Kapitel
19 | |
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Die zivilgerichtliche
Rechtsdurchsetzung - Der Wert des materiellen Zivilrechts
hängt wesentlich davon ab, dass dieses auch durchgesetzt werden
kann. Nachdem das ABGB (§ 19: Selbsthilfeverbot) die Durchsetzung
in „Eigenregie” nicht gestattet, müssen den Rechtssuchenden vom
Staat entsprechende Rechtsdurchsetzungsmechanismen zur Verfügung
gestellt werden, dem sonst zahnlosen Zivilrecht sozusagen Zähne
implantiert werden. Andererseits muss bei der Schaffung und bei
der Anwendung zivilverfahrensrechtlicher Normen immer im Auge behalten werden,
dass der Zweck, die Verwirklichung des materiellen Rechts ist, und
dass es nicht eine Art Selbstverwirklichung des Verfahrensrecht
kommen darf. Dieser enge Zusammenhang und die gegenseitigen Abhängigkeit
zwischen materiellem Recht und Prozessrecht legt es – obwohl nicht üblich
– nahe, im Rahmen eines Zivilrechtslehrbuchs auch einen Überblick
über die Rechtsdurchsetzung aufzunehmen.
Neben der raschen und effektiven Rechtsdurchsetzung für den Einzelnen
liegt dem österreichischen Zivilverfahrensrecht auch der Gedanke
zugrunde, im Interesse der Gesellschaft Rechtsfrieden herzustellen.
Das System der Rechtsdurchsetzung sieht grundsätzlich zuerst ein
Verfahren vor, in dem geprüft wird, ob die behaupteten zivilrechtlichen
Ansprüche tatsächlich bestehen, das sogenannte Erkenntnisverfahren ( → Das
streitige Verfahren (Zivilprozessrecht)),
welches wiederum in das streitge und das außerstreitige Verfahren unterteilt
ist, für die jeweils unterschiedliche Regeln gelten. Falls trotz
eines Urteils in einem Erkenntnisverfahren ein Schuldner nicht bereit
ist, die zugesprochene Leistung zu erbringen, stellt der Staat ein
weiteres Verfahren zur Verfügung, mit dem ein Urteil zwangsweise
durchgesetzt werden kann, das Exekutionsverfahren (=
Zwangsvollstreckungsverfahren).
Schließlich ist ein besonderes Verfahren, das Konkursverfahren ( → Der Konkurs),
für jene Fälle vorgesehen, in welchen ein Schuldner zahlungsunfähig (allenfalls
überschuldet) ist, welches darauf abzielt, in einem einzigen Verfahren
das noch zur Verfügung stehende Vermögen des Schuldners zu verwerten
und den Erlös an alle vorhandenen Gläubiger zu verteilen. In Anlehnung
daran besteht weiters das Ausgleichsverfahren ( → Das Ausgleichsverfahren),
welches die Sanierung eines insolventen Schuldners
ermöglicht.
Im Anschluss werden die Grundlagen dieser Verfahren, die zur Durchsetzung
des materiellen Zivilrechts dienen, im Überblick dargestellt. Der
Umfang beschränkt sich auf eine kurze Einführung, in das System
und die zentralen Institute des Zivilverfahrensrechts, wobei viele
Details ausgeklammert bleiben müssen.
Die hier gebotene Darstellung soll einen ersten Einblick in das
Zivilverfahrensrecht bieten und allenfalls im Rahmen einer Einführung
in die Rechtswissenschaften ein taugliche Informationsquelle sein,
keinesfalls ist sie aber für eine Vorbereitung zur einer Diplomprüfung
aus Zivilverfahrensrecht gedacht oder ausreichend.
Weitgehend ausgeklammert sind vorläufig die internationalen Aspekte
( → Rechtsdurchsetzung in Europa) der behandelten Verfahren, da diese für
ein Grundverständnis nicht essenziell sind. Die ständig steigende Bedeutung
von Verfahren mit Auslandsbezug insbesondere die jetzt bereits große
praktische Bedeutung und die ansehnliche Zahl von EU-Rechtsvorschriften
im Zivilverfahrensrecht werden in Zukunft aber wohl doch eine weitergehende
Einbeziehung dieser Materien erfordern. | Überblick |
A. Verfassungsrechtliche
Grundlagen |
Von Peter G. Mayr | |
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Das österreichische
Verfassungsrecht, dessen Hauptquelle das Bundes-Verfassungsgesetz
von 1920 idF 1929 (B-VG, BGBl 1930/1) bildet, sieht eine
Gewaltenteilung auf
zwei Ebenen vor: Einerseits die Trennung der Gesetzgebung von der
Gerichtsbarkeit und Verwaltung und andererseits die Trennung der
Gerichtsbarkeit von der Verwaltung (Art 94 B-VG). Diese Trennung bedeutet,
dass eine Behörde nicht gleichzeitig Verwaltungsbehörde und Gerichtsbehörde
sein darf und dass ein wechselseitiger Instanzenzug zwischen diesen
Behörden unzulässig ist. | Gewaltenteilung |
Eine
Ausnahme vom Prinzip der Trennung von Justiz und Verwaltung bildet
die so genannte sukzessive Kompetenz (oder Zuständigkeit),
wie zB im Leistungsrecht der Sozialversicherung; §§ 67 ff ASGG.
Hier entscheidet über Leistungsansprüche zunächst ein Verwaltungsorgan,
zB die TirGKK. Diese Entscheidung kann jedoch im Streitfall bei
einem Gericht angefochten werden. Durch die Anrufung des Gerichts
tritt die verwaltungsbehördliche Entscheidung außer Kraft und die
Rechtssache ist vom Gericht neuerlich zu entscheiden. Ein anderer
Anwendungsfall besteht in manchen Bereichen des Wohnrechts, in denen
das ordentliche Gericht (im Außerstreitverfahren; → Das außerstreitige
Verfahren)
erst angerufen werden kann, wenn zuvor die (wohnrechtliche) Schlichtungsstelle
der Gemeinde (= Verwaltungsbehörde) mit der Angelegenheit befasst
worden ist oder diese Behörde säumig geworden ist; vgl §§
39 f MRG. | Sukzessive Kompetenz |
Hinsichtlich der Gerichtsbarkeit
enthält das B-VG in den Art 82 ff weder erschöpfende noch besonders
systematische Regelungen. Insbesondere ist nicht geregelt, welche
Angelegenheiten überhaupt den Gerichten und welche den Verwaltungsbehörden
zuzuweisen sind. Hier ist freilich darauf hinzuweisen, dass die Europäische
Menschenrechtskonvention (EMRK) in Österreich seit
1964 Verfassungsrang genießt (BGBl 1964/59) und sich aus deren Art
6 die Verpflichtung ergibt, die Entscheidung über „zivilrechtliche
Ansprüche und Verpflichtungen” einem „unabhängigen und unparteiischen,
auf Gesetz beruhenden Gericht” zu übertragen. | Art 6 EMRK |
Geregelt
ist im B-VG etwa, dass alle Gerichtsbarkeit vom Bund ausgeht
(Art 82 Abs 1 B-VG), was bedeutet, dass die Bundesländer keine Gerichte
einrichten dürfen und die Regelung von Gerichtsverfassung und Zuständigkeit
der Gerichte durch Bundesgesetz zu erfolgen hat (Art 83 Abs 1 B-VG).
Obwohl Art 91 Abs 1 B-VG bestimmt, dass „das Volk an
der Rechtsprechung mitzuwirken hat”, spielt die Beteiligung von
Laien im Zivilverfahren nur eine sehr untergeordnete Rolle → Personen
der Rechtspflege Verfassungsmäßig
gewährleistet ist das Recht auf den
gesetzlichen Richter (Art
83 Abs 2 B-VG) und das Prinzip der
festen Geschäftsverteilung (Art
87 Abs 3 B-VG). Danach ist nach objektiven Kriterien im Vorhinein
festzulegen, welcher Richter über welche Rechtssachen zu entscheiden
hat. Als höchste Instanz in Zivilrechtssachen wird
der Oberste Gerichtshof (OGH) bestimmt (Art 92 Abs 1 B-VG); Rechtsmittelbeschränkungen,
die seine Anrufbarkeit im Einzelfall ausschließen, sind jedoch zulässig →
Revision (§§ 502 bis 513 ZPO) Hinsichtlich
der Richter ist im B-VG deren
Unabhängigkeit sowie deren
Unabsetzbarkeit und
Unversetzbarkeit festgeschrieben
(Art 87 ff B-VG). | Verfassungsbestimmungen |
Eine Bindung der Richter
an
Präjudizien (frühere
Entscheidungen gleicher Rechtsfragen durch andere Gerichte) besteht
nicht, faktisch orientieren sich jedoch freilich insbesondere die
Untergerichte an der Vorjudikatur, insbesondere der Rechtsmittelgerichte.
– Gerichtsverhandlungen müssen öffentlich und mündlich sein,
jedoch kann ein (einfaches) Gesetz davon Ausnahmen festlegen (Art
90 B-VG). Da – wie bereits erwähnt – der Europäischen Menschenrechtskonvention Verfassungsrang
zukommt, genießen auch alle Verfahrensgarantien der EMRK, insbesondere
jene des Art 6, verfassungsrechtlichen Schutz. | Präjudizien |
Zu beachten ist auch die EU-Grundrechte-Charta
(ABl 2000 C 364 S 1), insbesondere deren Kapitel VI über „Justizielle
Rechte” (Art 47 ff). | |
Die Wahrung verfassungsrechtlich geschützter Rechte obliegt
dem
Verfassungsgerichtshof (VfGH).
Parteien eines Zivilverfahrens können jedoch die Verletzung solcher
Rechte durch Gerichte nur innerhalb des im jeweiligen Verfahren
offenstehenden Instanzenzuges geltend machen; eine Anrufung des
VfGH durch sie ist nicht möglich. Hegt jedoch der OGH oder ein Gericht
zweiter Instanz gegen die Anwendung eines Gesetzes wegen einer möglichen
Verfassungswidrigkeit Bedenken, so hat es einen diesbezüglichen
Prüfungsantrag an den VfGH zu stellen (Art 89 Abs 2 B-VG). Bei Verletzung
von Rechten, die durch die EMRK geschützt sind, können außerdem
die entsprechenden Straßburger Organe (Europäischer Gerichtshof
für Menschenrechte) angerufen werden. | |
B.
Gerichtsorganisation
und Besetzung |
Von Peter G. Mayr | |
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Obwohl der Instanzenzug
(grundsätzlich) nur dreistufig ist, bestehen in der ordentlichen
Zivilgerichtsbarkeit (grundsätzlich) vier verschiedene
Gerichtstypen (vgl
§§ 1 ff JN), nämlich: | Gerichtstypen |
• die Bezirksgerichte
(BG) | |
• die Landesgerichte (LG) | |
• die Oberlandesgerichte (OLG) und | |
• der Oberste Gerichtshof (OGH). | |
Der
Rechtszug geht, wenn ein Bezirksgericht Eingangsgericht ist, über
ein Landesgericht zum Obersten Gerichtshof und, wenn ein Landesgericht
Eingangsgericht ist, über ein Oberlandesgericht zum Obersten Gerichtshof. | Instanzenzug |
 | Abbildung 19.1: Instanzenzug und Gerichtsbesetzung |
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Der (eine) Oberste
Gerichtshof in Wien ist das oberste Organ der ordentlichen
Gerichtsbarkeit. Sein Aufgabenbereich und die innere Organisation
wird durch ein eigenes Gesetz (BG über den Obersten Gerichtshof
– OGHG, BGBl 1968/328) geregelt, während für die innere Einrichtung
der anderen ordentlichen Gerichte das Gerichtsorganisationsgesetz
(GOG, RGBl 1897/217) maßgeblich ist. | OGH |
Unterhalb des Obersten
Gerichtshofes bestehen in Österreich
vier
Oberlandesgerichte (in Wien, Graz, Linz und Innsbruck)
und 18 Landesgerichte (davon in Wien und in Graz
jeweils ein Landesgericht nur für Zivilsachen und ein Landesgericht
nur für Strafsachen). Ein Landesgericht befindet sich in jeder Landeshauptstadt
(Ausnahme Vorarlberg, wo das Landesgericht in Feldkirch eingerichtet
ist) und darüber hinaus in Korneuburg, Krems an der Donau, Leoben,
Ried im Innkreis, Steyr, Wels und Wiener Neustadt. | OLG und LG |
Nach den jüngsten Zusammenlegungen
von zahlreichen kleinen Bezirksgerichten gibt es derzeit (1.1.2005)
im Bundesgebiet (noch) 150 Bezirksgerichte. Außerhalb
von Wien (dort gilt das Bezirksgerichts-OrganisationsG für Wien,
BGBl 1985/203) beruht die Bezirksgerichtsorganisation wegen einer
verfassungsrechtlich normierten Ausnahme (§ 8 Abs 5 lit d ÜbergangsG
1920 idF BGBl 1925/368) auf Verordnungen der Bundesregierung mit Zustimmung
der betreffenden Landesregierung. | BG |
Vgl die aktuellen Bezirksgerichte-VO betreffend Niederösterreich
(BGBl II 2002/81 idF BGBl II 2002/190), die Steiermark (BGBl II
2002/82 idF BGBl II 2002/190), Tirol (BGBl II 2002/240), Salzburg
(BGBl II 2002/287) und Oberösterreich (BGBl II 2002/422). | |
Die genannten ordentlichen Gerichte erledigen auch Handelssachen
sowie arbeits- und sozialrechtliche Streitigkeiten, nur in Wien
sind dafür eigene Gerichte eingerichtet: Das Bezirksgericht
in Handelssachen sowie (auf Gerichtshofebene) das Handelsgericht und
das Arbeits- und Sozialgericht Wien. | |
In aller Regel wird heute im Zivilverfahren
(im Gegensatz zur ursprünglichen Konzeption der Zivilprozessordnung)
in erster Instanz ein Einzelrichter tätig; nur
beim Landesgericht entscheidet bei einem Streitwert von über 50.000
Euro und einem entsprechenden Antrag einer Partei ein Senat von
drei (Berufs-)Richtern (§ 7a JN; in der Praxis sehr selten). Im
Rechtsmittelverfahren entscheiden sowohl beim Landesgericht als
auch beim Oberlandesgericht durchwegs Senate von
drei Richtern (§§ 7, 8 JN). Der Oberste Gerichtshof wird gewöhnlich
in Senaten von fünf Richtern, ausnahmsweise in Dreiersenaten oder
(bei Rechtsfragen von „grundsätzlicher Bedeutung”) in verstärkten
Senaten (von elf Richtern) tätig; vgl §§
5 ff OGHG. | Einzelrichter
und Senate |
In Arbeits- und Sozialrechtssachen sind zwar
in allen Instanzen grundsätzlich Senate vorgesehen, denen neben Berufsrichtern
auch Laienrichter angehören (§§ 10 f ASGG), jedoch ist diese Grundregel
zwischenzeitlich durch Novellen stark zugunsten eines Einzel(berufs)richters
und von Berufsrichtersenaten eingeschränkt worden (§ 11a ASGG).
Auch in Handelssachen kommen – in der Praxis allerdings sehr selten
– fachmännische Laienrichter („Kommerzialräte”) zum Einsatz; § 7
Abs 2, § 8 Abs 2 JN. | |
C. Personen
der Rechtspflege |
Von Peter G. Mayr | |
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Grundsätzlich
gibt es in Österreich sowohl Berufs- als auch Laienrichter.
Die Laiengerichtsbarkeit spielt jedoch im Zivilverfahren – wie erwähnt
– nur eine sehr geringe Rolle. Sie ist lediglich in Arbeits- und
Sozialrechtssachen →
Arbeits-
und sozialgerichtliches Verfahren und
(in einem noch geringeren Ausmaß) in Handelssachen und in der Kartellgerichtsbarkeit
(vgl § 89 KartG 1988) vorgesehen. Laienrichter werden nur gemeinsam
mit Berufsrichtern in Senaten tätig; als Einzelrichter kommen ausschließlich
Berufsrichter zum Einsatz. Diese werden aufgrund von Vorschlägen
von Personalsenaten (Organe richterlicher Selbstverwaltung) auf
Antrag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten (bzw auf Grund
seiner Ermächtigung vom Justizminister) aus den vorgeschlagenen
Personen ausgewählt und ernannt. Ernennungsvoraussetzungen sind
ua die österreichische Staatsbürgerschaft, der Abschluss des rechtswissenschaftlichen
Diplomstudiums, die Absolvierung einer mindestens vierjährigen Rechtspraxis
und die Ablegung der Richteramtsprüfung. | Berufs- und Laienrichter |
Richterliche
Aufgaben erfüllen auch die Rechtspfleger. Diese
nichtrichterlichen Beamten (Art 87a B-VG) sind (nur) gegenüber dem
Richter, dem sie zugeteilt sind, weisungsgebunden. Ihr Wirkungskreis
wird in §§ 16 ff Rechtspflegergesetz (BGBl 1985/560) taxativ aufgezählt.
Er umfasst eine Vielzahl von Angelegenheiten der Zivilgerichtsbarkeit
in erster Instanz; insbesondere im Bereich des Außerstreitverfahrens
(zB Verlassenschaftsverfahren, Pflegschaftsverfahren, Grundbuchs-
und Firmenbuchverfahren) und bei der Zwangsvollstreckung spielen
die Rechtspfleger eine wichtige Rolle. | Rechtspfleger |
Notare entfalten
im Verlassenschaftsverfahren eine Tätigkeit als sogenannte Gerichtskommissäre,
in deren Rahmen sie einen Großteil der notwendigen Maßnahmen erledigen,
Entscheidungen bleiben jedoch dem Gericht vorbehalten. Daneben ist
eine der wichtigsten Aufgaben der Notare die Errichtung von öffentlichen
Urkunden. Schließlich sind Notare auch als Rechtsberater, Verfasser
von Privaturkunden und als Parteienvertreter in Verfahren ohne Anwaltspflicht
tätig. Voraussetzungen für den Beruf des Notars ist ua der Abschluss
des rechtswissenschaftlichen Diplomstudiums, die Absolvierung einer
mindestens siebenjährigen Rechtspraxis, die Ablegung der Notariatsprüfung
und die Verleihung einer Notarstelle durch den Justizminister, wobei
die Anzahl der Notarstellen in Österreich begrenzt ist. |
Notare |
Rechtsanwälte werden
in Österreich nicht als Organe der Rechtspflege angesehen. Sie üben
einen sogenannten „freien Beruf” aus, in dessen Rahmen sie Klienten
sowohl rechtlich beraten als auch vor Gerichten (und anderen Behörden)
vertreten. Die Vertretungsbefugnis vor Behörden unterliegt weder
einer territorialen Beschränkung noch einer Beschränkung nach Art
der Behörde. In großen Bereichen des Zivilverfahrens müssen sich
die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen; „Anwaltspflicht” → KAPITEL 19: Postulationsfähigkeit.
Voraussetzungen für den Beruf des Rechtsanwalts sind ua der Abschluss
des rechtswissenschaftlichen Diplomstudiums, die Absolvierung einer
mindestens fünfjährigen Rechtspraxis sowie die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung. | Rechtsanwälte |
Die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs und die
Niederlassung von Rechtsanwälten aus den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union und den anderen Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums
wird in einem eigenen Bundesgesetz geregelt; EuRAG, BGBl I 2000/27. | |
Die Entlohnung der Rechtsanwälte erfolgt
grundsätzlich aufgrund freier Vereinbarung mit den Klienten. Dennoch besteht
ein eigenes RechtsanwaltstarifG (RATG BGBl 1969/189), in dem Tarife
für Rechtsanwaltsleistungen festgelegt sind. Nach diesen Tarifen
bestimmt sich im zivilgerichtlichen Verfahren die Höhe des Kostenersatzanspruchs
der obsiegenden Partei → Prozesskosten (§§ 41 bis 55 ZPO) die
Tarife gelten mangels besonderer Vereinbarung auch dem eigenen Klienten
gegenüber. Aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ist in
Österreich die Vereinbarung eines Erfolgshonorars in Form eines
Anteils am erstrittenen Wert („quota litis”) verboten. | Entlohnung von
Rechtsanwälten |
Die Ergebnisse
der
praktischen Justizprüfungen (Rechtsanwalts-,
Notariats- und Richteramtsprüfungen) werden regelmäßig auf der Homepage
des Instituts für Zivilgerichtliches Verfahren der Universität Innsbruck
veröffentlicht ( http://www.uibk.ac.at/zivilverfahren) | Prüfungsergebnisse |
Nähere Einzelheiten der
Rechtsberufe:
I. Richter, Staatsanwalt, Richteramtsanwärter, Rechtspraktikant,
Rechtspfleger (R. J. Nimmervoll); II. Notar und Notariatskandidat
(W. Priglinger); III. Rechtsanwalt und Rechtsanwaltskonzipient (I.
Pumberger); IV. Wirtschaftstreuhänder und Berufsanwärter (B. Frei). | |
D. Die zivilgerichtlichen
Verfahrensarten |
Von Peter G. Mayr | |
Das
zivilgerichtliche Verfahrensrecht regelt das Verfahren vor den Gerichten
zur Feststellung und Durchsetzung zivilrechtlicher (bürgerlichrechtlicher)
Ansprüche. Es handelt sich also um formelles Recht,
das zur Feststellung und Durchsetzung des materiellen (Privat)Rechts
dient. Das (materielle) Privatrecht bliebe wirkungslos, könnten
die Betroffenen ihre (subjektiven) Rechte nicht mit staatlicher
Hilfe in einem rechtlich geordneten Verfahren durchsetzen. Effektiv
wird das dem Einzelnen zustehende (materielle) Recht somit erst
durch das Verfahrensrecht, in dem es eine notwendige und unverzichtbare
Ergänzung findet. | Materielles und formelles Recht |
Das Zivilverfahrensrecht
gliedert sich in folgende Verfahrensarten, die
nachfolgend im Überblick behandelt werden: | Verfahrensarten |
• Zivilprozessrecht
(ieS oder streitiges Erkenntnisverfahren) → Das
streitige Verfahren (Zivilprozessrecht)
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• Außerstreitverfahrensrecht → Das außerstreitige
Verfahren
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• Zwangsvollstreckungs- (bzw Exekutions-)recht →
Exekutionsverfahren
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• Insolvenzrecht →
Insolvenzrecht
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E. Das
streitige Verfahren (Zivilprozessrecht) |
Von Peter G. Mayr | |
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1. Selbsthilfeverbot
und Rechtspflegeanspruch | |
Will
jemand seine privatrechtlichen Ansprüche durchsetzen, darf er dabei
nicht eigenmächtig vorgehen. Vielmehr wird er auf den Beistand der
Zivilgerichte verwiesen, denn die österreichische Rechtsordnung verbietet grundsätzlich
die Selbsthilfe. Aufgrund dieses Selbsthilfeverbots
ist der Einzelne auf den Schutz seiner Rechte durch den Staat angewiesen.
Um die Gewährung von staatlichem Rechtsschutz abzusichern, gewährt
die Rechtsordnung dem Rechtsunterworfenen einen Anspruch gegen den
Staat auf Entscheidung seiner privatrechtlichen Streitigkeiten,
den sogenannten „ Justizgewährungs- oder Rechtspflegeanspruch”.
Durch Art 6 EMRK wurde dieser, zuvor schon aus § 19 ABGB abgeleitete
Anspruch zum Menschenrecht erklärt, das auch innerstaatlich verfassungsgesetzlich
gewährleistet ist. Zur Verwirklichung dieses Anspruchs auch für finanziell
schlechter gestellten Personen dient ua das Institut der Verfahrenshilfe → Verfahrenshilfe
(§§ 63 bis 73 ZPO). |
Justizgewährungsanspruch |
2. Aufgaben des
Zivilprozesses | |
Wurde der Rechtsfriede gestört,
muss er – notfalls mit Hilfe hoheitlicher Gewalt – wiederhergestellt
werden. In der Wiederherstellung des Rechtsfriedens im Einzelfall
liegt die Repressionsfunktion des Zivilprozesses:
Wer den Rechtsfrieden stört, muss mit staatlichen Sanktionen rechnen.
Andererseits dient das Prozessrecht dem Schutz der gesamten Rechtsordnung
durch die Bewahrung des Rechtsfriedens: Kann man sich im Ernstfall
auf staatliche Hilfe verlassen, braucht man sie oft gar nicht in
Anspruch zu nehmen, denn auch der potentielle Gegner weiß um diesen effektiven
Schutz. Darin liegt die wichtige Präventionsfunktion des
Zivilprozesses. | Repressions- und
Präventionsfunktion |
Die Durchführung eines Zivilprozesses
sollte in einem Rechtsstreit jedoch immer nur die ultima ratio darstellen.
Im Regelfall sind die Beteiligten bestrebt, eine außergerichtliche
Einigung (etwa in der Form eines materiellrechtlichen Vergleichsvertrages
iSd §§ 1380 ff ABGB) zu erzielen, weil ein Zivilprozess Zeit, Kosten
und Nerven in Anspruch nimmt, der Ausgang eines Gerichtsverfahrens
letztlich nicht mit absoluter Sicherheit vorhergesagt werden kann
und durch eine gerichtliche Auseinandersetzung die zwischenmenschlichen
Beziehungen zwischen den Parteien sicherlich nicht verbessert werden.
Es besteht daher nicht nur die Möglichkeit, einen bereits eingeleiteten
Zivilprozess noch ohne (streitige) Gerichtsentscheidung (insbesondere
durch einen Prozessvergleich; § 204 ZPO) zu beenden,
sondern der Gesetzgeber fördert in letzter Zeit auch vermehrt Alternativen zum
herkömmlichen gerichtlichen Verfahren. Dazu unten →
Schiedsgerichtsbarkeit
und andere Rechtsschutzalternativen
| Prozess
als ultima ratio |
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Der Kern
der derzeit geltenden österreichischen Zivilverfahrensgesetze steht
mittlerweile schon über 100 Jahre in Geltung: | Zivilverfahrensgesetze |
• Die Jurisdiktionsnorm (JN,
RGBl 1895/110), | |
• die Zivilprozessordnung (ZPO,
RGBl 1895/113), | |
• die Exekutionsordnung (EO,
RGBl 1896/79) und | |
• das Gerichtsorganisationsgesetz (GOG,
RGBl 1896/217). | |
Diese Gesetze sind am 1. Jänner 1898 in Kraft getreten.
Die Jurisdiktionsnorm enthält Bestimmungen über Organisation, Besetzung
und Zuständigkeit der Zivilgerichte, die Zivilprozessordnung regelt
das streitige Zivilverfahren, die Exekutionsordnung die Zwangsvollstreckung
und den einstweiligen Rechtsschutz (dazu näher →
Exekutionsverfahren)
und das Gerichtsorganisationsgesetz enthält ergänzend zur Jurisdiktionsnorm
und anderen Verfahrensgesetzen Vorschriften über Besetzung, innere
Einrichtung und Geschäftsordnung der Gerichte. Verfahrensbesonderheiten
gegenüber der ZPO in Arbeits- und Sozialrechtssachen sind im Arbeits-
und Sozialgerichtsgesetz von 1985 (ASGG, BGBl 1985/104)
zusammengefasst ( →
Arbeits-
und sozialgerichtliches Verfahren). Besondere Verfahrensvorschriften für handelsrechtliche
Streitigkeiten bestehen in Österreich nicht. | |
Die genannten Verfahrensgesetze
sind selbstverständlich bereits vielfach novelliert und den geänderten
Verhältnissen angepasst worden: In letzter Zeit haben insbesondere
die Zivilverfahrens-Novelle 1983 und die „Erweiterte Wertgrenzen-Novelle”
von 1989 und von 1997 umfangreiche Änderungen des österreichischen
Zivilprozessrechts bewirkt. Eine weitere „Zivilverfahrens-Novelle
2002” ist am 1. Jänner 2003 in Kraft getreten (BGBl I 2002/78).
Mit ihr soll nach den Absichten des Gesetzgebers eine (weitere)
„Vereinfachung, Beschleunigung und Effizienzsteigerung des zivilprozessualen
Erkenntnisverfahrens” erzielt werden, wobei allerdings vorweg betont
werden muss, dass der österreichische Zivilprozess allgemein als
ein sehr gut und effizient funktionierendes Verfahrensrecht betrachtet
wird. | Entwicklung |
Die Zivilprozessordnung von
1895, die – wie soeben erwähnt – nach wie vor die Hauptrechtsquelle
für das streitige Verfahren bildet, hat nach zahlreichen vergeblichen
Versuchen einer Gesamtreform des Zivilverfahrensrechts die betreffenden
Bestimmungen der Allgemeinen Gerichtsordnung von 1781 (AGO) ersetzt.
Sie ist im Wesentlichen die persönliche Leistung einer Einzelperson,
nämlich von Franz Klein. Er ging bei seiner Arbeit
– im Gegensatz zu jener Auffassung, die der AGO und zahlreichen
zeitgenössischen Zivilverfahrensgesetzen zugrunde lag – davon aus, dass
der Zivilprozess als Institut des öffentlichen Rechts nicht allein
privaten Parteiinteressen zu dienen habe, sondern dass er darüber
hinaus auch im Dienste der Allgemeinheit Konfliktpotential, welches
das gesellschaftliche Zusammenleben stört, und damit verbundene
wirtschaftliche Hemmnisse aus der Welt zu schaffen habe. Ziel der Zivilprozessreform
war es im Wesentlichen, ein rasches, einfaches und billiges Verfahren
zu schaffen, für dessen Ablauf der Richter als „berufsmäßiger Repräsentant
des Gemeininteresses” vornehmlich verantwortlich ist. Das unter
dieser Prämisse geschaffene Gesetz wurde als „erstes Prozessmodell
des sozialen Rechtsstaates” bezeichnet und allgemein als
„großer Wurf” angesehen. Seine wesentlichen Grundlagen sind auch
noch heute – trotz vielfacher Novellierungen – anerkannt und unbestritten. | Franz Klein und
der soziale Zivilprozess |
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Das streitige
Verfahren ist geprägt von den Grundsätzen der Mündlichkeit und
der Öffentlichkeit sowie vom Grundsatz des beiderseitigen rechtlichen
Gehörs. Über Einleitung und Gegenstand des Verfahrens bestimmen
die Parteien ( Dispositionsgrundsatz), die Organisation
des Ablaufs des Verfahrens und die Veranlassung der Zustellungen
obliegt ausschließlich dem Gericht (Grundsatz des Amtsbetriebs).
Parteien und Gericht haben gemeinsam durch Tatsachenbehauptungen
und Beweisvorbringen einerseits und durch Maßnahmen im Rahmen der
prozessleitenden Befugnisse andererseits ( → Mündliche
Streitverhandlung und richterliche Prozessleitung)
zur Stoffsammlung beizutragen ( Kooperationsgrundsatz).
Die Entscheidung darf nur jener Richter fällen, vor dem der Rechtsstreit
verhandelt worden ist; dieser Richter hat auch die Beweise aufzunehmen
( Unmittelbarkeitsgrundsatz). Welche Tatsachen der Richter
letztlich für erwiesen hält, obliegt seiner freien Überzeugung (Grundsatz
der freien Beweiswürdigung). | Grundsätze des Verfahrens |
Der Grundsatz der Prozessökonomie hat
die Beschleunigung und Konzentration des Verfahrens im Auge: Den
Parteien steht es zwar frei, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung
erster Instanz neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen und
neue Anträge zu stellen (Grundsatz der Freiheit des Vorbringens),
doch besteht für sie eine allgemeine Prozessförderungspflicht (§
178 Abs 2 ZPO) und sind dem Richter im Gesetz zahlreiche Möglichkeiten
eingeräumt, Verfahrensverzögerungen zu vermeiden und damit Zeit
und Kosten zu sparen. Außerdem bewirkt das Neuerungsverbot im
Rechtsmittelverfahren ( →
Neuerungsverbot)
eine weitgehende Konzentration des Tatsachenvorbringens auf das
erstinstanzliche Verfahren. | Prozessökonomie |
Man kann also zusammenfassen, dass der österreichische
Zivilprozess grundsätzlich ein mündliches, unmittelbares, öffentliches
und konzentriertes Verfahren darstellt, in dem beiden Parteien rechtliches
Gehör gewährt wird und das vom Dispositionsgrundsatz, Amtsbetrieb
und Kooperationsgrundsatz sowie dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung
beherrscht wird. | |
III.
Prozessvoraussetzungen
insbesondere Gerichtszuständigkeit | |
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Prozessvoraussetzungen
(oder besser: Sachentscheidungsvoraussetzungen)
sind jene formellen Erfordernisse, von deren Vorliegen Zulässigkeit
und Gültigkeit des Verfahrens abhängig sind, und deren Fehlen zur
Nichtigerklärung des Verfahrens, zur Aufhebung der allenfalls schon
ergangenen Entscheidung und zur Zurückweisung der Klage führt. Besondere
Bedeutung kommt den absoluten Prozessvoraussetzungen zu,
weil deren Mangel einen Nichtigkeitsgrund darstellt, der (auch von
Amts wegen) in jeder Lage und Instanz des Verfahrens bis zum Eintritt
der Rechtskraft der das Verfahren beendenden Entscheidung aufgegriffen
werden kann (und muss). Dazu zählen etwa das Vorliegen der „ inländischen
Gerichtsbarkeit”, dass also die Rechtssache nicht nach
den Regeln über die völkerrechtlichen Immunitäten der Jurisdiktionsbefugnis
der österreichischen Gerichte entzogen ist; ferner die
Zulässigkeit
des Rechtswegs, dass also die Sache, weil es sich um „zivilrechtliche
Ansprüche und Verpflichtungen” im Sinn des Art 6 EMRK handelt, vor
die ordentlichen Gerichte und nicht etwa vor Verwaltungsbehörden
gehört, und die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs,
was bedeutet, dass die Rechtssache im Rahmen eines (streitigen)
Zivilprozesses und nicht in einem Verfahren außer Streitsachen zu
behandeln ist → Abgrenzung
zwischen streitigem und außerstreitigem Verfahren Zu erwähnen sind außerdem etwa die Partei-
und Prozessfähigkeit, die Prozesslegitimation, das Unterbleiben
der Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters sowie das Fehlen
der Streitanhängigkeit und der Rechtskraft in derselben Rechtssache. | Sachentscheidungsvoraussetzungen |
Das Fehlen einer relativen Prozessvoraussetzung –
wie etwa der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, der korrekten
Gerichtsbesetzung oder der Einhaltung der Geschäftsverteilung –
muss bei sonstiger Heilung grundsätzlich vor Streiteinlassung durch
den Beklagten geltend gemacht werden. | |
Im Folgenden wird nur die Zuständigkeit des
angerufenen Gerichts näher behandelt, da diese Prozessvoraussetzung in
der Praxis die wichtigste Rolle spielt: | |
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Zu
beachten ist vorerst die
internationale
Zuständigkeit: Sofern nicht völkerrechtliche oder europarechtliche
Rechtsquellen – wie insbesondere die neue Europäische Verordnung
über die Gerichtszuständigkeit (EuGVVO als Nachfolgeregelung für
das Brüsseler Übereinkommen) oder das Übereinkommen von Lugano ( → Rechtsdurchsetzung in Europa)
– und auch keine speziellen nationalen Vorschriften (insbesondere
im Bereich des Ehe- und Familienrechts, zB § 76 Abs 2, § 76b Abs
2, § 76c Abs 3 JN) eingreifen, sind die österreichischen Gerichte
dann für einen Rechtsstreit international zuständig, wenn ein örtlich
zuständiges Gericht in Österreich vorhanden ist. Findet also ein
Kläger nach den Regeln über die örtliche Zuständigkeit (dazu unten)
ein zuständiges Gericht in Österreich, so ist auch die internationale
Zuständigkeit Österreichs gegeben (§ 27a JN). Wenn nicht, muss er
im Ausland klagen. Eine Ausnahme normiert nur § 28 JN, nach dem
der OGH ein österreichisches Gericht als zuständig bestimmen kann,
wenn für einen österreichischen Kläger im Einzelfall die beabsichtigte
Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar ist. | Internationale Zuständigkeit |
Die
sachliche
Zuständigkeit der österreichischen Gerichte hängt entweder
vom Wert des Streitgegenstandes (Wertzuständigkeit) oder von der
Art der Streitsache (Eigenzuständigkeit) ab. Die Bezirksgerichte
sind sachlich zuständig für Rechtssachen, deren Streitwert 10.000
ı nicht übersteigt (§ 49 Abs 1 JN), und – unabhängig vom Streitwert
– beispielsweise für alle familienrechtlichen Streitsachen oder
für Bestandstreitigkeiten (§ 49 Abs 2 JN). Die anderen Streitsachen, welche
jedoch nur rund 10% des Gerichtsanfalls ausmachen, fallen in die
Zuständigkeit der Landesgerichte (§ 50 JN). | Sachliche
Zuständigkeit |
Die Zuständigkeit für Handelssachen regeln
die §§ 51 f JN, jene in Arbeits- und Sozialrechtssachen die §§ 50
und 65 ASGG. | |
Die
örtliche
Zuständigkeit bestimmt sich prinzipiell nach dem Wohnsitz
oder gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten (allgemeiner
Gerichtsstand gem §§ 65 ff JN). Zusätzlich zum allgemeinen Gerichtsstand
bestehen noch eine Vielzahl von besonderen Gerichtsständen (§§ 76
ff JN), nämlich Wahlgerichtsstände, welche der Kläger an Stelle
des allgemeinen Gerichtsstands in Anspruch nehmen darf (zB Gerichtsstand
der Niederlassung [§ 87 JN], des Erfüllungsortes [§ 88 JN] oder
der Schadenszufügung [§ 92a JN]), und ausschließliche Gerichtsstände,
welche andere gesetzliche Gerichtsstände verdrängen; zB für Streitigkeiten
aus dem Eheverhältnis (§ 76 JN) oder der Gerichtsstand der gelegenen
Sache (§ 81 JN). | Örtliche
Zuständigkeit |
Die
gesetzliche Zuständigkeitsordnung kann grundsätzlich auch durch
eine Vereinbarung der Parteien (Gerichtsstandsvereinbarung oder Prorogation)
abgeändert werden (§ 104 JN). Dies gilt vor allem für die örtliche
Zuständigkeit, die mit Ausnahme der sog Zwangsgerichtsstände (insbesondere
im Bereich des Schutzes von Konsumenten; § 14 KSchG) durchwegs durch
(konkrete schriftliche) Parteienvereinbarung festgelegt werden kann.
Die sachliche Zuständigkeit kann hingegen nur im Bereich der Wertzuständigkeit
verändert werden, wobei die Zuständigkeit nur vom Landesgericht
auf das Bezirksgericht (also von oben nach unten und nicht umgekehrt)
verlagert werden kann. |
Prorogation |
Die
Zivilprozessgesetze sind bestrebt, Zuständigkeitsfragen nach Möglichkeit
vor Eintritt in die meritorische Behandlung der Streitsache in einem
möglichst frühen Verfahrensstadium zu erledigen. Daher kann – vereinfacht
gesagt – eine Unzuständigkeit vom angerufenen Gericht nur so lange
von Amts wegen wahrgenommen werden, als es noch keine Verfügung
über die Klage (zB Auftrag zur Klagebeantwortung, Erlassung eines
Zahlungsbefehls oder eines Zahlungsauftrags) getroffen hat. Auch
die beklagte Partei muss die Unzuständigkeit möglichst früh einwenden,
also in der Klagebeantwortung, im Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl
im Gerichtshofverfahren, in den Einwendungen gegen einen Zahlungsauftrag
oder am Beginn der mündlichen Streitverhandlung im bezirksgerichtlichen
Verfahren. Geschieht weder das eine noch das andere, so ist die Unzuständigkeit
geheilt. Nur eine unprorogable Unzuständigkeit – also eine Unzuständigkeit,
die durch eine Vereinbarung der Parteien nicht beseitigt werden
könnte – heilt erst dann, wenn der nicht durch einen Rechtsanwalt
(oder Notar) vertretene Beklagte trotz einer diesbezüglichen Belehrung des
Richters schriftlich oder mündlich zur Sache vorbringt (§ 104 Abs
3 JN). | Wahrnehmung der Unzuständigkeit |
Spricht
ein Gericht seine Unzuständigkeit aus, so hat es – sofern der Kläger
rechtzeitig einen diesbezüglichen Antrag gestellt hat – die Rechtssache
an das von diesem genannte (zuständige) Gericht zu überweisen (§
230a und § 261 Abs 6 ZPO). Bei einer solchen Überweisung bleibt
die Gerichtsanhängigkeit bestehen, was insbesondere deshalb wichtig
ist, weil nur so die verjährungsunterbrechende Wirkung der eingebrachten
Klage aufrecht bleibt (§ 1497 ABGB). | Überweisung |
IV. Die Parteien
und ihre Vertreter | |
| |
Die
Zivilprozessordnung geht von einem Zweiparteiensystem, also vom
Vorhandensein zweier, voneinander verschiedener Rechtssubjekte,
die als Kläger und als Beklagter auftreten,
aus. Da grundsätzlich niemand im eigenen Namen über ein fremdes
Recht oder eine fremde Verpflichtung prozessieren kann, muss der
Kläger behaupten, dass ihm der Anspruch zusteht. Beklagter ist derjenige,
gegen den sich – nach den Behauptungen des Klägers – dieser Anspruch
richtet. | Zweiparteiensystem |
Prozessstandschaft, also
die Befugnis zur Prozessführung, ohne gleichzeitig Träger des Anspruchs
zu sein, ist in Österreich nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen
möglich; zB bei der Veräußerung einer streitverfangenen Sache nach
§ 234 ZPO oder bei der Verbandsklage nach § 54 Abs 1 ASGG oder §§
28 bis 30 KSchG. | |
2.
Partei-
und Prozessfähigkeit | |
Natürliche Personen und juristische
Personen sind ausnahmslos, bestimmte Personenvereinigungen und Vermögensmassen
(Personenhandelsgesellschaften, Wohnungseigentümergemeinschaft,
Konkursmasse, ruhender Nachlass) kraft besonderer gesetzlicher Bestimmung parteifähig. Natürliche
volljährige Personen sind unbeschränkt, Minderjährige nur beschränkt prozessfähig (§§
1 ff ZPO). Kinder unter sieben Jahren sowie juristische Personen
sind nicht prozessfähig. Bei psychisch Kranken und geistig Behinderten
hängt die Prozessfähigkeit vom Ausmaß der Beeinträchtigung ab. Prozessunfähige
können nur durch ihre gesetzlichen Vertreter (Eltern, Sachwalter, Organe)
wirksam Prozesshandlungen setzen. Die Prozessfähigkeit von Ausländern
richtet sich stets nach dem Recht ihres Heimatstaates (§ 3 ZPO). | Partei-
und
Prozessfähigkeit |
| |
In
Rechtsstreitigkeiten vor den Bezirksgerichten, wenn der Streitwert
4.000 ı übersteigt (außer bei Eigenzuständigkeiten), im Gerichtshofverfahren
und generell im Rechtsmittelverfahren müssen auch prozessfähige
Parteien – um wirksam Prozesshandlungen vornehmen zu können – durch einen
Rechtsanwalt vertreten sein (absolute Anwaltspflicht;
§ 27 ZPO). Sonst steht es prozessfähigen Parteien frei, selbst im
Verfahren tätig zu werden oder sich vertreten zu lassen; diese Vertretung
muss dann nur ausnahmsweise (in Ehesachen, bei Eigenzuständigkeiten
des Bezirksgerichts, wenn der Streitwert 4.000 ı übersteigt) durch
einen Rechtsanwalt erfolgen (relative Anwaltspflicht).
In Ausnahmefällen kann die Vertretung auch durch einen Notar erfolgen
(vgl § 5 NO). |
Anwaltspflicht |
Im arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren
besteht in erster Instanz keine Anwaltspflicht (§ 39 Abs 3 ASGG).
Die Parteien können sich überdies in erster und zweiter Instanz
durch „qualifizierte Personen” iSd § 40 Abs 1 ASGG (neben Rechtsanwälten
insbesondere Funktionäre und Arbeitnehmer gesetzlicher Interessenvertretungen
ua) vertreten lassen. | |
| |
Treten auf Kläger- oder Beklagtenseite
mehrere Personen auf, liegt eine Streitgenossenschaft vor (§§ 11
bis 16 ZPO). Stehen diese Personen in einer Rechtsgemeinschaft (zB
mehrere Miteigentümer einer Liegenschaft), sind sie aus demselben
tatsächlichen Grund berechtigt oder verpflichtet (zB Lenker und
Halter eines Fahrzeuges im Schadenersatzprozess) oder prozessieren
sie über gleichartige Ansprüche oder Verpflichtungen (zB mehrere
Dienstnehmer im Verfahren gegen den Dienstgeber), bilden sie eine einfache (materielle
oder formelle) Streitgenossenschaft. Jeder dieser
Streitgenossen bleibt im Verfahren völlig selbständig, kann für
sich über den Streitgegenstand disponieren und somit für sich ein
von den übrigen Streitgenossen verschiedenes Urteil erwirken. | einfache
Streitgenossenschaft |
Im Gegensatz
dazu handelt es sich um eine einheitliche Streitpartei,
wenn aufgrund der Beschaffenheit des Rechtsverhältnisses oder kraft
gesetzlicher Bestimmung (zB § 112 KO: Entscheidung über die Richtigkeit
bestrittener Forderungen im Konkurs wirkt gegenüber allen Konkursgläubigern)
ein Urteil nur einheitlich für oder gegen alle Streitgenossen lauten
kann. Ihre Mitglieder können nur gemeinsam über den Streitgegenstand
verfügen und wirksame Prozesshandlungen setzen. Widersprechen sich
einzelne Prozesshandlungen, gilt nach einer Ansicht die für die
Streitpartei insgesamt günstigere Vorgangsweise (Günstigkeitsprinzip),
nach anderer Ansicht sind solche Prozesshandlungen unwirksam. Die
Untätigkeit oder Säumigkeit einzelner Mitglieder schadet nicht,
wenn wenigstens eines von ihnen tätig geworden ist (Repräsentationsprinzip). | einheitliche Streitpartei |
| |
 | |
Ist ein Verfahren bereits streitanhängig
und hat eine Person ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer
der Streitparteien, kann sie als Nebenintervenient dem
Verfahren auf Seiten dieser Streitpartei beitreten (§§ 17 bis 20
ZPO). Der einfache Nebenintervenient ist grundsätzlich
nur „Streithelfer” und kann daher keine Verfügungen über den Streitgegenstand
treffen. Erstrecken sich die Urteilswirkungen kraft ausdrücklicher
gesetzlicher Bestimmung aber auch auf den Nebenintervenienten, stehen
ihm Parteirechte zu (streitgenössischer Nebenintervenient). | Arten der
Nebenintervention |
V. Das
Verfahren erster Instanz | |
Vgl den Überblick über den Verfahrensablauf
in erster Instanz am Ende dieses Punktes. | |
| |
Dem Dispositionsgrundsatz
entsprechend wird das streitige Verfahren nur auf Antrag einer Partei auf
Gewährung von Rechtsschutz, also durch eine
Klage, eingeleitet.
Die Klage hat Gericht und Parteien genau zu bezeichnen; darüberhinaus
müssen in der Klage der Wortlaut des begehrten Urteilsspruchs (Klagebegehren),
das Vorbringen von Tatsachenbehauptungen und Beweisanträgen, aus
denen das Klagebegehren abgeleitet wird (Klagebegründung) sowie
Angaben zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts enthalten sein.
Einer rechtlichen Qualifizierung des behaupteten Sachverhalts bedarf
es nicht, das ist Sache des Gerichts. Es gilt der Grundsatz „iura
novit curia”. | Einleitung durch Klage |
Man unterscheidet folgende
Klagsarten: | Klagsarten |
a) Leistungsklagen iwS
| Leistungsklagen |
Diese Klagen zielen darauf ab, den Beklagten zu einem • positiven Tun (Leistungsklage
ieS) oder | | • zur Unterlassung eines bestimmten Verhaltens
(
Unterlassungsklage)
– wobei zwischen vorbeugenden Unterlassungsklagen (bei einem erst
drohenden Eingriff) und solchen nach einer erfolgten Rechtsverletzung
unterschieden wird – oder | | • zu einem Dulden bestimmter Maßnahmen oder Handlungen
(
Duldungsklage) zu verurteilen. | |
| |
Im Klagebegehren wird ein Leistungsbefehl
formuliert („Der Beklagte ist schuldig, ...”), der in der Folge
als Exekutionstitel dienen soll. Daneben enthält
jede Leistungsklage implizit auch ein Feststellungsbegehren, und
zwar dass dem Kläger gegenüber dem Beklagten der Leistungsanspruch zusteht. | |
b) Feststellungsklagen
| Feststellungsklagen |
Sie
können (als positive oder negative Feststellungsklagen) gerichtet
werden auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines
Rechtes oder Rechtsverhältnisses oder auf die Echtheit oder Unechtheit
einer Urkunde; § 228 ZPO. | |
Echtheit einer Urkunde bedeutet, dass sie
tatsächlich vom Aussteller stammt, also nicht gefälscht ist. | |
Voraussetzung für eine Feststellungsklage
ist das Vorliegen eines rechtlichen Interesses an
der alsbaldigen Feststellung. Dieses notwendige
Feststellungsinteresse fehlt jedenfalls dann, wenn bereits eine
Leistungsklage möglich ist (Subsidiarität der Feststellungsklage).
Stellt sich im Zuge eines Prozesses heraus, dass ein für die Entscheidung
wesentliches Recht oder Rechtsverhältnis streitig ist (präjudizielle
Vorfrage für das Urteil), kann jede Partei bis zum Schluss der Streitverhandlung
den Antrag stellen, dass über das Bestehen dieses Rechts oder Rechtsverhältnisses
mit Urteil entschieden wird: Zwischenantrag auf Feststellung gemäß
§§ 236, 259 Abs 2 ZPO). | Subsidiarität der
Feststellungsklagen |
c) Rechtsgestaltungsklagen
| Rechtsgestaltungsklagen |
Sie sind gerichtet auf die Begründung, Änderung oder Auflösung
von Rechtsverhältnissen. Da die Rechtsordnung die Gestaltung
privater Rechtsverhältnisse nach dem Prinzip der Privatautonomie
grundsätzlich den Betroffenen überlässt, bildet eine Rechtsgestaltung
durch richterliche Entscheidung eine Ausnahme, die durch Gesetz
vorgesehen sein muss. Ebenso wie die Leistungsklage enthält eine
Rechtsgestaltungsklage (implizit) das Begehren auf Feststellung
des dem Kläger gegen den Beklagten zustehenden Gestaltungsgrundes
und das eigentliche Gestaltungsbegehren. Durch ein stattgebendes
Gestaltungsurteil wird eine neue Rechtslage geschaffen (konstitutive
Wirkung), durch ein stattgebendes Feststellungsurteil hingegen nur
das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts oder Rechtsverhältnisses
festgestellt (deklarative Wirkung). | |
 | |
 | |
Mit
der Einbringung der Klage bei Gericht (Einlangen in der Einlaufstelle)
tritt die
Gerichtshängigkeit der
Streitsache ein, womit insbesondere der Lauf von Verjährungs- und
Ersitzungsfristen unterbrochen wird, sofern der Kläger in der Folge
den Prozess „gehörig fortsetzt” (§ 1497 ABGB). – Die weitere Durchführung
des Verfahrens obliegt allerdings ohnehin grundsätzlich dem Gericht: Amtsbetrieb
→
Verfahrensgrundsätze
| Gerichtshängigkeit |
| |
Das Gericht hat die Klage nach deren Einlangen
auf das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen zu prüfen (a-limine-Prüfung).
Kann das Fehlen einer Prozessvoraussetzung ( →
Prozessvoraussetzungen
insbesondere Gerichtszuständigkeit) bereits
zu diesem Zeitpunkt festgestellt werden und führt die Durchführung
eines Verbesserungsverfahrens zu keinem Erfolg, so ist die Klage
sofort ohne Verhandlung mit (anfechtbarem) Beschluss zurückzuweisen:
a-limine-Zurückweisung. Andernfalls hat das angerufene Gericht dem Beklagten
die Klage zu eigenen Handen zuzustellen – womit das Stadium der
Streitanhängigkeit eintritt
– und gleichzeitig dem Beklagten mit Beschluss zu beauftragen, binnen
vier Wochen eine Klagebeantwortung einzubringen (§ 230 ZPO). | Prüfung
der Klage |
Die Klagebeantwortung ist
das Gegenstück zur Klage. Sie hat ein bestimmtes Begehren (Antrag auf
Abweisung bzw Zurückweisung der Klage) zu enthalten und die Tatsachen
und Umstände, auf welche sich die Einwendungen, Anträge und Einreden
der beklagten Partei gründen, im Einzelnen kurz und vollständig
anzugeben sowie die Beweismittel, deren sich der Beklagte zum Nachweis seiner
Behauptungen bei der Verhandlung zu bedienen beabsichtigt, genau
zu bezeichnen (§ 239 ZPO). Sie dient ferner ua der Erhebung von
Prozesseinreden (insbesondere der Unzuständigkeitseinrede) und der
Stellung eines Antrags auf Sicherheitsleistung für Prozesskosten
durch einen ausländischen Kläger → Prozesskosten (§§ 41 bis 55 ZPO)
| Klagebeantwortung |
Wird fristgerecht eine Klagebeantwortung
eingebracht, hat das Gericht eine mündliche Streitverhandlung so
anzuberaumen , dass den Parteien von der Zustellung
der Ladung an mindestens eine Frist von drei Wochen zur Vorbereitung
für die Streitverhandlung offen bleibt. Bis eine Woche vor dieser
„vorbereitenden Tagsatzung” können die Parteien noch vorbereitende
Schriftsätze mit neuem Vorbringen wechseln (§ 257 ZPO). – Wird hingegen
keine (oder keine fristgerechte) Klagebeantwortung erstattet, so
kann der Kläger die Fällung eines klagsstattgebenden Versäumungsurteils
beantragen →
Säumnisfolgen
| weiterer
Verfahrensablauf |
Im bezirksgerichtlichen
Verfahren ist keine Klagebeantwortung vorgesehen. Der Richter
hat vielmehr (nach der Prüfung der Prozessvoraussetzungen) die Klage
dem Beklagten zuzustellen und sogleich eine (vorbereitende) Tagsatzung
zur inhaltlichen Verhandlung der Rechtssache anzuberaumen. Sind
die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten, so kann das Gericht
ihnen aber auch den vorherigen Wechsel vorbereitender Schriftsätze
auftragen (§ 440 ZPO). | bezirksgerichtliches Verfahren |
Zu beachten ist allerdings,
dass für alle Klagen gegen inländische Beklagte, die auf eine 30.000 Euro
nicht übersteigende Geldleistung gerichtet sind, zwingend ein computerunterstützt
durchgeführtes
Mahnverfahren vorgeschrieben
ist, das in der Praxis eine sehr große Bedeutung hat. Aufgrund der
Mahnklage, die mittels eines amtlichen Formblattes oder auch elektronisch
eingebracht wird, erlässt dann – sofern die Prozessvoraussetzungen
gegeben sind – der Rechtspfleger (bzw der Richter) ohne Anhörung
des Beklagten einen
Zahlungsbefehl. Dieser enthält einerseits
den Auftrag an den Beklagten, innerhalb von 14 Tagen bei sonstiger
Exekution die eingeklagte Forderung sowie die Kosten des (Mahn-)Verfahrens
zu bezahlen, und andererseits die Belehrung, dass gegen diesen Zahlungsbefehl
innerhalb von vier Wochen ab Zustellung des Zahlungsbefehls Einspruch
erhoben werden kann. Der Einspruch des Beklagten
bedarf im bezirksgerichtlichen Verfahren keiner Vertretung durch
einen Rechtsanwalt und auch keiner Begründung; im Gerichtshofverfahren
gilt hingegen Anwaltspflicht und der Einspruch hat den Inhalt einer
Klagebeantwortung aufzuweisen. Ein rechtzeitiger Einspruch führt
dazu, dass der Zahlungsbefehl außer Kraft gesetzt und das ordentliche
Verfahren eingeleitet wird. Ein Zahlungsbefehl, gegen den nicht rechtzeitig
Einspruch erhoben wurde, wird rechtskräftig und bildet einen Exekutionstitel
(§§ 244 ff, 448 ZPO). | Mahnverfahren |
Vgl dazu
die ADV-Form Verordnung 2002 (AFV 2002, BGBl II 510) und die V über
den Elektronischen Rechtsverkehr (ERV 1995, BGBl 559). | |
3. Mündliche
Streitverhandlung und richterliche Prozessleitung | |
 | |
Die mündliche Streitverhandlung (§§
171 bis 225 ZPO), die regelmäßig aus mehreren Tagsatzungen (= Verhandlungsterminen)
besteht, dient vornehmlich der Behandlung der Hauptsache. Sie gibt
den Parteien Gelegenheit zur Darlegung ihres Standpunktes, einer
allfälligen (mündlichen) Ergänzung ihres Vorbringens und umfasst
die Beweisaufnahme und Erörterung der Beweisergebnisse. | mündliche
Streitverhandlung |
Der Richter
eröffnet, leitet und schließt die mündliche Streitverhandlung (§§
180 bis 192 ZPO). Im Rahmen der formellen Prozessleitungsbefugnis obliegt
ihm ua die amtswegige Zustellung von Schriftsätzen und Ladungen,
die Anberaumung und Vertagung von Verhandlungen, die Bestimmung
verschiedener Fristen, Verbindung oder Trennung mehrerer Verfahren
und die Unterbrechung des Verfahrens. Daneben ist der Richter verpflichtet,
durch Befragung und Belehrung der Parteien, durch Verbesserungsaufträge,
Aufträge zur Vorlage von Urkunden, amtswegige Beweisaufnahmen usw
für die vollständige Beschaffung und Erörterung der Entscheidungsgrundlagen
zu sorgen (materielle Prozessleitungsbefugnis). Im bezirksgerichtlichen
Verfahren trifft den Richter eine über die materielle Prozessleitung
hinausgehende Anleitungs- und Belehrungspflicht („Manuduktionspflicht”)
gegenüber jenen Personen, die nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten
sind. |
Manuduktionspflicht |
Die mündliche Streitverhandlung wird regelmäßig
mit einer sogenannten „vorbereitenden Tagsatzung”
eingeleitet (§ 258 ZPO). Sie dient der Entscheidung über Prozesseinreden,
dem Vortrag der Parteien, der Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens
der Parteien, der Vornahme eines Vergleichsversuchs sowie – bei
dessen Scheitern – der Erörterung des weiteren Fortganges des Prozesses
und der Bekanntgabe des „Prozessprogramms” und schließlich – soweit
zweckmäßig – auch der Einvernahme der Parteien und dem Beginn der
Durchführung des Beweisverfahrens. Um die gewünschte umfassende
Erörterung des Sachverhaltes und allfälliger Vergleichsmöglichkeiten
sicherzustellen, sollen (nicht nur die Vertreter, sondern auch)
die Parteien oder informierte Personen an der vorbereitenden Tagsatzung
teilnehmen. | vorbereitende
Tagsatzung |
4.
Beweisverfahren (§§
266 bis 383 ZPO) | |
Die
Beweisaufnahme hat grundsätzlich immer durch das erkennende Gericht
in der mündlichen Streitverhandlung zu erfolgen (Grundsatz der Unmittelbarkeit).
Nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen (§§ 328, 368, 375 ZPO:
wenn beispielsweise die Beweisaufnahme vor dem erkennenden Gericht
mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder erheblichen Schwierigkeiten
verbunden wäre) dürfen Beweise von einem anderen Richter (das ist
regelmäßig der im Rechtshilfeweg ersuchte Richter eines beweisnahen
Bezirksgerichts; §§ 36 ff JN) aufgenommen werden. Außerdem können
unter bestimmten Voraussetzungen Beweisaufnahmen aus anderen gerichtlichen
Verfahren verwendet werden (§ 281a ZPO). | Unmittelbarkeitsgrundsatz |
Das
Gericht hat in dem bereits erwähnten „Prozessprogramm”
(früher: Beweisbeschluss) darüber zu entscheiden, welche konkreten
Beweismittel zu welchen konkreten Tatsachenbehauptungen aufgenommen
werden. Diese Entscheidung kann jederzeit abgeändert oder ergänzt
werden. | Prozessprogramm |
Als Beweismittel nennt
die Zivilprozessordnung (§§ 292 ff ZPO) ausdrücklich Urkunden, Zeugen, Sachverständige und
den Augenschein; weiters können auch die Parteien zum
Beweis streitiger Tatsachen vernommen werden. Anders als Zeugen
können sie jedoch nicht (zum Erscheinen und) zur Aussage gezwungen
werden; die Weigerung unterliegt aber der freien Würdigung des Gerichts
(§ 381 ZPO). Außer diesen fünf klassischen Beweismitteln kommen
als weitere Beweismittel noch alle Erkenntnisquellen in Frage, deren
Verwertung nach den Regeln des gerichtlichen Beweisverfahrens (§§
266 bis 291 ZPO) möglich ist. Nach der Durchführung der Beweisaufnahme
sind deren Ergebnisse mit den Parteien mündlich zu erörtern (Beweiserörterung:
§ 278 Abs 2 ZPO). | Beweismittel |
Bei der Beurteilung der Beweisergebnisse
ist das Gericht nur hinsichtlich der Beweiskraft und Echtheit von
öffentlichen Urkunden (und des gerichtlichen Verhandlungsprotokolls)
an gesetzliche Beweisregeln gebunden, sonst kann es sich „unter
sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung
und Beweisführung nach freier Überzeugung” ein Urteil darüber bilden, ob
es vom Bestehen der zu beweisenden Tatsachen überzeugt werden konnte
(Grundsatz der freien Beweiswürdigung: § 272 ZPO). | freie
Beweiswürdigung |
Steht eine Forderung dem Grunde nach fest,
lässt sich deren Höhe aber nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten
und Kosten beweisen, kann das Gericht ohne Durchführung eines Beweisverfahrens
die Höhe nach freier Überzeugung festsetzen (§ 273 Abs 1 ZPO). Diese
Beweiserleichterung wurde von der ZVN 2002 bei Ansprüchen, die 1.000
ı nicht übersteigen, auch auf den Bestand der Forderung ausgedehnt
(§ 273 Abs 2 ZPO). | |
| |
Besteht die Gefahr,
dass zum Zeitpunkt der Beweisaufnahme im Verfahren ein Beweismittel
nicht mehr oder nur mehr unter erschwerten Bedingungen verfügbar
ist, oder ist der gegenwärtige Zustand einer Sache festzustellen,
hat die beweisführende Partei bereits vor Einleitung eines Verfahrens,
aber auch noch während eines bereits laufenden Verfahrens, die Möglichkeit,
einen Antrag auf Beweissicherung zu stellen (§§
384 bis 389 ZPO). | Beweissicherung |
Zuständig dafür ist das Prozessgericht; in dringenden Fällen
oder wenn der Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, das Bezirksgericht,
in dessen Sprengel sich das Beweisobjekt befindet. Nach Überprüfung
der Zulässigkeit beraumt das Gericht eine Tagsatzung an, in der
die Beweisaufnahme durchgeführt und ein Beweisprotokoll über
die Ergebnisse der Beweisaufnahme angefertigt wird, das dann im
Prozess verwertet werden kann. Die Kosten der Beweissicherung hat
(vorerst) der Antragsteller zu tragen. | |
6. Schluss
der mündlichen Streitverhandlung | |
Hält
das Gericht die Streitsache für vollständig erörtert und entscheidungsreif,
verkündet es mit Beschluss den Schluss der mündlichen Streitverhandlung;
§ 193 ZPO. Das Urteil ergeht dann nach der Rechtslage und nach den
Beweisergebnissen zu diesem Zeitpunkt; ab jetzt gilt das Neuerungsverbot →
Neuerungsverbot
| Verhandlungsschluss |
7.
Urteil (§§ 390 bis 424 ZPO) | |
Das Urteil ist die
durch das Gericht gefällte Sachentscheidung über einen von den Parteien gestellten
Urteilsantrag (Klagebegehren, Aufrechnungseinwendung, Zwischenantrag
auf Feststellung). Das Gericht hat das Urteil unmittelbar nach dem
Schluss der Streitverhandlung mündlich zu verkünden und innerhalb
von vier Wochen schriftlich auszufertigen. Die von der ZPO als Ausnahme
vorgesehene Unterlassung der mündlichen Verkündung bildet in der
Rechtspraxis allerdings den Regelfall: Zumeist wird das Urteil nicht
sofort mündlich verkündet, sondern der schriftlichen Ausfertigung
vorbehalten (§§ 414 ff ZPO). | Urteilsfällung |
Erledigt
das Urteil den Rechtsstreit in vollem Umfang, spricht man von einem Endurteil (§
390 ZPO). Ist nur ein Teil des Rechtsstreits entscheidungsreif,
kann das Gericht ein Teilurteil fällen (§§ 391
f ZPO). Hat eine der Parteien einen Zwischenantrag auf Feststellung
gestellt oder ist neben der Höhe des Anspruchs auch der Anspruchsgrund
streitig, kann das Gericht in einem Zwischenurteil über
den Zwischenantrag entscheiden oder das Bestehen des Anspruchsgrundes
feststellen (§ 393 ZPO). Bei Anerkenntnis des Beklagten oder Verzicht
des Klägers ist auf Antrag der Gegenpartei ein
Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil (§§
394 f ZPO), im Fall der Säumnis einer Partei auf Antrag der anwesenden
Partei ein
Versäumungsurteil ( →
Säumnisfolgen)
zu fällen. | Urteilsarten |
Das
Urteil hat neben den formellen Angaben über das Gericht, die Parteien
und deren Vertreter insbesondere die Entscheidung über das Klagebegehren
(Urteilsspruch) und die Entscheidungsgründe zu enthalten. Letztere
müssen neben einer kurzen Darstellung des wesentlichen Parteivorbringens und
der gestellten Anträge den festgestellten Sachverhalt, die Beweiswürdigung
und die rechtliche Beurteilung umfassen. Die Entscheidung über die
Prozesskosten ist – obwohl eigentlich ein Beschluss – in das Urteil
aufzunehmen. | Urteilsinhalt |
Wurde das Urteil in Gegenwart beider Parteien
mündlich verkündet und hat keine der Parteien rechtzeitig eine Berufung
angemeldet, kann eine gekürzte Urteilsausfertigung (Formalangaben,
Urteilsspruch und Sachverhalt, soweit er zur Bestimmung der Rechtskraftgrenzen
erforderlich ist) erfolgen (§ 417a ZPO). Bei Anerkenntnis- und Verzichtsurteilen,
wenn sie in Gegenwart beider Parteien verkündet worden sind, und
bei Versäumungsurteilen besteht die Möglichkeit einer vereinfachten
Urteilsausfertigung (Formalangaben und Urteilsspruch). | |
8.
Beschluss (§§ 425 bis 430
ZPO) | |
Gerichtliche Entscheidungen,
in denen nicht über die Sache selbst, sondern über prozessuale Fragen und
über Kosten entschieden wird, werden als Beschlüsse bezeichnet.
Sie dienen einerseits als prozessleitende Beschlüsse der zweckmäßigen
und erfolgreichen Durchführung des Verfahrens (zB Ladungen, Prozessprogramm,
Verbindung mehrerer Verfahren, Unterbrechung), entscheiden andererseits
als Beschlüsse nicht prozessleitender Natur über sonstige verfahrensrechtliche
Fragen (Prozessvoraussetzungen, Verfahrenshilfe, Prozesskosten).
Fehlen etwa Prozessvoraussetzungen, so ist die Klage – wie bereits
erwähnt – jederzeit (sofern keine Heilung eingetreten ist) mit (verfahrensbeendendem)
Beschluss zurückzuweisen. | Beschlussarten |
In der Verhandlung
gefällte Beschlüsse müssen mündlich verkündet werden und bedürfen
nur ausnahmsweise einer schriftlichen Ausfertigung (§ 426 ZPO).
Außerhalb einer mündlichen Verhandlung gefasste Beschlüsse sind
den Parteien schriftlich auszufertigen (§ 427 ZPO). – Eine Begründung
brauchen Beschlüsse nur zu enthalten, wenn sie einen Antrag (ganz
oder zum Teil) abweisen oder über widerstreitende Anträge ergehen
(§ 428 ZPO). | |
| |
Versäumt
eine Partei die Vornahme einer Prozesshandlung, indem sie diese
nicht innerhalb der vorgesehenen Frist oder zum vorgeschriebenen
Zeitpunkt vornimmt, ist sie grundsätzlich von einer späteren Vornahme
der versäumten Handlung ausgeschlossen (§ 144 ZPO: Präklusion).
– Ist eine befristete Prozesshandlung schriftlich vorzunehmen (etwa
die Erhebung eines Rechtsmittels), ist die Frist gewahrt, wenn das
Schriftstück (nachweislich) am letzten Tag der Frist zur Post gegeben wird;
§ 89 Abs 1 GOG → KAPITEL 13: Materielle
und formelle Fristen. | Präklusion |
Erstattet
die beklagte Partei die Klagebeantwortung nicht rechtzeitig oder
bleibt sie (im Gerichtshofverfahren) trotz Einbringung einer Klagebeantwortung,
eines Einspruchs im Mahnverfahren oder von Einwendungen im Mandatsverfahren
von der nachfolgenden „vorbereitenden Tagsatzung” aus, so hat das
Gericht auf Antrag des (erschienenen) Klägers ein Versäumungsurteil zu
fällen. Entscheidungsgrundlage dafür ist das von der nicht säumigen
Partei erstattete Vorbringen, welches vom Gericht für wahr zu halten
ist (§ 396 ZPO). Im bezirksgerichtlichen Verfahren wird auf Antrag
ein Versäumungsurteil erlassen, wenn eine der Parteien von einer Tagsatzung
ausbleibt, bevor sie sich durch mündliches Vorbringen zur Hauptsache
in den Streit eingelassen hat (§ 442 Abs 1 ZPO). |
Versäumungsurteil |
Zur
Abwendung von Säumnisfolgen (zB Versäumung prozessualer Fristen)
kann die säumige Partei, wenn sie unverschuldet oder wenigstens
nur leicht fahrlässig am rechtzeitigen Erscheinen vor Gericht oder
an der rechtzeitigen Vornahme der Prozesshandlung gehindert worden
ist, binnen 14 Tagen ab Wegfall des Hindernisses
Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand (§§ 146 bis 154 ZPO) beantragen. Mit
dem Antrag, in dem alle Rechtfertigungsgründe und Bescheinigungsmittel enthalten
sein müssen, hat die Partei gleichzeitig die versäumte Prozesshandlung
nachzuholen. | Wiedereinsetzung in den vorigen Stand |
Gegen
ein Versäumungsurteil (nur) wegen nicht rechtzeitig erstatteter
Klagebeantwortung steht dem Säumigen neben der Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand auch ein Widerspruch zu (§ 397a
ZPO). – Im bezirksgerichtlichen Verfahren ist ein Widerspruch gegen
ein gefälltes Versäumungsurteil ausgeschlossen, wenn die säumige
Partei schon einmal einen Widerspruch eingebracht oder wenn sie
bereits einen Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl oder Einwendungen
im (Wechsel)Mandats- oder im Bestandverfahren erhoben hatte (§ 442a
ZPO). Der Widerspruch ist binnen 14 Tagen ab Zustellung des Versäumungsurteils
zu erheben und bedarf im Gegensatz zur Wiedereinsetzung keiner Rechtfertigung
für die Säumnis, muss aber den Inhalt der (versäumten) Klagebeantwortung
aufweisen und ermöglicht außerdem nicht (mangels einer „restitutio
in integrum”) das Nachholen präkludierter Anträge (insbesondere
der Einrede der Unzuständigkeit). | Widerspruch |
 | Abbildung .1: Verfahrensablauf in erster Instanz |
|
VI. Das
Rechtsmittelverfahren | |
| |
Die ZPO kennt
folgende Rechtsmittel: Berufung, Revision und Rekurs bzw
Revisionsrekurs. Mit der Berufung können nur Urteile des Erstgerichts,
mit der (ordentlichen und außerordentlichen) Revision nur Urteile
des Berufungsgerichts angefochten werden. Der Rekurs dient der Anfechtung von
Beschlüssen des Erstgerichts, des Berufungsgerichts und – als (ordentlicher
oder außerordentlicher) Revisionsrekurs – der Anfechtung von Beschlüssen
des Rekursgerichts. | Arten der Rechtsmittel |
Den
Rechtsmitteln kommt grundsätzlich (den Eintritt der Rechtskraft
und der Vollstreckbarkeit) aufschiebende und (in
die nächsthöhere Instanz) aufsteigende Wirkung zu;
Suspensiv- und Devolutiveffekt. Eine Ausnahme bilden die außerordentliche
Revision, die nie (§ 505 Abs 3 ZPO), und der Rekurs, der nur in
wenigen gesetzlich vorgesehenen Fällen die Vollstreckbarkeit der
angefochtenen Entscheidung aufschiebt (§ 524 ZPO). Dem Gegner des
Rechtsmittelwerbers ist rechtliches Gehör zu gewähren: Zweiseitigkeit
der Rechtsmittel. Eine Ausnahme stellt wiederum das Rekursverfahren
dar, das grundsätzlich als einseitiges Verfahren konzipiert ist;
nur in Einzelfällen (§ 521a ZPO) ist auch das Rekursverfahren zweiseitig
(zB das Verfahren gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts
oder wenn die Klage nach Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen
worden ist). | Wirkungen |
2. Zulässigkeitsvoraussetzungen | |
Ein Rechtsmittel
ist nur dann zulässig und auf seine Begründetheit zu überprüfen,
wenn es verschiedene Voraussetzungen erfüllt: Das Rechtsmittel muss rechtzeitig innerhalb
der gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittelfrist beim Erstgericht eingebracht
werden und den notwendigen Inhalt aufweisen. Dazu
gehören neben der Bezeichnung des Gerichts, der Parteien und der
angefochtenen Entscheidung die Erklärung, in welchem Umfang die
Entscheidung angefochten wird (Rechtsmittelerklärung),
die Anführung der Rechtsmittelgründe, auf die sich
der Rechtsmittelwerber stützt, sowie der Antrag, das Urteil entweder
aufzuheben oder auf eine vom Rechtsmittelwerber anzugebende Weise
abzuändern (Rechtsmittelantrag). Zur Einbringung
eines Rechtsmittels sind nur die Parteien des Verfahrens, streitgenössische
Nebenintervenienten und einfache Nebenintervenienten (letztere allerdings
nicht gegen den Willen der Partei) berechtigt. Das Rechtsmittel
ist schließlich nur dann zulässig, wenn der Rechtsmittelwerber durch
die angefochtene Entscheidung beschwert, das heißt in seinen Rechten
beeinträchtigt ist. | Voraussetzungen |
| |
 | |
Das
Neuerungsverbot bildet ein bestimmendes Merkmal des österreichischen
Rechtsmittelverfahrens. Es umfasst zum einen das Verbot, neue Ansprüche
und Einreden zu erheben, zum anderen das Verbot, neue Tatsachen
und Beweismittel vorzubringen. Betroffen davon sind Klagsänderungen
und neue Sacheinwendungen (zB Verjährung) sowie Tatsachen und Beweismittel,
die in erster Instanz nicht vorgebracht worden sind. Hinzuweisen
ist darauf, dass die Rechtsprechung das Neuerungsverbot strenger
handhabt, als dies die gesetzliche Regelung des § 482 ZPO vom Wortlaut
her gebieten würde. In einigen wenigen besonderen streitigen Verfahren
gilt das Neuerungsverbot nicht (etwa im Abstammungsverfahren oder
im Verfahren zur Nichtigerklärung oder Feststellung des [Nicht-]Bestehens
einer Ehe). | Neuerungsverbot |
In zeitlicher Hinsicht stellt das Neuerungsverbot auf den
Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz ab → Schluss
der mündlichen Streitverhandlung Die
Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung kann daher nur auf der
Grundlage von zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Sachanträgen und
Tatsachenvorbringen erfolgen. Das führt letztlich dazu, dass dem
Verfahren erster Instanz, speziell was den Sachverhalt betrifft,
besondere Bedeutung zukommt. | |
4.
Berufung
(§§ 461 bis 501 ZPO) | |
 | |
Die Berufung ist
gegen alle Urteile erster Instanz zulässig und muss innerhalb
von
vier Wochen ab Zustellung des Urteils
erhoben werden. Wurde das Urteil in Anwesenheit beider Parteien mündlich
verkündet, ist die Berufung nur dann zulässig, wenn sie zusätzlich
sofort nach der Verkündung des Urteils oder binnen 14 Tagen ab der
Zustellung der Protokollsabschrift über diese Verhandlung schriftlich
angemeldet wird. Als Berufungsgründe gelten Nichtigkeit des Verfahrens
(zB das Fehlen einer absoluten Prozessvoraussetzung, Verletzung
des rechtlichen Gehörs; vgl
§ 477 ZPO), das Vorliegen von sonstigen Verstößen gegen Verfahrensnormen,
die geeignet sind, die Richtigkeit der Entscheidung zu beeinträchtigen
(zB unvollständige Sachverhaltsfeststellung), unrichtige Beweiswürdigung,
Aktenwidrigkeiten und unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache. Übersteigt
der Wert des Entscheidungsgegenstandes im erstinstanzlichen Urteil
nicht 2.000 ı, kann Berufung nur wegen Nichtigkeit oder unrichtiger
rechtlicher Beurteilung erhoben werden (§ 501 ZPO). Eine (mündliche)
Berufungsverhandlung ist nur auf Antrag einer Partei oder wenn es
das Berufungsgericht für erforderlich hält (etwa bei Überprüfung
der Beweiswürdigung des Erstgerichts) durchzuführen. | Berufung |
Je nach Sachlage entscheidet das Berufungsgericht
mit Urteil (wenn es das Ersturteil bestätigt oder abändert) oder sonst
mit Beschluss (wenn es etwa das angefochtene Urteil aufhebt und
dem Erstgericht die Ergänzung des mangelhaft gebliebenen Verfahrens
aufträgt oder die Klage infolge Fehlens einer absoluten Sachentscheidungsvoraussetzung
zurückweist). | |
5.
Revision (§§ 502 bis 513 ZPO) | |
 | |
Die Revision ist
das Rechtsmittel gegen Urteile des Berufungsgerichts an den OGH.
Sie ist nur dann zulässig, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstandes
im Berufungsverfahren 4.000 ı übersteigt und die Entscheidung von
der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt (ordentliche
Revision). Die Zulässigkeitsgrenze von 4.000 ı gilt ausnahmsweise
nicht in bestimmten familien- und bestandrechtlichen Streitigkeiten
(§ 502 Abs 5 ZPO). Erhebliche Bedeutung hat eine
Rechtsfrage dann, wenn ihre Lösung zur Wahrung der Rechtseinheit,
Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung notwendig ist, etwa weil
die Rechtsprechung des OGH zu dieser Frage uneinheitlich ist oder
überhaupt fehlt oder weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung
des OGH abweicht (§ 502 Abs 1 ZPO). An den Ausspruch des Berufungsgerichts
ist der OGH aber nicht gebunden. Er kann also eine erhobene ordentliche
Revision immer noch als unzulässig zurückweisen, weil er der Ansicht
ist, dass eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung tatsächlich
nicht vorliegt. | Zulässigkeit der Revision |
Hat
das Berufungsgericht bei einem Entscheidungsgegenstand zwischen
4.000 und 20.000 ı ausgesprochen, dass eine (ordentliche) Revision
mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann die
beschwerte Partei einen (mit einer ordentlichen Revision verbundenen)
Antrag an das Berufungsgericht stellen, diesen Ausspruch abzuändern.
Hält das Berufungsgericht diesen Antrag für nicht stichhältig, so
weist es ihn samt der eingebrachten Revision (endgültig) als unzulässig zurück:
Der Weg zum OGH bleibt verschlossen. Erachtet es ihn für berechtigt,
hat es seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision mit
Beschluss abzuändern und die eingebrachte Revision dem OGH vorzulegen
(§ 508 ZPO). Bei einem Streitwert von über 20.000 ı kann trotz eines
negativen Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts eine außerordentliche
Revision erhoben werden, in welcher der Revisionswerber (auch) die
Unrichtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts über die Unzulässigkeit
der (ordentlichen) Revision dartun muss. In diesem Fall prüft der
OGH vorerst, ob überhaupt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung
vorliegt – und damit die erhobene Revision zulässig ist – und bejahendenfalls
dann die Berechtigung der (zulässigen) Revision. | |
 | Abbildung 19.2: Überblick über die Zulässigkeit der Revision (R) |
|
Die Revision kann
aus folgenden Gründen erhoben werden: Wegen Nichtigkeit
des erst- oder zweitinstanzlichen Verfahrens, wegen Vorliegens wesentlicher
Verfahrensmängel des Berufungsverfahrens (wesentliche Verfahrensmängel
im erstinstanzlichen Verfahren können dagegen nach der stRsp nicht
mehr geltend gemacht werden), wegen Aktenwidrigkeit des Berufungsurteils
und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Einzubringen
ist die Revision binnen einer Notfrist von vier Wochen beim Erstgericht. | Revisionsgründe |
Der OGH entscheidet ohne mündliche Verhandlung mit Urteil,
wenn er das Berufungsurteil bestätigt oder abändert, sonst mit Beschluss. | |
6.
Rekurs (§§ 514 bis 528a ZPO) | |
Beschlüsse
der ersten Instanz sind grundsätzlich mit Rekurs anfechtbar.
Liegt der Streitwert unter 2.000 Euro ist der Rekurs nur in bestimmten
einzelnen Fällen zulässig; zB wenn die Einleitung oder Fortsetzung
des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage verweigert wurde oder
gegen die Prozesskostenentscheidung (§ 517 ZPO). | Rekurs |
Gegen
Beschlüsse des Berufungsgerichts ist der Rekurs an den OGH nur zulässig,
wenn die Berufung oder die Klage wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen
oder das Berufungsgericht die Zurückverweisung der Rechtssache an
die erste Instanz zur Verfahrensergänzung verfügt hat. Im letzten
Fall ist der Rekurs an den OGH zudem nur dann zulässig, wenn das
Berufungsgericht ausdrücklich die Zulässigkeit ausgesprochen hat,
was nur bei einem Entscheidungsgegenstand von über 4.000 ı und Vorliegen
einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zulässig ist (§ 519
ZPO). | |
Der Revisionsrekurs gegen
Beschlüsse des Rekursgerichts an den OGH ist ua jedenfalls unzulässig
gegen voll bestätigende Beschlüsse des Rekursgerichts, gegen Beschlüsse,
deren Entscheidungsgegenstand 4.000 ı nicht übersteigt, und gegen
Kostenentscheidungen. Außerhalb dieser Fälle ist die Zulässigkeit
analog der Revisionszulässigkeit geregelt, es muss also eine Rechtsfrage von
erheblicher Bedeutung vorliegen (§ 528 ZPO). | Revisionsrekurs |
Die
Rekurs wird grundsätzlich durch die Überreichung einer Rekursschrift
beim Erstgericht erhoben (§ 520 Abs 1 ZPO). Die Rekursfrist beträgt
beim einseitigen Rekurs 14 Tage, beim zweiseitigen Rekurs – außer
beim Kostenrekurs (hier ebenfalls nur 14 Tage) – vier Wochen (§
521 ZPO). Rekursgründe sind in der ZPO zwar nicht
ausdrücklich aufgezählt, von der hM werden jedoch Nichtigkeit, wesentliche
Verfahrensfehler, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung
(idR aber nicht eine unrichtige Tatsachenfeststellung) als taugliche
Rekursgründe anerkannt. Über einen erhobenen Rekurs oder Revisionsrekurs
entscheiden die Rechtsmittelgerichte ohne Durchführung einer mündlichen
Verhandlung. | |
| |
Die Zivilprozessordnung kennt
zwei Rechtsmittelklagen, mit denen die Aufhebung einer die Sache erledigenden
Entscheidung und (in der Regel) eine neue Verhandlung und Entscheidung
begehrt werden: Zum einen die
Nichtigkeitsklage (§
529 ZPO), mit der besonders gravierende Verfahrensfehler (nämlich
die Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Unparteilichkeit des
Richters) auch nach Eintritt der Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung
geltendgemacht werden können, und zum anderen die
Wiederaufnahmsklage (§§
530, 531 ZPO), wenn sich die Entscheidungsgrundlage im Nachhinein
als falsch oder unvollständig erweist, weil Umstände bekannt geworden sind,
die geeignet gewesen wären, eine andere Entscheidung herbeizuführen.
Besondere Bedeutung kommt der Wiederaufnahmsklage im Zusammenhang
mit dem streng gehandhabten Neuerungsverbot ( →
Neuerungsverbot)
zu, weil sie die Möglichkeit bietet, die frühe Präklusion von Tatsachenvorbringen
und Beweisanträgen (bei Schluss der mündlichen Streitverhandlung
erster Instanz) zu korrigieren, wenn der Partei kein Verschulden
an der Unvollständigkeit anzulasten ist. Beide Rechtsmittelklagen
kommen in der Praxis aber nur selten vor. | Nichtigkeits-
und Wiederaufnahmsklage |
VIII. Besondere
Verfahrensarten | |
| |
 | |
Das
Urkundenverfahren (§§ 548 bis 559 ZPO) gewährleistet die rasche
Durchsetzung von Ansprüchen auf Geld oder vertretbare Sachen. Der
Kläger hat bereits mit der Klage jene Urkunden (öffentliche oder
beglaubigte private Urkunden) oder Wechsel- oder Scheckurkunden
vorzulegen, die geeignet sind, die von ihm behaupteten rechtserzeugenden
Tatsachen zu beweisen (mandatsfähige Urkunden). Nach Prüfung der
Prozessvoraussetzungen erlässt das Gericht einen Zahlungsauftrag,
der nur mit begründeten Einwendungen bekämpft werden kann. Die Einwendungen bewirken
die Hemmung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit des Zahlungsauftrages
und führen zur Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung
(vorbereitende Tagsatzung). Das Gericht spricht schließlich nach
der Durchführung der Verhandlung mit Urteil aus, ob der Zahlungsauftrag
aufrechterhalten oder aufgehoben wird. |
Mandats-
und Wechselmandatsverfahren |
Wegen der vergleichsweise geringen Bedeutung
des Urkundenwesens und der großen Bedeutung des obligatorischen Mahnverfahrens ( → Vorverfahren)
ist das Urkundenverfahren in Österreich nur zur Durchsetzung von
Wechsel- und Scheckansprüchen gebräuchlich. | |
2.
Arbeits-
und sozialgerichtliches Verfahren | |
 | |
Das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz (ASGG)
von 1985 enthält einerseits besondere Verfahrensbestimmungen, die
generell anzuwenden sind (§§ 36 ff ASGG), andererseits Sonderbestimmungen
nur für das Verfahren in Arbeitsrechtssachen (§§ 49 ff ASGG) sowie
solche nur für Sozialrechtssachen (§§ 64 ff ASGG) und verweist schließlich
subsidiär auf die für die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen
anzuwendenden Vorschriften (§ 2 Abs 1 ASGG). | ASGG |
Zu den allgemeinen Vorschriften zählen
etwa die sehr eingeschränkte Zulässigkeit von Gerichtsstands- und
Schiedsvereinbarungen (§§ 9 ASGG), die Laienbeteiligung in Form
von fachkundigen Laienrichtern (§§ 10 ff ASGG), eine beschleunigte
Verfahrensdurchführung (§ 39 Abs 1 ASGG), die erweiterte Anleitungs-
und Belehrungspflicht für das Gericht (§ 39 Abs 2 ASGG), Ausnahmen von
der Anwaltspflicht (§ 40 ASGG) und erweiterte Rechtsmittelmöglichkeiten
(§ 44 ASGG). | allgemeine
Regelungen |
Zu den Abweichungen, die nur in Arbeitsrechtssachen (ds
vor allem Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern;
vgl § 50 ASGG) gelten, zählen zB die Möglichkeit besonderer Feststellungsverfahren
(§ 54 ASGG), der Entfall einer Klagebeantwortung (§ 59 ASGG), die Anwendbarkeit
des bezirksgerichtlichen Mahnverfahrens (§ 56 ASGG), die vorläufige
Wirksamkeit erstinstanzlicher Entscheidungen, gegen die Berufung
eingelegt worden ist (§ 61 ASGG) und die Geltung einer Neuerungserlaubnis
für die Berufung, wenn die Partei in der ersten Instanz nicht qualifiziert
vertreten war (§ 63 ASGG). | besondere
Regelungen |
Für die Sozialrechtssachen (iSd
§ 65 ASGG) wird in § 67 ASGG die sukzessive Kompetenz für Leistungsansprüche
angeordnet, auf welche die Sonderregeln über die Wirkungen einer
Klage (§ 71 ASGG), die Klagszurücknahme (§ 72 ASGG) und die Beurteilung
von Vorfragen (§ 74 ASGG) Bedacht nehmen. Darüber hinaus bestehen
ua abweichende Vorschriften für die Rechtsnachfolge (§ 76 ASGG),
den Klagsinhalt (§ 82 ASGG), die Klagsänderung (§ 86 ASGG), das
Beweisverfahren (§ 87 ASGG), die vorläufige Leistungserbringung
(§§ 89, 91 ASGG) und das Rechtsmittelverfahren (§ 90 ASGG). | |
3.
Bestandverfahren
und Besitzstörungsverfahren | |
 | |
Das Bestandverfahren (§§
560 bis 576 ZPO) betrifft insbesondere Streitigkeiten um die Beendigung
von Miet- und Pachtverhältnissen an unbeweglichen Sachen und soll(te
ursprünglich) der möglichst raschen Erlangung eines Exekutionstitels
zur Räumung oder Übergabe eines Bestandobjektes dienen. | Bestandverfahren |
Das Besitzstörungsverfahren (§§
454 bis 459 ZPO) soll raschen Schutz des letzten ruhigen Besitzstandes
gegen Störung und Entziehung des Besitzes gewährleisten. Die Besitzstörungsklage muss
bei sonstiger Unzulässigkeit innerhalb von 30 Tagen ab Kenntnis
der Störung (oder Entziehung) und der Person des Störers (Entziehers)
eingebracht werden. Die Entscheidung erfolgt – obwohl es sich um
eine Sachentscheidung handelt – in Form des „Endbeschlusses”, der
mit (zweiseitigem) Rekurs (binnen vier Wochen) angefochten werden
kann. | Besitzstörungsverfahren |
Weitere besondere Verfahrensvorschriften bestehen
etwa für Ehesachen (§§ 460 ZPO), für
Abstammungsstreitigkeiten (Art
V UeKindG) oder für Amtshaftungs- und in
Organhaftpflichtverfahren (geregelt im AHG, BGBl 1949/20,
und OrgHG, BGBl 1967/181) → KAPITEL 12: Die
Amtshaftung ¿ AHG 1948. | |
IX.
Prozesskosten und Verfahrenshilfe | |
1. Prozesskosten (§§ 41 bis 55 ZPO) | |
 | |
Nach
dem Prinzip der Erfolgshaftung hat die Partei, die im Verfahren
gänzlich obsiegt, Anspruch auf Ersatz der gesamten Prozesskosten.
Dazu gehören neben den Gerichtskosten (zB Gerichtsgebühren, Zeugengebühren)
und den Vertretungskosten (zB Rechtsanwaltshonorar) auch vorprozessuale
Kosten, die einer Partei schon vor Einleitung des Verfahrens erwachsen
sind (zB Kosten der Beweissicherung). Bei teilweisem Obsiegen reduziert
sich dieser Anspruch auf das Verhältnis des Obsiegens. | Prozesskosten |
Durchbrochen wird das Erfolgshaftungsprinzip
etwa dann (Kostenseparation), wenn durch schuldhaft verspätetes Sach-
oder Beweisvorbringen Mehrkosten verursacht werden: Das Gericht
kann unter diesen Voraussetzungen einer Partei ohne Rücksicht auf
den Prozesserfolg den Ersatz dieser Kosten auftragen. Ähnliches
gilt unabhängig vom Verschulden in bestimmten, im Gesetz vorgesehenen
Fällen (zB bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, beim Widerspruch
gegen ein Versäumnisurteil). Hat der Beklagte zur Klagserhebung
nicht Anlass gegeben und erkennt er den klägerischen Anspruch bei
erster Gelegenheit an, so treffen die Kosten den (obsiegenden) Kläger
(§ 45 ZPO). | |
Diese Kostenersatzregelungen gelten auch im Rechtsmittelverfahren,
wobei der Enderfolg über die Pflicht zur Tragung der Kosten sämtlicher
Instanzen entscheidet. | |
Die Kostenentscheidung
erfolgt mittels Beschluss und ist in die das Verfahren
beendende Sachentscheidung aufzunehmen. Sie kann (für sich allein)
mit einem zweiseitigen (Kosten)Rekurs angefochten werden. | Kostenentscheidung |
Ist die Durchführung
einer Beweisaufnahme mit erhöhten Kosten verbunden, kann das Gericht einer
oder beiden Parteien einen
Kostenvorschuss auferlegen, dessen
Nichterlegung zur Folge hat, dass das Verfahren ohne den beantragten
Beweis weitergeführt wird. Überhaupt kann einem ausländischen Kläger,
der kein Vermögen im Inland besitzt, auf Antrag des Beklagten zur
Sicherung der Kostenersatzpflicht eine
Sicherheitsleistung auferlegt
werden (§§ 56 ff ZPO). Leistet der Kläger die Sicherheit nicht,
ist über Antrag des Beklagten die Klage für zurückgenommen zu erklären.
Für Kläger aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder aus
einem Vertragsstaat des Luganer Übereinkommens ist die Auferlegung
einer solchen aktorischen Kaution freilich ausgeschlossen,
weil durch diese Rechtsquellen sichergestellt ist, dass eine österreichische
Entscheidung auch im Heimatstaat des Klägers vollstreckt werden
kann. | Sicherheitsleistung |
2. Verfahrenshilfe
(§§ 63 bis 73 ZPO) | |
Ist eine Partei
nicht imstande, ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen
Unterhalts die Prozesskosten zu bestreiten, kann ihr auf
Antrag und nach Vorlage eines Vermögensbekenntnisses Verfahrenshilfe
gewährt werden. Dies gilt auch für juristische Personen und Vermögensmassen
(zB Konkursmasse, Nachlass), wenn weder sie selbst noch die wirtschaftlich
Beteiligten die Mittel zur Führung des Verfahrens aufbringen können.
In jedem Fall darf freilich die Rechtsverfolgung (oder Rechtsverteidigung)
nicht offenbar mutwillig oder aussichtslos sein. | Voraussetzungen |
Die
Verfahrenshilfe besteht in der vorläufigen Befreiung von bestimmten
Verfahrenskosten, kann aber gegebenenfalls auch die unentgeltliche
Beigabe eines Rechtsanwalts umfassen (§ 64 ZPO). Die Auswahl des
Rechtsanwalts trifft (wegen der spezifischen Regelung der staatlichen
Vergütung für Verfahrenshilfeleistungen) die örtliche Rechtsanwaltskammer.
Es gilt hier also keine freie Anwaltswahl, jedoch ist den Wünschen
der Partei nach Möglichkeit zu entsprechen (§ 67 ZPO). | Umfang |
Die
Verfahrenshilfe ist beim Prozessgericht erster Instanz (oder auch
beim Bezirksgericht des Aufenthalts des Antragstellers) schriftlich
oder mündlich zu Protokoll zu beantragen (§ 65 ZPO). Mit dem Antrag
hat die Partei ein aktuelles Bekenntnis über ihre Vermögens-, Einkommens-
und Familienverhältnisse (§ 66 ZPO). Für dieses
Vermögensbekenntnis besteht
ein amtliches Formblatt: ZPForm 1. Der Antrag auf Bewilligung der
Verfahrenshilfe, mit dem auch die Beigebung eines Rechtsanwalts
begehrt wird, unterbricht einschlägige Fristen: zB die Klagebeantwortungsfrist
oder die Einspruchsfrist gegen einen Zahlungsbefehl. Die Entscheidung
des Erstgerichts kann von beiden Parteien angefochten werden, ein
Revisionsrekurs ist jedoch jedenfalls unzulässig. | Verfahren |
X.
Schiedsgerichtsbarkeit
und andere Rechtsschutzalternativen | |
1. Das schiedsrichterliche
Verfahren | |
 | |
Die Schiedsgerichtsbarkeit stellt
eine klassische Alternative zum staatlichen Rechtsschutz dar. Bisweilen
haben nämlich die Parteien ein Interesse daran, ihren (zivilrechtlichen)
Rechtsstreit nicht vor den ordentlichen Gerichten nach den Regeln
der staatlichen Prozessordnung sondern vor anderen Organen, die
nicht in die staatliche Organisation eingebunden sind, auszutragen.
Die Zivilprozessordnung respektiert diese Wünsche insoweit dadurch
nicht schützenswerte Interessen der Parteien beeinträchtigt werden
und gibt daher in einem eigenen Abschnitt (§§ 577 bis 599 ZPO) nur
rechtliche Rahmenbedingungen für das schiedsrichterliche Verfahren
vor. | Schiedsgerichtsbarkeit |
Gründe für
die Wahl der Schiedsgerichtsbarkeit sind insbesondere Geheimhaltungsinteressen
der Parteien (der Öffentlichkeitsgrundsatz gilt dort nicht) sowie
die Möglichkeit, besonders fachkundige und das Vertrauen der Parteien
genießende Fachleute als Richter auswählen zu können. Schiedsrichterliche
Verfahren dauern auch häufig weniger lang als staatliche Verfahren
(mit ihrem aufwändigen Instanzenzug). Andererseits sind Schiedsverfahren idR
nicht billiger als staatliche Verfahren und auch nur eingeschränkt
überprüfbar. Ein großes Problem der Schiedsgerichtsbarkeit liegt
ferner in der Sicherstellung der Objektivität der
Schiedsrichter und in der Gefahr, dass der wirtschaftlich stärkere
Vertragspartner dem schwächeren ein nachteiliges Schiedsgericht
aufzwingt. | Gründe |
Die Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit
liegt vor allem im internationalen Wirtschaftsverkehr,
weil damit für die Parteien die Wahl neutraler Schiedsgerichtsorte
mit flexiblen Schiedsgerichtsordnungen möglich ist und Schiedssprüche
häufig einfacher in fremden Staaten zu vollstrecken sind als staatliche
Urteile. Bezüglich der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer
Schiedssprüche besteht nämlich ein UN-Übereinkommen vom 10. 6. 1958,
das von über 120 Staaten (und auch von Österreich: BGBl 1961/200)
ratifiziert worden ist, und das ausländische Schiedssprüche den
inländischen grundsätzlich gleichstellt. | Internationale
Schiedsgerichtsbarkeit |
Voraussetzung
für die Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens ist ein Schiedsvertrag für
einen bestimmten Rechtsstreit oder für Rechtsstreitigkeiten
aus einem bestimmten Rechtsverhältnis (§ 577 ZPO). Dieser muss schriftlich abgeschlossen
werden (oder in Telegrammen, Fernschreiben oder in elektronischen
Erklärungen enthalten sein, die die Parteien gewechselt haben) und
sich auf einen Gegenstand beziehen, über den die Parteien einen
Vergleich abschließen können also schiedsfähig (=
vergleichsfähig) sein. Ein gültiger Schiedsvertrag begründet die
Entscheidungsbefugnis des Schiedsgerichts, bindet die Parteien sowie
deren Rechtsnachfolger und gewährt, wenn der Anspruch dennoch bei
Gericht eingeklagt wird, die Einrede der prorogablen Unzuständigkeit. | Voraussetzungen |
Der Schiedsvertrag ist zu unterscheiden
vom Schiedsgutachtervertrag, bei dem einem Dritten
die Feststellung einer Tatsache überlassen wird (zB die Höhe eines
Schadens), und vom Schiedsrichtervertrag, der mit den Schiedsrichtern
über die Ausübung ihrer Tätigkeit (zB Honorarfrage) abgeschlossen
wird. | |
Die Zivilprozessordnung enthält insbesondere
dispositive Regeln über die Schiedsrichterbestellung und teils zwingende
Bestimmungen über das einzuhaltende Verfahren. Kann der (oder können
die) Schiedsrichter keine vergleichsweise Regelung erzielen (Schiedsvergleich),
erfolgt die Entscheidung in der Form eines Schiedsspruchs,
der, wenn im Schiedsvertrag kein Rechtsmittel an ein Oberschiedsgericht
vorgesehen ist, die Wirkungen eines gerichtlichen Urteils hat
(§ 594 ZPO). Er bildet – soweit er Leistungen zuspricht – nach Ablauf
der Leistungsfrist einen Exekutionstitel, aufgrund dessen die gerichtliche
Zwangsvollstreckung beantragt werden kann (§ 1 Z 16 EO). | Schiedsvergleich
– Schiedsspruch |
Nur
aus ganz bestimmten, im Gesetz (§ 595 ZPO) taxativ aufgezählten
Gründen (zB Verletzung des rechtlichen Gehörs, Vorliegen von Wiederaufnahmsgründen,
Unwirksamkeit des Schiedsvertrags) kann der Schiedsspruch beim staatlichen
Gericht mit einer Aufhebungsklage angefochten werden. | Anfechtung |
Der
österreichische Gesetzgeber fördert in letzter Zeit die Verlagerung
von Rechtsstreitigkeiten zu Schiedsgerichten: Durch Beschlüsse der
zuständigen Kammerorgane können bei den Rechtsanwaltskammern und
den Notariatskammern (institutionelle) Schiedsgerichte (mit Unterwerfungszuständigkeit)
für private Rechtsstreitigkeiten eingerichtet werden: § 59 RAO und
§ 188 NO jeweils idF ZVN 2002. | |
2. Weitere Rechtsschutzalternativen | |
 | |
Die ZPO sieht vor, dass sowohl bereits vor
der Einleitung eines gerichtlichen Rechtsstreites (durch die Klagseinbringung)
ein Vergleichsversuch vor einem Bezirksgericht vorgenommen (sog prätorischer
Vergleich nach § 433 ZPO) als auch, dass im Lauf eines
gerichtlichen Verfahrens (insbesondere in der vorbereitenden Tagsatzung)
auf Antrag oder von Amts wegen eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits
versucht werden kann (§ 204 ZPO). Ein protokollierter gerichtlicher Vergleich bildet
einen Exekutionstitel (§ 1 Z 5 EO). | gerichtlicher
Vergleich |
Die
außergerichtliche Schlichtung von Streitigkeiten hat bisher in Österreich
– nicht zuletzt wegen eines funktionierenden Zivilverfahrensrechts
– keine große Rolle gespielt. Einem internationalen Trend folgend
besinnt sich jedoch auch der österreichische Gesetzgeber in jüngster
Zeit vermehrt auf die Möglichkeiten einer alternativen Streitbeilegung.
Insbesondere haben in den letzten Jahren
Mediationsverfahren erfolgreich
Einzug in die österreichische Rechtspraxis und zum Teil auch in die
Rechtsordnung gehalten; vgl § 99 EheG idF EheRÄG 1999 und Art XVI
KindRÄG 2001 oder etwa die bekannte Mediation zum Flughafenausbau
in Wien: http://www.viemediation.at/
| Mediation |
Als Gründe für
die zunehmende Inanspruchnahme der Methoden der Mediation werden
genannt: die oft negativen Erfahrungen mit den (weitgehend starren)
staatlichen (Massen)Verfahren, der insbesondere in der Wirtschaft
bestehende Zeitdruck („time is money”), Kostengründe – die Kosten
eines Mediationsverfahrens sind relativ gut abschätzbar und häufig
niederer als jene eines Gerichtsverfahren – sowie insbesondere der
Wunsch der Parteien nach einer privatautonomen und selbständig erarbeiteten
flexiblen Konfliktlösung, mit der bestehende (Vertrags)Beziehungen
für die Zukunft erhalten oder wenigstens nicht vollständig zerstört
werden. | Gründe |
Der Gesetzgeber hat daher
vor kurzem mit dem
Zivilrechts-Mediations-Gesetz (BGBl
I 2003/29) einen rechtlichen Rahmen für die Mediation in Zivilrechtssachen
(also in Konflikten, für deren Entscheidung an sich die ordentlichen
Gerichte zuständig sind) geschaffen, der stufenweise – zuletzt mit
1. 5. 2004 – in Kraft tritt. In § 1 ZivMediatG wird Mediation als
„eine auf Freiwilligkeit der Parteien beruhende Tätigkeit” definiert,
„bei der ein fachlich ausgebildeter, neutraler Vermittler (Mediator)
mit anerkannten Methoden die Kommunikation zwischen den Parteien
systematisch mit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbst
verantwortete Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen.” | ZivMediatG |
Regelungsgegenstand des
neuen Gesetzes sind insbesondere die Voraussetzungen und das Verfahren
für die Eintragung von Personen in die Liste der eingetragenen Mediatoren
(§§ 8 ff; vgl auch die Zivilrechts-Mediations-Ausbildungsverordnung
BGBl II 2004/47) sowie die Voraussetzungen und das Verfahren für
die Eintragung von Ausbildungseinrichtungen und Lehrgängen für Mediation
in Zivilrechtssachen (§§ 23 ff), ferner die Rechte und Pflichten
der eingetragenen Mediatoren (§§ 15 ff) und etwa die Einrichtung
eines Beirats für Mediation beim BMJ (§§ 4 ff). | Wer regelt das
neue Gesetz? |
Verfahrensrechtlich bedeutsam ist es,
dass nach § 22 ZivMediatG der Beginn und die gehörige Fortsetzung
einer Mediation durch einen eingetragenen Mediator Anfang und Fortlauf
der Verjährung sowie sonstiger Fristen zur Geltendmachung
der von der Mediation betroffenen Rechte und Pflichten hemmen. | Hemmung
der Verjährung |
Weiters sieht
der (neu gefasste) § 320 Z 4 ZPO vor, dass eingetragene Mediatoren
in Ansehung dessen, was ihnen im Rahmen der Mediation anvertraut
oder sonst bekannt wurde, nicht als Zeugen vernommen werden
dürfen. Es handelt sich also um ein von Amts wegen zu beachtendes Beweisaufnahmeverbot,
das im Interesse der Förderung des Vertrauensverhältnisses zwischen Medianden
und Mediator normiert worden ist. Eine Entbindung von dieser Verschwiegenheitspflicht (vgl
§ 18 ZivMediatG) durch die Parteien ist nicht möglich. | Beweisaufnahmeverbot |
Schließlich
wird das Gericht durch eine Ergänzung des § 204 ZPO (generell) angewiesen,
im Zuge von gerichtlichen Vergleichsgesprächen auch auf (außergerichtliche)
Einrichtungen hinzuweisen, die zur einvernehmlichen Lösung von Konflikten
geeignet sind. Dadurch konnte die bisherige, speziell für Ehestreitigkeiten
bestandene Reglung des § 460 Z 7a ZPO aufgehoben werden. | Anbindung an Zivilprozess |
Bemerkenswert
ist in diesem Zusammenhang, dass jetzt Art III Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004 (BGBl
I 2003/91) sogar einen zwingend vorgeschriebenen Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung
vorsieht: Vor der Einbringung einer Klage im Zusammenhang mit dem
Entzug von Licht oder Luft durch fremde Bäume oder Pflanzen (§ 364
Abs 3 ABGB) hat ein Nachbar vorerst eine geeignete Schlichtungsstelle
zur gütlichen Einigung zu befassen. Die Klage ist erst dann zulässig,
wenn nicht längstens innerhalb von 3 Monaten ab Einleitung des Schlichtungverfahrens eine
gütliche Einigung erzielt worden ist. | obligatorischer Schlichtungsversuch |
F. Das außerstreitige
Verfahren |
Von Peter G. Mayr | |
 | |
| |
Im Gegensatz zur Zivilprozessordnung
wird das mit kaiserlichem Patent vom 9. 8. 1854 eingeführte Gesetz
über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz
– AußStrG) allgemein als dringend einer umfassenden Reform
bedürftig angesehen. Das AußStrG wurde ursprünglich vorwiegend als
Rechtsfürsorgeverfahren für besonders schutzwürdige Personen geschaffen.
Es bewirkte im Vergleich zu der damals parallel für das streitige
Verfahren gültigen Allgemeinen Gerichtsordnung von 1781 ein moderneres,
weniger formgebundenes und flexibleres Verfahren, das dem Richter
mehr Möglichkeiten für eine aktive Verfahrensgestaltung einräumte;
Vorteile, die inzwischen aber längst von der ZPO 1895 für das streitige
Verfahren übernommen und ausgebaut worden sind. | Rechtslage |
Schwachstellen des geltenden Außerstreitverfahrensrechts
bilden aus heutiger Sicht etwa die nur sehr rudimentäre Regelungen
des (auf alle „außerstreitigen” Verfahren anzuwendenden) Allgemeinen
Teils (bloß 19 Paragraphe!), der modernen rechtsstaatlichen Ansprüchen
häufig nur noch durch eine ergänzende (oder korrigierende) Auslegung
der kargen Bestimmungen durch die Rechtsprechung genügen kann, weiters
das Fehlen einer generellen Verweisung auf die ZPO zum Schließen
der zahlreichen Regelungslücken, ferner die (oftmals nicht verständliche)
Verweisung vieler Rechtssachen, die an sich streitiger Natur sind,
in das Außerstreitverfahren sowie eine Fülle von besonderen, in verschiedenen
Gesetzen festgelegten und von den allgemeinen Regeln des AußStrG
abweichenden Verfahrensbestimmungen für zahlreiche Rechtsmaterien,
wodurch ein einheitliches Verfahrenskonzept nur noch schwer erkennbar
ist. | |
Die seit langer Zeit geplante Gesamtreform des
Außerstreitverfahrensrechts konnte vor kurzem mit der Beschlussfassung
eines neuen Außerstreitgesetzes, das am 1. Jänner
2005 in Kraft treten wird, abgeschlossen werden. In Punkt V wird
ein erster Überglich über die wichtigsten Neuerungen dieser umfassenden
Reform gegeben. | Reform |
II. Abgrenzung
zwischen streitigem und außerstreitigem Verfahren | |
Wegen
der – soeben erwähnten – (positivrechtlichen) Verweisung zahlreicher
zivilrechtlicher Rechtssachen in das Außerstreitverfahren ist eine
inhaltliche Unterscheidung zwischen Rechtsstreitigkeiten, die nach
den Bestimmungen der ZPO zu behandeln sind, und Rechtssachen (bzw
-angelegenheiten), über die von den Gerichten nach den Vorschriften
des AußStrG (bzw von ergänzenden Spezialvorschriften) zu verfahren
ist, nicht mehr möglich. Es muss daher eine formelle Abgrenzung genügen:
Für die Grenzziehung zwischen Streit- und Außerstreitsachen ist
gem § 1 AußStrG entscheidend, ob eine Rechtssache kraft gesetzlicher
Anordnung ausdrücklich oder zumindest aufgrund ihrer Beschaffenheit
unmissverständlich dem außerstreitigen Verfahren zuzuordnen ist
oder nicht. Insbesondere jene Rechtssachen, die vom Rechtsfürsorgegedanken
dominiert werden, gehören in das Außerstreitverfahren. Mangelt es
an einer eindeutigen oder unmissverständlichen Zuordnung, ist die
Rechtssache im streitigen Verfahren zu erledigen. Eine Disposition der
Parteien über die Anwendung des streitigen oder des außerstreitigen
Verfahrens ist nicht möglich. | Schwierige Abgrenzung |
Zu den wichtigsten
Anwendungsbereichen des Außerstreitverfahrens gehören etwa das
Verlassenschaftsverfahren (§§
20 ff AußStrG), das Verfahren in
Vormundschafts-
und
Kuratelsangelegenheiten (§§
181 ff AußStrG) sowie in Eheangelegenheiten (insbesondere
die einvernehmliche Scheidung: §§ 220 ff AußStrG) und bei Adoptionen
(§§ 257 ff AußStrG), ferner die Sachwalterbestellung für
behinderte Personen (§§ 236 ff AußStrG) und die Unterbringung
psychisch kranker Personen in Krankenanstalten (UnterbringungsG),
weiters zahlreiche Angelegenheiten des Wohnrechts, das
Grundbuchs-
und das
Firmenbuchverfahren usw. | Anwendungsbereich |
Ob
eine Rechtssache im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu
behandeln ist, richtet sich nicht nach der Bezeichnung durch die
Partei (Klage oder außerstreitiger Antrag) sondern nach dem Inhalt
des gestellten
Begehrens. Wenn (aufgrund
einer Einrede der anderen Partei oder von amtswegigen Bedenken des
Gerichts) zweifelhaft ist, welches Verfahren anzuwenden ist, hat
das Gericht darüber (in jeder Lage des Verfahrens) mit (anfechtbarem)
Beschluss zu entscheiden (§ 40a JN). Stellt sich nun heraus, dass
das gestellte Rechtsschutzbegehren im falschen Verfahren behandelt
worden ist, ist das durchgeführte Verfahren für nichtig zu erklären
und das gestellte Rechtsschutzbegehren (ev nach Durchführung eines
Verbesserungsverfahrens) im richtigen (streitigen oder außerstreitigen)
Rechtsweg zu behandeln. Nach Rechtskraft der Entscheidung in der
Hauptsache kommt eine Beseitigung des Verfahrens, das im falschen
(streitigen oder außerstreitigen) Rechtsweg durchgeführt worden
ist, aber nicht mehr in Frage. | Inhalt des Begehrens entscheidet |
| |
Die
Durchführung des Außerstreitverfahrens obliegt den ordentlichen
Gerichten; es gibt keine eigenen „Außerstreitgerichte”. Sachlich
zuständig sind im Regelfall die Bezirksgerichte (§ 104a JN),
nur ausnahmsweise (zB für die Führung des Firmenbuchs oder für die
Todeserklärung) die Landesgerichte (bzw das HG Wien); auch dort
herrscht Einzelrichterbesetzung. Die örtliche Zuständigkeit wird
in den §§ 105 ff JN sowie in diversen Sondergesetzen geregelt. Eine
Veränderung der gesetzlichen Zuständigkeit durch Vereinbarung der
Parteien ist grundsätzlich (ausgenommen für außerstreitige Eheangelegenheiten)
unzulässig. Wird ein unzuständiges Gericht angerufen, hat dieses
seine Unzuständigkeit jederzeit von Amts wegen wahrzunehmen und
die Rechtssache an das zuständige Gericht zu überweisen (§ 44 JN). | Zuständigkeit |
Die internationale Zuständigkeit Österreichs
ergibt sich entweder aus Rechtsquellen der Europäischen Union (insbesondere
EuGVVO und EuEheVO) bzw des Völkerrechts (etwa LGVÜ) oder aus innerstaatlichen
Vorschriften (etwa §§ 110, 113b, 114a Abs 4 JN). | |
IV. Verfahrensbesonderheiten | |
Durch die bestehenden
zahlreichen Sonderbestimmungen ist das geltende Außerstreitverfahren äußerst
inhomogen, insbesondere muss häufig zwischen sogenannten „außerstreitigen”
und „streitigen” Außerstreitsachen unterschieden werden. Dennoch
können einige signifikante Abweichungen zum streitigen
Verfahren (nach den Bestimmungen der ZPO) hervorgehoben werden: | Besonderheiten |
• So kann etwa in manchen Bereichen (insbesondere
Verlassenschaftsverfahren) ein Außerstreitverfahren – im Gegensatz
zum streitigen Verfahren – (nicht [nur] auf Antrag einer Partei,
sondern [auch]) von Amts wegen eingeleitet werden (
Offizialgrundsatz). | |
• Alle Tatsachen, die für die Entscheidung erheblich
sind, hat das Gericht von sich aus, ohne Rücksicht auf das Verhalten
der Beteiligten, zu ermitteln, für die Stoffsammlung gilt also der
Untersuchungsgrundsatz,
woraus sich auch ergibt, dass es im Außerstreitverfahren keine Säumnisentscheidungen
gibt. | |
• Das Prinzip der Öffentlichkeit und Mündlichkeit
des Verfahrens sowie der Grundsatz der Unmittelbarkeit kommen
im außerstreitigen Verfahren nur eingeschränkt zur Anwendung. Hingegen
ist auch im Außerstreitverfahren der Grundsatz der Gewährung (allseitigen)
rechtlichen Gehörs jedenfalls
zu beachten. | |
• Anders als im streitigen Verfahren mit seinem
(strengen) Zweiparteiensystem ist im Außerstreitverfahren auch ein mehrseitigen
Verfahren mit mehreren Parteien möglich, da alle Personen
als Beteiligte (bzw Parteien) gelten (und damit Teilnahmerechte
haben), deren rechtlich geschützte Interessen durch das Verfahren
oder die anschließende Entscheidung unmittelbar berührt werden. | |
• Die Parteien sind im Regelfall weder im erstinstanzlichen
noch im Rechtsmittelverfahren verpflichtet, sich durch einen Rechtsanwalt
vertreten zu lassen, es herrscht also (grundsätzlich) keine Anwaltspflicht.
Die einschlägigen Vorschriften über die Verfahrenshilfe sind jedoch
im Außerstreitverfahren sinngemäß anzuwenden. | |
• Ein Kostenersatz ist im Außerstreitverfahren
nicht vorgesehen, sodass jede Partei ihre anfallenden Kosten grundsätzlich
selbst zu tragen hat. | |
• Sowohl Sachentscheidungen als auch Entscheidungen
über verfahrensrechtliche Fragen ergehen einheitlich in Form von Beschlüssen. | |
•
An Rechtsmitteln sind
im AußStrG (§§ 9 ff) der Rekurs und der Revisionsrekurs vorgesehen. Darüberhinaus
können erstinstanzliche Entscheidungen mit einer Vorstellung bekämpft
werden. Diesem Rechtsmittel fehlt die aufsteigende Wirkung (der
Suspensiveffekt) und ihm kann nur dann stattgegeben werden, wenn
andere Personen (Verfahrensgegner oder dritte Personen) durch die
angefochtene Entscheidung noch keine Rechte erlangt haben. Sie hat
daher nur eine geringe praktische Bedeutung. Der Rekurs gegen erstinstanzliche
Entscheidungen ist unbeschränkt zulässig. Das Vorbringen von neuen
Tatsachen und neuen Beweisanboten ist zwar ex lege zulässig, diese
Neuerungserlaubnis wird von der Rechtsprechung aber sehr einschränkend gehandhabt.
Gegen Beschlüsse der zweiten Instanz kann ein Revisionsrekurs an
den OGH gerichtet werden (§§ 14 ff AußStrG). Dessen Zulässigkeit
ist ähnlich wie im streitigen Verfahren die Zulässigkeit einer Revision
geregelt →
Revision (§§ 502 bis 513 ZPO): Abgesehen von Angelegenheiten, in denen ein
Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist (zB Kosten, Verfahrenshilfe),
muss daher grundsätzlich eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung
vorliegen, um den OGH anrufen zu können. | Rechtsmittel |
• Die Zulässigkeit von Wiederaufnahms-
oder Nichtigkeitsklagen im Außerstreitverfahren
hat die ständige Rechtsprechung bis vor kurzem stets verneint. | |
•
Außerstreitige
(Leistungs)Entscheidungen bilden einen Exekutionstitel (§ 1 Z 6
EO) und können entweder mit den Mitteln der Exekutionsordnung oder
durch „angemessene Zwangsmittel” vollstreckt werden
(§ 19 AußStrG). | |
V. Wesentliche Neuerungen im AußStrG 2003 | |
Nach langjährigen Vorbereitungsarbeiten
konnte zum Jahresende 2003 (endlich) ein neues Bundesgesetz über
das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen
(Außerstreitgesetz – AußStrG) beschlossen werden
(BGBl I 2003/111), das am 1. 1. 2005 in Kraft treten wird. Nach
dem Willen des Gesetzgebers sollen mit dieser Reform die bisherigen
Regelungsdefizite beseitigt und eine moderne, den Grundsätzen der
Rechtsstaatlichkeit, aber auch dem besonders hilfeorientierten und
friedensrichterlichen Charakter des Außerstreitverfahrens Rechnung
tragende, eigenständige Verfahrensordnung geschaffen werden, die
insb auch geeignet ist, die Lebensverhältnisse des Alltagslebens
zukunftsorientiert zu regeln. | AußStrG neu |
Im Allgemeinen
Teil des neuen Außerstreitgesetzes sind folgende wesentliche
Neuerungen hervorzuheben: | Allgemeiner Teil |
• Umschreibung des Parteibegriffs mit
materiellen Komponenten | |
• Erleichterungen hinsichtlich der Bestimmtheit des
Antrags | |
• besondere richterliche Anleitungs-
und Belehrungspflichten
| |
• Sicherstellung des rechtlichen Gehörs zB
durch Einführung einer generellen Zweiseitigkeit von Rechtsmitteln | |
• Neuregelung der Vertretungspflicht
| |
• Regelung der Öffentlichkeit und Mündlichkeit der
Verhandlung | |
• Betonung des Grundsatzes der amtswegigen Sachverhaltsermittlung (Untersuchungsgrundsatz) mit Mitwirkungspflichten der
Parteien | |
• (punktuelle) Verweise auf
die Bestimmungen der ZPO über Protokolle, Akten,
Sitzungspolizei, Verfahrenshilfe, Fristen und die Zustellung | |
• Möglichkeit einer Unterbrechung und
eines Ruhens des Verfahrens | |
• Möglichkeit des Innehaltens des
Verfahrens bis zu sechs Monaten | |
• Beseitigung des Rechtsmittels der Vorstellung und
der Möglichkeit der Verweisung auf den Rechtsweg
| |
• Regelung des Rechtsmittelverfahrens mit
Einschränkung der Neuerungserlaubnis | |
• Regelung des Eintritts der Wirksamkeit bzw.
der Vollstreckbarkeit von Entscheidungen | |
• Regelung der Kostenersatzpflicht
| |
• Einführung eines Abänderungsverfahrens (entsprechend
den Rechtsmittelklagen) | |
• Regelung über Zwangsmaßnahmen und die Vollstreckung außerstreitiger
Entscheidungen | |
Im Besonderen
Teil des neuen Außerstreitgesetzes finden sich – teilweise
grundlegend neu gefasste – Bestimmungen über das Verfahren in Ehe-,
Kindschafts- und Sachwalterschaftsangelegenheiten, über das Verlassenschaftsverfahren
sowie über Beurkundungen und die freiwillige Feilbietung. Im Verlassenschaftsverfahren
stellt ua die Integration der Entscheidung über das Erbrecht in
das außerstreitige Verfahren eine wesentliche Neuerung dar: Eine
Verteilung der Klägerrolle und eine darauffolgende Erbrechtsklage
ist jetzt nicht mehr vorgesehen. Künftig wird das Verlassenschaftsgericht
das Erbrecht des oder der Erben feststellen und die übrigen Erbantrittserklärungen,
die nicht zur Grundlage der Einantwortung werden, abweisen. | Besonderer Teil |
Mit einem
umfangreichen Außerstreit-Begleitgesetz (BGBl I
2003/112) werden (ab 1. 1. 2005) zahlreiche auf verschiedene Rechtsquellen
verstreute Vorschriften an die neue Rechtslage angepasst und teilweise
auch inhaltlich novelliert, so zB das Notwegegesetz und das Eisenbahnenteignungsgesetz.
Ein eigenes Wohnrechtliches Außerstreitbegleitgesetz (BGBl
I 2003/113) nimmt schließlich eine Anpassung und Neuordnung der
in vielen Bereichen des Wohnrechts geltenden besonderen (außerstreitigen)
Verfahrensregeln vor und novelliert insofern insb das MRG und das WEG
2002. | Außerstreit-Begleitgesetze |
|
Von Hans Broll | |
 | |
Das Exekutions- oder Zwangsvollstreckungsverfahren ist in
einem eigenen Gesetz, der Exekutionsordnung (EO), geregelt, welches
Teil jener „Zivilprozeßgesetze” ist, die Ende des 19. Jahrhunderts
entstanden sind. Die Grundwertungen decken sich mit jenen der übrigen
Zivilprozeßgesetze (ZPO, JN). Neu gegenüber der vorhergehenden Gesetzeslage
war die soziale Komponente, welche zu einer stärkeren Berücksichtigung
der Interessen des Schuldners und gleichzeitig zu größerer Wirtschaftlichkeit
der Vollstreckungsmaßnahmen führte. Zur notwendigen Anpassung des betagten
Gesetzes an die heutigen Erfordernisse wurden in jüngerer Zeit in
Etappen größere Teile der EO reformiert, etwa in den Jahren 1991,
1995 und 2000, zuletzt wurden mit der EO-Novelle 2003 die Befugnisse
der Gerichtsvollzieher neu geregelt. | |
Neben der „gewöhnlichen” Exekution (zur Befriedigung) ist
in der EO auch eine Exekution zur Sicherstellung (§ 368 ff EO) vorgesehen. | |
| |
Inhalt des Verfahrens ist die Befriedigung eines Anspruchs,
für den bereits ein Exekutionstitel vorliegt, der meist also bereits
Gegenstand eines Verfahrens war. | |
Ein großer Teil der gerichtlichen Aufgaben im Exekutionsverfahren
wird von Rechtspflegern erledigt. Dem Richter sind nur besonders
wichtige Angelegenheiten vorbehalten; zB Vollstreckbarerklärung
ausländischer Exekutionstitel, Verhängung von Haft usw. Bei der
Durchführung der bewilligten Exekution, dem Vollzug,
wird als Vollstreckungsorgan der Gerichtsvollzieher tätig, der
in hohem Ausmaß selbständig (insbesondere bei der Fahrnisexekution),
wenn auch unter gerichtlicher Kontrolle, die Vollzugsaufträge auszuführen
hat. | |
Die Parteien, die sich
im Exekutionsverfahren gegenüberstehen, werden als
betreibender
Gläubiger und Verpflichteter bezeichnet. | Parteien |
Das Exekutionsverfahren umfasst zwei
Stadien: das Bewilligungsverfahren und den Exekutionsvollzug.
Das Verfahren baut auf jenem der ZPO auf und soweit die EO keine
besonderen Regelungen enthält, sind die Bestimmungen der ZPO (subsidiär)
anzuwenden (§ 78 EO). | Gliederung
des Verfahrens |
In Exekutionssachen
entscheidet ein Einzelrichter beziehungsweise der Rechtspfleger.
Zuständig für Exekutionsbewilligung und Vollzug ist immer ein Bezirksgericht.
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Ort des Exekutionsobjekts,
jenem der ersten notwendigen Exekutionshandlung oder dem Wohnsitz
des Verpflichteten. Zuständigkeitsvereinbarungen der Parteien sind nicht
erlaubt. | Zuständigkeit |
| |
Die Entscheidungen im Exekutionsverfahren ergehen in Form
von Beschlüssen. | |
| |
| |
Auch
im Exekutionsverfahren gilt der Dispositionsgrundsatz,
etwa hinsichtlich der Verfahrenseinleitung durch Exekutionsantrag,
der Exekutionsobjekte (also der Vermögensgegenstände, auf die gegriffen
werden soll) und Exekutionsmittel, siehe aber gleich unten einige
Ausnahmen aus Gründen des Schuldnerschutzes. Es herrscht auch hier
Amtsbetrieb, nur in vereinzelten Ausnahmefällen sind Handlungen
des betreibenden Gläubigers zur Weiterführung eines einmal eingeleiten Verfahrens
erforderlich. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz gilt
zwar grundsätzlich, allerdings nur dann, wenn eine mündliche Verhandlung
stattfindet. Nachdem im Exekutionsverfahren der Grundsatz der Mündlichkeit aber
nicht gilt, im Gegenteil das Verfahren sogar idR ein schriftliches ist
(§ 55 Abs 1 EO), kommt der Unmittelbarkeit geringere Bedeutung zu.
Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt aber
wiederum. | Teilweise Modifikation der ZPO-Grundsätze |
Einer der wesentlichsten Grundpfeiler eines fairen Verfahrens,
der Grundsatz des beiderseitigen rechtlichen Gehörs,
hat auch im Exekutionsverfahren volle Geltung. Vielfach sieht aber
die EO keine Beiziehung des Verpflichteten vor der Fällung von Entscheidungen
vor (etwa bei der Exekutionsbewilligung), rechtliches Gehör wird
in diesen Fällen nur nachträglich durch Einräumen
von Rechtsmitteln oder anderen Rechtsbehelfen gewährt. | |
Der Grundsatz der Öffentlichkeit gilt nicht
(§ 59 Abs 1 EO). | |
Weitergehend als im streitigen Verfahren (Kooperationsmaxime: →
Verfahrensgrundsätze)
gilt im Exekutionsverfahren der Untersuchungsgrundsatz (§
55 Abs 2 und 3 EO). Der sog Spezialitätsgrundsatz besagt,
dass das Exekutionsverfahren nur bestimmte Vermögensgegenstände
des Verpflichteten und nicht (wie das Konkursverfahren) das gesamte
Vermögen erfasst. Der Prioritätsgrundsatz manifestiert
sich darin, dass mehrere Gläubiger in der Reihenfolge (voll) befriedigt
werden, in der sie einen Rang für ihre Forderung erworben haben.
Weiters gilt das Kostendeckungsprinzip: Ein Exekutionsverfahren
ist nur zulässig, wenn der voraussichtliche Erlös des Verfahrens
die Exekutionskosten übersteigen wird (§ 39 Abs 1 Z 8 EO). Der Grundsatz
der Einheit des Verwertungsverfahrens besagt, dass
bezüglich eines bestimmten Exekutionsobjekts nicht mehrere gleichartige Verwertungsverfahren
gleichzeitig durchgeführt werden dürfen. Während eines Verfahrens
hinzukommende betreibende Gläubiger, treten daher einem gleichartigen
laufenden Verwertungsverfahren, wie sie es beantragt haben, bei
und haben dessen Stand zu akzeptieren. | |
Die beiden zuletzt genannten Grundsätze dienen sowohl dem
Ziel der Wirtschaftlichkeit des Verfahrens als auch jenem des Schuldnerschutzes. | |
III. Schutz des Verpflichteten | |
Ein wesentliches
Anliegen der EO ist ein möglichst schuldnerschonendes Vorgehen.
Ausgangspunkt ist dabei, dass sowohl dem betreibenden Gläubiger
als auch der Gesellschaft die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz
und der Verdienstmöglichkeiten des Verpflichteten nur schaden. Dementsprechend
sieht die EO einerseits eine Reihe von Exekutionsbeschränkungen
vor; zB sind Gegenstände, die zur Berufsausübung erforderlich sind,
Mietrechte, die unentbehrliche Wohnräume betreffen, das „Existenzminimum”
bei Arbeitseinkommen, usw der Exekution gänzlich entzogen. Andererseits
wird durch eine Reihe von gesetzlichen Maßnahmen der Gläubigerzugriff
auf Arbeitseinkommen gegenüber dem Zugriff auf bewegliche Sachen
favorisiert, da erfahrungsgemäß gerade bei Mobilien die Gefahr unnützer
Wertverschleuderung (durch Versteigerung) besonders groß ist. | Schranken der Exekution |
Manche Regelungen
lassen die Präferenz für möglichst schuldnerschonende Exekutionsmittel erkennen,
etwa kann die beantragte Exekution durch Zwangsversteigerung einer
Liegenschaft auf Antrag des Verpflichteten unter bestimmten Bedingungen
in eine Zwangsverwaltung umgewandelt werden (§ 201 EO). Ähnliches
(Aufschiebung des Verkaufs) ist bei der Pfändung beweglichen Vermögens
möglich, wenn gleichzeitig eine wiederkehrende Geldforderung gepfändet
wurde, aus der eine Befriedigung innerhalb eines Jahres zu erwarten
ist (§ 264a EO). Einen Schutz gegen Vermögensverschleuderung bildet
der gesetzlich festgelegte Mindestpreis (geringstes Gebot),
der bei der Verwertung von Vermögensobjekten erreicht werden muß
(§§ 151, 277 EO). | |
| |
Die inländischen
Exekutionstitel sind in § 1 EO taxativ aufgezählt. Akte und Urkunden,
aufgrund welcher Exekution geführt werden kann, sind etwa Urteile
und Beschlüsse von Zivilgerichten, Zahlungsbefehle, Entscheidungen
von Verwaltungsbehörden, Prozessvergleiche, Schiedssprüche, vollstreckbare
Notariatsakte, Auszüge aus dem Anmeldungsverzeichnis im Konkursverfahren
usw. Für ausländische Exekutionstitel bestehen eigene Regeln (§§
79 ff EO; EU-Recht; Staatsverträge). | |
Jeder Exekutionstitel muss eine genau bestimmte (bestimmbare)
Leistungs- oder Verhaltenspflicht enthalten. | |
| |
Sachlich zuständig
für das Exekutionsverfahren sind die Bezirksgerichte; die örtliche
Zuständigkeit hängt von Exekutionsobjekt, Vollzugsort bzw Wohnsitz
des Verpflichteten ab (§§ 18, 82 EO). Anderes gilt nur für die Sicherstellungsexekution
(§ 375 EO). Wird ein unzuständiges Gericht angerufen, so hat dieses
die Rechtssache von Amts wegen an das zuständige Gericht zu überweisen (§
44 JN). | |
Eingeleitet
wird das Exekutionsverfahren durch einen (schriftlichen oder mündlichen)
Exekutionsantrag des
betreibenden Gläubigers (§ 54 EO). Dieser Antrag hat, neben den
Parteien und allen zur Ermittlung der Zuständigkeit notwendigen
Umständen, den Anspruch und den Exekutionstitel zu bezeichnen, deretwegen
Exekution geführt wird und die Exekutionsmittel und die Exekutionsobjekte
(falls sich diese nicht schon aus dem Titel ergeben) zu nennen.
Anzuschließen sind eine Ausfertigung des Exekutionstitels, eine
Vollstreckbarkeitsbestätigung (außer bei gerichtlichem Vergleich
und vollstreckbarem Notariatsakt) und allenfalls erforderliche (vgl §
7 Abs 2 EO) weitere Urkunden. | Exekutionsantrag |
Voraussetzungen
für die Erteilung einer
Vollstreckbarkeitsbestätigung sind,
dass die Entscheidung ordnungsgemäß zugestellt wurde, die Leistungsfrist
abgelaufen und sie nicht mehr mit einem die Vollstreckbarkeit hemmenden
Rechtsmittel bekämpfbar ist. Die Bestätigung wird von jener Stelle,
welche den Exekutionstitel geschaffen hat, erteilt und kann von
dieser auf Antrag oder von Amts wegen wieder aufgehoben werden (§
7 Abs 3 EO). | Vollstreckbarkeitsbestätigung |
Über den Exekutionsantrag wird in der Regel allein aufgrund
der Aktenlage (also des Antrags) ohne Anhörung des Verpflichteten
mit Beschluss (Exekutionsbewilligungsbeschluss) entschieden. Der
Vollzug der Exekution erfolgt sofort von Amts wegen, ohne dass die
Rechtskraft und die Zustellung der Exekutionsbewilligung an den
Verpflichteten abgewartet werden muss. Der Verpflichtete erfährt
daher von der Bewilligung der Exekution häufig erst nach Beginn
des Vollzugs (Überraschungseffekt), etwa durch Zustellung des Bewilligungsbeschlusses
durch den Gerichtsvollzieher bei der Pfändung. | |
1991
wurde die Möglichkeit eines computerunterstützten Exekutionsverfahrens,
in dessen Rahmen die direkte Übermittlung des Exekutionsantrags
aus dem Datennetz des Gläubigers bzw dessen Rechtsvertreters in
das Datennetz des Gerichts möglich ist, geschaffen. Seit 1995 steht
ein „vereinfachtes Bewilligungsverfahren” (§§ 54b ff
EO) zur Verfügung. Dieses kommt nur bei Exekution (inländischer
oder für vollstreckbar erklärter ausländischer Titel) wegen Geldforderungen
bis zu 10.000 ı, wenn nicht auf unbewegliche Sachen Exekution geführt
werden soll, zur Anwendung. Dabei müssen weder Exekutionstitel noch
Vollstreckbarkeitsbestätigung vorgelegt werden, die Angabe des Datums
der Vollstreckbarkeitsbestätigung im Antrag reicht aus. Dem Verpflichteten
wird dafür als besonderer Rechtsbehelf ein „Einspruch” (§ 54c EO)
zugestanden. Um diesen Einspruch zu ermöglichen, wird die Exekutionsbewilligung
dem Verpflichteten separat, dh bereits vor Beginn des Exekutionsvollzugs,
zugestellt. Der Überraschungseffekt geht damit verloren. | Vereinfachtes Bewilligungsverfahren |
Kein vereinfachtes Bewilligungsverfahren gibt es dann, wenn
die Vorlage weiterer Urkunden (vgl § 7 Abs 2 EO) durch den betreibenden
Gläubiger erforderlich ist, oder wenn der betreibende Gläubiger
glaubhaft macht, dass ein vorhandenes Exekutionsobjekt bei Zustellung
der Exekutionsbewilligung vor Vornahme der Pfändung der Exekution
entzogen würde. | |
VI. Rechtsmittel
und Rechtsbehelfe | |
Rechtsmittel gegen Entscheidungen
im Exekutionsverfahren ist der Rekurs, auf den
die Bestimmungen der ZPO und insbesondere jene über das Neuerungsverbot
subsidiär zur Anwendung kommen. Der Rekurs ist einseitig und innerhalb
der Frist von 14 Tagen zu erheben. Daneben können dem Verpflichteten
ein Einspruch (im vereinfachten Bewilligungsverfahren),
in einigen Fällen ein Widerspruch (zB §§ 128, 182,
231 EO), vor allem aber die sog „exekutionsrechtlichen Klagen” zustehen.
Diese im streitigen Verfahren (also gemäß der ZPO) zu behandelnden
Klagen dienen zur nachträglichen Gewährung des Rechts auf Gehör
für Verfahrensbeteiligte und zielen im Erfolgsfall auf die (zumindest
vorübergehende) Einstellung des Vollstreckungsverfahrens ab. | Rekurs,
Einspruch und Widerspruch |
Dabei
dient die
Oppositionsklage (§
35 EO) dazu, Tatsachen geltendzumachen, welche nach Entstehen des
Exekutionstitels den darin verbrieften Anspruch zum Erlöschen gebracht
haben oder hemmen (zB Erfüllung, Verzicht, Stundung). Die
Impugnationsklage (§
36 EO) dient zur Geltendmachung von Hindernissen, die nicht den
Anspruch betreffen, sondern die Vollstreckung zur Zeit nicht zulassen
(zB vorübergehender oder dauernder Verzicht auf Vollstreckung, Fehlen
der Fälligkeit). Für einfache Fälle sind in der EO (§ 40) anstatt
der Klagen Oppositions- und Impugnationsgesuche vorgesehen. | Oppositions- und Impugnationsklage |
Wird auf Sachen,
die nicht dem Verpflichteten gehören, Exekution geführt, kann der
Berechtigte (zB Eigentümer) die Unzulässigerklärung dieser Exekution
im Weg der
Exszindierungsklage (§ 37 EO) erreichen. | Exszindierungsklage |
Gegen Entscheidungen eines Rechtspfleger steht eine sog Vorstellung zu
(§ 12 RPflG), über die der Richter erster Instanz entscheidet. | |
Weitere Rechtsbehelfe,
die in der EO für bestimmte Fälle vorgesehen sind, sind die Anträge
auf Einstellung (§ 39 EO), Einschränkung (§ 41 EO) und Aufschiebung
(§§ 42 ff EO) der Exekution. | Weitere Rechtsbehelfe |
VII.
Exekutionsmittel und Exekutionsvollzug | |
Zur Durchführung der Exekution stehen nur die in der EO
angeführten Exekutionsmittel zur Verfügung (Typenzwang). Welches
der Exekutionsmittel anzuwenden ist, hängt vom zu vollstrekkenden
Anspruch, dem Exekutionsobjekt und der Wahl des betreibenden Gläubigers
ab. | |
1.
Exekution
wegen Geldforderungen | |
In der Praxis (Zahlen
der im Jahr 2002 neu angefallenen Exekutionen) nimmt die Fahrnisexekution zahlenmäßig
noch immer die erste Stelle bei Exekutionsverfahren ein (903.835),
danach folgen Forderungsexekutionen (760.365), in viel kleineren
Dimensionen bewegen sich zwangsweise Pfandrechtsbegründung (16.784),
Zwangsversteigerung von Liegenschaften (8.728), Zwangsverwaltung
(585) und Räumungsexekution (12.561). | Rechtstatsachen |
Zur Befriedigung
einer vollstreckbaren Geldforderung können entweder bewegliche
körperliche Sachen, unbewegliche Sachen (Liegenschaften) oder Forderungen
bzw „sonstige vermögenswerte Rechte” in Exekution gezogen werden. | Geldforderungen |
a) Zur Exekution auf Liegenschaften stehen
als Exekutionsmittel die zwangsweise Pfandrechtsbegründung, die
Zwangsverwaltung und die Zwangsversteigerung zur Verfügung. |
Exekution
auf
Liegenschaften |
•
Zwangsweise Pfandrechtsbegründung (§§
87 ff EO): | |
Besonderheit bei der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung
ist, dass sie nicht zur Befriedigung der Forderung des betreibenden
Gläubigers führt. Ihr Ziel ist die Begründung eines Pfandrechts
an einer Liegenschaft des Verpflichteten zugunsten der vollstreckbaren
Forderung. Das Pfandrecht sichert die spätere Befriedigung der vollstreckbaren
Forderung im Rang der Einverleibung des Pfandrechts. |
Zwangsweise
Pfandrechtsbegründung |
Der Vollzug der
Exekution erfolgt durch Einverleibung des Pfandrechts im Grundbuch
(Lastenblatt) bei der Liegenschaft. Eingetragen wird dabei zusätzlich,
dass das Pfandrecht zugunsten einer vollstreckbaren Forderung besteht.
Diese Eintragung bewirkt, dass die Vollstreckung auch gegen jeden
späteren Erwerber der Liegenschaft möglich wird (§ 88 Abs 1 EO).
Bei einem bereits bestehenden vertraglichen Pfandrecht, braucht
nur mehr die Vollstreckbarkeit der Forderung angemerkt zu werden
(§ 89 EO). Die Wirkung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung wird
nur dadurch etwas eingeschränkt, dass bei Konkurs- oder Ausgleichseröffnung
über das Vermögen des Verpflichteten innerhalb von 60 Tagen nach
dessen Begründung das Pfandrecht erlischt (§ 12 KO, § 12 AO). | |
•
Zwangsverwaltung (§§ 97 ff EO): | |
Ziel der Zwangsverwaltung
ist, die Forderung, wegen der Exekution geführt wird, aus den Erträgnissen
der Verwaltung einer Liegenschaft oder eines Liegenschaftsteils
des Verpflichteten zu befriedigen. | Zwangsverwaltung |
Nach Bewilligung der Exekution ist die Zwangsverwaltung im
Grundbuch (Lastenblatt) anzumerken. Der
Rang des betreibenden Gläubigers vor allen später hinzukommenden
Gläubigern und Personen, die Rechte an der Liegenschaft erwerben,
richtet sich nach dem Einlangen des Ersuchens auf Vollzug der Anmerkung
beim Grundbuchsgericht (§ 104 Abs 1 EO). Der Verpflichtete darf
für die Dauer der Zwangsverwaltung weder über Erträge der Liegenschaft
verfügen noch Verwaltungshandlungen vornehmen (§ 99 Abs 1 EO). | |
Das Exekutionsgericht
wählt (primär aus bei den Landesgerichten geführten
Verwalterlisten (§ 106 Abs 1 EO) einen geeigneten Zwangsverwalter
aus, ernennt ihn und gelobt ihn an. Die Befugnisse des Verwalters
umfassen alle Tätigkeiten, welche für die Verwaltung erforderlich
sind (§§ 109 – 111 EO). Nur für Maßnahmen die über den ordentlichen
Wirtschaftsbetrieb hinausgehen oder von besonderer Wichtigkeit sind
(zB Abschluss eines langfristigen Mietvertrags) bedarf er der gerichtlichen
Genehmigung (§ 112 EO). Dem Gericht obliegt ansonsten nur die Überwachung
(allenfalls auch die Enthebung: § 114 Abs 3 EO) des Verwalters.
Dieser hat, falls vom Gericht nichts anderes bestimmt wird, jährlich
und am Ende der Zwangsverwaltung Rechnung zu legen (§ 115 Abs 1
EO). Über die Genehmigung der Rechnungslegung und die Entlohnung
des Verwalters ist nach einer mündlichen Tagsatzung zu entscheiden. | |
Die Verteilung der mit der Verwaltung erwirtschafteten Überschüsse
nimmt das Gericht idR nach jeder Rechnungsperiode und Durchführung
einer Verteilungstagsatzung mittels Verteilungsbeschluss nach
der in der EO (§§ 124 – 126) festgelegten Rangordnung vor. | |
Wenn sämtliche Forderungen, zu deren Hereinbringung die
Zwangsverwaltung bewilligt wurde, getilgt sind, ist die Zwangsverwaltung
einzustellen. | |
•
Zwangsversteigerung (§§
133 ff EO): | |
Bei der Zwangsversteigerung
soll die Forderung, wegen der Exekution geführt wird, aus dem Erlös der
Verwertung (Verkauf) einer Liegenschaft des Verpflichteten getilgt
werden. | Zwangsversteigerung |
Mit der Exekutionsbewilligung ist die Anmerkung
der Einleitung des Versteigerungsverfahrens im Grundbuch
(Lastenblatt) anzuordnen, womit dem betreibenden Gläubiger Vorrang
vor allen später erworbenen Rechten an der Liegenschaft gesichert
wird. Gläubiger, die bereits früher dingliche Recht an der Liegenschaft
erworben haben (zB Hypothekargläubiger) gehen dem betreibenden Gläubiger
jedoch im Rang vor. | |
Danach
hat das Gericht die Schätzung der Liegenschaft sowie
die Schätzung und Beschreibung des Zubehörs der
Liegenschaft durch einen Sachverständigen anzuordnen. Dazu ist ein
„Schätzungstermin” (auf der Liegenschaft) anzusetzen, zu dem die
Parteien sowie alle bekannten Personen, welche dingliche Rechte
an der Liegenschaft haben, zu laden sind (§ 140 EO). Regeln für die
Schätzung sind im Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG 1992, BGBl
150) festgelegt. Alle Beteiligten können innerhalb einer vom Gericht
festgesetzten Frist Einwendungen gegen den Schätzwert vorbringen
(§ 144 EO). | Schätzung |
Nach
Ablauf der Einwendungsfrist wird der Versteigerungstermin vom Gericht
festgelegt (§ 169 EO) und zusammen mit Versteigerungsort, Vadium,
Daten zum Exekutionsobjekt, allfälligen Änderungen (§ 146 EO) der
gesetzlich vorgesehenen Versteigerungsbedingungen und weiteren Informationen
(näheres in §§ 170, 170a EO) mittels eines sog
Versteigerungsedikts per
Internet in der Ediktsdatei öffentlich bekanntgemacht. | Versteigerungsedikt |
Beim
Vadium handelt es sich
um eine Sicherheitsleistung in Höhe von 10 % des Schätzwertes der
Liegenschaft, die spätestens vor Erteilung des Zuschlags vom Meistbietenden
bei Gericht zu hinterlegen ist (§ 148 EO). | Vadium |
Der Mindestpreis (geringstes Gebot)
beträgt die Hälfte des Schätzwertes (§ 151 EO), soweit nicht ausnahmsweise
ein höherer Betrag festgelegt wird. Niedrigere Gebote dürfen bei
der Versteigerung nicht berücksichtigt werden. | Geringstes
Gebot |
Der Versteigerungstermin ist
eine öffentliche Tagsatzung, deren Leitung dem Richter vorbehalten ist
(§ 177 EO). Nach Bekanntgabe der wesentlichen Informationen und
der Erteilung verlangter Auskünfte (§ 178 EO) erfolgt die Aufforderung
zum Bieten, welche die eigentliche Versteigerung einleitet. Der
Verpflichtete und dessen Vertreter, Richter, Schriftführer und Ausrufer
dürfen nicht mitbieten (§ 177 EO). Sobald keine höheren Gebote mehr
abgegeben werden, hat der Richter die Versteigerung zu schließen. | Versteigerungstermin |
Der Meistbietende hat, soweit
dies noch nicht geschehen ist, auf Aufforderung des Richters das Vadium zu
erlegen. Die Anwesenden sind sodann vom Richter über die Möglichkeit
eines Widerspruchs gegen den Zuschlag und die Gründe für einen solchen
(§ 181 EO) zu belehren. Anschließend ist – allenfalls nach Entscheidung
über einen Widerspruch – der Zuschlag zu erteilen oder zu verweigern.
Das Meistbot ist innerhalb von zwei Monaten ab Rechtskraft der Zuschlagserteilung
vom Ersteher bei Gericht zu erlegen (§ 152 Abs 1 EO). | |
Eine Besonderheit
ist, dass der Ersteher mit dem Zuschlag (konstitutiv) ohne Grundbucheintragung Eigentum
an der Liegenschaft erwirbt. | Eigentumserwerb |
Zusätzlich
zum Widerspruch kann der Meistbotsverteilungsbeschluss natürlich
auch mit Rekurs bekämpft werden. Widerspruchsgründe (§ 184 EO –
taxativ) können aber nur von solchen Personen mit Rekurs geltendgemacht werden,
die (erfolglos) Widerspruch erhoben haben. | Rechtsmittel |
Beträgt das Meistbot weniger
als drei Viertel des Schätzwerts, kann die Versteigerung dadurch
nachträglich unwirksam gemacht werden, dass innerhalb von 14 Tagen
ab öffentlicher Bekanntmachung des Zuschlags ein Überbot gestellt
wird, welches das Meistbot um mindestens ein Viertel übersteigt.
Der Ersteher kann den Überbieter noch dadurch ausstechen, dass er
selbst sein Meistbot auf den Betrag des Überbots erhöht. | Überbot |
Falls der Ersteher das Meistbot nicht rechtzeitig oder nicht
ordnungsgemäß entrichtet, kommt es zu einer Wiederversteigerung (§§
154 f EO). | |
Zur
Befriedigung des betreibenden Gläubigers kommt es schließlich durch
die Verteilung des Meistbots.
Das Gericht beraumt dazu eine Tagsatzung an (§ 209 EO). Gläubiger,
die Anspruch auf Berücksichtigung bei der Verteilung erheben, haben
ihre Forderungen bis 14 Tage vor der Tagsatzung anzumelden (§ 210
EO). | Meistbotsverteilung |
In
der Meistbotsverteilungstagsatzung steht den Beteiligten ein Widerspruchsrecht
gegen im Rang vor ihren Ansprüchen stehende Forderungen zu (§ 213
EO). Falls kein Einverständnis bezüglich des Widerspruchs erzielt werden
kann und nach Anhörung der Anwesenden die Entscheidung über den
Widerspruch noch von der Ermittlung und Feststellung streitiger
Tatumstände abhängt, ist der Widersprechende auf den Rechtsweg
zu verweisen (§ 231 EO), dh die Widerspruchsgründe sind
mit Klage in einem streitigen Verfahren (beim Exekutionsgericht)
geltend zu machen. | Widerspruch |
Aufgrund
der Ergebnisse der Verteilungstagsatzung ist mittels eines Meistbotsverteilungsbeschlusses
(§ 229 EO) das Meistbot in der durch die EO (§ 216 ff) vorgegebenen
Rangordnung zuzuweisen. Der Vollzug des Verteilungsbeschlusses durch
Ausfolgung der Beträge erfolgt nach dessen Rechtskraft. Schließlich
ist noch das Grundbuch auf den Stand der Ergebnisse des Zwangsversteigerungsverfahrens
zu bringen (§ 237 EO). | Meistbotsverteilungsbeschluss |
b) Exekution auf bewegliche körperliche Sachen (Fahrnisexekution)
erfolgt durch gerichtliche Pfändung und öffentliche
Zwangsversteigerung. (Davon zu unterscheiden ist die rechtsgeschäftliche Ver
-pfändung!) | |
Der Exekutionsvollzug liegt in der Verantwortung
des Gerichtsvollziehers, und ist grundsätzlich (aber ohne absolute Bindung)
an dem in der Exekutionsbewilligung angeführten Vollzugsort vorzunehmen.
Ist der Vollzug nicht auf Anhieb erfolgreich, sind weitere Vollzugsversuche
möglich. Wenn die Vollzugsversuche endgültig erfolglos oder nicht
ausreichend erfolgreich waren, tritt eine Sperrfrist von sechs Monaten
bis zu möglichen neuerlichen Vollzugshandlungen ein (§§ 252h und
252i EO). | |
Die
Pfändung selbst erfolgt durch Aufnahme der gepfändeten Gegenstände
samt Beschreibung in ein
Pfändungsprotokoll (§ 253 EO); der
betreibende Gläubiger erwirbt dadurch ein Pfändungspfandrecht an
den Sachen und der Verpflichtete verliert seine Befugnis, über sie
zu verfügen. Das Anbringen von Pfändungsmarken („Kuckuck”) ist nicht
erforderlich. | Pfändung |
Gegenstand der Pfändung können Sachen sein, die
sich in der Gewahrsame des Verpflichteten befinden (§ 253 Abs 1
EO) oder Sachen des Verpflichteten, welche sich in der Gewahrsame
eines zur Herausgabe bereiten Dritten befinden (§ 262 EO). Eine
Reihe von für den Verpflichteten als unentbehrlich angesehenen Gegenständen
sind nach der EO (§§ 250, 251) jedoch unpfändbar. | |
Bei
der Pfändung vorgefundenes Bargeld ist vom Vollstreckungsorgan
in Verwahrung zu nehmen und, wenn nur zugunsten eines betreibenden
Gläubiger gepfändet wird, diesem gegen Übernahmebestätigung auszuhändigen, ansonsten
bei Gericht zu hinterlegen (§ 261 EO). | |
Auf Antrag des betreibenden Gläubigers können die gepfändeten
Sachen in Verwahrung genommen werden. | |
Nach
Feststellung des Schätzwerts durch einen Sachverständigen (§ 275
EO), erfolgt die Verwertung der gepfändeten Sachen
idR durch Verkauf in Form einer öffentlichen Versteigerung in einer
(gerichtlichen) Auktionshalle oder einem Versteigerungshaus, ausnahmsweise
durch Freihandverkauf (§ 268 EO: Sachen mit Börsenpreis,
§ 280 Abs 2 EO: bei Versteigerung unverkauft gebliebene Sachen).
Mindestpreis ist das geringste Gebot, welches die
Hälfte des Schätzwerts beträgt (§ 277 EO). | Verwertung |
Wenn keine weiteren Gläubiger außer dem betreibenden
Gläubiger betroffen sind, erfolgt die Verteilung des (Verkaufs)Erlöses,
indem diesem der Erlös im Ausmaß der vollstreckbaren Forderung (samt
Kosten) zugewiesen wird. Ansonsten kommt es zu einem Verteilungsverfahren
mit einer Verteilungstagsatzung (§ 285 EO), in dem mittels eines Verteilungsbeschlusses den
zu berücksichtigenden Gläubigern der Erlös nach der gesetzlich festgelegten
Rangordnung (§ 285 Abs 2 EO) zugewiesen wird. | |
Bleibt
der Vollzug endgültig erfolglos oder ist klar ersichtlich, dass
der zu erwartende Erlös der gepfändeten Sachen unzulänglich sein
wird, so hat der Verpflichtete ein Vermögensverzeichnis vorzulegen,
das eine detailliert Auflistung aller seiner Vermögensbestandteile
zu enthalten hat (§ 47 Abs 2 EO). Bei Verweigerung der Vorlage oder
Unterzeichnung eines Vermögensverzeichnisses kann Beugehaft bis
zu 6 Monaten verhängt werden (§ 48 EO). Die Unterfertigung eines
falschen oder unvollständigen Vermögensverzeichnisses ist strafbar
(§ 292a StGB). | Vermögensverzeichnis |
c) Mit der Exekution (wegen
einer Geldforderung) auf Geldforderungen (Forderungsexekution) soll
dem betreibenden Gläubiger die Befriedigung seiner vollstreckbaren
Forderung durch Zugriff auf eine Geldforderung des Verpflichteten
gegen eine dritte Person (Drittschuldner) ermöglicht
werden. | Forderungsexekution |
Die Exekution erfolgt durch ein Doppelverbot: Dem
Drittschuldner wird vom Gericht verboten, an den Verpflichteten
zu leisten (
Zahlungsverbot),
dem Verpflichteten, über seine Forderung gegenüber dem Drittschuldner
zu verfügen (
Verfügungsverbot). | Zahlungs- und
Verfügungsverbot |
Die Pfändung ist durch die Zustellung des
Zahlungsverbots an den Drittschuldner bewirkt (Sicherung der Rangordnung). | |
Der Drittschuldner
muss innerhalb von vier Wochen ab Zustellung des Zahlungsverbots
eine
Drittschuldnererklärung abgeben,
welche hauptsächlich relevante Daten über die gepfändete Forderung
(Existenz der Forderung, Bedingtheit, Abtretung durch Schuldner,
Pfandrechte anderer Gläubiger, bekannte Unterhaltspflichten des
Verpflichteten) zu enthalten hat (§ 301 Abs 1 EO). Den Drittschuldner
trifft eine Haftung für Schäden, die dem betreibenden Gläubiger
dadurch entstehen, dass er dieser Pflicht schuldhaft überhaupt nicht,
vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig erfüllt,
außerdem drohen ihm Kostenfolgen (§ 301 Abs 3 EO). | Drittschuldnererklärung |
Die
Verwertung geschieht durch Überweisung zur Einziehung, Überweisung
an Zahlungsstatt oder – unter bestimmten Voraussetzungen – durch
sonstige Verwertungsarten (§ 317 ff EO). | |
Üblicherweise erfolgt
die Verwertung durch
Überweisung
zur Einziehung. Wurde dem betreibenden Gläubiger die Forderung
zur Einziehung überwiesen, berechtigt ihn dies zur Eintreibung der
Forderung bis hin zur Einklagung, nicht jedoch zu sonstigen Verfügungen
über die Forderung (zB Erlass). Muß der betreibende Gläubiger die
Forderung gegen den Drittschuldner mit Klage geltendmachen (Drittschuldnerklage),
wirkt das Urteil in diesem Prozess auch für bzw gegen alle anderen
betreibenden Gläubiger, zu deren Gunsten die Forderung gepfändet
wurde. Mit der Zahlung des Drittschuldners erlischt sowohl die Forderung
des Verpflichteten als auch jene des betreibenden Gläubigers. | Verwertung |
Bei der in der Praxis seltenen Überweisung
an Zahlungsstatt geht die Forderung auf den betreibenden
Gläubiger über und er trägt auch die Gefahr ihres Bestands und ihrer
Einbringlichkeit. | |
In dem praktisch sehr bedeutenden Fall
der
Lohn- und Gehaltsexekution besteht
die Besonderheit, dass der betreibende Gläubiger den Drittschuldner
(Arbeitgeber) im Exekutionsantrag nicht nennen muss. Wenn er das
Geburtsdatum des Verpflichteten angibt, stellt das Gericht durch Anfrage
an den Hauptverband der Sozialversicherungsträger den Drittschuldner
fest (Drittschuldneranfrage, § 294a EO). Die Pfändung
erstreckt sich auch auf die künftig fällig werdenden Arbeitsentgelte. | Lohn-
und
Gehaltsexekution |
Kann kein Arbeitgeber ausfindig gemacht werden oder führt
die Exekution nicht innerhalb eines Jahres zur Tilgung der Forderung,
hat der Verpflichtete ein Vermögensverzeichnis vorzulegen (§ 47
Abs 2 Z 1 EO). | |
Der
Lebensunterhalt des Verpflichteten wird dadurch gesichert, dass
das Gesetz bestimmte Forderungen für unpfändbar oder beschränkt
pfändbar erklärt. Unpfändbar sind beispielsweise
Familienbeihilfe, Stipendien, Pflegegeld und Karenzurlaubsgeld (vgl
§ 290 EO), wobei allerdings eine Beihilfe ausnahmsweise für deren
bestimmungsmäßigen Zweck gepfändet werden kann (zB Kindergeld für
Unterhaltsforderung). | Pfändungsbeschränkung |
Beschränkt
pfändbar sind
Arbeitsentgelt, Pension, Arbeitslosengeld, Forderungen auf gesetzlichen
Unterhalt usw (vgl § 290a EO). Die Regelung ist derart, dass ein
unpfändbarer Freibetrag festgelegt ist, der dem Verpflichteten zu verbleiben
hat. Dieser wird jährlich angepasst. | |
Der Grundbetrag
für den unpfändbaren Freibetrag (653 ı pro Monat
für das Jahr 2004) erhöht sich für jede Person, für die der Verpflichtete
gesetzlichen Unterhalt zu leisten hat, aber auch, falls er kein
14. bzw 13. Monatsgehalt erhält bis maximal auf das Vierfache des
Grundbetrags (§ 291a EO); er verringert sich auf 75 %, wenn wegen
einer Unterhaltsforderung Exekution geführt wird (§ 291b EO). Zusätzlich
besteht die Möglichkeit, dass das Exekutionsgericht auf Antrag das
Existenzminimum aus bestimmten in der EO angeführten Gründen erhöht
(§ 292a) oder herabsetzt (§ 292b). | |
d) Die EO sieht zur Hereinbringung von Geldforderungen weiters
die „Exekution auf Ansprüche auf Herausgabe und Leistung
körperlicher Sachen” (§§ 325 ff EO) sowie die „Exekution
auf andere Vermögensrechte” (§§ 330 ff EO; zB Patentrechte,
Rechte an Internet Domains) vor, wobei Ziel immer die „Versilberung”
der Sachen oder Rechte und Verteilung des Erlöses oder die Schuldtilgung
aus Erträgnissen ist. | |
2.
Exekution
zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen | |
Unter dieser Überschrift regelt die EO die Vollstreckung
einiger unterschiedlicher Verpflichtungen. | |
a) Hat der Verpflichtete aufgrund eines Exekutionstitels
bestimmte Sachen an den betreibenden Gläubiger herauszugeben oder
zu leisten, erfolgt die Vollstreckung dermaßen,
dass sie dem Verpflichteten vom Gerichtsvollzieher abgenommen und
dem betreibenden Gläubiger gegen Empfangsbestätigung übergeben werden
(§ 346 ff EO). | |
b) Schuldet
der Verpflichtete eine vertretbare Handlung, kann
sie der Gläubiger durch andere vornehmen lassen und die Kosten beim
Verpflichteten im Weg der Exekution wegen Geldforderungen ( →
Exekution
wegen Geldforderungen)
eintreiben (§ 353 EO). | |
c) Die Exekution
zur Durchsetzung unvertretbarer Handlungen (§ 354
EO) wird mittels Androhung der Verhängung von Beugestrafe und, falls
dies nicht zum Erfolg führt, durch deren Verhängung durchgeführt. | |
Zur Beugung des Willens des Verpflichteten
dienen Geldstrafen (höchstens 100.000 ı je Strafantrag), allenfalls
sogar Haftstrafen (bis zu zwei Monaten je Strafantrag), wobei zuerst
immer mildere und erst in weiterer Folge strengere Strafen anzudrohen
und zu verhängen sind. Die Bemessung der Strafhöhe hängt vom der
Beurteilung des Verhaltens des Verpflichteten und dessen Leistungsfähigkeit
ab (§ 355 Abs 1 EO). Die eingehobenen Geldstrafen erhält nicht der
betreibende Gläubiger, sie fließen der Republik Österreich zu. Die
Höhe verhängter Strafen kann mit Rekurs bekämpft werden. Der Verpflichtete
kann vor der Bewilligung der Exekution einvernommen werden (§ 358
EO). | |
d) Für die
Exekution zur Erwirkung von Duldungen und Unterlassungen (§
355 ff EO) gilt großteils dasselbe, wie bei jener wegen unvertretbarer
Handlungen. Der betreibende Gläubiger muss jedoch für jede Zuwiderhandlung
gegen den Exekutionstitel einen Strafantrag stellen, der eine genaue
Beschreibung der beanstandeten Handlung des Verpflichteten zu enthalten
hat, damit vom Gericht beurteilt werden kann, ob tatsächlich dem
Exekutionstitel zuwidergehandelt wurde. | Unterlassungsexekution |
Die Strafen werden bei jedem Verstoß gegen den Exekutionstitel
auf Antrag sofort verhängt, es erfolgt keine Androhung einer Strafe. | |
Dass nicht gegen den Exekutionstitel verstoßen
wurde, muss mittels Impugnationsklage geltendgemacht werden. | |
e) Weitere besondere Regelungen bestehen für die Überlassung
und Räumung von unbeweglichen Sachen (§ 349 EO) die Einräumung und
der Aufhebung bücherlicher Rechte (§ 350 EO), die Aufhebung einer
Gemeinschaft und die Grenzberichtigung (§ 351 EO) sowie für die
Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft (§ 352 ff EO). | |
f) Ein
Exekutionstitel, der zur Abgabe einer Willenserklärung verpflichtet
(zB Aufsandungserklärung), ersetzt diese Willenserklärung und braucht
daher nicht vollstreckt zu werden (§ 367 EO). | |
VIII.
Vollstreckung aufgrund ausländischer Exekutionstitel | |
In den §§ 79 ff EO sind die Voraussetzungen normiert, unter
denen ausländische Exekutionstitel anerkannt und vollstreckt werden
können. Diese Regelungen gelten nur, soweit nicht aufgrund von EU-Recht
oder Staatsverträgen davon abweichende Regelungen bestehen (besonders
zu erwähnen sind EuGVVO, EheVO, Lugano-Übereinkommen und EUGVÜ). | |
Ausländische
Exekutionstitel sind nur dann vollstreckbar, wenn sie für Österreich
für vollstreckbar erklärt wurden. Nach der Vollstreckbarerklärung sind
sie inländischen Exekutionstiteln gleichgestellt und wie diese durchzusetzen. | Vollstreckbarerklärung |
Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung sind
die Vollstreckbarkeit in jenem Staat, aus dem der Exekutionstitel
stammt, und das Vorliegen von durch Staatsvertrag oder Verordnung
verbürgter Gegenseitigkeit mit diesem Staat. Weiters ist es erforderlich,
dass – bei fiktiver Anwendung der österreichischen Zuständigkeitsnormen
– irgendeine Behörde in jenem Staat, aus dem der Titel stammt, zur
Schaffung dieses Titels zuständig war und dass die verfahrenseinleitende
Verfügung dem Verpflichteten zu eigenen Handen zugestellt wurde.
Die Rechtskraft einer ausländischen Entscheidung ist nicht erforderlich.
Die Vollstreckbarerklärung darf jedoch auch bei Vorliegen der eben
genannten Voraussetzungen nicht erfolgen, wenn dem Verpflichteten
im Titelverfahren kein rechtliches Gehör gewährt worden ist, wenn
der zu vollstreckende Anspruch gegen den österreichischen ordre
public verstößt oder wenn eine Handlung erzwungen werden soll, die
in Österreich entweder überhaupt unerlaubt oder nicht erzwingbar ist. | |
Zum Verfahren ist zu erwähnen, dass der Exekutionsantrag
bereits mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung verbunden werden
kann. Über diese Anträge wird grundsätzlich ohne vorhergehende mündliche
Verhandlung und ohne Anhörung des Verpflichteten entschieden. Mit
dem Exekutionsvollzug ist trotzdem bereits vor Rechtskraft der Vollstreckbarerklärung
zu beginnen, eine Verwertung darf jedoch erst nach deren Rechtskraft
erfolgen. Auf Antrag kann das Gericht das Vollstreckbarerklärungsverfahren
bis zum Eintritt der Rechtskraft des ausländischen Titels unterbrechen
(§ 84 Abs 5 EO). | |
Gegen die Vollstreckbarerklärung
kann Rekurs innerhalb eines beziehungsweise zweier Monate erhoben
werden. Der Rekurs ist zweiseitig und es dürfen darin Neuerungen
(nämlich solche neuen Tatsachen, die zur Verweigerung der Vollstreckbarerklärung
führen können) vorgebracht werden (§ 84 Abs 2 EO). Die Anrufung
des OGH ist erleichtert (§ 84 Abs 4 EO). | Rekurs |
IX.
Exekution
zur Sicherstellung | |
 | |
Mit der Exekution zur Sicherstellung (Sicherstellungsexekution)
wird die Sicherung bestimmter noch nicht vollstreckbarer Ansprüche
ermöglicht, deren Einbringung ansonsten – wie die EO formuliert
(§ 370) – „vereitelt oder erheblich erschwert würde”. Es ist insbesondere
weder der Eintritt der Rechtskraft des Titels noch der Ablauf der
Leistungsfrist notwendig. | |
Die Möglichkeit
der Sicherstellungsexekution besteht nur für einen sehr beschränkten
Kreis möglicher Exekutionstitel, nämlich für Endurteile und Zahlungsaufträge
von Zivilgerichten und gerichtliche Beschlüsse
in Außerstreitsachen und auch das bloß dann, wenn sie Geldforderungen betreffen. | Voraussetzungen |
Voraussetzung
für die Bewilligung der Sicherstellungsexekution ist, dass der betreibende
Gläubiger glaubhaft macht, dass eine (objektive) Gefahr
für die Einbringlichkeit der Forderung besteht. Ausdrücklich
genannt (§ 370 EO) ist der Fall, dass eine Vollstreckung im Ausland
erforderlich würde. Dies gilt aber nicht für die Vollstreckung in
EU-Staaten und den Mitgliedsstaaten des Lugano-Übereinkommens. Für
wichtige Fälle gewährt das Gesetz aber eine Ausnahme von der Notwendigkeit
der Glaubhaftmachung der Gefahr und zwar entweder generell (§ 371
EO) oder für den Fall dass der betreibende Gläubiger eine vom Gericht
festzulegende Sicherheitsleistung gerichtlich hinterlegt (§ 371a
EO). | |
Die
zur Verfügung stehenden Exekutionsmittel sind wesentlich eingeschränkt (§
374 EO): Es stehen nur die Pfändung von beweglichen Sachen, die
Vormerkung eines Pfandrechts auf Liegenschaften, die Zwangsverwaltung
und die Pfändung von Forderungen zur Verfügung. | Exekutionsmittel |
Für den betreibenden Gläubiger beinhaltet
die Sicherstellungsexekution das Risiko, dass dann, wenn sie aus
den in § 376 Abs 1 Z 1, 3 oder 4 EO genannten Gründen aufgehoben
wird, der betreibende Gläubiger dem Verpflichteten alle entstandenen
Kosten und Schäden zu ersetzen hat. | |
X.
Einstweilige
Verfügungen | |
 | |
Der einstweilige Rechtsschutz in Form der einstweiligen
Verfügungen (eV) ist ein wesentlicher Bestandteil eines
Systems zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes. EV ermöglichen bereits
vor Einleitung eines Rechtsstreits, während eines solchen und (theoretisch)
sogar während eines Exekutionsverfahrens Rechtsschutz gegen anspruchsbeeinträchtigende
Maßnahmen und schaffen damit häufig die Grundlage dafür, dass der
gerichtlich Rechtsschutz nicht zu spät kommt. Die Parteien des Verfahrens
werden gefährdete Partei und Gegner der
gefährdeten Partei genannt. | |
EV sind zwar in der Exekutionsordnung (EO)
geregelt (§§ 378 ff), sie gehören systematisch jedoch nicht zum
Exekutionsverfahren; es geht bei ihrer Erlassung nicht um die Vollstreckung
eines Exekutionstitels. | |
Einstweilige
Verfügungen können zur vorläufigen Sicherung von Leistungsansprüchen
(Sicherungsverfügungen: § 379 und § 381 Z 1 EO)
erlassen werden, wenn die Gefahr besteht, dass die gefährdete Partei
ein ihr zustehendes Recht ansonsten nicht mehr (rechtzeitig) verwirklichen
kann. Darüberhinaus dienen eV zur vorläufigen Regelung von streitigen
Rechtsverhältnissen (Regelungsverfügung: § 381
Z 2 EO), die bis zur vorläufigen Befriedigung von Ansprüchen gehen
kann, wobei Voraussetzung ist, dass die eV zur Verhütung drohender
Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens
erforderlich ist. | Sicherungs- und Regelungsverfügungen |
Die
Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung,
nämlich das Bestehen des (gefährdeten) Anspruchs oder eines regelungsbedürftigen
Rechtsverhältnisses und einer Gefahr, müssen nicht bewiesen, sondern
nur
glaubhaft
gemacht
werden;
das bedeutet, dass dem Gericht nur die Wahrscheinlichkeit der Anspruchsvoraussetzungen
nachzuweisen ist. Wenn der dem Gegner der gefährdeten Partei durch
die einstweilige Verfügung drohende Schaden durch Geld ausgeglichen
werden kann, kann die Bescheinigung des Anspruchs sogar durch Hinterlegung
einer Sicherheitsleistung ersetzt werden. | Voraussetzungen für das Erlassen einer eV |
Voraussetzung der Erlassung einer eV zur Sicherung von Geldforderungen
ist das Vorliegen einer „subjektiven Gefahr”, was
bedeutet, dass die Gefährdung der Anspruchserfüllung der Einflusssphäre
des Gegners der gefährdeten Partei zuzurechnen sein muss. Bei „Nicht-Geld-Ansprüchen” reicht
das Vorliegen einer konkreten (nicht nur theoretischen) objektiven
Gefahr aus. | |
Für alle eV gilt, dass sie nur für einen bestimmten Zeitraum
erlassen werden (häufig bis zur Rechtskraft der Entscheidung im
erst einzuleitenden oder parallel laufenden Erkenntnisverfahren),
sich im Rahmen des zu sichernden Anspruchs halten müssen (bei Regelungsverfügungen
ist dieses Kriterium nur beschränkt zutreffend) und nicht in die
Rechte Dritter eingreifen dürfen. | |
Zur Sicherung
von Geldforderungen steht nur eine beschränkte Auswahl
von Sicherungsmitteln zur Verfügung; diese sind in § 379 EO abschließend
aufgezählt: Verwahrung und Verwaltung beweglicher Sachen, Veräußerungs-
und Verpfändungsverbot für bewegliche Sachen; Drittverbot betreffend
Forderungen, Verwaltung von Liegenschaften, Veräußerungs- und Belastungsverbot bezüglich
Liegenschaften. Eine eV zur Sicherung von Geldforderungen darf nicht
erlassen werden, wenn Sicherstellungsexekution möglich ist (§ 379
Abs 1 EO). | Sicherungsmittel |
Der
Katalog der Sicherungsmittel
für
sonstige
Ansprüche ist nicht beschränkt; § 382 EO enthält nur eine
beispielhafte Aufzählung (Hinterlegung oder Verwaltung von Sachen,
Ver- oder Gebot eines bestimmten Verhaltens an den Gegner der gefährdeten
Partei usw). | |
Besondere Bestimmungen innerhalb der
Regelungsverfügungen bestehen im Familienbereich zur Sicherung
und einstweiligen Befriedigung von Unterhaltsansprüchen (§§ 382
Abs 1 Z 8 lit a, § 382a EO), zur Sicherung eines dringenden Wohnbedürfnisses
(§ 382 Abs 1 Z 8 lit c EO), zum Schutz vor Gewalt in der Familie
(§§ 382b ff EO) und – ab 1.1.2005 – zur Auferlegung eines einstweiligen
Mietzinses (§ 382f EO). | Sicherung
im
Familienbereich |
EV sind immer mit Rekurs bekämpfbar.
Für den Rekurs gilt jedoch das Neuerungsverbot. Das Rekursverfahren
ist, wenn ein Beschluss über den Verfügungsanspruch bekämpft wird,
ausnahmsweise zweiseitig. Die Anrufung des OGH ist möglich. Da eV
im Regelfall erlassen werden, ohne den Antragsgegner vorher zu hören,
ist der Rekurs zur Wahrung der Rechte des Gegners der gefährdeten
Partei nicht ausreichend. Deshalb steht ihm dafür ein besonderer
Rechtsbehelf, der Widerspruch (§ 397 EO), offen,
mit dem die Gewährung des rechtlichen Gehörs nachgeholt wird. Es besteht
kein Neuerungsverbot. Auf Grund des Widerspruchs kommt es vor dem
Gericht, das die eV erlassen hat (also in erster Instanz) zu einer
mündlichen Verhandlung. | Rekurs
und Widerspruch |
Wurde eine eV
zu Unrecht erlassen, trifft die gefährdete Partei eine äußerst strenge
Haftung für alle dem Gegner entstandenen Schäden, und zwar unabhängig
davon, ob sie ein Verschulden trifft (§ 394 EO). Dafür steht auch
eine von der gefährdeten Partei allenfalls zu erlegende Sicherheitsleistung
(§ 390 EO) zur Verfügung. | |
In einigen Rechtsmaterien (zB im Wettbewerbsrecht) bestehen
für eV von jenen der EO teilweise abweichende Regelungen. | |
|
Von Herbert
Fink
| |
| |
 | |
Wenn Schuldner ihre gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen
nicht freiwillig erfüllen, kann jeder Gläubiger seine Forderung
im hiefür vorgesehenen Erkenntnisverfahren (Zivilprozess,
Außerstreitverfahren etc) geltend machen und seine Ansprüche notfalls
im Exekutionsverfahren durchsetzen. Solange über den Schuldner kein
Insolvenzverfahren behängt, handelt somit jeder Gläubiger für sich,
zwischen mehreren betreibenden Gläubigern entscheidet das Zuvorkommen;
Prioritätsprinzip:
prior tempore, potior iure. | |
Dieses
Modell versagt jedoch, wenn der Schuldner wegen seiner schlechten
finanziellen Lage nicht mehr im Stande ist, alle seine Gläubiger
zu befriedigen. In dieser Situation tritt nach der Intention des
Gesetzgebers das Insolvenzrecht auf den Plan: Dieses
verdrängt die für den „Normalfall” vorgesehene Einzelrechtsverfolgung
(im Konkurs zur Gänze, im Ausgleich teilweise) und setzt an deren
Stelle ein System kollektiver Rechtsverfolgung unter
gerichtlicher Aufsicht; dieses zielt auf die gleichmäßige
Befriedigung der unbesicherten Gläubiger ab (par condicio
creditorum). | Ziele des Insolvenzrechts |
1. Zwecke des Insolvenzrechts | |
Die (gleichmäßige) Befriedigung der Gläubiger ist
nur ein – freilich bedeutsamer – Zweck des Insolvenzrechts. Ein
weiteres Verfahrensziel, das in der jüngeren Entwicklung stark an
Bedeutung gewonnen hat, ist die Sanierung
insolventer
Unternehmen und damit die Sicherung von Arbeitsplätzen.
Aber auch dem Problem der wachsenden Verbraucherverschuldung ist
der Gesetzgeber mit Mitteln des Insolvenzrechts zu Leibe gerückt.
Hiezu stellt die Konkursordnung (KO) besondere Sanierungsinstrumente
für
zahlungsunfähige natürliche Personen bereit;
sog „Privatkonkurs” →
Privatkonkurs Die
entsprechenden Spezialnormen (§§ 181 ff KO) sind zum Teil nur auf
Privatschuldner zugeschnitten, zum Teil gelten sie auch für Einzelunternehmer. | |
Das österreichische Insolvenzrecht kennt zwei unterschiedlich
ausgestaltete Verfahren, nämlich: | |
• das Konkursverfahren nach
der KO und | |
• das Ausgleichsverfahren nach
der Ausgleichsordnung (AO). | |
Das Konkursverfahren
kann – je nach Einzelfall – unterschiedlich verlaufen: | |
• Wenn eine Sanierung des Gemeinschuldners
nicht möglich ist oder von diesem nicht angestrebt wird, kommt es
zur Verwertung des schuldnerischen Vermögens ohne
Rücksicht auf dessen wirtschaftliche Existenz. Der Verwertungserlös
wird unter den Gläubigern verteilt und in weiterer Folge das Konkursverfahren
aufgehoben. In der Praxis werden dabei nur bescheidene Konkursquoten
für die unbesicherten Gläubiger erzielt. Der nicht abgedeckte Teil
der Forderungen bleibt auch nach Konkursaufhebung weiterhin bestehen (Nachforderungsrecht
der Gläubiger), ist jedoch im Regelfall wirtschaftlich
weitgehend wertlos, weil nicht einbringlich. | |
Immerhin haben die Gläubiger, die am Konkursverfahren
teilgenommen und ihre Forderungen angemeldet haben, die Möglichkeit,
auf Grund der Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis Exekution
zu führen, wenn die Forderung im Konkurs festgestellt und auch vom
Gemeinschuldner nicht bestritten wurde; Exekutionstitel nach § 1 Z
7 EO, § 61 KO. | |
•
Das
Konkursverfahren dient aber auch Sanierungszwecken:
Jeder Gemeinschuldner kann im Laufe des Konkursverfahrens beantragen,
dass ein Zwangsausgleich angenommen (und gerichtlich
bestätigt) wird. Dabei bietet der Gemeinschuldner seinen unbesicherten
Gläubigern an, innerhalb bestimmter Fristen eine bestimmte Quote
ihrer Forderungen zu bezahlen; gesetzliche Mindestquote:
20 Prozent. Wenn die Gläubiger den Zwangsausgleich mit
den erforderlichen Mehrheiten annehmen und das Gericht diesen bestätigt,
reduzieren sich die unbesicherten Verbindlichkeiten des Schuldners
auf die im Zwangsausgleich festgelegte Quote; der diese Quote übersteigende
Teil der Schulden sinkt zu einer bloßen Naturalobligation ab→ KAPITEL 7: Naturalobligationen.
Darin liegt ein teilweiser Forderungserlass. – Für natürliche Personen
sieht der Konkurs alternativ weitere Sanierungsmöglichkeiten vor
(Zahlungsplan, Abschöpfungsverfahren: → Das Abschöpfungsverfahren). | Zwangsausgleich |
Das Ausgleichsverfahren nach der AO ist noch stärker als
das Konkursverfahren auf die Sanierung des Schuldners bedacht.
Ebenso wie im Zwangsausgleich bietet der Ausgleichsschuldner den unbesicherten
Gläubigern eine bestimmte Quote an: Nämlich mindestens 40
Prozent, zahlbar in voraus festgelegten Fristen, die zwei
Jahre nicht übersteigen dürfen. Darüber stimmen die Gläubiger ab.
Kommt der Ausgleich zustande und wird er vom Schuldner erfüllt,
so ist damit die Sanierung gelungen. Der die Quote übersteigende
Teil der Verbindlichkeiten wird zur Naturalobligation. Daneben kennt
die AO eine Vielzahl weiterer Maßnahmen, um die Sanierung insolventer Unternehmen
zu begünstigen; zB eine Exekutionssperre, die Erhaltung
in Bestand genommener Geschäftsräumlichkeiten oder der vorzeitige
Ausstieg aus Bestand- und Arbeitsverträgen etc). | |
Vorteile für den Schuldner
und die Gläubiger: Der Schuldner kann sich eines Teils
seiner Schulden entledigen und sein Unternehmen sanieren. Aber auch
für die Gläubiger ist ein Ausgleich dem Konkurs vorzuziehen: Erfahrungsgemäß
schneiden die Gläubiger in einem Ausgleich – sofern dieser erfüllt
wird – erheblich besser ab, als bei konkursmäßiger Liquidation des
Vermögens. Ein weiterer Vorteil des Ausgleichsverfahrens liegt darin,
dass dessen Kosten geringer sind als jene eines Konkursverfahrens.
Außerdem werden die Dispositionsbefugnisse des Schuldners im Ausgleich
weniger stark eingeschränkt. | Vorteile des
Ausgleichsverfahrens |
2. Rechtzeitige
Insolvenzeröffnung; Insolvenzprophylaxe; Unternehmensreorganisation | |
In den letzten Jahren stiegen die Insolvenzen sowohl in
Österreich als auch international erheblich an. Dazu kommt, dass
Insolvenzverfahren, wenn überhaupt, nur mit erheblicher Verspätung
beantragt werden. Wird der Antrag dann endlich gestellt, ist es
für eine Verfahrenseröffnung häufig bereits zu spät, weil kein die Verfahrenskosten
deckendes Vermögen mehr vorhanden ist. Ein zentrales Anliegen
des Gesetzgebers ist es daher, dafür zu sorgen, dass Insolvenzverfahren
rechtzeitig eröffnet werden. Damit steigen die Chancen für die Befriedigung
der Gläubiger, aber auch jene für die Sanierung des schuldnerischen
Unternehmens. | |
Daneben
forciert der Gesetzgeber auch die Insolvenzprophylaxe.
Im Jahr 1997 wurde für Unternehmer die Möglichkeit geschaffen, bereits vor
Eintritt der materiellen Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit;
Überschuldung) ein Reorganisationsverfahren zu
beantragen. Dieses konnte sich freilich wegen seiner strukturellen
Mängel in der Praxis nicht durchsetzen. Das URG 1997 ist bis heute
„totes Recht” geblieben. | Insolvenzprophylaxe |
Beachte: Das Reorganisationsverfahren nach dem URG 1997
ist kein Insolvenzverfahren im eigentlichen Sinn. Die Eröffnung
eines Reorganisationsverfahrens setzt nämlich voraus, dass das betroffene
Unternehmen noch nicht insolvent ist. Wir haben es daher mit einem
Verfahren zur Insolvenzprophylaxe zu tun. | |
| |
Die
praktische Bedeutung des Insolvenzrechts ist groß. Dies gilt insbesondere
für wirtschaftliche Krisenzeiten. Im Jahr 2002 wurden 2864
Insolvenzverfahren über Unternehmen eröffnet, in 2417 Fällen
wurden Insolvenzanträge mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen.
Die Insolvenzverbindlichkeiten beliefen sich im Jahr 2002 auf 3,4
Mrd ı; Quelle: KSV 1870. | Insolvenzverfahren |
Im selben Jahr wurden
in Österreich 3234 Schuldenregulierungsverfahren (Privatkonkurse)
eröffnet, 532 Anträge mussten mangels Masse abgewiesen werden. Die
Insolvenzverbindlichkeiten der Privaten beliefen sich im Jahr 2002
auf 364 Mio ı. Die Zahl der Privatkonkurse steigt kontinuierlich. | Privatkonkurse |
Besondere
Bedeutung haben im Insolvenzverfahren die bevorrechteten
Gläubigerschutzverbände: Kreditschutzverband von 1870;
Alpenländischer Kreditorenverband; ISA. Diese haben die Aufgabe,
die Interessen der Gläubiger außerhalb und im Insolvenzverfahren
gebündelt wahrzunehmen. Zu diesem Zweck haben sie besondere Vorrechte im
Insolvenzverfahren, insbesondere das Recht auf Akteneinsicht
sowie ein Vertretungsrecht: Jeder Gläubiger kann sich im Insolvenzverfahren
durch einen bevorrechteten Gläubigerschutzverband vertreten lassen.
Die Gläubigerschutzverbände spielen vor allem bei der Abstimmung
über Ausgleiche, Zwangsausgleiche oder Zahlungspläne eine bedeutende
Rolle. | Gläubigerschutzverbände |
| |
Rechtsquelle ist die Konkursordnung (KO),
eingeführt durch Kaiserliche VO vom 10.12.1914 RGBl 337. | |
| |
1. Prinzipien des
Konkursrechts | |
Ausgangspunkt jedes Konkursverfahrens ist die materielle
Insolvenz des Schuldners. In dieser Situation sollen die
Gläubiger, wenn schon nicht zur Gänze, so doch zumindest gleichmäßig befriedigt
werden; sie bilden eine „Verlustgemeinschaft”. Im Zuge des Konkursverfahrens
werden die Gläubiger aus dem gesamten der Exekution unterworfenen
Vermögen des Schuldners gleichmäßig befriedigt. Das Konkursverfahren
wird daher auch als ”besonders ausgestaltetes Vollstreckungsverfahren” bezeichnet.
– Dazu tritt jedoch ein weiterer Verfahrenszweck: Das moderne Konkursrecht
kennt zahlreiche Instrumente, die dem Schuldner die finanzielle Sanierung ermöglichen
sollen. | |
Das Konkursrecht ist von folgenden Prinzipien beherrscht: | |
Im Stadium der
Insolvenz soll kein Gläubiger aus einem zufälligen Vorsprung Vorteile
ziehen. Die Gläubiger werden in einem kollektiv ausgestalteten Verfahren
zusammengefasst und erlangen gleichmäßige (quotenmäßige) Befriedigung aus
der Konkursmasse. Das Konkursverfahren ist somit (ebenso wie das
Ausgleichsverfahren) vom Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung geprägt.
Dies gilt jedenfalls für die unbesicherten Gläubiger (Konkursgläubiger). | Paritätsgrundsatz |
Die bis 1982 bestehenden unterschiedlichen Klassen von Konkursforderungen
wurden durch das IRÄG 1982 beseitigt; sog „
klassenloser
Konkurs”. | |
Soweit einzelne Gläubiger bereits vorkonkurslich Sicherheiten
erlangt haben (zB Pfandrechte, Eigentumsvorbehalt), behalten diese
ihre Wirkungen allerdings (von wenigen Ausnahmen abgesehen) auch
im Konkurs. Privilegiert sind auch die nach Konkurseröffnung begründeten
Forderungen; idR Masseforderungen. | |
Das Konkursverfahren
erfasst – im Gegensatz zum Exekutionsverfahren – das gesamte
Vermögen
des Schuldners („Generalexekution”).
Eine Durchbrechung findet dieses Prinzip allerdings durch die Konkursfreiheit
bestimmter Vermögensteile; Schuldnerschutz. | Universalitätsprinzip |
Solange
das Konkursverfahren behängt, bleibt den Konkursgläubigern der individuelle Zugriff
auf die Konkursmasse verwehrt; Prozess- und Exekutionssperre.
– Die Einzelrechtsverfolgung wird verdrängt durch die Möglichkeit
jedes Konkursgläubigers, am Konkursverfahren teilzunehmen. | Sperre der individuellen Rechtsverfolgung |
| |
Das österreichische Konkursrecht ist nicht auf Unternehmer
beschränkt; vielmehr wird die Konkursfähigkeit als Teil
der privatrechtlichen Rechtsfähigkeit definiert: Wer Träger
von Rechten und Pflichten sein kann, ist auch konkursfähig. Auf
die Geschäftsfähigkeit kommt es dagegen nicht an. Daher kann jede
natürliche Person (auch ein Kind), aber auch jede juristische Person
(des privaten oder öffentlichen Rechts) Gemeinschuldner sein, ebenso
Verlassenschaften und Handelsgesellschaften. | |
3. Eröffnungsvoraussetzungen | |
Die Konkurseröffnung erfolgt (mit wenigen Ausnahmen) nur auf
Antrag, nicht von Amts wegen. – Antragslegitimiert ist
der Schuldner selbst sowie jeder Gläubiger. | |
Ein Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht mehr in
der Lage ist, seine fälligen Schulden in angemessener
Frist zu erfüllen. – Davon zu unterscheiden ist die bloße Zahlungsstockung:
Eine solche liegt vor, wenn nur ein vorübergehender (Liquiditäts)Mangel
besteht, der alsbald behoben werden kann. – Zahlungsunfähigkeit
ist bei allen Arten von Schuldnern ein Konkursgrund. | |
Symptome der Zahlungsunfähigkeit sind: das
gehäufte Auftreten von Exekutionen, das Platzen von Wechseln, die Nichtbefolgung
von Exekutionstiteln etc. | |
Bei juristischen Personen, Handelsgesellschaften, bei denen
kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person
ist (zB: GmbH & Co KG) sowie bei Verlassenschaften ist alternativ zur
Zahlungsunfähigkeit auch bereits die Überschuldung ein
Konkursgrund. | Bei juristischen
Personen etc reicht Überschuldung |
Weitere
Voraussetzung für die Eröffnung eines Konkursverfahrens ist ein
die Kosten des Konkursverfahrens deckendes Vermögen; im Unternehmenskonkurs
ca 4.000 ı. Ausnahmen von diesem Erfordernis sind für natürliche
Personen (§ 183 KO), aber auch für juristische Personen vorgesehen. | |
Bei letzteren haften die organschaftlichen
Vertreter für die Anlaufkosten bis maximal 4.000 ı; der Konkurs
kann daher auch eröffnet werden, wenn nur bei den organschaftlichen
Vertretern ein kostendeckendes Vermögen vorhanden ist. | |
Nicht mehr erforderlich ist hingegen
seit Inkrafttreten des IRÄG 1997 eine Mehrheit von Konkursgläubigern.
– Mit der Beseitigung dieses Erfordernisses hat der Gesetzgeber
den Wandel der Konkurszwecke deutlich zum Ausdruck gebracht: Ein
Konkursverfahren mit nur einem Gläubiger macht nur deshalb Sinn,
weil das moderne Konkursrecht die Sanierung des Schuldners in den
Vordergrund rückt. | Mehrheit von
Konkursgläubigern? |
4. Wirkungen der Konkurseröffnung | |
Verlust der Dispositionsfähigkeit
– Durch die Eröffnung des Konkursverfahrens verliert der Schuldner
die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das konkursunterworfene
Vermögen; Konkursmasse. Hiezu gehört das gesamte
Vermögen des Schuldners, soweit es der Exekution unterworfen ist.
– Die Dispositionsbefugnis über die Konkursmasse fällt an den Masseverwalter. Nimmt
der Gemeinschuldner dennoch Rechtshandlungen über Gegenstände der
Konkursmasse vor, so sind diese den Gläubigern gegenüber wirkungslos;
§ 3 Abs 1 KO. | Konkursmasse |
Zivilprozesse
werden, soweit sie die Konkursmasse betreffen, ex lege unterbrochen.
– Prozesse, die nach Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner
eingeleitet werden, sind unzulässig (sofern es nicht um die konkursfreie Sphäre
geht). Dagegen können vom oder gegen den Masseverwalter sehr wohl
Klagen eingebracht (oder fortgeführt) werden. | Zivilprozesse |
| |
Im
Unternehmenskonkurs wird stets ein Masseverwalter bestellt. Diesen
wählt das Gericht zumeist unter den ortsansässigen Rechtsanwälten
aus; seltener kommen auch Wirtschaftstreuhänder und Unternehmensberater
zum Zug. – Der Masseverwalter ist die „Drehscheibe” des Konkursverfahrens.
Von seinen Fähigkeiten hängt der Erfolg des Verfahrens maßgeblich
ab. | Drehscheibe des Konkursverfahrens |
Dem Masseverwalter obliegt vor allem: die Sichtung und Verwaltung
der Konkursmasse, das Einbringlichmachen von Ansprüchen,
die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen, die Prüfung der angemeldeten
Forderungen, die Führung notwendiger Prozesse, die Verwertung des Konkursvermögens
sowie die Verteilung des Erlöses an die Gläubiger. | |
Sämtliche Bankguthaben, Wertpapierdepots
etc unterstehen der alleinigen Verwaltungsbefugnis des Masseverwalters.
– Postsendungen, die an den Gemeinschuldner gerichtet sind, werden
während des Konkursverfahrens an den Masseverwalter zugestellt;
sog Postsperre. | |
6. Überblick über
den Verlauf des Konkursverfahrens | |
- Verwertung
der MasseNach der Eröffnung des Konkursverfahrens können die Gläubiger
ihre Forderungen anmelden. Dafür wird eine Anmeldungsfrist
festgesetzt, der jedoch keine Präklusionswirkung zukommt. – Der
Masseverwalter prüft die wirtschaftliche Lage des Schuldners, nimmt
das Konkursvermögen in Besitz und Verwaltung, ermittelt die Aktiva
und prüft die angemeldeten Forderungen. Allenfalls macht er Anfechtungen
nach der Konkursordnung geltend; §§ 27 ff KO. Er verwertet
die Masse und verteilt den erzielten Erlös:
die Verteilung erfolgt in der Praxis meist nur einmal, am Ende des
Verfahrens; gesetzlich sind aber auch Abschlagsverteilungen während
des Verfahrens möglich. | Anmeldung der Forderungen |
Die Vielfalt der Sachverhalte macht es unmöglich, das Verfahren
nach einem starren Zeitplan abzuwickeln. – Die KO gibt daher nur
einen groben zeitlichen Raster vor: | |
Die
erste Gläubigerversammlung findet ca 14 Tage nach
Konkurseröffnung statt, die allgemeine Prüfungstagsatzung 60
bis 90 Tage nach Konkurseröffnung. Die Frist für die Anmeldung der
Forderungen endet 14 Tage vor der Prüfungstagsatzung. Spätestens
90 Tage nach Konkurseröffnung findet die Berichtstagsatzung statt;
in dieser entscheidet sich das weitere Schicksal des Unternehmens:
Fortführung oder Schließung. Die Berichtstagsatzung ist nach der
Prüfungstagsatzung anzuberaumen; allenfalls können diese beiden
Tagsatzungen in einem Termin verbunden werden. | Erste Gläubigerversammlung, Prüfungs- und Berichtstagsatzung |
Dem
Gemeinschuldner steht es frei, im Lauf des Konkursverfahrens einen
Zwangsausgleich zu beantragen und damit vorerst die Verwertung der
Masse zu stoppen; § 140 Abs 2 KO. In der Berichtstagsatzung kann
dem Schuldner zur Stellung eines solchen Antrags eine Frist gesetzt werden.
– Natürliche Personen (auch Unternehmer) können statt dessen auch
einen Zahlungsplan bzw. subsidiär die Einleitung
des Abschöpfungsverfahrens beantragen. Auch diese
Varianten zielen auf die Sanierung des Schuldners ab. Im Gegensatz
zum Zwangsausgleich ist jedoch die Abstimmung über einen Zahlungsplan
(und ebenso die Entscheidung über die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens)
erst nach Verwertung der Konkursmasse zulässig. | Zwangsausgleich – Zahlungsplan etc |
Der Konkurs ist
aufzuheben:
wenn das Vermögen verwertet und der Erlös verteilt ist (§ 139 KO); ebenso,
wenn ein Zwangsausgleich oder Zahlungsplan rechtskräftig bestätigt
(§§ 157, 196 KO) oder das Abschöpfungsverfahren rechtskräftig eingeleitet
wurde (§ 200 Abs 4 KO); schließlich auch dann, wenn das Vermögen
zur Deckung der weiteren Verfahrenskosten nicht hinreicht (§ 166 KO)
oder wenn nach Ablauf der Anmeldungsfrist alle Masse- und Konkursgläubiger
der Aufhebung zustimmen (§ 167 KO). | Aufhebung
des Konkurses |
7. Behandlung von
Forderungen / Ansprüchen Dritter | |
Aussonderungsansprüche sind Ansprüche Dritter auf bestimmte,
beim Gemeinschuldner befindliche Sachen mit der Begründung, dass
diese überhaupt nicht oder teilweise nicht in die Konkursmasse gehören;
zB Eigentum oder Miteigentum an bestimmten Gegenständen, Eigentumsvorbehalt → KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt
als Warensicherungsmittel.
– Solche Rechte werden von der Konkurseröffnung nicht berührt. Der
Berechtigte kann seine Ansprüche auch während des Konkurses (notfalls
mittels Klage gegen den Masseverwalter) durchsetzen. | |
Absonderungsansprüche geben dem Berechtigten ein Recht auf
abgesonderte Befriedigung aus bestimmten Gegenständen, die zur Konkursmasse
gehören; Sondermasse. Dazu zählen insbesondere Pfandrechte. – Der
Verwertungserlös aus solchen Sachen wird abgesondert verteilt, wobei zuerst
die Absonderungsberechtigten nach ihrem zivilrechtlichen
Rang zum Zug kommen. Ein allfälliger „Überling“ fließt
in die Konkursmasse und wird an die allgemeinen Gläubiger verteilt. | |
Masseforderungen
(§ 46 KO) sind Forderungen, die typischerweise erst nach
Konkurseröffnung begründet werden; zB Forderungen aus einer
Unternehmensfortführung, Kosten des Konkursverfahrens. – Masseforderungen
werden aus der Konkursmasse
zur Gänze
befriedigt.
Erst nach Abdeckung der Masseforderungen kommen die Konkursgläubiger
zum Zug. Besondere Regeln gelten, wenn die Konkursmasse nicht einmal
zur Befriedigung aller Masseforderungen ausreicht; § 47 KO. | |
Konkursforderungen sind vermögensrechtliche Ansprüche
aller Art, die zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung
bereits
begründet sind; § 51 Abs 1 KO. Sie werden mit Konkurseröffnung sofort
fällig und in Geld umgerechnet. – Die Konkursgläubiger erhalten,
soweit sie unbesichert sind, nur die Konkursquote;
diese errechnet sich aus dem Verhältnis des Verwertungserlöses zur Gesamtsumme
der festgestellten Verbindlichkeiten. |
Konkursforderungen
– Konkursquote |
Ausgeschlossene Forderungen nehmen am Konkursverfahren nicht
teil. Dazu gehören die nach Konkurseröffnung angefallenen Zinsen,
Geldstrafen, die Kosten der Konkursgläubiger, die ihnen aus der
Teilnahme am Konkurs erwachsen, Ansprüche aus Schenkungen, Vermächtnissen
etc. | Ausgeschlossene
Forderungen |
| |
Einen Zwangsausgleich
kann jeder Gemeinschuldner (natürliche und juristische
Personen, Handelsgesellschaften) während des Konkursverfahrens beantragen.
Der Zwangsausgleich ermöglicht im Fall seines Zustandekommens die
Sanierung des Schuldners durch teilweisen Schuldnachlass und Stundung.
– Die Konkursgläubiger müssen zumindest 20 Prozent ihrer
Forderungen erhalten; gesetzliche Mindestquote.
Einzelne Gläubiger können, sofern die gesetzlichen Mehrheiten erreicht werden,
überstimmt werden. | Gesetzliche Mindestquote |
Für
die Annahme des Zwangsausgleichs sind folgende Mehrheiten erforderlich:
die Zustimmung von mehr als der Hälfte der anwesenden Gläubiger: Kopfmehrheit;
diese müssen zumindest 75 Prozent der Gesamtsumme der Forderungen
der anwesenden Gläubiger auf sich vereinigen: Summenmehrheit.
Für das Zustandekommen des Zwangsausgleichs sind beide Mehrheiten
(kumulativ) erforderlich. | Mehrheit für die Annahme eines Zwangsausgleichs |
Der
angenommene Zwangsausgleich wird erst rechtswirksam, wenn er vom
Gericht rechtskräftig bestätigt wird. Vor der Bestätigung
hat das Gericht ua zu prüfen, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten
wurden, ob der Zwangsausgleich der wirtschaftlichen Lage
des Gemeinschuldners angemessen und erfüllbar ist. – Der
Zwangsausgleich bewirkt, dass die Erfüllung jenes Teil der Konkursforderungen,
der die festgelegte Quote übersteigt, nicht mehr erzwingbar ist;
Naturalobligation. | Gerichtliche Bestätigung – Naturalobligation |
III. Das Ausgleichsverfahren | |
| |
Alternativ zum Konkursverfahren
kann der zahlungsunfähige (oder überschuldete) Schuldner (nicht:
ein Gläubiger) auch ein Ausgleichsverfahren beantragen.
Die materiellen Eröffnungsvoraussetzungen sind die gleichen wie
jene für die Konkurseröffnung. Darüber hinaus kann der Ausgleich
aber auch bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit eröffnet werden.
– Für das Ausgleichsverfahren ist jenes Gericht zuständig, das auch
für den Konkurs zuständig wäre. | Drohende
Zahlungsunfähigkeit |
Im Ausgleichsverfahren
steht die Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners
im Mittelpunkt. Die Gläubiger sollen dafür eine Kürzung und Stundung
ihrer Forderungen in Kauf nehmen. Die gesetzliche Mindestquote beträgt
im Ausgleichsverfahren 40 Prozent, zahlbar in maximal
zwei Jahren. | Erhaltung der
wirtschaftlichen Existenz des Schuldners |
Die Mehrheitserfordernisse für
die Annahme des Ausgleichs sind die gleichen wie jene für die Annahme
eines Zwangsausgleichs; Kopfmehrheit, drei Viertel des Forderungsvolumens.
Der Ausgleich bedarf zu seiner Wirksamkeit der gerichtlichen Bestätigung,
der wiederum eine Angemessenheitsprüfung vorangeht. | Mehrheitserfordernisse |
Das Motiv der Gläubiger, einem Ausgleich
zuzustimmen, liegt darin, dass ihnen im Ausgleich eine höhere Quote angeboten
wird als jene, die im Konkurs nach Verwertung und Verteilung des
Massevermögens zu erwarten wäre. | |
| |
Vor der Ausgleichseröffnung sind die gesetzlichen Voraussetzungen
zu prüfen. Insbesondere darf kein Unzulässigkeitsgrund vorliegen. | |
Der Eröffnungsantrag
ist etwa zurückzuweisen, wenn der Schuldner flüchtig ist; wenn er
wegen betrügerischer Krida rechtskräftig verurteilt worden ist;
wenn in den letzten fünf Jahren ein Konkurs- oder Ausgleichsverfahren
eröffnet oder die Eröffnung mangels Kostendeckung abgelehnt worden
ist; wenn der Ausgleichsvorschlag gegen zwingende Bestimmungen verstößt;
zB wenn er die gesetzliche Mindestquote unterschreitet. | Voraussetzungen |
Außerdem sind dem Eröffnungsantrag umfangreiche
Beilagen beizufügen; Vermögensstatus, Jahresabschlüsse der letzten
drei Jahre ua. Die Vorbereitung eines Ausgleichsverfahrens ist daher
aufwändiger als jene des Konkursverfahrens. | |
3. Wirkungen der Ausgleichseröffnung | |
Im Gegensatz zum Konkursverfahren behält der Schuldner nach
der Ausgleichseröffnung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis
über sein Vermögen. – Dies allerdings mit Einschränkungen: Bestimmte
Rechtshandlungen bedürfen der Zustimmung des Ausgleichsverwalters,
der ihn während des Ausgleichsverfahrens überwacht. – Die Schließung
des Unternehmens sowie dessen Wiedereröffnung bedarf sogar der gerichtlichen
Zustimmung. | |
• Während des Ausgleichsverfahrens
wird der Schuldner gegen Exekutionen der Ausgleichsgläubiger
abgeschirmt; § 10 Abs 1 AO. Außerdem errichtet die AO für
die Dauer des Ausgleichsverfahrens eine Konkurssperre. | |
•
Exekutive Absonderungsrechte, die in
den letzten 60 Tagen vor Ausgleichseröffnung begründet worden sind, erlöschen;
§ 12 AO. | |
• Der Schuldner kann von zweiseitigen
Rechtsgeschäften, die von beiden Seiten noch nicht vollständig
erfüllt wurden, mit Zustimmung des Ausgleichsverwalters zurücktreten.
– Die Zustimmung darf aber nur erteilt werden, wenn der Antrag binnen
eines Monats nach Ausgleichseröffnung gestellt wird und die Erfüllung
des Rechtsgeschäfts das Zustandekommen oder die Erfüllbarkeit des
Ausgleichs oder die Unternehmensfortführung gefährden könnte. | |
• Unter den gleichen Voraussetzungen kann der
Ausgleichsverwalter dem Schuldner auch die außerordentliche Kündigung
von Bestandverhältnissen genehmigen, wenn der Schuldner
Bestandnehmer ist, weiters die privilegierte Auflösung von
Arbeitsverhältnissen. | |
•
Wenn
ein Bestandnehmer den vereinbarten Bestandzins nicht vollständig
bezahlt, droht ihm grundsätzlich die Räumung des Geschäftslokals.
Im Fall der Ausgleichseröffnung kann dies verhindert werden: Die
Räumungsexekution wird zwar bewilligt, aber vorerst nicht vollzogen.
Kommt der Ausgleich rechtskräftig zustande, wird die Räumungsexekution
endgültig eingestellt; § 12a AO. | |
IV. Überblick über
den weiteren Verfahrensgang | |
In
der Phase zwischen Verfahrenseröffnung und Ausgleichstagsatzung
soll der Vermögensstand des Schuldners ermittelt und die Ausgleichstagsatzung
vorbereitet werden. Der Ausgleichsverwalter beaufsichtigt die Geschäftsführung
des Schuldners und überprüft dessen Wirtschaftslage. Er hat dem
Gericht binnen drei Wochen einen vorläufigen Bericht zu erstatten. | Verfahren bis zur Ausgleichstagsatzung |
Die Gläubiger
haben die Möglichkeit, innerhalb der Anmeldungsfrist (aber auch
noch später) ihre Forderungen anzumelden. Diese sind in das Anmeldungsverzeichnis
einzutragen und zu prüfen. | Forderungsanmeldung |
Kernstück des
Ausgleichsverfahrens ist die Ausgleichstagsatzung;
deren Termin wird im Edikt festgesetzt. Zwischen Ausgleichseröffnung
und Tagsatzung sollen nicht mehr als acht Wochen liegen; § 4 Abs
3 AO. In der Ausgleichstagsatzung stimmen die Gläubiger über den
Ausgleichsvorschlag ab. Die Mehrheitserfordernisse entsprechen jenen
beim Zwangsausgleich →
Zwangsausgleich
| Ausgleichstagsatzung |
Wenn bei der Abstimmung über den Ausgleich
die erforderlichen Mehrheiten nicht erzielt werden, kann unter bestimmten
Voraussetzungen eine Erstreckung der Tagsatzung erfolgen.
Dabei ist zu beachten, dass der Schuldner idR ab der Verfahrenseröffnung
nur 90 Tage Zeit hat, um den Ausgleich zustande zu bringen; § 67
Abs 1 Z 2 AO. Gelingt dies nicht, wird das Verfahren eingestellt.
Bei Unternehmen, die wegen ihrer Größe, ihres Standorts etc von wirtschaftlicher
Bedeutung sind, kann diese Frist erstreckt werden. | |
Wenn
die für die Annahme erforderlichen Mehrheiten erzielt werden, bedarf
der Ausgleich – ebenso wie der Zwangsausgleich – der gerichtlichen
Bestätigung. Diese ist zu erteilen, wenn keine gesetzlichen Versagungsgründe
vorliegen; zu diesen §§ 50, 51 AO. Die Entscheidung über die Bestätigung
(Erteilung oder Versagung) ist öffentlich bekannt zu machen und
mit Rekurs bekämpfbar. |
Ausgleichsbestätigung |
Die folgende
Phase ist nicht zwingend vorgesehen. Die AO sieht drei mögliche
Varianten vor: | Überwachungsmöglichkeiten |
- Die Aufhebung des Verfahrens ohne Überwachung des Schuldners, | |
- die Aufhebung mit Überwachung durch Sachwalter oder | |
- die Fortsetzung des Ausgleichsverfahrens mit Überwachung
durch den Ausgleichsverwalter. | |
Wenn der Schuldner den Ausgleich ordnungsgemäß erfüllt,
wird er von den die Ausgleichsquote übersteigenden Forderungen endgültig
befreit. Im Fall des qualifizierten Verzuges (Verzug trotz Mahnung
mit Nachfristsetzung) droht das Wiederaufleben der Forderungen. | |
Wird der Ausgleich
innerhalb der gesetzlichen Frist – idR 90 Tage – nicht angenommen
oder dem angenommenen Ausgleich die gerichtliche Bestätigung nicht
erteilt, hat das Gericht unverzüglich zu entscheiden, ob der
Anschlusskonkurs eröffnet
wird. Wenn die materiellen Voraussetzungen hiefür vorliegen (insbesondere
Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung), ist der Konkurs von Amts
wegen zu eröffnen (Ausnahme vom Antragsprinzip). In diesem Fall
geht das Ausgleichsverfahren nahtlos in das Konkursverfahren über. | Anschlusskonkurs |
Auch im Fall des Anschlusskonkurses bleiben die Möglichkeiten
des Schuldners, einen Zwangsausgleich zu beantragen, unberührt.
Der Schuldner, der im Ausgleichsverfahren scheitert, kann daher
immer noch einen Zwangsausgleich (mit einer Mindestquote von 20
Prozent) erreichen. | |
| |
 | |
| |
Am 1.1.1995 trat die KO-Novelle 1993, BGBl 974 in Kraft,
die eine umfassende Neuregelung des Konkursverfahrens für natürliche
Personen brachte. Ziel dieser Novelle war es, insolventen Schuldnern
effiziente Auswege aus ihrer – oft drückenden – Überschuldung zu
weisen. Immer mehr private Haushalte verlieren nämlich die Kontrolle
über ihre Verbindlichkeiten und geraten an den Rand der wirtschaftlichen
Existenz. Die KO-Novelle 1993 hat für diese Fälle durchaus adäquate
Lösungen geschaffen. Zuletzt wurden die einschlägigen Bestimmungen
mit der InsNov 2002, BGBl I 2002/75, in einigen Punkten an die Bedürfnisse
der Praxis angepasst. | |
Sitz
dieser Bestimmungen ist vornehmlich der Dritte Teil der
KO (§§ 181 ff). Nach dem Anwendungsbereich dieser Sondernormen
ist zu unterscheiden: Soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, gelten
die §§ 181 ff KO für alle natürlichen Personen, somit auch für Einzelunternehmer. Manche
der Sondernormen des Dritten Teils gelten allerdings kraft ausdrücklicher
Anordnung nur für Schuldner, die kein Unternehmen betreiben. In
den zuletzt genannten Fällen (und nur in diesen) spricht die KO
vom „
Schuldenregulierungsverfahren”. Dieses
ist somit ein Konkursverfahren besonderer Art, das auf Nicht-Unternehmer
anzuwenden ist. Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse bei Stellung
des Konkursantrags. Auch frühere Unternehmer, die den Betrieb
des Unternehmens mittlerweile eingestellt haben, landen daher (gar
nicht so selten) im Schuldenregulierungsverfahren. Für dieses sind
die Bezirksgerichte zuständig. | für alle natürlichen Personen |
Der
Begriff „Privatkonkurs” hat sich sowohl in der
Umgangssprache als auch in der Fachliteratur für das Schuldenregulierungsverfahren
eingebürgert. Der Konkursordnung selbst ist dieser Begriff fremd. | Privatkonkurs |
Die praktische
Bedeutung dieses Verfahrens ist stark im Steigen begriffen:
Waren es im Jahr 1997 noch 1626 eröffnete Verfahren, so erhöhte
sich diese Zahl im Jahr 2002 auf 3234; in 532 Fällen wurde der Antrag
mangels Kostendeckung abgewiesen. Insgesamt wurden zwischen 1995
und Ende 2001 über 14.000 Konkursanträge über das Vermögen von Nichtunternehmern
gestellt. Die geschätzte Anzahl überschuldeter Privatpersonen in
Österreich ist allerdings um ein Vielfaches höher. | Zahlen – Rechtstatsachen |
2. Ausnahme vom
Kostendeckungsprinzip; außergerichtlicher Ausgleichsversuch | |
Wenn der Schuldner
eine natürliche Person ist, kann auf seinen Antrag das Konkursverfahren
auch eröffnet werden, wenn kein kostendeckendes Vermögen vorhanden
ist. In solchen Fällen werden die Kosten des Verfahrens vorerst
aus der Amtskasse bezahlt. | Verfahren
auch ohne kostendeckendes Vermögen |
Der Schuldner muss
in einem solchen Fall jedoch bestimmte Erfordernisse erfüllen (§
183 KO), und zwar: Vorlage eines Vermögensverzeichnisses, Vorlage
eines zulässigen Zahlungsplanantrags und Bescheinigung, dass er
diesen erfüllen wird. Außerdem muss er bescheinigen, dass die Verfahrenskosten
aus seinen zu erwartenden pfändbaren Einkünften abgedeckt werden
können. – Betreibt der (vermögenslose) Schuldner kein Unternehmen,
so muss er weiters bescheinigen, dass ein außergerichtlicher Ausgleich
mit den Gläubigern gescheitert ist oder ein darauf
abzielender Versuch aussichtslos wäre. Ansonsten wird der Konkurs
(bei fehlender Kostendeckung) nicht eröffnet; § 183 Abs 2 KO. | Voraussetzungen |
Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck,
dass er außergerichtliche Lösungen bevorzugt. Bevor auf Kosten der Öffentlichkeit
ein Konkurs eröffnet wird, muss der Schuldner versuchen, mit seinen
Gläubigern im Verhandlungsweg ins Reine zu kommen. Hiezu hat er
den Gläubigern einen angemessenen Ausgleichsvorschlag mit
einer ausreichenden Überlegungsfrist (ca 6 Wochen) zu unterbreiten.
Erst nach Scheitern dieses Versuchs ist der Weg in den Privatkonkurs
frei. | |
 | |
3. Besonderheiten
des Schuldenregulierungsverfahrens | |
Schuldenregulierungsverfahren
nennt die KO das Konkursverfahren über das Vermögen einer natürlichen
Person, die kein Unternehmen (mehr) betreibt. Auch ehemalige Unternehmer
fallen daher in dieses Verfahren, mögen die Schulden auch noch aus
der Unternehmenstätigkeit herrühren. Für solche Verfahren sieht
der Dritte Teil der KO einige Erleichterungen vor, die das Verfahren
einfacher und kostengünstiger gestalten
sollen. Soweit die §§ 182 ff KO nichts anderes vorsehen, sind die
allgemeinen Regeln der KO anwendbar. | Kein Unternehmen |
Das
Schuldenregulierungsverfahren fällt in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte.
– Sofern der Wert der Aktiva voraussichtlich 50.000 ı nicht übersteigt,
wird das Verfahren vom Rechtspfleger durchgeführt.
Stimmrechtsentscheidungen und Ermessensentscheidungen nach § 213
Abs 2 – 4 KO bleiben auch hier dem Richter vorbehalten. | Bezirksgerichte – Rechtspfleger |
Auf
die Bestellung eines Masseverwalters wird im Regelfall verzichtet;
sog Eigenverwaltung des Schuldners. Ausnahmen: Wenn die Vermögenslage des
Schuldners unübersichtlich ist oder wenn die Eigenverwaltung Nachteile für
die Gläubiger befürchten ließe; seit der InsNov
2002 auch, wenn der Schuldner kein genaues Vermögensverzeichnis vorgelegt
hat; vgl § 186 Abs 2 KO. Damit sollen die Verfahren billiger werden,
was auch der Entlastung der Amtskasse dient. | Eigenverwaltung des Schuldners |
Im Fall
der Eigenverwaltung werden die Kompetenzen, die sonst dem Masseverwalter
zukämen, teils vom Schuldner selbst, teils von
den Gläubigern (zB Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen)
und teils vom Konkursgericht wahrgenommen (im
einzelnen §§ 187 – 190 KO). | |
Im Schuldenregulierungsverfahren
können sich die Schuldner auch durch eine bevorrechtete Schuldnerberatungsstelle vertreten
lassen; § 192 KO; § 12 IEG definiert die Voraussetzungen für die
Bevorrechtung. | Vertretung
durch Schuldnerberatungsstelle |
4. Überblick: Die
einzelnen Wege zur Entschuldung | |
Nach geltendem Recht sind für natürliche Personen mehrere
Wege zur Entschuldung vorgesehen: | |
• Zum einen der außergerichtliche Ausgleich, | |
• zum anderen drei Varianten im Rahmen des Konkursverfahrens,
nämlich | |
| |
Der Zahlungsplan ist eine speziell
auf die Bedürfnisse natürlicher Personen zugeschnittene Sonderform
des Zwangsausgleichs. Er steht jeder natürlichen Person offen
(auch Einzelunternehmern). Geregelt ist der Zahlungsplan in den
§§ 193 – 198 KO; subsidiär gelten die Bestimmungen über den Zwangsausgleich
(§ 193 Abs 1 KO). | Sonderform
des Zwangsausgleichs |
Für den Zahlungsplan
ist keine zahlenmäßig fixierte Mindestquote vorgeschrieben;
dies ist der wichtigste Unterschied zum Zwangsausgleich. Die angebotene
Quote kann daher auch unter 20 Prozent liegen (in der Praxis der
Regelfall); sie muss jedoch der Einkommenslage des Schuldners in
den folgenden fünf Jahren entsprechen (§ 194 Abs 1 KO; wirtschaftliche
Angemessenheit). Dabei kommt es darauf an, welche pfändbaren Bezüge
der Schuldner im Prognosezeitraum voraussichtlich erzielen wird.
Die Summe der pfändbaren Bezüge der nächsten 5 Jahre in Relation
zu den Gesamtverbindlichkeiten ergibt jene (Mindest)Quote, die jedenfalls
angeboten werden muss, damit der Vorschlag angemessen ist.
– Die Erfüllungsfrist darf maximal 7 Jahre betragen. | Mindestquote |
Über den Zahlungsplan darf erst nach Verwertung
des schuldnerischen Vermögens (der Konkursmasse) abgestimmt werden. | |
Über
den Zahlungsplan wird in einer Tagsatzung abgestimmt. Die Beschlussfähigkeit
und die Mehrheitserfordernisse sind gleich geregelt wie im Zwangsausgleich;
Kopf- und Summenmehrheit →
Zwangsausgleich Stimmen
die Gläubiger dem Zahlungsplan zu, so ist überdies noch die gerichtliche
Bestätigung notwendig; die Versagungsgründe finden sich in § 195
KO. Nach rechtskräftiger Bestätigung ist der Konkurs aufzuheben. | |
6. Das Abschöpfungsverfahren | |
Das Abschöpfungsverfahren
ist ultima ratio für jene Schuldner, die an den Hürden des Zahlungsplans scheitern;
zB weil die Gläubiger einem angemessenen Zahlungsplan nicht zustimmen. Grundgedanke
dieses Verfahrens ist folgender: Ein „kooperativer” Schuldner, der
bereit ist, für einen Zeitraum von idR 7 Jahren jede
zumutbare Beschäftigung auszuüben und das so erzielte pfändbare
Einkommen den Gläubigern zu überlassen, soll die Restschuldbefreiung
unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen den Willen der Gläubiger
erlangen können. | Ultima ratio |
Der Schuldner hat keine
freie Wahl zwischen Zahlungsplan und Abschöpfung. Er muss
vorerst einen angemessenen Zahlungsplan anbieten und darüber abstimmen
lassen. Erst wenn die erforderlichen Mehrheiten für den Zahlungsplan
nicht erreicht werden, steht der Weg ins Abschöpfungsverfahren offen. | Zahlungsplan oder Abschöpfung |
Darüber entscheidet das Konkursgericht,
wenn ein (zulässiger) Zahlungsplan nicht angenommen wird, noch in
der selben Tagsatzung mit Beschluss. Eine Zustimmung der Gläubiger
ist nicht erforderlich. Allerdings kann jeder Gläubiger beantragen,
dass dem Schuldner die Einleitung versagt wird, wenn bestimmte,
gesetzlich definierte Einleitungshindernisse vorliegen.
Von Amts wegen darf das Gericht diese Hindernisse nicht aufgreifen.
Die Gründe, aus denen dem Schuldner der Weg in die Abschöpfung versperrt
werden kann, sind in § 201 KO taxativ umschrieben; zB: rechtskräftige strafgerichtliche
Verurteilung wegen bestimmter gläubigerschädigender Delikte;
Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im
Konkursverfahren; verschwenderischer Lebensstil in den letzten drei
Jahren vor Stellung des Konkursantrags etc. | Einleitung
des Abschöpfungsverfahrens |
- Bestellung eines TreuhändersSinn
des Abschöpfungsverfahrens ist es, einerseits dem Schuldner die
Restschuldbefreiung zu ermöglichen, andererseits die Gläubiger für
eine bestimmte Zeitspanne am schuldnerischen Einkommen partizipieren
zu lassen. – Demgemäß muss der Schuldner sein pfändbares Einkommen
im voraus an einen Treuhänder abtreten. Wenn der
Schuldner unselbständig tätig ist, hat sein Arbeitgeber (oder ein
sonstiger Drittschuldner) den pfändbaren Teil der Bezüge direkt
an den Treuhänder auszuzahlen. Dieser hat die Gelder fruchtbringend
anzulegen und am Ende jedes Kalenderjahrs an die
Gläubiger zu verteilen. | Sinn des
Abschöpfungsverfahrens |
Da
der „Ertrag” des Abschöpfungsverfahrens für die Gläubiger vom Einkommen
des Schuldners abhängt, haben die Gläubiger naturgemäß ein Interesse
daran, dass der Schuldner ein entsprechendes Einkommen erzielt und
dieses auch offenlegt. § 210 KO statuiert daher bestimmte Obliegenheiten
des Schuldners. – „Herzstück” ist § 210 Abs 1 Z 1 KO: Danach hat
der Schuldner während der Dauer des Abschöpfungsverfahrens eine
angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. | Obliegenheiten des Schuldners |
Im Fall der Beschäftigungslosigkeit
hat sich der Schuldner um einen angemessenen Erwerb zu bemühen und
darf keine zumutbare Arbeit ablehnen. Hiebei werden strenge Maßstäbe
angelegt: Der Schuldner muss auch berufsfremde Arbeiten annehmen
(auch Gelegenheits- oder Aushilfsarbeiten). Auf die familiäre Situation
(zB Kinder) ist aber Rücksicht zu nehmen. | Bemühung um eine angemessene
Erwerbstätigkeit |
Weitere Obliegenheiten:
Der Schuldner muss während der Dauer des Abschöpfungsverfahrens Schenkungen und Erbschaften herausgeben,
jeden Wechsel des Wohnsitzes oder Arbeitsplatzes bekanntgeben und
darf keinem Konkursgläubiger eine Sonderbegünstigung zukommen
lassen. Außerdem darf er keine neuen Verbindlichkeiten eingehen,
die er bei Fälligkeit nicht erfüllen kann; im einzelnen § 210 Abs
1 KO. | Weitere Obliegenheiten |
Allfällige
Obliegenheitsverletzungen sind nicht von Amts wegen aufzugreifen.
Jeder Konkursgläubiger kann jedoch die vorzeitige Einstellung des
Verfahrens (§ 211 KO) beantragen, wenn der Schuldner seine Obliegenheiten schuldhaft
verletzt und dadurch die Befriedigung der
Konkursgläubiger beeinträchtigt. Wird einem solchen
Antrag stattgegeben, so hat der Schuldner die Restschuldbefreiung
verspielt. | Obliegenheitsverletzungen |
Restschuldbefreiung: Im
Regelfall dauert das Abschöpfungsverfahren 7 Jahre.
Eine Abkürzung ist ausnahmsweise möglich, wenn das Verfahren mindestens 3
Jahre gedauert hat und die Konkursgläubiger während des
Konkurs- und Abschöpfungsverfahrens insgesamt eine Quote von zumindest 50
Prozent erhalten haben. Diesfalls hat der Schuldner einen
Anspruch auf vorzeitige Restschuldbefreiung (in der Praxis selten). | Restschuldbefreiung |
Im Normalfall dauert das Verfahren 7 Jahre.
Wurden in diesem Zeitraum mindestens 10 Prozent der
Konkursforderungen abgedeckt wurden, hat der Schuldner Anspruch
auf Erteilung der Restschuldbefreiung. Wird die Mindestquote
nicht erreicht, so hängt die Erteilung der Restschuldbefreiung von
einer Billigkeitsentscheidung des Richters ab;
zu den einzelnen Varianten § 213 Abs 2 – 4 KO. – Möglich ist auch
eine Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens um
bis zu 3 Jahre. | |
Die Restschuldbefreiung wird durch Gerichtsbeschluss erteilt;
§ 213 KO. Dieser wirkt
gegen alle Konkursgläubiger,
auch gegen solche, die ihre Forderung nicht angemeldet haben; anders
wenn eine Forderung nur aus dem Verschulden des
Schuldners unberücksichtigt geblieben ist. Mit Erteilung der Restschuldbefreiung
wandelt sich der nicht beglichene Teil der Konkursforderung in eine
Naturalobligation. Die Rechte der Gläubiger gegen Bürgen, sonstige
Mitverpflichtete etc bleiben aufrecht. | Wirkungen
der
Restschuldbefreiung |
Einige privilegierte
Forderungen werden von der Restschuldbefreiung nicht berührt;
§ 215 KO. Dazu zählen Ansprüche aus einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung (zB Schmerzengeld aus vorsätzlicher Körperverletzung,
Schadenersatz aus vorsätzlicher Sachbeschädigung) sowie Ansprüche
aus einer vorsätzlichen strafgesetzwidrigen Unterlassung. Ebenso
ausgenommen sind Forderungen, die im Verfahren nur
aus dem Verschulden des Schuldners unberücksichtigt geblieben
sind. | |
I. Rechtsdurchsetzung in Europa |
Von Alexander Wittwer | |
 | |
I. Die Europäische
Union als Rechtsgemeinschaft | |
Das Funktionieren des gemeinsamen Markts erfordert, daß
die Römischen Gründungsverträge mehr sind als bloße Vereinbarungen
zwischen den Mitgliedstaaten. Im Fall C-26/62, Van Gend & Loos,
Slg 1963, 1 stellte der EuGH erstmals klar, dass die EG eine neue
Rechtsordnung des Völkerrechts darstellt (supranationales Recht
oder Rechtsordnung sui generis) zu deren Gunsten die Staaten ihre
Souveränitätsrechte eingeschränkt haben. Überdies sind nicht nur
die Mitgliedstaaten Rechtssubjekte dieser neuen Rechtsordnung, sondern
sollen auch einzelnen Bürgern Rechte verliehen und Pflichten auferlegt
werden. Bürger müssen sich vor nationalen Gerichten auf Gemeinschaftsrecht
berufen können; unmittelbare Anwendbarkeit des
EU-Rechts. Widersprechendem innerstaatlichem Recht geht zudem das
Gemeinschaftsrecht – dazu zählt auch die EuGH-Rspr – vor; sog Anwendungsvorrang;
EuGH C-6/64, Costa/ENEL, Slg 1964, 1141. | |
II. Der Europäische Gerichtshof | |
| |
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat
seinen Sitz in Luxemburg. Er ist für „die Wahrung des Rechts und
die Auslegung und Anwendung des Vertrags” zuständig. Er setzt sich
aus 15 Richtern zusammen und wird von 8 Generalanwälten unterstützt.
Die Regierungen der Mitgliedstaaten ernennen einvernehmlich ihre
Richter und die Generalanwälte. Eine Wiederernennung ist möglich.
Der EuGH tagt in Permanenz und fällt seine Urteile mit einfacher
Mehrheit. Interne Arbeitssprache ist Französisch, während die mündlichen
Verhandlungen in der Verfahrenssprache – abhängig vom beteiligten
Mitgliedstaat – abgehalten werden. Die Entscheidungen – samt den
Schlussanträgen der Generalanwälte – werden in alle elf (nach der
Osterweiterung 21) Amtssprachen der EG übersetzt und in der „Sammlung
der Rspr des EuGH und des Gerichts erster Instanz der EU” (Slg) veröffentlicht.
Seit 1989 ist dem EuGH das ebenfalls mit 15 Richtern – aber ohne
Generalanwälte – besetzte Gericht erster Instanz (EuG) beigeordnet;
vgl Art 220 ff EGV. | |
Nicht zu verwechseln mit dem EuGH sind:
– der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
in Straßburg, der für die Wahrung der EMRK zuständig ist; • der EFTA-Gerichtshof in Luxemburg,
der die Einhaltung des EWR-Rechts in Liechtenstein, Island und Norwegen
überwacht. | | • der
Internationale
Gerichtshof (IGH) in Den Haag, der für völkerrechtliche
Streitigkeiten zwischen Staaten zuständig ist. Dort sind auch Kriegsverbrechertribunale für
Ex-Jugoslawien sowie neuerdings ein
Internationaler
Strafgerichtshof (ICC: International Criminal Court) eingerichtet. | |
| |
2. Verfahrensarten und Zuständigkeit | |
Unterschieden werden: •
Verfassungsrechtliche Verfahren, d.s. Streitigkeiten
zwischen Mitgliedstaaten oder zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsorganen
sowie zwischen Gemeinschaftsorganen; | | •
Verwaltungsrechtliche Verfahren,
d.s. Streitigkeiten zwischen Gemeinschaftsorganen und Individuen
und zwischen den Gemeinschaften und Gemeinschaftsbediensteten; | | •
Sonstige Verfahren, bspw Vorabentscheidungs-
oder Amtshaftungsverfahren; | |
| |
Das EuG ist
zuständig für die wichtigen verwaltungsrechtlichen Verfahren, also
für Streitigkeiten zwischen Individuen und Gemeinschaftsorganen;
Art 230 Abs 4 EGV. Eine Restzuständigkeit besteht für den EuGH.
Die restriktive Handhabung in der EuGH-Rspr, wann natürliche und
juristische Personen individuell und unmittelbar betroffen und damit
klagsbefugt sind, führte zu einem beträchtlichen Defizit
an Rechtschutz; vgl Arnull, CMLRev 2001, 7 ff, 52 der von
einem Schandfleck („blot”) in der Landschaft des Gemeinschaftsrechts
spricht. Obwohl sich seit dem Urteil des EuG vom 3.5.2002 (T-177/01)
ein Wende und damit eine großzügigere Handhabung des individuellen
Rechtschutzes abzeichnete, beharrte der EuGH im Urteil vom 25.7.2002
(C-50/00P) bedauerlicherweise auf seiner restriktiven Rspr. | Rechtsschutzdefizit |
3.
Vorabentscheidungsverfahren | |
Das reibunglose Zusammenwirken von Gemeinschaftsrecht und
nationalem Recht wird durch das Vorabentscheidungsverfahren nach
Art 234 EGV gewährleistet. Die konkrete Anwendung des Gemeinschaftsrechts
im Einzelfall bleibt danach dem nationalen Richter überlassen; dem
EuGH obliegt es aber, das Gemeinschaftsrecht auszulegen und damit
entscheidungserhebliche Vorfragen für alle Mitgliedstaaten einheitlich
abzuklären. Vom nationalen Richter formulierte Fragen zum Gemeinschaftsrecht
werden vom EuGH verbindlich entschieden. Das Verfahren vor dem nationalen
Gericht wird bis zur EuGH-Entscheidung unterbrochen; § 90a GOG. | |
Letztinstanzliche Gerichte müssen
bei einer Auslegungsfrage vorlegen; sog obligatorische Vorlage.
Jedes andere Gericht ist dazu berechtigt; sog fakultative
Vorlage. Auslegungsfragen bestehen immer dann, wenn Anwendung und/oder
Auslegung von EG-Recht nicht offenkundig sind. Dabei sind alle (!)
elf Sprachfassungen des EG-Rechts zu berücksichtigen; grundlegend
EuGH C-283/81, CILFIT, Slg 1982, 3415 (sog acte clair-Doktrin).
Dies wird von nationalen Gerichten oft verkannt; verfehlt etwa OGH
(15.7.1999, 6 Ob 123/99b) zur gesellschaftsrechtlichen Sitztheorie
gem § 10 IPRG. Der OGH hätte mE diesen Fall an den EuGH vorlegen
müssen. Vgl zur dieser IPR-Problematik nun das bahnbrechende Urteil
vom 5.11.2002 (C-208/00, Überseering, Slg 2002, I-9919). |
Obligatorische
und fakultative Vorlage |
Was ein Gericht iSd Art 234 EGV darstellt
und damit vorlageberechtigt ist, wird vom EuGH autonom interpretiert. Nicht
darunter fallen bspw die österreichischen Grundbuchs- (C-178/99,
Salzmann I, Slg 2001, I-4421) und Firmenbuchgerichte (C-182/00,
Lutz und C-447/00, Holto), da deren Tätigkeit keine Rechtsprechung
sei; dazu Wittwer, ELR 2002, 114 ff und Burgstaller, ecolex 2002,
219 ff. | |
|
Der EuGH befasste
sich schon mehrere Male mit der Frage, inwieweit das Grundverkehrsrecht
österreichischer Bundesländer gegen die Kapitalverkehrsfreiheit
nach Art 56 EGV verstößt. In den Urteilen Konle (Slg 1999, I-3099)
zum Tiroler und Reisch (Slg 2002, I-2157) zum Salzburger und in
der Rechtssache Salzmann II (15.5.2003, C-300/01) zum Vorarlberger
Grundverkehrsrecht war der EuGH der Ansicht, dass das Genehmigungsverfahren
für den rechtsgeschäftlichen Erwerb von Baugrundstücken der Kapitalverkehrsfreiheit
widerspricht; dazu Wittwer, Quo vadis österreichisches Grundverkehrsrecht?,
ELR 2003, 242 ff. Zum Grundverkehr mit land- und forstwirtschafltichen
Grundstücken in Vorarlberg jüngst EuGH vom 23.9.2003, C-452/01,
Ospelt. | |
|
|
Der EuGH (C-168/00,
Leitner, Slg 2002, I-2631) entschied auf Vorlage des LG Linz, dass
„entgangene Urlaubsfreude” als immaterieller Schaden – obwohl in
Österreich bislang gesetzlich nicht vorgesehen – zu ersetzen ist.
Das LG Linz ZVR 2002/69 hat daraufhin EUR 400,- zugesprochen, während
in einem anderen Verfahren das HG Wien einen Ersatzanspruch wegen
entgangener Urlaubsfreude ablehnte. Diese E verkennt das Gebot europarechtskonformer
Auslegung; vgl Wittwer, ELR 2002, 285 ff und M.M. Karollus, JBl
2002, 566 ff. | |
|
|
§ 2 Abs 1 UVG bestimmt,
dass staatliche Vorschüsse auf den Unterhalt von Kindern nur dann
gewährt werden dürfen, wenn die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt
im Inland haben und entweder österreichischer Staatsbürger oder
staatenlos sind. Alle anderen Kinder (ausländische oder österreichische,
die im Ausland leben) fallen nicht darunter, weshalb österreichische
Gerichte solche Begehren stets abgewiesen haben. Nach zwei Vorlageverfahren
des OGH hat der EuGH entschieden, dass sowohl Kinder deutscher Staatsangehörigkeit,
die in Österreich leben, Anspruch nach dem UVG haben (C-85/99, Offermanns,
Slg 2001, I-2261), als auch ein österreichisches Kind, das mit seiner
Mutter in Frankreich lebt (C-255/99, Humer, Slg 2002, I-1205). Der
EuGH erblickte in diesen Fällen einen Verstoß von § 2 UVG gegen
die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die VO 1408/71 zur sozialen Sicherheit
der Arbeitnehmer. | |
|
Statistik:
Österreichs Gerichte sind überaus vorlagefreudig. Von den 237 Vorabentscheidungsverfahren
im Jahre 2001 stammten die meisten – nämlich 57 – aus Österreich.
Aus der BRD kamen 53, aus Italien 40, aus Großbritannien 21 und
aus Frankreich gar nur 15. Im Durchschnitt dauert ein Vorabentscheidungsverfahren
22,7 Monate. | Rechtstatsachen |
III.
Europäisches Zivilprozessrecht | |
 | |
| |
Das Brüsseler Übereinkommen (EuGVÜ) aus dem Jahre 1968 stimmt
im wesentlichen mit dem in den EFTA-Staaten geltenden Lugano Übereinkommen
(LGVÜ) aus dem Jahre 1988 überein. Mit dem Amsterdamer Vertrag 1997
bekam die EG die Kompetenz, einheitliche Regelungen im internationalen
Zivilprozess- und Privatrecht zu erlassen; Art 65 EGV. Eine auf
dieser Grundlage erlassene und am 1.3.2002 in Kraft getretene Verordnung
(EuGVO) ersetzte das EuGVÜ samt einigen Neuerungen. | |
Rechtsakte zum Europäischen Zivilprozessrecht (Auswahl)
| |
• VO 44/2001/EG über die gerichtliche Zuständigkeit und
die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen (sog „Brüssel I”-VO = EuGVO, ersetzt
das EuGVÜ), ABl 2001 L 12/1, in Kraft seit 1.3.2002 | | • VO 1347/2000/EG über die Zuständigkeit und
die Anerkennung und Volltreckung von Entscheidungen in Ehesachen und
in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen
Kinder (sog „Brüssel II”-VO), ABl 2000 L 160/19, in Kraft seit 1.3.2001 | | • VO 1346/2000/EG über Insolvenzverfahren,
ABl 2000 L 160/1, in Kraft seit 31.5.2002 | | • VO 1206/2001/EG über die Zusammenarbeit zwischen
den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in
Zivil- und Handelsachen, ABl 2001 L 174/1, in Kraft seit 1.7.2001 | | • VO 1348/2000/EG über die Zustellung gerichtlicher
und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen
in den Mitgliedstaaten, ABl 2000 L 160/37, in Kraft seit 31.5. 2001 | | • Entscheidung 2001/470/EG des Rates über die
Errichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes für
Zivil- und Handelssachen, ABl 2001 L 174/25 | |
| |
2. Grundregeln der Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (EuGVO) | |
Diese VO regelt • einerseits die
Zuständigkeit von Gerichten im Erkenntnisverfahren in grenzüberschreitenden Zivil-
und Handelssachen (Kapitel II der VO) | | • und anderseits die Anerkennung und Vollstreckung
ausländischer Entscheidungen (Kapitel III der VO). | |
| |
Grundsätzlich ist das örtlich zuständige Gericht am Wohnsitz
des Beklagten zuständig; Art 2 EuGVO. | |
 | |
Davon gibt es zahlreiche Ausnahmen:
| |
• Die Parteien vereinbaren die
Zuständigkeit eines anderen Gerichts; Art 23 EuGVO. | |
• Die EuGVO kennt auch besondere Zuständigkeiten (Wahlgerichtsstände):
bspw den Erfüllungsort des Vertrages (Art 5 Z 1), den Wohnsitz des
Unterhaltsberechtigten bei Unterhaltssachen (Art 5 Z 2) oder den
Ort des schädigenden Ereignisses bei deliktischen Klagen (Art 5
Z 3). | |
• In Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitsrechtssachen
soll die schwächere Partei dadurch geschützt werden, dass grundsätzlich
die Gerichte an deren Wohnsitz zuständig sind; Art 8 – 21 EuGVO. | |
• Eine ausschließliche Zuständigkeit besteht
bspw bei Streitigkeiten an Immobilien; Art 22 EuGVO | |
Das Vorabentscheidungsverfahren gem Art 234 EGV an den
EuGH steht – zur einheitlichen und übernationalen Auslegung der
EuGVO – nur solchen nationalen Gerichten offen, deren Entscheidungen
nicht mehr angefochten werden können; Art 68 EGV. | |
|
Der OGH legte dem
EuGH die Frage vor, ob die Unterlassungsklage des Vereins für Konsumenteninformation
nach den §§ 28, 29 KSchG als deliktische Klage iSd Art 5 Z 3 EuGVÜ
(entspricht Art 5 Z 3 EuGVO) anzusehen ist. Im Urteil vom 1.10.2002
C-167/00, VKI/Henkel, Slg 2002, 8111 bejahte dies der EuGH. Daher
können nun auch Unterlassungsklagen von Verbänden iSd §§ 28, 29
KSchG gegen Ausländer in Österreich eingebracht werden. | |
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Der OGH fragte
den EuGH, ob der Anspruch aus § 5j KSchG (Gewinnzusagen) gegen ein
dt. Versandhandelsunternehmen am Wohnsitz des Verbrauchers in Österreich
geltend gemacht werden kann, was der EuGH im Hinblick auf Art 13
Z 3 EuGVÜ bejahte (C-96/00, Gabriel, Slg 2002, I-6367). Im Vergleich
zu Art 13 Z 3 EuGVÜ geht der neue Art 15 Abs 1 lit c EuGVO noch
viel weiter und lässt schon bei jeder Geschäftstätigkeit eines Unternehmers
im Wohnsitzstaat des Verbrauchers eine Klage an dessen Wohnsitz zu. | |
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Ein weiteres Verfahren
wegen § 5j KSchG ist vom OLG Innsbruck im Hinblick auf Art 5 Z 3
EuGVÜ anhängig gemacht worden (C-27/02 Petra Engler/Janus Versand). | |
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