Grundsatz aber bei der Pfandrechtsbegründung an beweglichen Sachen; sog Faustpfandprinzip: Pfandrechtsbegründung durch Besitzkonstitut ist danach untersagt → KAPITEL 2: Übergabe durch Erklärung. – Für Liegenschaften (unbewegliche Sachen) wird der Publizitätsgrundsatz ebenfalls streng durchgeführt: Eigentumserwerb setzt daher grundsätzlich Grundbuchs-Eintragung / Verbücherung / Intabulation voraus; vgl § 431 ABGB. § 451 ABGB regelt das Pfandrecht an Liegenschaften, § 381 ABGB den Erwerb von Servituten. – Man kann daher sagen: Was die Übergabe der §§ 426 ff ABGB für bewegliche Sachen ist, ist die Verbücherung für Liegenschaften, was insbesondere auch für Hypotheken (Liegenschaftspfand) gilt.
Durchbrechungen des Publizitätgrundsatzes
Vgl aber auch die publizitätsmäßig konsequente Regelung der §§ 430, 440 ABGB: Doppelverkauf → Der sog Doppelverkauf
Rechtsgeschichtlich stammt der Publizitätsgedanke im Sachen- und hier vor allem wiederum im Liegenschaftsrecht und Pfandrecht – aus dem antiken Griechenland und dem alten dtRecht, während das römische Recht insbesondere im Pfandrecht keinen hohen Entwicklungsstand erreicht hat.
Literaturquelle
Numerus clausus der Sachenrechte: Um die Überschaubarkeit der Sachenrechte zu gewährleisten, und damit die Sachgüterzuordnung effizient (!) zu machen, kennt das Gesetz nur eine beschränkte Anzahl von Sachenrechten. Der Rechtsverkehr kann sich nur der gesetzlich geregelten Sachenrechtsinstitute bedienen. Im Gegensatz zum Schuldrecht, können die Parteien des Rechtsverkehrs keine neuen Sachenrechtsinstitute „erfinden” oder bestehende kombinieren.
Typenzwang
Die wichtigsten dinglichen Sachenrechte sind:
• Eigentum, Pfandrecht, Servituten, Reallasten und
• eigentumsähnliche Rechte, wie das Baurecht;
• darüber hinaus kennt § 9 GBG verbücherbare obligatorische Rechte; zB das Vorkaufsrecht → KAPITEL 2: Das Vorkaufsrecht.
Rechtspolitisch könnte heute ernsthaft überlegt werden, den Kanon der Sachenrechte moderat zu erweitern, was das EDV-Grundbuch vertragen würde. So könnte bspw, einem Vorschlag H. Klangs aus dem Jahre 1947 folgend, ein neues dingliches (veräußerliches und vererbbares) Wohnungsrecht geschaffen werden. Darüber hinaus könnte erneut die Möglichkeit überlegt werden, Stockwerkeigentum zu begründen, wozu die Aufhebung des Gesetzes von 1879 nötig wäre. Zu denken wäre ferner an ein neues, im ABGB anzusiedelndes Bauhandwerkerpfandrecht, das als Sach- oder Realhaftung geschaffen werden könnte. Überhaupt sollte auch bei uns künftig die Möglichkeit bloßer Sachhaftung geschaffen werden, wie in Deutschland die Grundschuld und in der Schweiz die Gült. Darüber hinaus konnte verstärkt an die Möglichkeit von Registerpfandrechten gedacht werden usw.
Neue Sachenrechte?
Literaturquelle
Der Typenzwang beschränkt also die Anzahl und den Inhalt der Sachenrechte. Dies entspricht der erhöhten rechtlich-gesellschaftlichen Ordnungsfunktion des Sachenrechts. – Dieser Gesichtspunkt gilt auch für das Familien- und Erbrecht, die ebenfalls einen Typenzwang kennen; dazu → KAPITEL 5: Gestaltungs- oder Inhaltsfreiheit.
Sachenrechte bestehen und können grundsätzlich nur an bestimmten / speziellen, genau bezeichneten Sachen begründet werden. – Zudem muss der Rechtsinhalt des jeweiligen Sachenrechts klar umschrieben sein. Das spielt eine besondere Rolle beim Pfandrecht.
Spezialität
Vgl daher § 14 Abs 1 GBG: „Das Pfandrecht kann nur für eine ziffernmäßig bestimmte Geldsumme eingetragen werden ...” oder § 12 Abs 1 GBG: „Bei Dienstbarkeiten und Reallasten muss Inhalt und Umfang des eingetragenen Rechts möglichst bestimmt angegeben werden ...”
Inhalt und Umfang von Servituten oder Reallasten ergeben sich aus dem Titelgeschäft, zB dem Servitutsvertrag.
Interessante Ausnahmen vom pfandrechtlichen Spezialitätsprinzip stellen Höchstbetrags- und Simultanhypothek dar → KAPITEL 2: Ausnahmen vom Spezialitätsgrundsatz.
Das Schuldrecht kennt grundsätzlich keinen Vorrang älterer Rechte vor jüngeren. Anders das Sachenrecht, das dem deutschrechtlichen Grundsatz folgt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst oder: prior tempore, potior iure.
Priorität
Ein Schuldner kann daher, mag das seinen Gläubigern auch missfallen, jüngere Schulden zuerst begleichen. Nicht dagegen zB im Hypothekenrecht, wo strenge Priorität gilt → KAPITEL 2: Prioritätsgrundsatz und Rangprinzip. Vgl aber zB auch die Regelungen der §§ 430, 440 ABGB → Der sog Doppelverkauf


Prinzipien des Sachenrechts (1)
Abbildung 8.6:
Prinzipien des Sachenrechts (1)


Prinzipien des Sachenrechts (2)
Abbildung 8.7:
Prinzipien des Sachenrechts (2)
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5. Vergleich von Schuld- und Sachenrecht
Insgesamt lässt sich mit Gschnitzer zu Bewertung und Vergleich von Schuld- und Sachenrecht sagen:
„So wichtig das Schuldrecht ist, tritt es im täglichen Leben hinter dem Sachenrecht zurück. Eine primitive Wirtschaft könnte zur Not ohne ausgefeiltes Schuldrecht, nicht ohne – das geschichtlich ältere – Sachenrecht auskommen.”
Das Sachenrecht zählt mit dem Familienrecht zu den ältesten Schichten des Privatrechts. Es ist deutlich älter als das Schuldrecht. – Noch vor dem Schuldrecht entwickelte sich auch das Erbrecht, das sich auf den Grundlagen des Familienrechts entwickelt hat. Der älteste Teil des Schuldrechts sind seine deliktischen Teile, die deutlich älter als das Vertragsrecht sind. Das frühe Deliktsrecht – das auch Blutrecht genannt wird – bestand aus einer Gemengelage von – wie wir heute sagen würden – strafrechtlichen, schadenersatzrechtlichen sowie verfahrensrechtlichen Regeln, deren ausschliessliche Zuordnung weder zum öffentlichen noch zum Privatrecht möglich erscheint. – Paradigmatisch ist diese Entwicklung im antiken Griechenland abgelaufen. – Vgl auch die Hinweise zur Entwicklung und Unterscheidung von Schadenersatzrecht und Strafrecht → KAPITEL 9: Zum Verhältnis von Privat- und StrafR: Historische Entwicklung.
Zur rechtshistorischen Entstehung privatrechtlicher Rechtsgebiete
Literaturquelle


Gegenüberstellung: SachenR – Schuldrecht
Abbildung 8.8:
Gegenüberstellung: SachenR – Schuldrecht


Vergleich: SchuldR – SachenR
Abbildung 8.9:
Vergleich: SchuldR – SachenR
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II. Das Eigentum als dingliches Vollrecht
Eigentum bedeutet begrifflich die (vollständige) rechtliche Herrschaft einer Person über eine Sache oder doch einen Sachteil. Inhaltlich ist das Eigentum das zentrale Rechtsinstitut des Sachenrechts. Sehr viele Rechtsinstitute bauen auf ihm auf oder setzen es doch voraus. – Das Eigentum in seinen Erscheinungsformen als Fahrnis- und Liegenschaftseigentum ist für Private ebenso wichtig wie für die Wirtschaft oder den Staat.
Fahrnis- und Liegenschaftseigentum
Wir alle sind EigentümerInnen, wenigstens von beweglichen Sachen. Heute kann man geradezu von einem „Fahrnisreichtum” sprechen (H. Mayrhofer): Autos, Schmuck, Kunstgegenstände, teure Möbel und Einrichtungen (zB Bilder, Teppiche), Kleidung, Sport- oder elektronische Geräte, wie Stereoanlagen, PC- oder Photo- / (Video)Filmausrüstungen etc.
Nicht zu übersehen ist ferner, dass das (Privat)Eigentum Grundlage unserer Wirtschaftsordnung ist, wobei für die Wirtschaft insbesondere das Eigentum an Produktionsmitteln und die damit idR verbundene Verfügungsgewalt über ein Unternehmen zählt. Gemeinsam mit dem Markt als Steuerungsmittel der Wirtschaft und dem Prinzip der Gewinnmaximierung, stellt das Privateigentum die Grundlage des modernen Kapitalismus dar. Zu den Voraussetzungen eines einheitlichen und entwickelten Privatrechtssystems für die Entwicklung moderner Staaten und die Herausbildung moderner Wirtschaftsordnungen → KAPITEL 1: Zur Entstehung des ABGB.
Grundlage unserer Wirtschaftsordnung
Literaturquelle
1. Vom Gemeinschafts- zum Individualeigentum
Literaturquelle
Das Individualeigentum, also das Eigentum von Einzelpersonen, ist verhältnismäßig jung in der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Die Entwicklung verläuft historisch vom Gemeinschafts- / Kollektiveigentum (Stammes- und Claneigentum), zum Familien- und schließlich zum Individualeigentum. – Individualeigentum hat sich wiederum zuerst an Fahrnis (beweglichen Sachen), und zwar zunächst an persönlichen Gebrauchsgegenständen (Kleidung, Werkzeug, Waffen, Schmuck, Haushaltsgeräten etc) und der Beute ausgebildet. Bewegliche Sachen standen häufig im Eigentum von Frauen, weil diese „bei den Hackbauern in erster Linie die Bestellerin(en) der Gärten und am Feuer und Haus interessiert” sind; R. Thurnwald. – Grundeigentum beginnt erst mit dem Sesshaftwerden des Menschen interessant zu werden und bleibt auch dann lange Kollektiv- und Familieneigentum. Schweifenden Jäger-, Sammler- und Fängerhorden der menschlichen Frühzeit fehlt das Interesse an einem ausschließlichen Stück Land. Erste Ansätze dazu finden sich allerdings schon damals in Form von (immer wieder aufgesuchten) Wasserstellen in der Steppe und Fischplätzen sowie Eislöchern in der Arktis etc.
Historische Entwicklung
Altes Gemeinschaftseigentum an Liegenschaften ist vereinzelt noch heute erhalten in Form der sog Allmende (= Gemeinschaftsweide / Almen) oder alten realgeteilten Häusern → Realgeteiltes Eigentum Der Großteil des Gemeinschaftseigentums an Liegenschaften wurde in privates oder öffentliches Eigentum umgewandelt; zB im Rahmen der Grundentlastung 1848. – Allmende bedeutet sprachlich: „Was allen gemein ist”, seien es Wege, Weide, Wasser, Wiesen oder sonstiges. Allmenden wurden kollektiv genutzt, bewirtschaftet und verwaltet. Allmenden wurden nicht abgezäunt und auf der Allmende zu weiden, war niemandem verboten.
Allmende
Früher als das Grundeigentum Einzelner erscheinen oft „gewisse Seiten des geistigen Eigentums” (R. Thurnwald) ausgeprägt; zB in der Südsee, dem malaischen Archipel und bei den Indianern Nordamerikas: Gemeint ist damit bspw das Wissen um die Vornahme bestimmter Riten für Zeremonien, Festgesänge, das Ausüben bestimmter Künste, aber auch der Handel als Vorrecht von Familien oder Einzelnen.
Geistiges Eigentum
Das hat, wenngleich viel später, bei der rechtlichen Entwicklung des Urheberrechts nachgewirkt, bei dem sich geistiges Eigentum erst richtig entwickelt hat. Erste gesellschaftliche Ansätze beginnen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Lessing).
Literaturquelle
Mit dem Entstehen von Eigentum an beweglichem und unbeweglichem Gut bilden sich bei Naturvölkern „Eigentumszeichen” heraus, die sinnlicher Ausdruck privater und kollektiver Inanspruchnahme sind. Verbots- oder Tabuzeichen machen den Anfang, Eigentumsmarken folgen. Jäger lassen bspw erlegtes Wild liegen, um es später abzuholen und kennzeichnen es mit einem Verbotszeichen in Gestalt eines Zweigs oder ähnlichem. Solche Zeichen werden auch an Bäumen angebracht.
Eigentumszeichen
Die Unterscheidung von Besitz und Eigentum – wie schon im griechischen und dann im römischen Recht und heute üblich, setzt die begriffliche Unterscheidung zwischen tatsächlicher Macht / Gewahrsame und rechtlicher Herrschaft voraus und fehlt daher noch in frühen Entwicklungsphasen der Menschheit. – Auch der deutschrechtliche Begriff der Gewere trennt beide Begriffe noch nicht scharf; dazu SIEHE ......
Gewere
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2. Entwicklung zum dinglichen Vollrecht
Inhaltlich betrachtet ist Eigentum das dingliche Vollrecht an einer Sache; an Fahrnis, wie an Grund und Boden. – Mit Vollrecht ist gemeint, dass die rechtlichen Befugnisse, die das Eigentum vermittelt, nicht erst einzeln aufgezählt werden müssen. Das Eigentum umfasst vielmehr – idealtypisch gesehen – alle erdenklichen Rechte an einer Sache (in einer bestimmten Rechtsordnung). – Zu den heute bestehenden Schranken des Eigentums gleich unten.
Vollrecht
Entwickelt hat sich das Eigentum zum dinglichen Vollrecht – insbesondere an Grund und Boden – aus einer Summierung von Einzelrechten, die im Laufe der Zeit in einer Hand (zunächst von Clan und Familie, dann Einzelner) zusammengeführt wurden. Aus parzellierten Einzelrechten entsteht schließlich das rechtlich umfassende dingliche Vollrecht; Patchworkgenese des Eigentums. Folgende Einzelrechte wurden – wie rechtsanthropologische und -ethnologische Forschungen etwa in Neuguinea ergaben – bspw zusammengefasst: Das Recht über ein Grundstück zu gehen, darauf zu bauen, bestimmte Früchte darauf zu ernten, Bäume (gewisser Größe) für den Hausbau zu fällen, Tiere weiden zu lassen, Pflanzen und Beeren zu sammeln, Fischereirechte (zunächst getrennt in Fischfang und Schalentiere), Schifffahrts- und Jagdrecht etc.
L. Pospišil, Anthropologie des Rechts (1982)
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3. Schranken des Eigentums
Das Eigentum ist seinem Wesen nach das grundsätzlich unbeschränkte dingliche Vollrecht; das bringen die §§ 354, 362 ABGB als naturrechtliche Formulierungen anschaulich zum Ausdruck. – Zur „Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles” war das Eigentum aber seit jeher in gewisser Weise beschränkbar und es konnte, „wenn es das allgemeine Beste erheischt” gegen angemessene Entschädigung auch entzogen werden; Enteignung: § 365 ABGB → Enteignung: § 365 ABGB
Beschränkbarkeit
Im ABGB selbst besteht ein normatives Spannungsverhältnis zwischen der weiten, uneingeschränkten Formulierung des § 354 ABGB und der bereits soziale Bezüge aufweisenden Bestimmung des § 364 Abs 1 ABGB. Schon der Gesetzgeber des ABGB sah sich gezwungen „Schranken” zu ziehen! Vgl auch → Sozialpflichtigkeit des Eigentums: Sozialpflichtigkeit des Eigentums.
Normatives Spannungsverhältnis
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4. Privateigentum und Naturrecht
Das moderne und weite sowie flexible Verständnis des Privateigentums ist (in der Neuzeit) eine Schöpfung des rationalistischen Naturrechts. Über das (Privat)Eigentum wurden in dieser Zeit – also zwischen 1650 und 1800 – aber sehr unterschiedliche Gedanken geäußert: Auf der einen Seite – um mich auf zwei wichtige Beispiele zu beschränken – John Locke (→ KAPITEL 1: Natur und Vernunftrecht und ABGB) mit seiner grundlegenden Zuordnung des Eigentums zu den Menschenrechten und der damit verbundenen Rechtfertigung, die das Eigentum aus der Arbeit (!) ableitet; auf der anderen Seite J.J. Rousseau (→ KAPITEL 1: Natur und Vernunftrecht und ABGB), der mit dem Entstehen des Privateigentums das Ende der Gleichheit zwischen den Menschen und den Niedergang der menschlichen Gemeinschaft verbindet. – John Lockes Eigentumsauffassung wird durch K. A. v. Martini dem ABGB zugeführt. Beide verstehen den Begriff des Eigentums in einem sehr weiten Sinn als Gesamtbereich der Lebensinteressen eines Menschen; vgl noch die §§ 353 ff ABGB. Das öffentliche Recht ist diesem weiten Eigentumsverständnis bis heute nicht gefolgt, was sich ua in einem mangelhaften Schutz (wohl)erworbener öffentlichrechtlicher Ansprüche – etwa der Pension – offenbart. – Der Eigentumsschutz wird zu einem wichtigen Teil frühen rechtsstaatlichen Denkens.
J. Locke, J. J.Rousseau, K. A. v. Martini
Vgl Martinis Einleitung in seinem Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs.
Literaturquelle
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III. Der Eigentumsbegriff des ABGB
Literaturquelle
1. Zu weite Fassung des § 353 ABGB
§ 353 ABGB:
„Alles was jemandem zugehört, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigentum”.
Die sachenrechtlichen Regeln für Erwerb, Verlust und Schutz des Eigentums gelten aber (schon nach dem ABGB) nur für das Eigentum ieS, also an körperlichen Sachen. § 353 ABGB ist daher restriktiv auszulegen und teleologisch zu reduzieren → KAPITEL 11: Die teleologische Reduktion.
Zu unterscheiden ist: – Eigentum iwS (= an körperlichen + unkörperlichen Sachen) und Eigentum ieS (= nur an körperlichen Sachen). – Nur für körperliche (bewegliche) Sachen gelten zB die Übergabsregeln der §§ 426 ff ABGB. Die Rechtsübertragung unkörperlicher Sachen (= Rechte / Forderungen) erfolgt nicht nach den §§ 426 ff ABGB, sondern nach den Zessionsregeln der §§ 1392 ff ABGB → KAPITEL 14: Zession, Gläubigerwechsel, Forderungsübergang. – Von ”Eigentum” an Forderungen oder Rechten wird daher nur bildhaft – iSv Vollrecht an der Forderung! – gesprochen.
Eigentum iwS und ieS
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2. Eigentum im objektiven und im subjektiven Sinn
Die Unterscheidung zwischen Recht im objektiven Sinn (= die Rechtsordnung) und den daraus abgeleiteten subjektiven Rechten wurde in → KAPITEL 1: Recht im objektiven und subjektiven Sinn behandelt. Sie ist auch hier von Bedeutung. Die §§ 353 und 354 ABGB unterscheiden nämlich zwischen:
• Eigentum im objektiven (§ 353 ABGB: allgemeine Umschreibung des Eigentumsinhalts) und
• Eigentum im subjektiven Sinne – § 354 ABGB: Vom Eigentum im objektiven Sinn abgeleitete rechtliche Befugnis des einzelnen Eigentümers.
Im ersten Fall wird das Rechtsinstitut vom Gesetzgeber abstrakt (inhaltlich) umschrieben, im zweiten konkret-individuell, als das einem Rechtssubjekt (durch Rechtserwerb) zugeordnete subjektive dingliche (Voll)Recht verstanden.
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3. Positive und negative Seite des Eigentums
§ 354 ABGBgewährt dem Eigentümer:
• das subjektive Recht / die Befugnis „mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten”; sog positive Seite des Eigentums (§ 362 ABGB führt die „Rechte des Eigentümers” dann näher aus) und zusätzlich
• „jeden andern davon auszuschließen”; sog negative Seite des Eigentums iSd absoluten Wirkung des Eigentums als Konsequenz seines dinglichen Charakters.
Rechtssprechungsbeispiel
Ein lehrreiches Beispiel wie weit § 354 ABGB reicht enthält GlU 9711 (1883): Störung im Besitz des Fensterrechtes? – „A belangt seine Nachbarin B in possesorio summarissimo [= Besitzstörungsverfahren] wegen Störung im Besitze des Fensterrechtes mit der Anführung, dass die B vor einem Fenster seines Hauses mit der Aussicht auf ihr Grundstück, durch welches er seit mehr als 30 Jahren Licht und Luft vom Nachbargrunde ungestört benützte, eine eiserne Türe aufgestellt und ihm hiedurch den Genuss des Lichtes und der Luft entzogen habe.” Anders als die Untergerichte wies der OGH die Klage ab, weil der Kläger kein Servitutsrecht iSd § 488 ABGB (Fensterrecht) besaß und deshalb in seinem Rechtsbesitz gar nicht gestört werden konnte. Und sein Eigentumsrecht (allein!) verbietet der Nachbarin nicht ihr Eigentumsrecht iSd § 354 ABGB auszuüben. Ein eigenes Recht auf Licht, Luft und Aussicht hätte sich A in Form einer Servitut einräumen lassen müssen.
JAP 4-1999/2000, 180 (OGH 25.3.1999, 6 Ob 201/98x): Demonstrationshaftung – Nach Ansicht des OGH stellt die Blockade einer Zufahrtsstraße zu einem Bauplatz durch Demonstranten, wodurch die Bautätigkeit an einem öffentlichen Bauvorhaben verhindert wird, einen Eingriff in das Eigentumsrecht des Liegenschaftseigentümers dar, wenn die Blockade die dauerhafte Entziehung der Benützung der Bauliegenschaft anstrebte. – Zur mitunter erheblichen inneren Spannung zwischen dem Schutz individueller Rechtspositionen und Grundrechtsgarantien – hier: der Meinungs- und Versammlungsfreiheit etc → KAPITEL 4: Grundrechte und Privatrecht.
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IV. Umfassender rechtlicher Schutz des Eigentums
Die Bedeutung des Eigentums für Staat und Gesellschaft zeigt sich auch daran, dass das Eigentum als Rechtsinstitut des Privatrechts keineswegs nur vom Privatrecht, sondern auch vom öffentlichen Recht (Völker-, Europarecht, Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Strafrecht) umfassend geschützt und abgesichert wird. Die Rechtsordnung behütet das für freie Gesellschaftsordnungen offenbar unverzichtbare Eigentum mit allen zu Gebote stehenden Mitteln. – Die modernen Grundlagen dafür wurden – wie erwähnt – vom Naturrecht auf antiken Rechtsgrundlagen gelegt.


RO schützt Eigentum umfassend
Abbildung 8.10:
RO schützt Eigentum umfassend


Schranken des (Privat)Eigentums
Abbildung 8.11:
Schranken des (Privat)Eigentums
1. Öffentlichrechtlicher Eigentumsschutz:
Schutz des Eigentums durch internationale Konventionen; zB Art 1 ZP zur EMRK, BGBl 1958/210:
Völker- und Europarecht
„Jede natürliche oder juristische Person hat ein Recht auf Achtung ihres Eigentums ...”
Verfassungsrechtlichen Schutz gewährt Art 5 StGG 1867 (völkerrechtlich abgesichert durch den erwähnten Art 1 ZP zur EMRK):
Verfassung
„Das Eigentum ist unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt.”
Vgl aber schon § 365 ABGB: Enteignung → Enteignung: § 365 ABGB
Zum Schutz des Eigentums durch das StGB vgl etwa: – Sachbeschädigung (§§ 125, 126 StGB), – Diebstahl (§§ 127–131 StGB), – Entwendung (§ 141 StGB).
Strafrechtlicher Schutz
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2. Privatrechtliche Eigentumsklagen – Übersicht
Die schon historisch feststellbare privatrechtliche Vielfalt des Eigentumsschutzinstrumentariums offenbart seit altersher die Bedeutung dieses Rechtsinstituts.
Vielfalt des Eigentumsschutzinstrumentariums
Besonderen Schutz genoss schon in der Antike das Liegenschaftseigentum: Unerreicht bis heute das antike griechische Recht, das es Gläubigern, bei voller Respektierung ihrer Ansprüche, untersagte, sogleich exekutiv auf die Liegenschaften eines Schuldners greifen zu können, sondern ein stufenweises Vorgehen verlangte; zB Pacht und Mieteinkünfte sind zuerst zur Befriedigung heranzuziehen. Der Zweck bestand in der Erhaltung des Liegenschaftseigentums der Bürger; sog gebundenes Bodenrecht (E. Schönbauer). Den Griechen war auch schon die Revenuenhypothek bekannt; R. Koerner.
Barta, „Graeca non leguntur“? – Zum Ursprung des europäischen Rechtsdenkens im antiken Griechenland (2005).
Historisch baut das naturrechtlich orientierte ABGB auf dem römisch-gemeinen Recht und dem alten deutschen Recht auf und ergänzt es um modernere Schutzinstrumente (vgl neben den §§ 366 und 523 ABGB etwa § 364 Abs 2 ABGB und § 364a ABGB oder § 37 EO):
Schutzinstrumente
Die eigentliche Eigentumsklage: Klage wegen Entziehung des Eigentums (römisches Recht: rei vindicatio – ubi meam rem invenio, ibi vindico); § 366 ABGB:
rei vindicatio
„Mit dem Recht des Eigentümers ..., ist auch das Recht verbunden, seine ihm vorenthaltene Sache von jedem Inhaber durch die Eigentumsklage gerichtlich zu fordern ...”.
Zur sog Mengenvindikation → Vertretbare und unvertretbare Sachen
Die Eigentumsfreiheits-, Eigentumsstörungs- oder Negatorienklage (römisches Recht: actio negatoria); § 523, 2. Fall ABGB:
actio negatoria
„ ... der Eigentümer kann sich über die Anmaßung einer Servitut beschweren. ...”
Wer sich also Nutzungsrechte am Eigentum eines andern anmaßt, die ihm nicht zustehen, kann mit der Eigentumsfreiheitsklage belangt werden.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 42/116 (1969): Horizontalausleger eines Baukrans ragt in den Luftraum eines benachbarten Grundstücks.
EvBl 1982/93: Halter eines Kraftfahrzeugs untersagt eigenen Bediensteten nicht, fremdes Nachbargrundstück zu befahren.
EvBl 1992/56: Entfernung einer vom Nachbargrund aus wachsenden Kletterpflanze.
Aktiv und passiv legitimiert sind nach § 523 ABGB auch Mit- und Wohnungseigentümer; und zwar untereinander wie gegen Dritte; vgl auch → Schlichtes oder ideelles Miteigentum
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 15/48 (1933):Jeder Miteigentümer ist allein berechtigt, Eingriffe in sein Eigentum mit der Eigentumsfreiheitsklage abzuwehren. Dieses Klagerecht steht ihm aber gegenüber anderen Miteigentümern nur insoweit zu, als er sich damit nicht in Widerspruch zu den übrigen Miteigentümern setzt; SZ 1/72 (1919) oder SZ 60/216 (1987).
SZ 69/110 (1996):Die Miteigentümer der herrschenden Liegenschaft (wie des dienenden Grundstücks) bilden eine einheitliche Streitpartei, wenn es um die Feststellung des Bestehens, aber auch um die Freiheit von einer Wegeservitut geht; auf Unterlassung kann jeder Miteigentümer allein klagen.
• Das Immissionsschutzinstrumentarium der §§ 364 Abs 2 Satz 1 (sog private Immissionen) und 364a ABGB: Ausgleichsanspruch bei gewerblichen / industriellen Immissionen. – Dazu kommt § 364b ABGB: Verbot Grundstücke abzugraben. Näheres → § 364b ABGB: Vertiefung eines Grundstücks
Immissionsschutz
• § 372 ff ABGB: Die sog Publizianische Klage (Gesetz lesen!) ist die Klage aus dem rechtlich vermuteten Eigentum des Klägers; so auch die Marginalrubrik.
Publizianische Klage
Die Publiziana knüpft (petitorisch!) an das Recht zum Besitz an und nicht wie die Besitzstörung(sklage) possesorisch an die Tatsache des letzten ruhigen Besitzstands → KAPITEL 3: Gerichtlicher Besitzschutz. – Wie andere Eigentumsklagen ist die Publiziana inhaltlich gerichtet auf die:
• Abwehr von Störungen (~ actio negatoria) oder
• auf Sachherausgabe (~ rei vindicatio).
Aktivlegitimiert ist der, dessen Eigentum rechtlich vermutet wird. Das ist im Regelfall der rechtmäßige, redliche und echte Besitzer. – Die publizianische Klage schützt das bessere Recht zum Besitz, schützt den Besitzer also insbesondere auch rechtlich gegen den (veräußernden) formellen Eigentümer des Kaufgegenstands. Geschützt werden nach hA nicht nur Sach-, sondern auch Rechtsbesitzer; also zB der Mieter und (analog) der Vorbehaltskäufer: SZ 31/91 (1958).
Aber auch dem besitzenden Bestandnehmer gegen seinen Vermieter, wenn dieser ihn in seinem Besitz stört.
Literaturquelle
Rechtssprechungsbeispiel
MietSlg 38.663 (1986): Die Publiciana steht zB dem nichtverbücherten WE-Werber zu, dem (zwar verkauft) und das zugesagte Objekt bereits übergeben wurde; zB gegen einen Zweiterwerber, dem ebenfalls verkauft, aber nicht übergeben wurde; vgl auch wobl 2000/107: § 23 WEG 1975.
Eigentumsfeststellungsklage; § 228 ZPO
§ 228 ZPO
• Widerspruchs- oder Exszindierungsklage: Sie ist eine Eigentumsklage aus dem rechtlich vermuteten Eigentum des Klägers. „Eigentumsschutz” wird danach auch schon bei rechtmäßiger und echter Besitzerlangung gewährt: § 37 EO. Sie ist bspw wichtig für den Schutz von Vorbehaltsverkäufer und -käufer beim Eigentumsvorbehalt → Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel
Exszindierungsklage
Beispiel
Aussonderungsklage nach § 44 KO und § 21 AO, wenn in den Konkurs oder Ausgleich (→ KAPITEL 19: Insolvenzrecht) versehentlich Vermögensstücke einbezogen werden, die nicht im Eigentum des Gemeinschuldners stehen. – Auch die Aussonderungsklage ist beim Eigentumsvorbehalt von Bedeutung.
Aussonderungsklage
Grundbürgerliche Löschungsklage; §§ 61 ff GBG: gerichtet auf Herstellung des richtigen Grundbuchstandes, wenn es irrtümlicherweise zu einer falschen Eintragung gekommen ist.
Löschungsklage
Dem Eigentumsschutz dient mittelbar auch der gesetzliche Besitzschutz, weil idR Besitz und Recht in einer Hand vereint sind. Zur Besitzstörungsklage → KAPITEL 3: Gerichtlicher Besitzschutz.
Besitzschutz
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V. Schranken des (Grund)Eigentums
Literaturquelle
1. Sozialpflichtigkeit des Eigentums
Die §§ 354 und 362 ABGB umschreiben – wie erwähnt – die Rechtsstellung des Eigentümers weit, ja schrankenlos. Aber schon das ABGB korrigiert diese zu weit geratene Aussage in § 364 Abs 1 ABGB, wo ausgeführt wird:
§ 364 Abs 1 ABGB
„Überhaupt findet die Ausübung des Eigentumsrecht nur insofern statt, als dadurch weder in die Rechte eines Dritten ein Eingriff geschieht, noch die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten werden.” – Mit BGBl I 2003/91 wurde dem § 364 Abs 1 ABGB ein zweiter Satz angefügt, der lautet: „Im Besonderen haben die Eigentümer benachbarter Grundstücke bei der Ausübung ihrer Rechte auf einander Rücksicht zu nehmen.“ (Zur Reform des privaten Nachbarrechts → Zum Nachbarrecht)
Auch die Rspr schränkt – im Einklang mit Spezialgesetzen – die inhaltlichen Grenzen des Eigentums immer wieder ein. Begrenzt werden muss dabei insbesondere das Liegenschaftseigentum; und zwar nach der Seite (Nachbarrecht), der Tiefe (Bergrecht, MinroG, Wasserrecht) und nach der Höhe, also hinsichtlich des Luftraums (bspw durch die BauO der Länder oder das LFG); vgl dazu die folgenden Beispiele.
Grenzen des Eigentums: Seite, Tiefe, Höhe
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 61/220 (1988) = RZ 1989/102: Fotoaufnahmen von der Riegersburg und → Rspr-Beispiele
EvBl 1999/57: Freiheit des Luftraums (§§ 2, 22 Abs 1 LFG; §§ 364 ff ABGB) – Der Grundeigentümer hat zwar das Überfliegen seines Luftraums durch Luftfahrzeuge usw zu dulden, verliert deshalb aber nicht den Anspruch, sich gegen Immissionen durch den Flugbetrieb nach den §§ 364 ff ABGB – hier ferngesteuerte Modellflugzeuge – zur Wehr zu setzen. In jedem Einzelfall ist zu prüfen, wie weit die Duldungspflicht des Grundeigentümers reicht. Eine Gefährdung von Personen oder Sachen ist durch die Legalservitut des Überfliegens fremden Luftraums jedenfalls nicht gedeckt.
Die Rechtsordnung kennt auch sog gesetzliche oder Legalservituten, die inhaltlich nichts anderes als eine Form der Eigentumsbeschränkung darstellen; zB nach dem NotwegeG (Wegerechte), den Bauordnungen der Länder (zB Einhaltung von Bauabständen oder vorgeschriebene Bauhöhen; zB E + 1), nach dem StarkstromwegeG (zB Duldung elektrischer Leitungsanlagen) oder im Interesse des Umweltschutzes (zB Luftreinhaltung).
Legalservituten
Man spricht heute synonym von Sozialpflichitgkeit, Sozialbindung oder eben den immanenten Schranken des Eigentums. – Allein die rechtliche Einbettung des Individualeigentums in die Gesamtgesellschaft und ihre Ziele, ist alt; vgl schon den Mauer- und Burgenbau oder Flussregulierungsbauten im Altertum und Mittelalter, die auch zu Enteignungen führten → Enteignung: § 365 ABGB Der Sozialpflichtigkeit unterlag aber geschichtlich nicht nur das Grundeigentum, sondern auch Fahrnis. Man denke nur an die Versorgung von Truppen im Rahmen von (Verteidigungs)Kriegen.
Sozialpflichtigkeit
Vorbildlich umschrieben wird diese (schon verfassungsrechtlich bestehende) Einschränkung des Eigentumsrechts in Art 14 Abs 2 des Bonner GG: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.”
„Eigentum verpflichtet …“
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2. Zum Nachbarrecht
Das Zusammenleben von Menschen hat seine Tücken: Das gilt für das Leben Tür an Tür, wie von Grundnachbar zu Grundnachbar. Daher ist das Nachbarrecht seit altersher geregelt:
ZB schon in der Solonischen Gesetzgebung (594/3 v. C.). Von dort ist es ins römische Zwölftafelgesetz gelangt. – Vgl heute etwa § 421 ABGB (Grenzbaum) oder § 422 ABGB: Wurzeln und Äste fremder Bäume. Auch die §§ 850 ff ABGB, insbesondere die §§ 854 ff ABGB sind hier zu nennen. § 859 Satz 2 ABGB regelt zB die Zaunerrichtungs- und Zaunerhaltungspflicht.
Solonische Gesetzgebung
Beispiel
Beispiel
Neufassung des § 422 ABGB
Das römische Recht regelte im Zwölftafelgesetz (~ 450 v. C.) in Tafel VII 2 nachbarrechtliche Fragen: Danach durften Öl- oder Feigenbäume nur in neun Fuß Abstand von der Nachbargrenze gepflanzt werden, die übrigen Bäume in fünf Fuß Abstand. Das ABGB kennt keine solche Vorschrift. – Als Vorbild für § 422 ABGB diente aber wohl Tafel VII 10, wo vorgesehen war, dass Eicheln, die auf ein fremdes Grundstück gefallen waren, von dessen Eigentümer gesammelt werden durften. Diese Vorschrift wurde schon im römischen Recht (Gaius) analog auf alle Früchte ausgedehnt.
Zwölftafelgesetz
Literaturquelle
Im Nachbarrecht stecken alte menschliche Erfahrungswerte über nachbarliches Zusammenleben. Die Bestimmungen über den Grenzbaum tragen dem Umstand Rechnung, dass Bäume gerne zur Grenzziehung gepflanzt werden, um die künstliche rechtliche Grenze allzeit sichtbar zu machen. Dem entspricht ein Bedürfnis des Menschen, abstrakte Rechtsakte und Rechtsregeln im weitesten Sinn fasslich, also „greif- und sichtbar” zu machen. Die Existenz der §§ 421, 422 ABGB ist daher nicht so trivial, wie sie zunächst erscheinen mag. – Neben dem Privatrecht finden sich nachbarrechtliche Vorschriften vor allem auch im öffentlichen Recht und hier wiederum im Agrar- und Forstrecht und den Bauordnungen. Die Vorschriften des privaten Nachbarrechts – also bspw § 364 ABGB – gelten aber auch für das Verhältnis von öffentlichem Eigentum (zB von Straßen) zu Privatgrundstücken. Von praktischer Bedeutung sind bei nachbarrechtlichen Streitigkeiten immer wieder auch Servituten → Die Servituten
Mit BGBl I 2003/91 (in Geltung ab 1. Juli 2004) wurde dem § 364 ein Absatz 3 angefügt. Er sieht vor, dass der Grundstückseigentümer „einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen [kann], als diese das Maß des Abs 2 überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen.“
Reform des privaten Nachbarrechts
Satz 2 des neuen Absatzes 3 stellt klar, dass bundes- und landesgesetzliche Regelungen über den Schutz von oder vor Bäumen und anderen Pflanzen, insbesondere über den Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz unberührt bleiben.
IdF werden aus dem Bereich des privaten Nachbarrechts die Immissionen behandelt. Das sind unwägbare, mittelbare Einflüsse und Beeinträchtigungen des nachbarlichen (Grund)Eigentums durch Rauch, Gase, Lärm / Geräusch, Wärme, Geruch, Erschütterung oder ähnliche (!) Einwirkungen; vgl § 364 Abs 2 ABGB.
Literaturquelle
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3. Die Immissionen – Überblick
Der gegliederte Immissionsschutz der §§ 364 Abs 2, 364a und 364b ABGB beinhaltet Unterfälle der Eigentumsfreiheitsklage; § 523 ABGB → Privatrechtliche Eigentumsklagen – Übersicht Funktional hat der Immissionsschutz aber auch eine gewisse Ähnlichkeit mit der Besitzstörung, mag es beim Immissionsschutz auch um Rechtsfragen gehen. – Inhaltlich bräuchte es längst ein modernes Umwelthaftungsrecht, dessen Verwirklichung bisher von der Wirtschaft verhindert wurde; vgl die unten → Gewerblich-industrielle Immissionen angeführte Literatur von M. Gimpel-Hinteregger.
Neues Umwelthaftungsrecht?
Das ABGB unterscheidet zwischen:
• unmittelbarer Zuleitung → Unmittelbare Zuleitung und
• mittelbaren Einwirkungen; sei es durch
Literaturquelle
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4. Unmittelbare Zuleitung
„Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig”; § 364 Abs 2, Satz 2 ABGB. – Dabei handelt es sich eigentlich gar nicht um Immissionen ieS. Ein Nachbar kann solche Beeinträchtigungen demnach immer – und zwar ohne die Einschränkungen dieser Gesetzesstelle – untersagen.
§ 364 Abs 2, Satz 2 ABGB
Das ist insoferne von praktischer Bedeutung, weil – wie wir sehen werden – die Untersagung mittelbarer Einwirkungen nach § 364 Abs 2 ABGB nur unter gewissen Voraussetzungen erfolgen kann und gewerblich-industrielle Immissionen nach § 364a ABGB überhaupt nicht untersagt werden können. Die „unmittelbare Zuleitung“ geht – als speziellere Norm – diesen Bestimmungen vor.
Die Judikatur hat zu § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB eine reiche Kasuistik entwickelt: Verboten ist danach zB die direkte Zuleitung von Regen- oder Gießwasser ebenso, wie die von Jauche und anderen Abwässern auf das Nachbargrundstück. Dasselbe gilt, wenn das „Öl des Nachbarn” ihren Garten verseucht; aber zB auch Schießübungen (Patronenhülsen) oder Tennisbälle; SZ 65/145 (1992). Die Grenze ist allerdings fließend; so subsumiert die Rspr Hobelspäne noch unter § 364a ABGB (?) → Gewerblich-industrielle Immissionen
Reiche Kasuistik
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Beispiel
de minimis non curat Praetor
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5. Häuslich-private Immissionen
Den Hauptanwendungsfall von Immissionen bilden vom Nachbargrundstück ausgehende mittelbare Einwirkungen. § 364 Abs 2 Satz 1 ABGB nennt folgende Beispiele:
Mittelbare Einwirkungen
„Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche”; die Formulierung „ähnliche” deutet auf die bloß beispielhafte Aufzählung hin, die hier vom Gesetzgeber gewählt wurde.
Beispielhafte Aufzählung
Daher kommen auch zB elektromagnetische Wellen oder Strahlung in Betracht, die den Fernsehempfang stören.
Umstritten ist zur Zeit, ob die Strahlung von Handymasten als Immission anzusehen ist. Bislang fehlen gesicherte Ergebnisse und die Rspr lehnt daher derzeit Unterlassungsklagen ab; vgl JBl 2001, 317.
Als weitere Tatbestandsvoraussetzungen der möglichen Untersagung verlangt das Gesetz:
Tatbestandsvoraussetzungen
• dass diese störenden Einwirkungen „das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten” und
• [dadurch] „die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen „.
Klagslegitimation
Aktiv klagslegitimiert (= Wer kann klagen?) sind:
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1990, 447: Störung der Ausübung des Mietrechts durch häufiges grundloses Klopfen mit dem Besen; OGH: Gegen jede rechtswidrige Beeinträchtigung des Bestandrechts an einer unbeweglichen Sache durch Dritte (etwa im gleichen Haus darüber wohnenden Mietern) steht auch dem Bestandnehmer eine Unterlassungsklage (nach § 364 Abs 2 ABGB) gegen den Störer zu. – Damit ist eine alte Streitfrage iSd Vorschläge H. Klangs [ÖJZ 1952, Nr 7 und 8] erledigt. Vgl dazu auch Gschnitzer, in: Franz Gschnitzer Lesebuch 519 (1993). Lange versagte der OGH Bestandnehmern jedoch diesen Schutz!
Vgl auch JBl 1991, 110 (Fischereirecht): Dem Bestandnehmer werden selbständige Schadenersatzansprüche zuerkannt.
OGH 21. 12. 1999, 1 Ob 6/99k(„Die Klavierspielerin”), SZ 72/205 = EvBl 2000/115: Eine Nachbarin klagt eine Klavierstudentin nach § 364 Abs 2 ABGB auf Unterlassung der Geräuschimmissionen durch langes Üben – täglich bis zu 9 Stunden, da dieses zu psychischen und physischen Gesundheitsproblemen geführt habe. – OGH hält 4 Stunden tägliches Üben außerhalb der Ruhezeiten für angemessen. Meinung des OGH erscheint noch nicht ausgereift; insbesondere die Unterscheidung, dass auf jemanden Rücksicht zu nehmen sei, der schon krank ist, nicht aber auf jemanden, der durch den Lärm krank wird, stellt eine Ungereimtheit dar.
SZ 65/145 (1992) mwH: Geräuschimmissionen – Betrieb eines Tennisplatzes darf 50 Dezibel nicht übersteigen.
OGH 14. 12. 2000, 6 Ob 293/00g, JBl 2001, 522: Mieterin der Räumlichkeiten im Erdgeschoß eines dreistöckigen Hauses betreibt darin Cafe-Restaurant mit Schanigarten, der mit einer Markise überdacht ist. An der Markise wurden durch aus den oberen Stockwerken geworfene Zigarettenstummel Brandlöcher verursacht. – OGH: Die Mieterin kann direkt gegen den Störer vorgehen und verliert deswegen nicht ihren Anspruch gegen den Vermieter. Schon aus der Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 1096 ABGB ist abzuleiten, dass es Sache des Vermieters ist, einen noch unbekannten Störer zu identifizieren.
Passiv klagslegitimiert (also potentieller Beklagter) ist der Nachbar.
Vgl § 364 Abs 2 ABGB: „Der Eigentümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn ... untersagen.”
Nachbar iSd Immissionsbestimmungen des ABGB, ist nicht nur der unmittelbar angrenzende Grundnachbar (wie im Verwaltungsrecht: zB § 30 Abs 1 TirBauO), sondern auch ein uU weiter entfernter Liegenschaftseigentümer, wenn er nur beeinträchtigt ist; vgl SZ 54/137 (1981). – Auch derjenige der aktiv Immissionen verursacht muss nicht der unmittelbare Grundnachbar sein. Es genügt auch, dass von einem entfernteren Grundstück Immisionen ausgehen. Kurz: Das immittierende und das beeinträchtigte Grundstück müssen nicht unmittelbar aneinander grenzen. MietSlg 37.018 (1985)
Wer ist Nachbar?
Bauordnungen
Beachte


Privates Nachbarrecht: §§ 364 Abs 2 ff ABGB
Abbildung 8.12:
Privates Nachbarrecht: §§ 364 Abs 2 ff ABGB
Immissionsansprüche setzen kein Verschulden des Störers voraus: Verschulden ist nur dann (Anspruchs)Voraussetzung, wenn über das bloße Untersagungsbegehren hinaus Schadenersatz verlangt wird.
Kein Verschulden des Störers nötig
Die Judikatur zum Immissionsrecht kennt interessante Rechtsfortbildungen nach Art des anglo-amerikanischen case law; vgl JBl 1985, 669: Windschaden an Wald, dessen Randbäume im Rahmen von Straßenbauarbeiten geschlägert werden → Rspr-Beispiele
case law
Die Immissions-Klage geht auf Unterlassung der (unzulässigen) Immission oder Zuleitung, was nicht gleichbedeutend mit der Beseitigung des bestehenden und Wiederherstellung (!) des früheren Zustandes sein muss. Es handelt sich um eine Unterlassungsklage → KAPITEL 7: Unterlassungspflichten. – Allenfalls richtet sich die Klage auch auf (künftige) Immissionsverhinderung durch geeignete (vorbeugende) Maßnahmen / Vorkehrungen; zB bei Störung des Rundfunk- oder Fernsehempfangs. Die Rspr betont aber, dass dem Eigentümer des beeinträchtigten / gefährdeten Besitzes kein Anspruch auf Vornahme bestimmter Sicherungsmaßnahmen zusteht; EvBl 1983/82: Geruchsimmissionen → Rspr-Beispiele
Unterlassungsklage
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6. Gewerblich-industrielle Immissionen
§ 364a ABGB regelt „Beeinträchtigung[en] durch eine Bergwerksanlage oder eine behördlich genehmigte Anlage.” – Das Gesetz verlangt, dass die Beeinträchtigung „in einer dieses Maß überschreitenden Weise” verursacht wurde, womit Einwirkungen iSd § 364 Abs 2 ABGB gemeint sind, nicht etwa feste Körper; EvBl 1939/525. Hobelspäne fallen aber nach der Rspr noch unter § 364 Abs 2 ABGB; SZ 51/114 (1978) mit krit Anm von Pfersmann in ÖJZ 1982, 59.
§ 364a ABGB
Die Rspr verlangt für eine Haftung nach § 364a ABGB das Vorliegen eines individuell behördlichen Rechtsakts (für eine behördlich genehmigte Anlage), an dem es in JBl 1999, 524 (Haftung wegen Bienenschädigung eines Imkers durch Spritzmittel eines Winzers) fehlte; vgl auch RdU 1998, 41 (Anm Kerschner).
Individuell behördlicher Rechtsakt
§ 364a ABGB baut auf einer Störung iSd § 364 Abs 2 ABGB auf. Der Anspruch nach § 364a ABGB ist an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB; JBl 1990, 786. Die Rechtsfolge ist aber eine andere. Denn § 364a ABGB gewährt keinen Unterlassungs-, sondern bloß einen Ausgleichsanspruch aus Eingriffshaftung (→ KAPITEL 9: Eingriffshaftung), der allerdings verschuldensunabhängig ist. Begründung in EvBl 1983/82 (Geruchsimmissionen) → Rspr-Beispiele: In dieser E wird auch ausgeführt, dass eine behördliche Anlage dann genehmigt ist, wenn die Genehmigung rechtskräftig ist. Unter einer „behördlich genehmigten Anlage” ist nicht bloß eine baubehördlich genehmigte Anlage zu verstehen (EvBl 1957/19), vielmehr ist § 364a ABGB gar nicht anzuwenden, wenn nur ein Baugenehmigungsverfahren oder ein sicherheitspolizeiliches Genehmigungsverfahren durchgeführt wurde; SZ 48/15 (Schießstand) und SZ 48/45: Baumaßnahmen. Gedacht war typischerweise an gewerblich-industrielle Genehmigungsverfahren.
Behördlich genehmigte Anlage
Bei diesem Ersatzanspruch handelt es sich also um einen besonderen (Ausgleichs)Anspruch. Man spricht von Eingriffshaftung, weil der Gesetzgeber Eingriffe in Eigentum, Vermögen, auch die Gesundheit (!) von Anrainern aus wirtschaftlichen Überlegungen gestattet, ohne dass die Betroffenen Beseitigung / Unterlassung der Einwirkung begehren können. Dieser Eingriff (ins Eigentum anderer) erfolgt also rechtmäßig.
Eingriffshaftung
Diese legistische Sichtweise ist aber veraltet und bedarf dringend der Ablöse durch ein modernes UHG; dazu unten: Kritik, Reform etc. Eine gewisse Weiterentwicklung – contra oder doch praeter legem – brachte die sog Sandstrahl-E des OGH; RdU 1996, 40 (Anm Kerschner / Raschauer) = JBl 1996, 446: Anm Jabornegg.
Sandstrahl-Entscheidung
Es ging um Metallstaubimmissionen aus Sandstrahlanlagen zur Eisenkonservierung, durch die 56 Kfz auf dem Nachbargrundstück schwere Lackschäden erlitten. Der OGH war der Ansicht, dass hier der Betriebsinhaber trotz genehmigungskonformem Betriebs der Anlage rechtswidrig gehandelt habe und daher – entgegen dem Wortlaut des Gesetzes – nicht nur Schadenersatz, sondern auch Unterlassungsansprüchen ausgesetzt sei, wenn nach § 79 GewO nachträgliche Auflagen hätten erteilt werden müssen.
Hinzuweisen ist auch auf das gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigungsrecht nach den §§ 74 ff GewO 1994 (BGBl 194), das einen öffentlichrechtlichen Anrainer- und Nachbarschutz installiert; nunmehr idgF.
GewO
Literaturquelle
§ 74 GewO 1994 regelt den Begriff der Betriebsanlage:
(1) „Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.”
(2) „Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden [etc zu gefährden],
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen […].” usw
Als Anlage iS unserer Vorschrift gilt zB auch eine Landstraße (JBl 1987, 381) oder eine Autobahn (JBl 1989, 646), überhaupt jede öffentliche Straße (SZ 63/133) und natürlich vor allem gewerbliche oder industrielle Betriebe. Nach SZ 63/133 (1990) = JBl 1990,789 begründet eine umweltschädigende Salzstreuung einer öffentlichen Straße (als unzulässige Immission) Ersatzansprüche, wenn das zur Verkehrssicherheit nötige Maß überschritten wurde.
Was ist eine Anlage iSd § 364a ABGB?
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
Der OGH wendete § 364a ABGB analog auf folgenden Sachverhalt an (SZ 69/II 220 aus 1996): Beim Bau einer Tankstelle wird Grundwasser abgepumpt, um die Tanklager einbauen zu können. Dadurch wird eine Gärtnerei geschädigt, die das Grundwasser für ihre Bewirtschaftung verwendete.
Nach § 364a ABGB können auch Ansprüche wegen gefährlicher Abfall-Deponien erhoben werden; JBl 1991, 580 (Anm Kerschner): Haftung für nicht genehmigte Industriemüll-Deponie. (Davon gibt es allein in Österreich an die 3.500. Aus ihnen entweichen Schwermetalle durch Sickerwässer oder chlorierte Kohlenwasserstoffe oder Öle etc, die das Grundwasser verseuchen.)
Literaturquelle
Was ist an Ersatz zu leisten? – Stets voller (Schaden)Ersatz, also auch entgangener Gewinn; SZ 65/38 (1992).
Was ist zu ersetzen?
Einen öffentlichrechtlichen Immissionsschutz in Bezug auf ungebührliche Lärmerregung enthalten die LandespolizeiG.
Lärmerregung
ZB für Tirol die §§ 1-5 TirLPolizeiG, LGBl 1976/60 idF LGBl 1987/69 und 1993/4. – Art VIII EGVG, der diesen Tatbestand bundeseinheitlich regelte – wurde in die entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen übergeführt. Mit Ausnahme von Wien, das noch kein LandespolizeiG erlassen hat. Dort gilt Art VIII EGVG als LandesG weiter.
Die Rspr wendet § 364a ABGB auch auf nicht ständige, also bloß temporäre Anlagen an; zB eine Motocrossveranstaltung (JBl 1982, 595) oder einen Autobahnbau (SZ 43/139); vgl auch JBl 1985, 669 (Windschaden an Wald) → Rspr-Beispiele
Temporäre Anlagen
Ansprüche nach § 364a ABGB verjähren nach § 1489 ABGB grundsätzlich in 3 Jahren.
Verjährung
Kritik, Reform, Querverbindungen: Das privatrechtliche „Umweltschutzinstrumentarium” des § 364a ABGB ist nicht mehr zeitgemäß. Was 1916 (III. TN zum ABGB) vertretbar war, ist heute überholt.
Kritik, Reform
Auch das Umweltstrafrecht versucht die gefährdete Umwelt zu schützen; vgl §§ 180 f StGB: vorsätzliche / fahrlässige Gefährdung durch Verunreinigung der Gewässer oder der Luft oder §§ 182 f: vorsätzliche / fahrlässige Gefährdung des Tier- oder Pflanzenbestandes. – Die weit gediehenen legistischen Vorarbeiten für ein neues UmwelthaftungsG wurden von der Wirtschaft bisher torpediert.
Literaturquelle
Ein neues öffentlichrechtliches Umweltschutzinstrument ist das sog Öko-Audit: Mit EU-VO Nr 1836/93 vom 29.6.1993 wurden Bestimmungen über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (von der EU) erlassen; in Kraft getreten im April 1995. Damit wurde ein EU-weit gültiges Siegel für umweltgerechte Betriebsführung iSd EMAS-VO (Environmentel Management and Audit Scheme) geschaffen.


§ 364 a und b ABGB: Nachbarrecht
Abbildung 8.13:
§ 364 a und b ABGB: Nachbarrecht
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7. § 364b ABGB: Vertiefung eines Grundstücks
Unsere Bestimmung lautet: „Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden oder das Gebäude des Nachbars die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass der Besitzer des Grundstückes für eine genügende anderweitige Befestigung Vorsorge trifft.”
Ist es dazu gekommen – zB Mauerrisse oder sog Setzungen im Nachbarhaus, ist der frühere Zustand wiederherzustellen.
Auch nach § 364b ABGB besteht ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch des Nachbarn. – Zur Abgrenzung der Aktivlegitimation zwischen Hauseigentümer und Mieter vgl die idF wiedergegebene E EvBl 2001/79.
Verschulden keine Voraussetzung
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 24/312 (1951): Straßenbauarbeiten führten zu Hauseinsturz;
SZ 61/71 (1988): Erdrutsch durch Planierungsarbeiten;
SZ 9/182 (1927): Torfabbau gefährdet Obstgarten; hier wird betont, dass die Wirkungen des Abgrabens auch erst zeitlich später eintreten können;
SZ 55/28 (1982): Hausschäden durch baubehördlich genehmigte Sanierungsarbeiten am Nachbarhaus;
JBl 1999, 383: Für den Ausgleichsanspruch nach § 364b ABGB – es handelt sich um eine nachbarrechtliche Gefährdungshaftung wegen Entzugs der erforderlichen Stütze – ist es grundsätzlich gleichgültig, in welchem Zustand sich das Gebäude des Nachbarn vor der Vertiefung befunden hat. Der Vertiefende haftet für alle Schäden, die eingetreten sind; mwH.
OGH 28. 11. 2000, 1 Ob 228/00m, EvB 2001/79: Der Eigentümer eines Hauses ließ an diesem Bauarbeiten durchführen, wodurch Risse und Setzungen am Nachbarhaus (Miethaus) entstanden. Ein betroffener Mieter erhebt gegen den Bauführer eine Schadenersatzklage. – OGH: Soweit Behebungskosten Schäden an der Bausubstanz betreffen, sind diese im Vermögen des Vermieters (Hauseigentümers) aufgetreten; ihm obliegen die Erhaltungsarbeiten bezüglich ernster Schäden. Der Mieter kann diese nicht im eigenen Namen geltend machen. Die reine Oberflächengestaltung im Inneren eines Mietobjekts durch Malerei, Tapeten etc fällt hingegen (selbst bei größtem Kostenaufwand) nicht in die gesetzliche Erhaltungspflicht des Vermieters. Zur Geltendmachung dieser Schäden ist somit der Mieter selbst aktivlegitimiert.
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8. Enteignung: § 365 ABGB
Literaturquelle
Die Enteignung ist ein sehr altes Beispiel für die Sozialpflichtigkeit des Eigentums → Sozialpflichtigkeit des Eigentums
Der Begriff Enteignung bedeutet primär die Eigentumsentziehung. Aber nicht nur die Entziehung des Eigen­tums wird vom Begriff umfasst: Auch obliga­torische (zB Bestandrechte) oder beschränkte dingliche Rechte (zB Servituten, Reallasten, Pfandrechte) oder Patentrechte können „enteignet” werden. – Insofern ist der Begriff inhaltlich zu erweitern. Auch die Begründung bloßer Eigentums­beschränkungen ist Enteignung.
Begriff
Eigentumsbeschränkungen beinhaltet zB auch das Ausländergrundverkehrsrecht oder das Notwegerecht; NotwegeG 1896 → Das Notwegerecht
Man unterscheidet zwischen formeller, dh rechtsförmlicher Enteignung, bei der das Eigentum wirklich entzogen wird und materieller Enteignung, bei der das Eigentum oder das sonstige Recht „formal” zwar bestehen bleibt, inhaltlich jedoch weitgehend ausgehöhlt wird. Typisches Beispiel einer materiellen Enteignung ist das Bauverbot in Bezug auf eine Liegenschaft.
Formelle und materielle Enteignung
Ehrlicher und fairer wäre es in vielen Fällen der materiellen Enteignung, gleich formell zu enteignen und (!) zu entschädigen.
Verfassungsrechtlich dient heute Art 5 StGG 1867 als Enteignungsgrundlage. Dort heißt es in Satz 2, der einen sog (Grundrechts)Gesetzesvorbehalt formuliert, dass eine Enteignung nur aufgrund eines Gesetzes zulässig ist. Solche Enteignungsgesetze sind zB das BundesstraßenG, die LandesstraßenG oder das EisenbahnenteignungsG.
Art 5 StGG 1867
Die Enteignung beinhaltet – wie § 364a ABGB – eine sog Eingriffshaftung, allerdings eine des öffentlichen Rechts. Zum Begriff „Eingriffshaftung” → KAPITEL 9: Eingriffshaftung und → Gewerblich-industrielle Immissionen
Eingriffshaftung
Die Enteignung gehört zum überwiegenden Teil (Enteignungsverfahren) ins öffentliche Recht, und nur hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Enteignungsentschädigung ins Privatrecht.
Enteignungsentschädigung
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 71/4 (1998): Valorisierungsproblematik bei überlangem Entschädigungsverfahren. – Zur Geldschuld → KAPITEL 7: Die Geldschuld als qualifizierte Schickschuld.
Der Eigentumserwerb durch Enteignung – es kann auch zugunsten Privater (!) enteignet werden – erfolgt schon mit dem Erlag der Entschädigungssumme, was für Liegenschaften eine Ausnahme vom Verbücherungsgrundsatz darstellt → KAPITEL 2: Der Eintragungsgrundsatz.
Eigentumserwerb durch Enteignung


Enteignung: § 365 ABGB (1)
Abbildung 8.14:
Enteignung: § 365 ABGB (1)


Enteignung: § 365 ABGB (2)
Abbildung 8.15:
Enteignung: § 365 ABGB (2)
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VI. Eigentumsformen
Der Gesetzgeber des ABGB geht in den §§ 353 ff ABGB vom Alleineigentum aus. Zu recht, denn es ist der häufigste Fall. Daneben kann aber eine Sache – zB ein Haus oder Auto – auch im Eigentum mehrerer Personen stehen. Das ABGB regelt das Miteigentum (condominium) an mehreren Stellen:
§ 361 ABGB enthält die (seit 1812 unveränderte) Legaldefinition, die so geschickt gefasst ist, dass darin alle Arten des Miteigentums Platz finden. Es ist daher unrichtig zu sagen, das ABGB enthalte keine Regelung für das sog realgeteilte Eigentum. – Dieser Paragraph lautet:
§ 361 ABGB
„Wenn eine noch ungeteilte Sache mehrern Personen zugleich zugehört; so entsteht ein gemeinschaftliches Eigentum. In Beziehung auf das Ganze werden die Miteigentümer für eine einzige Person angesehen; insoweit ihnen aber gewisse, obgleich unabgesonderte Teile angewiesen sind, hat jeder Miteigentümer das vollständige Eigentum des ihm gehörigen Teiles.”
Diese Umschreibung trug bis 1879 auch das Stockwerkeigentum und man müsste dieses Gesetz von 1879 nur aufheben, um erneut das volksnähere Stockwerkeigentum, gestützt auf diese Gesetzesstelle begründen zu können. Eine bedenkenswerte Möglichkeit! – Die Gemeinschaft der Miteigentümer, als Form des schlichten oder ideellen Miteigentums, regelt das ABGB ausführlich in den §§ 825 ff, worauf noch eingegangen wird. – Daneben ist an die weitere – rechtsgeschäftlich wichtige – Unterscheidung zwischen Eigentum an beweglichen (Fahrnis) und unbeweglichen Sachen (Grund- oder Liegenschaftseigentum) zu erinnern.
Stockwerkeigentum?
Literaturquelle
1. Überblick
Wir unterscheiden zwischen:
Alleineigentum und
Miteigentum iwS (§§ 361, 825 ff ABGB): Im Rahmen des Miteigentums iwS ist erneut zu unterscheiden zwischen:
Miteigentum iwS
• Als Sonderform kann auch das Treuhandeigentum erwähnt werden, das vor allem als Sicherungseigentum vorkommt → Die Sicherungsübereignung: Sicherungsübereignung. – Allgemein zur Treuhand → KAPITEL 15: Die Treuhand.
Anders als in Deutschland, wo treuhändisch gebundenes Eigentum grundsätzlich als unzulässig angesehen wird, obwohl gerade Deutschland die Sicherungsübereignung kennt, bestehen in Österreich keine grundsätzlichen Bedenken gegen diese Eigentumsform, die von der Rechtspraxis entwickelt wurde, gesetzlich bislang aber nicht geregelt ist. Die Sicherungsübereignung wird dagegen in Österreich – zurecht – nur sehr zurückhaltend akzepiert.
Als treuhändisches Sicherungseigentum kann bspw das Vorbehaltseigentum des Vorbehaltsverkäufers beim Eigentumsvorbehalt angesehen werden, der formell sein Eigentum aus Sicherungszwecken zurückhält.
Literaturquelle
• In zeitlicher Hinsicht kann zwischen zeitlich unbeschränktem und zeitlich beschränktem Eigentum unterschieden werden. Der Eigentumsgedanke verbindet sich primär mit dem zeitlich unbeschränkten Eigentum, doch kennt die Rechtspraxis seit langem auch zeitlich beschränktes Eigentum.
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2. Realgeteiltes Eigentum
Beim realgeteilten Eigentum ist die Sache selbst (nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich) geteilt; nicht bloß das Recht wie beim schlichten Miteigentum! – Realgeteiltes Eigentum kann seit Gesetz von 1879 nicht mehr neu begründet werden. Es besteht jedoch noch von früher her in verschiedenen Bundesländern als sog Stockwerk- und Kellereigentum fort; zB Salzburg, Burgenland sowie im Tiroler Oberland.
Sache selbst ist geteilt
Die Bedeutung dieser Eigentumsform lag – auch schon lange vor dem ABGB – darin, dass mit ihr Eigentum breit und sozial gestreut werden konnte. Die Abschaffung 1879 erfolgte aus rein dogmatischen und nicht überzeugenden Gründen. Die weite Fassung des § 361 ABGB schloss auch das Stockwerkeigentum ein.
Abschaffung 1879
Auch beim Stockwerkeigentum stehen die allgemeinen Teile der Liegenschaft im Miteigentum, was zur Anwendung der §§ 833 ff ABGB führt; SZ 24/58 (1951): Streit über das Recht zur Benützung der Außenmauern eines Hauses, an dem Stockwerkeigentum besteht.
Allgemeine Teile stehen im Miteigentum
Die rechtliche Konstruktion des schlichten Miteigentums (→ Schlichtes oder ideelles Miteigentum) bereitet Laien immer wieder (Vorstellungs)Schwierigkeiten. Diese haben ihren Grund darin, dass es sich beim schlichten Miteigentum um eine „Juristenschöpfung” handelt, die in der realen Außenwelt nicht wahrnehmbar ist. Volksnäher wäre es gewesen, das eingelebte Real- oder Stockwerkeigentum zu belassen.
Beispiel
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3. Schlichtes oder ideelles Miteigentum
Geregelt in den §§ 361, 825 ff ABGB wird es auch Quoten-, Bruchteils- oder Anteilseigentum genannt: Hier ist nicht die Sache, sondern nur das Recht geteilt. Jede/r MiteigentümerIn ist rechtlich Teilhaber der ganzen, ungeteilten Sache. Der ideelle Miteigentumsanteil gewährt aber noch kein konkretes Nutzungsrecht an einem bestimmten Sachteil, etwa einer (Parterre)Wohnung. Es braucht dazu vielmehr eine sog Benützungsregelung oder Gebrauchsordnung → § 17 WEG: Benützungsregelung
Nur das Recht ist geteilt
Daneben besteht die Möglichkeit, dass ein Miteigentümer, die ihm zur ausschließlichen Benützung überlassene Wohnung mietet. Er wird dann auf der Vermieter-Seite für die Miteigentümer-Gemeinschaft tätig und tritt auf der anderen Seite als Vertragspartner dieser Gemeinschaft auf. Um als In-sich-Geschäft (→ KAPITEL 13: Insichgeschäfte) wirksam zu sein, muss der Mietvertrag von allen übrigen Miteigentümern genehmigt werden.
Zu § 361 ABGB: Barta, in: Havel / Fink / Barta, Wohnungseigentum – Anspruch und Wirklichkeit (1999).
Miteigentum besteht an beweglichen (zB Freunde/innen kaufen gemeinsam ein Auto) und unbeweglichen Sachen. Große Bedeutung besitzt es im Liegenschaftsrecht.
Bewegliche und unbewegliche Sachen
Literaturquelle
Über seinen Miteigentumsanteil kann jeder Teilhaber frei verfügen (!); § 829 ABGB. Dh er kann seinen Anteil – ohne die andern zu verständigen oder gar ihrer Zustimmung zu bedürfen – veräußern, vererben und verpfänden oder sonst belasten; also zB auf seinem Anteil eine Hypothek oder Servitut eintragen lassen. Auf den einzelnen Anteil kann auch gesondert Exekution geführt werden; auch die Zwangsvollstreckung berührt also nur den jeweiligen Anteil.
Freie Verfügung über den Anteil
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1999/53: Die Miteigentümergemeinschaft – gleiches gilt für die WE-Gemeinschaft – hat kein Verfügungsrecht über den Pfandrang der einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer.
EvBl 1999/54: Frage, wer zur Aufkündigung eines Mietvertrags legitimiert ist, wenn nach dessen Abschluss durch eine Miteigentümergemeinschaft am fraglichen Mietobjekt Wohnungseigentum begründet wurde. Der OGH bleibt unklar. (Zutreffend ist von einer ausschließlichen Kompetenz des neuen Wohnungseigentümers auszugehen.)
EvBl 1999/1: Ein ideeller Miteigentumsanteil an einer Liegenschaft kann Gegenstand eines Fruchtgenussrechts (§ 509 ABGB → Fruchtgenuss / Ususfructus: §§ 509 ff ABGB ) sein. Aber auch der Alleineigentümer einer Liegenschaft kann bloß einen ideellen Anteil mit einem Fruchtgenussrecht belasten.
Nach § 830 Satz 1 ABGB ist „jeder Teilhaber ... befugt, auf Ablegung der Rechnung [Rechnungslegungsanspruch] und auf Verteilung des Ertrags zu dringen.”
Rechnungslegungsanspruch
Rechtssprechungsbeispiel
Eine allfällige Auseinandersetzung unter Miteigentümern wegen der Verteilung des Ertrags ist nach Meinung des OGH nicht im Besitzstörungsverfahren, sondern im ordentlichen / streitigen Verfahren zu führen; so GlU 9682 (1883), wo ein Miteigentümer in Galizien „die Feldfrüchte der ganzen Grundwirtschaft einheimste und die Ausfolgung des achten Theiles dieser Feldfrüchte verweigerte.”
Die oben angeführten Eigentumsschutzmöglichkeiten / Klagen stehen auch Miteigentümern zu, und zwar gegen Dritte wie auch unter-, also gegeneinander. Mit- und Wohnungseigentümer können demnach eigenmächtige Ein- und Übergriffe anderer Mit- und Wohnungseigentümer – zB die Einzäunung eines Stücks gemeinsamen Grundes oder die Errichtung einer begehbaren Terrasse auf einem Zubau – untersagen; wobl 1992/81. Vgl schon oben → Privatrechtliche Eigentumsklagen – Übersicht
Eigentumsschutzmöglichkeiten
Die häufigste Entstehungsform für schlichtes Miteigentum ist – seit Alters her – der Erbgang; etwa: Ein Elternteil stirbt und hinterlässt das Haus den Kindern. Daneben entsteht schlichtes Miteigentum nach § 825 Satz 2 ABGB auch durch Vertrag oder Richterspruch; zB im Rahmen einer Scheidungsaufteilung (iSd §§ 81 ff EheG) und auf Antrag des beklagten Miteigentümers bei Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft auch Wohnungseigentum → Begründung und Erwerb von WE: § 3 WEG Aber auch aus einem Ehepakt heraus; vgl Rspr-Beispiele.
Entstehungsform des MitET
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 19. 10. 1999, 4 Ob 269/99h, SZ 72/150 = EvBl 2000/49: Nach dem Tod der Mutter erben ihre 4 Kinder eine Liegenschaft; eines lebt im Haus, die anderen wollen nicht darin wohnen. Trotzdem klagen zwei der anderen drei Geschwister auf Räumung der Liegenschaft, da der Beklagte nur zu 1/8 Miteigentümer ist. – OGH: Die Alleinbenützung der gemeinschaftlichen Sache durch einen Miteigentümer ist so lange keine ausschließliche und damit titellose Benützung, als kein Gebrauchsinteresse der anderen Miteigentümer besteht. Das Gebrauchsrecht des Miteigentümers einer (eine beschränkte Gebrauchsmöglichkeit eröffnenden) gemeinschaftlichen Sache wird nur durch den konkreten Gebrauch anderer Miteigentümer beschränkt. – Didaktisch gute Ausführungen zu Benützungsrechten unter Miteigentümern.
OGH 11. 7. 2001, 3 Ob 57/01f, JBl 2002, 110: Ehegatten schließen Ehepakt (allgemeine Gütergemeinschaft (→ KAPITEL 16: Das Ehegüterrecht). Frau versteckt nachher im Schlafzimmer ohne Wissen ihres Mannes ihr Erspartes. – OGH: Der Mann erwarb trotzdem daran Miteigentum. Der Abschluss des Ehepaktes ist sowohl Titel als auch Modus; iS eines vorweggenommenen Besitzkonstituts.
Wichtig für das schlichte Miteigentum sind die Verwaltungsregeln der §§ 833 ff ABGB. Kurz: Es ist zwischen ordentlicher und außerordentlicher Verwaltung zu unterscheiden:
Verwaltungsregeln
Für die ordentliche Verwaltung gilt als Beschluss- oder Abstimmungserfordernis das Mehrheitsprinzip (= Anteilsmehrheit). Die ordentliche Verwaltung dient der Erhaltung der „Substanz” der im Miteigentum stehenden Sache.
Ordentliche Verwaltung
Die Grenzziehung zwischen ordentlicher und außerordentlicher Verwaltung ist immer wieder Anlass von Streit; gerade auch dann, wenn bspw ein (Haus)Verwalter bestellt wurde. Vgl etwa EvBl 1999/95: Auch die Empfangnahme einer vom Mieter erhobenen gerichtlichen (Auf)Kündigung des Mietverhältnisses gehört zur ordentlichen Verwaltung und ist daher von der Hausverwaltervollmacht umfasst.
Beispiel
Für die außerordentliche Verwaltung – man spricht auch von „wichtigen Veränderungen” oder „Verbesserungen” – gilt grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip. Die nicht erteilte Zustimmung eines Miteigentümers kann allerdings uU durch den Außerstreitrichter (im Außerstreitverfahren) ersetzt – oder wie man auch sagt: surrogiert – werden.
Außerordentliche Verwaltung
Beispiel
Die Schwachstelle des schlichten Miteigentums liegt darin, dass jeder Teilhaber die „Aufhebung der Gemeinschaft (§ 830 ABGB) verlangen kann”; wenn auch „nicht zur Unzeit oder zum Nachteile der Übrigen”. Dh für die von der Teilung Betroffenen aber nur: allenfalls zeitlichen Aufschub, aber nicht Verhinderung der Aufhebung der Gemeinschaft. Die mögliche Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Rechtsinstitut Miteigentum, zumal von dieser Möglichkeit gerade in heiklen Situationen Gebrauch gemacht und dadurch Druck ausgeübt werden kann; zB Familienzwist unter Geschwistern!
Aufhebung der Gemeinschaft
Die weitere Vorgangsweise nach der Aufhebung der Gemeinschaft ist die Teilung der gemeinschaftlichen Sache, geregelt in den §§ 841 ff ABGB. Zu unterscheiden sind dabei zwei Arten der Teilung von Miteigentum:
Teilung der gemeinschaftlichen Sache
• Naturalteilung (hier müssen alle einverstanden sein; § 841 Satz 3 ABGB) und
• Zivilteilung (bei Uneinigkeit).
§ 843 ABGB
Kann eine gemeinschaftliche Sache entweder gar nicht, oder nicht ohne beträchtliche Verminderung des Wertes geteilt werden; so ist sie, und zwar, wenn auch nur ein Teilgenosse es verlangt, vermittelst gerichtlicher Feilbietung zu verkaufen, und der Kaufschilling unter die Teilhaber zu verteilen.
Zivilteilung bedeutet demnach öffentliche Feilbietung des Miteigentumsobjekts; landläufig wird von „Versteigerung” gesprochen, was aber nicht dasselbe ist. Der erzielte Erlös wird auf die Teilhaber anteilsgemäß verteilt. – Etwas gemildert wurde die „Teilungsgefahr” bei Miteigentum nunmehr – wie erwähnt – dadurch, dass der Beklagte im Teilungsverfahren beantragen kann, dass Wohnungseigentum richterlich begründet werde; § 2 Abs 2 Z 2 WEG 1975 (= § 3 Abs 1 Z 3 und 4 WEG 2002). Es handelt sich dabei um eine Sonderform der richterlichen Naturalteilung.
Öffentliche Feilbietung
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 69/169 (1996): Auch bei Vorliegen eines vertraglichen Verzichts auf Erhebung der Teilungsklage kann aus wichtigen Gründen dennoch die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft begehrt werden. Die Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 2 WEG 1975 (= § 2 WEG 2002) in einem Verfahren zur Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft geht als Sonderform der Naturalteilung der Zivilteilung vor. Sie ist nicht deshalb untunlich, weil zwischen den Miteigentümern Streitigkeiten bestehen.
GlUNF 2217 (1903): Exekutionsführung auf im Miteigentum des Verpflichteten stehende bewegliche Sachen (Einrichtungsstücke) in Unkenntnis dieser Rechtsbeziehung. – Kein Ausschluss der Exekution durch Widerspruch des anderen Miteigentümers, vielmehr: „ ... Der Miteigentümer muss sich vielmehr gefallen lassen, dass zum Zwecke der Befriedigung des betreibenden Gläubigers das gemeinschaftliche Eigentum aufgehoben und der auf das Miteigentum des Verpflichteten entfallende Teil des Erlöses auf den Miteigentümer entfällt.”
Die einzelnen Miteigentümer eines Hauses bilden zB gegenüber Ansprüchen auf Erteilung der Zustimmung zur Verbücherung eines Bestandvertrags und auf Schaffung der dafür nötigen Voraussetzungen eine einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO; SZ 27/138 (1954).
Einheitliche Streitpartei
Die Miteigentumsregeln der §§ 825 ff ABGB finden auch eine analoge Anwendung auf den Mitbesitz, was etwa in Miethäusern eine Rolle spielt.
Mitbesitz
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1996, 383: Besitzstörung (der Mietrechte) und Eigentumsstörung nach § 523 ABGB durch unerlaubtes Verteilen von Werbematerial in einem Miethaus der Gemeinde Wien.
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4. Gesamt(hand)eigentum
Gesamt(hand)eigentum findet sich in Österreich bei den Personengesellschaften des Handelsrechts; also OHGund KG, aber auch den eingetragenen Erwerbsgesellschaften OEG und KEG nach dem EGG 1990 → KAPITEL 4: Zur Rechts- und Handlungsfähigkeit . – Auch das Ehegattenwohnungseigentum (§ 9 WEG 1975, nunmehr Eigentümerpartnerschaft der §§ 13-15 WEG 2002) schafft Gesamthandeigentum; dh es besteht nur die Möglichkeit gemeinsamer Verfügung, Belastung oder Exekution über die (notwendigerweise gleich großen) Mindestanteile. – Keine Gesamthandschaft besteht in Österreich (anders als in Deutschland) bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts: §§ 1175 ff ABGB; dazu → KAPITEL 12: Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Ihre Bestimmungen verweisen vielmehr mehrfach auf Bestimmungen des 16. HptSt (§§ 825 ff ABGB) und damit auf das schlichte Miteigentum; so die §§ 1188, 1190, 1194, 1208 und 1212 ABGB.
Anwendungsbereich
Bei dieser Spielart des Miteigentums geht es um:
Funktion
• die rechtliche Trennung des gemeinschaftlichen Vermögens vom Privatvermögen der Beteiligten und zusätzlich
• um den Ausschluss der (Einzel)Verfügungsbefugnis über den Anteil an den einzelnen zum Gemeinschaftsvermögen gehörenden Gegenständen.
Die Beteiligten besitzen also keine ideellen Anteile / Quoten über die sie frei verfügen können. Die Gesamthänder / Teilhaber können vielmehr über Anteile und Gesamtsache nur gemeinsam verfügen. – Der Zweck liegt darin, den Bestand dieser wirtschaftlich sensiblen Gesellschaftsformen, bei denen es auf persönliche Mitarbeit und Vertrauen ankommt, nicht durch einseitiges Handeln zu gefährden.
Nur gemeinsame Verfügung
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VII. Wohnungseigentum: WEG 2002
Literaturquelle
Wohnungseigentum / WE ist seiner rechtlichen Konstruktion nach weiterentwickeltes schlichtes MitET. Der Unterschied liegt aber darin, dass Wohnungseigentümer/WETü – anders als schlichte MitETü – bereits das dingliche Recht besitzen „ein [WE-Objekt] ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen”; § 2 Abs 1 WEG. Bei schlichtem MitET dagegen kann auf Grund seiner rechtlichen Konstruktion kein MitETü eine bestimmte Wohnung für sich in Anspruch nehmen, da nur das Recht und nicht aber die Sache selbst geteilt ist. Beim schlichten MitET braucht es für die konkrete Benützung eine einvernehmliche Vereinbarung aller MitETü; sog Benützungs- oder Gebrauchsregelung → Nutzung von WE-Objekten und allgemeiner Teile der Liegenschaft Sie ist (in Bezug auf die Benützung des WE-Objekts) in der gesetzlichen Konstruktion des WE inbegriffen.
Weiterentwickeltes Miteigentum
Benützungsregelungen spielen aber auch beim WET eine praktische Rolle; freilich nicht für die Nutzung von WE-Objekten ieS – also Wohnungen, Garagen, Geschäftslokalen oder Kfz-Abstellplätzen, die im WET stehen, sondern nur für sog allgemeine Teile der Liegenschaft → Nutzung von WE-Objekten und allgemeiner Teile der Liegenschaft
Beachte
1. Konstruktion
Die rechtliche Konstruktion des WE gewährt dem einzelnen WETü – entgegen einer weitverbreiteten Einschätzung – also kein Allein- oder SonderET an seinen vier Wänden. Dennoch ist die Rechtsform beliebt. Allein sie hat, wie wir noch sehen werden, auch ihre Tücken, wie es das räumlich nahe Zusammenwohnen mit anderen Menschen nun einmal mit sich bringt. – Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich das WE als Mittel des Wiederaufbaus bewährt.
Anders konzipiert ist das WET in Deutschland; WEG, BGBl I 175/1951. Der einzelne WETü hat dort ein sog SonderET an seiner Wohnung, ist also ihr echter (Allein)ETü. An den allgemeinen Teilen der Liegenschaft / des Hauses ist er dagegen bloß MitETü; sog GemeinschaftsETü. – Die Schweiz hat 1963 im ZGB Regeln über StockwerkET geschaffen: Inhaltlich handelt es sich dabei aber um ein dem österreichischen WEG vergleichbares, weiterentwickeltes schlichtes Mit- und nicht realgeteiltes Eigentum wie die Bezeichnung nahelegt. – Das WE in Österreich, Deutschland und der Schweiz ist demnach rechtlich vergleichbar, aber doch in mancher Frage unterschiedlich konzipiert. Italien hat im Codice Civile eine Stockwerkeigentumslösung geschaffen, die für Deutschland, die Schweiz und Österreich als Vorbild gedient hat; Art 1117-1139. Zu den Unterschieden zwischen diesen Ländern: Barta, in: Havel / Fink / Barta (1999).
Rechtsvergleich
Gegenwärtig gibt es in Österreich etwa 450.000 Eigentumswohnungen. – Das WEG 2002 ist das NachfolgeG des WEG 1948 und des WEG 1975.
~ 450.000 Eigentumswohnungen
Das 3. WÄG 1993 novellierte das WEG 1975 mit wenig Feingefühl und Qualität; ua schuf es in § 13c Abs 1 und 2 WEG eine verfehlte Schulden(tragungs)regelung der WE-Gemeinschaft und eine subsidiäre (Anteils)Haftung der WETü für (Haus)Schulden anderer WETü! Diese Haftungsregelung wurde durch die WRN 1999 entschärft. Neugeschaffen wurde ein Vorzugspfandrecht zugunsten der Forderungen der WE-Gemeinschaft und von Rückgriffsforderungen einzelner MitETü. Zur Streichung der 1993 geschaffenen verfehlten Ausfallshaftung konnte sich der Gesetzgeber aber nicht entschließen. Die neue Regel – eingefügt in die Abs 3 bis 5 des § 13c WEG 1975– ist zudem kompliziert und kostspielig. Das WEG 2002 hat diese Haftung der WETü für fremde Schulden übernommen; vgl nunmehr § 18 Abs 3 WEG 2002.
Historische Entwicklung
Die Reform war in diesem Umfang überflüssig und blieb in wichtigen Punkten die nötige Weiterentwicklung und Qualität schuldig. Offenbar brauchen aber Regierung und Ministerialbürokratie formale Leistungsnachweise. Weniger legistische Gschaftlhuberei wäre mehr gewesen. Wurden doch durch das neue Gesetz alle bisherigen Hilfsmittel leichtfertig unbrauchbar gemacht. Die Rechtssicherheit wurde allein dadurch nachhaltig geschädigt. Der vertretbare Reforminhalt – insbesondere die Eigentümerpartnerschaft / ETü-P und das selbständige Wohnungseigentum/WE an Abstellplätzen für Kfz sowie das vorläufige WE des AlleinETü / sog Vorratsteilung nach dt Vorbild (§§ 45 ff WEG) hätten auch durch eine Novellierung des WEG 1975 erreicht werden können. Sie stellten zudem alte rechtspolitische Forderungen dar. Auch die schwachen Verwaltungsregeln hätten moderater verbessert werden können.
Legistisch weist auch das neue Gesetz Schwächen auf; § 2 besteht bspw aus 10 Absätzen und die ins Kraut geschossene Paragraphenzahl dokumentiert eine inflationäre Normenvermehrung: Kam das WEG 1948 mit 13 Paragraphen aus und benötigte das WEG 1975 schon 30, so verdoppelt das WEG 2002 diese Zahl nahezu: 57 Paragraphen. Allein Quantität schlägt nicht notwendiger Weise in Qualität um. Hier ist aber nicht der Ort, um darauf näher einzugehen.


Verhältnis von WE und Mietwohnungen
Abbildung 8.16:
Verhältnis von WE und Mietwohnungen
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2. Begriffe: Wohnungseigentum, WE-Objekte
„Das Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, ein [WE-Objekt] ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen”; § 2 Abs 1 Satz 1 WEG.
Begriff
Nach § 2 Abs 2 WEG sind WE-Objekte „Wohnungen, sonstige selbständige Räumlichkeiten und Abstellplätze für [Kfze]”. § 2 Abs 2 WEG umschreibt die erwähnten Begriffe samt dem der Wohnung etc.
WE-Objekte
Voraussetzung für die Begründung und Erhaltung von WE ist das Bestehen einer selbständigen / abgeschlossenen Wohnung etc. Die Rspr untersagt es daher bisher, bspw zwei untereinander liegende Wohnungen verschiedener Eigentümer durch eine die Zwischengeschossdecke durchbrechende Stiege miteinander zu verbinden; vgl EvBl 1994/73 (mit verfehlter Begründung).
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3. Gegenstand des Wohnungseigentums
Entgegen der zu engen Begriffsfassung können aber nicht nur Wohnungen, sondern auch Geschäftsräume, Garagen, Kfz-Abstellplätze und damit verbunden – nicht allein! – Keller- und Dachbodenräume, Hausgärten, offene Balkone, Terrassen, Autoabstellplätze und andere unmittelbar zugängliche, deutlich abgegrenzte Teile der Liegenschaft – sog Akzessorien oder Zubehör-WE: § 2 Abs 3 WEG – Gegenstand des WE sein.
Unscharfe Begriffsfassung
Nicht im WE stehen können dagegen sog allgemeine Teile der Liegenschaft; § 2 Abs 4 iVm § 3 Abs 3 WEG. Sie dienen allgemeiner, dh gemeinsamer Nutzung und entziehen sich kraft ihrer Zweckbestimmung dem ausschließlichen Gebrauch einzelner WETü. Über den Gebrauch allgemeiner Teile der Liegenschaft – allenfalls auch durch Einzelne – können aber Benützungsregelungen (→ Nutzung von WE-Objekten und allgemeiner Teile der Liegenschaft) getroffen werden.
Allgemeine Teile der Liegenschaft
Allgemeine Teile sind zB: Stiegenhaus/Treppen, Waschküche/Trockenraum, Dachboden, Kinderspielplatz, Müllplatz, Wege zum Haus, aber auch die Hausbesorgerwohnung, freie zum Haus gehörige Parkplätze oder Grünflächen für alle. – Aber Achtung: Hier wurde und wird immer noch von Bauträgern auf Kosten der WETü-Gemeinschaft manipuliert!
Rechtssprechungsbeispiel
wobl 2000/82: Nichtigkeit der WE-Begründung an einer Hausbesorgerwohnung;
wobl 2000/126: Nichtige WE-Begründung an einem allgemeinen Teil der Liegenschaft.
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4. Begründung und Erwerb von WE: § 3 WEG
Die §§ 3-6 WEG regeln die Begründung von WE; Titel, Zustimmung, Beschränkung. § 3 Abs 1 WEG nennt als Möglichkeiten der Begründung:
Verschiedene Möglichkeiten
• den Wohnungseigentumsvertrag (als schriftliche Vereinbarung aller MitETü)
• eine gerichtliche Entscheidung über eine Klage nach § 43 WEG (Klage eines WE-Werbers gegen den Liegenschafts-ETü wegen Säumnis des/der WE-Organisators/en)
• eine gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren zur Aufhebung einer MitET-Gemeinschaft und schließlich
• eine gerichtliche Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG.
§ 3 Abs 2 WEG stellt klar, dass die gültige Begründung von WE alle widmungsgemäß vorgesehenen WE-Objekte umfassen muß. – Nach Abs 3 kann an allgemeinen Teilen der Liegenschaft WE nicht begründet werden.
Begründung umfasst …
§ 5 Abs 1WEG („Erwerb des WE”) spricht den Grundsatz aus, dass der Erwerb von WE, Mit-ET voraussetzt.
WE setzt Mit-ET voraus
§ 5 Abs 2 trifft die neue Regelung, dass der Erwerb von WE an Kfz-Abstellplätzen bis zum Ablauf von 3 Jahren nach Begründung von WE an der Liegenschaft nur von WETü erworben werden kann. Erst nach Ablauf dieser Frist können auch andere Personen (Dritte) WE an Kfz-Abstellplätzen erwerben. – § 5 Abs 3: WE wird durch Einverleibung ins Grundbuch erworben. Die Intabulation erfolgt im B-Blatt ( → KAPITEL 2: Aufbau des Grundbuchs) auf dem Mindestanteil; § 11 WEG.
Kfz-Abstellplätze
§ 6 WEG nennt die notwendigen Beilagen für den Einverleibungsantrag von WE. – Es sind dies:
Notwendige Beilagen für den Einverleibungsantrag
• Der Nachweis der Begründung von WE nach § 3 Abs 1 WEG (Wohnungseigentumsvertrag etc);
• der Nachweis über den Bestand eines tauglichen WE-Objekts (durch Bescheinigung der Baubehörde oder ein Sachverständigengutachten);
• die Nutzwertfeststellung nach § 9 WEG; sog Parifizierung.
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5. Nutzfläche, Nutzwert und Mindestanteil: §§ 7-12 WEG
§ 11 WEG betont – was auch bisher der Fall war, daß WE und Mindestanteiluntrennbar verbundensind und nur gemeinsam beschränkt, belastet, veräußert, von Todes wegen übertragen und der Zwangsvollstreckung unterworfen werden können.
WE und Mindestanteil „untrennbar verbunden”
§ 12 Abs 1 WEG spricht die Unteilbarkeit des Mindestanteils aus; Abs 2 regelt umständlich Ausnahmen der Unteilbarkeit.
Unteilbarkeit
WE setzt also nach wie vor grundsätzlich bestehendes MitET voraus; also wenigstens zwei MitETü. An AlleinET konnte in Österreich WE bisher nicht begründet werden. – Das dtWEG kannte dagegen seit jeher die Möglichkeit der sog Vorratsteilung des errichtenden AlleinETü. Diese Regelung wurde nunmehr übernommen.
Vorratsteilung
Zu beachten ist ferner: WE kann zwar nur durch schriftliche Vereinbarung aller MitETü neu begründet werden; womit nicht verwechselt werden darf, dass schon bestehendes, also bereits begründetes und verbüchertes WE (zB bei Verkauf einer gebauten Eigentumswohnung durch einen WETü), auch mündlich gültig verkauft werden kann; normaler Liegenschaftskauf. Der derivative Erwerb von bereits bestehendem WE ist demnach nicht an die Schriftform gebunden.
Unterscheide
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6. Wirkung der WE-Begründung auf bestehende Mietverhältnisse: § 4
§ 4 Abs 1 bestimmt, dass mit der Begründung von WE an einem vermieteten WE-Objekt die Rechtsstellung des Vermieters auf den (neuen) WETü übergeht.
Abs 2 statuiert die problematische Ausfallshaftung der ETü-Gemeinschaft gegenüber einem Hauptmieter, der seine (Geld)Ansprüche gegen den WETü auch nicht durch Exekution hereinbringen kann. (?) – Abs 3 sichert weitere Ansprüche eines Hauptmieters gegen die ETü-Gemeinschaft.
Problematische Ausfallshaftung
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7. Die Eigentümerpartnerschaft/ETü-P: §§ 13-15 WEG
Zur Reformforderung nach „Öffnung” des (bisherigen) Ehegatten-WEs: Barta, Zur Geschichte und künftigen Entwicklung des WEs in Österreich, in: Havel/ Fink/ Barta, WE-Anspruch und Wirklichkeit. Entwicklung, Probleme, Lösungsstrategien 353 (1999). Vgl schon Gschnitzer, Kann ein Ehepaar eine Eigentumswohnung erwerben?, JBl 1968, 232.
§ 13 Abs 1 WEG erklärt die §§ 825 ffABGB grundsätzlich auf die ETü-P anwendbar. – Abs 2 fordert – wie bisher für das Ehegatten- WE – dass die Partner „[ETü] je eines halben Mindestanteils” sein müssen. Ihre Anteile am Mindestanteil dürfen auch nicht unterschiedlich belastet werden. – Abs 3: Solange eine ETü-P besteht können die durch das gemeinsame WE verbundenen Anteile nicht getrennt und nur gemeinsam beschränkt, belastet, veräußert oder der Zwangsvollstreckung unterworfen werden. Hier finden sich auch Ausführungen über die Vorgangsweise bei Exekutionen. – Nach Abs 4 haften die Partner für alle Verbindlichkeiten aus ihrem gemeinsamen WE zur ungeteilten Hand. – Auch die Nutzung und Verfügung über das WE-Objekt hat gemeinsamzu erfolgen. Das gilt auch für die Äußerungs- und Stimmrechte sowie das Wahrnehmen von Minderheitenrechten durch die Partner. – Abs 6 kennt die Möglichkeit des vertraglichen Ausschlusses einer Klage auf Aufhebung einer ETü-P nach § 830 ABGB für 3 Jahre (ab Einverleibung). Während des Bestandes einer Ehe und Vorliegen eines dringenden Wohnbedürfnisses ist eine Aufhebung überhaupt unzulässig; Satz 3 schützt minderjährige „Partner”.
Grundsätzliches
Erwirbt der überlebende Partner den Anteil des Verstorbenen nicht ohnehin als Erbe oder Vermächtnisnehmer, so gilt nach § 14 Abs 1 WEG (subsidiär) – vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung nach Abs 4 – folgendes:
§ 14 WEG – WE der Partner im Todesfall
• Z 1 ordnet den unmittelbaren ETs-Erwerb des Überlebenden am Anteil des Verstorbenen an (Vindikationslegat → KAPITEL 17: Erbeinsetzung und Vermächtnis);
• Z 2 regelt den Verzicht des Überlebenden auf den gesetzlichen ETs-Übergang und kennt zudem die Möglichkeit, dass der Überlebende mit den Erben des Verstorbenen eine andere Vereinbarung trifft. Die Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten ist dazu erforderlich.
• Nach Abs 4 können die Partner eine schriftliche Vereinbarung des Inhalts treffen, „dass anstelle des gesetzlichen Eigentumsübergangs nach Abs 1 Z 1 der Anteil des Verstorbenen … einer anderen natürlichen Person zukommt.” – Eine solche Vereinbarung hat aber nur schuldrechtliche Wirkung.
Geregelt in § 15 WEG. – Jeder Ehegatte kann bei Nichteinigung nach Ablauf 1 Jahres nach Eintritt der Rechtskraft der Eheauflösung die Aufhebung der Partnerschaft verlangen.
ETü-P bei Auflösung der Ehe
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8. Nutzung von WE-Objekten und allgemeiner Teile der Liegenschaft
Nach § 16 Abs 1 WEG steht die Nutzung des WE-Objekts dem jeweiligen WETü zu.
Nutzung
Abs 2 übernimmt fast wörtlich den Inhalt des bisherigen § 13 Abs 2 WEG 1975 und regelt (wie dieser) die Berechtigung von WETü zu baulichen Veränderungen einschließlich Widmungsänderungen (also bspw die Umwandlung einer Wohnung in Geschäftsräume) am WET-Objekt auf eigene Kosten. – Abs 3 statuiert wie die bisherige Rechtslage Wartungs-, Erhaltungs- und Duldungspflichten des ETü.
Bauliche Veränderungen + Widmungsänderungen etc
Zur Widmungsänderung vgl → Rspr-Beispiele (Rspr-Beispiele): Zahnarzt als Nachbar.
Das WEG 2002 trägt bisheriger Kritik insoferne Rechnung, als es, anders als das WEG 1975, zwischen der Nutzung der einzelnen WET-Objekte und der Verwaltung der gesamten Liegenschaft unterscheidet.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 5. 9. 2000, 5 Ob 217/00y, JBl 2001, 317: Mit Mehrheitsbeschluss (71%) wurde von einer WE-Gemeinschaft für die Aufstellung einer Mobilfunkantenne am Dach der Anlage votiert. Der Eigentümer einer Dachgeschoßwohnung versuchte, dies zu verhindern. – OGH: Eine Gesundheitsbeeinträchtigung eines Eigentümers einer Dachgeschoßwohnung durch Aufstellung einer Mobilfunkantenne kann derzeit nicht bewiesen werden. Eine nicht völlig unbegründete Besorgnis über noch nicht abschließend zu beurteilende Gefahren technischer Neuerungen stellt gegenüber dem finanziellen Vorteil der WE-Gemeinschaft aus dem Nutzungsvertrag keine „übermäßige” Beeinträchtigung iSd § 14 Abs 3 WEG 1975 dar.
Nach Abs 1 können alle WETü eine schriftliche Vereinbarung über eine Benützungsregelung treffen. – Abs 2 kennt die Möglichkeit, daß jeder WETü „aus wichtigen Gründen” eine gerichtliche Regelung begehren kann. Wie bisher besteht weiterhin die Möglichkeit einer vorläufigen Benützungsregelung während des Verfahrens durch eine 2/3-Mehrheit. – Die Chance der legistischen Weiterentwicklung der Benützungsregelung wurde vom Gesetzgeber nicht genützt. Abs 3 statuiert die Drittwirkung von Benützungsregelungen, was bedeutet, dass auch Rechtsnachfolger an sie gebunden sind. Damit wird das lästige Überbürden von Vereinbarungen vermieden. – Das Gesetz sieht auch die Ersichtlichmachung im Grundbuch vor, was zu begrüßen ist.
§ 17 WEG: Benützungsregelung
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9. Eigentümergemeinschaft, Verwalter, Vorzugspfandrecht
§ 18 Abs 1 WEG erkennt der ETü-Gemeinschaft Teil-Rechtsfähigkeit zu soweit sie in Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung tätig wird. Sie kann dabei Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden; vgl § 124 HGB für OHG und KG.
Teilrechtsfähigkeit
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1999/124: Die Rechtssubjektivität der WET-Gemeinschaft beschränkt sich auf Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft. Außerhalb dieses Geschäftskreises kann sie weder Rechte erwerben noch Verbindlichkeiten eingehen. Die Vermietung von Wohnungen oder sonstigen selbständigen Räumlichkeiten, die in Sondernutzung stehen, gehört nicht zu diesen Verwaltungsagenden.
EvBl 1999/65: Rechtspersönlichkeit der WE-Gemeinschaft – Passivlegitimation für Aufwandersatzansprüche des Verwalters aus seinem Auftragsverhältnis (§ 1014 ABGB) → KAPITEL 12: Aufwandersatz.
Im Rahmen ihrer Zuständigkeit (Liegenschaftsverwaltung) ist die WE-Gemeinschaft auch deliktsfähig; wobl 2000/59: Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB. Allfällige Kosten aus einer derartigen Haftung sind nach § 19 Abs 1 WEG als von der WE-Gemeinschaft zu tragender Prozessaufwand anteilig auf die Mit- und WETü aufzuteilen. Selbstverständlich steht der Gemeinschaft in einem derartigen Fall uU ein Regressanspruch gegen den WE-Verwalter, Hausbesorger oder sonstige Hilfspersonen zu, zu denen auch einzelne Mit- und WETü zu zählen sind.
Zur Frage, WE-Gemeinschaft und KSchG, Schauer, wobl 2000, 220: Grundsätzlich ist die WE-Gemeinschaft iSd § 1 Abs 2 KSchG Verbraucherin; sie kann aber – etwa bei Vermietung allgemeiner Teile der Liegenschaft – zur Unternehmerin werden. Es ist daher im Einzelfall jeweils zu prüfen.
Beachte
Die ETü-Gemeinschaft besitzt demnach auch eine durch ihre Aufgaben eingeschränkte Rechtsfähigkeit iSd ultra-vires-Lehre. Bei Überschreitung des rechtlich zugewiesenen Aufgabenkreises ist das Rechtsgeschäft oder die gesetzte Vertretungshandlung unwirksam.
Ultra vires-Lehre
Abs 2 regelt die wichtige Vertretung der ETü-Gemeinschaft (Liegenschaftsverwaltung): Häufig werden nämlich ETü-Gemeinschaften durch einen Haus- oder Anlagen-Verwalter vertreten. Bei Interessenkollision mit diesem vertritt nunmehr ein neuer ETü-Vertreter die Gemeinschaft. – Wurde kein Verwalter bestellt, verwaltet die Anteilsmehrheit die Liegenschaft. § 23 WEG kennt die Möglichkeit der Bestellung eines vorläufigen Verwalters.
Vertretung der ETü-Gemeinschaft
Probleme tauchen im Rahmen der Liegenschaftsverwaltung immer wieder auf, weil Verwalter ihre Kompetenz überschreiten und unkorrekt vorgehen oder – was ebenfalls vorkommt – zuwenig oder gar nichts tun. Im Zusammenhang mit der Verwaltung und Errichtung von WE gab es in Österreich schwerste Skandale (Betrug, Veruntreuung etc), gerade auch in Tirol. Vgl zur historischen Entwicklung meine Ausführungen, in: Havel/ Fink/ Barta, WE – Anspruch und Wirklichkeit 183 ff (1999). So wurde Ende 1997 eine große Tiroler gemeinnützige Wohnbauvereinigung als Verwalter der Großanlage „Maria Hilfpark” wegen schwerer Verfehlungen im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit gerichtlich als Verwalter enthoben. Vorsicht gegenüber dem Verwalter und möglichst gemeinsames Handeln der WETü erscheint daher ratsam.
Liegenschaftsverwaltung
Überlegenswert und lohnend für kleinere Gemeinschaften ist daher die Selbstverwaltung; sonst spricht man von Fremdverwaltung. Die Autonomie der WETü-Gemeinschaft wird vom Gesetzgeber leider zu wenig gefördert! Die politische Abhängigkeit von der Verwalter-Lobby ist offenbar zu groß. (Im 3. WÄG 1993 wurde bspw mehr auf die Interessen der Hausverwalter, Banken und Bauträger geachtet, als auf die der WETü. Auch die WRN 1999 ließ die übermächtige Verwalterstellung unangetastet. Und auch das neue Gesetz dient vornehmlich den professionellen „Lobbyisten” des WE.)
Für die Zukunft wäre es wichtig, den Verwalter der Liegenschaft konsequent zu einem Vollzugsorgan der ETü-Gemeinschaft zu machen, und nicht den Weg in Richtung „Vormund“ der Gemeinschaft fortzusetzen; Hausverwaltung muß endlich auch rechtlich als „Dienstleistung” verstanden werden und nicht als monetär-politische Pfründe und Kuratel. Die bestehende gesetzliche Lösung spiegelt – woran das neue Gesetz nichts geändert hat – eine Tendenz zur Untertanenmentalität wider.
Literaturquelle
Ein weiteres auch von der WRNov 1999 und dem WEG 2002 übergangenes Problem für die Liegenschaftsverwaltung liegt darin, dass der Kauf von Eigentumswohnungen immer häufiger zu bloßer Wertanlage erfolgt, was aus Realitätsgründen hinzunehmen ist. Diese (Wert)Anlage-WETü kümmern sich aber häufig nicht oder zu wenig um die Liegenschaftsverwaltung, die auf Anteils-Mehrheiten aufbaut, die bei Abwesenheit dieser Gruppe aber nur schwer oder gar nicht zu erlangen ist. Dafür wurde erneut nicht vorgesorgt; vgl meine Ausführungen in: Havel/ Fink/ Barta, WE-Anspruch und Wirklichkeit 270 f, 282 ff, 326 und 341 f.
WE: Blosse Wertanlage?


Wohnungseigentum in Europa
Abbildung 8.17:
Wohnungseigentum in Europa
§ 18 Abs 3 WEG behandelt unauffällig die unrühmliche und verfehlte Haftung der ETü-Gemeinschaft.
Haftung
Sie wurde vom neuen Gesetz beibehalten, was für Handwerker, Lieferanten, Banken und vor allem die Verwalter angenehm sein mag, für die einzelnen WETü aber fatal ist, weil man die einzelnen „Mitbewohner” nicht oder kaum kennt und dennoch für sie finanziell einzustehen hat. Diese Haftung stellt einen politischen und rechtlichen Verrat anderIdee desWE dar und sollte wenigstens aus Gründen der Attraktivität des Rechtsinstuts, wenn schon nicht aus legistischem Anstand, beseitigt werden.
Nach § 18 Abs 3 WEG kann ein gegen die ETü-Gemeinschaft ergangener Exekutionstitel zunächst nur in die Rücklage nach § 31 WEG (die von allen WETü gespeist wird!) oder in die von den WETü geleisteten oder geschuldeten Zahlungen für Aufwendungen (§ 32 WEG – sog Akonti) vollstreckt werden. Reichen diese vorgeschalteten Haftungsfonds, die ebenfalls mit dem Geld der WETü dotiert werden (!), aber nicht aus, „haften die [WETü ] für den Ausfall im Verhältnis ihrer [MitET-Anteile]” persönlich.
Persönliche Haftung
§ 19 WEG regelt die Verwalterbestellung: Der Verwalter verwaltet die Liegenschaft und kann eine natürliche oder eine juristische Person sein. – Sein Name und seine Anschrift sind im Grundbuch ersichtlich zu machen. – Dass die Vollmacht des Verwalters nach wie vor „nach außen unbeschränkbar” ist, muß bedauert werden, weil dies den Verwalter zum Herrn, ja Herrscher der Gemeinschaft macht, was ihm nicht zusteht. Die ETü-Gemeinschaft wird dadurch gelähmt, ja entmündigt. Ähnliches gilt für die – vom neuen Gesetz ebenfalls übernommene – Kompetenz des Verwalters, der ohne Zustimmung der ETü-Gemeinschaft (und ohne sachliche und betragliche Beschränkung) einen „berufsmäßigen Parteienvertreter” bestellen kann.
Verwalterbestellung
§ 20 WEG umschreibt die Aufgaben und Befugnisse des Verwaltersnäher: – Das WEG 2002 hat die Chance einer funktionalen Weiterentwicklung der Verwalterstellung zu einem Dienstleistungsorgan der WETü-Gemeinschaft wohl bewusst versäumt. Vgl die bereits oben geäußerte Kritik.
Aufgaben und Befugnisse des Verwalters
• Zu aller erst hat der Verwalter, woran die Praxis häufig krankt, die Interessen aller WETü zuwahren und die Weisungen der Mehrheit zu befolgen; Abs 1.
• Ihn trifft die Pflicht zur jährlichen „ Vorausschau”; Abs 2.
• Und die wichtige Pflicht zur „ordentlichen und richtigen [Jahres]Abrechnung”; Abs 3.
• Abs 4 untersagt dem Verwalter nicht (!) den Abschluß von Rechtsgeschäften mit Personen, die mit ihm durch ein familiäres oder wirtschaftliches „Naheverhältnis” verbunden sind. Er muß die WETü darauf nur hinweisen. Ein Zeit- und Sittenbild!
• Nach Abs 5 hat der Verwalter ferner rückständige Zahlungen von WETü einzumahnen. – Es fehlt wohl bewusst, das für die Praxis wichtige Wörtchen „unverzüglich”.
• Abs 6 kennt die Pflicht zur Führung eines ETü-Gemeinschaftskontos.
• Abs 7 erinnert an legistisch unpassender Stelle den Verwalter an seine unabdingbaren Plichten nach den §§ 1002 ff ABGB, insbesondere auch § 1009 ABGB: „emsig und redlich”!
• Abs 8 räumt der ETü-Gemeinschaft bei grober Pflichtverletzung des Verwalters das Recht ein, eine Herabsetzung des Entgelts zu „verlangen”. Diese „zahnlose” Einräumung einer Selbstverständlichkeit wird in der Praxis wenig fruchten.
Die Regelungen zur Auflösung und Verlängerung des Verwaltungsvertrages finden sich in § 21 WEG.
Auflösung und Verlängerung des VerwaltungsV
Man muß kein Prophet sein, um dem Eigentümervertreter, dieser „Scheinstütze” der ETü-Gemeinschaft, keine glänzende Praxiskarriere vorauszusagen. Legistisch schwächlich konzipiert und kaum durchdacht, werden nur wenige Gemeinschaften von diesem „Angebot” Gebrauch machen.
§ 22 WEG: Eigentümervertreter
Das weiterhin mögliche Beantragen eines, wenn auch nur vorläufigen, Verwalters durch Dritte geht zu weit.
§ 23 WEG: Vorläufiger Verwalter
Hier zeigt sich die Blauäugigkeit oder gar Doppelbödigkeit der WEG-Legisten und Lobbyisten: Man tut so, als wäre die ETü-Versammlung einer WE-Gemeinschaft „das” Organ der Willensbildung und verschweigt, dass in einem sehr hohen Prozentsatz – er liegt über 80 Prozent – dieses Organ neben dem Verwalter keine Rolle spielt.
§ 24 WEG: Beschlussfassung der ETü-Gemeinschaft
Beschlüsse sind nur wirksam, wenn zuvor allen WETü Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde, was eine entsprechende Ladung voraussetzt. – Zulässig ist neben der Beschlussfassung in der ETü-Versammlung auch der nicht unproblematische und legistisch unstrukturierte Umlaufbeschluß.
Beschlüsse
Abs 4 ordnet an, dass sich die Stimmenmehrheit nach dem Verhältnis der MitET-Anteile richtet.
Anteilsmehrheit
Abs 5 regelt das Zur-Kenntnisbringen gefasster Beschlüsse und Abs 6 die Beschlussanfechtung mit einer ganz unzulänglichen, weil viel zu kurzen 1-monatigen Frist. Das ist legistischer dolus eventualis.
Beschlussanfechtung
§ 25 WEG handelt von der ETü-Versammlung: Geregelt werden ihre Einberufung durch den Verwalter, die nunmehr als Regelfall endlich gesetzlich festgeschrieben wird. – Auf die zahlreichen legistischen Unzulänglichkeiten kann hier nicht eingegangen werden; vgl nur § 25 Abs 1 letzter Satz. – Selbstverständlich hat der Verwalter auch die „Protokollhoheit”, wofür nicht einmal Minimalerfordernisse festgelegt wurden.
ETü-Versammlung
§ 26 WEG regelt erstmals die Gemeinschaftsordnung. – Auch dieses interessante Instrument der ETü-Gemeinschaft wurde mit größtmöglicher Einfallslosigkeit geregelt. Kryptisches ist mit Unzureichendem gepaart. Schade.
Gemeinschaftsordnung
§ 27 WEG normiert das die Haftung der WETü-Gemeinschaft etwas mildernde gesetzliche Vorzugspfandrecht: Es war vorgeschlagen worden, um der ursprünglich noch nachteiliger geregelten Haftung der WETü wenigstens die Spitze zu nehmen. Zu mehr konnte sich der Gesetzgeber wiederum nicht entschließen.
Vorzugspfandrecht
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10. Liegenschaftsverwaltung: §§ 28-34 WEG
Wie bisher wird zwischen ordentlicher (§ 28) und außerordentlicher (§ 29) Verwaltung unterschieden. In den Angelegenheiten der o.Verwaltung – sie werden beispielhaft aufgezählt – entscheidet die Anteilsmehrheit. Zu kompliziert – wie bisher – ist erneut die ao. Verwaltung geregelt. Wichtiges Unterscheidungskriterium zur o.Verwaltung ist es, dass der Verwalter solche Maßnahmen nicht ohne Mehrheitsbeschluß durchführen kann; Abs 6: Man beachte die Formulierung.
o. und ao. Verwaltung
§ 30 WEG regelt die „Minderheitsrechte”: Auch hier konnten sich die Gesetzesbastler zu keiner substantiellen Anreicherung in die Richtung von Individual- oder echten Minderheitsrechten entschließen. Was ließe sich aber nicht allein dadurch zum Besseren wenden! – Die Bezeichnung ist zudem sprachlich unrichtig, denn im Gesetz handelt es sich nicht um Minderheits-, sondern um Individualrechte.
Minderheitenrechte
§ 31 WEG: Rücklage – Die Rücklage war ursprünglich für Aufwendungen einer angemessenen Erhaltung der Liegenschaft reserviert. Diese sinnvolle Zweckbindung wurde 1993 beseitigt, und bei dieser Verschlechterung ist es auch im neuen Gesetz geblieben. – Für die Rücklage ist ein eigenes Konto einzurichten; sie steht im Vermögen der ETü-Gemeinschaft.
Rücklage
§ 32 WEG: Aufteilung der Aufwendungen – Alle Aufwendungen für die Liegenschaftsverwaltung sind von den WETü nach ihren MitET-Anteilen zu tragen. (Das gilt nicht für die Kostenverteilung der Errichtungskosten ! Hier sind Ungleichheiten weiterhin zu dulden und können kaum erkannt werden. Welch Verständnis und Vorschubleistung für Unseriösität!) – Abweichungen vom gesetzlichen Aufteilungsschlüssel sind möglich.
Aufwendungen
§ 33 WEG: Verteilung der Erträgnisse – Abs 1 behandelt systemwidrig die Erträgnisse aus einzelnen WE-Objekten im Rahmen der Liegenschaftsverwaltung. – Wirft die Liegenschaft Erträgnisse ab, stehen diese aber allen WETü nach deren Anteilen zu. Das mag die Vermietung von Abstellplätzen, Werbeeinahmen für Reklameflächen oder die Lieferung von Wärme aus dem eigenen Heizhaus betreffen.
Erträgnisse
§ 34 WEG: Abrechnung.
Abrechnung
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 12. 7. 2000, z Ob 148/00s, SZ 73/115 = JBl 2001, 247: OGH lässt erstaunlicherweise im Außenverhältnis Parallelverwaltung des Mehrheitseigentümers gegen den nach WEG bestellten Verwalter zu; Rspr-Änderung.
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11. Beendigung von WE und Miteigentum: §§ 35, 36 WEG
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12. Ausschließung von Wohnungseigentümern: § 36 WEG
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13. Schutz von WE-Werbern: §§ 37-44 WEG
§ 38 WEG: RechtsunwirksameVereinbarungen;
§ 39 WEG: Rücktritt des WE-Organisators;
§ 40 WEG: Grundbücherliche Sicherung des WE-Werbers;
§ 41 WEG: Zustimmung zur Nachfinanzierung;
§ 42 WEG: Rangordnung für die beabsichtigte Einräumung von WE;
§ 43 WEG: Klage auf Einverleibung des Eigentumsrechts;
§ 44 WEG: Fortsetzung der Bauführung bei Insolvenz.
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14. Vorläufiges WE des Alleineigentümers: §§ 45-51 WEG
Problematisch ist ua die ungeschickt taxativ gehaltene Aufzählung rechtsunwirksamer Festlegungen in § 49 WEG.
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15. § 52 WEG: Rechtliches Außerstreitverfahren
Leider konnte man sich nicht dazu entschließen, nach dt Vorbild alle Streitigkeiten aus dem Bereich der Liegenschaftsverwaltung ins Außerstreitverfahren zu verweisen. – Eine weitere versäumte Chance.
Für den Bereich der Wohnrechtsgesetze (MRG, WEG, WGG etc) wurde ein gemeinsames „Wohnrechtliches Außerstreitbegleitgesetz” (JMZ 7.132/142-I 7/2003) beschlossen.


GdW-Informationen


Über Probleme im Bereich „Wohnungseigentum” informiert laufend die parteiunabhängige Schutzgemeinschaft „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer” mit den „GdW-Informationen”. Sie erscheinen mehrmals jährlich. Gegen einen geringen Mitgliedsbeitrag erhalten Sie diese Zeitschrift und können unentgeltlich die Beratungstermine besuchen, die es auch in einigen Bundesländern gibt. – Postanschrift: GdW, 1123 Wien, Postfach 7, E-Mail: dw.me@utanet.at, Homepage: www.gdw.at. – Unabhängige Information in diesem Rechtsbereich ist immer von Vorteil. Die Sprechstunden, werden in den GdW-Informationen angekündigt.


Anteil des WE am Gesamtwohnungsbestand
Abbildung 8.18:
Anteil des WE am Gesamtwohnungsbestand
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VIII. Eigentum auf Zeit – TNG 1997
Literaturquelle
1. Eigentum auf Zeit
Die österreichische Rspr anerkennt diese Eigentumsform – so widersprüchlich dies auf den ersten Blick vielleicht erscheinen mag – seit langem.
Rechtssprechungsbeispiel
GlUNF 2227 (1903) Zeitlich beschränktes Eigentum: Fideikommissarische Substitution in einer Schenkung unter Lebenden; Vindikationsrecht des Substituten: Schenkung einiger Grundstücke des Witwers M an seine Braut N mittels Notariatsakts im Hinblick auf die beabsichtigte Heirat, die idF auch zustande kam. Der Notariatsakt enthielt zusätzlich ua die Vereinbarung, dass N die Grundstücke im Falle ihres Todes zu gleichen Teilen an die beiden Söhne des M aus erster Ehe herauszugeben habe. Die Liegenschaften sollten in der Familie des Mannes bleiben. – Der OGH anerkennt außerhalb des Erbrechts (fideikommissarische Substitution!) ein „zeitlich eingeschränktes Eigentum”. Dies uH auf die §§ 358, 468, 527, 1449 ABGB ua; sog betagtes Eigentum, dh „mit dem Eintritte des Endtermines von selbst, ipso jure” erlöschendes Eigentum.
EvBl 1959/156: Schenkung einer Liegenschaft (von den Eltern an die Tochter) mit dem Zusatz, dass die Liegenschaft im Falle des Todes der Tochter nicht an die Familie des Ehemanns fallen dürfe.
Beachte
Beachte
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2. TeilzeitnutzungsG / TNG 1997
Eine Art Teilzeit(nutzungs)eigentum gewährt das Timesharing, nunmehr geregelt im TNG.
Das Timesharing ist eine bestimmte Vermarktungsmethode für Ferienwohnungen in Ferienanlagen oder Hotels. Der Kunde erwirbt zB das Recht, eine Ferienwohnung oder auch nur ein Hotelzimmer jedes Jahr zu einer bestimmten Zeit zu benützen; etwa im September. Gesteigert wurde die Attraktivität des Timesharing durch Tauschpools; Ferienwohnung in den österreichischen Alpen wird mit einem Objekt in der Karibik „getauscht”.
In Umsetzung der EU-RL 94/47 (zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien) hat Österreich ein TeilzeitnutzungsG (TNG, BGBl 1997/32) beschlossen, das Erwerber solcher Rechte schützen soll, zumal in der Vergangenheit (weltweit) zahlreiche und vor allem auch schwere Missbräuche aufgetreten sind.
Das neue Gesetz gilt für Verträge, „mit denen ein Verbraucher von einem Unternehmer (§ 1 KSchG) Teilnutzungsrechte” erwirbt; § 1 TNG. Ein Teilnutzungsrecht ist das für „mindestens 3 Jahre eingeräumte dingliche oder obligatorische Recht, ein Nutzungsobjekt wiederkehrend während eines begrenzten Zeitraums zu Erholungs?, Freizeit- oder ähnlichen Zwecken, zu benützen. Das Recht kann an einem bestimmten Nutzungsobjekt oder in der Möglichkeit bestehen, aus mehreren Nutzungsobjekten ... auszuwählen.” – Die gewählte Rechtsform spielt für die Behandlung als Teilnutzungsrecht keine Rolle; zB Miteigentum, Fruchtgenuss an der Liegenschaft, Ausgabe von Aktien an ein (Ferien)Unternehmen, Vereinslösung, Treuhandmodell, Miet- oder Beherberungsverträge. – Für weitere Details ist das Gesetz zu konsultieren.
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IX. Rspr-Beispiele
Rechtssprechungsbeispiel
Zu den inhaltlichen Grenzen des Eigentums:
SZ 61/220 = RZ 1989/102 (1988): Fotoaufnahmen und idF Herstellung von Ansichtskarten der Riegersburg – Der Eigentümer eines Gebäudes kann zwar das Betreten seines Grundes – insbesondere zum Zweck des Fotografierens – verbieten; er kann aber nicht verhindern, dass ein Dritter das Gebäude von einem Nachbargrundstück aus fotografiert und diese Lichtbilder durch Herstellen und Vertreiben von Ansichtskarten gewerblich verwertet. Kläger = Gräfin P, Eigentümerin der Riegersburg, Beklagter = Fotograf / Kaufmann Kurt F.
Zur (actio) Negatoria / Eigentumsfreiheitsklage: § 523 ABGB
SZ 42/116 (1969): Zulässigkeit der Unterlassungsklage gegen ein Bauunternehmen, wenn sich der Horizontalausleger und das Gegengewicht eines von diesem Unternehmen aufgestellten Baukrans im Luftraum über einem benachbarten Grundstück bewegen.
EvBl 1982/93: § 523 ABGB: Mit der Negatorienklage kann aber auch in Anspruch genommen werden, wer ihm mögliche (und zumutbare) Vorkehrungen gegen Störungen unterlässt. Hier: Halter eines Kraftfahrzeugs, der seinen Bediensteten nicht untersagt, ein fremdes (benachbartes) Grundstück zu befahren.
EvBl 1992/56: § 523 ABGB, §§ 422, 354, 362, 364 Abs 2 ABGB – Entfernung einer vom Nachbargrund aus wachsenden Kletterpflanze: Steht die Mauer, an der sich eine Kletterpflanze (Veitschi) ihrer Natur – und der Absicht des Grundeigentümer – entsprechend empor rankt, im Eigentum des Grundnachbarn, dann kann dieser einen solchen unberechtigten Eingriff in sein Eigentumsrecht mit Klage nach § 523 ABGB geltend machen und insbesondere die Entfernung der Pflanze verlangen.
Zu den Immissionen:
EvBl 1983/82: § 364a ABGB(§ 1325 ABGB): Behördlich genehmigt ist eine Anlage erst dann, wenn die Genehmigung rechtskräftig ist. – § 364 Abs 2 ABGB gibt dem Eigentümer des gefährdeten Besitzes keinen Anspruch auf Vornahme bestimmter Sicherungsmaßnahmen. – Kein Schmerzengeld für belästigende Geruchsimmissionen. (?)
JBl 1985, 669: Windschaden an Wald, dessen Randbäume im Rahmen von Straßenbauarbeiten geschlägert wurden, wodurch der dahinter liegende Baumbestand dem nächsten Unwetter zum Opfer fiel. – § 364 Abs 2, §§ 364a und 863 ABGB; § 14 Abs 2 ForstG: Die Beseitigung des Deckungsschutzes gegen Wind für ein Waldgrundstück durch Rodungen auf dem Nachbargrundstück steht einer Immission gleich. Windschäden durch Rodungen, die zwecks Errichtung einer Straße vorgenommen werden, begründen einen Ausgleichsanspruch analog § 364a ABGB. Nur genehmigungsbedürftige, doch nicht genehmigte Schlägerungen unterfallen dem Schutzgesetz des § 14 Abs 2 ForstG. – Wer die Erhebung von Ersatzansprüchen nur zur Kenntnis nimmt, anerkennt sie noch nicht. Kläger = Geschädigter Eigentümer von Waldgrundstücken in der Nachbarschaft der Straße; Beklagter = Bundesland, dem zum Ausbau einer Landesstraße Rodungen in bestimmten Waldparzellen mit Bescheid bewilligt wurden.
Beachte
Rechtssprechungsbeispiel
Zum WEG 1975:
EvBl 1994/73: § 13 Abs 2 Z 1 (§ 1 Abs 3) WEG – Zulässigkeit der Verbindung zweier Eigentumswohnungen mit einer durch die Geschossdecke führenden Stiege? – Die zwischen zwei Geschossen eingezogene Decke ist ein allgemeiner Teil des Hauses. Zwei untereinander liegende Eigentumswohnungen, die mit einer durch die Geschossdecke führenden Stiege verbunden werden sollen, sind weder baulich abgeschlossen noch deutlich abgegrenzt. Durch eine solche Veränderung werden schutzwürdige Interessen anderer Miteigentümer beeinträchtigt.
Zahnarzt als Nachbar: Kein Preisnachlass. – Beim Kauf einer Eigentumswohnung muss man laut OGH grundsätzlich damit rechnen, dass auch eine Arztordination in der Nachbarschaft entstehen kann. Kläger = Käufer einer Neubauwohnung, unter der eine Arztpraxis eingerichtet wurde; Beklagter = Verkäufer der Wohnung.
Zum schlichten Miteigentum:
EvBl 1994/142: § 833 ABGB (§ 835 ABGB; § 14 WEG; § 1 AußStrG; § 40a JN) – Durchsetzung eines Mehrheitsbeschlusses. – Die Durchsetzung eines im Rahmen der ordentlichen Verwaltung zustande gekommenen Mehrheitsbeschlusses erfordert die Beschreitung des streitigen Rechtsweges, wenn sie der aktiven Mitwirkung der überstimmten Minderheit, etwa der Abgabe einer nicht anders zu erlangenden Willenserklärung, bedarf. Mangels einer Verweisungsnorm, nach der dies im außerstreitigen Verfahren zu geschehen hätte, kann die Durchsetzung nur durch Klage erzwungen werden.
Beachte
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B. Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung
Literaturquelle
I. Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel
1. Gründe seiner Beliebtheit
Der Eigentumsvorbehalt ist ein beliebtes Mittel, um bei Kreditkäufen über bewegliche Sachen den Verkäufer dinglich zu sichern. Praktisch spielt der Eigentumsvorbehalt im Zusammenhang mit dem Abzahlungsgeschäft (§§ 16 ff KSchG → KAPITEL 2: Das Abzahlungsgeschäft) eine wichtige Rolle. Seine weite Verbreitung rührt daher, dass er die verschieden gelagerten Erwartungen von Verkäufer und Käufer rechtlich in geradezu idealer Weise verbindet: Der Käufer kann die Sache nutzen und wird – was oft nicht gesehen wird – auch hinreichend gegen den Verkäufer (und dessen Gläubiger) geschützt. Der Verkäufer bleibt trotz Übergabe des Kaufgegenstands (bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises) Eigentümer der Sache / Ware und sichert so seine Kaufpreisforderung gegen den Käufer (insbesondere dessen Zahlungsverzug oder Zahlungsunfähigkeit) und seine Gläubiger optimal ab. Der Eigentumsvorbehalt fördert den Absatz des Verkäufers, ohne damit ein nennenswertes Risiko zu verbinden. Der Eigentumsvorbehalt ist bei uns das effizienteste Warensicherungsmittel der Wirtschaft. Er kann nur an beweglichen Sachen begründet werden.
Kreditkäufe
Rechtshistorisch hat sich der Eigentumsvorbehalt erst spät, nämlich am Ende des 19. Jhs. entwickelt; Vorformen existierten aber schon bei den alten Griechen, wo das Eigentum erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung überging, was von den Römern übernommen wurde. – Der Eigentumsvorbehalt setzt wirtschaftlich einen intensivierten Warenabsatz und ein damit verbundenes Sicherungsbedürfnis voraus. Dieses Sicherungsbedürfnis bestand aber auch schon in den frühen Rechtsordnungen Griechenlands und Roms. Das antike Recht schob daher ebenfalls den endgültigen Rechtserwerb am Kaufgegenstand bis zur Kaufpreiszahlung hinaus.
Rechtsgeschichte
Zu ähnlichen Sicherungsmitteln beim Liegenschaftskauf (Anmerkung der Rangordnung, Restkaufpreishypothek etc) → KAPITEL 2: Besonderheiten des Liegenschaftskaufs. – Eine Art Spezialvorschrift für die Wirksamkeit eines Eigentumsvorbehalts an Maschinen – gegenüber Liegenschaftsgläubigern, die mit einer Liegenschaft „in Verbindung gebracht” werden, enthält § 297a ABGB → § 297a ABGB – Der „Maschinenparagraph”
Der Eigentumsvorbehalt gehörte längst – auf dem Niveau der deutschen und österreichischen Rechtsordnung – EU-weit einheitlich geregelt → Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel
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2. Keine gesetzliche Regelung
Der Eigentumsvorbehalt ist in Österreich (anders als in Deutschland) gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Er beruht vielmehr auf Judikaturgewohnheitsrecht, das sich formell auf § 1063 ABGB stützt: Kreditkauf / Kauf auf Borg. Manche Gesetze setzen das Rechtsinstitut Eigentumsvorbehalt aber voraus (vgl § 24 Abs 1 Z 9 KSchG), was als Indiz für die Anerkennung von bestehendem Gewohnheitsrecht durch den Gesetzgeber angesehen werden kann.
Judikaturgewohnheitsrecht
Eine ausdrückliche Regelung des Eigentumsvorbehalts trifft § 449 dtBGB, und diese Vorschrift diente der österreichischen Rspr und Lehre als (Analogie)Vorbild.
§ 449 dtBGB
Hat sich der Verkäufer einer beweglichen Sache das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Übertragung des Eigentums unter Zahlung des Kaufpreises erfolgt und dass der Verkäufer zum Rücktritte von dem Vertrag berechtigt ist, wenn der Käufer mit der Zahlung in Verzug kommt.
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3. Der Eigentumsvorbehalt braucht eine Vereinbarung
Grundsätzlich braucht es heute für die Begründung eines Eigentumsvorbehalts eine (vertragliche) Vereinbarung beider Kaufvertragsparteien, zumal § 1063 ABGB für den Kreditkauf die gegenteilige Regel normiert: Wird nämlich der Kaufgegenstand dem Käufer ohne das Kaufgeld zu erhalten vom Verkäufer übergeben, geht das Eigentum an demselben „gleich auf den Käufer über” und die Sache ist „auf Borg” (dh auf Kredit) verkauft.
Eigentumsvorbehalte werden häufig mit AGB vereinbart. Werden AGB (pauschal) akzeptiert, wird dadurch auch ein darin enthaltener Eigentumsvorbehalt toleriert! Das widerspricht nicht der Forderung, dass der Eigentumsvorbehalt vereinbart werden muss. – Ungültig wäre es dagegen, wenn ein Vertrag ohne Eigentumsvorbehaltsregelung abgeschlossen wurde und erst nachträglich (einseitig) auf den Lieferschein oder die Rechnung gesetzt wird, wie dies in der Praxis vorkommt.
Häufig in AGB vereinbart
Zum sog einseitigen Eigentumsvorbehalt im Rahmen eines Zug-um-Zug-Leistungsaustauschs: Gschnitzer, SchRBesT 44 (19882) sowie SchRAT (19912) und vor allem Sachenrecht 103 (19852). Gültig erscheint eine Erklärung, sich am Kaufgegenstand das Eigentum einseitig vorzubehalten dann, wenn ein Zug-um-Zug-Leistungsaustausch vereinbart war und der Warenschuldner (= Verkäufer) seine Lieferung unter den Vorbehalt stellt, dass er sich das Eigentum für den Fall vorbehält, dass der Warengläubiger (= Käufer) nicht ebenfalls Zug um Zug leistet. Das kann gültig auch noch am Lieferschein vermerkt werden; ein nachträglicher Hinweis (also nach erfolgtem Leistungsaustausch) auf einer Rechnung käme aber auch hier zu spät.
Einseitiger Eigentumsvorbehalt?
Zu dieser Lösung haben (neben der angeführten Gschnitzer-Neubearbeitung) mit ganz unterschiedlicher Zielsetzung Spielbüchler, Frotz und F. Bydlinski beigetragen; vgl etwa F. Bydlinski, Die rechtsgeschäftliche Voraussetzung der Eigentumsübertragung nach österreichischem Recht, in: FS Larenz 1027 (1973). Bisher wurde diese Lösung auf das funktionelle Synallagma (→ KAPITEL 2: Gegenseitige Pflichten aus dem Kaufvertrag ¿ Das Synallagma) gestützt. ME sollte aber schon beim genetischen Synallagma angesetzt werden, zumal dann, wenn zwischen den Kaufvertragsparteien nichts anderes vereinbart wurde, ein Zug-um-Zug-Leistungsaustausch als vereinbart gilt und diese Vereinbarung des Titelgeschäfts durch einen nachträglichen einseitigen Eigentumsvorbehalt (nur) gesichert werden soll. Ein Kreditkauf iSd § 1063 ABGB ist dann eben nicht gewollt und der Eigentumsvorbehalt betont bloß die rechtliche Relevanz des Zug-um-Zug-Prinzips. – Die Rspr hat zu dieser „Frage” bislang aber noch nicht Stellung bezogen.
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4. Eigentumsübergang: „bedingt” aufgeschoben
Der Eigentumsvorbehalt stellt die Übertragung des Eigentums unter die aufschiebende Bedingung (→ KAPITEL 13: Aufschiebende und auflösende Bedingung) vollständiger Kaufpreiszahlung. Gerät der Käufer in (Schuldner)Verzug, kann der Verkäufer (als Gläubiger) vom Vertrag zurücktreten, wobei die Praxis für den Rücktritt das schlichte Zurückfordern des Kaufgegenstandes genügen lässt. – Der Verkäufer kann aber (trotz Käuferverzugs) auch an der Vertragserfüllung festhalten, was meist im eigenen Interesse des Verkäufers liegt und daher häufig geschieht.
Zur Notwendigkeit eines vertraglichen Rücktrittsrechts beim Eigentumsvorbehalt → Der Eigentumsvorbehalt braucht eine Vereinbarung
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5. Schutz der Verkäuferinteressen
Der Eigentumsvorbehalt sichert primär die Interessen des Verkäufers gegen den Käufer (und dessen Gläubiger):
Rechtsstellung des Verkäufers
• sei es für den Fall des Käuferverzugs (Rücktritt → KAPITEL 7: Der Schuldnerverzug);
• sei es um sich gegen Exekutionen von Gläubigern des Käufers zu schützen (§ 37 EO: Widerspruchs- oder Exszindierungsklage);
• sei es, um im Falle des Konkurses oder Ausgleichs des Käufers (§ 44 KO und §§ 11, 21 AO) ein Aussonderungsrecht geltend zu machen.
§ 37 EO
(1) Gegen die Execution kann auch von einer dritten Person Widerspruch erhoben werden, wenn dieselbe an einem durch die Execution betroffenen Gegenstande, an einem Teile eines solchen oder an einzelnen Gegenständen des Zubehöres einer in Execution gezogenen Liegenschaft ein Recht behauptet, welches die Vornahme der Execution unzulässig machen würde.
(2) Ein solcher Widerspruch ist mittels Klage geltend zu machen; die Klage kann zugleich gegen den betreibenden Gläubiger und gegen den Verpflichteten gerichtet werden, welche in diesem Falle als Streitgenossen zu behandeln sind.
(3) Für diese Klage ist, je nachdem sie vor oder nach Beginn des Executionsvollzuges angebracht wird, das Gericht, bei dem die Bewilligung der Execution in erster Instanz beantragt wurde, oder das Executionsgericht zuständig.
(4) Wenn der Klage rechtskräftig stattgegeben wird, ist die Execution einzustellen.
§ 44 KO
(1) Befinden sich in der Konkursmasse Sachen, die dem Gemeinschuldner ganz oder zum Teile nicht gehören, so ist das dingliche oder persönliche Recht auf Aussonderung nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen.
(2) Ist eine solche Sache nach der Konkurseröffnung veräußert worden, so kann der Berechtigte, unbeschadet weitergehender Ersatzansprüche, die Aussonderung des bereits geleisteten Entgeltes aus der Masse, wenn aber das Entgelt noch nicht geleistet worden ist, die Abtretung des Rechtes auf das ausstehende Entgelt verlangen.
(3) Sind dem Gemeinschuldner oder dem Masseverwalter Auslagen zu vergüten, die für die zurückzustellende Sache oder zur Erzielung des Entgeltes aufgewendet worden sind, so sind sie vom Aussonderungsberechtigten Zug um Zug zu ersetzen.
„Aussondern“ heißt, die Sache selbst, also zB den unter Eigentumsvorbehalt verkauften Pkw-Kombi, zurücknehmen zu dürfen.
„Aussondern“
Natürlich ist ein Kfz, das vom Händler an den Kunden übergeben wurde, sofort weniger wert; aber es bleiben zB immer noch von den 15.000 ı (Kaufpreis), 12.500 ı über! Das ist wirtschaftlich immer noch sehr viel!
Nicht zu verwechseln mit dem Aus-sonderungsrecht, ist das „Ab-sonderungsrecht“, das bspw ein Pfandrecht (dem Pfandgläubiger) gewährt. Gemeint ist damit das Recht bevorzugter Befriedigung aus der (Pfand)Sache bei Exekution oder Insolvenz. Aber man erhält dabei nicht die Sache selbst zurück! Vielmehr wird die Sache versteigert und der Pfandgläubiger aus dem Erlös bevorzugt, dh vor allen anderen Gläubigern befriedigt! Dazu auch → KAPITEL 19: Absonderungsansprüche.
Absonderungsrecht
Wird das Vorbehaltsgut versehentlich zum Vorteil eines Dritten verwendet – etwa im Rahmen einer Exekutionsführung oder eines Insolvenzverfahrens – steht dem Verkäufer zur Wahrung seiner Interessen ein Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB (→ KAPITEL 5: Verwendungsansprüche) gegen den betreibenden Gläubiger, die „Masse” oder allfällige befriedigte Gläubiger zu; SZ 57/192 (1984). Allein ein solcher Anspruch ist kein dinglicher, sondern bloß ein obligatorischer.
Verwendungsanspruch
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6. ... aber auch der Käuferinteressen
Der Eigentumsvorbehalt sichert aber auch – gleichsam spiegelbildlich – die berechtigten Interessen der Käuferseite gegenüber dem Verkäufer (und dessen Gläubigern). – Die Rspr gewährt dem Vorbehaltskäufer eine analoge Rechtsstellung zu jener des Verkäufers; also Exszindierung bei Exekutionen auf das Vorbehaltsgut, Aussonderung in Konkurs und Ausgleich. Darüber hinaus genießt der Vorbehaltskäufer als Rechtsbesitzer Besitzschutz, zumal er ein Recht auf Nutzung des Vorbehaltsguts erworben hat, obwohl er noch nicht Eigentümer geworden ist.
Spiegelbildlicher Rechtsschutz
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7. Rechtsstellung des Vorbehaltskäufers
Während der Zeit der Kreditierung des Kaufpreises hat der Käufer ein dingliches Anwartschaftsrecht (→ KAPITEL 6: Vorvertrag <-> Anwartschaftsverträge: Vorvertrag <-> Anwartschaftsverträge), das, wie andere unter einer aufschiebenden Bedingung zugesagte Rechte, bereits vererblich ist. – Gleichzeitig ist der Käufer – wie erwähnt – Rechtsbesitzer.
Dingliches Anwartschaftsrecht
Die Gefahr (des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung des Vorbehaltsgutes) trägt ab Übergabe der (Vorbehalts)Käufer. Nur er kann (ab Übergabe) die Sache vor Schaden bewahren. – Der Käufer hat das Vorbehaltsgut daher ab Übergabe sorgfältig zu behandeln, zumal es noch nicht sein Eigentum ist.
Gefahrtragung
Allfällige Schadenersatzansprüche (zB gekauftes Auto wird von Drittem beschädigt) stehen aber Verkäufer und Käufer gemeinsam zu; beide Vertragsparteien haben nämlich ein rechtliches Interesse an der Reparatur des Vorbehaltsgutes; SZ 52/63 (1979) im Gegensatz zur früheren Rspr.
Beispiel
Literaturquelle


Eigentumsvorbehalt (1)
Abbildung 8.19:
Eigentumsvorbehalt (1)


Eigentumsvorbehalt (2)
Abbildung 8.20:
Eigentumsvorbehalt (2)


Eigentumsvorbehalt (3)
Abbildung 8.21:
Eigentumsvorbehalt (3)


Eigentumsvorbehalt (4)
Abbildung 8.22:
Eigentumsvorbehalt (4)


Eigentumsvorbehalt (5)
Abbildung 8.23:
Eigentumsvorbehalt (5)


Eigentumsvorbehalt (6)
Abbildung 8.24:
Eigentumsvorbehalt (6)
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8. Strafrechtliche Konsequenzen
Beschädigt der Käufer vorsätzlich das Vorbehaltsgut, begeht er Sachbeschädigung (§ 125 StGB), veräußert er es unerlaubt (dh ohne Verkäuferzustimmung), ist das Veruntreuung iSd § 133 StGB. – Als bloßer Rechtsbesitzer und dinglicher Anwartschaftsberechtigter steht ihm nämlich noch kein Verfügungsrecht (iSd § 354 ABGB) über das Vorbehaltsgut zu.
Literaturquelle


Formen des Eigentumsvorbehalts/ETV
Abbildung 8.25:
Formen des Eigentumsvorbehalts/ETV
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9. Arten des Eigentumsvorbehalts
Verlängerungsformen für Verarbeitung und Weiterveräußerung
Vorauszuschicken ist der Hinweis, dass mangels gesetzlicher Regelung des Eigentumsvorbehalts nicht einmal die Begriffe / Termini bezüglich der verschiedenen Arten des Eigentumsvorbehalts einheitlich verwendet werden, worauf demnach zu achten ist.


Verlängerter ETV: Verarbeitungsklausel
Abbildung 8.26:
Verlängerter ETV: Verarbeitungsklausel
Er spielt eine Rolle, wenn der Käufer Waren kauft, die er idF weiterverarbeitet; zB ein Kühlschrankerzeuger kauft Bleche oder eine Großschneiderei indische Seidenstoffe, um daraus Blusen zu fertigen. – „Verlängerter Eigentumsvorbehalt” heißt diese Form deshalb, weil die Eigentümerposition des Lieferanten / Verkäufers gleichsam dadurch verlängert wird, indem sie auch den Verarbeitungsvorgang überdauert. Der Lieferant der Seidenstoffe erhält nämlich an den hergestellten Blusen zwar nicht Allein-, wohl aber Mit eigentum (im Anteil des Wertes der von ihm gelieferten Stoffe am Endprodukt). Dieses am Endprodukt entstehende Miteigentum des Lieferanten stellt für ihn eine wichtige dingliche Sicherung dar. Das zeigt sich etwa beim Konkurs des Käufers (wie zB der Großschneiderei) in SZ 49/138 (1976): Der Verkäufer kann als Miteigentümer aussondern, erhält also entsprechend dem Wert seiner Lieferung eine bestimmte Anzahl fertiger Produkte, etwa Seidenblusen ausgehändigt. Als schlichter Konkursgläubiger (→ KAPITEL 19: Konkursforderungen ¿ Konkursquote) erhielte er idR wesentlich weniger.
Verlängerter Eigentumsvorbehalt
Wir können aus solchen Rechtsfiguren anschaulich das Zusammenwirken von Recht und Wirtschaft erkennen. Das Recht – Rspr und Schrifttum – versucht, hier sogar ohne gesetzliche Grundlage (!), der Wirtschaft sachgerechte Lösungen zu bieten. – Die neue Lösung des OGH stammt aus dem Jahre 1976. Früher vertrat unser Höchstgericht – anders als in Deutschland – die Meinung, dass das Eigentum des Lieferanten mit Verarbeitung trotz eines allenfalls vereinbarten Eigentumsvorbehalts erlischt. Der OGH schloss sich in der genannten E der deutschen Praxis an.
Zusammenwirken von Recht und Wirtschaft
Dieser verlängerte Eigentumsvorbehalt hatte einen Vorläufer aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, wo auf Grund des Wirtschaftlichen ErmächtigungsG 1917, RGBl 307 eine Vollzugsanweisung (~ VO; 1920, StGBl 320, zeitlich begrenzt bis Ende 1925) erlassen worden war, die eine Sonderregelung für die Begründung von Eigentumsvorbehalten an ausländischen Rohstoffen vorsah. Der wirtschaftliche Hintergrund lag im Rohstoff- und Kapitalmangel am Ende und nach dem 1. Weltkrieg. Diese damals neue Form des Eigentumsvorbehalts ermöglichte die Kreditierung des Kaufpreises (Liegenschaftskredit → KAPITEL 3: Der Kredit(eröffnungs)vertrag) und zeitigte nach seiner Registrierung (!) Wirkungen nicht nur für die Zeit der Verarbeitung, sondern auch am Fertigprodukt; am Endprodukt entstand Miteigentum (im Normalfall zwischen Lieferant und Produzent) sowie ein Exekutions- und Konkursschutz. Mehr bei H. Klang, GZ 1920, Nr 45-48, S. 241.
Wirtschaftliches ErmächtigungsG 1917
Die folgenden Folien stellen den offen weitergeleiteten Eigentumsvorbehalt sowie die Vorausabtretungs- und die Erlösklausel dar:


Offen weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt
Abbildung 8.27:
Offen weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt


ETV: Vorausabtretungsklausel
Abbildung 8.28:
ETV: Vorausabtretungsklausel


ETV: Erlösklausel
Abbildung 8.29:
ETV: Erlösklausel
Praktische Anwendung der Erlös- und Vorausabtretungsklausel: Die öRspr hat sich bislang mit den vielfältigen Formen des Eigentumsvorbehalts noch kaum detailliert auseinandergesetzt, in Deutschland sind sie gelebte Praxis. – Ein zusätzliches Problem stellt die allenthalben feststellbare unterschiedliche Begriffsbildung dar; auch sie wäre EU-einheitlich zu gestalten.
Erlös- und Vorausabtretungsklausel
Rechtssprechungsbeispiel
BGHZ 26/178: Der zugunsten eines Lieferanten von Baustoffen vereinbarte [verlängerte! Man beachte die andere Terminologie] Eigentumsvorbehalt ... erstreckt sich auch auf den Vergütungsanspruch (= Erlös) des Bauunternehmers, der unter Verwendung der ihm unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Baustoffe ein Gebäude errichtet.
Beachte
Überlege: Wie könnte sich der Lieferant der Baustoffe absichern, wenn er den Liefervertrag direkt mit dem Bauherrn (= Liegenschaftseigentümer) schließt?
Hier sind zu nennen:
Andere Erweiterungsformen des ETV
• der Kontokorrent- oder Saldovorbehalt und der
Konzernvorbehalt, der den ETV auf Konzernforderungen ausdehnt.


ETV-Erweiterungsformen: Überblick
Abbildung 8.30:
ETV-Erweiterungsformen: Überblick


ETV-Erweiterungsformen (1)
Abbildung 8.31:
ETV-Erweiterungsformen (1)


ETV-Erweiterungsformen (2)
Abbildung 8.32:
ETV-Erweiterungsformen (2)
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10. Der Eigentumsvorbehalt im internationalen Handel


ETV braucht EU-Lösung
Abbildung 8.33:
ETV braucht EU-Lösung


ETV im internationalen Handel (1)
Abbildung 8.34:
ETV im internationalen Handel (1)


ETV im internationalen Handel (2)
Abbildung 8.35:
ETV im internationalen Handel (2)


ETV im internationalen Handel (3)
Abbildung 8.36:
ETV im internationalen Handel (3)
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II. Die Sicherungsübereignung
Typischer Fall: Der Kaufmann A braucht Geld und wendet sich an die Bank B. Diese ist zu einem Kredit / Darlehen bereit, wenn entsprechende Sicherheit geleistet wird. A bietet sein wertvolles Warenlager an und ist bereit, daran der Bank (Sicherungs)Eigentum zu übertragen; vgl § 428 ABGB: Übergabe durch Erklärung – Besitzkonstitut → KAPITEL 2: Übergabe durch Erklärung. Natürlich ist A geschäftlich weiterhin auf sein Warenlager angewiesen, das demnach Abgänge wie Zugänge verzeichnen wird. – Kann nun A, als Kreditnehmer, der Bank B sein Eigentum am Warenlager bloß zu Sicherungszwecken rechtsgültig übertragen und dennoch – gleichzeitig – Innehabung und Nutzung samt Verfügungsberechtigung daran behalten?
1. Sicherungsübereignung: Form der Treuhand
Wie schon der Begriff ausdrückt, überträgt bei der Sicherungsübereignung der Schuldner (= Sicherungsgeber) an den Gläubiger (= Sicherungsnehmer!) Eigentum bloß zu Sicherungszwecken, worin eine Form der Treuhand (→ KAPITEL 15: Die Treuhand) liegt. – Damit soll erreicht werden, dass das Rechtsinstitut der Eigentumsübertragung jene Dienste leistet, die sonst dem Pfandrecht vorbehalten sind. Gesichert werden soll durch die mit der Sicherungsübereignung bewirkte (formelle) Eigentumsübertragung eine Forderung des Gläubigers gegen seinen Schuldner. – Unternommen wurde dieser Versuch freilich deshalb, um durch den gewählten Weg der Eigentumsübertragung, den strengeren Pfandbegründungsregeln auszuweichen, sie zu umgehen → KAPITEL 15: Allgemeines zum Pfandrecht.
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2. Unzulässigkeit der Sicherungsübereignung
In der bisher geschilderten Form wird daher in Österreich die Sicherungsübereignung von der Rspr – zu recht – nicht geduldet, weil eine solche Vorgangsweise das Faustpfandprinzip umgeht → KAPITEL 2: Die rechtliche Erwerbungsart: Modus traditio. – Zulässig ist die Sicherungsübereignung aber dann, wenn sie den pfandrechtlichen Publizitätserfordernissen entspricht; dh: alle anderen Formen der Übergabe durch Erklärung des § 428 ABGB können gewählt werden, nur nicht das Besitzkonstitut! Damit ist aber die Sicherungsübereignung für die Rechts- und Wirtschaftspraxis uninteressant, weil dann gleich ein Pfandrecht bestellt werden kann.
Umgehung des Faustpfandprinzips
Rechtssprechungsbeispiel
RZ 1962, 38: Besitzkonstitut genügt nicht zur Begründung von Sicherungseigentum an einem Lkw. Gefordert wird eine Gewahrsamsänderung; Corpus-Element! Die Klage auf Geltendmachung eines Absonderungsrechts am Lkw wurde daher abgewiesen.
RdW 1985, 337: Die Sicherungsübereignung eines Warenlagers wird nur wirksam, wenn das gesamte Warenlager dem Zugriff der Übereignenden entzogen wird, wie dies etwa durch Übergabe aller Schlüssel oder Bestellung eines Pfandhalters erreicht werden kann.
Vgl auch den Sachverhalt von JBl 2002, 583: Ungültige Sicherungsübereignung eines Firmen-Lkw an eine Bank → KAPITEL 10: Die Sachverständigenhaftung: §§ 1299, 1300 ABGB.
Dem Kreditgeber als Sicherungsnehmer kommt bei (gültiger) Sicherungsübereignung die Stellung eines Pfandgläubigers zu; dh im Konkurs oder Ausgleich des Kreditnehmers (= Sicherungsgeber) steht ihm ein Absonderungsrecht zu → Schutz der Verkäuferinteressen – Bei (Einzel)Exekutionen Dritter auf das Sicherungsgut (hier zB das Warenlager), gewährt die Rspr dem Kreditgeber sogar eine Exszindierungsmöglichkeit; § 37 EO.
Absonderung und Exszindierung
In Deutschland wird die Sicherungsübereignung (unter Berufung auf § 930 dtBGB: Besitzkonstitut) zugelassen, obwohl die hA Treuhandeigentum für nicht vereinbar mit der das Eigentum auszeichnenden Verknüpfung von Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis ansieht. – Es ist fraglich, ob die bisher gefestigte und begründete österreichische Praxis den EU-Beitritt sehr lange überleben wird. Ein allfälliger Kompromiss für ein künftiges europäisches Privatrecht könnte darin bestehen, für die Sicherungsübereignung eine effiziente Registrierung und allfällige Kontrollrechte des Gläubigers zu verlangen.
Rechtsvergleich
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III. Was bedeutet dingliche Sicherheit?
Neben der hier angesprochen dinglichen Sicherheit hat das Rechts- und Wirtschaftsleben auch zahlreiche obligatorisch / schuldrechtlich wirkende Sicherheiten (zB Akkreditiv, Bankgarantie, Kontokorrentvorbehalte (§ 355 HGB), Bürgschaft oder die Ausstellung eines Wechsels usw) entwickelt; zu diesen Rechtsinstituten → KAPITEL 15: Sicherungsmittel iwS.
Will sich ein Gläubiger aber nicht mit der persönlichen Haftung seines Schuldners begnügen, dringt er idR auf zusätzliche dingliche Sicherheit; dh, dass der Schuldner seinem Gläubiger an Sachen, die in seinem Eigentum stehen, dingliche Rechte einräumt, welche die Forderung des Gläubigers zusätzlich– also neben (!) der persönlichen Haftung und über diese hinaus – sichern. Das kann ein Eigentumsvorbehalt sein oder ein Pfandrecht, und hier wiederum Faustpfand oder Hypothek; alle → KAPITEL 15: Das Pfandrecht.
Persönliche Haftung und dingliche Sicherheit
1. Charakteristika und Vorteile dinglicher Sicherheit
Warum wird dinglich gesichert? – Worin liegen die rechtlichen und wirtschaftlichen Vorteile einer dinglichen Sicherung für den Gläubiger?
• Zunächst: Ein Schuldner kann die Sache (die seinem Gläubiger als dingliche Sicherheit dient) nicht mehr ohne Zustimmung des Gläubigers veräußern; bei bloßer persönlicher Haftung ist dies aber weiterhin möglich.
Erhöhter Gläubigerschutz
Zur wichtigen Unterscheidung zwischen persönlicher Haftung und Sachhaftung vgl auch → KAPITEL 15: Persönliche, dingliche und beschränkte Haftung. – Zur Freizeichnung bei Hypothekardarlehen → KAPITEL 9: Verschulden (culpa).
• Die dingliche Rechtsposition verleiht dem Gläubiger einen rechtlichen Vorrang (Priorität) vor anderen – nicht dinglich gesicherten – Gläubigern; zwischen mehreren dinglich gesicherten gilt wiederum das Prioritätsprinzip. – Man weiß daher, woran man ist; dh man erlangt höhere Rechtssicherheit und bessere Kalkulierbarkeit des Risikos.
• Dingliche Sicherheit gewährt vor allem bei Exekution, Konkurs, und Ausgleich erhöhte Sicherheit; nämlich Exszindierungs- (EO), Aus-sonderungs- (Eigentumsvorbehalt) oder doch Ab-sonderungsrechte (bei Pfandrecht und Retentionsrecht) → KAPITEL 19: Absonderungsansprüche.
• Beim Pfandrecht kommt noch dazu, dass aufgrund des streng praktizierten Faustpfandprinzips der Pfandgläubiger idR in den Besitz der beweglichen Pfandsache gelangt, und diese dadurch auch vor Schaden etc bewahren kann. Aber auch beim Liegenschaftspfand steht dem Pfandgläubiger gegen Übergriffe des Pfandschuldners (insbesondere Verschlechterungen des Pfandobjekts) die sog Devastationsklage zu → KAPITEL 15: Devastationsanspruch.


Was bedeutet dingliche Sicherheit (1)
Abbildung 8.37:
Was bedeutet dingliche Sicherheit (1)
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2. Was zählt zu den dinglichen Sicherungsmitteln?
Zu den herkömmlichen dinglichen Sicherungsmitteln zählen:
Eigentumsvorbehalt / Sicherungsübereignung
Pfandrecht: Faustpfand, Hypothek → KAPITEL 15: Das Pfandrecht.
• Mit Vorbehalt kann hier auch das Zurückbehaltungsrecht / Retentionsrecht (§ 471 ABGB) genannt werden → KAPITEL 15: Das Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB.
• Zur Verpfändung von Forderung(srecht)en → KAPITEL 15: Verpfändung und Pfändung von Forderungen oder Rechten. – Die Sicherungsabtretung von Forderungen gewährt kein dingliches Recht. Sie ist nur das schuldrechtliche Pendant zur Sicherungsübereignung → KAPITEL 14: Sicherungszession. – Zum leicht irritierenden Begriff des „Eigentums” an Forderungen → Eigentum an (Forderungs)Rechten?
Neue Möglichkeiten für dingliche Sicherheiten böte der EDV-Einsatz; so könnten bspw neue Registerpfandrechte geschaffen werden, etwa für Kraftfahrzeuge. – Auch Eigentumsvorbehalte könnten, ja sollten EU-weit geregelt und registriert werden udglm. Rechtspolitische Überlegungen sind hier überfällig.
Registerpfandrechte
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C. Gutglaubenserwerb und Doppelverkauf
I. Gutgläubiger Eigentumserwerb
1. Der Problemhintergrund des § 367 ABGB
Üblicherweise wird Eigentum derivativ, dh von einem (berechtigten) Vormann, erworben. § 423 ABGB spricht von „Sachen, die schon einen Eigentümer haben”. So wird zB das Eigentumsrecht einer Käuferin unmittelbar vom Veräußerer / Verkäufer, der idR Eigentümer ist, abgeleitet. Dabei gilt – wie wir schon wissen – der Grundsatz, dass niemand mehr Recht übertragen kann, als er selbst hat: Nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet.
Nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet
Damit lässt sich das Problem des Gutglaubenserwerbs (vom Nichteigentümer) aber nicht lösen, denn es gibt Fälle, und nur diese will § 367 ABGB regeln, dass jemand zB von einem Antiquitäten- oder Autohändler oder auch einer Privatperson etwas kauft, und zwar im guten Glauben, dass diese Personen Eigentümer des Kaufgegenstands oder doch wenigstens darüber verfügungsberechtigt sind, was sich aber nachträglich als falsch herausstellt. Der Händler verkauft zB wissentlich gestohlene Ware und ist / wurde daher selbst gar nicht Eigentümer! Oder eine Privatperson verkauft die ihr anvertraute Sache, etwa das geliehene Fahrrad. – Kann in so einem Fall zB der hehlerische Händler dennoch an gutgläubige Kunden Eigentum übertragen? Und warum soll das so sein?
Typische Fälle
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2. § 367 ABGB als Ausnahme von § 366 ABGB
Das ABGB behandelt den Gutglaubenserwerb des § 367 legistisch als Ausnahmefall der unmittelbar vorangehenden Eigentumsklage des § 366 ABGB. – Es ist also kein Zufall, dass § 367 unmittelbar im Anschluss an die Eigentumsentziehungsklage des § 366 ABGB anschliesst.
Ausnahme von § 366 ABGB
§ 367 ABGB
Die Eigentumsklage [gemeint ist zB die eines Eigentümers, dem die Sache gestohlen wurde!] findet gegen den redlichen Besitzer einer beweglichen Sache nicht statt, wenn er beweist, dass .... In diesen Fällen wird von den redlichen Besitzern das Eigentum erworben, und dem vorigen Eigentümer [dem zB die Sache gestohlen wurde] steht nur gegen jene, die ihm dafür verantwortlich sind [= zB den Dieb und seinen Hehler = Antiquitätenhändler], das Recht der Schadloshaltung zu.
Beachte
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3. Einschneidende Rechtsfolge: Verkehrsschutz
Die Rechtsfolge des § 367 ABGB ist einschneidend! Der bspw bestohlene (= frühere) Eigentümer verliert sein Eigentum (zB am gestohlenen Familienbild oder Teppich), wenn der Erwerber (= Käufer) die gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere auch die der Gutgläubigkeit erfüllt. – Diese harte Sanktion wird vom Gesetz nur deshalb angeordnet, weil der Gesetzgeber den rechtsgeschäftlichen Verkehr auf eine sichere Grundlage stellen wollte; Verkehrs- und Vertrauensschutz. Man muss sich darauf verlassen können, dass Eigentum erlangt wird, wenn man zB von einem Kfz-Händler, also einem befugten „Gewerbsmann”, in gutem Glauben ein Kraftfahrzeug oder aus einer öffentlichen Versteigerung Gegenstände erwirbt. Die Erwartungen des Publikums dürfen trotz möglicher „Unregelmäßigkeiten” nicht enttäuscht werden. – Nur diese wirtschaftlich orientierten rechtlichen Verkehrsschutzüberlegungen rechtfertigen die harte und – zunächst vielleicht – ungerecht erscheinende Rechtsfolge des Eigentumsverlustes des früheren Eigentümers; in unserem Beispiel des Bestohlenen.
Verkehrsschutz bewirkt ET-Verlust
Solche Überlegungen können in der Kodifikationsgeschichte bis zum Codex Theresianus zurückverfolgt werden.
Moderne Wirtschaftsordnungen verlangen von der Rechtsordnung, dass im Interesse von Verkehrssicherheit und Vertrauensschutz stärker auf äußere Erscheinungsformen von Rechtsverhältnissen Bedacht genommen wird und nicht so sehr auf innere Zustände oder Vorgänge, die nicht unmittelbar einsichtig sind. Das wird noch dadurch verstärkt, dass der Handels- und Wirtschaftsverkehr auf rasche und verlässliche Geschäftsabwicklung angewiesen ist. Vgl dazu die Begründung in SZ 2/14 (1920): Pferdediebstahl → Entscheidungsbeispiele
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4. Gesetzliche Voraussetzungen
Gutgläubiger Erwerb ist aber an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen geknüpft. Nur die vollständige Erfüllung dieser Voraussetzungen lässt die erwähnte harte Sanktion für den bisherigen Eigentümer eintreten und den gutgläubigen Erwerber Eigentum auch vom Nichteigentümer erlangen.
Das Handelsrecht kennt in den §§ 366 ff HGB eine vom bürgerlichen Recht etwas abweichende Regelung des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten. Eine Vereinheitlichung steht immer noch aus, sollte aber im Rahmen der Neufassung des HGB angestrebt werden.
§ 367 ABGB kennt drei allgemeine und drei besondere Voraussetzungen:
Die drei allgemeinen Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Es sind folgende:
Drei „allgemeine“ Voraussetzungen
• Der Erwerber muss redlich, dh gutgläubig sein, ein Kriterium, das von der Rspr streng geprüft wird! Vgl dazu die Beispiele in → KAPITEL 3: Redlicher Besitz.
• Es muss sich um den Erwerb einer beweglichen (körperlichen) Sache handeln; für Liegenschaften gilt § 367 ABGB also nicht.
Es gibt auch keinen gutgläubigen Erwerb von Forderungsrechten → Körperliche und unkörperliche Sachen
• Schließlich muss der Erwerb entgeltlich erfolgt sein; § 367 ABGB: „ ... gegen Entgelt.” – Gutgläubiger unentgeltlicher Erwerb (zB Schenkung einer gestohlenen Sache) wird also nicht geschützt! Hier hat also der Schutz des Eigentümers Vorrang.
Beispiel
Dazu treten zusätzlich als besondere Voraussetzungen folgende, wobei hier nur eine von ihnen – alternativ – vorliegen muss. Entweder:
Alternative „besondere“ Voraussetzungen
• Erwerb der Sache „in einer öffentlichen Versteigerung „ (1. Fall);
1. Fall
Der Ersteher von Fahrnis erwirkt Eigentum mit dem Zuschlag ohne besonderen Übergabsakt durch das Vollstrekkungsorgan; SZ 26/281 (1953) oder SZ 58/64 (1985). – Wie ist zu entscheiden, wenn die versteigerte Sache (eine Skulptur des Pharao Sesostris III) als echt angekündigt wird, sich aber nachträglich als Fälschung herausstellt? § 367 ABGB regelt nur den gutgläubigen Eigentumserwerb; andere Rechte, etwa Schadenersatz- oder Gewährleistungsansprüche bleiben davon unberührt und könnten daher hier zu Wandlung, Preisminderung oder allenfalls auch Schadenersatzansprüchen führen. Nicht der Erwerbsakt nach § 367 ABGB ist hier mangelhaft, sondern die Sache selbst. Es liegt eine Leistungsstörung, kein Mangel in der Wurzel vor → KAPITEL 7: Mängel von Rechtsgeschäften (Folie).
• oder „von einem zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmann „ (2. Fall), oder
2. Fall
• wer die Sache „ ... von jemandem an sich gebracht hat, dem sie der Kläger [also der bisherige Eigentümer] selbst zum Gebrauche, zur Verwahrung, oder in was immer für einer andern Absicht anvertraut hatte”; sog Vertrauensperson (3. Fall).
3. Fall
Anvertraut ist eine Sache dann, wenn sie sich mit Willen des Eigentümers im (ausschließlichen) Gewahrsam eines andern befindet; SZ 39/189 (1967). Das gilt selbst dann, wenn sie dem Eigentümer betrügerisch herausgelockt wurde; SZ 58/75 (1985) unter ausdrücklicher Ablehnung der vorangehenden Rspr. Daran zeigt sich, dass der Verkehrsschutz sehr weit reicht! – Geschützt ist auch der Erwerb vom Vertrauensmann des Vertrauensmanns oder vom Erben des Vertrauensmanns; Rspr 1936/53.
Anvertraut?
Schon das alte deutsche Recht kannte für diesen 3. Fall das Rechtssprichwort: „Wo Du Deinen Glauben gelassen hast [zB bei einem untreuen Freund, der das entliehene Fahrrad idF verkauft!], musst Du ihn suchen „; oder: ”Trau, schau, wem!” – Der Erwerb von einer Vertrauensperson, also der 3. Fall des § 367 ABGB, gelangte erstmals in Martinis Entwurf (II 3 § 20) ins österreichische Recht. Die ersten beiden Fälle des § 367 ABGB kennt dagegen schon der Codex Theresianus und auch das ALR; vgl Wellspacher, Das Vertrauen auf äußere Tatbestände im bürgerlichen Recht 168 f (1906). Der erste Fall des § 367 ABGB hat bereits griechische Wurzeln. – Vgl auch den Hinweis in § 1088 Satz 2 ABGB (Trödelvertrag / Verkaufsauftrag): „In keinem Fall kann die zum Verkaufe anvertraute Sache dem Dritten, welcher sie von dem Übernehmer redlicher Weise an sich gebracht hat, abgefordert werden (§ 367 ABGB).”
Rechtssprichworte
Beispiel
Beispiel
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5. Entscheidungsbeispiele
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 20/182 (1938): Dauerwellenapparat – §§ 367, 368 ABGB. – Der gutgläubige Erwerb wird durch Umstände ausgeschlossen, die den begründeten Verdacht entstehen lassen, dass der Verkäufer nicht Eigentümer der Sache ist, sondern selbst [zB] nur Vorbehaltskäufer [Eigentumsvorbehalt]. – Die Versicherung des Verkäufers allein, dass er über die Sache verfügen kann, kann guten Glauben des Erwerbers nicht begründen.
Kläger = Verkäufer eines Dauerwellenapparats;
Beklagter = Vermieter des Friseurs.
Die Klägerin hatte dem im Hause des Beklagten wohnenden Friseur gegen Ratenzahlungen einen Dauerwellenapparat unter Eigentumsvorbehalt verkauft. Obwohl der Friseur nur einen geringen Teil des Kaufpreises bezahlt hatte, überließ er dem Beklagten, dem er seit längerer Zeit den (Miet)Zins schuldig war, den Apparat auf Abschlag der Zinsschuld. Er ist deswegen strafrechtlich verurteilt worden. – Die Klägerin verlangte vom Beklagten die Herausgabe des ihr gehörigen Apparats. Zu Recht? Versuchen Sie die dazu nötigen Argumente zu sammeln. Welcher Fall des § 367 ABGB ist hier zu prüfen?
JBl 1988, 313: Vorführwagen „Alfa Romeo „; Kläger = Autokäufer (ohne Kontrolle des Typenscheins); Beklagter = Autohändler. Wer beim Kauf eines Gebrauchtwagens nicht in den Typenschein Einsicht nimmt, kann das Auto mangels Redlichkeit in aller Regel nicht gutgläubig erwerben. – Der Käufer eines Neu- oder auch Vorführwagens, der den Kaufpreis sogleich bezahlt, darf jedoch uU vom Eigentum des Verkäufers auch ausgehen, wenn er sich den Typenschein nicht vorlegen ließ.
Nach stRsp ist es Sache des Käufers eines Kraftwagens, sich durch Einsichtnahme in den Kraftfahrzeugbrief / Typenschein von der Rechtmäßigkeit des Besitzes seines Vorgängers zu überzeugen ( ...). An die Erkundigungspflicht des Käufers sind besonders strenge Anforderungen dann zu stellen, wenn es sich um einen Gebrauchtwagen handelt, weil hier Diebstähle besonders häufig vorkommen ( ...). Immer aber ist im Einzelfall zu prüfen, ob die nach den besonderen Umständen erforderliche Sorgfalt verletzt wurde ( ...). Auch bei Anwendung eines strengen Maßstabs kann deshalb die Gutgläubigkeit des Käufers eines fabriksneuen Fahrzeuges, der einem autorisierten Händler den Kaufpreis bar bezahlt hat – auch wenn für einen Teil des Kaufpreises ein gebrauchter PKW des Käufers an Zahlungs statt gegeben wird – nicht allein aus dem Grunde verneint werden, weil er sich den Typenschein nicht vorweisen ließ. Dies gilt auch für einen vom Kraftfahrzeughändler benützten Vorführwagen. Denn bei einem Vorführwagen handelt es sich nicht um den Gebrauchtwagen eines Dritten, so dass bei dessen Erwerb die Rechtsgrundsätze für den Kauf eines Neuwagens anzuwenden sind.
SZ 2/14 (1920): Pferdediebstahl – Wer ist befugter Gewerbsmann iSd § 367 ABGB?
Kläger = Bestohlener Pferdeeigentümer; Beklagter = Großgrundbesitzer, dessen Verwalter ein gestohlenes Pferd des Klägers gekauft hat.
Dem Kläger, einem burgenländischen Wirtschaftsbesitzer, wurden in der Nacht vom 15. zum 16. Oktober 1918 zwei Pferde aus dem Stall gestohlen. Am Abend des 17. und in der Früh des 18. Oktobers 1919 hatte ein bekannter Mann eines dieser Pferde dem Verwalter des Beklagten M, eines in einer nö Gemeinde begüterten Großgrundbesitzers, zum Kaufe angeboten und überlassen. Der Verwalter hatte diesem Mann dafür einen Rapphengst im Werte von 5000 Kronen und einen Barbetrag von 4500 Kronen übergeben. Dem Kläger war es nach wochenlangen Nachforschungen gelungen, den Dieb zu verfolgen und das Pferd im Stalle des Großgrundbesitzers zu agnoszieren. Der Verwalter war anfangs geneigt, weigerte sich aber später, das Pferd herauszugeben. – Der Kläger begehrte mit der Klage von M. die Ausfolgung des Pferdes oder Zahlung des Betrags von 15.000 Kronen. – Alle 3 Instanzen gaben der Klage statt.
RdW 1985/11: Herauslocken von Perserteppichen – Gutglaubenserwerb an listig entlockten Sachen? Dem Eigentümer betrügerisch entlockte Sachen sind anvertraut iSd § 367 ABGB und können daher von Dritten gutgläubig erworben werden. – Der gute Glaube wird aber schon durch leicht fahrlässige Unkenntnis der wahren Umstände ausgeschlossen.
Kläger = Teppichhändler; Beklagter = Teppichkäufer.
H.K. verleitete einen Angestellten des Klägers zur Ausfolgung von Perserteppichen, indem er vorgab, er wolle sie zu Hause zur Probe auflegen. Tatsächlich verkaufte er sie dem Beklagten zu einem günstigen Preis. Der Kläger verlangt vom Beklagten die Herausgabe der Teppiche. – Hier findet nicht der 2., sondern der 3. Fall des § 367 ABGB Anwendung.
EvBl 1999/168: Wirkung des gutgläubigen Erwerbs bei Weiterveräußerung und Rückerwerb durch den Veräußerer. – Der gutgläubige Erwerber verschafft durch die Übertragung der Sache (Motorjacht) jedem Dritten Eigentum, auch wenn diesem der Mangel im Erwerbsakt des Vormanns bekannt ist. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Sache an den schlechtgläubigen Veräußerer selbst zurückgelangt; hier durch ein Finanzierungsleasing in Form eines Sale-and-lease-back-Geschäfts. (?)
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II. Der sog Doppelverkauf
Literaturquelle
1. § 367 und § 430 ABGB
Immer wieder stellt sich – oft im praktischen Zusammenhang mit § 367 ABGB (der aber auf den Erwerb beweglicher Sachen beschränkt ist!) – auch die Frage des Doppelverkaufs. Das ABGB regelt ihn getrennt für bewegliche (§ 430 ABGB) und unbewegliche Sachen (§ 440 ABGB).
Es handelt sich bei der Regelung des Doppelverkaufs auch um eine frühe Antwort des Gesetzgebers auf die Verletzung fremder Forderungsrechte, die auch die Rspr früh für schutzwürdig ansah; dazu Gschnitzer, AllgT 717 ff (19922) und → KAPITEL 11: Verletzung fremder Forderungsrechte: Sittenwidrigkeit.
Verletzung fremder Forderungsrechte
Man darf nicht meinen, Doppelverkäufe von Liegenschaften kämen nicht vor. In Wahrheit sind sie nicht selten.
Sehen wir uns das häufige Zusammenspiel von § 367 und bspw § 430 ABGB anhand eines Beispiels an.
Zusammenspiel von § 367 und bspw § 430 ABGB
Schulfall: Frau A kauft bei einem Antiquitätenhändler einen schönen alten Kelim (2 x 3 m), bezahlt auch gleich, ersucht jedoch darum, den Teppich erst einige Tage später abholen zu können, weil er ihr zum Tragen zu schwer sei und sie derzeit über kein Fahrzeug verfüge. – Als Frau A zwei Tage später den Teppich abholen will, tritt der Verkäufer verlegen von einem Fuß auf den anderen und teilt Frau A schließlich mit, dass er den Kelim mittlerweile an eine andere Kundschaft für ihn günstiger (zB um 250 ı teurer!) verkauft habe. – Was kann Frau A tun?
Wie würden Sie entscheiden?
• Ist Frau A bereits Eigentümerin geworden? Wenn ja – wodurch?
• Welche Nebenpflicht des Kaufvertrags hat der Verkäufer verletzt?
• Erwirbt der Zweitkäufer (K2) Eigentum am Kelim? Wenn ja – wie?
• Kann Frau A, wenn sie zufällig einige Tage nach der bösen Überraschung in der Auslage eines anderen Teppichhändlers einen ähnlichen Teppich sieht, der aber ebenfalls um 250 ı teurer ist, als der von ihr gekaufte, diesen Mehrpreis, der dem höheren Zweitverkäuferpreis ihres treulosen Verkäufers entspricht, verlangen oder erhält sie nur ihren Kaufpreis zurück? – Anders gefragt: Stehen Frau A auch Schadenersatzansprüche zu?
Hat der Verkäufer (Schuldner) durch einen Doppelverkauf die Erfüllung der geschuldeten Leistung vereitelt / unmöglich gemacht, hat er den höheren Erlös dem Käufer als (Schaden)Ersatz herauszugeben. Am Vorliegen von Verschulden ist idR nicht zu rütteln. Der Verkäufer wird als unechter Geschäftsführer (→ KAPITEL 12: Unerlaubte oder unechte GoA: § 1040 ABGB) behandelt; § 1040 ABGB. Der Mehrerlös wird als sog stellvertretendes Commodum bezeichnet, das auch in anderen Konstellationen von Bedeutung ist. Diese Rechtsfigur wird ua auf § 7 ABGB gestützt. – Wir haben es in unserem Beispiel mit einer verschuldeten nachträglichen Unmöglichkeit iSd § 920 ABGB zu tun → KAPITEL 7: Nachträgliche Unmöglichkeit. Zusätzlich kommt neben § 430, der die Rechtsfolge offen lässt – wie erwähnt – § 1040 ABGB zur Anwendung.
Stellvertretendes Commodum
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Für den Eigentumserwerb beim Doppelverkauf entscheidet in beiden Fällen nicht die Priorität des schuldrechtlichen Titels (= erster Kaufvertrag), sondern die des sachenrechtlichen Modus: Bei § 430 ABGB (beweglichen Sachen) die frühere Übergabe; bei Liegenschaften (§ 440 ABGB) kommt es auf das frühere Ansuchen um Grundbuchseintragung an → KAPITEL 2: Arten bücherlicher Eintragungen. – Der, dem die Sache zuerst übergeben oder der zuerst um Verbücherung angesucht hat, erwirbt gültiges Eigentum. Selbst bei Kenntnis des ersten Verkaufs! „Kenntnis” meint aber nicht „Verleitung zum Vertragsbruch”. Dazu → Doppelverkäufe von Liegenschaften Der Doppelverkäufer haftet allerdings dem verletzten Teil für die – idR schuldhafte – Nichterfüllung.
Eigentumserwerb beim Doppelverkauf
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2. Doppelverkäufe von Liegenschaften
Auch Doppelverkäufe von Liegenschaften (§ 440 ABGB) kommen immer wieder vor: Der Erstkäufer, dem die Liegenschaft nicht physisch außerbücherlich übergeben wurde, kann vom Verkäufer nur Schadenersatz wegen Nichterfüllung begehren, selbst wenn der Zweitkäufer vom ersten Kauf Kenntnis hatte; SpR 59 (1873).
Nur bei Verleitung zum Vertragsbruch durch den Zweitkäufer und bei arglistigem Zusammenwirken von Verkäufer und Zweitkäufer kann der Erstkäufer unter Heranziehung von § 1295 iVm § 1323 ABGB die ihm verkaufte, aber nicht übereignete Liegenschaft als Naturalersatz herausverlangen; JBl 1981, 535.
Verleitung zum Vertragsbruch
Vgl dazu die Ausführungen (E 22 und E 23 zu § 431 ABGB) in Dittrich / Tades, MGA ABGB35 (1999). Das folgende Zitat soll auch einen ersten Eindruck über die Darstellungsweise einschlägiger Probleme in diesem wichtigen Nachschlagwerk vermitteln, wobei hier auf die Kursivsetzungen im Original verzichtet wurde.
Literaturquelle
Beispiel
Beispiel


Doppelverkauf (1)
Abbildung 8.38:
Doppelverkauf (1)


Doppelverkauf (2)
Abbildung 8.39:
Doppelverkauf (2)
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III. Gutgläubiger Pfandrechtserwerb
1. Gutgläubiger Pfandrechtserwerb
§ 367 ABGB regelt den gutgläubigen Eigentumserwerb und bindet diesen – der „harten” Konsequenzen wegen – an strenge Voraussetzungen. – Gibt es auch einen gutgläubigen Pfandrechtserwerb vom Nichtberechtigten? – Ja! Die Begründung enthält § 456 ABGB.
§ 456 ABGB
Wird eine fremde bewegliche Sache ohne Einwilligung des Eigentümers verpfändet, so hat dieser idR zwar das Recht, sie zurückzufordern; aber in solchen Fällen, in welchen die Eigentumsklage gegen einen redlichen Besitzer nicht statt hat (§ 367 ABGB), ist er verbunden, entweder den redlichen Pfandinhaber schadlos zu halten, oder das Pfand fahren zu lassen, und sich mit dem Ersatzrecht gegen den Verpfänder zu begnügen.
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2. § 456 hat § 367 ABGB zum Vorbild
§ 456 ABGB folgt tatbestandlich dem Vorbild des § 367 ABGB und ermöglicht ebenfalls einen gutgläubigen Pfandrechtserwerb an beweglichen (!) Sachen: zB bei Verpfändung einer fremden Sache. – Die Hypothek führt ein reines Buchleben und existiert außerhalb des Grundbuchs nicht.
Beispiel
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3. Rechtsfolge des § 456 ABGB
Bleiben wir bei unserem Beispiel: C erwirbt gutgläubig Pfandrecht, nicht Eigentum! Das Eigentum (des A) wird durch das gutgläubig entstehende Pfandrecht zwar belastet, geht aber nicht verloren! – Was könnte aber die Folge sein, wenn A sein Fahrrad wieder haben will?
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4. § 366 HGB
Zum gutgläubigen Pfandrechtserwerb im Handelsrecht vgl § 366 HGB. Hier genügt guter Glaube des Pfandgläubigers auf die rechtliche Verfügungsbefugnis ( Eigentum) des Pfandbestellers. – Das Handelsrecht verlangt für den Verlust der Gutgläubigkeit auch grobe Fahrlässigkeit!
§ 366 Abs 1 HGB
Veräußert oder verpfändet ein Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes eine bewegliche Sache, so wird das Eigentum oder Pfandrecht auch dann erworben, wenn die Sache nicht dem Veräußerer oder Verpfänder gehört, es sei denn, dass der Erwerber beim Erwerb nicht in gutem Glauben ist. Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache dem Veräußerer oder Verpfänder nicht gehört oder dass der Veräußerer oder der Verpfänder nicht befugt ist, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen.
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5. Zusammenhang mit dem Eigentumsvorbehalt
Die Regeln des gutgläubigen Pfandrechtserwerbs spielen im Zusammenhang mit dem Eigentumsvorbehalt eine praktisch wichtige Rolle. – Lässt sich jemand Sachen verpfänden (sei es ein Kaufmann oder ein Privater), die üblicherweise unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden und zieht der Pfandgläubiger keine Erkundigungen ein (zB Urkundeneinsicht, Rechnungen, Belege, Erkundigung beim Verkäufer), ob der Verpfändende auch tatsächlich Eigentümer (oder nach Handelsrecht wenigstens verfügungsberechtigt) ist, handelt er (grob) fahrlässig und erwirbt nicht gutgläubig Pfandrecht iSd §§ 456 ABGB oder 366 HGB. „Es wird also [von der Rspr!] geradezu eine Nachforschungspflicht statuiert.” – H. Mayrhofer, Zur neueren Entwicklung der Kreditsicherung durch Fahrnis (1968).
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6. Judikaturbeispiele
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 23/379 (1950): Verpfändung einer unter Eigentumsvorbehalt gekauften Fräsmaschine – Leitsatz: Wer an einer Maschine ein Pfandrecht erwirbt, ohne sich zu vergewissern, dass der Verpfänder auch tatsächlich der Eigentümer ist, handelt grob fahrlässig iSd § 366 HGB. Käufer der Fräsmaschine = Verpfänder; Kläger = Verkäufer der Fräsmaschine; Beklagter = Pfandgläubiger (dem die Maschine als Pfand übergeben wurde). Sachverhalt: Dr. H hat die Fräsmaschine, deren Herausgabe die klagende Partei von der beklagten Partei verlangt, von der klagenden Partei unter Eigentumsvorbehalt gekauft und sie der beklagten Partei verpfändet.
EvBl 1965/123: Außenbordmotor – Leitsatz: § 456 ABGB (§§ 368, 1063 ABGB; § 366 HGB): Grobe Fahrlässigkeit des Pfandgläubigers beim Pfandrechtserwerb an Waren, die erfahrungsgemäß unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden. Kläger = Verkäufer des Außenbordmotors (unter Eigentumsvorbehalt); Beklagter = Pfandgläubiger des Käufer Adalbert K. Sachverhalt: Kläger verkaufte dem Elektrohändler Adalbert K einen Außenbordmotor mit Tank und Standardpropeller, komplett, samt Fernschaltung um 47.565,- S unter Eigentumsvorbehalt. Die Klägerin lieferte den Motor am 12. Juli 1962. Der Beklagte gewährte dem Adalbert K ein Darlehen von 100.00,- S gegen das Versprechen, ein Motorboot samt dem hiefür anzuschaffenden Außenbordmotor als Pfand zur Sicherung der Darlehensforderung übergeben zu erhalten. Adalbert K übergab ungefähr 1 Monat nach Empfang des Darlehens nach Einbau des Motors in das Boot dieses samt Motor dem Beklagten mit der Erklärung, er sei Eigentümer des Bootes. Der Beklagte kannte die finanziellen Verhältnisse des Adalbert K nicht und wusste nur, dass dieser ein Haus und ein großes Geschäft besaß. Die Klägerin begehrte nunmehr mit der Behauptung, der Beklagte sei beim Pfandrechtserwerb schlechtgläubig gewesen, die Herausgabe des Außenbordmotors.
Ähnlich HS 4264/21 (1963): Ananasdosen – Grob fahrlässig (§ 366 HGB!) handelt, wer den von Anfang an gegebenen Verdacht eines Eigentumsvorbehalts nicht aufklärt. Die Behauptung des Verpfänders allein, dass er über die Sache verfügen könne, kann den guten Glauben des Erwerbers nicht begründen. Bei der Häufigkeit des Eigentumsvorbehalts besteht eine Pflicht zur sorgfältigen Nachforschung. Kläger = Verkäufer und Lieferantin der Ananasdosen (die unter Eigentumsvorbehalt geliefert wurden); Josef H = Käufer der Ananasdosen und Pfandbesteller + Verpfänder. Beklagter = Speditionsgesellschaft, die an der bei ihr eingelagerten Ware ein gesetzliches und ein vertragliches Pfandrecht behauptete und deshalb die Herausgabe der Ware an den Masseverwalter verweigerte; über das Vermögen des Josef H war nämlich der Konkurs eröffnet worden. – Der Klage wurde statt gegeben.
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D. Die Lehre vom Rechtsobjekt
Ehe wir uns der Lehre vom Rechtsobjekt, also den Sachen im rechtlichen Sinne zuwenden, wollen wir uns kurz erneut der Aufgabe des Sachenrechts vergewissern: Seine Aufgabe ist es, Sachen als Vermögensobjekte – und zwar bewegliche wie unbewegliche – rechtlich erkennbar und zuverlässig, an Rechtssubjekte (als den Trägern von Rechten und Pflichten) zuzuordnen; so genannte Sach(güter)zuordnung. – Die idF dargestellte Lehre vom Rechtsobjekt soll daher auch klären, was sachenrechtlich überhaupt zugeordnet werden kann.
Sachen im Rechtssinn werden zugeordnet
Zu erinnern ist daran, dass grundsätzlich nur Rechtssubjekte Träger eigener Rechte und Pflichten sein können, nicht dagegen Sachen; vgl aber → Allgemeines zum Sachbegriff
I. Allgemeines zum Sachbegriff
Das rechtlich unvermittelte, ja schroffe Gegenüberstellen von Rechts-Subjekt und Rechts-Objekt wurde erst spät als problematisch erkannt; vgl § 285a ABGB. Neuere Konzepte versuchen daher – trotz manch’ unsensibler Kritik – diesen Gegensatz dadurch zu mildern, dass sie der Natur – sei sie belebt oder unbelebt – (wenigstens) Teil-Rechtssubjektivität zuerkennen wollen. Das Umdenken erfolgt aber – wie üblich – zögerlich.
Rechts-Subjekt und Rechts-Objekt
Die wohl schwerwiegendste Konsequenz des bestehenden Rechtszustands liegt – für die ganze Menschheit – darin, dass diese Dichotomie insbesondere seit der Industriellen Revolution des 19. Jhs. (→ KAPITEL 1: Industrielle Revolution) zu einem unverantwortlichen Umgang mit der Natur geführt hat. Dies iS einer mittlerweile globalen Naturzerstörung und Existenzbedrohung des Menschen, nämlich:
Globale Naturzerstörung
Beispiel
Als Vorbilder einer Teil-Rechtssubjektivität und Vertretung der Interessen der Natur iwS können die gesetzliche Vertretung Minderjähriger oder unter Vormundschaft oder Sachwalterschaft stehender Personen (§ 21 ABGB) und überhaupt das Konzept (quasi)juristischer Personen dienen. Rechtsfähigkeit wird nämlich heute grundsätzlich von der Rechtsordnung verliehen. Als Korrelat zur bloßen Objekthaftigkeit der Natur, die bislang nur „Sache” ist, steht schon viel zu lange die – durch Religion und Wissenschaft – überschätzte Subjekthaftigkeit des Menschen der Moderne, der sich als Zentrum des Kosmos fühlt, so wie sich die Europäer zu lange und verhängnisvoll als Nabel der Welt fühlten! – Aber sind nicht auch unsere eitlen Vorstellungen von der Erde als Mittelpunkt unseres Sonnensystems ebenso längst Lügen gestraft worden? (Kopernikus) wie die Annahme, dass der Mensch „Herr” seines Bewusstseins ist (S. Freud).
Vorbilder einer Teil-Rechtssubjektivität
Unsere kapitalistische Gesellschaft setzt ihre Waren über den Markt ab, der längst ein Weltmarkt geworden ist. Das Recht hinkt dieser Entwicklung hinterher. – Märkte brauchen Waren und Waren sind Sachen. Damit sind wir beim Thema. Was auf den Märkten gehandelt wird, muss verdinglicht werden. Dieser Entwicklung sind auch schon viele menschliche Werte zum Opfer gefallen.
Das Recht bestimmt, welche Sachen als Waren veräußerbar sind und welche nicht. Die folgende Sacheinteilung unterstützt den Marktmechanismus in unseren Gesellschaften, wie dem Recht überhaupt die Aufgabe zukommt, gesellschaftliche und insbesondere auch ökonomische Probleme zu lösen oder doch zu erleichtern. Das Recht löst aber immer nur jene Fragen, die eine Gesellschaft lösen will. Zu den wichtigen Vorleistungen der großen Kodifikationen für den modernen Rechts- und Wirtschaftsverkehr → KAPITEL 1: Zur Entstehung des ABGB.
Sachen als Waren
Waren sind also Sachen, aber nicht alle Sachen sind Waren. Waren als marktgängige Güter sind nach dem HGB (§ 1 Z 1) nur bewegliche Sachen, mit denen ein Kaufmann in seinem Handelsbetrieb Geschäfte macht. Dabei müssen wir uns eingestehen, dass der Warenbegriff idealistisch eingefärbt ist. Die menschliche Arbeitskraft erscheint dem Begriff nach zwar nicht als Ware und doch „veräußert” sie der Großteil aller Menschen an andere, weil das für ihren Lebensunterhalt nötig ist. Davon profitieren idR wirklich nur einige wenige. – Aber auch Liegenschaften gelten rechtlich erstaunlicherweise immer noch nicht als Ware iSd HGB; und dennoch machen Immobiliengesellschaften und –makler gerade in Österreich lukrative Gewinne.


Rechtssubjekte und Rechtsobjekte: Sachen
Abbildung 8.40:
Rechtssubjekte und Rechtsobjekte: Sachen


Sachbegriff: § 285 (1)
Abbildung 8.41:
Sachbegriff: § 285 (1)


Sachbegriff: § 285 (2)
Abbildung 8.42:
Sachbegriff: § 285 (2)


Sachbegriff: § 285 (3)
Abbildung 8.43:
Sachbegriff: § 285 (3)
1. Rechtsobjekt und Rechtssubjekt
Wir haben vom Rechtssubjektgesprochen, dem Menschen, der natürlichen Person und idF auch von der juristischen Person. Beide sind als Rechtssubjekte Träger von Rechten und Pflichten. – Nun wollen wir von den Rechtsobjekten (= Sachen) handeln. Rechtsobjekte sind – nach geltendem Recht / de lege lata – nicht Träger, sondern bloß Gegenstand / Bezugsobjekte dinglicher und obligatorischer Rechte und Pflichten. Auf sie beziehen sich subjektive Rechte und Pflichten.
Das ABGB zieht – in seiner berühmten auf K. A. v. Martini zurückgehenden Definition der Sache in § 285 – die Grenze sehr klar:
§ 285 ABGB
„Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt”:
• „Alles, was von der Person unterschieden”, also nicht Person ist, ist Sache; negative Umschreibung.
• Daneben steht im Gesetz eine positive Umschreibung: „ ... und zum Gebrauche der Menschen dient.”
Das ist weit gefasst und lässt vieles zu! Dennoch konnte auch diese flexible Grenzziehung nicht alle Zweifel ausschalten → Zur Abgrenzung Person <-> Sache
Umstritten ist die Grenzziehung zwischen Person und Sache bspw in der Bioethik: Sind Forschungen an Embryonen erlaubt? Ab wann ist ein Personscharakter (wenigstens iSv § 22 ABGB) anzunehmen? – An die gesellschaftlich wichtige Aufgabe des Sachenrechts als Recht der Sachgüterzuordnung und die Rolle des Besitzes dabei sei ebenfalls erinnert.
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2. Weiter Sachbegriff des § 285 ABGB
Der Gesetzeswortlaut fasst den Sachbegriff weit und erfasst bewegliche wie unbewegliche Sachen, aber auch körperliche und unkörperliche Sachen und damit (Schuld)Forderungen und ganz allgemein Rechte. – Und dazu kommen noch – wie wir dem vorangestellten Motto entnehmen können – sog Handlungen, also Hand- und Kopfarbeiten; § 303 ABGB → Schätzbare und unschätzbare Sachen
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3. § 285a ABGB: „Tiere sind keine Sachen ...”
Eine gewisse Modifizierung des weiten Sachbegriffs des § 285 ABGB brachte mit BGBl 1988/179 § 285a ABGB. Diese Bestimmung wird aber zu unrecht weithin nur als programmatische Aussage verstanden. In Wahrheit macht sie deutlich, dass zwischen Rechtssubjekt und Rechtsobjekt Übergänge angezeigt und möglich sind.
§ 285a ABGB: Nur programmatische Aussage?
Es existieren bereits – wie erwähnt – interessante Vorschläge, der Natur eigene (nicht nur um des Menschen willen zuerkannte) Rechte und insbesondere – zu ihrem Schutze! – auch eine eigene (Teil)Rechtsfähigkeit zuzuerkennen; vgl die Literaturim Anschluss. Zur herkömmlichen Rechtsstellung der Tiere im Sachenrecht → Bewegliche und unbewegliche Sachen: bewegliche Sachen.
Eine interessante verfassungsrechtliche Regelung zum Schutz von Tieren kennt die Schweiz mit Art 24 III der Schweizer Bundesverfassung: Danach muss die „Würde der Kreatur” gewahrt werden.
Beispiele aus anderen Ländern und Österreich
Auch Deutschland besitzt seit 1990 eine einfachgesetzliche Regelung, § 90a dtBGB: „Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.” (Nahezu wörtlich dem ABGB entnommen.)
Art 9 der Slbg Landesverfassung zählt unter den „Aufgaben und Zielsetzungen des staatlichen Handelns” ua auf: „– die Achtung und der Schutz der Tiere als Mitgeschöpfe des Menschen aus seiner Verantwortung gegenüber den Lebewesen”.
Was ist damit gemeint, wenn von einer Modifikation des Sachbegriffs durch § 285a ABGB gesprochen wird? – Zunächst: Die allgemeinen Regeln des Sachenrechts und Schuldrechts bleiben weiterhin auf Tiere anwendbar. Dh, dass Tiere auch weiterhin verschenkt, ge- und verkauft werden und im Eigentum von jemandem stehen können. Schädigungen von Tieren stellen weiterhin einen Sachschaden dar: SZ 69/264: (1996). Vgl auch § 1332a ABGB. Tiere werden demnach rechtlich auch nach Einfügung des § 285a ABGB weithin als Sachen behandelt; vgl auch SZ 68/9 (1995).
Modifikation des Sachbegriffs
Satz 2 des § 285a ABGB stellt aber klar, dass auf Tiere, die für Sachen geltenden Vorschriften „nur insoweit anzuwenden” sind, „als keine abweichenden Regelungen bestehen”. Darunter sind in einem weiten Sinne Schutzvorschriften für Tiere zu verstehen. Der BSE- und Schweinemastskandal und andere Ereignisse haben deutlich gemacht, wie sehr die Vieh-Industrie und Politik jede Ethik, aber auch das Recht hinter sich gelassen haben. – § 285a ABGB sollte daher künftig nicht als Hindernis, sondern als Hilfe für eine gesunde und möglichst biologische Tierhaltung verstanden werden.
Schutzvorschriften für Tiere
§ 285a 2. HalbS ABGB macht deutlich, dass Tiere „durch besondere Gesetze geschützt „ werden. Das ABGB denkt hier an:
„… durch besondere Gesetze geschützt”
• bisher die (Landes)Tierschutzgesetze, nunmehr BundestierschutzG 2004,
• das TierversuchsG, BGBl 501/1989 und bspw
• an das TiertransportG-Straße (nunmehr abgeschwächt durch eine EU-RL), BGBl 411/1994;
• Das Strafrecht (§ 222 StGB) stellt Tierquälerei unter Strafe.
• § 1332a ABGB hat eine eigene Schadenersatzregelung für den Kostenersatz bei Tierverletzungen – insbesondere bestimmte Haustiere! – eingeführt, was nicht belächelt werden sollte.
Unzulässig sind danach etwa (rechts)sadistische Exekutionen gegen Haustiere, insbesondere um ältere Menschen zu treffen.
Exekution?
Das teilweise Herausnehmen der Tiere aus dem Sachbegriff ist (auch) gegen unsensible Angriffe zu verteidigen und sollte vielmehr Schritt für Schritt ausgedehnt werden. Zum Teil erzwingt die Entwicklung neue Regelungen; Schweinepest, Maul- und Klauen- sowie BSE-Seuche etc. – Gerechtfertigt erscheint eine rechtliche Sonderstellung von Tieren auch dadurch, dass Tiere – insbesondere Hunde und Katzen – für die emotionale Entwicklung von Kindern und Erwachsenen wichtig sind.
Literaturquelle
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4. Eigentum an (Forderungs)Rechten?
Das ABGB stellt klar, dass es neben körperlichen, auch unkörperliche Sachen – nämlich Rechte – gibt und nennt als Beispiele in § 292 ABGB „das Recht zu jagen, zu fischen und alle andere Rechte”. Die Konsequenz davon, dass nach dem ABGB Forderungen und Rechte Sachen sind, wäre nun eigentlich die, dass auch „Eigentum an Forderungen“ und ganz allgemein an „Rechten“ anzuerkennen wäre. Begrifflich zieht das ABGB auch diese Konsequenz und spricht sogar vom „Eigentümer der Forderung”; vgl § 1424 ABGB. – Allein legistisch-inhaltlich hat das ABGB diesen Schritt nicht vollzogen. Hätte dies doch die herkömmlichen Grenzen von Schuld- und Sachenrecht beseitigt; vgl das diesem Pkt vorangestellte Motto. – Wenn daher vom „Eigentum an einer Forderung” die Rede ist, ist das nur bildhaft zu verstehen; uzw iSv obligatorischem Vollrecht, also uneingeschränkter Rechtszuständigkeit, wenngleich an einem relativen Recht. Vgl auch → Körperliche und unkörperliche Sachen
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5. Zur Abgrenzung Person <-> Sache
Sehen wir uns idF einige Beispiele an, die Anlass zu Zweifeln geben können, ob es sich dabei (noch) um „Teile” der Person oder um Sachen handelt:
Beispiele
Der menschliche Leichnam wird heute zutreffend als Sache angesehen (str), wenngleich als eine, der mit besonderer Achtung und Pietät zu begegnen ist; vgl auch den strafrechtlichen Schutz durch § 190 StGB: Störung der Totenruhe und § 191 StGB: Störung der Bestattungsfeier. Die Sachqualität des Leichnams zeigt sich in der Rechtspraxis auch daran, dass er seit Jahrzehnten Anatomischen Instituten „überlassen” wird. Auch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, Toten Organe zu entnehmen spricht für diese Meinung; dazu gleich mehr. – Auch wenn man den Leichnam als Sache (besonderer Art) betrachtet, bedeutet das aber nicht, dass für seine „Behandlung” – insbesondere für die sog Totenfürsorge – die Regeln des Erbrechts zur Anwendung gelangen; so aber der OGH in JBl 2000, 110 mwH. Vgl dazu auch die Ausführungen im Rahmen der Darstellung des postmortalen Persönlichkeitsrechts → KAPITEL 4: Sog postmortale Persönlichkeitsrechte.
Leichnam
Für die hier vertretene Meinung spricht ferner, dass der menschliche Leichnam auch Gegenstand der medizinischen Obduktion ist;
Obduktion
Literaturquelle
Zwischen Obduktionsrecht und privat(rechtlich)er Verfügung über Leichenteile besteht übrigens ein bis heute nicht hinreichend geklärtes Spannungsverhältnis.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 19. 12. 2001, 7 Ob 199/01t, RdM 2002/21: Ein wissenschaftlicher Grund zur Vornahme einer Obduktion gemäß § 25 KAKuG liegt ua in der Erforschung neuer Krankheitsformen, deren Ursachen und Verlauf; hier: Creuzfeldt-Jakob-Krankheit. – Gerechtfertigt wird dieser Eingriff in den menschlichen Leichnam mit dem Interesse der Allgemeinheit. Allein dieses Argument trifft nicht auf alle Obduktionen zu.
Literaturquelle
§ 25 Abs 1 KAKuG iVm den jeweiligen Landes-KAG. Danach sind in öffentlichen Krankenanstalten Verstorbene zu obduzieren, wenn dies sanitätspolizeilich oder gerichtlich angeordnet wurde oder zur Wahrung anderer öffentlicher oder wissenschaftlicher Interessen (insbesondere bei diagnostischer Unklarheit oder erfolgten operativen Eingriffen) erforderlich ist. Liegt aber keiner dieser Fälle vor und hat die/der Verstorbene nicht schon zu Lebzeiten einer Obduktion zugestimmt, darf diese nach § 25 Abs 2 KAKuG (iVm zB § 37 Abs 2 TirKAG) nur mit Zustimmung der nächsten Angehörigen vorgenommen werden;
Keine Sachen sind Kopfhaar, Zahnbrücke oder andere Körperersatzstücke / Prothesen, solange diese sich im / am Körper befinden; Brillen werden aber ausgenommen , was zeigt, dass diese Grenzziehung pragmatisch erfolgt. Ihre Beschädigung oder Zerstörung ist – jedenfalls auch – Körperverletzung iSd §§ 83 ff StGB. Nicht immer wurde das so gesehen und die Judikatur ist auch heute noch nicht konsequent und einheitlich; vgl SZ 56/54 (1983): Zahnbrücke bloß als Sache (?!). Faustregel: Im Rahmen von Körperverletzungen sind Prothesen etc als Teil des Körpers anzusehen; anders, wenn eine Zahnbrücke, die angefertigt wird (Werkvertrag), nicht passt. Hier müssen wiederum die Gewährleistungsvorschriften (zB § 1167 ABGB) zur Anwendung gelangen. – Wir können hier eine Ambivalenz rechtlicher Zuordnung feststellen, die aber durchaus sachgerecht erscheint. – Lasse ich mir meine Haare schneiden, werden die geschnittenen Haare zur Sache. Man kann daher sein Haar verkaufen und dieser (Kauf)Vertrag ist ein Vertrag über eine künftige Sache.
Kopfhaar, Zahnbrücke oder Prothesen
Blut, Sperma, Eizellen / Ovarien und menschliche Organe werden nach ihrer Trennung vom Körper des Spenders vorübergehend / transitorisch als körperliche Sachen behandelt und unterliegen danach dem Produktbegriff des § 4 PHG 1988 → KAPITEL 7: Produktbegriff ¿ Medizinproduktegesetz. (Das bedeutet natürlich nicht, dass Spender als Unternehmer iSd PHG anzusehen sind! Eine Organ-, Samen- oder Blutbank ist aber Unternehmer.) Mit Transfusion des Blutes oder der Implantation der Spendeorgane beim Empfänger geht die Sachqualität aber wieder verloren, was zeigt, dass die Sachqualität transitorisch sein kann.
Blut, Sperma, Eizellen, menschliche Organe
Organe oder Organteile sind in Österreich kein Gegenstand des rechtsgeschäftlichen Verkehrs; § 62a Abs 4 KAKuG. Wir besitzen aber mit § 62a KAKuG eine liberale Regelung für das Gewinnen von Organtransplantaten von Toten; sog Totenspende. Für sog Lebend(organ)spenden fehlt in Österreich derzeit eine gesetzliche Regelung, was rasch nachgeholt werden sollte. Derzeit behilft man sich bestenfalls mit einer wackeligen Analogie zu § 62a KAKuG.
Toten- und Lebendspende
Auch hier besteht in der Praxis eine beträchtliche Grauzone, zumal die Medizin – bei uns wie anderswo – oft nur geringe Bereitschaft aufbringt, regelgeleitet zu handeln. Es ist eine Aufgabe der Zukunft, auch diesen Bereich der menschlichen Selbstbestimmung zu unterstellen. Trotz medizinischer Uneinsichtigkeit und wissenschaftlicher Kassandrarufe. Vgl zu diesen Fragen → KAPITEL 18: Weltbild, Menschenbild und Menschenwürde ¿ Zur Rolle der Medizin in modernen Gesellschaften.
Vgl dazu den von mir und G. Kalchschmid erarbeiteten Entwurf eines österreichischen Transplantationsgesetzes / öTPG http://zivilrecht.uibk.ac.at/institut/personen/barta/
Ausnahmen in Bezug auf Lebendspenden gewährt die Rspr für einen engen Kreis Angehöriger; zB Mutter spendet ihrer kranken Tochter eine Niere. Bekannt ist der Fall Niki Laudas, der von seinem Bruder eine Niere erhielt. – Festzuhalten ist, dass auch in unseren modernen Gesellschaften der Mensch nicht völlig frei über seinen Körper verfügen kann; vgl schon das römische Recht D. 9, 2, 13 pr. – Ulpian: Dominus membrorum suorum nemo videtur. Dh: Niemand ist Eigentümer seiner Gliedmaßen. Über (nicht abgetrennte) Teile seines Körpers kann man also nicht frei verfügen!
Dass Körperteile nach ihrer Trennung vom Körper wiederum zu Sachen werden, gilt auch für Plazenta / Nachgeburt, Nabelschnur und andere Körperteile. Auch hier gilt aber – wie beim Leichnam, dass diesen früheren Körperteilen – wo möglich und sinnvoll – mit Pietät zu begegnen ist; Skandale haben diesbezüglich sensibilisiert. Eine andere Frage betrifft, mittlerweile ist das von ökonomisch-medizinischer Bedeutung – den Eigentumserwerb und damit das Verfügungsrecht darüber. Obwohl dafür eine explizite Rechtsregel fehlt, muss gelten: Diese Teile gehen grundsätzlich ins Eigentum der Person über von der sie stammen. Das besitzt Bedeutung für Eizellen, Sperma, Nabelschnur, Plazenta oder Haare. Während im Normalfall die vom Friseur geschnittenen Haare mangels Interesse des Eigentümers (Dereliktion) dort bleiben, kann sich bspw eine Kundin, die sich ihr schulterlanges Haar kurz schneiden lässt, das abgeschnittene Haar mitnehmen. – Einschränkungen können durch sanitätspolizeiliche und Hygienevorschriften bestehen.
Plazenta, Nabelschnur etc
In Österreich ist es also erlaubt, Verstorbenen – wenn sie dies zu Lebzeiten nicht untersagt haben (Ausübung des sog Widerspruchsrechts → KAPITEL 18: Weltbild, Menschenbild und Menschenwürde ¿ Zur Rolle der Medizin in modernen Gesellschaften) – einzelne Organe oder Organteile zum Wohle anderer Menschen zu entnehmen. Dies sogar ohne Zustimmung, ja Verständigung der nächsten Angehörigen. In der Praxis erfolgt diese Verständigung aber angeblich. Diese Lösung sollte bis zum Einsatz von Xenotransplantation und Stammzellenzüchtung erhalten und nicht populistischen Argumenten geopfert werden, zumal dadurch menschliches Leid gemindert und Beschaffungskriminalität zumindestens geschmälert werden kann. Vgl auch → KAPITEL 18: Weltbild, Menschenbild und Menschenwürde ¿ Zur Rolle der Medizin in modernen Gesellschaften.
Widerspruchserklärung – Organtransplantation
Literaturquelle
Normdefinitionen § 62a, 62b, 62c KAKuG
§ 62a KAKuG
(1) Es ist zulässig, Verstorbenen einzelne Organe oder Organteile zu entnehmen, um durch deren Transplantation das Leben eines anderen Menschen zu retten oder dessen Gesundheit wiederherzustellen. Die Entnahme ist unzulässig, wenn den Ärzten eine Erklärung vorliegt, mit der der Verstorbene oder, vor dessen Tod, sein gesetzlicher Vertreter eine Organspende ausdrücklich abgelehnt hat. Die Entnahme darf nicht zu einer die Pietät verletzenden Verunstaltung der Leiche führen.
(2) Die Entnahme darf erst durchgeführt werden, wenn ein zur selbständigen Berufsausübung berechtigter Arzt den eingetretenen Tod festgestellt hat. Dieser Arzt darf weder die Entnahme noch die Transplantation durchführen. Er darf an diesen Eingriffen auch sonst nicht beteiligt oder durch sie betroffen sein.
(3) Die Entnahme darf nur in Krankenanstalten vorgenommen werden, di die Voraussetzungen des § 16 Abs 1 lit a und c bis g erfüllen.
(4) Organe oder Organteile Verstorbener dürfen nicht Gegenstand von Rechtsgeschäften sein, die auf Gewinn gerichtet sind.
§ 62b
Angaben über die Person von Spender bzw Empfänger sind vom Auskunftsrecht gemäß § 11 DatenschutzG, BGBl Nr 565/1978, ausgenommen.
§ 62c
Wer dem § 62a zuwiderhandelt, begeht, sofern nicht eine gerichtlich strafbare Tat vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis 30.000 S zu bestrafen.
Um große Tote rankt sich manche Gruselgeschichte: Nicht nur Albert Einsteins Totenruhe wurde auf ganz unglaubliche und pietätlose Weise durch die eigenmächtige Entfernung seiner Augen durch einen Klinikpathologen gestört. – Berühmt ist die Geschichte der „Enthauptung” und Entfernung des Schädels von Joseph Haydn aus dem Grab durch den Schädelsammler Nepomuk Peter und seinen Freund Rosenbaum eine Woche nach dem Begräbnis im Juni 1809. Erst im Jahre 1954 wurde Haydns Schädel wieder in Eisenstadt beigesetzt.
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II. Einteilung der Sachen – Überblick
Das ABGB teilt die Sachen nach verschiedenen Gesichtspunkten ein. Die §§ 286-290 ABGB betonen den Unterschied nach der „Verschiedenheit des Subjekts, dem sie gehören”: Überschrift vor § 286 ABGB.
So unterscheidet § 286 ABGB pauschal zwischen „Staats- oder ... Privatgut”; und § 287 differenziert weiter in „freistehende Sachen”, „öffentliches Gut” und „Staatsvermögen”. § 288 ABGB löst aus dem weiten Begriff des Staatsgutes, das Gemeindegut heraus und unterscheidet davon – nach dem Vorbild des § 287 ABGB – das Gemeindevermögen. § 290 ABGB stellt klar, dass die Vorschriften des ABGB „über die Art, wie Sachen rechtmäßig erworben, erhalten und auf andere übertragen werden können ... [idR] auch von den Verwaltern der Staats- und Gemeindegüter, oder des Staats- und Gemeindevermögens zu beobachten” sind.
Staats- oder Privatgut
Diese gesetzliche Anordnung ist auch insoferne von Interesse, als der Gesetzgeber ausdrücklich anordnet, Normen des Privatrechts auch im Bereich des öffentlichen Rechts anzuwenden; eine Art gesetzlich statuierter Rechtsanalogie. Die Theorie des öffentlichen Rechts hat dem bislang wenig Bedeutung beigemessen.
Die §§ 291-306 ABGB teilen dagegen Sachen nach dem „Unterschied ihrer Beschaffenheit” ein: Überschrift vor § 291 ABGB.
Einteilung nach dem „Unterschied der Beschaffenheit“ von Sachen
Andere Wissenschaften teilen Sachen nach anderen Gesichtspunkten ein als das Recht. Die Philosophie etwa unterscheidet begrifflich Substanz, Akzidenz, Individuum, Gattung und Art und trifft diese Einteilung nach dem Verhältnis, in dem Sachen zueinander stehen. Die Naturwissenschaften wiederum interessieren erneut andere Sacheigenschaften: fest, weich, flüssig oder organisch und unorganisch, das Atomgewicht oder ihre Zusammensetzung etc. – Sie sind etwas Gedachtes und verbinden zB eine Mehrheit von Sachen zu einer begrifflichen Einheit / Kategorie. Der Begriff „Baum” umfasst alle Bäume, die existieren, die es gab und geben wird. Das können Buchen, Eichen oder Pappeln sein. – So verhält es sich auch mit den rechtlichen Sacheinteilungsbegriffen; etwa: beweglich – unbeweglich.
Die in § 291 ABGB vorgenommene Sacheinteilung ist unvollständig. – Heute teilen wir die Sachen ein, in:
Sacheinteilung ist unvollständig
Sacheinteilung nach dem ABGB
GesichtspunkteBedeutung
Öffentliche – private> Klare Trennung – Rechtssicherheit
Körperliche – unkörperliche> Dingliche Rechte: Übertragung
Bewegliche – unbewegliche> Eigentums- und Gutglaubenserwerb
Herrenlose – nicht herrenlose> Gebrauchsüberlassung: Miete, Darlehen, Leihe
Vertretbare – unvertretbare> Stück- und Gattungsschuld; unterschiedliche Gefahrtragung
Schätzbare – unschätzbare> Insbes Schadenersatz; § 305 ABGB
Verkehrsfähige – verkehrsbeschränkte> Schusswaffen, Medikamente, Grundverkehr etc
Teilbare – unteilbare> § 843 ABGB; zB Miteigentum
Einfache Sachen – Sachverbindungen> Zubehör, Gesamtsache etc
1. Freistehende Sachen, öffentliches Gut und Staatsvermögen
Als „freistehend” (dh zugänglich zum allgemeinen Eigentumserwerb!) werden jene Sachen bezeichnet, „welche allen Mitgliedern des Staates zur Zueignung überlassen sind”; vgl dazu die §§ 381 ff ABGB.
„… freistehend“
Das ABGB wendet die Lehre von Titel und Modus (§ 380 ABGB) auch auf den originären Eigentumserwerb an → KAPITEL 2: Originärer und derivativer Erwerb. – Der Titel für freistehende Sachen liegt nach § 381 ABGB in der „angeborenen Freiheit, sie in Besitz zu nehmen”; Modus ist die „Zueignung, wodurch man sich einer freistehenden Sache bemächtigt, in der Absicht, sie als die seinige zu behandeln [Kriterien des Sachbesitzes!]”. – § 382 ABGB stellt klar, dass freistehende Sachen „von allen Mitgliedern des Staates durch die Zueignung erworben werden, insofern diese Befugnis nicht durch politische Gesetze eingeschränkt ist ...”.
Originärer Erwerb
Beispiel
Unter öffentlichem Gut versteht § 287 ABGB Sachen, die den Bürgern „nur zum Gebrauche verstattet werden, als: Landstraßen, Ströme, Flüsse, Seehäfen und Meeresufer”.
Öffentliches Gut
Seit 1.11.1934 kann durch Ersitzung Eigentum an öffentlichem Wassergut nicht mehr erworben werden. Zuvor erworbene Rechte müssen aber voll gewahrt werden. Das gilt bspw auch für ein Fischereirecht: OGH 16.7.1998, 6 Ob 195/98i.
Unter Staatsvermögen (§ 287 Satz 3 ABGB) versteht das Gesetz alles, „was zur [finanziellen] Bedeckung der Staatsbedürfnisse bestimmt ist, als: das Münz- oder Post- und andere Regalien, Kammergüter, Berg- und Salzwerke, Steuern und Zölle”.
Staatsvermögen
Dieser Aspekt wird bei sog Privatisierungen von Staatseigentum iwS gerne vernachlässigt. Der schon einmal geplante Verkauf der Österreichischen Bundesforste und von Seen spricht für sich und ist als plumpe Ideologisierung und einfallslose Geldbeschaffungsaktion abzulehnen.
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2. Körperliche und unkörperliche Sachen
Unsere Bestimmung bezeichnet als körperliche Sachen diejenigen, „welche in die Sinne fallen” (also sinnlich wahrnehmbar sind), „sonst heißen sie unkörperlich”. – Sinnlich wahrnehmbar ist zB auch der elektrische Strom oder Computer-Software (str) die demnach körperliche Sache sind; dazu gleich unten: Beispiele. – Auch die Besitzregeln des ABGB nehmen immer wieder auf diese Unterscheidung Bezug; vgl die §§ 311, 312, 314.
§ 292 ABGB
Vgl dazu die Gegenüberstellung von § 292 ABGB und II 1 § 12 WGGB sowie Martinis Entwurf II 1 § 12 → KAPITEL 1: Natur und Vernunftrecht und ABGB. Anschaulicher und klarer als § 292 ABGB umschreiben noch Martinis Entwurf und das WGGB körperliche und unkörperliche Sachen. Das ABGB ist bereits blasser und abstrakter gefasst, ohne dadurch legistisch etwas zu gewinnen. Dahinter steht Zeillers Abgehen von Martinis Prinzip eines Volksgesetzbuchs.
Literaturquelle
Die Einteilung besitzt Bedeutung, weil sich die dinglichen Sachenrechte (also jene Rechte, welche „einer Person über eine Sache ohne Rücksicht auf gewisse [andere] Personen” zustehen) nach § 307 ABGB nur auf körperliche Sachen beziehen. Nur an körperlichen Sachen gibt es – wie erwähnt – Eigentum ieS. Nur für körperliche (bewegliche) Sachen gelten daher die Besitz- und Eigentumsübertragungsregeln der §§ 426 ff ABGB, während Forderungen / Rechte – soweit sie übertragbar sind – durch Zession – eine eigene Übertragungsart für Forderungen und Rechte – übertragen werden; § 1392 ff ABGB → KAPITEL 14: Zession, Gläubigerwechsel, Forderungsübergang.
Bedeutung der Unterscheidung
Zur bildhaften Ausdrucksweise des ABGB, das auch vom Eigentümer einer Forderung spricht → Eigentum an (Forderungs)Rechten?
Nach § 311 ABGB (Gegenstände des Besitzes) können „alle körperliche[n] und unkörperliche[n] Sachen, welche ein Gegenstand des rechtlichen Verkehres sind, ... in Besitz genommen werden”. – Zum Rechtsbesitz, der danach auch an obligatorischen Rechten möglich ist, wenn diese mit (namhafter) Sachinhabung und einem Gebrauchsrecht verbunden sind, vgl die §§ 312, 313 ABGB und → KAPITEL 3: Rechtsbesitz.
Rechtsbesitz
Beispiel
Literaturquelle


Körperliche und unkörperliche Sachen (1)
Abbildung 8.44:
Körperliche und unkörperliche Sachen (1)


Körperliche und unkörperliche Sachen (2)
Abbildung 8.45:
Körperliche und unkörperliche Sachen (2)
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3. Bewegliche und unbewegliche Sachen
Nach § 293 ABGB sind bewegliche Sachen (Fahrnis) solche, „welche ohne Verletzung ihrer Substanz von einer Stelle zur andern versetzt werden können ...; im entgegengesetzten Falle sind sie unbeweglich.” – Dieser Gesichtspunkt kennt aber Ausnahmen. So gelten Überbauten / Superädifikate stets als bewegliche Sachen → KAPITEL 2: Superädifikate.
Die Einteilung in bewegliche und unbewegliche Sachen ist für unser Sachenrecht die wichtigste. – Auch für das alte deutsche Recht war sie grundlegend, während dieser Einteilungsgesichtspunkt für das römische Recht von geringerer Bedeutung war.
Der Erwerb und Verlust von Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen ist unterschiedlich geregelt. Für den derivativen / abgeleiteten Erwerb von Fahrnis gelten die Übergabsregeln der §§ 426 ff ABGB. Besitz an Liegenschaften kann zwar ebenfalls (außerbücherlich) übertragen werden, Eigentum an Liegenschaften wird aber grundsätzlich nur durch Eintragung ins Grundbuch erworben; § 431 ABGB. Wem ein bestimmtes Grundstück „gehört”, ersieht man aus dem Grundbuch; wem eine bewegliche Sache gehört, grundsätzlich daran, wer sie „in Händen” hält, sie besitzt. – Einen gutgläubigen Erwerb nach § 367 ABGB gibt es nur für bewegliche Sachen. Die §§ 430, 440 ABGB regeln aber den Eigentumserwerb bei Doppelverkauf an beweglichen und unbeweglichen Sachen.
Bedeutung der Unterscheidung
Aber auch außerhalb des Sachenrechts werden bewegliche und unbewegliche Sachen unterschiedlich behandelt; vgl etwa die Gewährleistungsfristen des § 933 ABGB. Dazu das folgende instruktive Beispiel.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 39/7 (1966) Sog Dachfolienfall: Je nachdem, ob jemand die (Dichtungs)Folie selber kauft (= bewegliche Sache) und selber verlegt, oder ob die Folie von einem Baumeister im Rahmen von vereinbarten Bauarbeiten verlegt wird (Errichtung eines Bauwerks = unbewegliche Sache), findet die kurze 6-monatige oder die lange 3-jährige Gewährleistungsfrist des § 933 ABGB Anwendung. (Verwendet wurde die Dichtungsfolie, die sich idF als undicht erwies, im konkreten Fall vom Käufer zum Abdichten seines Garagenflachdachs.) – Zur Gewährleistung allgemein → KAPITEL 7: Gewährleistung als ¿Schlecht-Erfüllung¿.
Grundstücke sind traditionell strengeren öffentlichrechtlichen, aber auch privatrechtlichen Einschränkungen ausgesetzt als Fahrnis. Man denke an die nachbarrechtlichen Beziehungen (Immissionen) oder Grunddienstbarkeiten oder das (Ausländer)Grundverkehrsrecht oder die Bau- und Raumordnungsgesetze der Länder.
Liegenschaften
Fahrnis dagegen ist privatrechtlich idR weniger beschränkt, übrigens auch öffentlichrechtlich, wenn man von Notzeiten absieht; zB Bewirtschaftungsmaßnahmen für Lebensmittel oder Treibstoffe. Freilich existieren auch für bestimmte bewegliche Sachen einengende, den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit ihnen regelnde Rechtsvorschriften; zB für Medikamente, (Sucht)Gifte, Sprengstoffe, Waffen, gefährliches Spielzeug oder Kunstgegenstände (zB Ausfuhrverbot) etc. Dazu → KAPITEL 8: Verkehrsfähige und nicht verkehrsfähige Sachen: Verkehrsfähigkeit.
Fahrnis
Unbewegliche Sachen sind nach § 293 ABGBauchdas Zugehör von Liegenschaften → Zugehör – Rechtliche Zusammengehörigkeit von Sachen; sog Sachverbindungen; § 293 Satz 2 ABGB:
Zugehör
„Sachen, die an sich beweglich sind, werden im rechtlichen Sinn für unbeweglich gehalten, wenn sie vermöge des Gesetzes oder der Bestimmung [vgl etwa § 296 ABGB] des Eigentümers das Zugehör einer unbeweglichen Sache ausmachen.”
Das trifft zB zu auf Vieh oder eingebrachte Ernteerzeugnisse, aber auch Servituten, Reallasten oder das Jagdrecht.
Gesetzlich als unbeweglich erklärt sind:
• das Baurecht § 6 BauRG → Das Baurecht) und
Bergwerksberechtigungen (§ 40 MinroG);
• Zur rechtlichen Behandlung von Forderungsrechten (etwa in Bezug auf die Verjährung), wenn sie durch eine Hypothek gesichert wurden → KAPITEL 13: Kurze oder besondere Verjährung ¿ 3 Jahre.
• Das Liegenschaftszubehör (§ 293 ABGB) wurde eben erwähnt.
Bei den körperlichen beweglichen Sachen nehmen die Tiere eine Sonderstellung ein. Zu erinnern gilt es an § 285a ABGB.
Rechtliche Behandlung von Tieren
Eingeteilt werden die Tiere in:
Einteilung
• wilde,
• zahme und
• zahm gemachte.
Das sind nach dem ABGB nur solche, welche sich bei uns im Zustand der natürlichen Freiheit befinden, und die, wenn sie gefangen sind, ihre Freiheit wieder zu erlangen streben. Keine wilden Tiere sind daher all jene, die bei uns in Freiheit gar nicht vorkommen. Tiger und Löwe sind nach österreichischem Privatrecht keine wilden Tiere, wohl aber Schnecke, Fliege, Wurm oder Spatz!
Wilde Tiere
Die wichtigste Untergruppe der wilden Tiere bilden die jagdbaren wilden Tiere; Hase, Reh, Gams, Hirsch, Fisch etc. Sie sind Gegenstand des Jagd- oder Fischereirechts.
Jagdbare wilde Tiere
Das Jagdrecht ist untrennbar mit dem Grundeigentum verbunden. Es ist in Landesjagdgesetzen geregelt. Das Fischereirecht kommt entweder als selbständiges dingliches Recht an einem fremdem Gewässer vor oder als Ausfluss des Eigentumsrechts an einem eigenen Gewässer.
In Bezug auf die – auch für wilde Tiere relevante – Unterscheidung beweglich – unbeweglich vgl die schöne und berühmte auf K. A. v. Martini zurückgehende Umschreibung in § 295 ABGB: „Das Gras, Bäume, Früchte und alle brauchbaren Dinge, welche die Erde auf ihrer Oberfläche hervorbringt, bleiben so lange ein unbewegliches Vermögen, als sie nicht von Grund und Boden abgesondert worden sind. Selbst Fische in einem Teich, und das Wild in einem Walde werden erst dann ein bewegliches Gut, wenn der Teich gefischt, und das Wild gefangen oder erlegt worden ist.”
Das sind sind die Haustiere. Sie dürfen auch nicht, selbst wenn sie entlaufen sind, in freier Wildbahn angeeignet werden; etwa eine entlaufene Katze oder ein Hund. Diese Tiere stehen (noch) in jemandes Eigentum und man kann sie allenfalls finden (§§ 388 ff ABGB → KAPITEL 2: Arten des originären Eigentumserwerbs), sich aber nicht aneignen.
Zahme Tiere
Ein „Problem” stellen die vielen derelinquierten, also von ihren Eigentümern bewusst (!) verlassenen Haustiere dar; vgl § 362 iVm § 386 ABGB: „.., oder unbedingt sich derselben begeben, das ist, sie verlassen.” – Jährlich werden allein in Österreich tausende Hunde und Katzen ausgesetzt; zB auf Autobahnraststätten. Sie sind „herrenlos” und daher nicht Gegenstand des Fundes, sondern der Aneignung. Dennoch erscheint es sinnvoll, auf sie gewisse Fundregeln analog anzuwenden; zB die §§ 388, 392 ABGB.
Bei ihnen ist die Gattung (noch) wild, das Einzeltier (dagegen) zahm; zB zahmes Reh. Dafür gilt § 384 Satz 2 ABGB: „ ... oder, dass ein zahm gemachtes Tier durch [42] Tage von selbst ausgeblieben ist, kann sie auf gemeinem Grunde jedermann; auf dem seinigen der Grundeigentümer für sich nehmen, und behalten.” Die Regeln der Landesjagdgesetze sind aber zu beachten!
Gezähmte Tiere
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 57/130 = EvBl 1984/145: Waldschweine – als Kreuzung zwischen Hausschwein und Wildschwein – brechen aus ihrem Gehege aus und einige werden idF von Jägern (in Kenntnis der Umstände!) erlegt. – Frage: Kann der Eigentümer und Tierhalter (§ 1320 ABGB) Ersatz verlangen? – Die Antwort enthält § 384 ABGB: „Häusliche Bienenschwärme und andere zahme oder zahm gemachte Tiere sind kein Gegenstand des freien Tierfanges [und daher auch nicht des Jagdrechts!], vielmehr hat der [Eigentümer] das Recht, sie auf fremdem Grunde zu verfolgen.” – Das Erlegen der Waldschweine durch Jäger erfolgte daher widerrechtlich und führte zu Recht zur Schadenersatzverpflichtung der Jäger an den Tierhalter.
Die Regeln über den Tierfang finden sich in den §§ 383, 384 ABGB.
Regeln über den Tierfang
Hinzuweisen gilt es auf die praktisch wichtige Tierhalterhaftung des § 1320 ABGB → KAPITEL 10: Die Tierhalterhaftung.
Tierhalterhaftung
Nach § 384 Satz 1 ABGB steht dem Eigentümer zahmer oder zahmgemachter Tiere ein Verfolgungsrecht auch „auf fremdem Grunde” zu, das nicht der Genehmigung des davon betroffenen Grundeigentümers bedarf; auf Verfolgungshandlungen sind demnach weder die Besitzstörungsregeln (→ KAPITEL 3: Besitzschutz ¿ Allgemein und → KAPITEL 3: Gerichtlicher Besitzschutz), noch die Eigentumsfreiheitsklage des § 523 ABGB (→ Privatrechtliche Eigentumsklagen – Übersicht) anzuwenden. Das Gesetz ordnet aber an, dass der Verfolger „dem Grundbesitzer den ihm … verursachten Schaden” zu ersetzen hat. Diese Haftung wird im Einklang mit § 1320 ABGB gedeutet, weshalb eine Verschuldenshaftung angenommen wird; freilich ohne Beweislastumkehr (?).
Verfolgungsrecht
Meines Erachtens sind die Anspruchsgrundlagen beider Bestimmungen nicht dieselben! Der Ersatz solcher Schäden umfasst den gesamten Umfang des § 1293 ABGB, also Personen- und Vermögensschäden. – Mit Ehrenzweig (SachR2 139), Klang (in Klang2 II 253) und Gschnitzer (SachR 2 62) ist durch analoge Anwendung unserer Bestimmung ein sachlich sinnvoll begrenztes allgemeines Sachverfolgungsrecht (durch ausgeübte Selbsthilfe) anzunehmen; vgl etwa SZ 22/48 (1949): Rückholung von Ziegeln nach einem Bombenangriff. Inhaltlich einschränkend, aber ohne Bezug auf § 384 ABGB, SZ 65/145 (1992): Verschlagene Tennisbälle von einem Tennisplatz – OGH: Nachbar muss das Betreten seines Grundes durch Spieler nicht dulden. Diese E zeigt die nötige Grenzziehung zu § 364 ABs 2 letzter Satz ABGB auf; Immissionen: direkte Zuleitung → Unmittelbare Zuleitung. – Eine weitere Grenzziehung für das Sachverfolgungsrecht trifft § 471 ABGB: Retentionsrecht → KAPITEL 15: Das Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB.
Literaturquelle


Bewegliche und unbewegliche Sachen (1)
Abbildung 8.46:
Bewegliche und unbewegliche Sachen (1)


Bewegliche und unbewegliche Sachen (2)
Abbildung 8.47:
Bewegliche und unbewegliche Sachen (2)


Bewegliche und unbewegliche Sachen (3)
Abbildung 8.48:
Bewegliche und unbewegliche Sachen (3)
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4. Verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen
„Sachen, welche ohne ihre Zerstörung oder Verzehrung den gewöhnlichen Nutzen nicht gewähren, heißen verbrauchbare; die von entgegengesetzter Beschaffenheit aber unverbrauchbare Sachen.” – Kurz: Verbrauchbar ist eine Sache, deren Gebrauch im Verbrauch liegt; zB ein Apfel, aber auch Geld. – Das römische Recht sprach von: res, quae usu consumuntur, also Sachen, die durch ihren Gebrauch verzehrt werden.
§ 301 ABGB:
Ob eine Sache verbrauchbar oder unverbrauchbar ist, bestimmt vornehmlich die Verkehrssitte (objektiv); Papiertaschentücher sind danach verbrauchbar, auch wenn man sich zwei oder drei Mal hineinschnäuzen kann, Stofftaschentücher dagegen nicht. – Die Parteien könnten aber zB ausnahmsweise eine verbrauchbare Sache auch als unverbrauchbar behandeln; in diesem Fall weicht der Parteiwille von der Verkehrssitte ab: etwa Lebensmittel – wie schönes Obst oder Pilze – werden zu Ausstellungszwecken verwendet.
Verkehrssitte
Beispiel
Bestimmte Vertragstypen, nämlich Leihe, Miete und Pacht setzen unverbrauchbare Sachen voraus, weil dieselbe Sache zurückzustellen ist. Sind dagegen – wie beim Darlehen – Sachen derselben Art und Güte zurückzustellen, können grundsätzlich nur verbrauchbare Sachen verwendet werden; vgl den Text des § 983 ABGB: Darlehen. Der Kauf umschließt beide Kategorien.
Bedeutung der Unterscheidung
Beispiel


Verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen
Abbildung 8.49:
Verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen
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5. Vertretbare und unvertretbare Sachen
Das ABGB kennt diese Unterscheidung (noch) nicht; es begnügte sich mit der in verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen.
Das sind jene Sachen, die im rechtsgeschäftlichen Verkehr nach Maß, Zahl oder Gewicht bestimmt werden. Die Glossatoren sprachen von res fungibiles et infungibiles und umschrieben erstere mit: res, quae pondere numero, mensura constant. – Vertretbare Sachen weisen nur generelle, der Art oder Gattung nach bestimmte Eigenschaften auf; zB Geld, Getreide, Obst, Olivenöl. Die einzelnen Stücke oder Mengen unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander. Es fehlen brauchbare individuelle Kriterien der Abgrenzung. – Vertretbare Sachen sind daher austauschbar.
Vertretbar
Das spielt im Gewährleistungsrecht eine Rolle: § 9 Z 1 KSchG bestimmt, dass sich „der Unternehmer bei einer Gattungsschuld von den Ansprüchen auf Aufhebung des Vertrags oder auf angemessene Preisminderung dadurch befreien [= freizeichnen] kann, dass er in angemessener Frist die mangelhafte Sache gegen eine mängelfreie austauscht.”
Umgekehrt verhält es sich bei unvertretbaren Sachen. Sie weisen jeweils individuelle Eigenschaften, besondere Kennzeichen (certa species) auf und sind nicht nur gattungsmäßig umschrieben und daher nicht gegen andere austauschbar.
Unvertretbar
Beispiel
Literaturquelle
Ob etwas vertretbare oder unvertretbare Sache ist, bestimmt grundsätzlich wiederum die Verkehrssitte / Verkehrsauffassung: Der Parteiwille kann aber davon abweichend (im Einzelfall) etwas anderes festlegen; dh, er kann eine nach der Verkehrssitte vertretbare Sache als unvertretbar und umgekehrt behandeln.
Verkehrsauffassung
Beispiel
Vertretbare Sachen begründen idR – dh nach der Verkehrsauffassung – eine Gattungs- oder Genusschuld, unvertretbare dagegen eine Stück- oder Speziesschuld. Die Unterscheidung ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil die Gefahrtragung für Stück- und Gattungsschulden verschieden ist; dazu gleich mehr.
Bedeutung der Unterscheidung
Auf § 9 Z 1 KSchG wurde eben eingegangen: Austauschrecht des Unternehmers bei Gattungsschulden im Rahmen der Gewährleistung. – Zum Stück- oder Gattungskauf → KAPITEL 2: Stück- und Gattungskauf. – Vgl auch § 360 HGB: „Wird eine nur der Gattung nach bestimmte Ware geschuldet, so ist Handelsgut mittlerer Art und Güte zu leisten.”
Beispiel
Beachte
Von beschränkter Gattungsschuld wird gesprochen, wenn die Gattung wiederum unterteilt werden kann, und die vereinbarte Leistung aus einem solchen beschränkten / begrenzten Vorrat erbracht werden soll, was im Rechtsleben praktische Bedeutung besitzt; etwa: Bier (Gattung), hell / dunkel, Märzen / Weizen, österreichisches / deutsches, Marke: Fohrenburger / Weihenstephaner usw. – Je beschränkter die Gattungsschuld, umso leichter erschöpft sie sich – zufällig oder verschuldet – iS eines Unmöglichwerdens der Leistung. Der Schuldner wird bei zufälligem Untergang – anders als bei normalen Gattungsschulden – von seiner Leistungspflicht befreit; § 1447 ABGB → KAPITEL 7: Nachträgliche Unmöglichkeit. Es trifft ihn auch keine weitere Beschaffungspflicht; vgl Lemppenau, Gattungsschuld und Beschaffungspflicht (1972).
Beschränkte Gattungsschuld
Unterschiedliche Gefahrtragungsregeln für Stück- und Gattungsschulden: Zu unterscheiden sind hier die Begriffe der Leistungs- und der Preisgefahr:
Gefahrtragungsregeln für Stück- und Gattungsschulden
Geklärt werden muss zunächst der hier verwendete Gefahrbegriff. Er betrifft die rechtliche Risikoverteilung (zwischen den Parteien) und zwar zwischen Vertragsschluss und vereinbartem Erfüllungszeitpunkt; und zwar für den Fall des zufälligen (also des nicht verschuldeten) Untergangs oder einer Verschlechterung des Leistungsgegenstands. Zu verschuldeter Unmöglichkeit der Leistung → KAPITEL 7: Nachträgliche Unmöglichkeit. – Zu den Gefahrtragungsregeln bei Kauf und Tausch → KAPITEL 2: Gefahrtragung bei Kauf und Tausch.
Gefahrbegriff
• Die Leistungsgefahr beantwortet die Frage, ob der Schuldner bei zufälligem Untergang oder zufälliger Verschlechterung des Leistungsgegenstands (zwischen Vertragsschluss und vereinbarter Übergabe!) die Leistung erneut, also noch einmal erbringen muss.
Beispiel
Bei Gattungsschulden ist also (bis zur Übergabe oder Konzentration dazu gleich unten) grundsätzlich das mangelhafte oder zerstörte Stück durch ein einwandfreies (zu Lasten des Schuldners) zu ersetzen. Denn: Leistungsinhaltsind nicht bestimmte, individualisierte (Einzel)Stücke, sondern bloß eine der Gattung nach bestimmte Ware.
Leistungsgefahr
Auf § 9 Z 1 KSchG wurde hingewiesen.
Die Preisgefahr beantwortet die Frage, wer den finanziell-wirtschaftlichen Nachteil aus dem zufälligen Untergang oder der zufälligen Verschlechterung des Leistungsgegenstands (wiederum zwischen Vertragsschluss und vereinbarter Übergabe) zu tragen hat. Kurz: Wer den „Preis” der zufälligen Verschlechterung oder den wirtschaftlichen Nachteil am zufälligen Untergang des Leistungsgegenstands trägt. Die Preis- oder Gegenleistungsgefahr trägt bei Stück- und bei Gattungsschulden (vor vereinbarter Übergabe) jeweils der (Sach)Schuldner, also zB der Verkäufer.
Preisgefahr
Zur Frage des Gefahrübergangs beim Gläubigerverzug gleich unten: Konzentration.


Gefahrtragung bei Stück- und Gattungsschuld
Abbildung 8.50:
Gefahrtragung bei Stück- und Gattungsschuld
Auch bei Gattungsschulden kommt aber einmal der Zeitpunkt der konkreten Leistung(svorbereitung und -erbringung) und damit ihrer Einengung auf (ein) bestimmte/s Stück/e oder eine bestimmte Menge der Gattung; Auswahl des Geschuldeten (durch den Schuldner) aus der Gattung. Etwa: Kohle oder Öl wird für die Erfüllung in Säcke / Kanister abgefüllt, andere Ware in entsprechender Menge verpackt usw. Man nennt diese (konkrete) Auswahl der geschuldeten Leistung(smenge) aus der Gattung, um erfüllen zu können: Konzentration oder Konkretisierung der Leistung. Die Gefahr geht aber grundsätzlich auch noch nicht mit diesem Auswahl- oder Konzentrationsakt auf den Gläubiger über. Schuldbefreiend und gefahrüberbürdend wirkt die Konzentration vielmehr erst:
Konzentration oder Konkretisierung
• mit ordnungsgemäßer Erbringung der Leistung, also korrekter Erfüllung (zB körperliche Übergabe);
• aber auch dann, wenn der Gläubiger in Annahmeverzug gerät; zB die ihm vom Schuldner ordnungsgemäß angebotene Leistung nicht annimmt.
Nur in diesen (beiden) Fällen geht die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung der geschuldeten Leistung auf den Gläubiger über. Es sei denn, es wurde etwas anderes vereinbart.
Zu bedenken ist aber hier, dass der rechtstechnische Akt der Übergabe – und damit häufig auch die Gefahrtragung – auch durch Erklärung (§ 428 ABGB), also bloß durch Vereinbarung (dh ohne reale Übergabe) erfolgen kann. Das wird immer wieder vertraglich vereinbart. In Liegenschaftskaufverträgen findet sich häufig die Formulierung: „Die Übergabe und Übernahme der verkauften Liegenschaft in den Besitz und Genuss des Käufers ist heute mit Vertragsfertigung erfolgt, womit auch die Gefahr des Zufalls hinsichtlich der Kaufliegenschaft auf den Käufer übergegangen ist.” – Das Eigentum an Liegenschaften wird jedoch erst durch Verbücherung übertragen!
Zur nach hA fehlenden Abnahmeverpflichtung des Gläubigers → KAPITEL 7: Keine rechtlich durchsetzbare Abnahmepflicht.
Beispiel
Beispiel
Eine weitere Konsequenz der Unterscheidung in vertretbare und unvertretbare Sachen ist die, dass die Eigentumsklage des § 366 ABGB (→ Privatrechtliche Eigentumsklagen – Übersicht) grundsätzlich nur auf die Herausgabe unvertretbarer Sachen gerichtet sein kann; vgl die §§ 370, 371 ABGB. – Eine Ausnahme bildet aber die sog Mengenvindikation; zB Bauer X lässt 20 Tonnen seines Getreides im (Genossenschafts)Lagerhaus verwahren. X steht ein Herausgabeanspruch im Ausmaß von 20 Tonnen (freilich nicht „seines” Getreides) zu. Er kann dies mit der rei vindicatio begehren.
Eigentumsklage
Literaturquelle


Vertretbare und unvertretbare Sachen
Abbildung 8.51:
Vertretbare und unvertretbare Sachen


Stück- oder Gattungsschuld?
Abbildung 8.52:
Stück- oder Gattungsschuld?
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6. Teilbare und unteilbare Sachen
Den wichtigen normativen Einteilungsgesichtspunkt dieser Sachkategorie enthält § 843 ABGB: „Kann eine ... Sache entweder gar nicht oder nicht ohne beträchtliche Verminderung des Wertes geteilt werden”, so sprechen wir von unteilbaren, andernfalls von teilbaren Sachen. – Es kommt also nicht auf die physikalisch-technische Teilbarkeit einer Sache an, die heute nahezu immer gegeben wäre, sondern auf eine rechtlich-wirtschaftliche Betrachtung.
§ 843 ABGB
Beispiel
Mitunter erklärt die Rechtsordnung an und für sich teilbare Sachen für unteilbar.
Rechtsordnung bestimmt
So ist bestehendes Wohnungseigentum nach § 8 WEG 1975 (= § 12 WEG 2002) unteilbar; Ausnahme: Nach § 9 ff WEG 1975 konnte gemeinsames Wohnungseigentum für Ehegatten begründet werden (sog Ehegatten-Wohnungseigentum), nunmehr besteht die erweiterte Möglichkeit, eine sog Eigentümerpartnerschaft zu schaffen: §§ 13-15 WEG 2002 → Die Eigentümerpartnerschaft/ETü-P: §§ 13-15 WEG. – In Tirol sind geschlossene Höfe unteilbar. – Anders als Wohnungseigentum ist schlichtes Miteigentum aber teilbar; vgl § 830 iVm §§ 841 ff ABGB. Die Teilung von Miteigentum kann in natura erfolgen; man spricht dann von Realteilung. Einigen sich die Miteigentümer aber nicht auf eine Real- / Naturalteilung, kommt es zur Zivilteilung, was Teilung des Erlöses aus öffentlicher Feilbietung bedeutet → Schlichtes oder ideelles Miteigentum Teilbarkeit kann aber auch in Bezug auf die Gebrauchsmöglichkeit angenommen werden; zB Teilung eines gemeinsamen Ferienhauses oder eines Kraftfahrzeugs der Zeit nach: A im Juli, B im August oder das Kraftfahrzeug an bestimmten Wochentagen.
Beispiele: Wohnungseigentum etc
Aber nicht nur Sachen ieS, auch (Dienst) Leistungen und Rechte können teilbar oder unteilbar sein.
Dienstleistungen und Rechte
Nur bei teilbarer Leistung bestehen die Möglichkeiten einer Teilerfüllung und des Teilverzugs (zB Verspätung mit der dritten Öllieferung) iSd § 918 Abs 2 ABGB oder der Teilunmöglichkeit iSd §§ 878, 920, 1447 ABGB und als Konsequenz davon des Teilrücktritts. Vgl auch → KAPITEL 2: ¿Teil¿-Leistungen: Teilleistungen beim Kaufvertrag.
Bedeutung der Unterscheidung
Eine weitere Konsequenz der Teilbarkeit oder Unteilbarkeit einer Leistung liegt darin, dass bei Personenmehrheit (auf Schuldner- oder Gläubigerseite) je nachdem ein Teil- oder ein Gesamtschuldverhältnis entsteht → KAPITEL 7: Teilbarkeit oder Unteilbarkeit der Leistung: Teil- oder Gesamtschuldverhältnis.
An die gesetzlich mitunter statuierte Unteilbarkeit wird erinnert.


Teilbare und unteilbare Sachen
Abbildung 8.53:
Teilbare und unteilbare Sachen
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7. Schätzbare und unschätzbare Sachen
„Schätzbare Sachen sind diejenigen, deren Wert durch Vergleichung mit andern zum Verkehre bestimmt werden kann; darunter gehören auch Dienstleistungen, Hand- und Kopfarbeiten. Sachen hingegen, deren Wert durch keine Vergleichung mit andern im Verkehre befindlichen Sachen bestimmt werden kann, heißen unschätzbare”; § 303 ABGB.
§ 303 ABGB
Zu Dienstleistungen sowie Hand- und Kopfarbeiten vgl auch → Weiter Sachbegriff des § 285 ABGB Dies ist so zu verstehen: Dienstleistungen sind zwar als Teil der Person rechtlich nicht Objekt / Ware, können aber von Arbeitnehmern dennoch zugesagt werden. Das Ergebnis der zugesagten Leistung ist schätzbar und kann daher entgolten werden. Zu den verschiedenen Formen von Dienstleistungen iSd § 303 ABGB → KAPITEL 2: Kaufgegenstand.
Dienstleistungen
Beispiel
Das ABGB behandelt im Rahmen der Schätzbarkeit von Sachen die Frage von Wert und Preis einer Sache; vgl §§ 304-306 ABGB. – § 304 ABGB: „Der bestimmte Wert einer Sache heißt ihr Preis”. Wichtig ist vor allem der sog gemeine Wert; § 305, 1. HalbS ABGB: „Wird eine Sache nach dem Nutzen geschätzt, den sie mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet, so fällt der ordentliche und gemeine Preis aus ....” Es handelt sich um den Wert für jedermann; außer Betracht bleiben hier besondere Verhältnisse (= außerordentlicher Preis).
Wert und Preis: gemeiner Wert
Beispiel
Die rechtliche Bedeutung des gemeinen Wertes liegt vor allem im Schadenersatzrecht. Für den Ersatz von Vermögensschäden statuiert § 1332 ABGB: „Der Schade, welcher aus einem mindern Grade des Versehens oder der Nachlässigkeit verursacht worden ist, wird nach dem gemeinen Werte, den die Sache zur Zeit der Beschädigung hatte, ersetzt.”
Bedeutung des gemeinen Wertes
Dazu → KAPITEL 9: § 1332 ABGB: gemeiner Wert. Vgl aber auch: § 1374 ABGB (Kreditsicherung bei Verpfändung von Liegenschaften) und nunmehr auch § 1332a ABGB.
Literaturquelle


Schätzbare und unschätzbare Sachen
Abbildung 8.54:
Schätzbare und unschätzbare Sachen
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8. Verkehrsfähige und nicht verkehrsfähige Sachen
Vgl die Formulierungen: §§ 311, 653, 878, 880, 920, 1048, 1447 ABGB.
Der Großteil der Sachen unterliegt hinsichtlich ihrer Verkehrsfähigkeit keinerlei rechtlichen Beschränkungen. Über sie kann unbeschränkt rechtsgeschäftlich (unter Lebenden und letztwillig) verfügt werden. Sie sind uneingeschränkt Objekte des Rechtsverkehrs; sog res intra commercium. Manche Sachen stehen aber ganz oder doch teilweise außerhalb des Rechtsverkehrs (res extra commercium); zB – noch – die freie Luft. Einschlägige Sonderregeln enthält die EO: zB § 250 EO (Ausschluss der Exekution auf Reliquien oder Kirchengeräte) oder § 251 EO: „Der Exekution sind ferner entzogen: ...”.
res intra und extra commercium
Das Vorbild, dass nicht alles in Exekution gezogen werden kann, vielmehr manches der Exekution entzogen ist, stammt aus dem alten Griechenland.
Daneben kennt das Verwaltungsrecht manche Verkehrsbeschränkung. So war nach dem TabakmonopolG 1996 der Kleinhandel mit Tabakerzeugnissen den Trafikanten vorbehalten; § 40 leg cit statuierte von dieser Regel nur eine Ausnahme zugunsten von Gaststätten.
Unpfändbare Sachen – Beispiele: § 251 EO
Beispiel
Beschränkt verkehrsfähig sind: Alkohol, Drogen, bestimmte Chemikalien, Gifte, Medikamente (Rezeptpflichtigkeit!), Waffen(bezug) nur mit Waffenschein; Sprengstoffe, landwirtschaftlich genutzte Liegenschaften (Grundverkehr, Ausländergrunderwerb), Sachen unter Denkmalschutz (können zB nur mit Genehmigung des Bundesdenkmalamtes ins Ausland verkauft werden – etwa eine berühmte Gemäldesammlung wie die Sammlung Leopold) usw.
Beispiele
Beschränkungen im Hinblick auf den Vertrieb alkoholischer Getränke und Tabak an Jugendliche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr enthalten die Landes-JugendschutzG; vgl § 18 Tiroler JugendschutzG, LGBl 1994/4.
Beschränkungen der Verkehrsfähigkeit enthalten nicht nur Gesetze, sondern können auch durch den Richter oder rechtsgeschäftlich – zB durch Vertrag oder Testament – erfolgen; vgl § 364c ABGB: Vertragsmäßiges oder letztwilliges Veräußerungs- oder Belastungsverbot.
Beschränkungen durch den Richter oder Rechtsgeschäft
Das Veräußerungs- oder Belastungsverbot des § 364c ABGB kann für Sachen oder dingliche Rechte – vertraglich oder letztwillig, aber auch gesetzlich oder richterlich – begründet werden. Es verpflichtet nur den „ersten Eigentümer”, nicht seine Erben oder sonstige Rechtsnachfolger. Gegen Dritte wirkt es, wenn es innerhalb eines bestimmten Personenkreises begründet (zB zwischen Ehegatten, Eltern und Kindern oder deren Ehegatten) und ins Grundbuch eingetragen wird. Es verhindert dann jede vertragliche oder exekutive Übertragung oder Belastung der Sache. Es ist ein höchstpersönliches Recht.
Veräußerungs- oder Belastungsverbot des § 364c ABGB
Nach § 76 Abs 2 Satz 3 GmbHG sind im Gesellschaftsvertrag Veräußerungsbeschränkungen für GmbH-Geschäftsanteile möglich. In diesem Fall ist deren Übertragung von der Zustimmung der anderen Gesellschafter abhängig.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 69/158 (1996): Wird im Rahmen des nachehelichen Aufteilungsverfahrens nach den §§ 81 ff EheG (→ KAPITEL 16: Die Auflösung der Ehe) eine (Liegenschafts)Eigentumsübertragung vereinbart, steht dem ein einverleibtes Vorkaufsrecht (§§ 1072 ff ABGB → KAPITEL 2: Das Vorkaufsrecht) nicht entgegen, weil es sich um keinen Liegenschaftsverkauf handelt; wohl aber ein einverleibtes Veräußerungsverbot, weil dieses jede Übertragung der Sache ausschließt.


Verkehrsfähige – nicht verkehrsfähige Sachen
Abbildung 8.55:
Verkehrsfähige – nicht verkehrsfähige Sachen


Veräußerungs- und Bealstungsverbot
Abbildung 8.56:
Veräußerungs- und Bealstungsverbot
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9. Zugehör – Rechtliche Zusammengehörigkeit von Sachen; sog Sachverbindungen
Wir kommen nun zu einem schwierigen Kapitel des Sachbegriffs, dem sog Zugehör iSd § 294 ABGB, also der in den §§ 294-297a ABGB behandelten rechtlichen Zusammengehörigkeit von Sachen. – Das Problem der rechtlichen Zusammengehörigkeit von Sachen wird vom ABGB vornehmlich in Zusammenhang damit gebracht, ob eine Sache durch ihre Verbindung mit Grund und Boden unbeweglich ist oder wird: zB ein Haus (römisches Recht: superficies solo cedit), oder ob eine bisher mit Grund und Boden verbundene Sache (zB Gras, Baum, Apfel am Baum) durch ihre Trennung beweglich wird.
Zu Superficies (§ 297 ABGB) und Superädifikat (§ 435 ABGB) → KAPITEL 2: Superädifikate.
Der Sacheinteilungsgesichtspunkt für körperliche Sachen in einheitliche (zB Stein, Tier, im römischen Recht: Sklave), zusammengesetzt verbundene (zB Haus, Fahrrad) und zusammengehörig getrennte Sachen (zB Bibliothek, Herde; § 302 ABGB → Gesamtsachen) stammt aus der Stoa (Chrysippos) und wirkte im ABGB und dtBGB (§ 93) nach.
Rechtsgeschichte


Einfache Sachen – Sachverbindungen
Abbildung 8.57:
Einfache Sachen – Sachverbindungen
Unter Zugehör versteht das ABGB in § 294 – weit und flexibel – alles, „was mit einer Sache in fortdauernde Verbindung gesetzt wird.” Dahin zählt es „nicht nur [den natürlichen] Zuwachs [zB Apfel / Birne am Baum, Kartoffeln im Feld oder Salat im Garten etc] einer Sache solange er von derselben nicht abgesondert ist; sondern auch die Nebensachen, ohne welche die Hauptsache nicht gebraucht werden kann, oder die das Gesetz, oder der Eigentümer zum fortdauernden Gebrauche der Hauptsache bestimmt hat”.
Einteilung des Zugehör iSd ABGB
Die auf K. A. v. Martini zurückgehenden §§ 295, 296 und 297 ABGB bringen in schöner Sprache anschauliche Beispiele!
Literaturquelle
Erinnern wir uns an die zentrale Aufgabe des Sachenrechts: Sachgüterzuordnung! Auch die hier aufgeworfenen Fragen besitzen praktische Bedeutung für die dingliche Zuordnung von Sachen. So stellt sich die Frage: Wem gehört eine mit einer anderen zusammenhängende Sache? Zum Beispiel ein eingebautes, aber noch nicht bezahltes Autoradio. Wer ist (ihr) Eigentümer? Dieselbe Frage lässt sich für das Pfandrecht stellen! – Oder: Gehört die (verlegte) Wasserleitung oder Zentralheizung dem Hausherrn, das Hotel(zimmer)mobiliar dem Hotelier oder dem Lieferanten, wenn diese „Sachen” noch nicht bezahlt wurden und daran bspw ein Eigentumsvorbehalt begründet wurde? Dazu gleich mehr. – Wir sehen, dass es sich dabei um praktisch wichtige Fragen handelt.
Bedeutung
Die rechtliche Zusammengehörigkeit von Sachen, ihre sachenrechtliche Verbindung kann verschiedenartig sein; nämlich körperlich oder/und wirtschaftlich.
Unterschiedliche sachenrechtliche Verbindung
Körperlich: Feld und Kraut / Rübe / Kartoffel; Getreidefeld, Baum und Apfel; Haus und verlegte Lichtleitungs- oder Zentralheizungsrohre; die Seiten eines Buches; Auto und Autoradio / -telefon usw.
Wirtschaftlich: Anzug / Kostüm oder Hose und Sakko, Jacke und Rock; Bauernhof und Vieh / Maschinen / Werkzeug; Unternehmen und Lkw’s / Büroeinrichtung / Warenlager.
Körperlich + wirtschaftlich: Häufig stehen Sachen sowohl in körperlichem, als auch in wirtschaftlichem Zusammenhang! So die Teile eines Fahrrads / Autos oder die Hardware eines Computers, aber auch die installierte Zentralheizung oder die fest verankerte Offsettdruckmaschine einer Druckerei.
Sachen stehen zueinander aber auch im Verhältnis von Haupt- und Nebensache (→ Neuere Einteilung des Zugehörs: Zugehör), also im Verhältnis von Über- und Unterordnung; zB Feld und Rübe, Bauernhof und Vieh, Unternehmen und PC / Lkw. – Oder die Sachen sind einander gleichwertig zugeordnet = Verhältnis von Hauptsache zu Hauptsache im Rahmen einer rechtlichen Zusammengehörigkeit von Sachen: So die Seiten eines Buchs, von Hose und Sakko oder einem Paar Schuhe oder Schi.
Haupt- und Nebensache
Die Unterscheidung in Haupt- und Nebensache beschränkt sich aber nicht auf die Beziehung einer unbeweglichen Sache zu einer beweglichen; auch bewegliche Sachen können Nebensache einer anderen beweglichen Hauptsache sein; zB Kasten und Schlüssel, Bild und Rahmen, Pkw und Radio, Uhr und Uhrband, PC und Programm / Diskette etc.
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10. Neuere Einteilung des Zugehörs
Das ABGB gebraucht den Terminus „Zugehör” nicht konsequent, sondern sowohl als Oberbegriff für Bestandteile und Zubehör (vgl §§ 294 ff ABGB), als auch (vgl § 1047 ABGB) als Synonym für Zubehör. – In Anlehnung an die Terminologie der §§ 93 ff dtBGB wurde daher eine konsequentere Begrifflichkeit üblich.
Heute teilen wir das Zugehör ein in:
Bestandteile = mit körperlichem Zusammenhang (a) und
Zubehör = ohne körperlichen, dafür aber mit wirtschaftlichem Zusammenhang (b).
Bestandteile werden wieder in selbständige und unselbständige unterteilt.
Zu a) Bestandteile:
Bestandteile sind zwar körperlich mit einer anderen Sache verbunden, aber – anders als die selbständigen – so eng oder fest, dass sie ohne Zerstörung ihres wirtschaftlichen Wertes nicht mehr abgetrennt werden können. Die Sachverbindung ist so eng, dass eine Sache aufhört, rechtlich eine selbständige Sache zu sein und – wirtschaftlich betrachtet – in der andern Sache aufgeht.
Unselbständige Bestandteile
Beispiel
Unselbständige Bestandteile sind daher nicht sonderrechtsfähig! Sie teilen das rechtliche „Schicksal” der Hauptsache! Dh: Wird tapeziert, werden Zentralheizungsrohre verlegt, kann sich der Lieferant / Bauausführende an diesen Materialien sicherungsweise zB nicht das Eigentum vorbehalten, also einen Eigentumsvorbehalt begründen. Er muss, will er Sicherheit erlangen, andere dingliche oder obligatorische Sicherheiten wählen! → KAPITEL 15: Überblick.
Rechtsfolge


Zugehör = Rechtliche Zusammengehörigkeit von Sachen
Abbildung 8.58:
Zugehör = Rechtliche Zusammengehörigkeit von Sachen
Sie sind ebenfalls körperlich mit einer anderen Sache verbunden, aber ohne erheblichen wirtschaftlichen Wertverlust wieder trennbar.
Selbständige Bestandteile
Beispiel
Selbständige Bestandteile sind sonderrechtsfähig; dh an ihnen können, trotz körperlicher Verbindung mit anderen Sachen (beweglichen oder unbeweglichen) dingliche Rechte begründet und erhalten werden; sei es ein Eigentumsvorbehalt oder ein Pfandrecht. – Es ist also möglich, dass ein Autohändler, der sog Auto’zubehör’ verkauft, sich daran das Eigentum vorbehält, sei es am Autoradio, den neuen Reifen oder der Batterie. Gleiches gilt für die Stereoanlage im Wohnzimmer.
Rechtsfolge / Konsequenzen:
Rechtlich gesehen handelt es sich beim umgangssprachlich so (dh rechtsterminologisch falsch) bezeichneten Auto’zubehör’ idR um selbständige Bestandteile! – Zum Gutglaubenserwerb (§ 367 ABGB) bei unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren → Gutgläubiger Eigentumserwerb Die Rspr verlangt eine Nachforschungspflicht!
Das sind Sachverbindungen ohne (oder doch nicht notwendig mit) körperlichen, aber jedenfalls mit wirtschaftlichem Zusammenhang.
Zu b) Zubehör / Pertinenz:
§ 97 Abs 1 dtBGB
„Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnisse stehen. Eine Sache ist nicht Zubehör, wenn sie im Verkehre nicht als Zubehör angesehen wird.”
Man kann auch sagen, dass es sich beim Zubehör um Nebensachen handelt, ohne welche die Hauptsache nicht – oder doch wirtschaftlich nicht so gut / effizient – gebraucht werden kann, oder die das Gesetz oder der Eigentümer zum fortdauernden Gebrauch der Hauptsache bestimmt (= gewidmet) haben; § 294 ABGB. § 297 ABGB spricht von Sachen, „die zum anhaltenden Gebrauche eines Ganzen bestimmt sind”. Beim Zubehör handelt es sich also um körperlich selbständige (Neben)Sachen, die zur Hauptsache in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und das Zubehör(stück) vom Eigentümer dazu bestimmt / gewidmet wurde, der besseren wirtschaftlichen Nutzung der Hauptsache zu dienen.
§ 296 ABGB bringt Beispiele: Getreide, Holz, Viehfutter, eingebrachte oder geerntete Erzeugnisse, Vieh, Werkzeuge und Gerätschaften. – Das Warenlager ist Zubehör des Unternehmens (SZ 42/181 [1969]), die (Hotel)Einrichtung Zubehör des Hotels; Lkw’s, (Firmen)Pkw’s, eine Büroeinrichtung (samt EDV-Anlage) sind zB Zubehör eines Großhandelsunternehmens.
Zum besseren Verständnis wird auch beim Zubehör zwischen:
Haupt- und
Nebensache unterschieden.
Hauptsache kann sowohl eine unbewegliche wie eine bewegliche Sache sein; und umgekehrt kann Nebensache eine bewegliche oder unbewegliche Sache sein. Die größte Bedeutung in der Praxis spielen heute teure bewegliche Sachen (zB Lkw’s, Traktoren, überhaupt Landmaschinen, EDV-Anlagen, Werkzeug, teure technische Geräte) als Liegenschaftszubehör. Eine Liegenschaft, die als Abstell- oder Lagerplatz eines Unternehmens verwendet wird, ist – obwohl unbewegliche Sache – Nebensache der Gesamtsache Unternehmen.
Die drei Kriterien für die Zubehöreigenschaft:
Kriterien der Zubehöreigenschaft
Die Zubehöreigenschaft wird nur erlangt, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:
• Die (Zubehör)Sache muss dem dauernden Gebrauch der Hauptsache bestimmt sein; sog Widmung (sakt).
Beispiel
Eigentümer- oder doch Berechtigten-Identität zwischen Haupt- und Nebensache. Ein Eigentumsvorbehalt verhindert demnach das Entstehen von Zubehör (zur Spezialvorschrift des § 297a ABGB → § 297a ABGB – Der „Maschinenparagraph”), obwohl die Sache zB bereits dem Liegenschaftseigentümer wirtschaftlich dient; zB Traktor des Bauern. Es besteht aber gleichsam eine Zubehörlatenz, iS einer dinglichen Anwartschaft auf Erlangung des Zubehörstatus nach Erlöschen des Eigentumsvorbehalts.
Räumliches Naheverhältnis und tatsächliche Zweckdienlichkeit für die Hauptsache; zB Werkzeug einer Gärtnerei, Traktor oder Mähdrescher eines Bauern, PC oder Lkw eines Unternehmens, Hausbesorgerwohnung in einer WE-Gemeinschaft.
Auch Rechte (!) können Zubehör (einer Hauptsache) sein; zB die einem Grundstück oder Unternehmen dienende Servitut; oder die Mietrechte, Gewerbeberechtigungen, Patente oder Urheberrechte eines Unternehmens, das als organisierte Erwerbsgelegenheit eine Gesamtsache iSd § 302 ABGB ist → Gesamtsachen – Auch dafür gelten die „3 Kriterien”.
Wie selbständige Bestandteile ist auch Zubehör sonderrechtsfähig; es teilt nur im Zweifel das rechtliche Schicksal der Hauptsache.
Rechtsfolge und Bedeutung von Zubehör
Wie ist zu entscheiden, wenn ein Lieferant eine Sache unter Eigentumsvorbehalt liefert, die (wirtschaftlich) zum fortdauernden Gebrauch der Hauptsache dient?; zB ein Möbelhaus oder Möbeltischler liefern eine komplette Caféhaus- oder Hotel(zimmer)einrichtung? Haftet hier die Hotel- oder Gasthofeinrichtung auch den Hypothekargläubigern der Liegenschaft? Oder kann der Möbelhändler / -tischler, der auf Kredit verkauft, einen Eigentumsvorbehalt (an der gelieferten Ware) gültig begründen und später (allenfalls) auch geltend machen, selbst wenn die Liegenschaft vorher (schon) hypothekarisch belastet war?
„Zubehör” als (eigene) Kreditgrundlage?
In einem derartigen Fall entsteht – wie wir sehen werden – keine Zubehöreigenschaft an der Hotel- oder Gasthof­einrichtung, vorausgesetzt es wird ein Eigentumsvorbehalt begründet. Es mangelt am Vorliegen der „3 Zubehörs-Kriterien”! Hier fehlt die Eigentümeridentität.
Der OGH hat die ursprüngliche Streitfrage in SZ 20/98 (1938) zugunsten der Vorbehaltseigentümer entschieden: „Bewegliche Sachen, die nicht dem Eigentümer der Liegenschaft gehören, mit welcher sie nach dem äußeren Tatbestand in jener dauernden Verbindung stehn, in der Hilfssachen zur Hauptsache zu stehn pflegen, sind ... nicht Liegenschaftszugehör und gelten auch gegenüber Erwerbern eines dinglichen Rechtes an der Liegenschaft [insbesondere Hypothekargläubigern!] nicht als Liegenschaftszugehör.”
Auch in dieser E des OGH ging es um Hotelmobiliar. Dieses Verständnis kommt kreditierenden Mobiliargläubigern – in unserem Beispiel dem Möbeltischler – entgegen und sichert diese gegenüber allfälligen Hypothekargläubigern ab. Diese Meinung stärkt (!) die Kreditbasis von Hoteliers, Gasthaus- oder Kaffeehausbesitzern etc, weil auch geliefertes Mobiliar – und nicht nur die Liegenschaft! – zu einer weiteren von der Liegenschaft unabhängigen Kreditgrundlage wird.
Hotelmobiliar
Konsequent ist das eigentlich nicht, aber wirtschaftlich sinnvoll. – Nicht zu übersehen ist allerdings, dass diese Rechtslage Unternehmen zu einer Überschuldung verleiten kann, was die marode österreichische Tourismusbranche bestätigt.
Bei Überschuldung, dh Überspannung des Kredits kommt es uU zur Kollision zwischen Liegenschafts- / Hypothekar- und Fahrniskredit. Der Hotelier hat in unserem Beispiel – zeitlich früher – seinen Hotelbau mit Krediten finanziert und die Bank/en haben sich dafür Hypotheken einräumen lassen; Liegenschafts- oder Immobiliarkredit. Aber auch die Hotelausstattung hat der Hotelier nicht bar bezahlt, sondern Kreditkäufe oder Werkverträge auf Kredit getätigt, die seitens der Lieferanten – so weit wie möglich – durch Eigentumsvorbehalte abgesichert wurden; Fahrnis oder Mobiliarkredit.
Zunächst ist festzuhalten, dass eine Hypothek als Pfandrecht an einer Liegenschaft auch das Liegenschaftszubehör mitumfasst; § 457 ABGB. Liegenschaftszubehör haftet demnach grundsätzlich nicht selbständig (als Fahrnis), sondern mit der Liegenschaft, als deren Teil; § 293 ABGB. Es teilt das rechtliche Schicksal der Hauptsache. Liegenschaftszubehör kann daher nur mit der Hauptsache – also dem Bauernhof oder dem Installateurunternehmen – gemeinsam pfandmäßig verwertet werden. Die Verwertung verpfändeter Liegenschaften erfolgt nach der EO, also im Regelfall durch Zwangsversteigerung.
Pfändung von Liegenschaftszubehör?
Zur Zwangsversteigerung kann es nicht nur auf Betreiben eines Hypothekargläubigers kommen, sondern auch durch andere, hypothekarisch nicht gesicherte Gläubiger des Pfandschuldners. Der Pfandschuldner haftet all seinen Gläubigern gegenüber mit seinem ganzen Vermögen. Die EO sieht aber für beide Gläubigertypen ein einheitliches Verwertungsverfahren vor. Die Rechtsstellung eines Hypothekargläubigers ist aber wesentlich günstiger / stärker; ihm steht ein bevorzugtes Befriedigungsrecht an der verfangenen Sache zu: sog Absonderungsrecht.
§ 252 EO: Pfändung von Zubehör
(1) Das auf einer Liegenschaft befindliche Zubehör derselben darf nur mit dieser Liegenschaft selbst in Exekution gezogen werden.
(2) Auf Bergwerkszubehör und Zubehör von Schiffen und Flößen findet eine abgesonderte Exekution nicht statt.
Zur Unterscheidung von Ver-Pfändung und Pfändung → KAPITEL 15: Begründung und Erwerb des Pfandrechts.


Zubehör (1)
Abbildung 8.59:
Zubehör (1)


Zubehör (2)
Abbildung 8.60:
Zubehör (2)


Zubehör (3)
Abbildung 8.61:
Zubehör (3)
Die Verpfändung einer Liegenschaft umfasst nach § 457 ABGB auch das Zubehör – und nach § 252 EO ist eine abgesonderte eigene Exekution auf Liegenschaftszubehör unstatthaft; dh: (Dritt)Gläubiger können den Traktor des Bauern oder den Lkw des Unternehmers nur zusammen mit der Liegenschaft / dem Unternehmer als Gesamtsache in Exekution ziehen.
Verpfändung einer Liegenschaft
Davon zu unterscheiden ist die Lieferung derartiger Fahrzeuge unter Eigentumsvorbehalt, die (mangels Eigentümeridentität) ein Entstehen der Zubehörseigenschaft von vornherein ebenso ausschließt wie den exekutiven Zugriff Dritter; zB Exszindierungsmöglichkeit des Vorbehaltseigentümers! Dazu → Schutz der Verkäuferinteressen
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11. § 297a ABGB – Der „Maschinenparagraph”
Auch hier geht es um eine Sachverbindung und die Frage, ob eine Maschine Zugehör der Liegenschaft wird oder nicht. –§ 297a ABGB stellt eine Art Spezialbestimmung für den Eigentumsvorbehalt an Maschinen dar. Werden seine Regeln nicht eingehalten, wirkt ein normaler Eigentumsvorbehalt gegenüber Hypothekargläubigern nicht, anderen Gläubigern gegenüber dagegen schon.
Beispiel
§ 297a ABGB verwirklicht das Sachenrechtsprinzip „Publizität”. Die Pflicht zur Verbücherung (Anmerkung im Grundbuch) dient vornehmlich dem Gläubigerschutz; erneut geht es um die Abgrenzung der Interessen von Mobiliar- und Hypothekargläubigern → Neuere Einteilung des Zugehörs
Publizität
Von der Rspr als Maschinen anerkannt wurden Generatoren, Dieselmotoren, Notstromaggregate (samt Dieselmotor), eine Exzenterpresse, eine Kühlanlage oder ein Kegelstellautomat einer vollautomatischen Kegelbahn. – Nicht als Maschine iS unserer Bestimmung angesehen wurden zB ein gewöhnlicher Kessel einer Zentralheizungsanlage. – Unter Maschinen werden von der Rspr vornehmlich Produktionsmaschinen verstanden. Nicht unter unsere Bestimmung fallen zB vom Mieter / Pächter für die Dauer der Miete / Pacht aufgestellte Maschinen. Sie werden – wie wir gehört haben – Zubehör des Unternehmens, nicht der Liegenschaft. – § 297a ABGB ist auch nicht auf Maschinen anwendbar, die (unselbständiger) Bestandteil der Liegenschaft geworden sind, wie zB der (völlig) eingemauerte Backofen eines Bäckers.
Maschinen
Literaturquelle


”Maschinenparagraf”: Skizze
Abbildung 8.62:
”Maschinenparagraf”: Skizze


Der „Maschinenparagraf” (1)
Abbildung 8.63:
Der „Maschinenparagraf” (1)


Der „Maschinenparagraf” (2)
Abbildung 8.64:
Der „Maschinenparagraf” (2)
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12. Gesamtsachen
Eine weitere Art der Sachverbindung ist die Gesamtsache; römisches Recht: universitas rerum.
§ 302 ABGB
Ein Inbegriff von mehreren besonderen Sachen, die als eine Sache angesehen, und mit einem gemeinschaftlichen Namen bezeichnet zu werden pflegen, macht eine Gesamtsacheaus, und wird als ein Ganzes betrachtet.
Beispiel
Gesamtsachen können Gegenstand eines einheitlichen Kaufvertrags sein und nach § 427 ABGB symbolisch, also vereinfacht, durch Zeichen übergeben werden; zB ein Warenlager durch Warenlisten, eine Bibliothek durch Übergabe der Kartei / EDV-Verzeichnis, Register etc. Zum Sonderfall des Unternehmens gleich unten. – An einer Gesamtsache kann auch ein Eigentumsvorbehalt (oder ein Pfandrecht) gültig begründet werden, nur müssen die Publizitätserfordernisse eingehalten werden; zB Bestellung eines Pfandhalters.
Bedeutung und Rechtsfolge


Gesamtsache – universitas rerum
Abbildung 8.65:
Gesamtsache – universitas rerum
Der Begriff Unternehmen meint im Privatrecht eine organisatorische Einheit aus Sachen, Rechten, Know How, Chancen und sonstigen Werten, durch die ein Unternehmer (= natürliche oder juristische Person) wirtschaftliche oder ideelle Ziele verfolgt. Kurz: Es handelt sich um eine organisierte Erwerbsgelegenheit. Unternehmen bestehen aus einem oder mehreren Betrieben.
Das Unternehmen
Das Unternehmen ist auch Anknüpfungspunkt für unterschiedliche Rechtsfolgen; zB im bürgerlichen (§§ 1409 f ABGB: Haftung bei Übernahme / Übertragung) oder Handelsrecht (§§ 17 ff HGB: Firma, insbesondere §§ 22 ff HGB: Firmenfortführung) oder im Gesellschafts?, Steuer- oder Gewerberecht. Das Unternehmen kann auch (selbst) Konzessionsträger sein.
Anknüpfungspunkt
Titel und Modus beim Unternehmenserwerb: Das Unternehmen als Gesamtsache kann zwar als Ganzes Gegenstand eines einheitlichen Titelgeschäfts (zB eines Kaufvertrags) sein. In Bezug auf den Modus, die Übergabe (und damit den Eigentumserwerb) ist jedoch – aus Gründen der Publizität – eher umständlich zu unterscheiden; vgl SZ 64/127 (1991): Unternehmen bestehen – wie wir gehört haben – häufig aus Liegenschaften, beweglichen Sachen (Einrichtungen, Fuhrpark, Warenlager etc die jedoch idR Zubehör sind), der (internen) Unternehmens­organisation (Produktion, Vertrieb, Werbung – sog Unternehmens-Know How), Rechten (zB Urheber- oder Patentrechten, insbesondere „offenen” Forderungen, sog Außenständen) und Pflichten (Schulden), und sie haben auch Personal. – Der Rechtsübergang, die Übereignung / Modus der einzelnen Unternehmensbestandteile erfolgt getrennt. Das einheitliche Titelgeschäft (idR: Kauf) kennt also keine Entsprechung im Bereich des Modus:
Titel und Modus beim Unternehmenserwerb
Bewegliche Sachen sind daher grundsätzlich nach den §§ 426 ff ABGB zu übergeben (praktisch bleibt aber auch die Übergabe durch Erklärung nach § 428 ABGB!);
unbewegliche Sachen / Liegenschaften müssen für den Eigentumserwerb verbüchert (§ 431 ABGB);
Forderungen zediert (§ 1392 ABGB);
Schulden mit Einverständnis des Gläubigers vom Erwerber übernommen;
• bestehende Arbeits- oder Mietverhältnisse (vgl § 12a MRG oder Betriebsübergang nach dem AVRAG 1993) durch Vertragsübernahme (→ KAPITEL 14: Die Vertragsübernahme) übergeleitet werden.
Die §§ 1409 f ABGB sehen eine eigene Haftung für die Übernahme eines Unternehmens vor → KAPITEL 14: Vermögens- oder Unternehmensübernahme.
Und dennoch können – fast – alle diese (Modus)Fragen doch wiederum einheitlich im Unternehmens-”Kaufvertrag” geregelt werden! Denn der Eigentumsübergang an den beweglichen Sachen kann auch durch Erklärung – § 428 ABGB – erfolgen und die Zession bedarf bloß der Vereinbarung von Gläubiger und Schuldner; das Einverständnis des Gläubigers für die Schuldübernahme kann im Voraus eingeholt werden und auch die Vertragsübernahme kann im Übernahmsvertrag geregelt werden. Daran zeigt sich, dass der als Kaufvertrag bezeichnete Unternehmens-Übernahmsvertrag oft mehr ist, als bloßes Titelgeschäft. Er enthält oft auch Modusteile; modale Verfügungen. – In Bezug auf Liegenschaften wird aber am Eintragungsprinzip (§ 431 ABGB) festgehalten, Eigentum also nur durch Eintragung ins Grundbuch erworben. Besitz und Gefahr lässt man jedoch auch für Liegenschaften – in Analogie zu § 428 ABGB – durch Erklärung übergehen, wovon in der Vertragspraxis häufig Gebrauch gemacht wird.
Beispiel
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E. Dienstbarkeiten und Reallasten
I. Die Servituten
1. Der Servitutsbegriff
TypenvielfaltDie Servituten bilden mit dem Eigentum und dem Pfandrecht den Kernbereich der dinglichen Rechte. – Gemeinsam mit dem Pfandrecht gehören sie zu den beschränkten dinglichen Sachenrechten. Die Servituten weisen eine enorme (innere) Typenvielfalt auf. Ihre Zahl ist von vornherein nicht begrenzt, vielmehr besteht die Möglichkeit von Neubildungen, wenn nur die für sie geltenden Grundsätze (→ Prinzipien des Servitutenrechts) eingehalten werden; vgl etwa die Formulierung des § 476 ABGB: „ ... Dergleichen sind: ...” Es sollten daher, ausgehend vom Typenzwang des Sachenrechts, keine falschen und einengenden Schlüsse gezogen werden. – Die Rspr bleibt hier aber immer noch manches schuldig; vgl die folgende E:
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 28. 11. 2000, 5 Ob 291/00f, EvBl 2001/90: Der Eigentümer der Liegenschaft räumte einem Dritten ein Baurecht ein. Der Bauberechtigte verpflichtete sich im Baurechtsvertrag, das Gebäude nur zeitlich befristet (bis zum Ende des Baurechts) zu vermieten: Diese Unterlassungsverpflichtung will der Eigentümer als Dienstbarkeit verbüchern. – Der OGH lehnte dies ab, weil sich die fallbezogene Einschränkung des Vermietungsrechts nicht mit dem in § 473 ABGB definierten Inhalt einer Grunddienstbarkeit vereinbaren lasse; es fehle das Tatbestandsmerkmal einer bequemeren oder wenigstens vorteilhafteren Benützung eines Grundstücks (?). Der Bauberechtigte kann danach eine dem Mieter vertraglich auferlegte Einschränkung seines Rechts nur durch eine Vertragsstrafe oder durch eine Klage auf Vertragszuhaltung sichern. Das ist nicht nur kleinlich gedacht, sondern auch falsch, weil die Rechtsänderung durch das BauRG zu wenig berücksichtigt wird.
Die Brauchbarkeit und Aktualität von Servituten betrifft ländliche und städtische Bereiche ebenso wie industriell-gewerbliche und private Interessen.
Die §§ 472-530 ABGB handeln von den Servituten. § 472 ABGB definiert den Begriff der Dienstbarkeit:
Dienstbarkeitsbegriff
„Durch das Recht der Dienstbarkeit wird ein Eigentümer verbunden, zum Vorteile eines andern in Rücksicht seiner Sache etwas zu dulden oder zu unterlassen. Es ist ein dingliches, gegen jeden Besitzer der dienstbaren Sache wirksames Recht.”


Servituten: §§ 472 – 529 ABGB – Übersicht
Abbildung 8.66:
Servituten: §§ 472 – 529 ABGB – Übersicht
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2. Funktion der Servituten
Dienstbarkeiten sind Privatrechte, aber sie sind dingliche und nicht nur Forderungsrechte. Obwohl die Anzahl dinglicher Rechte gesetzlich beschränkt ist (Typenzwang des Sachenrechts), lässt die gesetzliche Ausformung der Servituten weiten Spielraum für Neuschöpfungen; typeninterne Diversifikation.
Funktional dienen:
• die Grunddienstbarkeiten der Ergänzung des Liegenschaftseigentums;
• bei Personalservituten steht dagegen die Versorgung von Angehörigen häufig im Vordergrund; etwa: Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts für die Mutter nach dem Tod des Vaters, bei gleichzeitigem Erbschaftserwerb der Liegenschaft durch die Kinder. – Dazu kommt: Was Miete, Pacht oder Leihe als Nutzungsrechte im Bereich des Schuldrechts bewirken, nämlich die Nutzung beweglicher oder unbeweglicher Sachen durch andere als den Eigentümer, erreichen die Servituten als dingliche Rechte; und das heißt: wesentlich sicherer (als Schuldrechte), da ihr Rechtsschutz mit Drittwirkung / absoluter Wirkung ausgestattet ist. Vgl auch → Dingliche Wirkung nur bei Verbücherung
Zur Mittelstellung der Immaterialgüterrechte zwischen Schuld- und Sachenrecht → KAPITEL 1: Absolute und relative Rechte.


Grunddienstbarkeiten (1)
Abbildung 8.67:
Grunddienstbarkeiten (1)


Grunddienstbarkeiten (2)
Abbildung 8.68:
Grunddienstbarkeiten (2)
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3. Beispiele für Servituten
Die Servituten sind altes Rechtsgut. Das ABGB stützt sich bei ihrer Regelung stark auf das römische Recht. – Servituten spielen eine wichtige praktische Rolle, wenngleich sie häufig Anlass für Streit sind → Praktische Bedeutung.
Rechtssprechungsbeispiel
Grundsätzlich muss jede Servitut zum Vorteil eines anderen – als des Eigentümers – oder mehrerer anderer Personen dienen; aber auch die Servitutsberechtigung von „Jedermann” ist nicht ausgeschlossen; SZ 60/216 (1987).
Gegenstand einer Grunddienstbarkeit kann auch eine Waldabstockung gegen jährliches Entgelt sein; GlUNF 5770 (1912).
Oder eine freiwillige vertragliche Einschränkung des Abwehranspruchs nach den §§ 364 ff ABGB (Immissionen); SZ 43/117 (1970).
Auch ein Verzicht auf andere Nachbarrechte ist möglich; MietSlg 31.042 (1979).
Die Verpflichtung, mit Lärm, Gerüchen oder Dünsten verbundene Gewerbebetriebe zu unterlassen kann als Servitut begründet werden; SZ 45/26 (1972).
Das gilt auch für die Verpflichtung, derartige, von einem Gasthausbetrieb auf einer Nachbarliegenschaft ausgehende Emissionen zu dulden; NZ 1991, 203.
Oder eine sog Cottageservitut (dh Unterlassung einer das städtebaulichen Bild einer Anlage störenden Bauführung); RZ 1967, 69.
Recht der Dienstbarkeit an einer Quelle Wäsche zu waschen; ZBl 1932/77.
Das Recht, von einem an ein Privatgewässer (See) grenzenden Grundstück aus in diesem Gewässer zu baden; SZ 37/113 (1964).
Auch an öffentlichem Gut – etwa Gemeindewegen – kann eine private Dienstbarkeit bestehen, soweit dadurch der Gemeingebrauch nicht verhindert wird; SZ 13/185 (1931).
Rechtssprechungsbeispiel
Keine Dienstbarkeit iSd § 472 ABGB ist ...:
... eine Verbindlichkeit, die nicht zum Vorteil einer bestimmten Person oder Realität dient (Erhaltung eines Bethauses oder eine Gedenktafel); GlU 11.343 (1885).
... ein Benützungsrecht mit Betriebspflicht; GlUNF 7076 (1914).
... die Verpflichtung, Bier oder Branntwein nur von einem bestimmten Unternehmer zu beziehen (Bezugspflicht); PlssB 25.2.1896 JB 133 = GlU 15.724.
... der Verpflichtung des Liegenschaftseigentümers zum ausschließlichen Warenbezug beim Eigentümer einer anderen Liegenschaft (das ist auch keine Reallast); ZBl 1930/319 = SZ 12/179.
... der Verpflichtung zum Nichtbetrieb eines Kaufmannsgeschäfts auf einer bestimmten Liegenschaft zu Gunsten der Eigentümer anderer Liegenschaften; SZ 28/27 (1955) und SZ 45/26 (1972).
... das Vereinbaren von Wettbewerbsbeschränkungen betreffend die auf der Liegenschaft entfaltete wirtschaftliche Tätigkeit; RdW 1992, 270.


Beispiel einer Grunddienstbarkeit
Abbildung 8.69:
Beispiel einer Grunddienstbarkeit
Beispiel
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4. Rechtserwerb: § 380 ABGB
Der Erwerb dinglicher Rechte und damit auch der von Servituten folgt der Lehre von Titel und Modus; § 380 ABGB → KAPITEL 2: Die Lehre von Titel und Modus. Dh auch Servituten entstehen rechtsgrundabhängig und benötigen neben einem gültigen Titel eines entsprechenden Modus; vgl § 480 ABGB (Titel zur Erwerbung) und § 481 ABGB (Erwerbungsart). – Als Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit nennt § 480 ABGB: Vertrag, Testament, Ersitzung oder ein Teilungsurteil. Und § 481 Abs 1 ABGB bestimmt als Moduserfordernis:
Titel und Modus
„Das dingliche Recht der Dienstbarkeit kann an Gegenständen, die in die öffentlichen Bücher eingetragen sind, nur durch die Eintragung in diese erworben werden.”
Die Einverleibung erfolgt im C-Blatt des dienenden Grundstücks → KAPITEL 2: Aufbau des Grundbuchs.
Einverleibung
Praktisch bedeutsam sind Servituten an Liegenschaften / unbeweglichen Sachen. Möglich wäre aber auch die Begründung einer Servitut an einer beweglichen Sache. – Der Servitutserwerb durch Ersitzung ist von praktischer Bedeutung → KAPITEL 13: ¿Was¿ kann ersessen werden?. Dabei spielen immer wieder Fragen des Rechtswegs eine Rolle → KAPITEL 1: Zur Bedeutung der Unterscheidung.
Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung einer Dienstbarkeit ergibt sich aus dem Titel(geschäft); das ist idR der Dienstbarkeitsvertrag, der entgeltlich wie unentgeltlich geschlossen werden kann. – Es gibt allerdings seit Alters her (Griechenland) auch Legalservituten und bei ihnen ist das Gesetz der (den Inhalt bestimmende) Titel; zB Duldung elektrischer Leitungsanlagen nach dem StarkstromwegeG. Wie erwähnt kann auch ein Teilungsurteil Titel einer Servitutsbegründung sein.
Inhaltliche Ausgestaltung
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 44/110 (1971): Interessengegensätze hinsichtlich der Ausübung einer Dienstbarkeit, die sich aus der Teilung des herrschenden Gutes ergeben, sind vom Gericht im Verfahren außer Streitsachen nach § 848a ABGB zu regeln.
Die auf die Entstehung / Begründung folgende sachenrechtliche Nutzung einer Servitut ist jedoch vom – entstehungsmäßig vorgelagerten – Schuldrecht unabhängig, was bei Gschnitzer (Sachenrecht 157, 19852) anschaulich beschrieben wird:
Sachenrechtliche Nutzung
„Ist das Sachenrecht aber einmal entstanden [das bedeutet für Servituten grundsätzlich ihre Intabulation!], ruht es in sich selber, daher wird es nicht verwirkt, wenn es missbräuchlich ausgeübt wird. Eine Dienstbarkeit kann [grundsätzlich auch] nicht gekündigt werden.”
Zur Beendigung und zum Erlöschen von Servituten vgl. → Beendigung von Servituten und → Erlöschen von Dienstbarkeiten
In Tirol und Vorarlberg bestand für ersessene Felddienstbarkeiten (Weg- oder Wasserleitungsrechte, Holzriesen) keine Verbücherungspflicht, ja in Vorarlberg ein Verbücherungsverbot; § 72 AGAG. – In Tirol besteht diese Rechtsunsicherheit weiter, während sie für Vorarlberg durch das 1. BRBG ausgeräumt wurde.
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5. Prinzipien des Servitutenrechts
• Servituten sind nicht auf positives Tun gerichtet, sondern verlangen ein Dulden oder Unterlassen; §§ 472 und 482 ABGB. – Servitus in faciendo consistere nequit: römisches Recht; anders die Reallast, die eine Verpflichtung zu einem Tun oder Handeln beinhaltet → Reallasten
Dulden oder Unterlassen
• Servituten sind möglichst schonend und einschränkend auszuüben: servitus civiliter exercenda; § 484 ABGB. Es darf zu keiner eigenmächtigen Erweiterung der Servitut ( → Erweiterung von Dienstbarkeiten?) kommen; § 484 ABGB.
Schonend auszuüben
• Die Instandhaltung von Servituten obliegt idR dem (Servituts)Berechtigten; § 483 ABGB. – Bei Mitbenützung durch den Eigentümer sieht das Gesetz aber dessen Kostenbeteiligung vor. Besondere Kostentragungsregeln treffen die §§ 487 und 508 ABGB für den Gebrauch und § 513 ABGB für den Fruchtgenuss. Regelungen im Titelgeschäft erscheinen ratsam.
Instandhaltung von Servituten
• Grunddienstbarkeiten können nur mit dem Eigentum am Grundstück – nicht gesondert davon – übertragen werden; § 485 ABGB.
Übertragbarkeit nur mit dem Grundstück
• Die Servitut bleibt auch nach einer allfälligen Liegenschaftsteilung an den geteilten neuen Grundstücken bestehen, wenn dies für ihre Ausübung nötig ist. Ein Grundstück kann aber mehrerein Personen zugleich dienstbar sein; § 486 ABGB.
Unteilbarkeit
Zur Teilung und Abschreibung von Grundbuchskörpern → KAPITEL 2: Ab- und Zuschreibung und → KAPITEL 2: Teilung von GB-Körpern.
• Das Kriterium der Nützlichkeit von Servituten (§ 473) kommt aus dem römischen Recht, das von praedio utilis sprach. – Grunddienstbarkeiten dienen der besseren Nutzung des Nachbargrundstücks; eine Personalservitut der Person, der sie zusteht.
Nützlichkeit
• Die Servitut ist ein Recht an fremder Sache. Das römische Recht formuliert: nulli res sua servit – Niemandem dient seine eigene Sache; § 526 Satz 1 ABGB. Daher erlischt eine Dienstbarkeit durch Vereinigung, nicht aber bei Verbücherung: Eigentümerdienstbarkeit als Recht an eigener Sache! Vgl damit § 469 ABGB: Pfandrecht. Dazu mehr → KAPITEL 15: Das Pfandrecht als Recht an fremder Sache.
Recht an fremder Sache
• Dienstbarkeiten können entgeltlich oder unentgeltlich eingeräumt werden. Regelungsort einer allfällig vereinbarten Entgeltlichkeit ist der Dienstbarkeitsvertrag.
Entgeltlich oder unentgeltlich
• Keine Voraussetzung für eine Servitutsbegründung ist es nach der Rspr, das die (Grund)Dienstbarkeit dauernd oder auch nur periodisch ausgeübt werden kann. Eine einmalige Ausübbarkeit genügt vielmehr.
Einmalige Ausübbarkeit genügt
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 21. 11. 2000, 5 Ob 281/00k, SZ 73/175 = EvBl 2001/77: Aus einer Liegenschaft wird ein Grundstück veräußert. Die (bisherigen) Liegenschaftseigentümer verpflichten sich im Kaufvertrag gegenüber den Käufern, den Abbruch des auf dem veräußerten Grundstück befindlichen Gebäudes zu dulden. Die Antragsteller begehren , auf der Liegenschaft diese Pflicht als Dienstbarkeit einzuverleiben. – OGH: Das Recht auf Duldung des Abbruchs von Gebäuden zugunsten einer bestimmten Person ist eine einverleibungsfähige Dienstbarkeit. Das Argument des Berufungsgerichts, Servituten könnten nur begründet werden, wenn sie periodisch ausgeübt werden können, lehnt der OGH ab.


Prinzipien des Servitutsrechts (1)
Abbildung 8.70:
Prinzipien des Servitutsrechts (1)


Prinzipien des Servitutsrechts (2)
Abbildung 8.71:
Prinzipien des Servitutsrechts (2)
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6. Praktische Bedeutung
Die praktische Bedeutung der Servituten ist groß. Eine – wenn auch nicht repräsentative – empirische Untersuchung und Aufschlüsselung der Ergebnisse privatrechtlicher Rechtsberatung in Tirol hat ergeben:
Etwa 21% aller Privatrechtsanfragen betreffen das Sachenrecht, wobei sich fast die Hälfte davon auf Servitutenprobleme bezog. (Andere wichtige sachenrechtliche Anfragen betrafen: Ersitzung, Besitzstörung und Grundbuchseintragung.) Übertroffen wurde das Sachenrecht nur vom Erbrecht, das etwa 25% aller Anfragen ausmachte; über 95% fragten dabei nach gültiger Testamentserrichtung. Der drittgrößte Anfragenbereich betraf das Familienrecht (ca 13%), wobei im Vordergrund die rechtlichen Folgen von Scheidungen und Unterhaltsleistungen waren. Etwa 11% betrafen das Vertragsrecht, etwa gleich viel machten Fragen des Wohnrechts aus.
Rechtstatsächliches
Servituten führen immer wieder zu nachbarschaftlichem Streit, wie das folgende Beispiel veranschaulichen mag: „Linz – Ein jahrelanger Nachbarschaftsstreit endete Dienstag früh in Oberösterreich mit tödlichen Schüssen: Ein 54jähriger Mann feuerte mit einer Schrotflinte auf seinen 57jährigen Kontrahenten. Dieser wurde so schwer verletzt, dass er kurze Zeit später starb. Der Todesschütze wurde festgenommen. – Hintergrund der Tragödie ist ein seit Jahren schwelender Streit um ein Wegerecht. Die Besitzer der benachbarten Grundstücke ... waren sich deswegen immer wieder in den Haaren gelegen; zunächst nur verbal. Die Männer hatten auch schon die Justiz eingeschaltet. Am Freitag der Vorwoche gab es deshalb einen Lokalaugenschein. – Dienstag kurz vor sieben Uhr sei dann sein Nachbar erneut an der Grundstücksgrenze gestanden, berichtete der Todesschütze der Gendarmerie: ‚Er hat hämisch gegrinst, da bin ich ausgerastet.‘ Der 54jährige Landesbedienstete holte eine Schrotflinte, richtete sie gegen seinen Grundstücksnachbarn und drückte ab.” (Der Standard, 22.4.1998, S. 10) – Mediationsmöglichkeiten in diesem Bereich sind sinnvoll; vgl die Ausführungen zum Nachbarrechts-ÄnerungsG → Zum Nachbarrecht
Nachbarschaftsstreit
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7. Erweiterung von Dienstbarkeiten?
Eben wurde ausgeführt, dass die inhaltlich-konkrete Ausgestaltung von Servituten im Servitutsvertrag erfolgt. Obwohl oft umfängliche Regelungen getroffen werden, taucht in der Praxis immer wieder die Frage einer allfälligen Servitutserweiterung auf; Schulfall: Darf ein vertraglich zugesagtes Befahren eines Weges mit Pferdefuhrwerken auch mit einem Traktor oder Lkw erfolgen? – Die Grundregel des § 484 ABGB lautet:
„Der Besitzer des herrschenden Gutes kann zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben; doch dürfen Servituten nicht erweitert, sie müssen vielmehr, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden.”
Rechtssprechungsbeispiel
Nur eine die Belastung des dienenden Guts erheblich erschwerende Änderung der Benützungsart des herrschenden Guts stellt eine unzulässige Erweiterung dar; SZ 52/99 (1979): Landwirtschaftliches Fahrtrecht umfasst auch Fuhren zur Erhaltung oder Neuafführung von Gebäuden bei gleichbleibender Widmung.
Unzulässig ist die Erweiterung der Dienstbarkeit des Fahrwegs über ein unbebautes Feld auf das Befahren in angebautem Zustand; GlUNF 6305 (1913).
... oder wenn die Beschaffenheit des Wegs (etwa dessen Breite oder Befestigung) geändert werden muss, um seine Benützung durch Fahrzeuge zu ermöglichen; SZ 55/125 (1982): Eigenmächtige Verbreiterung eines Fahrweges.
... oder zu einem ursprünglich bloß als Einfamilienhaus geplanten Gebäude bei Hinzukommen einer Fremdenzimmervermietung, es sei denn, dass dadurch keine erhebliche Mehrbelastung für das dienende Grundstück entsteht; MietSlg 32.033 (1980).
Unzulässige Servitutserweiterung durch Schaffen einer neuen Betriebseinrichtung, wenn bisher nur ein landwirtschaftlicher Betrieb bestand und nunmehr eine Gastwirtschaft hinzukommt; SZ 5/216 (1923). Oder durch eine Jausenstation nach Errichtung eines Wohnhauses; MietSlg 29.064 (1923).
Rechtssprechungsbeispiel
Keine unzulässige Erweiterung einer bestehenden Servitut liegt vor:
…der Schiabfahrt liegt allein in der Steigerung der Anzahl der Schifahrer; SZ 50/53 (1977). Aus heutiger Sicht nimmt sich das schon anders aus!
... oder bei der Dienstbarkeit des Gehrechts über einen zur Förderung des Fremdenverkehrs errichteten Promenadenweg durch die wegen zunehmenden Fremdenverkehrs intensivere Benützung des Wegs; EvBl 1978/1.
... durch Schneeräumung des Fahrwegs auf die der fortgeschrittenen technischen Entwicklung entsprechende Art; MietSlg 32.034 (1980).
Durch Umstellung von Pferdefuhrwerken auf Lastkraftwagen oder Traktor oder bei Durchführung von Wirtschaftsfuhren durch fremde Personen; SZ 42/10 (1969).
... wie überhaupt durch jegliche Anpassung der für den Geschäftsbetrieb auf dem herrschenden Grund verwendeten Fahrzeuge an die technische Entwicklung (EvBl 1969/118), sofern dadurch keine unzumutbare Mehrbelastung des dienenden Guts eintritt; MietSlg 33.041 (1981).


Erweiterung der Dienstbarkeit? (1)
Abbildung 8.72:
Erweiterung der Dienstbarkeit? (1)


Erweiterung der Dienstbarkeit? (2)
Abbildung 8.73:
Erweiterung der Dienstbarkeit? (2)


Erweiterung der Dienstbarkeit? (3)
Abbildung 8.74:
Erweiterung der Dienstbarkeit? (3)


Erweiterung der Dienstbarkeit? (4)
Abbildung 8.75:
Erweiterung der Dienstbarkeit? (4)
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8. Persönliche Dienstbarkeiten
Neben den Grund dienstbarkeiten kennt das ABGB auch persönliche Dienstbarkeiten; §§ 504 ff. Bei ihnen ist eine bestimmte Person Träger des Servitutsrechts und nicht wie bei den Grunddienstbarkeiten der/die jeweilige Eigentümer/in des herrschenden Grundstücks. Persönliche Dienstbarkeiten sind nicht übertragbar, sondern erlöschen mit dem Tod ihres Trägers. – Grunddienstbarkeiten dagegen gehen bei Veräußerung der berechtigten und belasteten Liegenschaft auf den/die Erwerber über, denn sie haften als dingliche Rechte „an der Sache” (!), also an der jeweiligen Liegenschaft.
Auch die Inhalte von „Grunddienstbarkeiten” – etwa Geh-, Fahr- oder Leitungsrechte – können als Personalservituten begründet werden; zB alte Frau erhält von freundlichem Nachbar ein Gehrecht (zur Wegabkürzung).
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 15. 5. 2001, 5 Ob 95/01h, JBl 2002, 107: Unternehmen erwirbt Personalservitut, obwohl zugunsten des Unternehmensgrundstücks bereits eine Grunddienstbarkeit besteht, um auch im Falle einer Unternehmensveräußerung Zugang zu benötigten Teilen des veräußerten Grundstücks zu haben. Dass eine inhaltsgleiche Grunddienstbarkeit besteht oder beantragt wird, hindert nicht die Eintragung einer persönlichen Dienstbarkeit, die dem Antragsteller die entsprechende Rechtsposition auch für den Fall späterer Veräußerung des herrschenden Grundstücks wahren soll. Hier ua Duldung von Versorgungsleitungen, Recht des Zugangs und der Zufahrt zu diesen Energie- und Entsorgungskanälen, Recht des Gehens und Fahrens. Insofern fehlt es der Personalservitut nicht am Utilitätserfordernis.
Beim Fruchtgenuss handelt es sich um das einer Person zugeordnete dingliche Recht, eine fremde Sache mit Schonung, also Wahrung der Substanz (römisches Recht: salva rerum substantia), wenngleich sonst „ohne alle Einschränkung” zu gebrauchen.
Fruchtgenuss / Ususfructus: §§ 509 ff ABGB
des FruchtgenussesObjekte des Fruchtgenusses sind alle nutzbaren und unverbrauchbaren Sachen; zB landwirtschaftliche Grundstücke, ein Mietshaus oder Geld / Kapital.
Objekte
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 7.8.2001, 1 Ob 161/01k, EvBl 2002/1: Ein Fruchtnießer an einem Mietshaus schließt mehrere Mietverträge. Nach seinem Tod will der Erbe einen dieser Mietverträge wegen laesio enormis (§ 934 ABGB) anfechten. – OGH: Für den Ausschluss der Anfechtung wegen laesio enormis genügt es nicht, dass dem Vermieter bewusst ist, einen wesentlich geringeren als den tatsächlich erzielbaren Mietzins zu verlangen, vielmehr könnte nur die positive Kenntnis des Verkürzten vom wahren Wert die Anfechtung wegen laesio enormis ausschließen. (§ 1487 ABGB ist zu beachten.)
Der Fruchtnießer kann eine natürliche oder juristische Person sein, zB auch eine Gemeinde. Der Zweck des Ususfructus liegt meist in persönlicher Versorgung; zB auf Lebenszeit. – Nur die Ausübung, nicht das Recht selbst, ist übertragbar.
Natürliche oder juristische Person
Gegenstand des Fruchtgenusses sind natürliche und sog Zivilfrüchte. Natürliche Früchte sind bspw Feld- oder Baumfrüchte oder Schotter; Zivilfrüchte: Zinsen, Tantiemen oder Mieteinnahmen.
Allfällige Lasten trägt der Fruchtnießer; zB Instandhaltungskosten oder anfallende Gebühren und Steuern.
Lastentragung
Das Gebrauchsrecht an einer Sache „bloß zu seinem [persönlichen!] Bedürfnisse” regeln die §§ 504-507 ABGB.
Gebrauchsrecht / Usus
Rechtssprechungsbeispiel
Eine Garagenbenützung kann eine Dienstbarkeit des Gebrauchs sein; SZ 48/78 (1975). In derselben E wird ausgeführt, dass der Vertrag über die Dienstbarkeit des Gebrauchs eines Grundstücks nicht das bücherliche Eigentum des das Gebrauchsrecht Einräumenden zur Voraussetzung hat.
Nach einzelnen Grundverkehrsgesetzen bedarf auch die Einräumung des Gebrauchsrechts an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken durch Rechtsgeschäft unter Lebenden der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde.
Literaturquelle
Die Dienstbarkeit der Wohnung ist ein Unterfall des Gebrauchsrechts. Wie beim Gebrauchsrecht besteht eine enge Begrenzung auf persönliche Bedürfnisse des/der jeweils Wohnberechtigten; Höchstpersönlichkeit.
Wohnungsrecht / habitatio: § 521 ABGB
Zu dieser engen Fassung war es erst durch Zeiller gekommen; vgl dagegen noch Martinis wesentlich weitere und funktionalere Textierung in WGGB II 9 § 308.
Zum Ausgedinge → Das Ausgedinge
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 50/141 (1977): Die Dienstbarkeit der Wohnung wird im Zweifel als höchstpersönliche, also für die Lebensdauer des Berechtigten wirksame Befugnis eingeräumt; das gilt auch für das obligatorische Wohnungsrecht.
NZ 1998, 306: Ein dingliches Wohnrecht kann als Dienstbarkeit des Gebrauchs oder des Fruchtgenusses begründet werden.
SZ 28/68 (1955): Die Dienstbarkeit der Wohnung kann auch eine entgeltliche (gleichwohl mit dem Tod des Berechtigten erlöschende) Dienstbarkeit sein und wird durch die „Zinszahlung” nicht zur (gem § 1116a vererblichen) Miete.
EFSlg 78.360 (1995): Der Anspruch auf Verbücherung des Wohnrechts kann auch ohne dahin gerichtete ausdrückliche Vereinbarung bestehen, wenn er sich nach den Auslegungsregeln des § 914 aus dem Vertrag ergibt; dabei sind alle Umstände heranzuziehen, aus denen sich Schlüsse auf die Parteienabsicht ergeben, so auch die Entstehungsgeschichte des Vertrags.
SZ 5/230 (1923): Die Dienstbarkeit des Wohnungsrechts belastet stets den ganzen Grundbuchskörper; sie kann auf einen ideellen Teil nicht eingetragen werden. – Dies gilt für das Wohnungsgebrauchsrecht im Unterschied zum Wohnungsfruchtgenussrecht; NZ 1993, 19. Ein Miteigentümer (allein) kann daher ein Wohnungsrecht an seinem ideellen Anteil nicht einräumen; EvBl 1967/275. Die beiden Hälfteeigentümer können aber einander wechselseitig ein lebenslängliches dingliches Wohnrecht einräumen; MietSlg 31.048 (1979; LGZ Wien).
EFSlg 40.022 (1981): Verspricht jemand einem anderen, er könne zeitlebens in seinem Haus wohnen, könne dort „bleiben”, so ist dies nicht anders zu verstehen, als dass damit ein Wohnungsrecht eingeräumt werden soll. – Es ist Sache des Verpflichteten, zu behaupten und unter Beweis zu stellen, dass die Absicht der Parteien auf die Begründung eines bloß obligatorischen Rechts für den Berechtigten gerichtet war; MietSlg 35.045.
EvBl 1968/88: Dient ein solches (wenn auch nur obligatorisches) Wohnungsrecht (neben einer Geldalimentation) der Versorgung (der geschiedenen Gattin und der ehelichen Kinder des Eigentümers der dienstbaren Sache), so muss der Eigentümer die Instandhaltungskosten ohne Einschränkung (vgl §§ 508, 513) so weit tragen, wie dies zur Erreichung des Versorgungszweckes notwendig ist.
SZ 28/30 (1955): Die Dienstbarkeit der Wohnung umfasst niemals das Recht des Gebrauchs der zu einem Wohnhaus gehörigen oder mit diesem durch eine einheitliche Grundbuchseinlage verbundenen Acker- und Waldgrundstücke (dieses Gebrauchsrecht könnte Inhalt einer Fruchtnießung sein).
MietSlg 25.039 (1973): Das Wohnungsrecht kann grundsätzlich als höchstpersönliches Recht auf andere Personen nicht übertragen werden.
EFSlg 45.948 (1984): Ob der Wohnungsberechtigte befugt ist, eine dritte Person bei sich aufzunehmen, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen.
GlU 3002 (1868): Das einem Ehepaar eingeräumte Wohnungsrecht geht auf den überlebenden Teil über; dieser darf seinen zweiten Gatten (und die Kinder aus dieser Ehe) aufnehmen.
GlU 12.842 (1889): Ebenso gibt das einer verwitweten Person eingeräumte Wohnungsrecht ihr auch das Recht, ihren späteren zweiten Gatten aufzunehmen.
SZ 22/189 (1949): Auch nicht intabulierte Wohnungsberechtigte genießen petitorisch Rechtsschutz.
SZ 57/155 (1984): Ob ein Gebrauchsrecht oder eine Fruchtnießung der Wohnung vorliegt, ist eine Frage der Auslegung des Erwerbstitels.
SZ 60/86 (1987): Die Wohnungsfruchtnießung umfasst anders als das Wohnungsgebrauchsrecht das Recht, die Wohnung auch durch dritte Personen bewohnen zu lassen.


Persönliche Dienstbarkeiten
Abbildung 8.76:
Persönliche Dienstbarkeiten
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9. Dingliche Wirkung nur bei Verbücherung
Der dingliche Charakter der Servituten, dh ihre Wirkung über unmittelbare Vertragspartner hinaus (sog Drittwirkung) entsteht nur dann, wenn die Servitut verbüchert, dh ins Grundbuch eingetragen wird; vgl § 481 Abs 1 ABGB. Andernfalls wirken Servituten bloß inter partes, dh bloß zwischen den sie vereinbarenden Parteien, nicht aber – wie der folgende Fall zeigt – gerade auch im Falle ihrer „Verletzung” (hier durch den Vertragspartner, der die Liegenschaft ohne Überbürdung der Servitutsverpflichtung veräußert) gegen dritte Personen. Eine Abhilfe verschafft allenfalls der Umstand, dass fremde Forderungsrechte verletzt wurden → KAPITEL 11: Verletzung fremder Forderungsrechte. – Hier ist also kautelarjuristisch Vorsorge zu treffen.
Drittwirkung
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 7/301 (1925): Nicht verbücherte Personalservitut. Wohnrecht
Klägerin = Ursprüngliche Verkäuferin und idF Inhaberin eines nicht verbücherten lebenslangen und unentgeltlichen Wohn(ungs)rechts. Beklagter = Zunächst Käufer und idF wiederum Verkäufer des gegenständlichen Hauses. Leitsatz: Wer beim Verkauf eines Hauses das mit seinem Wissen darauf lastende, wenngleich nicht verbücherte Wohn(ungs)recht auf den Käufer nicht überträgt, dh überbürdet, haftet dem Wohnberechtigten für Ersatz.
Wird dagegen ein Wohnrecht verbüchert, ist der Wohnberechtigte nicht nur gegenüber einem allfälligen Käufer, sondern auch im Falle einer Zivilteilung gegenüber Miteigentümern geschützt. Das Wohnrecht wäre in einem solchen Fall vom Ersteher zu übernehmen; § 352 EO und § 277 Abs 2 AußStrG.
Vgl aber OGH 3. 4. 2001, 4 Ob 75/01k, JBl 2002, 106 = EvBl 2001/162: 79-jährige Mutter übergibt Haus mit Liegenschaft an zwei Töchter und lässt sich ein Wohnrecht an einer Wohnung im ersten Stock einräumen. Eine andere Tochter, die die Mutter pflegt, lässt sie bei sich wohnen. Nach 20 Jahren klagen die beiden anderen Schwestern/Miteigentümerinnen die dritte Tochter auf Räumung. – OGH: Nach der gegenwärtigen Rspr hat ein Liegenschaftseigentümer keinen Räumungsanspruch gegen einen Dritten (hier: dritte Tochter), dem der Vertragspartner des Eigentümers (hier: Mutter) die Sache überlassen durfte. OGH entscheidet iS stRspr, lässt aber offen, ob die Kritik der Lehre in Zukunft zu einer Rspr-Änderung führen wird; vgl zuletzt Spielbüchler in Rummel, ABGB I3, § 366 Rz 4. (Für Konstellationen wie diese, erscheint aber ein Beibehalten der Rspr ratsam.)
Allgemein zu dieser Frage JB 186 (1908): Solange das Erwerbungsgeschäft nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen wurde (§§ 431, 451 und 481 ABGB), gewährt der auf den Erwerb eines dinglichen Rechtes gerichtete Vertrag bloß einen Titel. – Eine vor bücherlicher Eintragung des vertragsmäßig erworbenen Rechtes gegen den bisherigen bücherlich Berechtigten auf das Buchobjekt geführte Exekution wird daher durch den späteren Bucheintrag des Erwerbers nicht berührt, mag dieser schon vor der Einleitung der Exekution den Titel zum Erwerbe erlangt haben.
JB 186 (1908)
Zur Verletzung fremder Forderungsrechte → KAPITEL 11: Verletzung fremder Forderungsrechte.
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10. Offenkundige Dienstbarkeiten
Obwohl das dingliche Recht der Dienstbarkeit nach dem Gesetz (§ 481 ABGB) nur durch Eintragung ins Grundbuch erworben werden kann, haben praktische Bedürfnisse zur Anerkennung sog offenkundiger Dienstbarkeiten geführt. Danach werden – contra legem – Servituten auch ohne Verbücherung durch Ersitzung erworben. Dadurch wird unbillige Stringenz gemildert.
Offenkundige Dienstbarkeiten sind nach hA solche, die sich bei einiger Aufmerksamkeit bei Besichtigung des dienenden Grundstücks wahrnehmen lassen; auch nur saisonal: zB Schiabfahrt, Langlaufloipe, Weide. – Offenkundige Dienstbarkeiten wirken nach Rspr und hA gegenüber dem Erwerber auch ohne im Grundbuch eingetragen zu sein.
Kriterien
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 23/86 (19..): Zum Begriff der offenkundigen oder offenbaren Dienstbarkeit.
Offenkundige Dienstbarkeiten entstehen mit dem Ablauf der Ersitzungszeit (→ KAPITEL 13: Zeitablauf: Zwei Arten der Ersitzung), die für Liegenschaften nach § 1468 ABGB 30 Jahre beträgt.
Entstehung
Im Zweifel wird aber eine Nachforschungspflicht angenommen; vgl SZ 55/46 (1982) oder SZ 57/38 (1984). – Offenkundige Servituten können nicht nur bei Grund-, sondern auch bei persönlichen Dienstbarkeiten – etwa einem Wohnrecht – bestehen; vgl Rubin, ecolex 1998, 545. Die Grundsätze für offenkundige Dienstbarkeiten werden auch auf Servitutserweiterungen und -einschränkungen angewandt.
Nachforschungspflicht
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11. Klagerecht in Rücksicht auf Servituten
§ 523 ABGB gewährt ein „doppeltes Klagerecht”:
§ 523 ABGB: a. confessoria und a. negatoria
• Behauptung, dh Durchsetzung der Servitut gegen den Eigentümer; Satz 2, 1. HalbS: sog Servitutsklage / actio confessoria oder
• der Eigentümer kann sich – vice versa – gegen die Anmaßung einer Servitut beschweren; Satz 2, 2. HalbS: sog Eigentumsfreiheitsklage / actio negatoria → Privatrechtliche Eigentumsklagen – Übersicht
Satz 3 unserer Bestimmung regelt die Beweislast für beide Klagen, nämlich:
Beweislast
• Bei der Servituts(durchsetzungs)klage muss der Kläger den Erwerb der Servitut oder wenigstens seinen (Rechts)Besitz beweisen;
• bei der Eigentumsfreiheitsklage”muss er [sc der Eigentümer] die Anmaßung der Servitut in seiner Sache beweisen”.
Beachte


Klagerecht in Rücksicht der Servituten
Abbildung 8.77:
Klagerecht in Rücksicht der Servituten
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12. Beendigung von Servituten
Ist das Sachenrecht durch Verbücherung einmal entstanden, kann es als dingliche Dauerrechtsbeziehung nicht ohne weiteres – zB durch Kündigung wie bei normalen Dauerschuldverhältnissen – aufgelöst werden.
Zum dinglichen Charakter der Sachenrechte → Dinglicher Charakter
Literaturquelle
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13. Erlöschen von Dienstbarkeiten
§ 524 verweist auf die §§ 1411 und 1451 ff ABGB:
• Durch Untergang der dienstbaren Sache oder des herrschenden Guts; § 525 ABGB.
• Durch Vereinigung (confusio); § 526 ABGB.
• Durch Zeitablauf; §§ 527 f ABGB.
• PersönlicheServituten erlöschen mit dem Tod der berechtigten Person; ein Erstrecken auf Erben und die Familie ist aber nach § 529 ABGB möglich.
• Servituten zu Gunsten juristischer Personen dauern so lange, als die moralische Person besteht; § 529 Satz 3 ABGB.
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14. Weitere Beispiele
Rechtssprechungsbeispiel
Der Grundeigentümer muss die Instandhaltung einer ersessenen Schiabfahrt durch Pistengeräte dulden, es wäre denn die Nutzung des Grundeigentums außerhalb der Schisaison dadurch beeinträchtigt oder ein anderer Nachteil zu besorgen; SZ 45/39 (1972).
Zulässig ist es, dass der Berechtigte einen Fahrweg beschottert, der zum Befahren mit Motorfahrzeugen für das herrschende Gut dient; EvBl 1968, 230.
Zulässig ist auch das Asphaltieren eines bereits befestigten Schotterwegs zur Staubfreimachung, sofern damit nicht eine Verbreiterung oder verstärkte Nutzung des Wegs einhergeht; SZ 60/160 (1987).
Unzulässig ist aber das Pflastern und Beschottern eines Wiesen- oder Waldwegs; GlU 14.217 (1892) und JBl 1955, 403.
Zulässig ist es für den Belasteten, den bisher benützten Weg im Rahmen der Herstellung eines neuen zu sperren, wenn der neue für den Berechtigten günstiger ist; GlU 1634 (1863).
Auch das Verlegen eines Servitutswegs ohne Zustimmung des Berechtigten auf eine andere Stelle der belasteten Liegenschaft (aber nicht auf eine andere Liegenschaft des Verpflichteten) ist zulässig, wenn der neue Weg dem Zweck der Dienstbarkeit vollkommen entspricht; SZ 59/50 (1986).
Unzulässig ist aber das Absperren eines Wegs zu einem Wohnhaus durch das Versperren eines Gattertores, selbst wenn dem Berechtigten der Schlüssel dazu übergeben wird; JBl 1958, 505.
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15. Das Notwegerecht
Das NotwegeG 1896, RGBl 140 sieht unter bestimmten Voraussetzungen die gerichtliche Einräumung eines Notwegs über fremde Liegenschaften vor:
Wegverbindung fehlt
• Das setzt voraus, dass eine Wegverbindung mit dem öffentlichen Wegnetz fehlt oder unzulänglich ist.
• Die Einräumung eines Notwegs ist nach § 2 Abs 1 leg cit aber bspw unzulässig, wenn die fehlende Wegverbindung auf eine „auffallende Sorglosigkeit des Grundeigentümers zurückzuführen ist”. Nach § 2 Abs 2 NotwegeG wird ein Notweg auch nicht zur „Erzielung einer kürzeren als der bestehenden Wegeverbindung” gewährt.
• Nach § 3 leg cit besteht der Notweg in der Einräumung einer Servitut, insbesondere auch in der Mitbenützung eines vorhandenen Privatwegs. Nach § 8 leg cit unterliegt der Anspruch auf Einräumung eines Notwegs nicht der Verjährung.
Zuständig (für das Einräumen eines Notwegerechts) ist das Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich die notleidende Liegenschaft befindet; § 9 Abs 2 NotwegeG. Das Verfahren ist außerstreitig; § 9 Abs 3 leg cit. – Die Verfahrenskosten trägt der „bedürftige Grundeigentümer”; § 25 Abs 1 NotwegeG.
• Mit dem Außerstreit-BegleitG wurden die §§ 9-29 neu gefasst. Wesentliche Änderungen sind damit nicht verbunden. Insbesondere die Kostenregelung des § 25 Abs 1 trägt nach wie vor der Eigentümer des „notleidenden Grundstücks“. Klargestellt wurde nur, dass dies auch die „Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung“ umfasst.


Dienstbarkeit: Rechte und Pflichten (1)
Abbildung 8.78:
Dienstbarkeit: Rechte und Pflichten (1)


Dienstbarkeit: Rechte und Pflichten (2)
Abbildung 8.79:
Dienstbarkeit: Rechte und Pflichten (2)
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II. Reallasten
1. Dingliche Lasten – Herkunft
Die Reallasten – im ABGB nicht allgemein geregelt – sind neben den Servituten und Hypotheken dingliche Lasten von Liegenschaften. Dient die Hypothek dem Real- oder Immobiliarkredit und liegt der Ursprung der Servituten im Nachbarschaftsverhältnis, so leiten sich die deutschrechtlichen Reallasten aus ursprünglichen Herrschaftsverhältnissen ab; vgl Kasten.
Dennoch gibt es zwischen diesen Rechtsinstituten Überschneidungen. – So dienen auch Reallasten dem Nachbarschaftsverhältnis (zB der Instandhaltung gemeinsamer Trennwände) und neben den persönlichen Servituten auch der persönlichen Versorgung (insbesondere von Angehörigen), was vor allem für das bäuerliche Ausgedinge gilt → Das Ausgedinge
Überschneidungen


Grundentlastung


Die sog Grundentlastung wurde in Österreich ua mit Patent vom 7.9.1848, JGS 1180 durchgeführt; dort wird unter „Drittens” bestimmt: „Alle aus dem Unterthänigkeits-Verhältnisse entspringenden, dem unterthänigen Grunde anklebenden Lasten, Dienstleistungen und Giebigkeiten jeder Art, sowie alle aus dem grundherrlichen Obereigenthume, aus der Zehent-, Schutz-, Vogt- und (Wein-) Bergherrlichkeit und aus der Dorfobrigkeit herrührenden, von Grundbesitzungen oder von Personen bisher zu entrichten gewesenen Natural-, Arbeits- und Geldleistungen, mit Einschluss der bei Besitzveränderungen unter Lebenden und auf den Todesfall zu zahlenden Gebühren, sind von nun an aufgehoben.”
Die Reallasten sind in Entwicklung und Inhalt Reste solch’ ursprünglicher Herrschaftsverhältnisse, die als Privatrechte erhalten blieben.
Reallasten kennt nicht nur das österreichische Privatrecht, sondern auch das dtBGB (§§ 1105-1112) und das Schweizerische ZGB (Art 782-792); letzteres spricht von Grundlasten. – Die rechtliche Einordnung der Reallasten in den genannten Rechtsordnungen erfolgte aber unterschiedlich: Während das österreichische und deutsche Privatrecht sie zu den beschränkten dinglichen Rechten zählen, versteht sie das Schweizer ZGB durchaus konsequent als Realobligationen. Inhaltlich stecken nämlich in den Reallasten sowohl dingliche (absolute Wirkung) wie schuldrechtliche Elemente; Leistungspflicht. – Man kann sie daher auch als verdinglichte oder verdinglichbare Leistungsverpflichtungen ansehen.
Rechtsvergleich
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2. Das Ausgedinge
Das Ausgedinge ist vor allem im bäuerlichen Bereich von Bedeutung, kommt aber auch im gewerblichen vor. Mittels Übergabsvertrag überträgt der bisherige Unternehmer – Altbauer oder Gewerbeinhaber – sein lebendes Unternehmen, zB einen Bauernhof oder eine Werkstätte, auf eine/n Nachfolger/in; idR ein Kind (und dessen Gatten/in). Die vom Übernehmer übernommenen Lasten, die oft vielgestaltig sind, werden (zur Sicherheit für den Übergeber) als Reallasten verbüchert. – Früher besass das Ausgedinge für den Übergeber geradezu eine Art Sozialversicherungscharakter.
Zum Übergabsvertrag als möglichem Mischvertrag → KAPITEL 5: Allgemeines.
Das Ausgedinge führt immer wieder zu rechtlichen Problemen zwischen „Alt” und „Jung”. Einerseits kann es zum sog Unvergleichsfall durch Streit zwischen den Generationen kommen und andrerseits – damit im Zusammenhang – zu Vertragsüberbürdungsproblemen → KAPITEL 5: Vertragsverbindung oder -koppelung.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 64/106 (1991) → KAPITEL 4: Recht eine (nichteheliche) Lebensgemeinschaft einzugehen: Recht der Mutter nach dem Tod des Unternehmers ein Lebensgemeinschaft einzugehen.
SZ 27/160 (1954): Der Ausgedingsberechtigte darf eine Pflegeperson in die Ausgedingswohnung aufnehmen; Beachte den Unterschied zum Wohnunsrecht → Persönliche Dienstbarkeiten
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3. Was ist eine Reallast? – Inhalt und Abgrenzungen
„Reallast im technischen Sinn ist die Belastung eines Grundstückes mit der Haftung für Leistungen des jeweiligen Eigentümers. Es müssen Leistungen des jeweiligen Eigentümers sein, im Gegensatz zur Hypothek, die das Grundstück mit der Haftung für Leistungen einer bestimmten Person beschwert. [Wie die Hypothek begründet auch die Reallast idR neben der Sachhaftung (der Liegenschaft), eine persönliche Haftung des Verpflichteten.] Es sollen [idR] wiederkehrende, wenn auch nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen sein, und zwar selbständige Einzelleistungen ...”; Ehrenzweig, Sachenrecht 360 (19572).
Ehrenzweig
Inhalt von Reallasten können nur positive Leistungen sein; etwa Arbeiten, das Erbringen von Naturalien oder Geld. Der Reallastverpflichtete hat sie zu erbringen oder erbringen zu lassen; Leistungspflicht. – Darin liegt der Unterschied zu den Servituten, die keine (positive) Leistungsverpflichtung, sondern nur ein negatives Dulden / Unterlassen beinhalten können.
Inhalt
Reallasten können wie Dienstbarkeiten auf Dauer oder zeitlich begrenzt vereinbart werden. – Wie Dienstbarkeiten können auch Reallasten als Personal- oder Prädial- / Grundreallasten begründet werden.
Parallele zu den Servituten
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1999, 380: Auslegung einer Reallast des Wasserbezugs.
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4. Erwerb
Wie für Dienstbarkeiten gilt auch für den Erwerb von Reallasten die Lehre von Titel und Modus; § 380 ABGB. Auch Reallasten müssen daher, um dinglichen Charakter zu erlangen, verbüchert werden. Sie sind bücherliche Rechte iSd § 9 GBG → KAPITEL 2: Bücherliche Rechte.
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5. Weitere typische Beispiele
Rechtssprechungsbeispiel
Neben dem (immer noch weit verbreiteten) bäuerlichen Ausgedinge im Rahmen der Gutsübergabe – vgl etwa SVSlg 38.979, zu nennen:
NZ 1992, 61: Einmalige Verpflichtung zur Errichtung eines Wohnhauses sowie Holz- oder Wasserbezugsrechte oder Arbeitsleistungen: zB die Erhaltung von Gebäuden oder Wegen, Lieferung von Schotter oder von Elektrizität;
aber auch Kinderbetreuung; JBl 1992, 44.
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6. Bezugsverpflichtungen
Bier-, Branntwein- oder sonstige Bezugsverpflichtungen können nach der Rspr weder als Reallast, noch als Servitut intabuliert werden; JB 133 (1886) und SZ 12/179 (1930): Lebensmittelbezugsverpflichtung für ein Geschäft. – Diese Rspr-Position sollte überdacht werden.


Reallast
Abbildung 8.80:
Reallast
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F. Das Baurecht
Beispiel
Literaturquelle


Baurecht
Abbildung 8.81:
Baurecht
I. Ausgestaltung und Wirkung
Das Baurecht zählt mit dem Wohnungseigentum (→ Wohnungseigentum: WEG 2002), dem Veräußerungs- und Belastungsverbot des § 364c ABGB (→ Beschränkungen durch den Richter oder Rechtsgeschäft) und dem Treuhandeigentum zu den sog eigentums­ähnlichen Rechten. Es durchbricht auf originelle Weise den alten römischrechtlichen Grundsatz: superficies solo cedit (= das Bauwerk fällt in das Eigentum des Liegenschaftseigentümers).
Eigentums­ähnliche Rechte
Dem österreichischen BaurechtsG von 1912 ¿ Schöpfer war Franz Klein ¿ dienten die Vorschriften des dtBGB über das Erbbaurecht als Vorbild. Das Baurecht sollte vornehmlich der kommunalen Wohnbaupolitik (der öffentlichen Hand) dienen. Auf Baurechtsbasis wurde im Wien der Zwischenkriegszeit auf vorbildliche Weise Wohnraum geschaffen; Siedlerbewegung, Kleingenossenschaften.
1. Rechtsgrundlage und Umschreibung
Rechtsgrundlage ist das BaurechtsG 1912; wichtige Nov: BGBl 1990/258.
Baurecht ist ¿ ... das dingliche, veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter [zB Tiefgarage] der Bodenfläche eines fremden Grundstücks ein Bauwerk zu haben¿; § 1 BaurechtsG.
Definition
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2. Wer kann Baurecht einräumen?
Seit der Nov 1990 kann jeder Liegenschaftseigentümer Baurecht einräumen; früher konnten das nur die öffentliche Hand und Kirchen etc ¿ daher nur geringere Bedeutung.
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3. Zweck
Der Eigentümer kann die Liegenschaft verwerten, ohne sein Eigentum aufgeben zu müssen:
• rares Bauland kann daher zu günstigen Bedingungen genützt werden;
• Bauberechtigte ersparen sich den Kaufpreis für die Liegenschaft, denn sie zahlen bloß den Bauzins.
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4. Rechtliche Ausgestaltung
Das Baurecht (selbst) ist eine unbewegliche Sache. Das errichtete Bauwerk gilt als Zugehör (und zwar Bestandteil) des Baurechts und ist wie dieses unbeweglich. ¿ Eigentümer des Bauwerks ist der Bauberechtigte. Das Baurecht entsteht durch Verbücherung (§ 5 BaurechtsG) im C-Blatt der belasteten Liegenschaft. Für das Baurecht wird eine eigene Baurechtseinlage eröffnet. Das Baurecht lastet auf dem ganzen Grundbuchskörper; vgl die graphische Darstellung des Baurechts.
§ 6 Abs 1 BaurechtsG
Das Baurecht schafft eine Art Eigentum auf Zeit, das auch sonst in Österreich anerkannt wird → Eigentumsformen Der Bauberechtigte kann seine Rechtsposition ¿ freilich nicht mehr! (nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet) ¿ veräussern und das Baurecht (als unbewegliche Sache!) auch belasten; bspw eine Hypothek aufnehmen. Das ist etwa für angesiedelte Betriebe interessant, die das Baurecht dadurch auch als Kreditbeschaffungs- und Sicherungsmittel verwenden können; vgl das Eingangsbeispiel.
Eigentum auf Zeit ¿ Was kann ein Bauberechtigter?
§ 6a BaurechtsG stellt klar: Am Baurecht kann auch Wohnungseigentum begründet werden.
Begründung von Wohnungseigentum
Baurecht wird idR entgeltlich vergeben; Bauzins (bei wiederkehrenden Leistungen. § 3 Abs 2 BaurechtsG; aber es könnte auch eine einmalige Abschlagszahlung vereinbart werden): Wertsicherung ist zulässig. ¿ Hier bestehen interessante Gestaltungsmöglichkeiten.
Wertgesicherter Bauzins
Dauer:
Dauer
Nach § 3 Abs 1 BaurechtsG kann Baurecht für ¿nicht weniger als [10 ] und nicht mehr als [100 ] Jahre¿ geschaffen werden. ¿ Damit wird wie erwähnt ¿Eigentum auf Zeit¿ geschaffen!
Das Bauwerk fällt nach Ablauf der Zeit zurück an den Grundeigentümer; § 9 Abs 1 BaurechtsG. ¿ Ohne andere Vereinbarung erhält der Bauberechtigte eine Entschädigung von 1/4 ¿des vorhandenen Bauwertes¿; § 9 Abs 2 BaurechtsG. ¿ Das Liegenschaftseigentum lebt dann wieder als dingliches Vollrecht auf.
Erlöschen


Baurecht, Superficies, Superädifikat (1)
Abbildung 8.82:
Baurecht, Superficies, Superädifikat (1)


Baurecht, Superficies, Superädifikat (2)
Abbildung 8.83:
Baurecht, Superficies, Superädifikat (2)
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II. Abgrenzungen des Baurechts
Das Baurecht muss einerseits unterschieden werden von:
• § 297 ABGB (Superficies) und andrerseits von
• § 435 ABGB (Superädifikat).
• § 434 ABGB iVm § 1 Abs 2 UHG: Eigentumserwerb an Liegenschaften, die nicht im Grundbuch eingetragen sind.
Vgl zu diesen Unterscheidungen → KAPITEL 2: Superädifikate.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 2002, 311: Paralleles Einräumen eines Baurechts und eines Superädifikats → KAPITEL 2: Allgemeines ¿ Geschichtliches.


Baurecht (1)
Abbildung 8.84:
Baurecht (1)


Baurecht (2)
Abbildung 8.85:
Baurecht (2)


Baurecht (3)
Abbildung 8.86:
Baurecht (3)
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