Kapitel 12 | |
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Mit dem Begriff „Dienstleistungsverträge”
(A.) werden verwandte und in ihrer historischen Entstehung zum Teil
aus gemeinsamer Quelle fließende Vertragstypen, nämlich der Arbeitsvertrag, der
Werkvertrag sowie der Auftrag, behandelt. Für den Bereich des Individualarbeitsvertrags
wird der modernere Begriff des Arbeitsvertrags verwendet, zumal
er nicht mehr die sprachliche Wurzel des „Dienens” enthält, sondern
die reziproke Austauschbeziehung von Arbeit gegen Entgelt auch sprachlich
realistisch in den Vordergrund rückt. Bei allen drei Vertragstypen
werden Arbeitsleistungen im wirtschaftlichen Sinne geschuldet, die
aber nicht mit „Arbeit” im engeren rechtlichen Sinne gleichgesetzt
werden dürfen. – Pkt B. schließt an den Auftrag die „GoA”, die Geschäftsführung
ohne Auftrag an. Pkt C. fasst – unüblich, aber funktional korrekt
und didaktisch sinnvoll, die Sonderregelungen der Arbeitnehmerhaftung
(DNHG, AHG, OrgHG, ASVG) zusammen, zumal alle diese Sonderhaftungen
im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen und „gebündelt” und
im Kontext von Arbeitsbeziehungen besser verstanden werden können.
– Pkt D. stellt erstmals in diesem Lehrbuch die „Gesellschaft bürgerlichen
Rechts” / GesbR, gleichsam als gesellschaftsrechtliches Arbeitsverhältnis,
dar und Pkt E. – ebenfalls neu – fasst die gewagten Geschäfte als „Glücksverträge”
zusammen. | Überblick |
A. Dienstleistungsverträge |
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I. Allgemeines
zum Arbeits- und Werkvertrag | |
Die praktische Bedeutung dieser Vertragstypen im Alltag
und im Wirtschaftsleben ist groß. Geregelt sind sie in den §§ 1151-1174
ABGB, der Arbeitsvertrag zudem in zahlreichen arbeitsrechtlichen
Vorschriften. Täglich werden viele solcher Verträge verhandelt,
geschlossen und gelöst. Gleichzeitig enthält dieser Bereich des
Privatrechts starke Verbindungen zum Arbeits- und Sozialrecht und
damit auch zum öffentlichen Recht. | |
Eine
typisch öffentlichrechtliche Materie ist bspw das Arbeitnehmer/innenschutzrecht,
geregelt im ASchG, BGBl 450/1994. Dabei wird österreichisches Recht
(zB § 67 ASchG: Bildschirmarbeit) durch EU-Recht ergänzt; vgl EU-RL
90/270: BildschirmarbeitsVO zur ergonomischen Gestaltung der Bildschirmarbeit. | |
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Sowohl beim Arbeitsvertrag wie beim Werkvertrag wird – wie
erwähnt – eine Arbeitsleistung iwS geschuldet;
zur rechtlichen Einordnung der Arbeitsleistung → Leistung
abhängiger Arbeit Präziser:
Gegenstand dieser Verträge ist einerseits (beim Arbeitsvertrag)
die Arbeitsleistung als solche (zB Lehrerin unterrichtet,
Angestellter verhandelt, Krankenschwester pflegt), und andrerseits
(beim Werkvertrag) das Ergebnis, der Erfolg der
Arbeit, das Werk / Erzeugnis. | |
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„Arbeitsleistungen” iwS können
auf sehr unterschiedliche Weise erlangt werden: Einerseits – wie
erwähnt – über Dienst- / Arbeits- und Werkverträge, andrerseits
aber auch über Aufträge und Gesellschaftsverträge (GesbR, OHG, KG,
Stille Gesellschaft, OEG und KEG und natürlich auch durch die Gründung
von Kapitalgesellschaften) sowie durch familiäre Hilfe. – Die Art
der „Bezahlung” der erbrachten Arbeitsleistung ist dementsprechend
unterschiedlich. | |
2. Bedeutung der
Unterscheidung | |
Die Unterscheidung von
Arbeitsvertrag und Werkvertrag ist praktisch deshalb so bedeutsam,
weil auf Arbeitsverträge das Arbeitsrecht anzuwenden
ist, auf Werkverträge aber grundsätzlich nicht und darüber hinaus
lange Zeit nur Arbeitsverträge, nicht aber Werkverträge
sozialversicherungspflichtig waren, weshalb in
der Praxis immer wieder versucht wurde, auch echte Arbeitsverhältnisse
als Werkverträge hinzustellen. Derartige Umgehungen – sog „Flucht
aus dem Arbeitsrecht”, um sich Sozialversicherungsbeiträge und arbeitsrechtliche
Leistungen an Arbeitnehmer zu ersparen (insbesondere Kündigungsschutz,
Urlaub, Entgeltfortzahlung, Abfertigung), werden aber von der Rechtsordnung
nicht geduldet. Durch ein „Verschieben” von Arbeitnehmern in den
werkvertraglichen Bereich oder in den des freien Dienstvertrags
verlieren diese auch ihre steuerliche Begünstigung; sie sind dann
nicht mehr lohn-, sondern einkommensteuerpflichtig. – Seit 1996
sind auch für freie Dienstverträge und dienstnehmerähnliche Werkverträge
– sog unechte Werkverträge, Sozialabgaben zu entrichten, soweit
das Entgelt monatlich einen bestimmten Betrag übersteigt. Der Personenkreis
der ASVG-Pflichtversicherten wurde dadurch wesentlich erweitert.
Echte Werkverträge sind aber auch weiterhin nicht von der ASVG-Pflichtversicherung
umfasst. | Flucht
aus dem Arbeitsrecht |
Der unterschiedliche arbeitsrechtliche Bezug zwischen Arbeits-
und Werkvertrag bleibt also grundsätzlich weiterhin bestehen; kurz:
Die Grenze zwischen Arbeitsvertrag und Werkvertrag ist die Grenze
zwischen unselbständiger und (echter) selbständiger, also unternehmerischer
Arbeit. | |
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VwGH 1994/ARDInd 4588/30/94:
Überwiegen die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber
jenen persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit, liegt –
mag auch der Vertrag als „Werkvertrag” bezeichnet sein – ein versicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis vor. Bei der Prüfung des Vorliegens
eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses kommt
es also nicht auf die Bezeichnung des Vertrags an, sondern auf seine
inhaltliche Gestaltung. | |
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Dazu folgende Zeitungsmeldung: „Urteil gegen
die Mediaprint. Zeitungskolporteure sind keine
selbständigen Unternehmer.., sondern Arbeitnehmer. Das hat der Verwaltungsgerichtshof
im Steuerverfahren eines Kolporteurs der Mediaprint erkannt, dem
das Finanzamt Umsatz- und Einkommensteuer vorgeschrieben hat. Die
Richter führten an, dass die Kolporteure praktisch keinen unternehmerischen
Spielraum hätten, wenn ihnen Standort, Verkaufszeit und das Tragen
von Arbeitskleidung vorgeschrieben werden und der Verkauf von Konkurrenzprodukten
untersagt ist. – Die Mediaprint schließt mit ihren Kolporteuren
Verträge über eine eigene Tochtergesellschaft ab, in denen die Zeitungsverkäufer
als Unternehmer betrachtet werden, womit für den Dienstgeber keine
Steuern und Sozialversicherungsbeiträge anfallen. Dies wird nach
dem Urteil nicht mehr möglich sein ....” (Der Standard, 22.8.1996,
S. 1) – Die Realität sieht freilich anders aus: Diese Rspr wurde
nämlich von den Zeitungsherausgebern durch eine Gesetzeskorrektur
unterlaufen, wonach Kolporteure als Selbständige zu behandeln sind.
Dies mit allen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belastungen.
(Macht in der Demokratie macht vieles möglich!) | |
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ZAS 2001, H. 5 (Judikaturbeilage) OGH 28.3.2001, 9 Ob A
25/01 v: Wegen Fehlens des für die Annahme einer
arbeitsvertraglichen Beziehung nötigen Kriteriums persönlicher Abhängigkeit,
wird bloß familiär bedingte Mitarbeit der Ehegattin und
kein Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen ihre Mannes (OHG) angenommen. | |
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Kurz: Beim Bevollmächtigungsvertrag übernimmt
der Bevollmächtigte die Durchführung von Rechthandlungen oder Rechtsgeschäften
und nicht von tatsächlicher Arbeit. Er handelt zudem in fremdem
Namen und auf fremde Rechnung. – Zu einem Gesellschaftsvertrag schließen
sich mehrere Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammen.
Anders als beim Arbeitsvertrag besteht zwischen den Mitgliedern
einer Gesellschaft Gleichordnung und nicht Über- und Unterordnung
wie beim Arbeitsvertrag. | |
Die III. TN illustriert
den Unterschied zwischen Arbeitsvertrag (= Vertrag mit Dienstmädchen)
und Werkvertrag (= Vertrag mit Baumeister): | Beispiel der III. TN |
Beispiel der III. TN Vertrag mit Dienstmädchen | Vertrag mit Baumeister |
Arbeit unter fremder Leitung und
Verfügung
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Arbeit nach eigenem Plan
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mit fremden Arbeitsmitteln
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mit eigenen Arbeitsmitteln
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mit persönlicher Arbeitspflicht
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mit Gehilfen und Substituten
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Haftung für Sorgfalt, nicht
für Erfolg
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Haftung für Erfolg
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Organisatorische, persönliche, wirtschaftliche Abhängigkeit
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Organisatorische, persönliche, wirtschaftliche Unabhängigkeit
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in fremder Organisation tätig
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selbständiger Unternehmer
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Immer DSchV
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Grundsätzlich: ZSchV
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Weitere Beispiele (Gschnitzer)
Einen Vertrag über abhängige Arbeit
(ArbeitsV) schließt: •
Schustergeselle mit
dem Meister | | •
Architekt im städischen Bauamt | | • von einem Hotel angestellter Schilehrer
| | •
Schauspieler eines (Landes)Theaters | | •
Lehrer einer Privatschule | | •
Oberarzt einer Klinik | | • ständiger (Rechts)Berater eines Unternehmens; sog Syndikus oder
Konsulent | | •
Angestellter mit seinem Geschäftsherrn | |
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Einen Vertrag über selbständige Arbeit
(WerkV, Auftrag, freier Dienstvertrag) schließt: • (Handwerks)Meister mit
Kunden | | •
Architekt mit Auftraggeber | | •
Bergführer mit Touristen | | •
Künstler auf Gastreisen | | •
Privatlehrer, der Schüler
unterrichtet | | •
praktischer Arzt mit Patienten | | •
Anwalt mit seinen Klienten | | •
Handelsvertreter mit seinem
Geschäftsherrn | |
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3. Sozial(versicherungs)recht | |
Das Sozialrecht,
reicht – im Gegensatz zum Arbeitsrecht – über den Kreis der unselbständigen Arbeit
hinaus und schließt auch selbständig Erwerbstätige ein; zB gesetzliche
Unfallversicherung und Krankenversicherung für Selbständige oder
Sozialversicherung für die Landwirtschaft. – Das Sozialversicherungsrecht,
das ein Teil des Sozialrechts ist, sichert gegen die klassischen
sozialen Risken: Krankheit, Unfall, Alter oder Tod; nach dem Ersten
Weltkrieg kam noch die Arbeitslosenversicherung dazu. Seit 1993
gibt es in Österreich das Pflegegeld, das aber nicht als Versicherung gestaltet
wurde, sondern aus Steuermitteln finanziert wird. | |
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Die Zahl der bei österreichischen
Sozialversicherungsträgern gemeldeten unselbständigen Erwerbstätigen
betrug Ende zum 31.5.2002 3.155.648 Personen, was eine Zunahme gegenüber
dem Vorjahr um 5.520 bedeutet. Die Arbeitslosenquote stieg von 6,1
auf 6,9 Prozent. Dieser Zahl stehen etwa 380.000 Selbständige gegenüber.
Die Vollzeitbeschäftigung in Österreich ist aber seit 1995 deutlich
zurückgegangen, während die Teilzeitbeschäftigung deutlich zugenommen
hat. 87 % der Teilzeitarbeitsplätze entfallen auf Frauen. Die Vollzeitbeschäftigung
(mehr als 35 Wochenstunden) lag Ende 1998 bei 2,63 Mio Personen.
– Sog geringfügige Beschäftigungsverhältnisse (Mai 2003: ca 220.013)
unterliegen nicht voll der Sozialversicherungspflicht. Ein Arbeitgeber
muss solche Arbeitnehmer zwar gegen Unfall versichern, nicht aber
krankenversicherungs- und pensionsrechtlich absichern, wodurch er
sich einiges erspart. Es kommt daher auch hier immer wieder zu unerlaubten
Umgehungen; zB gleichzeitiger Abschluss mehrerer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse
zwischen einem/r Arbeitnehmer/in und dem Arbeitgeber. Betroffen
davon sind überwiegend Frauen. Vgl auch → Typische
und atypische Arbeitsverhältnisse:
atypische Arbeitsverhältnisse. – Die Erwerbsquote der Frauen erreichte
2002 (gerechnet auf die arbeitsfähige weibliche Bevölkerung zwischen
15 und 65 Jahren) 60 Prozent. Die Erwerbstätigkeit junger Frauen
zwischen 25 und 35 Jahren ist von von 68 auf 66 Prozent zurückgegangen. | Einige Zahlen –
Rechtstatsächliches |
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Ich folge hier den Ausführungen J. Bergers,
der mir auch innerhalb seiner Zitate graphische Abweichungen gestattete.
Die folgenden „Überschriften” stammen von ihm. Ich habe ihm auch
für zahlreiche wertvolle Hinweise zu danken. | |
1. Definition –
Grundlegung | |
J. Berger (aaO 19) charakterisiert das Arbeitsrecht als
„Sonderrecht der in abhängiger Stellung fremdbestimmte Arbeit verrichtenden”
Arbeitnehmer. Das bedeutet: | |
•
„Sonderrecht der Arbeitnehmer:
Das Arbeitsrecht ist eine selbständige Rechtsdisziplin. Es stellt
sich im Grunde als Schutzrecht der Arbeitnehmer dar. Die primäre
Funktion des Arbeitsrechts besteht darin, die von vornherein gegebene
soziale Ungleichheit zwischen Arbeitgeber einerseits und Arbeitnehmer
andererseits sowie die wirtschaftliche Machtunterlegenheit des Arbeitnehmers
gegenüber dem Arbeitgeber rechtlich zu korrigieren. Dadurch soll
die Gleichheit der Verhandlungskraft und der Rechtspositionen der
beiden Parteien bewirkt werden. Anwendung findet das Arbeitsrecht
nur, wenn an einem rechtlich zu beurteilenden Sachverhalt (wenigstens
mittelbar) ein Arbeitnehmer als solcher beteiligt ist.” | Sonderrecht
der Arbeitnehmer |
• „Arbeit: Das Arbeitsrecht
erfasst das Phänomen ‚Arbeit’ in sozialökonomischer Hinsicht. Was
im Einzelfall Arbeit ist, wird durch die Vertragspartner, allenfalls
durch die Verkehrsauffassung bestimmt. Völlig unerheblich ist, ob
die Arbeit zur Gänze oder überwiegend in körperlicher oder in geistiger
Betätigung des Arbeitnehmers besteht. Auch auf das Gelingen der
Arbeit kommt es nicht an.” | |
• „Fremdbestimmtheit: Das Arbeitsrecht
stellt nur auf Arbeit ab, die für jemand anderen geleistet wird
(Dienstleistung); nicht dagegen auf Arbeit, die jemand für sich
selbst leistet (Eigenleistung).” | |
• „Abhängigkeit des Arbeitnehmers:
Gegenstand des Arbeitsrechts ist allein jene Arbeit, die aus einer
Position der Unterordnung bzw des Eingebunden-Seins in eine fremde
Organisation erbracht wird. Der Arbeitnehmer ist insbesondere bezüglich
Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsorganisation vom Arbeitgeber
abhängig.” | |
2. Struktur und
Systematik des Arbeitsrechts | |
„Das
Arbeitsrecht hat keine einheitliche Rechtsstruktur. Es gehört weder
ausschließlich dem Privatrecht noch allein dem öffentlichen Recht
an; es enthält vielmehr Rechtsvorschriften der einen wie der anderen
Art; die zudem oft miteinander verknüpft oder ineinander verzahnt
sind. | Keine einheitliche Rechtsstruktur |
Bezogen auf die Gesamtrechtsordnung stellt das Arbeitsrecht
nur eine von vielen Rechtsdisziplinen dar. Gleichwohl setzt es sich
auch selbst aus mehreren Einzelrechtsgebieten zusammen. | |
Systematisch geordnet
weist das Arbeitsrecht folgende Gliederung auf: | Systematische Gliederung |
Individualarbeitsrecht:
Das sind jene Rechtsvorschriften, welche die Rechtsbeziehungen zwischen
dem einzelnen Arbeitgeber einerseits und dem einzelnen Arbeitnehmer
andererseits sowie die Rechtsbeziehung zwischen dem einzelnen Arbeitgeber
oder Arbeitnehmer einerseits und dem Staat bzw dessen Institutionen
andererseits regeln. Bezugsgröße ist die einzelne Rechtsperson als
Individuum: | |
•
Arbeitsvertragsrecht
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•
Arbeitnehmerschutzrecht
| |
•
Arbeitsmarktrecht. | |
KollektivesArbeitsrecht:
Das sind jene Rechtsvorschriften, die sich mit der Institution,
Organisation, Funktion und den Rechtsbeziehungen der verschiedenen
arbeitsrechtlichen Personenmehrheiten befassen. Bezugsgrößen sind
die entsprechenden Gruppen von Personen als Kollektiv: | |
•
Koalitions-
und Arbeitsverbandsrecht
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• Recht der kollektiven Rechtsgestaltung
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•
Betriebsverfassungsrecht
| |
•
Arbeitskampfrecht. | |
Arbeitsverfahrensrecht:
Das sind jene Rechtsvorschriften, die dass Verfahren regeln, welches
die mit der Durchführung von arbeitsrechtlichen Angelegenheiten
befassten Behörden anzuwenden haben: | |
• Arbeitsgerichtsverfahrensrecht | |
• Arbeitsverwaltungsverfahrensrecht.” (Berger,
aaO 20) | |
3. Geschichte des
modernen Arbeitsrechts | |
Ich
beschränke mich auf den letzten historischen Entwicklungsabschnitt
aus Bergers umfangreicherer Darstellung; aaO 23 f. | Entwicklungsperiode 1945 – Gegenwart |
„Nach der Befreiung Österreichs setzte neuerlich ein Aufschwung
unserer Sozialpolitik und Sozialgesetzgebung ein. Der ganz überwiegende
Teil der heute geltenden arbeitsrechtlichen Vorschriften stammt
aus dieser Epoche. Die gegenwärtige Situation in der Entwicklung
des österreichischen Arbeitsrechts ist vor allem durch folgende
Komponenten geprägt: | |
1. Streben nach systematischer und inhaltlicher
Vereinheitlichung des durch eine Vielzahl von Einzelgesetzen zersplitterten
und unübersichtlichen Arbeitsrechts (Kodifikation des Arbeitsrechts).
Neben den berufsspezifischen und themenspezifischen Einzelgesetzen
bestehen Rechtsbereiche, in denen Teilkodifikationen gelungen sind. | |
2. Vordringen arbeitsmarktpolitisch motivierter und mit
dem Sozialrecht verknüpfter besonderer Arbeitszeitmodelle (Gleitpension,
Altersteilzeit, Solidaritätsprämienmodell, Bildungskarenz usw). | |
3. Anpassung des nationalen Arbeitsrechts an das Recht der
Europäischen Union. | |
4. Feinabstimmung des Arbeitsrechts mit dem Sozialrecht
zur Verbesserung des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer und deren
Angehöriger. | |
5. Tendenz zur Liberalisierung der arbeitsrechtlichen Schutznormen
(‚Flexibilisierung’ – zB durch Arbeitszeit-Bandbreitenmodelle, Arbeitskräfteüberlassung,
private Arbeitsvermittlung, Aussetzungsverträge).” | |
III. Zum
Verhältnis von Arbeits- und Zivilrecht | |
Von Martin
Binder
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1. Das moderne Arbeitsrecht als weitgezogene Disziplin | |
Das moderne Arbeitsrecht stellt ein weitgefächertes
Rechtsgebiet dar, das sich aus dem Recht des Arbeitsvertrages,
Arbeitnehmer-Schutzrecht (zB technischer Gefahrenschutz), Betriebsverfassungsrecht
(zB Mitwirkungsrechte des Betriebsrats), Verbandsrecht (zB Recht
der Gewerkschaften und Berufskammern) und Arbeitskampfrecht (zB
Streikrecht und Staatsneutralität) sowie dem Arbeitsverfahrensrecht
(zB Verfahren vor Arbeitsgerichten und Schlichtungsstellen) zusammensetzt.
Für den Bereich des Zivilrechts sind hievon folgende Teilgebiete
von Relevanz: | |
Die Rechtsbeziehungen
zwischen Arbeitnehmer (AN) und Arbeitgeber (AG),
also der „Arbeitsvertrag” mit seiner Arbeits- und Entgeltpflicht,
Treue- und Fürsorgepflicht, die vor- und nachvertraglichen Beziehungen
(zB Vertragsanbahnung und Zeugnispflicht) sowie allfälligen deliktischen
Beziehungen (zB Ersatzpflichten bei Schädigung von AN-Eigentum;
bezüglich der Personenschäden modifiziert das Sozialrecht das zivile
Schadenersatzrecht). Der Arbeitgeberbegriff ist weit zu ziehen,
weil auch Dritte (zB der Beschäftiger im Rahmen der Arbeitskräfteüberlassung
oder der allein Gewinn ziehende „mittelbare” AG) Pflichtenadressaten
sein können, etwa bei Entgeltzahlung, Fürsorge- und sozialer Beitragspflicht. | Arbeitsvertrag |
Die Rechtsbeziehungen
zwischen den Arbeitskollegen: Diese resultieren vorwiegend
aus faktischer Arbeitsberührung; durch die Deutung des Arbeitsvertrages
als Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte wird der rechtliche Schutzbereich
auf Mitarbeiter erweitert, mögen sie denselben oder einen anderen
AG haben. Es lassen sich hier Verträglichkeitsgebote und Solidaritätspflichten
gewinnen sowie spezielle Regeln für den Fall der Kollegenschädigung
erkennen, aber auch Aspekte der Gruppenarbeitsverträge einbeziehen.
Für Kollegenkonflikte ist jedenfalls der Sache nach zutreffend das
Arbeitsgericht zuständig. | Arbeitskollegen |
Das Verhältnis der
einzelnen Arbeitsvertragsteile (also AN oder AG) zu den
Verbänden
und
der Belegschaftsvertretung, soweit der Persönlichkeitsschutz,
das „Hausrecht” des AG und überhaupt die Grundrechte wirksam werden.
Es geht um das Recht, ohne Druck einem Verband beitreten oder austreten
zu können (sog „positive„ bzw „negative”
Koalitionsfreiheit), die Meinungs- und verbandsorientierte
Betätigungsfreiheit in der Arbeitsstätte, somit um die sog „Drittwirkung”
der Grundrechte. Einzubeziehen ist aber auch das aktive Wahlrecht
und die Wählbarkeit zum Betriebsrat sowie die Ausübung der Mitbestimmungsrechte in
den diversen Belegschaftsgremien; man könnte diesbezüglich von einer
sehr weit gezogenen Wirkung des Persönlichkeitsrechts nach § 16
ABGB sprechen; | Verbände
und Belegschaftsvertretung |
Die Normenverträge (dh
der Kollektivvertrag und die Betriebsvereinbarung) werden herrschend dem
Privatrecht zugeordnet. Sie wirken gesetzesgleich auf
die Arbeitsverträge und das betriebliche Geschehen ein, ohne dass
normunterworfene AN und AG in jedem Fall auf das Zustandekommen oder
den Inhalt des kollektiven Gestaltungsmittels bestimmend Einfluss
nehmen können. In Ermangelung expliziter verfassungsrechtlicher
Deckung kann jedoch nur eine privatrechtliche Deutungsweise über
die Denkfiguren der Verbandsrepräsentation und der rechtlich fingierten
Einbeziehung in den Arbeitsvertrag zu einer friktionsfreien Geltungserklärung
führen. | Kollektivvertrag |
2. Die Beziehung der §§ 1152 ff ABGB (“Dienstvertrag”)
zum modernen Arbeitsrecht | |
Stellt man diese Beziehungsgeflechte und Normenkomplexe
nun dem 26. Hauptstück des ABGB über die Dienstleistungsverträge
(§§ 1151 ff ABGB) gegenüber, so fällt einem die Eindimensionalität
und Normenkargheit des zivilen Arbeitsvertragsrechts auf. Hiebei
kommt es gar nicht darauf an, ob man einen Vergleich zum Lohnvertrag
des Jahres 1812 (Zeitpunkt des Inkrafttretens des ABGB),
zum abhängigen Arbeitsvertrag der III. Teilnovelle 1916 (wesentliche
Reformierung dieses Vertragstypes mit spezifischer sozialer Einfärbung)
oder zum aktuellen Arbeitsvertragsrecht des ABGB
(gekennzeichnet durch einige „Randkorrekturen” als Folgeerscheinung
des gestiegenen Wohlstandes und der beruflichen Sondergesetzgebung)
zieht. Man ist insoweit enttäuscht, als das Arbeitsvertragsrecht
des ABGB über einige rudimentäre Bestimmungen betreffend
Arbeitsvertragsdefinition, Entgeltvermutung, Entgeltfortzahlung
bei Krankheit, Fürsorgepflicht und Vertragsbeendigung nicht hinausgelangt.
Hiebei handelt es sich zudem um Normen, | |
die entweder
bezüglich der Kriterien recht offen oder unvollständig sind
und deren Tatbestandsmerkmale daher noch eine entsprechende Konkretisierung
und Weiterentwicklung erfahren müssen (zB Arbeitnehmerbegriff nach
§ 1153 ABGB; Umgrenzung des Betriebsrisikos nach § 1155 ABGB; wichtiger
Auflösungsgrund nach § 1162 ABGB); | |
durch
Spezialgesetze, kollektive Rechtsgestaltung oder die Unternehmenspraxis partiell
überholt sind (zB Entgeltfälligkeit nach §§ 1154 Abs 2
S 2, 1154a ABGB; Kündigungsfristen nach §§ 1159 – 1159b ABGB); | |
faktisch
bloß zur Geltungsverbreiterung von wichtigen Regelungen
der Spezialgesetzgebung auf normativ unzulänglich erfasste
AN-Gruppen dienen (zB „Postensuchzeit” nach § 1160 ABGB; Folgen
der rechtswidrigen Vertragslösung nach §§ 1162a – 1162d ABGB); | |
bisweilen
nur eine Weiterverweisung auf andere Rechtsgebiete
(zB bezüglich Konkurseröffnung in § 1161 ABGB) vornehmen. | |
Ganz wichtige Rechtsbereiche sind überhaupt
nicht angesprochen, wie: | |
• der Dienstzettel,
die Gleichbehandlung und der Diskriminierungsschutz, | |
• die Gefahrenabwehr und Kontrolle, | |
• die Entgeltsicherung, der Urlaubsanspruch,
die Dienstnehmerhaftung, | |
• das Recht auf vorübergehende Herabsetzung der
Arbeitszeit oder Vertragssuspension aus wichtigen persönlichen Gründen,
der materielle Kündigungsschutz, | |
• der Betriebsübergang, die Entsendung in das
Ausland sowie | |
• die Abfertigung und Betriebspension. | |
Dafür hat man
entweder Sondergesetze geschaffen oder die Materien in ein eigenständiges Arbeitsvertragsrechts- Anpassungsgesetz (AVRAG)
höchst heterogener Natur ausgelagert. Man könnte daher resignierend
das Resümee ziehen, dass dem Arbeitsvertragsrecht des ABGB bloß eine
zeitlich begrenzte Lückenfüllungsfunktion zukommt – nämlich dessen
Normen nur noch solange eine Daseinsberechtigung haben, als das
antiquierte Arbeiterrecht der Gewerbeordnung 1859 (§§
72 ff) nicht endgültig erneuert wurde. Eine solche Schlussfolgerung
wäre jedoch verfehlt. | Sondergesetze etc |
3. Der soziale Schutzstandard der §§ 1151 ff ABGB | |
Es darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass selbst
das zivile Arbeitsvertragsrecht in der geltenden Fassung wichtige
Prinzipien enthält, die das gesamte Arbeitsrecht prägen
und gleichsam einen sozialen Standard widerspiegeln,
der keinesfalls unterschritten werden darf. Gemeint sind damit: | |
Die Höchstpersönlichkeit der
Dienstleistungserbringung und die grundsätzliche Unübertragbarkeit
des Anspruchs auf Zurverfügungstellung der Arbeitskraft
gemäß § 1153 ABGB. Dadurch wird vermieden, dass der AN bei persönlicher
Verhinderung eine Ersatzkraft stellen muss oder im Falle des Darniederliegens
der Unternehmensressourcen genötigt ist, bei anderen Arbeitgebern
einzuspringen; gleichwohl bleibt der Entgelt(fort)zahlungsanspruch
intakt. | Höchstpersönlichkeit |
Die
Verbürgung der Entgeltangemessenheit in § 1152
ABGB (eine auf andere Vertragstypen ausweitungsfähige Norm), wodurch
den groben Begrenzungspfeilern der Verkürzung über die Hälfte des
wahren Wertes (§ 934 ABGB) und des Wucherverbots (§ 879 Abs 2 Z
4 ABGB) noch ein Feinindikator beigegeben wird, der eine ausgleichende,
auf die Einzelsituation eingehende Entgeltfestlegung ermöglicht. | Entgeltangemessenheit |
Der
Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei persönlichen
Hinderungsgründen (§ 1154b ABGB), besonders bei Krankheit und Unglücksfall,
sowie im Rahmen des Betriebs- und Wirtschaftsrisikos des AG (§ 1155
ABGB). Es wird hier darauf Bedacht genommen, dass die vereinbarte
Entgelthöhe prinzipiell nicht ausreicht, um unvorhersehbare Fälle
von Arbeitsverhinderung überbrücken zu können, sowie dem bedeutenden
Umstand Rechnung getragen, dass der AN keine Möglichkeit hat, die
Produktions- und Wirtschaftspläne seines AG mitzugestalten. Das
Risiko von Umsatz- und Markteinbrüchen trifft somit zwangsläufig
denjenigen, der die Wirtschaftsführung des Unternehmens bestimmt,
also den AG. | Entgeltfortzahlung |
Die
Verankerung der Fürsorgepflicht des AG in § 1157
ABGB als besondere Form des Gebots zur Fremdinteressenwahrung. Damit
wird deutlich, dass die auch anderen Schuldverhältnissen eigentümlichen
Schutz-, Warn- und Auskunftspflichten bei persönlich geprägten Dauerschuldverhältnissen
besonders intensiv ausgestaltet sind. Eine weitergehende Konkretisierung
der geschützten Rechtsgüter (zB in Bezug auf Ehre, Vermögen des
AN) täte allerdings not. | Fürsorgepflicht |
Die grundsätzliche Zulassung von befristeten
Arbeitsverhältnissen (§ 1158 Abs 1 ABGB). Ein Sachgrund
muss nur angegeben werden, wenn – spezialgesetzlich positiviert
– das Unterlaufen von spezifischen Schutzzwecken (zB des Mutterschutzes)
zu befürchten steht oder – zur Vermeidung von Diskriminierung (zB
von Behinderten) – eine benachteiligende Behandlung gegenüber den unbefristet
beschäftigten AN droht. Diese Art des Nebeneinanders von terminisierten
und auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsverhältnissen belässt
im Sinne der zivilen Vertragsfreiheit den Parteien die grundsätzliche
Wahl der zweckmäßigsten Beendigungsform unter weitgehender Ausschaltung
von Missbrauchsgefahr und reduziert die – aus der deutschen Rechtspraxis bekannten
– Abgrenzungsprobleme. | Befristete
Arbeitsverhältnisse |
Die beiden Hauptbeendigungsformen
der fristbezogenen, jedoch begründungsfreien Kündigung und
der vorzeitigen Lösung aus wichtigem Grund (§§
1158 ff, 1162 ff ABGB) werden dogmatisch klar konturiert, ohne in
zu viele Details auszumünden. Sieht man einmal von der Notwendigkeit
einer Modernisierung und Vereinfachung des ABGB-Fristenmodells sowie
einer demonstrativen Konkretisierung des wichtigen Auflösungsgrundes
(etwa dem Angestelltengesetz vergleichbar) ab, kann die Detailausformung
durchaus der beruflichen Sondergesetzgebung und auch der kollektivvertraglichen
Ausgestaltung überlassen werden. | Kündigung |
4. Postulat: Eine auf das Wesentliche beschränkte Arbeitsrechtskodifikation
im ABGB | |
Das gerade aufgezeigte Grundkonzept des Arbeitsvertragstypus sollte
somit jedenfalls im ABGB erhalten bleiben und mE sogar noch durch
wesentliche Elemente der bereits unter Pkt 2. aufgelisteten Art
angereichert werden. Es ist somit nicht eine Arbeitsrechtskodifikation
außerhalb des ABGB zu realisieren – wie es offensichtlich im Ansatz
durch das AVRAG versucht wird, sondern das Vertragstypenkonzept
des ABGB auch in Bezug auf den Arbeitsvertrag weiter zu entwickeln.
Dies hätte den Vorteil, dass die Regeln der Rechtsgeschäftslehre,
des allgemeinen Schuld-, Schadenersatz- und Bereicherungsrechts ohne
zusätzliche Verweise oder gar Parallelverschiebung in ein allgemeines
Arbeitsgesetzbuch angewandt werden könnten. Wichtige Rechtsfragen
betreffend | |
• Willensmängel und
Verzug, | |
• Bestärkung oder Lockerung von Vertragspflichten, | |
• Erfüllungspflicht oder Zurückbehaltungsrecht, | |
• Vergleich, Zession und Schuldübernahme, | |
• Kompensation und Verjährung, | |
könnten
somit durch problemlosen Rückgriff auf die Stammmasse des ABGB gelöst
werden. Sollte sich aus der besonderen Struktur des Arbeitsverhältnisses
oder berufsspezifischen Besonderheiten die Notwendigkeit
zur Anpassung einzelner ziviler Rechtsfiguren ergeben (zB im Zusammenhang
mit Verzicht und „Drucktheorie”), so könnte dies unmittelbar in
dem regelnden Normenkomplex erfolgen. Damit wäre der Sachzusammenhang
und auch die Wertungseinheit im weitestgehenden Maße gesichert. | Rückgriff auf die Stammmasse des ABGB |
| |
Das
Arbeitsvertragsrecht des ABGB hätte somit die Aufgabe,
die Grundregeln und Standards des Arbeitsrechts in
allgemeinerer und abstrakter Form vorzugeben, an denen sich dann
die berufsspezifischen Sondergesetze und auch Kollektivverträge
ausrichten könnten. Lediglich die komplizierten Detailregelungen
sollten der arbeitsrechtlichen Sondergesetzgebung überlassen bleiben.
Dies hätte den Vorteil, dass Differenzierungen in fachlicher, personeller
oder regionaler Hinsicht leichter durchgeführt sowie neue Modelle
und Praktiken normativ erprobt und adaptiert werden könnten, ohne
jeweils das Grundkonzept verändern zu müssen. Das Arbeitsvertragsrecht des
ABGB bildete somit den stabilen Kernbereich („eherne Turm in der
Brandung”), um den herum sich das dynamische Potential des Arbeitsrechts
in spezialgesetzlichen und kollektiven Regelungen entfalten könnte
und der Rechtsfortbildung Spielraum gelassen würde. Insofern ist
der Einbau von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen
im zivilen Arbeitsvertragsrecht (zB durch den Verweis auf Ortsüblichkeit
und Angemessenheit) nicht zu kritisieren, sondern im Sinne der Normenbeständigkeit
und mit Rücksicht auf die Spezialregelungsflexibilität durchaus
angebracht. | ABGB: Grundregeln und Standards des Arbeitsrechts |
Auf den zivilen Arbeitsvertragsgesetzgeber
wartet somit eine Menge Arbeit:. Es müssen Grundregeln und Standards
für das Arbeitsrecht entwickelt werden, denen nicht nur fortschrittliche arbeitsrechtliche Sondergesetze
(wie zB das AngestelltenG, SchauspielerG, BerufsausbildungsG) als
Vorbild zu dienen hätten, sondern die sich auch an anderen
Vertragstypen mit einem chronisch unterlegenen Vertragsteil (zB
Mieter, Versicherungsnehmer, Verbraucher) zu orientieren und brauchbare
Schutzregeln zu rezipieren hätten. | Sondergesetze |
| |
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1. Leistung
abhängiger Arbeit | |
Der „Dienstvertrag”
des ABGB (§§ 1151 und 1153 ff ABGB), heute idR Arbeitsvertrag genannt, ist
ein Vertrag über Leistung abhängiger, also unselbständiger Arbeit.
Das Arbeitsrecht gilt als Recht der sozial typisch Schwächeren,
also einer Personengruppe, die besonderen gesetzlichen Schutz benötigt. | |
Arbeitnehmer
schulden ihrem Arbeitgeber eine auf Zeit abgestellte Arbeitsleistung und
nicht einen bestimmten Arbeitserfolg. Ihre Tätigkeit ist – wie beim
Werkvertrag – faktischer/tatsächlicher und nicht rechtlicher oder
rechtsgeschäftlicher Art wie beim Auftrag. Arbeitnehmer sind aber
verpflichtet, ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten aufzubieten
und die Arbeit so zu leisten, wie sie ohne Schädigung der Gesundheit
auf Dauer nach dem individuellen Leistungsvermögen unter Bedachtnahme
auf betriebliche Gegebenheiten oder den Ortsgebrauch erbracht werden;
SZ 57/1 (1984): Zahntechniker. | Auf Zeit abgestellte Arbeitsleistung |
Zu den immer mehr in den Vordergrund tretenden
atypischen Arbeitsverhältnissen → Typische
und atypische Arbeitsverhältnisse –
Neoliberalismus, Globalisierung, EU-Ideologie und mangelndes nationales
soziales Verständnis höhlen den Schutz abhängig geleisteter Arbeit
im Interesse der Wirtschaft / des Kapitals immer mehr aus. | |
| |
Der Typus des Arbeitsvertrags
wird auch für höhere Dienste verwendet; zB für
leitende Angestellte, Geschäftsführerverträge bei GmbHs, Anstellungsverträge
für Vorstandsmitglieder einer AG, kurz: Verträge für wirtschaftliche
Führungskräfte, sog Managerdienstverträge. Zum freien Dienstvertrag → Der
sog freie Dienstvertrag
| |
Leitende
Angestellte iSd ArbVG 1974 erscheinen
durch ihre Aufgaben in die Nähe der Arbeitgeberposition gerückt.
Sie genießen daher nicht denselben Schutz – zB gegen sozialwidrige
Kündigungen – wie normale Arbeitnehmer; vgl § 36 Abs 2 Z 3 mit §
105 Abs 3 ArbVG: | Leitende Angestellte |
| |
| |
3. ABGB und Sonderprivatrecht | |
Beim
Arbeitsvertrag sind – wie zB auch beim Bestandvertrag (MRG!) – die
einschlägigen Vorschriften des ABGB durch spätere Sondervorschriften
(= Arbeitsrecht) weitgehend ersetzt worden. Es handelt sich um Sonderprivatrecht,
wenngleich das Arbeitsrecht auch viel öffentliches Recht enthält;
zB ArbeitnehmerschutzG (ASchG 1994, BGBl 450) oder BeamtendienstrechtsG
/ BDG 1979. | |
Das Arbeitsrecht im heutigen Sinn hat sich
erst nach dem Ersten Weltkrieg zu einem eigenen Rechtsgebiet entwickelt.
Die Vorschriften des ABGB über den Dienstvertrag betreffen den Einzelarbeitsvertrag,
wenngleich auch hier vieles durch Sondergesetze geregelt
wurde; zB AngG 1921. – Die allgemeinen Vorschriften des ABGB sind
für das Arbeitsrecht aber weiterhin von Bedeutung. Vgl → Zum
Verhältnis von Arbeits- und Zivilrecht:
M. Binder. | |
| |
4. Der
sog freie Dienstvertrag | |
Neben dem Arbeitsvertrag und dem Werkvertrag
kennt das österreichische Recht eine weitere Rechtsfigur: den freien
Dienstvertrag. Er ist ein schillerndes Konstrukt, das sich im Zivilrecht anders
ausnimmt, als im Arbeits-, Sozial(versicherungs)- und Steuerrecht.
– Problematisch ist diese Rechtsfigur vornehmlich deshalb, weil
sie gerne zu Umgehungen (von Arbeitgeberseite)
verwendet wird. So werden auch „normale” Arbeitnehmer – zB Angestellte/Mitarbeiter
von Architekten oder (Foto)Journalisten von Tageszeitungen – in
die Stellung sog freier Mitarbeiter gedrängt (eine
andere Möglichkeit ist die der neuen Selbständigkeit, die auf Werkvertragsbasis arbeitet)
und verlieren dadurch sowohl den arbeitsrechtlichen (Urlaub, Abfertigung,
Entgeltfortzahlung oder Insolvenzentgeltsicherung; auch Kollektivverträge
gelten nicht mehr für sie), als auch den sozialversicherungsrechtlichen
und steuerrechtlichen (Einkommens-, statt Lohnsteuer) Schutz von
Arbeitnehmern. Besondere Benachteilungen können sich zusätzlich
daraus ergeben, dass freien Dienstnehmern für die Dauer der vertraglichen
Beziehung ein Konkurrenzverbot auferlegt wird. | Schillerndes
Konstrukt |
Wird von freien Dienstnehmern der sozialversicherungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff des
§ 4 Abs 4 ASVG erfüllt, unterliegen sie zwar der Sozialversicherung,
die aber für sie wesentlich ungünstiger ausgestaltet ist als für
normale Arbeitnehmer: So zahlt der Arbeitgeber nur etwa die Hälfte
der sonstigen Beiträge und es besteht keine Pensionsversicherung. | Arbeitnehmerbegriff des
§ 4 Abs 4 ASVG |
Anders
ist das in Deutschland, wo die Kategorie unseres
freien Dienstvertrags im (allgemeinen) Dienstvertrag aufgeht, der
auch solche typisch höhere Dienste erfasst, die idR nur auf Grund
besonderen Vertrauens übertragen werden; vgl § 627 dtBGB. | Deutschland |
Es
gibt aber auch Fälle selbständiger Arbeit, in denen
– anders als beim Werkvertrag – für den Erfolg nicht einzustehen ist.
Das ist gleichsam die zivilrechtliche Dimension des freien Dienstvertrags:
– Der behandelnde oder operierende Arzt, der prozessführende Firmenanwalt
oder der Steuerberater eines Unternehmens schulden zwar sachgemäßes
Wirken, sie können aber einen Erfolg nicht (immer) versprechen.
Man nennt diese Verträge, bei denen selbständig Tätige einerseits nicht
für einen Erfolg einzustehen haben, andrerseits aber ein rechtliches
Dauerverhältnis (auf bestimmte oder unbestimmte Zeit),
wenngleich uU ohne feste/fixe Bezüge, begründet wird, ebenfalls
freie Dienstverträge. Entscheidend ist ferner nach J. Berger, dass
trotz Selbständigkeit eine „wirtschaftliche Abhängigkeit von
einem oder wenigen Dienstgebern” besteht; das trifft auf die bereits
erwähnten freien Mitarbeiter in Medienunternehmen (zB ORF), aber
auch auf Reiseleiter oder Betriebsärzte zu. – Rechtsanwälte oder
Steuerberater etc könnten aber auch, was die Sache nicht einfacher
macht, die Stellung von Arbeitnehmern (eines Unternehmers) einnehmen. | Fälle
selbständiger Arbeit als zivilrechtliche Dimension des freien Dienstvertrags |
| |
Auf Grund des
für die Parteien nötigen Vertrauensverhältnisses sind derartige
Vertragsbeziehungen als Dauerschuldverhältnisse grundsätzlich leichter
kündbar; häufig sogar fristlos auch ohne wichtigen Grund.
Das hat seinen Grund vornehmlich darin, dass ein Wegfall oder doch
Zweifel an der Vertrauensbeziehung rasch beseitigt
werden können soll. – Die Abhängigkeit wird dadurch natürlich erhöht
und wir wissen, dass bspw Anwälte für Bautäger auch fragwürdige
„Aufträge” erfüllt haben und erfüllen. | Vertrauensbeziehung |
| Arzt-Patient-Beziehung |
II. Vertragsfreiheit
beim Arbeitsvertrag | |
| |
| |
Grundsätzlich besteht
auch für Arbeitsverträge Form- und Abschlussfreiheit;
Ausnahmen von der Abschlussfreiheit statuieren aber etwa das InvalideneinstellungsG
1970, seit BGBl 1988/721: BehinderteneinstellungsG (1 Invalide /
Behinderter auf 25 Beschäftigte; die Einstellungspflicht ist jedoch
in Geld ablösbar) oder das BerufsausbildungsG/BAG, das zwingende
Schutzbestimmungen für Lehrlinge kennt. Auch das Arbeitszeitgesetz/AZG
ist hier zu nennen. | |
Die Ausgleichstaxe je nicht
beschäftigtem Behinderten beträgt derzeit (seit 1.7.2001) monatlich
2.700 S (196 ı). Eine wesentliche Verschlechterung für Behinderte
besteht nunmehr auch darin, dass der Kündigungsschutz für Behinderte
für die ersten 6 Monate des Dienstverhältnisses beseitigt wurde
(!). | |
| |
| |
Die
Inhaltsfreiheit wird bei Arbeitsverträgen häufig durch zwingende
Gesetzesbestimmungen und Kollektivverträge ( → KAPITEL 11: Der
Kollektivvertrag als Rechtsquelle)
eingeschränkt. – Dennoch werden immer wieder unerlaubte Vereinbarungen
zum Nachteil von Arbeitnehmern/innen getroffen. Typisches Beispiel
sind sog Ketten(arbeits)verträge, die Arbeitnehmer um ihre Urlaubs-,
Abfertigungs-, Entgelts- und Kündigungsrechte oder -ansprüche bringen
sollen. | |
Inhaltlich
unklar bleiben in Arbeitsverträgen aber oft auch andere Vereinbarungen,
etwa die, dass ein Arbeitsnehmer im Falle seines Ausscheidens die
Ausbildungskosten zurückzuzahlen hat. – Als Faustregel dafür kann
gelten: Bloße Einschulungskosten in den Betrieb
sind nicht zu ersetzen, echte Ausbildungskosten dann,
wenn durch die Ausbildung bessere Verdienstmöglichkeiten (auch in
anderen Unternehmen) geschaffen werden. Entscheidend für die Frage
der Rückzahlung ist auch die Art der Beendigung des Dienstverhältnisses.
Trifft den Arbeitgeber daran Verschulden, besteht kein Rückzahlungsanspruch,
kündigt ein Arbeitnehmer selbst oder trifft ihn Verschulden an der Entlassung,
ist zurückzuzahlen. Liegt die Ausbildung länger zurück, anerkennt
die Rspr nur eine abnehmende Rückzahlung. Längere zeitliche Rückzahlungsanordnungen
werden von der Rspr nur ausnahmsweise als nicht sittenwidrig angesehen.
Allgemein darf durch die vereinbarte Verpflichtung zum Rückersatz,
das berufliche Fortkommen von Arbeitnehmern/innen nicht ungebührlich
erschwert werden. | Ausbildungskosten |
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|
ZAS 2001,147/16: §§ 879, 914 ABGB-
Rückersatz von Ausbildungskosten ? | |
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Große Bedeutung für
den „Inhalt” von Arbeitsverträgen besitzen Kollektivverträge. Kollektivverträge sind
Vereinbarungen, die zwischen kollektivvertragsfähigen Körperschaften
der Arbeitgeber und Arbeitnehmer schriftlich abgeschlossen werden;
§ 2 ArbVG 1974. – Neben Gesetzen und Rechtsverordnungen ist der
Kollektivvertrag eine eigene Rechtsquelle des Arbeitsrechts. | |
| |
Hinzuweisen ist darauf, dass Kollektivverträge nicht im
Bereich des öffentlichen Dienstrechts gelten; also etwa für Bedienstete
von Bund, Ländern und Gemeinden. | |
Der Kollektivvertrag wirkt
normativ, dh gestaltend auf die ihm unterliegenden einzelnen
Arbeitsverhältnisse. Ihr Sinn liegt darin, die gegenseitigen aus
dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten für ganze
Gruppen von Arbeitnehmern zu regeln. Der Kollektivvertrag kompensiert
die sonst bestehende wirtschaftliche Übermacht der Unternehmerseite
wenigstens zum Teil und erfüllt wichtige sozialpolitische Funktionen. | Wirken auch normativ… |
| Was wird in Kollektivverträgen geregelt? |
| |
Eine andere wichtige Einschränkung der Vertragsfreiheit
bei Arbeitsverträgen enthält das ArbeitszeitG /AZG
1969, BGBl 461 idgF. Es regelt viele Spezialfragen und hat sich
im Laufe seiner Geltung stark geändert; zB Flexibilisierung der
Arbeitszeit, Sonderbestimmungen für die Arbeitszeit von Kfz-/Lkw-Lenkern
oder Abgeltung von Zeitguthaben von Arbeitnehmern bei Beendigung
des Arbeitsverhältnisses. – Die nationalen Regelungen über die Arbeitszeit
sind mittlerweile durch EU-Recht überlagert. | |
In Teilbereichen bestehen Sonderarbeitszeitgesetze; etwa
das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz / KA-AZG , BGBl I 1997/8. | |
III. Der Arbeitsvertrag
als Dauer(schuld)verhältnis | |
Wir kennen bereits die allgemeine Unterscheidung
zwischen Schuldvertrag (punktuelle Betrachtung) und Schuldverhältnis
(rechtliches Spektrum / Kontinuum). Sie spielt auch hier eine wichtige
Rolle; vgl → KAPITEL 7: Schuldvertrag
und Schuldverhältnis. | |
1. Arbeitsvertrag
und Arbeitsverhältnis | |
Durch
die tatsächliche Arbeitsaufnahme entsteht aus dem
Arbeitsvertrag das Arbeitsverhältnis. – Ab diesem
Zeitpunkt finden die Regeln für Dauerschuldverhältnisse Anwendung,
bis dorthin gelten noch die für Zielschuldverhältnisse. – Erscheint
bspw ein Arbeitnehmer nicht wie vereinbart zur Arbeit (Schuldnerverzug),
kann der Arbeitgeber vom Vertrag (noch) zurücktreten; § 30 AngG. Nach
tatsächlicher Aufnahme der Arbeit ist dagegen zu kündigen; §§ 20
ff AngG. | Arbeitsaufnahme |
Die
unterschiedliche Terminologie – Rücktritt oder Kündigung –
zeigt grundsätzlich an, ob es um die Beendigung eines Ziel- oder
die Auflösung / Aufhebung eines Dauerschuldverhältnisses geht! –
Vgl EvBl 1999/117: Beginn des Erfüllungsstadiums eines Arbeitsverhältnisses.
– Der Entgeltanspruch wegen Dienstverhinderung (§ 8 Abs 1 AngG) setzt
die vorherige Arbeitsaufnahme voraus. Der Dienstnehmer hat keinen
Anspruch auf Entgeltzahlung, wenn er vor dem Antritt des Arbeitsverhältnisses
einen Verkehrsunfall erleidet. | Rücktritt oder Kündigung |
2. Endigung
von Arbeitsverträgen | |
Die Endigung
von Arbeitsverträgen folgt grundsätzlich den allgemeinen Regeln
für Dauerschuldverhältnisse → KAPITEL 6: Ziel-
und Dauerschuldverhältnisse.
Sie erfolgt durch Zeitablauf (§ 19 AngG) oder die
jederzeit mögliche einvernehmliche Aufhebung (=
zweiseitiges Rechtsgeschäft/Beendigungsvertrag) und bei Arbeitsverträgen
auf unbestimmte Zeit durch ordentliche Kündigung;
§§ 20 ff AngG. § 1158 Abs 4 ABGB formuliert: | |
„Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung
eingegangen oder fortgesetzt worden, so kann es durch Kündigung ...
gelöst werden.” | |
§
1160 Abs 1 ABGB und § 22 Abs 1 AngG (beide in der Fassung des ARÄG
2000) bringen nahezu wortgleich eine neue Regelung der sog Dienstpostensuchtage („Freizeit
während der Kündigungsfrist”) bei Kündigung durch den Dienstgeber.
– Dem Dienstnehmer ist während der Kündigungsfrist auf sein Verlangen
wöchentlich mindestens ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen
Arbeitszeit ohne Schmälerung des Entgelts freizugeben. | Dienstpostensuchtage |
Eine vorzeitige
Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgt durch den Tod
des Arbeitnehmers oder das Erreichen der Altersgrenze; bei Vorliegen
wichtiger Gründe durch außerordentliche Kündigung, dh vorzeitigen
Austritt des Arbeitnehmers oder fristlose Entlassung durch den Arbeitgeber. | Vorzeitige Auflösung |
Vorzeitiger
Austritt und fristlose Entlassung (man bezeichnet diese beiden Kündigungsmöglichkeiten
auch als außerordentliche Kündigung) erfolgen in erster Linie wegen
schuldhafter Pflichtverletzungen (zB ein Arbeitnehmer betreibt Nebengeschäfte),
aber auch aus Gründen ohne Verschulden; zB Arbeitnehmer wird durch
schwere Krankheit arbeitsunfähig. Die §§ 26, 27 AngG zählen bspw
wichtige (Kündigungs)Gründe für Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf. | Außerordentliche Kündigung |
|
SZ 65/134: Tonbandaufnahme eines
Gesprächs unter vier Augen → KAPITEL 4: Persönlichkeitsrechte
¿ Überblick. | |
|
|
| |
|
|
SZ 71/14 (1998): Gerechtfertigter
vorzeitiger Austritt eines Arbeitnehmers (ohne vorherige Nachfristsetzung)
dem totz Urgenzen monatelang das gesamte Entgelt vorenthalten wurde. | |
|
| |
| Abbildung 12.1: Beendigung von Dienstverhältnissen |
|
Bei
vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses
können Schadenersatzansprüche entstehen, wenn zB
ein Arbeitnehmer nicht rechtmäßig entlassen wird oder ein Arbeitnehmer
ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt. In diesen Fällen wird das
Arbeitsverhältnis dennoch mit sofortiger Wirkung beendet. Der Arbeitgeber
hat also bspw bei falscher Kündigung keinen Anspruch mehr auf Dienste,
muss aber Lohn bis zum Zeitpunkt weiterzahlen, in dem das Arbeitsverhältnis
korrekt geendet hätte; sog Kündigungsentschädigung. | Kündigungsentschädigung |
Mit
Endigung des Arbeitsverhältnisses erlöschen aber nicht alle Rechte
und Pflichten. Es können Nachwirkungen eintreten;
zB Pflicht zur Ausstellung von (Arbeits)Zeugnissen (§ 39 AngG), Zahlung
der Abfertigung (§ 23 AngG), verschiedene Rückstellungspflichten
(zB von Arbeitsgerät oder -kleidung), Beschränkungen durch Konkurrenzklauseln
wirken überhaupt erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses;
§ 36 AngG. | Nachwirkungen |
Eine
weitere Konsequenz der Beendigung eines Dienstverhältnisses ist
die Abfertigung. – Das Abfertigungsrecht wurde
jüngst auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt. | Abfertigung |
| |
Seit 1. Jänner 2003 gilt grundsätzlich
das Betriebliche MitarbeitervorsorgeG (BMVG, BGBl 2002
I 100); ausgenommen sind zB Bauarbeiter, Vertragsbedienstete der
Länder und Gemeinden sowie Beamte. Alle vor Inkrafttreten abgeschlossenen
Arbeitsverhältnisse unterliegen weiterhin dem alten Abfertigungsrecht,
können aber durch Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
dem neuen Abfertigungsrecht unterstellt werden. – Neu ist auch,
dass sich nunmehr der Abfertigungsanspruch nicht mehr gegen den
Arbeitgeber, sondern an eine Mitarbeitervorsorgekasse richtet,
in welche der Arbeitgeber für jeden Arbeitnehmer monatlich einen
Betrag von 1,53% des Arbeitsentgelts einzahlt. Die Einhebung dieser
Beträge nimmt der zuständige gesetzliche Krankenversicherungsträger
vor, der die Beträge an die Mitarbeitervorsorgekasse weiterleitet.
Der Arbeitgeber kann die geleisteten Beiträge als Betriebsausgabe steuerlich
absetzen. | Grundsätze der Abfertigung neu – Vergleich zur
alten Lösung |
Nach der Abfertigung neu hat jeder Arbeitnehmer einen Anspruch
auf Abfertigung, gleichgültig, ob er selbst kündigt oder
gekündigt wird. Der Anspruch ist entweder auf Auszahlung oder nur
auf Mitnahme des Anspruchs (zu einem anderen Arbeitgeber)
gerichtet; sog Rucksackprinzip. – Die Abfertigung neu kennt auch
die Möglichkeit des Arbeitnehmers, seinen Abfertigungsanspruch in
eine Zusatzpension umzuwandeln; § 17 Abs 1 Z 4
BMVG. – Eine Abtretung und Verpfändung von
Abfertigungsanwartschaften ist grundsätzlich nicht möglich; für
eine Pfändung gelten die Vorschriften und Einschränkungen
der EO. – Zum Konkurs einer Mitarbeitervorsorgekasse
§ 36 BMVG. Näheres bei J. Berger 46 ff → Dienstleistungsverträge:
Literatur. | |
Nach
§ 23 Abs 7 AngG entfällt der (alte!) Abfertigungsanspruch,
wenn Angestellte (selbst!) kündigen oder ohne wichtigen
Grund vorzeitig austreten oder wenn sie Verschulden
an der vorzeitigen Entlassung trifft. Nach § 23a AngG besteht
der (alte) Abfertigungsanspruch aber auch dann, wenn zB das Dienstverhältnis
mindestens 10 Jahre ununterbrochen gedauert hat und bei Männern
nach Vollendung des 65. Lebensjahres, bei Frauen nach Vollendung des
60. Lebensjahres durch Kündigung seitens des Dienstnehmers endet.
– Hat das Dienstverhältnis ununterbrochen ….. Jahre gedauert, gebührt/e
Angestellten bei Auflösung eine Abfertigung in Höhe des ……. -fachen
(letzten) Monatsgehalts: nach | |
•
3 Dienstjahren:
das 2-fache | |
•
5 Dienstjahren: das 3-fache | |
•
10 Dienstjahren: das 4-fache | |
•
15 Dienstjahren: das 6-fache | |
• nach 20 Dienstjahren: das 9-fache | |
• nach 25 Dienstjahren: das 12-fache. | |
| Abbildung 12.2: Abfertigung (1) |
|
| Abbildung 12.3: Abfertigung (2) |
|
|
EvBl 1999/31: Das Vorliegen einer
bestimmten, den Abfertigungsanspruch vernichtenden Beendigungsart eines
Arbeitsverhältnisses ist nach der Rspr vom Arbeitgeber zu beweisen. | |
|
IV. Gegenseitige
Rechte und Pflichten | |
Die aus
dem Arbeitsvertrag und dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte
und Pflichten sind über viele Gesetze verstreut; bspw ABGB, AngG,
AVRAG, UrlG, AZG etc.– Bei Regelung einer Sachfrage in einem Spezial-
oder NebenG, die über den Anwendungsbereich des speziellen Gesetzes
hinausreicht und von allgemeiner Bedeutung ist, wird von lex
fugitiva gesprochen; wörtlich: flüchtiges/fliehendes Gesetz.
– Gemeint ist damit, dass sich eine Regelung an einem Ort findet,
an dem man sie nicht erwartet. Leges fugitivae kommen immer wieder
vor, sind aber legistisch problematisch. Vgl etwa § 2 AVRAG. | lex fugitiva |
| |
Gemäß § 2 AVRAG 1993 hat
der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unverzüglich nach Beginn des Arbeitsverhältnisses
eine schriftliche Aufzeichnung – sog „Dienstzettel” – über die wesentlichen Rechte
und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag auszustellen. | |
2. Arbeitspflicht
und Entgeltzahlung | |
Arbeitnehmer/innen haben nach dem Arbeitsvertrag
ihre Arbeitskraft persönlich zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch
auf Arbeit ist auf beiden Seiten höchstpersönlich und kann daher
nicht einseitig übertragen werden (§ 1153 Satz 1 ABGB): Man kann
also Arbeitnehmer/innen nicht (ohne weiteres) „verleihen”, aber
auch Arbeitnehmer können nicht „Ersatz” schicken, wenn sie keine Lust
zur Arbeit haben. – Das moderne Arbeitsvertragsdenken stellt der Arbeitspflicht
des Arbeitnehmers, die Entgeltverpflichtung des
Arbeitgebers gegenüber. Es handelt sich um einen korrespondierenden
Leistungsaustausch. | Persönliche
Arbeitspflicht |
| |
Arbeitnehmer
sind zu vertragsgemäßer, gewissenhafter Arbeit und berufsüblicher
Sorgfalt unter Beachtung der Weisungen / Anordnungen
des Arbeitgebers verpflichtet. | Sorgfaltspflicht AN – Weisungsrecht AG |
Bei typisch
schadensgeneigten Arbeiten (zB Fernfahrer oder Inkassotätigkeit:
zB Kellnerin, Kassier), darf diesen Personen nicht allein das (Schadens)Risiko
aufgebürdet werden. Zum D(N)HG → Die
Dienstnehmerhaftung;
zur analogen Anwendung des § 1014 letzter HalbS ABGB auf Arbeitsverhältnisse → Risikohaftung –
Zudem besteht in diesen Fällen aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
heraus die Pflicht, Arbeitnehmerrisiken allenfalls zu versichern
(Haftpflicht + Kasko); zB Fernfahrer. | Schadensgeneigte Arbeiten |
Als Gegenleistung für die zur
Verfügung gestellte Arbeitskraft erhalten Arbeitnehmer ein Entgelt; zB
§ 1152 ABGB: | |
„Ist im Vertrag kein Entgelt bestimmt und
auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart, so gilt ein angemessenes
Entgelt als bedungen.” | |
Das Entgelt
wird idR in Geld entrichtet und ist grundsätzlich
im Nachhinein fällig; § 1154 Abs 1 ABGB. Es kann
aber vereinbart werden, dass es nicht – wie im Gesetz vorgesehen
– nach erfolgter Arbeitsleistung, sondern im Vorhinein zu
entrichten ist, was in der Arbeitsvertragspraxis häufig vorkommt
und (auch) als Entgeltvorauszahlung bezeichnet
wird. | Fälligkeit des Entgelts |
| |
§ 1154 Abs 3 ABGB statuiert, dass bereits verdientes Entgelt
mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses „in jedem Falle … fällig”
wird. Was das bedeutet zeigt die folgende E: | |
|
OGH 28. 2. 2001, 9 Ob A 325/00k, JBl 2001, 600:
Kraftfahrer gibt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Fahrtenschreiberaufzeichnungen nicht
heraus und klagt auf ausständigen Lohn. – OGH: Ein Zurückhalten
des Arbeitsentgelts (ob wegen Nichterfüllung einer Nebenpflicht
seitens des Arbeitnehmers oder aus einem anderen Grund) ist grundsätzlich
unzulässig. Selbst wenn zugunsten des Arbeitgebers ein Retentionsrecht
vereinbart worden wäre, kann es die relativ zwingende Bestimmung
des § 1154 Abs 3 ABGB nicht umgehen. (Ein Suspendieren der Zug-um-Zug-Leistungspflicht
ist aus gesetzlichen Gründen zu bejahen, nicht nur deshalb, weil
bloß eine Nebenleistungspflicht verletzt wurde.) | |
|
Es besteht Truckverbot!
– dh: Verbot der Entlohnung in Waren aus der eigenen Produktion
statt durch Geld. Diese Unsitte war im 19. bis ins 20. Jhd verbreitet. | Truckverbot |
Erwähnt
werden soll noch, dass grundsätzlich (immer noch) folgende Begriffe
für das vom Arbeitgeber geschuldete Entgelt Verwendung finden: Arbeiter
erhalten Lohn, Angestellte und öffentliche Bedienstete
dagegen ein Gehalt. | Lohn oder Gehalt |
3. Fürsorgepflicht
und Treuepflicht | |
Arbeitgeber
und Arbeitnehmer treffen gegeneinander korrespondierende Pflichten,
die mit Fürsorgepflicht desArbeitgebers
(§ 18 AngG) und Treuepflicht des Arbeitnehmers
(§§ 7, 27 Z 1 AngG) bezeichnet werden. | |
Arbeitnehmer
haben in Entsprechung ihrer Treuepflicht alles zu unterlassen, was
gegenüber dem Arbeitgeber als Untreue erscheint;
zB § 7 (Konkurrenzverbot) oder § 27 Z 1 AngG (Untreue). | Untreue |
| |
§
36 AngG regelt die Wirksamkeit von (in diesem Zusammenhang wichtigen) Konkurrenzklauseln;
nachwirkende Treuepflicht. – Konkurrenzklauseln verbieten Angestellten
eine bestimmte Zeit nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses eine
Anstellung bei einem Konkurrenzunternehmen anzutreten. Gültig sind
sie dann, wenn sie mit 1 Jahr befristet sind (§ 36 Abs 2 AngG) und
die Interessen des Arbeitgebers schwerer wiegen als die des Arbeitnehmers.
Auch gebietsmäßig darf eine Konkurrenzklausel Arbeitnehmer nicht
unbillig einschränken. | Konkurrenzklauseln |
Nach der Rspr können derartige Klauseln
analog auch mit Arbeitern vereinbart werden, wenn
diese aufgrund ihrer Tätigkeit und ihrer Kenntnisse Unternehmensinteressen
ihres Arbeitgebers durch Tätigkeit in einem Konkurrenzunternehmen
gefährden können; SZ 69/290 (1996). – Zur Unterscheidung der Konkurrenzklausel
vom Konkurrenzverbot → KAPITEL 11: Rspr-Beispiele:
Rspr-Beispiele. | |
§ 18 AngG – Nach Abs
1 dieser Bestimmung ist der Dienstgeber verpflichtet, auf
seine Kosten alle Einrichtungen bezüglich der Arbeitsräume und Gerätschaften herzustellen
und zu erhalten, die mit Rücksicht auf die Beschaffenheit der Dienstleistung
zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der
Angestellten erforderlich sind. | |
Abs 2: Werden Angestellten vom Dienstgeber Wohnräume überlassen,
dürfen [diese nicht] gesundheitsschädlich [sein]. | |
Abs 3: Der Dienstgeber hat dafür zu sorgen,
dass, soweit es die Beschäftigung zulässt, die Arbeitsräume während der
Arbeitszeit licht, rein und staubfrei gehalten werden, dass sie
im Winter geheizt und ausreichend Sitzplätze zur Benutzung für die
Angestellten in den Arbeitspausen vorhanden sind. | |
Abs 4: Der Dienstgeber hat Maßnahmen zur
Wahrung der Sittlichkeit zu treffen, die durch
Alter und Geschlecht der Angestellten geboten sind. | |
Der Arbeitgeber darf Arbeitnehmer auch
nicht diskriminieren, was ebenfalls aus seiner Fürsorgepflicht
abgeleitet wird. | Fürsorgepflicht
des Dienstgebers |
Aus
der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hat sich ferner das Arbeitsschutzrecht entwickelt;
vgl
§ 18 AngG. Es bezweckt den Schutz von Leben, Gesundheit und Sittlichkeit
etc. – Erhöhten arbeitsrechtlichen Schutz genießen Kinder, Jugendliche,
Frauen / Schwangere, Invalide/Behinderte, Nachtschicht- und Schwerarbeiter,
Präsenz- und Zivildiener; zB Kündigungsschutz. | |
| |
| |
Rechtsquelle
ist das AZG 1969; vgl schon → Inhaltsfreiheit Es
regelt Begriffe wie: Arbeitszeit, Tages-, Wochen-, Normalarbeitszeit,
gleitende Arbeitszeit, Überstundenarbeit, Ruhepausen und Ruhezeiten,
Teilzeitarbeit usw. | |
| |
| |
Das Urlaubsrecht ist
für die meisten Arbeitnehmer seit 1977 einheitlich im UrlaubsG (UrlG
1976, BGBl 390) geregelt. Früher bestanden für Arbeiter und Angestellte
unterschiedliche Regelungen. – Abweichungen gelten aber noch heute
zB für: Journalisten, Schauspieler, Heimarbeiter, Vertragsbedienstete
des Bundes oder Bauarbeiter. | Urlaubsgesetz |
Urlaubsausmaß (jährlich):
Bei weniger als 25 Dienstjahren: mindestens 30 Werktage (= 5 Wochen);
– ab Vollendung des 25. Dienstjahrs: 36 Werktage (= 6 Wochen). | Urlaubsausmaß |
Werktage sind alle Kalendertage, ausgenommen Sonn- und gesetzliche
Feiertage | |
Erkrankung
während des Urlaubs (§ 5 UrlG): Dauert der Krankenstand
länger als 3 Tage, werden diese Tage nicht auf das Urlaubsausmaß
angerechnet. Die Krankheit während des Urlaubs ist zu bescheinigen.
– Nach § 5 Abs 2 UrlG darf ein Arbeitnehmer während des Urlaubs
aber keine dem Erholungszweck widersprechende Erwerbstätigkeit ausüben! | |
Ansprüche
nach § 10 UrlG idFd ARÄG 2000 bei Beendigung des
Arbeitsverhältnisses: | Ansprüche nach § 10 UrlG |
„(1) Dem Arbeitnehmer gebührt für das Urlaubsjahr,
in dem das Arbeitsverhältnis endet, zum Zeitpunkt der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses eine Ersatzleistung als
Abgeltung für den der Dauer der Dienstzeit in diesem Urlaubsjahr
im Verhältnis zum gesamten Urlaubsjahr entsprechenden Urlaub. Bereits
verbrauchter Jahresurlaub ist auf das aliquote Urlaubsausmaß anzurechnen.
Urlaubsentgelt für einen über das aliquote Ausmaß hinaus verbrauchten
Jahresurlaub ist nicht rückzuerstatten, außer bei Beendigung des
Arbeitsverhältnisses durch | |
1. unberechtigten vorzeitigen Austritt oder | |
2. verschuldete Entlassung. Der Erstattungsbetrag hat dem
für den zu viel verbrauchten Urlaub zum Zeitpunkt des Urlaubsverbrauchs
erhaltenen Urlaubsentgelt zu entsprechen. | |
(2) Eine Ersatzleistung gebührt nicht,
wenn der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt. | |
(3) Für nicht verbrauchten Urlaub aus vorangegangenen
Urlaubsjahren gebührt anstelle des noch ausständigen Urlaubsentgelts
eine Ersatzleistung in vollem Ausmaß des noch ausständigen Urlaubsent-gelts,
soweit der Urlaubsanspruch noch nicht verjährt ist. | |
(4) ...” | |
| Abbildung 12.4: Urlaubsrecht (1) |
|
| Abbildung 12.5: Urlaubsrecht (2) |
|
6. Vom Karenz(urlaubs)geld
zum Kinder(betreuungs)geld | |
| |
Entgeltersatzleistungen für Mütter während
des Karenzurlaubs nach dem MutterschutzG gab es in Österreich seit 1961.
Es handelt sich um eine wichtige familienpolitische Leistung. Während
sie früher nur von Müttern in Anspruch genommen
werden konnte, sind seit 1990 beide Elternteile anspruchsberechtigt.
Karenzgeld konnte auch neben einer Teilzeitbeschäftigung bezogen
werden. Betrug die Anspruchsdauer anfänglich ein halbes Jahr, reichte sie
ab 1.1.2000 über das zweite Lebensjahr des Kindes hinaus. Die ursprünglich
bestehende Verbindung mit der Arbeitslosenversicherung wurde aufgegeben;
zuständig war nicht mehr das Arbeitsmarktservice, sondern die Krankenversicherungsträger
(GKK). 1997 wurde ein eigenes KarenzgeldG (BGBl I 47) erlassen.
Das BudgetbegleitG 2001 (BGBl I 142/2000) hat das
KGG erneut geändert. | |
Mit BGBl I 2001/68 wurde durch Änderung des FamilienlastenausgleichsG
die Familienbeihilfe erhöht – sog Kinder(betreuungs)geld –
und damit das Karenzgeld abgelöst. Es trat mit 1.1.2002 in Kraft
und gebührt für Kinder, die nach diesem Datum geboren werden, sofern
für sie ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht und sie im gemeinsamen
Haushalt leben. | |
Der Anspruch ist unabhängig von früherer
Erwerbstätigkeit und gebührt Hausfrauen / -männern ebenso wie Studierenden
oder Arbeitslosen. Die Höhe des Kinderbetreuungsgeldes beträgt monatlich
ca 6.000 S (14,53 ı täglich). Ein darüber hinaus gehender Zuschuss
für sozial schwache Familien oder Alleinerziehende Elternteile ist
möglich
(+ 6,06 ı täglich ~ 2.500 S monatlich). Die Leistung ist an die
Erfüllung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gebunden. Die individuelle
Zuverdienstgrenze ( Familieneinkommen) beträgt jährlich brutto 200.000
S (14.600 ı). Die Dauer beträgt grundsätzlich 30 Monate, betreut
auch der zweite Elternteil maximal bis zum Ende des 3. Lebensjahres.
Zuständigkeit: Krankenversicherungsträger / GKK. | |
Kinderbetreuungsgeld gilt für Geburten
ab dem 1. Jänner 2002. – Voraussetzungen sowie sozialversicherungsrechtliche
Auswirkungen (für selbständige und unselbständige Elternteile): | |
Wer kann Kinderbetreuungsgeld beziehen? Folgende drei Voraussetzungen
müssen vorliegen: | |
(1) Anspruch auf Familienbeihilfe
| |
(2) (Gemeinsamer) Haushalt mit dem Kind | |
(3) Einkommensgrenze 14.600 ı (200.900
S) pro Kalenderjahr. | |
Zur Anrechnung des neuen Kinderbetreuungsgeldes auf
familiäre Unterhaltsleistungen: | |
|
OGH 11. 12. 2002, 7 Ob 167/02p, JBl 2003/107:
Richtungsweisende E zur Anrechnung des neu eingeführten Kinderbetreuungsgeldes
auf familiäre Unterhaltsleistungen. – Nach Scheidung geht
Mann zweite Ehe ein; aus der ersten Ehe ist er für Zwillinge unterhaltspflichtig.
Er will die Unterhaltspflichten für seine (zweite) nicht berufstätige
Frau, die auf Grund eines gemeinsamen Kindes Kinderbetreuungsgeld erhält,
durch eine Reduktion seiner Unterhaltspflichten für die Zwillinge
um 3 % anrechnen lassen. Von den Unterinstanzen werden ihm aber
nur 2 % gewährt, da das Kinderbetreuungsgeld als Einkommen der Frau
zu qualifizieren sei. – OGH stimmt dem zu, führt aber aus, dass
das Kinderbetreuungsgeld als neue familienpolitische Leistung an
die Stelle des bisherigen Karenzgeldes trete; Karenz(Urlaubs)geld
wurde vom OGH in stRspr als bei der Unterhaltsermittlung zu berücksichtigendes
Einkommen der Ehefrau qualifiziert. – In diesem Sinne auch JBl 2003,
111 und JBl 2003, 113. | |
|
Allgemein zum
„Karenzierungsrecht”
J. Berger, aaO 82 ff: Der Begriff der Karenzierung bedeutet allgemein:
Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Arbeits- und des Arbeitgebers
von seiner Lohnfortzahlungspflicht, bei Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses. | Karenzierungsrecht |
Zu
unterscheiden sind Fälle der | Vertraglich-vereinbarte und gesetzliche Karenz |
- vertraglich vereinbarten und der | |
- gesetzlichen Karenz iS einer „‚Aussetzung’
der beiderseitigen arbeitsvertraglichen Hauptpflichten” (J. Berger). | |
Fälle der gesetzlichen Karenz sind zB: – Die
Karenz
für Mütter und Väter (§ 15 MSchG); – Präsenz-, Ausbildungs-
und
Zivildienerkarenz (nach
dem APSG); –
Familienhospizkarenz (§§ 14a, 14b,
15b AVRAG). | |
Karenz
durch Vereinbarung: –
Bildungskarenz (§ 11 AVRAG: 3-12 Monate);
– vgl auch § 12 AVRAG. | |
| Abbildung 12.6: Hospizkarenz |
|
7.
Dienstverhinderung
und Entgeltfortzahlung | |
| |
Das
Arbeitsverhältnis ist ein Dauerschuldverhältnis mit personenrechtlichem
Einschlag: Daraus entspringen die kurz behandelte Fürsorge- wie
Treuepflicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. | |
Zu
unterscheiden sind grundsätzlich Dienstverhinderungsgründe der Arbeitgeber-, Arbeitnehmer-
und der neutralen Sphäre. – Die Entgeltfortzahlung
des Arbeitsrechts „ersetzt” sowohl Dienstverhinderungen der Arbeitgeber-
und Arbeitnehmer- (wenn auch nicht alle!), als auch der neutralen
Spähre, was einen wichtigen Unterschied zum Werkvertragsrecht darstellt,
bei dem alle derartigen Hinderungsgründe in die Spähre des Werkunternehmers fallen,
dem höchstens Schadenersatzansprüche zustehen. | Dienstverhinderungsgründe |
Heute
besteht ein Recht von Arbeitnehmern auf Beschäftigung (Beschäftigungspflicht;
nicht zu verwechseln mit dem „Recht auf Arbeit”) und unter bestimmten
Voraussetzungen auch ein Anspruch auf Lohn bei Arbeitsausfall und Dienstverhinderung: | |
• Nach dem ABGB (§ 1154 idFd ARÄG 2000,
BGBl 44) und dem EFZG 1974 (§ 2 Abs 1) ist das Entgelt auch dann
fortzuzahlen, wenn Arbeitnehmer aus Gründen, die in ihrer Person
liegen, dienstverhindert sind; das gilt insbesondere bei
Krankheit. Dazu gleich mehr. | |
•
Eine
weitere Leistung bei einseitger Dienstverhinderung ist die Pflegefreistellung nach
§ 16 UrlG, wo sie geregelt ist, aber eigentlich nicht hingehört.
Danach steht jedem Arbeitnehmer jährlich 1 Woche (bezahlte) Pflegefreistellung
zu, wenn dies für die Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden
nahen Angehörigen oder die Betreuung eines Kindes nötig ist. Freistellung
um eine weitere Woche ist möglich. | Pflegefreistellung |
| Abbildung 12.7: Pflegefreistellung |
|
Nahe Angehörige sind nach
§ 16 Abs 1 Z 2 UrlG: Ehegatte/in, Verwandte in gerader Linie, Wahl-
und Pflegekinder sowie Lebensgefährte/in. | |
| |
Nach § 1 Abs 1 EFZG gilt dieses Gesetz für
Arbeitnehmer, „deren Arbeitsverhältnis auf einem privatrechtlichen
Vertrag beruht.” Abs 2 leg cit nimmt vom Geltungsbereich
aber Angestellte (AngG, GutsangestelltenG, JournalistenG, SchauspielerG),
Landarbeiter und Heimarbeiter aus. Die §§ 8 und 9 AngG regeln nämlich
die Entgeltfortzahlung für Angestellte separat. Nicht erfasst vom EFZG
werden grundsätzlich auch Arbeitsverhältnisse zum Bund, einem Land
oder sonstigen Körperschaften oder juristischer Personen des öffentlichen
Rechts. | Geltungsbereich
des EFZG |
•
Für welche
Dienstverhinderung gilt Entgeltfortzahlung ? – Entgeltfortzahlung
wird geleistet bei: Krankheit, Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten,
Unglücksfällen (zB auch Freizeitunfällen), bei bewilligten oder
angeordneten Kur- und Erholungsaufenthalten (zB § 1154b Abs 4 ABGB),
Arztbesuchen oder der Entbindung der Ehegattin; vgl § 1154b Abs
5 ABGB. | |
•
Nach § 2 EFZG und § 1154b ABGB wird Entgeltfortzahlung
nur geleistet, wenn Erkrankungen oder Unfälle weder vorsätzlich
noch grob fahrlässig herbeigeführt wurden. | |
• Die Bezugsdauer hängt davon
ab, wie lange der/die Betroffene zuvor im Betrieb beschäftigt war; vgl
§ 2 EFZG und § 1154b ABGB. | |
| |
|
§ 1154b | |
(1) Der Dienstnehmer behält seinen Anspruch auf
das Entgelt, wenn er nach Antritt des Dienstes durch Krankheit oder
Unglücksfall an der Dienstleistung verhindert ist, ohne dies vorsätzlich
oder durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet zu haben, bis zur Dauer
von sechs Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die
Dauer von acht Wochen, wenn das Dienstverhältnis fünf Jahre, von
zehn Wochen, wenn es 15 Jahre und von zwölf Wochen, wenn es 25 Jahre
ununterbrochen gedauert hat. Durch jeweils weitere vier Wochen behält
der Dienstnehmer den Anspruch auf das halbe Entgelt. | |
(2) Bei wiederholter Dienstverhinderung durch
Krankheit (Unglücksfall) innerhalb eines Arbeitsjahres besteht ein
Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nur insoweit, als die Dauer
des Anspruchs gemäß Abs. 1 noch nicht erschöpft ist. | |
(3) Wird ein Dienstnehmer
durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit im Sinne der Vorschriften
über die gesetzliche Unfallversicherung an der Leistung seiner Dienste
verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch
grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch
auf das Entgelt ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Dienstverhinderung
bis zur Dauer von acht Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht
sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn das Dienstverhältnis 15
Jahre ununterbrochen gedauert hat. Bei wiederholten Dienstverhinderungen,
die im unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall
oder einer Berufskrankheit stehen, besteht ein Anspruch auf Fortzahlung
des Entgelts innerhalb eines Dienstjahres nur insoweit, als die
Dauer des Anspruchs nach dem ersten oder zweiten Satz noch nicht
erschöpft ist. Ist ein Dienstnehmer gleichzeitig bei mehreren Dienstgebern
beschäftigt, so entsteht ein Anspruch nach diesem Absatz nur gegenüber
jenem Dienstgeber, bei dem die Dienstverhinderung im Sinne dieses
Absatzes eingetreten ist; gegenüber den anderen Dienstgebern entstehen
Ansprüche nach Abs. 1. | |
(4) Kur- und Erholungsaufenthalte,
Aufenthalte in Heil- und Pflegeanstalten, Rehabilitationszentren
und Rekonvaleszentenheimen, die wegen eines Arbeitsunfalles oder
einer Berufskrankheit von einem Träger der Sozialversicherung, dem
Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen gemäß
§ 12 Abs. 4 Opferfürsorgegesetz, einem Bundesamt für Soziales und
Behindertenwesen oder einer Landesregierung auf Grund eines Behindertengesetzes
auf deren Rechnung bewilligt oder angeordnet werden, sind einer Dienstverhinderung
gemäß Abs. 3 gleichzuhalten. | |
(5) … (6) … | |
|
8. Entgeltsicherung
bei Insolvenz des Arbeitgebers | |
| |
Mit dem IESG 1977, BGBl 324, wurde ein neuer Zweig
des Gesamtsystems der sozialen Sicherheit geschaffen. Im Volksmund
wird von „Konkursversicherung” gesprochen. Ziel des IESG ist es, Arbeitnehmer
gegen das Risiko des Entgeltverlustes | IESG
1977 |
• bei Eröffnung des Konkurses oder | |
• eines Ausgleichs des Arbeitgebers | |
• oder der Ablehnung eines Konkursantrags
mangels hinreichenden Vermögens zu schützen. | |
Bei der Insolvenz-Entgeltsicherung handelt es sich um eine öffentlichrechtliche
Pflichtversicherung. Das Insolvenz-Ausfallgeld ist eine
öffentlichrechtliche Ersatzleistung für nicht erhaltenes privatrechtliches
Entgelt. – Notwendig wurde das neue Gesetz deshalb, weil Arbeitnehmer im
Konkurs ihres Arbeitgebers oft nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern
häufig auch im anschließenden Insolvenzverfahren ihr bereits verdientes
Entgelt ganz oder teilweise verlieren. | |
1997 waren rund 21.000 Arbeitnehmer von
Insolvenzen ihrer Arbeitgeber betroffen. – Zur praktischen Bedeutung von
Konkursen besonders in wirtschaftlichen Krisenzeiten → KAPITEL 19: Der Konkurs. | |
Das Insolvenz-Ausfallgeld muss binnen
4 Monaten nach Eintritt des Versicherungsfalles (zB Entgeltverlust
wegen Konkurseröffnung) beim Arbeitsamt oder dem zuständigen Konkurs-
oder Ausgleichsgericht beantragt werden. Das örtlich zuständige
Arbeitsamt entscheidet über den eingereichten Antrag. Der beantragende
Arbeitnehmer erhält im Falle der Genehmigung seines Antrags vom
zuständigen Arbeitsamt das Insolvenz-Ausfallgeld ausbezahlt; und
zwar in der Höhe seiner noch offenen Nettoentgeltforderung. | |
Kraft
Gesetzes gehen die durch das IESG gesicherten Entgeltansprüche von
Arbeitnehmern mit Antragstellung auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds über;
Legalzession. Der Fonds besitzt eigene Rechtspersönlichkeit und
beteiligt sich anstelle des Arbeitnehmers am Insolvenzverfahren.
Die dabei erlangten Gelder werden dem Fonds zugeführt. Gespeist
wird der Fonds grundsätzlich durch den gesetzlich vorgeschriebenen
Beitrag der Arbeitgeber, der als Zuschlag zum Anteil des Arbeitgeber-Arbeitslosenversicherungsbeitrags
durch die Krankenkassen eingehoben wird. | |
Zu beachten ist,
dass die Eröffnung eines Konkurses oder Ausgleichs über das Vermögen
des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis unberührt
lässt. Die aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden oder schon bestehenden
Arbeitnehmerforderungen werden aber durch die Eröffnung der Insolvenz
des Arbeitgebers rechtlich betroffen; vgl § 23 Abs 1 AO („bevorrechtete
Forderungen”) oder § 46 Abs 1 KO („Masseforderungen”) oder § 25
KO („Konkursforderungen”). | |
| Abbildung 12.8: IESG (1) |
|
| Abbildung 12.9: IESG (2) |
|
| Abbildung 12.10: IESG (3) |
|
9. Arbeits- und
Sozialgerichtsgesetz 1985 | |
| |
Der
Durchsetzung arbeits- und sozialrechtlicherAnsprüche
(beider Seiten) dient nicht der normale Zivilprozess (ZPO), sondern
ein eigenes – sozialeres – Verfahren nach dem Arbeits- und SozialgerichtsG:
ASGG, BGBl 1985/104. – In erster Instanz sind die Landes- oder Kreisgerichte
zuständig. – Der zweite Abschnitt des ASGG regelt die Arbeitsrechtssachen;
(§§ 49-63 ASGG), der dritte Abschnitt, die Sozialrechtssachen: §§
64-91 ASGG. | |
10. Gleichbehandlung
von Frauen und Männern | |
| |
Presseberichte, wie der folgende (Der Standard,
19.5.1998, S. 1 und 17), machen deutlich, wie weit noch der Weg
zu materieller Gleichbehandlung von Frauen ist: | |
„Männer verdienen um 70 Prozent mehr als
Frauen. Enorme Unterschiede bei Bruttogehältern. Lohnsteuerbericht für
1997: Niedriglohn ist weiblich: Ein Angestellter verdient demnach
etwa 551.300 Schilling brutto im Jahr, eine Angestellte nur knapp
eine Viertelmillion. Ihren Arbeitnehmerinnen zahlen die Unternehmen
nur 190.600 Schilling, den Arbeitern aber 321.900 Schilling im Jahr.
– Im öffentlichen Dienst sind die Gagen dagegen fast ausgewogen.” | |
Frauen stellen
einen Anteil von etwa 52 Prozent der österreichischen Gesamtbevölkerung
und bilden auch die größte Gruppe der Wählerschaft. Dennoch steht
es um ihre tatsächliche Gleichstellung mit Männern im Arbeitsleben
nicht zum Besten; vgl Art 7 Abs 2 B-VG → KAPITEL 4: Gleichheit vor dem Gesetz.
– Was die Frauenbeschäftigung in der EU anlangt (in Prozent der gesamten
Bevölkerung) liegt Österreich mit 62,5 % im oberen Mittelfeld. | Art 7 Abs 2 B-VG |
In legistischer Vorbereitung befindet sich
aufgrund verschiedener EU-Antidiskriminierungs-RL ein neues Gleichbehandlungsgesetz,
das zu einem allgemeinen Antidiskriminierungsinstrument umgebaut
werden soll. Es wird befürchtet, dass darunter das ursprüngliche
Anliegen der Gleichbehandlung von Männern und Frauen leiden könnte. | |
Für Arbeitsverhältnisse, die auf privatrechtlichem Vertrag
beruhen, gilt das GleichbehandlungsG 1979 / GlBG. | |
Für öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Dienstverhältnisse
zum Bund gilt das Bundes-GleichbehandlungsG 1993 (B-GBG). | Bundes-GleichbehandlungsG
1993 |
Grundgedanke: Auf Grund des Geschlechtes
darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar
oder mittelbar „diskriminiert” werden, insbesondere
nicht bei: | |
• Begründung des Arbeitsverhältnisses, | |
• Festsetzung des Entgelts, | |
• Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, | |
• Maßnahmen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung, | |
• beruflichen Aufstieg/Beförderung, | |
• sonstigen Arbeitsbedingungen, | |
• Beendigung des Arbeitsverhältnisses. | |
Diskriminierung ist
jede benachteiligende Differenzierung, die ohne sachliche Rechtfertigung vorgenommen
wird; auch sexuelle Belästigungen (§ 2 GBG 1979). | |
Rechtsfolgen der
Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes; § 2a B-GBG 1979: | Rechtsfolgen |
•
Schadenersatz:
bis zu 2 Monatsentgelten bei Nichteinstellung oder 4 Monatsentgelte
bei Nichtbeförderung. § 2a Abs 1 GlBG normiert einen Schadenersatzanspruch
des diskriminierten Stellenwerbers, im Ausmaß von bis zu zwei Monatsgehältern.
Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers (RV 735 BlgNR 18. GP
33f) der „durch die Diskriminierung entstandene materielle und durch
die Verletzung der Würde der Person entstandene immaterielle Schaden
in angemessener Weise finanziell ausgeglichen werden”. | |
• Anspruch auf Differenzzahlung bei
zu geringem Entgelt; | |
• Gewährung gleicher Arbeitsbedingungen,
vorenthaltener Sozialleistungen oder Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen
usw; | |
•
§
2c B-GBG 1979 verlangt geschlechtsneutrale Stellenausschreibung.
| |
§
3 B-GBG 1979 sieht die Einrichtung einer Gleichbehandlungskommission beim
BMS, § 3 a die Bestellung einer Anwältin für Gleichbehandlungsfragen vor. | Gleichbehandlungskommission |
|
OGH 21.1.1999, 8 Ob A 188/98z, ZAS 2000, 20 –
Schadenersatz wegen sexueller Belästigung nach
dem GlBG 1979: Eine Arbeitnehmerin war durch mehrere Tage hindurch
Opfer intensiver und brutaler sexueller Belästigung durch ihren
Arbeitgeber. Als Konsequenz dieser Übergriffe beendete sie ihr Arbeitsverhältnis.
Sie begehrt unter Berufung auf § 2a Abs 7 GlBG 110.000 S Schadenersatz.
Der OGH nahm diesen Fall zum Anlass, um Grundsätzliches zur Bemessung
des Schadenersatzes nach dem GlBG auszuführen. – Er hielt fest,
dass der Schadenersatz als Ausgleich für die durch die Belästigung
herbeigeführte Beeinträchtigung der Würde der Arbeitnehmerin gebühre.
Es müsse demnach die durch die Belästigung geschaffene Situation
in ihrer Gesamtheit beurteilt werden. Der OGH lehnte eine gesonderte
Bemessung des Schadenersatzes für jede einzelne sexuelle Belästigung
ab. Er argumentierte damit, dass zwischen GlBG und allgemeinen Schadenersatzrecht
ein Zusammenhang bestehe, auf den bei der Bemessung des Schmerzengeldes
Bedacht zu nehmen ist. (Das Schadenersatzrecht ist allerdings bei
der Zuerkennung von Schadenersatz für immaterielle Schäden eher
restriktiv. Vgl § 1328 ABGB: Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung.)
Der OGH nahm bei einer Häufung sexueller Übergriffe für die Bewertung
des immateriellen Schadens eine Globalbemessung vor. Die im Gesetz
genannte Untergrenze von 5.000 S soll nach Auffassung des OGH nur
verhindern, dass eine Ersatzpflicht unter Hinweis auf die relative
Geringfügigkeit der Belästigung abgewiesen wird. Im konkreten Fall
hielt der OGH einen Schmerzengeldbetrag von 50.000 S für angemessen,
da der Arbeitgeber auf rücksichtslose und brutale Art das Arbeitsverhältnis der
Arbeitnehmerin, aus das sie existentiell angewiesen war, zur Erreichung
seiner sexuellen Ziele ausgenützt hatte. Der OGH berücksichtigte
andererseits, dass die psychische Beeinträchtigung der Arbeitnehmerin
noch keine Krankheit darstellte und die Übergriffe innerhalb einer
relativ kurzen Zeitspanne von einigen Tagen erfolgten. | |
|
|
JBl 1999, 397: Der Nachweis,
der Bewerber hätte die zu besetzende Position auch ohne Diskriminierung nicht
erhalten, obliegt dem Arbeitgeber. | |
|
Ein EU-rechtskonformes Verständnis gestattet es aber nicht,
das B-GBG so zu verstehen, dass bei gleicher Qualifikation
immer der Frau der Vorrang gebühre; vielmehr sei wegen
möglicher Härtefälle stets die persönliche Situation aller Bewerber/innen
zu berücksichtigen. Andernfalls steht grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch
zu. – Der EuGH hat dies in den Fällen Kalanke (Rs C-450/93),
Marschall (Rs C-409/95) und Abrahamson (Rs C-407/98) betont. Vgl
dazu nunmehr auch OGH 30.1.2001, 1 Ob 80/00x; Staatshaftungsklage
eines Richters wird zwar abgelehnt, zugleich aber die EU-Rechtslage
in Erinnerung gerufen. | |
| Abbildung 12.11: Gleichbehandlung (1) |
|
| Abbildung 12.12: Gleichbehandlung (2) |
|
| Abbildung 12.13: Gleichbehandlung (3) |
|
11. Typische
und atypische Arbeitsverhältnisse | |
Seit
etwa 15-20 Jahren nimmt die Zahl sog atypischer Arbeitsverhältnisse
sowohl international wie in Österreich signifikant zu. Das bisherige
typische oder Normalarbeitsverhältnis wird durch
folgende Kriterien charakterisiert: Es ist ein kontinuierliches,
auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes, auf Arbeitsvertragberuhendes
Vollzeitarbeitsverhältnis mitallen arbeitsrechtlichen
Absicherungen; dh: Entgelt, Entgeltfortzahlung, Urlaub, Bestandsschutz,
kollektiver Schutz, Aufstiegsmöglichkeiten, Abfertigung etc. Es
hat den Anschein, als würden die bislang noch als atypisch bezeichneten
Beschäftigungsformen bald zum Normalfall werden. | Normalarbeitsverhältnis |
| |
Heute sind bereits mehr als 25 Prozent aller Arbeitsverhältnisse
sog atypische oder Nichtnorm-Arbeitsverhältnisse; Tendenz: stark
steigend. | Erscheinungsformen
atypischer Arbeitsverhältnisse |
•
Teilzeitbeschäftigung:
Ca 295.000 Frauen und 36.800 Männer übten 1996 eine Teilzeitbeschäftigung
aus. 1999 gab es bereits 488.000 Teilzeitarbeitsplätze. Teilzeitarbeit
bedeutet (immer noch) häufig einen qualifikatorischen Abstieg. –
Tendenz steigend. | |
•
Befristete Arbeitsverhältnisse:
Häufig im Fremdenverkehr oder der Bauwirtschaft, aber auch Lehrer
oder Ärzte bei Karrierebeginn. Im Juni 1994 hatten ein solches Arbeitsverhältnis
117.000 unselbständig Beschäftigte in Österreich. – Tendenz stark
steigend. | |
•
Geringfügig Beschäftigte: Im
Mai 2001 gab es in Österreich 208.108 geringfügig Beschäftigte, die
monatlich weniger als 3.740 S/jetzt 275 ı verdienen; etwa ein Drittel
Männer und zwei Drittel Frauen und doppelt soviel Arbeiter als Angestellte.
– Für geringfügig Beschäftigte besteht nach
§ 19a ASVG eine attraktive Möglichkeit zur Selbstversicherung (sog
opting in), wodurch zusätzlich zur gesetzlichen Unfall-, eine gesetzliche
Kranken- und Pensionsversicherung erworben werden kann, die damit
nicht verbunden ist. Auch geringfügig Beschäftigte haben Anspruch
auf Urlaub, Abfertigung sowie Weihnachts- / Urlaubsgeld. | |
•
Job-sharing:
Hier teilen sich zwei oder mehrere ArbeitnehmerInnen einen Arbeitsplatz;
idR Aufteilung nach Zeit: täglicher, wöchentlicher, monatlicher
Wechsel. Aber auch eine Aufteilung nach Arbeitsinhalten ist denkbar.
Zur Zeit besteht dafür noch keine gesetzliche Regelung. | |
•
Heimarbeit / Tele-Arbeit: HeimarbeitsG,
BGBl 1961/105. | |
•
Neue
Formen der (Schein)Selbständigkeit: Hier ist die Grauzone
zwischen abhängiger Beschäftigung und (echter) Selbständigkeit angesprochen,
zumal immer wieder versucht wird, durch Umgehungspraktiken die Systeme
der sozialen Sicherheit zu schädigen und sog Lohnnebenkosten der
Arbeitgeber auf die Arbeitnehmer zu überwälzen. | |
•
Kurzarbeit (bei
Auftragsmangel): Ende Juli 1996 waren 8505 (1995: 3667) Industriebeschäftigte in
67 (1995: 38) Betrieben davon betroffen. | |
| Abbildung 12.14: Typische und atypische Arbeitsverhältnisse |
|
| Abbildung 12.15: Arbeitslose in Österreich |
|
12. Arbeitnehmerüberlassung | |
| |
Die
Arbeitskräfte- oder Arbeitnehmerüberlassung wird mit Synonymen auch:
Leiharbeit, Personal-Leasing oder Vermietung von Arbeitskraft bezeichnet.
Rechtsquelle ist das ArbeitskräfteüberlassungsG (AÜG 1988,
BGBl 196): Man versteht darunter die gewerbsmäßige Arbeitskräfteüberlassung
an Dritte; nach § 323a GewO besteht Konzessionspflicht. | Synonyme |
Arbeitskräfteüberlassung ist sinnvoll, wenn
Unternehmer einen kurzfristigen Arbeitsbedarf decken; zB Urlaubsvertretung,
Krankheit, Mutterschutz, saisonale Arbeiten, vor allem aber Termindruck
und Auftragsspitzen. | |
Der überlassende
Arbeitgeber bleibt Arbeitgeber, ihn trifft bspw weiterhin
die Lohnzahlungspflicht und die Pflicht zur Leistung einer Abfertigung.
Dennoch entstehen auch zwischen (überlassener) Arbeitskraft und Drittem (=
Beschäftiger) verschiedene arbeitsrechtliche Beziehungen; etwa:
Weisungsrecht, bestimmte Fürsorgepflichten (Arbeitsplatz!), Arbeitgeberprivileg
des § 333 ASVG sowie § 334 ASVG → Das
Arbeitgeberhaftungsprivileg –
Arbeitnehmer wiederum genießen auch gegen den Beschäftiger den Schutz
des D(N)HG. | Parteien |
Ein
gesetzlicher Ansatz für die Arbeitskräfteüberlassung findet sich
schon im ABGB; § 1153 ABGB erlaubt die Übertragung des Arbeitgeberanspruchs
auf Arbeitsleistung, sofern der Arbeitnehmer zustimmt. | |
| Abbildung .15: Arbeitskräfteüberlassung: AÜG 1988 |
Überlassender AG bleibt AG: Er ist zB weiterhin
lohnzahlungspflichtig
Aber auch zwischen Beschäftiger und überlassenem
AN entstehen verschiedene arbeitsrechtliche Beziehungen: Weisungsrecht,
Fürsorgepflicht, AG-Privileg (§ 333 ASVG) sowie § 334 ASVG (Aufseher
im Betrieb) und Schutz nach D(N)HG. |
Jede
Überlassung bedarf nach § 2 Abs 2 AÜG der ausdrücklichen Zustimmung
der überlassenen Arbeitskraft; Ausnahme von § 863 ABGB.
Der Dienst(nehmer)verschaffungsvertrag ist kein Arbeitsvertrag:
Arbeit wird nicht persönlich geschuldet, sie ist vielmehr nur iSd
§ 880a ABGB zu verschaffen = Verwendungszusage. |
|
Zur
Arbeitskräfteüberlassung kommt es häufig im Industriebereich;
ca 600 Unternehmen entlehnten (im Juni 1996) in Österreich Arbeitnehmer;
dies mit einem Gesamtumsatzvolumen von etwa 3 Mrd S und 14.600 Beschäftigten (1993
waren es noch knapp 8.000); im Jahr 2000 waren es bereits ca. 30.000
Arbeitnehmer. – In Tirol gibt es derzeit ca 20 Unternehmen die gewerbsmäßig
Arbeitskräfte überlassen. – Die Arbeitnehmerüberlassung ist zu einem einträglichen
Dienstleistungsbereich, mit hohen Wachstumsraten geworden. Zunehmende
Arbeitsflexibilisierung und knapper werdende Kalkulationsspielräume
lassen einen Personalüberhang immer weniger zu. Die Antwort darauf
ist die „Vermietung” von Arbeitskraft. | Anlassfälle für die „Überlassung“ |
| Abbildung 12.16: Leiharbeit in Österreich (1) |
|
| Abbildung 12.17: Leiharbeit in Österreich (2) |
|
|
WBl 1987, 193: Österreichisches
Unternehmen entsendet Leiharbeiter nach Lybien. | |
|
|
JBl
1971, 45: Familienhelferin –
Soziale Hilfsdienste privater oder öffentlichrechtlicher Organisationen sind
ein praktisch wichtiger Anwendungsbereich der Arbeitskräfteüberlassung.
– Dabei ist zu beachten, dass übersandte Arbeitnehmer auch bloß
als Erfüllungsgehilfen des Überlassers tätig sein können und zum „Beschäftiger”
keine arbeitsrechtlichen Beziehungen wie bei der Arbeitskräfteüberlassung
entstehen. | |
|
| Abbildung 12.18: ArbeitskräfteüberlassungsG – AÜG |
|
| Abbildung 12.19: § 3 AÜG: Begriffsbestimmungen |
|
| Abbildung 12.20: Wozu dient die Arbeitnehmerüberlassung? |
|
| |
Der Vorschuss spielt beim Arbeitsvertrag
eine wichtige Rolle, kommt aber auch in anderen Rechtsinstituten
und Zusammenhängen vor: | |
•
Vgl Unterhaltsvorschuss nach
dem UVG 1976 → KAPITEL 16: Die
Auflösung der Ehe oder | Vorschüsse |
• zur Vorschusspflicht des Entlehners
→ KAPITEL 3: Gebrauchs-
und Erhaltungskosten
| |
• zur Vorschusspflicht beim Werkvertrag
→ Entgelt-Vorschuss
| |
• zur Vorschusspflicht beim Auftrag
→ Pflichten
des Auftraggebers
| |
• zur Vorschusspflicht bei der Stellvertretung
→ KAPITEL 13: Gegenseitige
Rechte und Pflichten. | |
•
Verschiedene Vorschusspflichten existieren ferner
im Schadenersatzrecht; zB im Rahmen des Reparaturkostenersatzes
durch den Schädiger oder im Rahmen des Ersatzes der Heilungskosten
nach § 1325 ABGB. | |
Es handelt sich um eine Sonderform der Erfüllung bei der
eine noch nicht fällige oder noch gar nicht entstandene Forderung
im Voraus erfüllt wird, weil angenommen wird, dass die Vorwegerfüllung
später ohnehin hätte erbracht werden müssen. Rückerstattung der
vorschussweise erbrachten Leistung ist deshalb nicht vorgesehen
oder nur insofern, als das als Vorschuss Geleistete vom späteren
Lohn / Gehalt, also Entgelt abgezogen wird. | |
| Abzugrenzungen |
Nach
§ 1154a ABGB kann der nach Stück oder Einzelleistung entlohnte Arbeitnehmer
einen Vorschuss vor Fälligkeit des Entgelts verlangen. – Das GehaltsG 1956
idgF sieht in § 23 für Beamte die Möglichkeit eines Vorschusses
oder einer Geldaushilfe vor; danach kann auf Antrag ein Vorschuss
bis zur Höhe des 3-fachen Monatsbezugs gewährt werden. Nach Abs
2 dieser Vorschrift ist der Vorschuss durch Abzug von den Bezügen
binnen 4 Jahren hereinzubringen. | |
|
| |
Auf die praktisch wichtige
und rechtlich sensible Grenze zwischen Arbeits- und Werkvertrag wurde
bereits hingewiesen. – Wir haben aber nicht nur zwischen Arbeits- und Werkvertrag (bei denen
es in beiden Fällen um die Leistung tatsächlicher / faktischer Dienste
oder Arbeiten geht) zu unterscheiden, sondern auch die Grenze zum Auftrag ( → Abgrenzungen)
zu ziehen, dessen Gegenstand Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen
(und nicht faktische Leistungen) sind. – Darüber hinaus ist der
Werkvertrag auch vom Kaufvertrag abzugrenzen ( → Werkvertrag
– Bedeutung und Abgrenzung)
und jene zum freien Dienstvertrag zu ziehen. | |
| |
| Abbildung 12.21: Werkvertrag – Arbeitsvertrag |
|
I. Werkvertrag
– Bedeutung und Abgrenzung | |
1. Wirtschaftliche
Bedeutung des Werkvertrags | |
Sie zeigt sich heute vor allem darin,
dass er jener Vertragstypus ist, der – im tatsächlichen / faktischen
Leistungsbereich angesiedelt – den zukunftsorientierten Wachstumsbereich
der „ökonomischen” Dienstleistungen repräsentiert, die
nicht mit dem „rechtlichen” Typus des Arbeits- oder Dienstvertrages
verwechselt werden dürfen: Kino, Theater, Taxi, Friseur, Konzert
oder das Anfertigen einer Zahnkrone sind ebenso Beispiele für diesen
Typus, wie künstlerische oder spezifische unternehmerische Tätigkeiten
und der weite Service- und Reparatursektor. – Daher wird der Werkvertrag
auch künftig seine Bedeutung behalten, ja ausbauen. Der Dienstleistungssektor ist
mittlerweile der größte ökonomische Berufsbereich; hierher gehören
nämlich auch die Dienstleistungen des Handels, der Banken und Versicherungen,
des Fremdenverkehrs / Tourismus und der Information und Beratung
insbesondere auch der Rechts- und Unternehmensberatung. | Ökonomische
Dienstleistungen |
Ein
Beispiel neuer Dienstleistungen für den Unternehmensbereich stellt
das sog „Outsourcing” dar, bei dem Unternehmen
bestimmte Unternehmensaufgaben an andere (Spezial)Unternehmen übertragen;
zB Informationstechnologie / EDV oder (Ab)Rechnungswesen / Buchhaltung. | Outsourcing |
| |
Ein Werkvertrag (§§ 1165
ff ABGB) beinhaltet die Herstellung eines Werks / Erfolgs in selbständiger,
also nicht abhängiger Arbeit – und zwar idR – gegen Entgelt; § 1151
Abs 1 ABGB. | Werk
oder Erfolg wird geschuldet |
| |
Beim Werkvertrag tritt
dem (Werk)Besteller ein selbständiger (Werk)Unternehmer gegenüber. Beim
Arbeitsvertrag ieS leistet ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber abhängige Arbeit.
Der (Werk)Unternehmer arbeitet dagegen eigenverantwortlich (= im
eigenen Namen und auf eigene Rechnung) und mit eigenen Betriebsmitteln.
Über Arbeitsabläufe, Arbeitszeit und Arbeitsort entscheidet der
Unternehmer grundsätzlich selbst. | Terminologie |
Im
Rahmen der Erbringung / Ausführung der werkvertraglichen Leistung
steht dem Besteller gegenüber dem Unternehmer ein Weisungsrecht zu
(vgl Arbeitsvertrag): So kann der Taxi-Gast bestimmen, dass das
Taxi eine bestimmte Route fährt oder dass der Fahrer die Geschwindigkeit
verringert oder noch jemand anderen aufnehmen soll. | Weisungsrecht |
Was wird beim Werkvertrag hergestellt? – Wichtig: Das herzustellende Werk,
der zugesagte Erfolg kann körperlich oder unkörperlich sein;
zB eine Autoreparatur oder die Errichtung eines Hauses, aber auch
Auskunftserteilung, eine Musik- oder Theateraufführung, ein Gutachten
oder die Beförderung durch ein Taxi. Bei Theater-, Konzert- oder
Kinoaufführungen oder der Personenbeförderung – zB mit der Bahn
– erwerben / ‘kaufen’ Besucher / Fahrgäste zwar uU eine Karte, was
aber nichts am Vorliegen eines Werkvertrags ändert; es liegt kein
Kaufvertrag vor! | |
Das jüngere dtBGB nimmt
auf diese Entwicklungen bereits Rücksicht: Nach § 631 Abs 2 dtBGB
ist „Gegenstand des Werkvertrages ... sowohl die Bestellung oder
Veränderung einer [körperlichen] Sache als ein anderer durch Arbeit
oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg.” | |
Abgrenzung Werkvertrag – Kaufvertrag:
Neben der Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkvertrag gilt es auch
zwischen Werkvertrag und Kaufvertrag zu unterscheiden. Wird das
Werk entweder ganz oder doch überwiegend aus dem Material des Unternehmers
hergestellt, ist es nämlich fraglich, ob Werkvertrag oder Kauf
auf Bestellung vorliegt: zB Schneider macht Kostüm aus
von ihm beigestelltem Stoff. § 1166 ABGB rechnet diese Fälle im
Zweifel zum Kauf. Im Zweifel meint: Wenn die Parteien nichts andres
ausdrücklich vereinbart haben oder nach der Verkehrssitte oder der Natur
der Sache wollen. | Werk
<-> Kauf |
Als
praktische Regel, die der Verkehrssitte entspricht,
gilt: | Abgrenzungsregel |
•
Kauf ist anzunehmen,
wenn es sich um allgemein marktgängige Sachen, insbesondere Serienerzeugnisse,
handelt (zB Konfektionskleidung mit allenfalls minimal möglicher
Anpassung: Länge, Bund etc oder Fertigküche); | |
•
Werkvertrag, wenn die Erzeugung
die besonderen Bedürfnisse des Bestellers umfassender berücksichtigen
soll; individuelle Anpassung (zB Maßanzug / -kostüm
in Übergröße oder Einbauküche oder -kasten). | |
| Abbildung 12.22: Lieferung einer Sache: Kaufvertrag oder Werkvertrag? |
|
|
SZ 27/223 (1954): Lieferung einer
serienmäßigen, nach den Plänen des Unternehmers hergestellten, lediglich
kleine Abänderungen aufweisenden Registrierkasse ist
Kauf, nicht Werkvertrag, auch wenn der Unternehmer aus arbeitstechnischen
Gründen nicht eine schon erzeugte Kasse abändert, sondern eine neue herstellt. | |
|
II. ÖNormen
und Haftrücklass | |
1. Zur Bedeutung
von AGB und ÖNormen | |
Die
nähere inhaltliche Ausgestaltung von Werkverträgen erfolgt in der
Praxis oft über: | |
| |
mittels sog ÖNormen. | |
| |
Sie spielen vor allem im Bauvertragsrecht eine
praktische Rolle und sind (wie AGB) vorformulierte Vertragsinhalte.
Sie werden aber, zum Unterschied von herkömmlichen AGB, weder von einem,
noch von beiden ( → KAPITEL 6: Vorvertrag
<-> Rahmenverträge: Rahmenvertrag) Vertragsteil/en formuliert, sondern
von einem Dritten, dem Österreichischen Normungsinstitut, nach dem
NormenG (BGBl 240/1971) geschaffen. | |
Vertragschließende Parteien können sich
dieser ÖNormen – zB für Bauleistungen – zur Erleichterung ihres
Vertragsschlusses bedienen, müssen das aber nicht. Zum Teil ist
das Heranziehen von ÖNormen aber branchenüblich. | |
| |
Die vom ÖNormungsinstitut erarbeiteten ÖNormen sind
für sich nicht rechtsverbindlich, sondern bedürfen,
wie AGB, der vertraglichen Vereinbarung als Geltungsgrund. Daher
kann von ihnen im Einzelfall abgewichen werden! Sie können aber
auch durch Gesetz oder Verordnung für verbindlich erklärt werden;
vgl etwa § 17 Abs 6a WEG 1975 (= § 34 Abs 5 WEG 2002). – ÖNormen
dienen den vertragschließenden Parteien auch als wichtige „Orientierungshilfen” (Adamovich
/ Funk). | Geltungsgrund
von ÖNormen |
Seit 1.1.1996 existiert eine ÖNorm für ordnungsgemäße
Betriebskostenabrechnung. Es ist die ÖNorm A 4000: Abrechnung von
Bewirtschaftungskosten von Gebäuden mit Miet- und Eigentumswohnungen. | |
Die ErlBem zur RV des NormenG 1971 umschreiben ÖNormen so:
Sie sind allgemeine Richtlinien zur Vereinheitlichung von Begriffen,
Formen, Abmessungen, Eigenschaften, Verfahren, Lieferbedingungen,
Qualitätskriterien etc, die eine Vereinheitlichung, Vereinfachung
und Erleichterung der beruflichen Tätigkeit zum Ziel haben. | |
Unterschieden werden technische
Normen und Vertragsnormen; letztere dienen
der Vereinheitlichung und Typisierung von Vertragsinhalten. Im Falle
ihrer Verwendung erspart sich eine oder sogar beide Parteien das
Erstellen von AGB oder das Vereinbaren eines Rahmenvertrags. | Technische Normen
und Vertragsnormen |
| |
Praktisch
bedeutsam sind ÖNormen für das Geltendmachen bauvertraglicher Gewährleistungsansprüche.
ÖNormen legen nämlich Maßtoleranzen fest: ZB darf eine Mauer von
weniger als 4 m Länge nur um 2 cm abweichen; ein Estrich, auf dem
ein Holzboden oder Fliesen verlegt werden, darf nur um 5 mm vom
Ebenmaß abweichen. Größere Abweichungen berechtigen zu einem Verbesserungs-
oder Reparaturanspruch oder zur Preisminderung. – Wer mehr Qualität
will, muss das – darüber hinaus – vereinbaren! | Gewährleistungsansprüche |
| |
Er
bedeutet im Werkvertrags- und insbesondere im Bauvertragsrecht,
dass ein Teil des Entgelts für eventuelle Schadenersatz- oder Gewährleistungsansprüche
vereinbarungsgemäß zurückbehalten werden darf. – Eine Bankgarantie
( → KAPITEL 15: Garantievertrag
und Bankgarantie) für derartige Zwecke wird Haftbrief genannt. | Bauvertragsrecht |
Die historischen Ansätze einer solchen Sicherungspraxis
im Bauvertragsrecht sind schon im antiken Griechenland nachweisbar. | |
III. Pflichten des
Werkunternehmers | |
1. Herstellung
des Werkes | |
Der Unternehmer
hat nach § 1165 ABGB – und das ist seine Hauptpflicht – das Werk
herzustellen und rechtzeitig abzuliefern,
aber auch für allfällige Mängel einzustehen ( → Gewährleistung)
und nach allgemeinen Vorschriften für Schaden zu
haften → Schadenersatz – Häufig treffen den Werkunternehmer auch Nebenpflichten,
wie eine Gebrauchs- oder Reparaturanweisung zu geben oder Autofahrer
in die Waschanlage einzuweisen; RZ 1982/61. | |
Erst die vollständige
Herstellung des Werkes (samt der allenfalls nötigen Übergabe
von Unterlagen zur Überprüfung) lässt die Werklohnforderung des
Unternehmers fällig werden; es sei denn, eine Leistung /Lieferung in
Abschnitten wäre vereinbart worden, was bei Werkverträgen
häufig vorkommt; zB Hausbau: Kellergleiche, Rohbaufertigstellung,
völlige Fertigstellung. | Fälligkeit des Werklohns |
|
OGH 22. 3. 2002, 1 Ob 47/02x, EvBl 2002/130:
Abschluss eines Werkvertrags über Einbau eines Schaltschranks.
Werkunternehmer liefert Schaltkasten und klagt auf Zahlung des Werklohns.
Werkbesteller wendet ein, dass die Übergabe der zum Schaltkasten
gehörenden umfangreichen Dokumentation unterlassen worden sei, worauf
der Werkunternehmer die Dokumentation in einer Tagsatzung vorlegt.
– OGH beurteilt Werk bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster
Instanz dennoch als noch nicht beendet – und die Werklohnforderung daher noch
nicht fällig. Die Fälligkeit trete nämlich erst dann ein,
wenn der Unternehmer dem Besteller Gelegenheit zur Überprüfung des
Werks gewährt hat – dies erfordere im vorliegenden Fall (auf Grund
des Umfangs der Dokumente) längere Zeit. | |
|
|
OGH 26. 2. 2002, 1 Ob 40/02t, JBl 2002, 658 = EvBl 2002/131: Generalunternehmer übernimmt
Herstellung von Böden und der Estriche für ein Einfamilienhaus und
beauftragt einen Subunternehmer mit den Estricharbeiten.
Trotz offensichtlicher Mängel (der Estriche) klagt der Generalunternehmer
den „Auftraggeber” auf Werklohnzahlung. Einen Teil
der Kosten dieses verlorenen Vorprozesses will er idF vom Subunternehmer
einklagen/refundiert erhalten. – OGH: Die Kosten, die ein Generalunternehmer
für eine ersichtlich aussichtslose Prozessführung aufwendet, hat
auch ein Subunternehmer, der das Leistungsverweigerungsrecht des
Bestellers auf Grund seiner mangelhaften Arbeit verschuldet hat,
nicht zu ersetzen. Ein solcher Schaden liegt außerhalb des Rechtswidrigkeitszusammenhangs
( → KAPITEL 9: Rechtswidrigkeitszusammenhang) der verletzten Vertragsnorm. | |
|
„Der
Unternehmer ist – nach § 1165 ABGB – verpflichtet, das Werk persönlich
auszuführen oder unter seiner persönlichen
Verantwortung ausführen zu lassen „. – Aus dem
zweiten Satzteil ergibt sich, dass der Unternehmer nicht verpflichtet
ist, das Werk stets selber auszuführen, wenngleich er weiterhin
für den Erfolg einzustehen hat, also haftet. Er darf: | Ausführung des
Werks durch Hilfspersonen |
•
sowohl
eigene Hilfspersonen / (Erfüllungs)GehilfeniSd
§ 1313a ABGB heranziehen, | |
• als auch die Ausführung des gesamten Werks
oder doch eines Teils davon an andere selbständige Unternehmer –
sog Subunternehmer (→ Schadenersatz)
– weitergeben. | |
|
GlU 11.030 (1886): „ Ausarbeitung
eines einem Advocaten persönlich abgeforderten Gutachtens durch einen
„Concipienten” desselben: Anspruch des Advocaten auf Honorar?” → Handelsvertreter. | |
|
Man denke auch an Konstellationen wie von Reiseveranstaltern zu
Fluglinien, Hotels, Busunternehmen oder das Verhältnis von General-
zu einzelnen Sub
unternehmern im
Rahmen von Bauführungen; dazu gleich mehr. | |
Weisungen des Werkbestellers hat der Unternehmer
aber grundsätzlich selbst zu befolgen oder doch befolgen zu machen.
Zur Warnpflicht nach § 1168a Satz 3 ABGB → Schadenersatz Ansonsten arbeitet
der Unternehmer aber weisungsfrei. | |
| Abbildung 12.23: Pflichten des (Werk)Unternehmers (1) |
|
| Abbildung 12.24: Pflichten des (Werk)Unternehmers (2) |
|
| |
§ 1167 nF – in Geltung seit 1.1.2002 – erklärt bei „Mängeln
des Werkes”, die allgemeinen, für entgeltliche Verträge geltenden
Bestimmungen der §§ 922-933b ABGB für anwendbar → KAPITEL 7: Gewährleistung
als ¿Schlecht-Erfüllung¿.
Damit wurde die (wohl zu Recht) von den kaufvertraglichen Gewährleistungsregeln
der §§ 922 ff ABGB abweichende werkvertragliche Gewährleistungsregel beseitigt,
was keine Verbesserung bedeutet. Stellen die §§ 922 ff nF schon
einen Kniefall vor der Wirtschaft und ihren Interessen dar, bildet
die erwähnte Gleichschaltung des Werkvertragsrechts ein sachliches
Ärgernis. | |
Die bisher sowohl tatbestandlich wie
rechtsfolgenmäßg flexiblere Lösung des § 1167 ABGBaF entsprach den Besonderheiten
dieses Vertragstypus in höherem Maße, als die nivellierende
neue Regelung. | Flexiblere Lösung des
§ 1167 ABGB aF |
Zu bedenken gilt es nämlich für die Gewährleistung
beim Werkvertrag nach wie vor, dass dieser Vertragstypus anfällig
ist für Gewährleistungsprobleme, zumal das häufige Erbringen
eines nach individuellen Gesichtspunkten zu erstellenden Werks immer
wieder Abweichungen vom Gewünschten und Vereinbarten mit sich bringt. (Beim
Kauf ist das anders!) – Dazu kommt, dass im Anwendungsbereich des
§ 1167 ABGB häufig auch für Mängel an unkörperlichen Werken (zB
eine künstlerische Aufführung, eine Beförderungsleistung oder ein
Gutachten) einzustehen ist, für welche die Rechtsfolgen der §§ 922
ff ABGB zu schwerfällig sind; vgl im übrigen die Vorauflage (2000). | |
§ 1167 ABGB aF: „Bei Mängeln des Werkes kommen die für entgeltliche
Verträge überhaupt geltenden Bestimmungen (§§ 922 bis 933b) zur
Anwendung.” | |
|
SZ 69/II 218 (1996): Nicht ordnungsgemäß
ausgeführter Werbedruckauftrag für einen Tischaufstellkalender,
der als Werbegeschenk geplant war: Der Text war nicht richtig positioniert,
der Druck entsprach nicht dem vorher übermittelten Bürstenabzug
und die Druckfarbe war bestellungswidrig hellgrau statt schwarz.
– Es geht um die Frage: Wandlung oder bloß Preisminderung. Kläger
war das Druckunternehmen, Beklagter der Besteller. Der OGH wies
im Gegensatz zu den Unterinstanzen die Klage insgesamt ab, hielt
also die Wandlung für berechtigt, was zu begrüßen ist. | |
|
Beim
Werkvertrag ist für den Erfolg auch dann (!) einzustehen, wenn die
Leistung / Ausführung zwar nach den anerkannten Regeln der
Technik erbracht wurde, sie sich aber dennoch als mangelhaft
erweist, weil sie nicht den vereinbarten Erfolg erbringt. – Auch
Gewährleistungsansprüche bestehen verschuldensunabhängig. | Anerkannte Regeln
der Technik |
|
WBl 1989, 307 (Einbau von
Aluminiumfenstern) uH auf die dtRspr und Lehre: Bei der
Anwendung neuer Methoden und bei der Verwendung neuer Werkstoffe
hat das damit verbundene Risiko des Fehlschlagens der Unternehmer
zu tragen, es sei denn, der Besteller hätte eingewilligt; aber auch
diese Einwilligung entlastet den Unternehmer nicht, wenn der Besteller
zuvor nicht erschöpfend über diese Risken aufgeklärt worden ist;
vgl Soergel, Kommentar zum BGB Rz 36 zu § 633. | |
|
Die Rügepflicht des
§ 377 HGB ( → KAPITEL 7: Kaufmännische
Rügepflicht) gilt auch für Werkverträge, wenn der Unternehmer
den Stoff beistellt, also ein sog Werklieferungsvertrag iSd § 381
Abs 2 HGB vorliegt. | Rügepflicht |
§ 381 Abs 2 HGB: „[Die in diesem
Abschnitt für den Kauf von Waren getroffenen Vorschriften] ... finden
auch Anwendung, wenn aus einem von dem Unternehmer zu beschaffenden
Stoffe eine nicht vertretbare bewegliche Sache herzustellen ist.” | |
Die Fristen des
§ 933 ABGB laufen ab Über- oder Abnahme des erstellten Werks. In
der Praxis kommt es häufig zu vertraglicher Fristverlängerung durch
Garantievereinbarungen; Herstellergarantie. | |
| Abbildung 12.25: GWL-Vergleich: Kauf- und WerkV |
|
| |
Der Unternehmer haftet nach allgemeinen (Gewährleistungs)Grundsätzen
für den von ihm verschuldeten Schaden; §§ 933a und b ABGB. Er haftet
dabei insbesondere auch für: | |
die Verletzung
der Warnpflicht nach § 1168a Satz 3 ABGB bei offenbarer
Untauglichkeit des beigestellten Stoffs oder bei offenbar unrichtiger
Anweisung des Bestellers und für allfällige Subunternehmer als
Erfüllungsgehilfen. | Verletzung
der
Warnpflicht: § 1168a |
Besonders zu beachten ist die Warnpflicht des Unternehmers gegenüber
dem Werkbesteller;
§ 1168a ABGB. Sie gilt auch bei offenbar unrichtiger Anweisung des
Bestellers und bei offenbarer Untauglichkeit des Stoffs. Vom Unternehmer
wird (größere) Sachkunde erwartet. – Die Warnpflicht gilt auch gegenüber
(scheinbar) sachkundigen Bestellern, zB einem Architekten. | |
|
Eine typische
Warnpflicht nach § 1168a ABGB trifft den Betreiber einer Reifenfachwerkstätte,
wenn die vom Besteller beigestellten und über dessen Auftrag am
Fahrzeug zu montierenden Reifen ungeeignet sind; vgl SZ 45/75 = JBl 1973, 207 = ZVR 1973/153. | |
|
|
JBl 1978, 208 (Verletzung der Warnpflicht
nach § 1168a ABGB): Reinigung eines Wildlederkostüms durch
einen Subunternehmer: Der Werkunternehmer haftet bei Verletzung
seiner Warnpflicht auch dann, wenn das Kostüm trotz fachgemäßer
Reinigung ausfärbt und eingeht. Vgl damit die Verletzung der ärztlichen
Aufklärungspflicht → KAPITEL 10: Zur
ärztlichen Aufklärungspflicht:
§ 1299 ABGB. | |
|
|
SZ
1/79 (1919): Zu färbender Stoff wird von
einem Bediensteten des Subunternehmers gestohlen. Der Werkunternehmer
haftet dem geschädigten Besteller als Generalunternehmer vertraglich
auch für das Verschulden seiner Subunternehmer und
allenfalls deren Gehilfen entdeckt. | |
|
|
OGH 29. 6. 2000, 8 Ob 97/00y, EvBl 2001/13:
Werkunternehmer stellt für Hotel Einrichtungsgegenstände her, die
zwar gemäß den Anweisungen des Werkbestellers hergestellt werden,
aber doch den Anforderungen des Hotelbetriebs nicht gewachsen sind;
zB Kratzspuren im Holzmosaikfußboden durch zu schwache
Versiegelung. Werkunternehmer warnt Besteller nicht, obwohl er weiß,
dass die Anweisungen des Bestellers nicht sachgerecht sind. – OGH:
Ein Verbesserungsanspruch habe keine Grundlage im Werkvertrag selber
(?) – OGH schlägt daher (verfehlten) Weg über § 872 ABGB vor. (Zu
enges Verständnis der Warnpflicht.) | |
|
|
OGH 17. 8. 2001, 1 Ob 170/01h:
Zum Verkauf bestimmtes Auto wird zur Reparatur eines bestimmten Mangels
an eine Werkstatt (Werkunternehmer) übergeben; die noch einen andern
Fehler entdeckt, diesen aber nur unsachgemäß beseitigt und den Werkbesteller
auch nicht darauf hinweist. Die zwischen Käufer und Verkäufer vereinbarte Überprüfungsklausel lautete:
Das Auto sei „so zu reparieren, dass alles wieder in Ordnung” sei,
was auch bislang unbekannte Fehler umfasste. Nach zwei Monaten/4000
km führt das unsachgemäße Beheben des zweiten Mangels zu einem Schaden,
der doppelt so hoch ist, wie eine fachgemäße Reparatur gekostet
hätte. – OGH lässt Werkunternehmer wegen Verletzung der Warnpflicht
(§ 1168a ABGB) haften. | |
|
Zu den Begriffen General-, Sub-, Total-
und Hauptunternehmer: Gehen wir von einem Beispiel aus:
A ist Häuslbauer und kann als Bauherr mit den einzelnen Handwerkern
(Baumeister, Elektriker, Installateur etc) Einzelwerkverträge schließen.
Er muss sich in diesem Fall um die Handwerkertermine, eine qualitätsvolle
Bauausführung und Bauüberwachung selber kümmern. – Will er das nicht,
gibt es rechtliche Möglichkeiten, es sich einfacher zu machen. Er
bestellt einen Generalunternehmer, der alle diese
Arbeiten für ihn erledigen soll. Dieser Generalunternehmer kann zB
Baumeister oder Architekt sein. Praktisch wichtig ist es, den Aufgabenbereich
des Generalunternehmers vertraglich klar festzustellen, denn ein
Generalunternehmer übernimmt die vollständige Herstellung des Werkes
nach Plan. Er hat das vollständige Werk fehlerfrei zu übergeben. –
Von Totalunternehmer wird oft dann gesprochen,
wenn jemand zu den typischen Aufgaben des Generalunternehmers noch
weitere Aufgaben, nämlich zB die Grundstücksbeschaffung, Finanzierung
und Planung übernimmt. General- oder Totalunternehmer erbringen
die vereinbarten Leistungen entweder selber oder bedienen sich (im
eigenen Namen und auf eigene Rechnung) anderer Unternehmer, sog Subunternehmer.
– Vergibt ein General- oder Totalunternehmer die nötigen „Subaufträge”
nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, sondern im Namen
und auf Rechnung des Bauherrn / Kunden, spricht man oft bloß von Hauptunternehmer.
– Die Unterschiede der einzelnen Unternehmertypen zeigen
sich etwa bei auftretenden Mängeln. Wurde ein General- oder Totalunternehmer
bestellt, ist dieser für alles verantwortlich. Hat man dagegen selber die
Werkaufträge vergeben oder sich bloß eines Hauptunternehmers bedient,
muss bei Vorliegen von Mängeln (zB einer Fehlkonstruktion des Daches)
geklärt werden, wer dafür verantwortlich ist (Planer, Baumeister
oder Dachdecker etc?) Das kann schwierig sein, lange dauern und
hohe (Sachverständigen)Kosten verursachen. | General-, Sub-,
Total- und Hauptunternehmer |
|
OGH 16. 1. 2001, 4 Ob 323/00d, EvBl 2001/110:
Eine Miteigentümerin, die im Haus ein Geschäft betreibt, wird von
der (Miteigentümer)Gemeinschaft bevollmächtigt, eine Portalrenovierung durchführen
zu lassen. Sie erteilt darauf Vollmacht an einen Bauunternehmer
zur Durchführung der geplanten Arbeiten. Dieser (General)Bauunternehmer legt
aber den ausführenden Subunternehmern gegenüber
seine Bevollmächtigtenstellung nicht offen, holt dies aber nach,
als ihm von diesen (ausführenden Subunternehmern) deren Arbeiten
in Rechnung gestellt werden. – OGH lässt das (wie bisher) ausreichen
und betrachtet die Verträge des als Generalunternehmer tätigen Bauunternehmers
als mit dem Machtgeber (= Miteigentümergemeinschaft) zustandegekommen.
(Klägerin war eine als Subunternehmerin herangezogene Tischlerei,
Beklagte die von der Miteigentümergemeinschaft bevollmächtigte Geschäftsinhaberin. Praktische
Lehre: Passiv klagslegitimiert war die Gemeinschaft, nicht die bevollmächtigte
Miteigentümerin! Es wurde demnach falsch eingeklagt!) | |
|
4. Zur
(häufigen) Pauschalpreisvereinbarung | |
|
EvBl 1987/176: § 1170 ABGB – Wäschereinigung:
Der vereinbarte Pauschalpreis ist verbindlich, auch wenn sich herausstellt,
dass die übernommenen Arbeiten die veranschlagten Mengen erheblich
(hier: um 33 %) über- oder unterschreiten ....Kläger = Wäscherei
/ Werkunternehmer Beklagter = Kurbetriebsgesellschaft / Werkbesteller.
Eine Vertragsanpassung gemäß § 1118 ABGB setzt die Unzumutbarkeit
der Zuhaltung des Vertrages voraus, welche nur bejaht werden kann,
wenn das Festhalten am Vertrag mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin
unvereinbare Folgen hätte .... Mit Vertrag vom 8.1.1976 übernahm der
Kläger die Reinigung der „gesamten in den derzeitigen Betrieben
der Auftraggeberin (Beklagten) anfallenden Wäsche um den hiemit
vereinbarten jährlichen Pauschalbetrag von 550.000 S” wobei die
Vertragsdauer mit 10 Jahren ... festgesetzt wurde. Der Klägerstellte
das Begehren auf Feststellung, der zwischen ihm und der beklagten
Kurbetriebsgesellschaft 1976 geschlossene Werkvertrag sei mit sofortiger Wirkung
aufgelöst bzw aufgehoben; hilfsweise beantragte er a) die Feststellung,
der vorgenannte Werkvertrag sei auf Grund seiner Aufhebungserklärung
aufgehoben; b) die Verurteilung der beklagten Partei, ihm an Stelle
des bisher im genannten Werkvertrag vereinbarten jährlichen Pauschalbetrages
von 555.000 S einen solchen von 800.000 S zu zahlen. | |
|
| |
| |
| |
5. Gefahrtragung
beim Werkvertrag | |
Der
Werkvertrag kennt eigene Regeln, was bei Vereitelung der
Ausführung
des Werks
zu
gelten hat: Sie finden sich in den §§ 1168 und 1168a ABGB. | |
Was meint
„Gefahr”? – Der Gefahrbegriff stellt die Frage danach,
wer den wirtschaftlichen Nachteil zu tragen hat, wenn (zwischen
Vertragsschluss und Fertigstellung/Übergabe des Werks) durch Zufall
entweder: | |
• die Ausführung des
Werks unterbleibt oder | |
• das bereits hergestellte Werk (vor
Abnahme / Übergabe) untergeht. | |
Zu erinnern ist an die Gefahrtragungsregeln
bei Kauf und Tausch; § 1064 iVm §§ 1048 ff ABGB. | |
Zur „Sphärentheorie”
des § 1168 ABGB Vereitelung der Ausführung: | |
•
Liegen die Umstände
der Vereitelung der Ausführung, in der
Sphäre
des Bestellers, trägt der Besteller die Preisgefahr, dh
er muss zahlen. Der Unternehmer behält, wenn er leistungsbereit
ist, seinen Werklohnanspruch; § 1168 Abs 1 ABGB. Allerdings kommt
es zur Vorteilsanrechnung des Ersparten oder des durch anderweitige
Verwendung Erworbenen oder des zu erwerben absichtlich Versäumten;
zB Portraitierter stirbt. | |
| |
•
Liegen dagegen
die Umstände die zur Vereitelung der Ausführung führen, in
der
Sphäre des Unternehmers, verliert
dieser seinen Entgeltanspruch; zB Schlechtwetter vereitelt eine
von diesem organisierte (Musik)Veranstaltung. | |
• Liegen die Umstände außerhalb der Sphären
beider Vertragspartner verliert der Unternehmer ebenfalls
seinen Entgeltanspruch, weshalb es häufig zu vertraglicher Modifikation
kommt; zB Film- oder Konzertaufführung wird behördlich untersagt.
Die Karte gilt dann weiter. | |
•
Bis zur Übergabe / Übernahme
des Werks trägt der Unternehmer die Gefahr. Bei Annahmeverzug (→ KAPITEL 7: Gläubiger-
oder Annahmeverzug)
geht die Gefahr auf den Besteller über. | Gefahrtragung
für das fertiggestellte Werk |
• Derjenige, der den Stoff beistellt, trägt im
Fall des Untergangs oder der Beschädigung des Werks die Gefahr für
den Stoff. Bei sich herausstellender Untauglichkeit des Stoffs aber
auch die Gefahr für das gesamte Werk. | |
| Abbildung 12.26: Sphärentheorie (1) |
|
| Abbildung 12.27: Sphärentheorie (2) |
|
| Abbildung 12.28: Sphärentheorie (3) |
|
| Abbildung 12.29: Gefahrtragung beim Werkvertrag |
|
| |
| |
Den (Werk)Besteller
trifft neben unabdingbaren Fürsorgepflichten –
§ 1169 iVm § 1157 ABGB – die Pflicht, das bedungene oder, wenn nichts
vereinbart wurde, ein angemessenes Entgelt zu leisten.
Es ist im Zweifel im nachhinein fällig (§ 1170 Satz 1 ABGB), doch
besteht eine gesetzliche Vorschusspflicht insofern,
als der jeweilige Teil des Werklohns nach dessen korrekter Erfüllung zu
entrichten ist, wenn das Werk in Abteilungen verrichtet wird oder
Auslagen damit verbunden sind. Eine darüber hinaus gehende Vorschusspflicht
müsste vereinbart werden. | |
Vgl die typische Entgeltvereinbarung / Verkehrssitte
bei der Errichtung von Gebäuden: zB 1/3 bei Baubeginn / Ausheben
der Baugrube, 1/3 nach Fertigstellen des Rohbaus, 1/3 bei Abnahme;
§ 1170 Satz 2 ABGB. – Zu anderen Formen der Vorschusspflicht und
überhaupt des Vorschusses → Der
Entgeltvorschuss
| |
Der Besteller hat das Entgelt (Werklohn)
zu entrichten; nach § 1152 ABGB bedungenes oder angemessenes Entgelt.
Unentgeltlichkeit ist nur bei ausdrücklicher Vereinbarung anzunehmen.
Nach der Rspr wird der Werklohn mit Übermittlung
der Rechnung fällig, wenn eine detaillierte Berechnung
erst nach Vollendung des Werks möglich ist. – Zu beachten ist nunmehr
auch der neue § 1333 ABGB → KAPITEL 7: Weitere
Rechtsfolgen des objektiven Schuldnerverzugs. | |
|
EvBl 2000/103: Teilzahlungen auf
den Werklohn vor Fertigstellung des Werks, die
nicht bestimmte Teilleistungen abgelten, sind als Vorschüsse zu
qualifizieren. Vorschüsse sind Vorauszahlungen
eines noch nicht fälligen Entgelts; sie können bereits erbrachte
Leistungen vor Fälligkeit der entsprechenden Forderungen vorweg
entgelten oder auf noch nicht Geleistetes entfallen. Nach dem allgemeinen
Sprachgebrauch ist ein Vorschuss ein Geldbetrag, der jemandem vorausgezahlt
wird, obwohl er sonst erst später Anspruch auf die Leistung des
Geldbetrags hätte. | |
|
Ein (teilweises) Zurückbehalten
des Werklohns, Zug um Zug (§ 1052 ABGB) gegen die Beseitigung
von Mängeln, wird für zulässig erachtet; Verhältnismäßigkeit ist
aber zu beachten. – Dem Unternehmer steht die Einrede des
nicht erfüllten Vertrags und ein Zurückbehaltungsrecht nach
§ 471 ABGB ( → KAPITEL 15: Das
Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB) am beigestellten Material zu; er hat aber
kein gesetzliches Pfandrecht. | Zurückbehalten
des Werklohns |
Unterbleibt die zur Ausführung des Werks
erforderliche Mitwirkung des Bestellers – zB er
sitzt dem Maler nicht Modell oder erscheint nicht zum Phototermin,
kann der Unternehmer unter angemessener Nachfristsetzung unbeschadet
seiner Ansprüche zurücktreten; § 1168 Abs 2 ABGB. | Mitwirkung
des Bestellers |
Das gilt etwa auch für Massagetermine und
andere als Werkvertrag zu qualifizierende therapeutische Behandlungen. | |
| Abbildung 12.30: Bestellerpflichten (1) |
|
| Abbildung 12.31: Bestellerpflichten (2) |
|
| Abbildung 12.32: Bestellerpflichten (3) |
|
| |
| |
Umgekehrt liegt Gläubigerverzug vor, wenn
der Besteller einer (Spezial)Massage den Behandlungstermin vergisst. Kann
der Masseur den Termin nicht mehr anderweitig vergeben, was in einem
derartigen Fall anzunehmen ist, bleibt der Werklohnanspruch (voll)
aufrecht und eine Vorteilsanrechnung findet nicht statt. – Vgl auch
§ 50 Abs 3 ÄrzteG 1998. | |
| |
Der
werkvertragliche Entgeltanspruch verjährt nach § 1486 Z 1 ABGB in
3 Jahren. | |
4. Werkvertrag:
Ziel- oder Dauerschuldverhältnis | |
Zum Unterschied vom Arbeitsvertrag ist der Werkvertrag
idR ein Vertrag auf Ziel (Zielschuldverhältnis),
der mit Vollendung und Abnahme des Werks endet. Nach allgemeinen
Grundsätzen kann er daher jederzeit einvernehmlich aufgehoben werden,
eine Kündigung ist aber (wie bei anderen Zielschuldverhältnissen
auch) nicht vorgesehen. | |
Werkverträge kommen aber auch als Dauerschuldverhältnisse vor.
Sie folgen dann deren Regeln und enden durch Zeitablauf oder Kündigung. | |
| |
Zu erinnern ist daran, dass die lange Dauer
einer Werkherstellung allein, dem Vertrag noch nicht den Charakter
des Zielschuldverhältnisses nimmt; zB Großbauprojekt über 3 Jahre. | |
5. Beendigung
des Werkvertrags | |
Welche Rolle spielt der Tod für die Beendigung
des Werkvertrags? | |
Durch den Tod des (Werk)Bestellers endet
der Werkvertrag nicht. Bezieht sich das Werk direkt auf seine Person,
greift aber § 1168 ABGB. – Allein auch hier ist zu differenzieren;
so kann das angefangene Porträt vielleicht noch vollendet werden. | Tod
des Bestellers |
Durch den Tod
des (Werk)Unternehmers endet der Werkvertrag nur, wenn
es sich um höchstpersönliche Arbeiten handelt; zB künstlerische
Leistungen. Nicht, wenn der Kraftfahrzeugwerkstätteninhaber, bei
dem sie das Auto in Reparatur haben, stirbt. | Tod des Unternehmers |
| Abbildung 12.33: Beendigung des Werkvertrags |
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Kostenvoranschläge
spielen in der Praxis eine wichtige Rolle; einerseits bei den vielfältigen
Reparaturverträgen (sei es von beweglichen oder unbeweglichen Sachen;
etwa um die Kosten einer Kellertrockenlegung zu schätzen), aber
auch zB bei Neuanfertigungen, sei es der Anbau eines Hauses, das
Anfertigen einer Zahnprothese oder der Austausch von Zahnamalgamfüllungen
gegen körperverträgliches Material. | Reparaturverträge |
Häufig
sind im Zusammenhang mit Fragen des Kostenvoranschlags die Regeln
für Offertstellungen zu beachten, zumal Kostenvoranschlag
und Offerte oft identisch sind! – Dem „reinen” Kostenvoranschlag
fehlt aber das zweite Kriterium einer gültigen Offerte: der endgültige
Bindungswille → KAPITEL 5: Voraussetzungen
einer gültigen Offerte. Durch Auslegung ist festzustellen, was
gewollt war. | Regeln für Offertstellungen |
| |
§ 1170a ABGB regelt
den praktisch wichtigen Kostenvoranschlag. Die Bestimmung besitzt
über den Werkvertrag hinaus Bedeutung. – Das Gesetz unterscheidet
zwischen: | |
•
Kostenvoranschlägen mit
Gewähr und | |
•
Kostenvoranschlägen ohne Gewähr. | |
Beim Kostenvoranschlag mit Gewähr kann auch bei unvorhergesehener
Kostspieligkeit der veranschlagten Arbeiten keine Erhöhung des Entgelts
verlangt werden! | Kostenvoranschlag
mit Gewähr |
Im Zweifel gilt nach
ABGB ein erstellter Kostenvoranschlag als solcher ohne
Gewähr; Entgeltlichkeitsvermutung. – Nach §
5 Abs 2 KSchG gilt im Zweifel das Umgekehrte: Es ist ohne
abweichende Vereinbarung ein Kostenvoranschlag mit Gewähr
anzunehmen. | Unterschiede:
ABGB und KSchG |
Auch beim Kostenvoranschlag ohne Gewähr besteht
aber (nach dem Gesetz) bei beträchtlicher Kostenüberschreitung eine Anzeigepflicht
des Unternehmers; andernfalls hat er keinen Anspruch auf
die Mehrkosten! Der Besteller hat in diesem Fall ein Wahlrecht;
§ 1170a ABGB. Entweder übernimmt er die Mehrkosten oder er kann
vom Vertrag zurücktreten, muss dann aber die bisher geleistete Arbeit
des Unternehmers vergüten. – Wurde ein „ Pauschale”
vereinbart trägt der Unternehmer die Gefahr des Mehraufwands. Zur
Pauschalpreisvereinbarung → Zur
(häufigen) Pauschalpreisvereinbarung
| Kostenvoranschlag
ohne Gewähr |
Der OGH kennt
neben den beiden (Haupt)Formen des Kostenvoranschlags noch einen
sog Schätzungsanschlag, der weder auf den Werkvertrag
(sondern etwa auch bei Aufträgen herangezogen wird), noch auf die
Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen des § 1170a ABGB beschränkt ist:
offene (Gesetzes)Analogie; vgl das folgende Urteil. | Sog Schätzungsanschlag |
|
OGH 21. 5. 2001, 10 Ob 82/00g, JBl 2002, 108:
Rechtsanwalt wird mit Durchführung einer Auslandsreise (Südafrika)
zur Klärung von Erbschaftsangelegenheiten (Auftrag) betraut. Als
voraussichtliche Kosten nannte der Anwalt auf Anfrage ca 200.000
S, womit die Mandantin einverstanden war. Tatsächlich verlangte
der Rechtsanwalt dann aber über 450.000 S und klagte diesen Betrag
auch ein. – OGH kennt für den Bereich des Werkvertrags neben den
beiden Varianten des Kostenvoranschlags in § 1170 a ABGB auch
einen Schätzungsanschlag, der eine bloß überschlagsmäßige,
beiläufige und nicht ohne weiteres verbindliche Kosteneinschätzung
darstellt; vgl SZ 55/83. Diesen Schätzungsanschlag wendet der OGH analog
auf die vorliegende Auftragsbeziehung an. Die Rechtsfolgen des Schätzungsanschlags
stimmen in concreto mit § 1170 a ABGB überein, müssen dies aber
nicht in jedem Fall. | |
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Für
Verbrauchergeschäfte zu beachten ist – daran sei nochmals erinnert
– § 5 KSchG, der die bürgerlichrechtliche Regelung aus Gründen des
Verbraucherschutzes umkehrt: Kostenvoranschläge für Verbraucher
sind danach im Zweifel sowohl unentgeltlich, als
auch verbindlich. – Entgeltlichkeit und Unverbindlichkeit
müssten daher vereinbart werden. | |
| Abbildung 12.34: Kostenvoranschlag |
|
VI. Verwandte Vertragstypen | |
Die Vertragsfreiheit macht den Werkvertrag zu
einem sehr lebendigen – immer neue Formen entwickelnden – Typus.
Neue wirtschaftliche „Dienstleistungen“ werden häufig in der Rechtsform Werkvertrag
erbracht. Als Werkverträge iwS – dh dem Werkvertrag als Typus mehr
oder weniger nahestehend (vgl auch die Marginalrubrik vor den §§
631 ff dtBGB: „Werkvertrag und ähnliche Verträge”) sind bspw zu
nennen: | |
•
Beförderungsverträge:
zB Taxi oder Paketbeförderung; | Wichtige
neue Verträge unterstehen dem Werkvertragsrecht |
•
Reiseverträge:
Werkvertrag + Geschäftsbesorgung → Der
(Pauschal)Reiseveranstaltungsvertrag
| |
•
Speditionsverträge: §§ 407
ff HGB | |
•
Frachtverträge:
§§ 425 ff HGB | |
•
Verlagsverträge:
§§ 1172 f ABGB | |
•
der Architektenvertrag (ZiviltechnikerG
1994): Die bloße Herstellung von Bauplänen ist schlichter Werkvertrag; kommt
dazu aber – wie häufig – noch die Leitung und Überwachung der Bauausführung,
also insbesondere Geschäftsbesorgung hinzu (Vertragsschlüsse mit
Professionisten oder Materialeinkauf etc) liegt ein Architektenvertrag
(als Mischvertrag) vor; vgl § 1151 Abs 2 ABGB: das ist zusätzlich
Auftrag mit oder ohne Bevollmächtigung. Zu den Mischverträgen allgemein → KAPITEL 5: Gemischte
und atypische Verträge. | |
•
der Kinder(garten)aufnahmevertrag und
überhaupt Heimverträge aller Art (insbesondere
auch Alten- und Pflegeheimverträge) als gesetzlich nicht geregelte
(Misch)Typen. | |
| |
•
Heirats-
oder Partnervermittlungsverträge: vgl SZ 54/173
(1981); | |
•
Beratungsverträge verschiedenster
Art; Beispiel: Anlageberatungen von Bankkunden (sind Werkverträge
für Bankdienstleistungen); vgl für Deutschland: BGH NJW 1987, 1816
oder BGH NJW 1993, 3073 (3075). – Der Consulting- oder Unternehmensberatungsvertrag ist
je nach Ausgestaltung im Einzelfall entweder als (freier) Dienstvertrag
(insbesondere bei begleitender Dauerberatung), Werkvertrag (insbesondere
bei Projektberatung) oder Mischvertrag mit beiden Typelementen anzusehen.
Der OGH stellt in JBl 2000, 441 darauf ab, dass nach Bestimmung
des Leistungsinhalts im Einzelfall zu prüfen sei, ob dadurch Sorgfalts-
oder Erfolgsverbindlichkeiten begründet werden. Auftragselemente
enthält der echte Beratungsvertrag nur ausnahmsweise und nur bei
besonderer Vereinbarung: Management Consulting, zB Vertrag mit Steuerberater,
Architektenvertrag, JBl 1967, 376. | |
•
Veranstaltungsverträge im Kunstsektor (Musik,
Schauspiel; zB Vertrag zwischen dem Brindisi String Quartett und
dem Musikveranstalter Galerie St. Barbara / Hall in Tirol); | |
•
der Fernlehrkursvertrag;
dazu JBl 1987, 521 → KAPITEL 5: Allgemeines (Willensmängel); | |
•
der (private) Arbeitsvermittlungsvertrag;
möglich seit 1.7.1994; | |
•
der Bestattungsvertrag; Feuer-
oder Erdbestattung; | |
•
der Softwarevertrag; | |
• Inwieweit auf Massage- und therapeutische
Behandlungsverträge die Werkvertragsregeln oder die freien Dienstverträge
zur Anwendung gelangen, muss (wie bei Ärzten) im Einzelfall entschieden
werden. In nicht wenigen Fällen wird aber eine werkvertragliche
Beziehung anzunehmen sein. – Das gilt sowohl für die sog klassische
Körpermassage wie Spezialmassagen, etwa die Akupunktmassage. | |
VII. Der
(Pauschal)Reiseveranstaltungsvertrag | |
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Mit
BGBl 1993/247 wurden in das KSchG fünf neue Paragraphen unter der
Marginalrubrik „Reiseveranstaltungsvertrag” eingefügt. Dazu kommt,
dass seit 1.1.1995 in Österreich die EU-RL über Pauschalreisen gilt.
– Mit dem Reiseveranstaltungsvertrag hat eine besondere werkvertragliche Dienstleistung
ihre gesetzliche Regelung erfahren. – Für Deutschland vgl die §§
651a–651m dtBGB. | |
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•
§ 31b
KSchG gibt Begriffsbestimmungen: Was ist eine Reiseveranstaltung?
Wer ist Veranstalter, wer Reisender? | |
•
§ 31c KSchG regelt den wichtigen Preisänderungsvorbehalt;
kurz: keine Preisänderung ab dem 20. Tag vor dem vereinbarten Abreisetermin. | |
•
§ 31c Abs
3 KSchG kennt ein Vertragsüberbürdungsrecht des
Reisenden, der am Reiseantritt verhindert ist, auf eine „andere
Person”! Zur Vertragsübernahme → KAPITEL 14: Die
Vertragsübernahme. | |
•
§ 31d KSchG: Rücktritt vom Vertragdurch
Reisende oder Storno der Reiseveranstaltung durch
den Veranstalter. – Zur Deutung der Stornovereinbarung als Reugeld → KAPITEL 15: Reugeld:
§§ 909 ff ABGB und § 7 KSchG. | |
•
§ 31e KSchG: Behandlung von Leistungsstörungen
nach der Abreise. | |
•
§
31f KSchG: Anordnung, dass die §§ 31a–e zwingendes Recht enthalten. | |
2. Reisevermittler
und Reiseveranstalter | |
Festzuhalten
ist, dass ein Reisebüro dann strenger haftet, wenn
es nicht nur als Reisevermittler, sondern selbst
als Reiseveranstalter auftritt. – Der Reisveranstalter
unterliegt aber der normalen Verschuldenshaftung und nicht der Gastwirtehaftung;
vgl das folgende Urteil. | |
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OGH 17. 10. 2001, 7 Ob 237/01f, EvBl 2002/50:
Geschäftsführer einer GmbH bucht berufsbedingt eine Pauschalflugreise für
3 Tage nach London. Aus dem Hotelzimmer werden
von einem Einsteigdieb (Fenster) der GmbH gehörende
wertvolle technische Geräte gestohlen, nämlich Videokamera und Notebook.
GmbH klagt Reiseveranstalter auf Schadenersatz. – OGH: Die Gastwirtehaftung für
die Gefahr des offenen Hauses ist auf Reiseveranstalter weder unmittelbar
noch analog anzuwenden, weil dieser keine Fremden beherbergt oder
die Beherbergung im Reisevertrag doch in den Hintergrund tritt.
Der Reiseveranstalter unterliegt der normalen vertraglichen Verschuldenshaftung.
Ein Reiseveranstalter haftet aus dem Reiseveranstaltungsvertrag aber
auch insoweit (Nebenpflicht), als dieser Obhutspflichten für Sachen
des Vertragspartners umfasst; hat dabei gemäß § 1313a ABGB für ein
allfälliges Verschulden des Hotelbetreibers als seines Erfüllungsgehilfen
einzustehen, was hier angenommen wird. OGH verneint zurecht ein
Mitverschulden des Hotelgastes, der die ständig gebrauchten Geräte
nicht in den Hotelsafe gab. | |
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•
Vertragsänderung
vor Abreise (durch das Reisebüro): Akzeptiert der Reisende
diese (zB Preis- oder sonstige Änderungen) nicht, steht ihm ein
Rücktrittsrecht (ohne Entrichtung einer Stornogebühr) zu; | |
•
Rücktritt und Storno:
Tritt ein Reisender berechtigt vom Vertrag zurück oder storniert
ein Reiseveranstalter die Reise selbst ohne Verschulden des Reisenden,
so kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen anstelle der Rückerstattung
all seiner geleisteten Zahlungen auch Vertragserfüllung durch Teilnahme
an einer gleichwertigen anderen Reiseveranstaltung verlangen. | |
• Daneben kann ein Reisender auch Schadenersatz
wegen Nichterfüllung des Vertrags geltend machen; | |
•
Ansprüche
von Reisenden bei mangelhafter Leistung des Reiseveranstalters:
Hier bestehen grundsätzlich Gewährleistungsansprüche. – Zum Ersatz
immateriellen Schadens bei entgangener Urlaubsfreude → KAPITEL 9: Schadensbegriff,
Schadensarten, Schadensfeststellung (Schadensbegriff)
Reisende treffen dabei aber gewisse Obliegenheiten:
So sind aufgetretene Mängel unverzüglich anzuzeigen. | |
| |
•
Reisebuchungen werden immer häufiger über das Internet vorgenommen;
sog Online-Buchung. Die Kundschaft gibt die Kreditkartennummer
an, die vom Unternehmer auf Gültigkeit und Kontodeckung überprüft
wird. Zu zahlen ist das Ticket bei Abholung am Schalter. – Zum Online-Vertragsschluss → KAPITEL 2: Internet und Recht.
Mit Internetbuchungen umgehen Fluglinien die Reisebüros, die für
den Verkauf von Flugtickets Provision erhalten. | |
VIII. Entscheidungen
zum Werkvertrag | |
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GlUNF 5437 (1911): Werkvertrag–
Anbringung von Goldbrücken durch einen Zahnarzt
im Gebiss eines Patienten: Berechtigung des letzteren zum Abgehen
vom Vertrag wegen behebbarer, die Gebrauchsfähigkeit der Brücken
aber beeinträchtigender Mängel. | |
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SZ 49/60 (1976): Der Besteller
kann gemäß § 1167 ABGB bei wesentlichen, wenn nur nicht leicht behebbaren
Mängeln stets Wandlung begehren; hier ging es um die Erstellung
von (Um)Bauplänen eines Gebäudes, das zuletzt ein Kaffeehaus
war, in eine Apotheke und Drogerie. Die Pläne waren unbrauchbar und
zur Einreichung bei der Baubehörde ungeeignet. Kläger = Werkunternehmer.
Beklagter = Werkbesteller | |
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WBl
1989, 307: Gewährleistung trotz Einhaltung
der allgemein anerkannten Regeln der Technik bei der Werkherstellung –
Vorgabe der Ausführungsart durch den Besteller. Kläger = Werkbesteller; Beklagter
= Werkunternehmer. | |
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OGH
22.2.1983, 5 Ob 510/83 (OLG Linz 29.10.1982,
3 R 154/82; KG Wels 17.5.1982, 2 Cg 128/78): §§ 1167 und 1168a ABGB:
Der Unternehmer ist auch gewährleistungspflichtig, wenn er das Werk
nach dem Stande der Technik hergestellt hat und
doch ein Mangel vorliegt. Hat der Besteller das Werk in einer genau
bestimmten Ausführung in Auftrag gegeben und führte gerade diese
Ausführung zu einem Mangel der Gebrauchstauglichkeit, so ist der
Unternehmer nur gewährleistungspflichtig, wenn er den Besteller hätte
warnen müssen. | |
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OGH 22.3.2001, 4 Ob 47/01t, JBl 2002/796 = EvBl 2001/156:
Betreiber eines Sportartikelgeschäfts führt Lokalumbau durch.
Werkunternehmer erstellt mangelhafte Dachkonstruktion;
niedrigere Brandwiderstandsklasse als behördlich vorgeschrieben.
Werkbesteller wählt idF teuerste Variante (Einzug einer Betonzwischendecke)
und klagt auf Kostenersatz. – OGH: Besteller kann von einem mangelhaft
erfüllenden Werkunternehmer die Mangelhehebungskosten nur
ersetzt verlangen, wenn er den Schaden beheben lassen will; andernfalls
besteht sein Schaden in der objektiven Wertminderung. Besteller
kann den Verbesserungsaufwand aber auch dann ersetzt verlangen,
wenn er den Mangel nicht dadurch behebt, dass er den vertragsgemäßen
Zustand herstellt, sondern eine überlegene Lösung wählt. Sein (Ersatz)Anspruch
ist aber mit den für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands
notwendigen Verbesserungskosten begrenzt. | |
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I. Begriff
und Abgrenzung | |
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Um
den Begriff des Auftrags (Mandat – römisches Recht: mandatum) ranken
sich terminologische Unklarheiten. Das ABGB verwendet den Begriff
in § 709 ABGB für die „Auflage” → KAPITEL 13: Die
Auflage.
Das Rechts- und Wirtschaftsleben gebraucht ihn häufig „untechnisch”: Geschäftsleute
bedanken sich für erteilte „Aufträge” und meinen damit den (durch
Annahme) „ abgeschlossenen Vertrag” oder den von
der Kundschaft gestellten „Antrag” ( Offerte). Kunden erteilen
Handwerkern „Aufträge”, wollen aber zB einen „ Werkvertrag”
schließen. Im Rahmen von Arbeitsverhältnissen ist mit „Auftrag”
und „beauftragen” häufig das Erteilen einer „ Weisung” (seitens
des Arbeitgebers) gemeint. Schließlich bezeichnet das ABGB das,
was heute als Auftrag verstanden wird als „ Bevollmächtigungsvertrag”
(§ 1002) und fasst damit Auftrag und Vollmacht als praktisch häufigsten
Fall zusammen → KAPITEL 13: Bevollmächtigungsvertrag. | Terminologische Unklarheiten |
| |
| |
Anders
als bei den bisher besprochenen „Dienstleistungsverträgen“ – dem
Arbeitsvertrag und dem Werkvertrag, bei denen es um die Leistung
tatsächlicher / faktischer Dienste oder Arbeiten geht, ist inhaltlicher
Gegenstand des Auftrags die Besorgung / Durchführung von (erlaubten) Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen;
zu dieser Unterscheidung → KAPITEL 5: Exkurs: Rechtsgeschäftsähnliche
Erklärungen . | |
Tatsächliche
Dienste sind demnach nicht Gegenstand des Auftrags. Werden tatsächliche
und rechtliche oder rechtsgeschäftliche Dienste miteinander verbunden,
sind nach § 1151 Abs 2 ABGB neben den dienst- und werkvertraglichen
Regeln auch die Auftragsregeln der §§ 1002 ff ABGB zu beachten. | |
Eine innere Verwandtschaft mit dem Auftrag weisen
auf: | Innere Verwandtschaft
mit … |
•
das Kommissionsgeschäft:
§§ 383 ff HGB, das aus | |
•
dem Verkaufsauftrag oder Trödelvertrag (§§
1086 ff ABGB) entstanden ist; | |
•
der Zivil- und Handelsmäklervertrag
→ Makler; | |
•
der Handelsvertretervertrag
→ Handelsvertreter
| |
Der Maklervertrag ( → Makler)
ist nach der Rspr aber weder Auftrag, noch Dienst- oder Werkvertrag,
sondern ein Vertrag eigener Art / sui generis; vgl SZ 25/168 (1952).
– Unter Inkassomandat ist entweder eine Vollmacht zur Einziehung
im Namen des Gläubigers oder eine Abtretung zum Inkasso zahlungshalber
oder eine Inkassozession zu verstehen; SZ 2471 (1951). – Das Rechtsinstitut
der Zession hat im Laufe seiner Anwendung, entsprechend den verschiedenen
Zwecken, die mit ihm verfolgt werden, unterschiedliche „Arten” oder
„Formen” der Zession entwickelt, auf die idF kurz eingegangen wird. | Maklervertrag
– Inkassomandat |
|
Der sog Wahrnehmungsvertrag mit
einer urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaft ist
ebenfalls ein Vertrag sui generis, der Elemente des Auftrags, des
Treuhandvertrags und der sog Geschäftsbesorgungskommission iSd §
406 HGB enthält; SZ 51/134 (1978). | |
|
3. Definition –
Vertragstypus | |
Auftrag ist vertraglich
begründete entgeltliche oder unentgeltliche Geschäftsbesorgung (=
Vornahme von Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen) für einen andern
(= Geschäftsherrn oder Auftraggeber) auf dessen (= fremde) Rechnung,
aber nicht in dessen (= in fremdem) Namen; dazu wäre zusätzlich
eine Vollmacht nötig! Vollmacht wird aber häufig zusätzlich erteilt,
um Beauftragten die Vorteile der direkten Stellvertretung zu sichern → KAPITEL 13: Direkte
Stellvertretung: Anwendungsbereich. | |
Die Parteibezeichnungen lauten:
AuftraggeberIn und Beauftragte/r. | Parteibezeichnungen |
Der Auftrag ist (Konsensual) Vertrag und
verpflichtet als solcher zur Durchführung des übernommenen Geschäfts.
Der Auftrag statuiert eine Geschäftsbesorgungspflicht.
Als Vertrag braucht er für sein Entstehen die Zustimmung des Beauftragten;
zur Abgrenzung von der Vollmacht → Zum
Begriff
| Vertrag |
| |
•
Mietet
ein Freund für seine Freundin eine
Wohnung, ist das (dh ihre Rechtsbeziehung) ebenfalls Auftrag (genauer:
Bevollmächtigungsvertrag iSd § 1002 ABGB), freilich unentgeltlicher;
vgl § 1004 ABGB. | |
• Der Vertrag zwischen Schuldner und Bürgen ist
idR Auftrag; der Bürgschaftsvertrag dagegen wird zwischen Gläubiger
und Bürgen geschlossen → KAPITEL 15: Die
Bürgschaft: §§ 1346 ff ABGB. | |
•
Hier zu nennen
sind ferner der Hausverwaltervertrag (Auftrag +
Vollmacht; dazu → KAPITEL 13: Abschluss
sog unternehmensbezogener Geschäfte ¿ Verzicht auf strikte Offenlegung) und | |
•
der Kreditauftrag,
das ist der jemandem erteilte und von diesem angenommene Auftrag
im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, jedoch auf Gefahr des
Auftraggebers einem Dritten Kredit zu gewähren. | |
4. § 1003 ABGB:
Ablehnungspflicht | |
Nach
§ 1003 ABGB müssen Personen, „welche zur Besorgung bestimmter Geschäfte
öffentlich bestellt worden sind” – das sind bspw Rechtsanwälte oder Ziviltechniker –
zwar einen Auftrag nicht übernehmen, aber sie müssen einen an sie
gerichteten Antrag unverzüglich ablehnen. | Zur
Besorgung bestimmter Geschäfte öffentlich bestellt |
| |
| |
Der Auftrag wird als
Vertrag iSd § 863 ABGB sowohl ausdrücklich, wie konkludent / schlüssig oder
allenfalls auch stillschweigend geschlossen. | |
Nach
§ 1005 ABGB besteht für den Abschluss des Bevollmächtigungsvertrags Formfreiheit;
dh er kann mündlich und schriftlich geschlossen werden. | Formfreiheit |
Der Auftrag kommt
als Ziel- und Dauerschuldverhältnis vor, je nachdem
sein Inhalt auf einmalige (zB einen bestimmten Vertragsschluss)
oder zeitlich bestimmte / orientierte – etwa auf unbestimmte Dauer
(zB Hausverwaltung) – Verrichtung zielt. | ZSchV und DSchV |
| |
| |
II. Gegenseitige
Rechte und Pflichten | |
1. Pflichten
des Beauftragten: § 1009 ABGB | |
§ 1009 ABGB: „Der Gewalthaber [= Beauftragte/r]
ist verpflichtet, das Geschäft seinem Versprechen und der erhaltenen
Vollmacht gemäß, emsig und redlich zu besorgen,
und allen aus dem Geschäfte entspringenden Nutzen dem Machtgeber
zu überlassen. Er ist, ob er gleich eine beschränkte Vollmacht hat,
berechtigt, alle Mittel anzuwenden, die mit der Natur des Geschäftes
notwendig verbunden, oder der erklärten Absicht des Machtgebers
gemäß sind.” | |
| |
Bei
Zweifeln über den Umfang des Auftrags besteht für
Beauftragte eine Rückfragepflicht beim Auftraggeber;
vgl RdW 1983, 106 und WBl 1987, 212. – Gefragt ist überhaupt eine
„denkende” Auftragsausführung, was mitunter ein Abgehen von erteilten
Weisungen bedeuten kann; § 1010 ABGB. | Rückfragepflicht |
Grundsätzlich
ist ein Auftrag vom Beauftragten persönlich auszuführen; § 1010
ABGB: Sonst „haftet er ganz allein für den Erfolg.” | Persönlich auszuführen |
Eine vollständige
Weitergabe des Auftrags (sog Substitution) ist
nach § 1010 ABGB nur erlaubt, wenn: | |
• dies entweder „ausdrücklich
gestattet „ oder | |
• „durch die Umstände unvermeidlich „
wurde. | |
In
diesen Fällen haftet der Beauftragte nur für „bei der Auswahl der
Person begangenes Verschulden”; sog Auswahlverschulden / culpa in
eligendo. | |
§ 1010 ABGB wird analog auf
andere Vertragsbeziehungen (als den Bevollmächtigungsvertrag) angewandt;
zB den ärztlichen oder (psycho)therapeutischen Behandlungsvertrag,
wenn der behandelnde Arzt / Therapeut auf Urlaub geht und einen
Vertreter bestellt. – Zur Analogie → KAPITEL 11: §
7 ABGB: Die Lückenschließung. | |
§ 1012 ABGB statuiert die
mögliche Schadenersatzpflicht des Beauftragten;
zB wenn er von erteilten Weisungen ohne Grund abgeht oder wenn er
bei seinem Handeln nicht jene Sorgfalt an den Tag legt, zu der ihn
das Gesetz verpflichtet; § 1009 ABGB verlangt nämlich „emsige und
redliche” Auftragsausführung! – Das gilt natürlich auch für Notare,
Rechtsanwälte, Wirtschaftstreuhänder, Steuer- oder Unternehmensberater → KAPITEL 19: Personen
der Rechtspflege (Link). | §
1012 ABGB |
Dazu
tritt die umfassende – ebenfalls in dieser Bestimmung (§ 1012 ABGB)
geregelte – Rechnungslegungspflicht des Beauftragten | Rechnungslegungspflicht |
Diese allgemeine Rechnungslegungspflicht des ABGB wird in
Sondergesetzen modifiziert: | |
•
Vgl die Rechnungslegungspflicht
des (Haus)Verwalters nach § 17 Abs 1 Z 1 WEG 1975
(= § 34 WEG 2002) oder ebendort für die sog Rücklage nach § 16 Abs
3 WEG 1975 (= § 31 WEG 2002.); | |
•
vgl auch § 19 WGG. | |
• Besondere Bedeutung kommt der Rechnungslegung
im Handels- und Gesellschaftsrecht zu;
vgl §§ 125 ff AktG 1990 (BGBl 475). | |
•
Das RechnungslegungsG 1990,
BGBl 475 ändert zahlreiche handelsrechtliche Rechnungslegungsvorschriften zum
Teil grundlegend. | |
§
1013 Satz 2 ABGB normiert ein Geschenkannahmeverbot des/r
Beauftragten von Dritten. | Geschenkannahmeverbot |
Das spielt auch bei anderen Verträgen, insbesondere
bei Mischverträgen wie Alten- oder Pflegeheimverträgen ( → KAPITEL 5: Heimvertrag ¿ Pflegegeld),
aber auch beim Behandlungsvertrag ( → KAPITEL 10: Arten
des Behandlungsvertrags)
eine Rolle, wenn eine Vertrauensbeziehung begründet wird, was im
Regelfall anzunehmen ist. – Dabei wird bspw in der Heimpraxis auch
über das Ziel geschossen: Statt die Geschenkannahme auf Liegenschaften,
Geld und Wertsachen zu beschränken, wird verboten, Angestellten
auch nur einen Blumenstock oder eine Stehlampe zu schenken. | |
2. Pflichten
des Auftraggebers | |
Den Auftraggeber
trifft nach § 1004 iVm § 1014 ABGB die Pflicht zur Zahlung des vereinbarten oder
gesetzlichen Entgelts an Beauftragte. | |
Zur
Rechtsgeschichte: Den Auftrag kannten schon die alten Griechen;
vgl L. Beauchet, Histoire du droit privé de la république athénienne
(1897). Das mandatum (von manus dare) der Römer war
lange unentgeltlich.; D. 17, 1, 1, 4: mandatum nisi gratuitum nullum
est. Heute dagegen kann es entgeltlich oder unentgeltlich
sein. Inhalt des Auftrags waren im Laufe der Rechtsgeschichte faktische
wie rechtliche Tätigkeiten. Auch darin liegt ein signifikanter Unterschied
zu heute, denn heute umfasst es nur rechtliches und rechtsgeschäftliches
Handeln. Die Parteien hießen in Rom mandator/Mandant/Auftraggeber
und Mandatar/Beauftragter. Die auf Abrechnung/Herausgabe zielende
Klage des Mandanten war die actio mandati directa, die des Mandatars
– mit der notwendige Aufwendungen und der Ersatz von Schäden verlangt
werden konnte, die der Auftrag mit sich brachte (§
1014 ABGB!: dazu gleich mehr) – die actio mandati contraria. Mehr
bei Kaser, Das Römische Privatrecht I 577 ff (1971). | Rechtsgeschichte |
Beauftragte haben Anspruch
auf Aufwandersatz, „selbst bei fehlgeschlagenem
Aufwande”, und allenfalls auch auf Vorschuss; §
1014 ABGB. | |
Zur Schadenersatzpflicht des Auftraggebers nach
§ 1014 letzter HalbS ABGB: Das Gesetz ordnet hier nicht nur den
Ersatz des Schadens an, der Beauftragten durch ein Verschulden des
Auftraggebers selbst entstanden ist, sondern – praktisch bedeutsamer
(!) – auch die Vergütung des „mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen
[sonstigen!] Schadens”. | Schadenersatzpflicht
des Auftraggebers |
Nach hA steigert dies die Haftung des Auftraggebers
ganz wesentlich bis hin zu einer verschuldensunabhängigen Risikohaftung.
Aber nur, soweit es sich um typische und nicht
nur zufällig mit dem Auftrag verbundene Gefahren / Schäden handelt. | |
Diese
Regelung des § 1014 letzter HalbS ABGB wird nunmehr analog (auch
außerhalb des Auftrags) auf Ersatzansprüche für
arbeitsadäquate Sachschäden von Arbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber
angewandt, wenn der Schaden im Rahmen der Erfüllung der Arbeitspflicht
eingetreten ist; man spricht von Risikohaftung bei Tätigkeit
in fremdem Interesse. | |
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Arbeitnehmer benötigt
für seine Dienstausübung den eigenen Pkw (zB Außendienst)
und dieser wird dabei beschädigt; SZ 56/86
(1983): Für den Vermögensschaden, den ein
Arbeitnehmer an seinem Pkw auf einer Dienstfahrt erlitten
hat, haftet der Arbeitgeber gemäß § 1014 ABGB, wenn das Fahrzeug
mit seiner Billigung, wenn auch ohne besondere Vergütung in seinem
„Betätigungsbereich” verwendet worden ist. Ein allfälliges Eigenverschulden des
Arbeitnehmers ist nach den Grundsätzen des D(N)HG zu berücksichtigen → Die
Dienstnehmerhaftung
| |
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SZ 69/167 (1996): Prozesskostenersatzpflicht des
Arbeitgebers nach § 1014 ABGB iVm dem D(N)HG. | |
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OGH 26. 1. 2000, 9 Ob A 326/99b, SZ 73/20 = JBl 2000, 530 (Kerschner):
Die notwendigen Vertretungskosten eines GmbH-Geschäftsführers sind
bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung „typische” Schäden iSd § 1014
ABGB. Dies gilt für mit Freispruch endenden Strafverfahren oder
bei erfolglosen zivilrechtlichen Inanspruchnahmen. | |
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EvBl 1999/65: §§ 1014, 837 ABGB,
§ 13c WEG 1975 – Passivlegitimation für Aufwandersatzansprüche des
Verwalters: Der Verwalter steht seit Anerkennung der (Teil)Rechtspersönlichkeit
der WE-Gemeinschaft (seit 1994) zu dieser und nicht mehr zu den
einzelnen Mit- und Wohnungseigentümern in einem Auftragsverhältnis;
dazu → KAPITEL 8: Eigentümergemeinschaft,
Verwalter, Vorzugspfandrecht. Die WE-Gemeinschaft entscheidet in Verwaltungsangelegenheiten
und ist damit zum Gewaltgeber des Verwalters geworden. Der Verwalter
hat daher die aus diesem Rechtsverhältnis entstehenden Ansprüche,
insbesondere den Aufwandersatzanspruch nach § 1014 ABGB, gegen die
WE-Gemeinschaft geltend zu machen. Er muss zunächst die WE-Gemeinschaft klagen
und kann sich nur subsidiär – nach Maßgabe des § 13 Abs 2 WEG 1975
– an die einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer halten. | |
|
III. Beendigung
des Auftrags | |
Der
Auftrag setzt zwischen Auftraggeber und Beauftragtem/r ein Vertrauensverhältnis
voraus. Daher kommt der Beendigung dieser Beziehung bei Wegfall
der Vertrauensbeziehung besondere Bedeutung zu. – Rspr und Schrifttum
haben aber in Bezug auf diesen leicht einsehbaren Zusammenhang immer
wieder versagt. | |
Nach
§ 1020 ABGB kann der Auftraggeber den Auftrag ”nach
Belieben” widerrufen. Das gilt selbst für den Fall, dass
der Auftrag unwiderruflich erteilt wurde; vgl damit die Funktion
der außerordentlichen Kündigung von Dauerschuldverhältnissen → KAPITEL 6: Die
ordentliche Kündigung. | Widerruf |
Ein Teil der Lehre und Praxis schränkte
das Widerrufsrecht auf wichtige Gründe ein, was abzulehnen ist,
weil dadurch nicht hinreichend das besondere Vertrauensverhältnis
(und vor allem auch die Beweisfrage) berücksichtigt wird, das zwischen
Auftraggeber und Beauftragten besteht; vorzuziehen Gschnitzer, SchRBesT2 272
mit näherer Begründung, uH auf Zeiller, Comm § 1021 Anm 1. Zudem
wird diese einschränkende Interpretation des § 1020 ABGB dem Gesetzeswortlaut
nicht gerecht, wo es heißt: „nach Belieben”. Das läuft drauf hinaus
§ 1020 Satz 1 als zwingendes Recht zu verstehen und zudem als (Not)Ventil. | |
Nach
§ 1021 ABGB kann der Beauftragte das Auftragsverhältnis
„aufkünden”, also kündigen. Zur Kündigung F. Gschnitzer, in: Franz
Gschnitzer Lesebuch 129 ff, insbesondere 153. Näheres im Gesetz. | „Aufkünden” |
| |
|
SZ 16/158 (1934): §§ 956, 1022
ABGB – Gültigkeit des vom Darlehensnehmer übernommenen Auftrags des
Darlehensgebers, die Darlehenssumme nach dem Tode des Darlehensgebers
einem bestimmten Dritten zu übergeben. Klägerin = Erbin der Darlehens-
und Auftraggeberin; Beklagte = Darlehensnehmerin und Beauftragte. | |
|
| Abbildung 12.35: Auftrag (1) |
|
| Abbildung 12.36: Auftrag (2) |
|
| Abbildung 12.37: Auftrag (3) |
|
| Abbildung 12.38: Auftrag (4) |
|
| Abbildung 12.39: Auftrag (5) |
|
IV. Sonderformen
des Auftrags | |
| |
Zum Begriff des Maklers, der
Rechtsgeschäfte und Verträge nicht selber abschließt, sondern nur vermittelt,
also Vorarbeiten dazu leistet → KAPITEL 13: Abgrenzungen:
Abgrenzung zur Stellvertretung. | |
| |
Mit dem MaklerG 1996,
BGBl 262 wurde erstmals in Österreich das Handelsvermittlerrecht umfassend
kodifiziert. Der allgemeine Teil des MaklerG behandelt die Rechte
und Pflichten aus dem Maklervertrag, der besondere Teil enthält
Sonderbestimmungen für die wichtigsten Maklertypen. Das sind: | MaklerG 1996 |
•
Immobilienmakler –
§ 16 Abs 1 MaklerG: „..[vermittelt] Geschäfte über unbewegliche
Sachen”; dazu erging: VO über Standes- und Ausübungsregeln für ––Immobilienmakler,
BGBl 1996/297, sog ImmobilienmaklerVO. | |
•
Handelsmakler –
§ 19 Abs 1 MaklerG: „ ..., wer als Makler gewerbsmäßig Geschäfte
über Gegenstände des Handelsverkehrs vermittelt.” | |
•
Krämermakler –
§ 25 MaklerG: „ ...Handelsmakler, die die Vermittlung von Warengeschäften im
Kleinverkehr besorgen ...” | |
•
Versicherungsmakler – § 26
MaklerG: „ ..., wer als Handelsmakler Versicherungsverträge vermittelt.” | |
•
Personalkreditvermittler –
§ 33 MaklerG: „ ..., wer als Makler gewerbsmäßig für Kreditwerber Kreditgeschäfte
(Geldkreditverträge und Gelddarlehen [iSd § 1 Abs 1 Z 3 BWG]) vermittelt”. | |
§ 1 MaklerG definiert den Makler: „Makler ist,
wer auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung (Maklervertrag)
für einen Auftraggeber Geschäfte mit einem Dritten vermittelt, ohne ständig
damit betraut zu sein.” | |
Der Maklervertrag ist ein Vertrag eigener Art /
sui generis. Der „Auftrag”, ein Geschäft zu vermitteln,
dem keine Verpflichtung des Vermittlers, die Vermittlung zu bewirken,
zu entnehmen ist, ist nicht Auftrag, auch nicht eine Unterart des
Auftrags, sondern Maklervertrag und somit ein im ABGB nicht geregelter
Vertrag sui generis; HS 24.530 = JBl 1994, 404. | |
§
2 Abs 1 MaklerG regelt die Befugnisse des Maklers:
„Ohne ausdrückliche Vereinbarung ist der Makler nicht befugt, für
den Auftraggeber das vermittelte Geschäft zu schließen oder Zahlungen
von Dritten entgegenzunehmen.” | Befugnisse des Maklers |
Eine Besonderheit regelt § 14 MaklerG: den sog Alleinvermittlungsauftrag.
Hier verpflichtet sich der Auftraggeber für ein zu vermittelndes
Geschäft keinen anderen Makler in Anspruch zu nehmen. Dabei muss
sich der Makler nach Kräften um die Vermittlung bemühen. Der Alleinvermittlungsauftrag
kann nur befristet auf angemessene Dauer abgeschlossen werden. –
Er ist nicht ungefährlich und immer wieder Gegenstand von Streit. | |
| Rechte und Pflichten
des Maklers Alleinvermittlungsauftrag |
|
§ 3 MaklerG: | |
Abs 1: „Der Makler hat die Interessen des Auftraggebers
redlich und sorgfältig zu wahren ....” | |
Abs 2: „Der Auftraggeber hat den Makler bei
der Ausübung seiner Vermittlungstätigkeit redlich zu unterstützen
...” | |
Abs 3: „Makler und Auftraggeber sind verpflichtet,
einander die erforderlichen Nachrichten zu geben.” | |
|
|
§ 4 MaklerG: | |
Abs 1: „Mangels anderer Vereinbarung ist der
Makler nicht verpflichtet, sich um die Vermittlung zu bemühen.” | |
Abs 2: Keine Pflicht des Auftraggebers, das
angebahnte Geschäft zu schließen. | |
|
Seit Anfang umstritten ist die Höhe der Maklerprovision.
Sie beträgt bei Neuvermietung drei Brutto-Monatsmieten. Das bedeutet
eine europäische Spitzenstellung. Die Arbeiterkammer fordert seit
langem eine Senkung auf zwei Netto-Monatsmieten. Österreichs Neumieter
zahlen pro Jahr etwa 2,5 Mrd S (= 182 Mio ?) an Makler. | |
| Abbildung 12.40: Neues Maklerrecht (1) |
|
| Abbildung 12.41: Neues Maklerrecht (2) |
|
| Abbildung 12.42: Neues Maklerrecht (3) |
|
| Abbildung 12.43: Neues Maklerrecht (4) |
|
| Abbildung .44: Arten von Maklern |
|
| Abbildung 12.45: Höhe der Maklerprovision nach der MaklerVO |
|
| |
| |
|
GlU 11.030 (1886): „Ausarbeitung
eines einem Advocaten persönlich abgeforderten Gutachtens durch einen
‚Concipienten‘ desselben: Anspruch des Advocaten auf Honorar?” Kläger
= (beauftragter) Rechtsanwalt (der das bei ihm bestellte Gutachten
von seinem Konzipienten verfassen lässt, behält seinen Anspruch
auf Werklohn). Beklagter = Auftraggeberin des Gutachtens an Rechtsanwalt.
Sachverhalt: Die Beklagte wollte in einem anderen Rechtsstreit,
in dem sie einen Fürsten auf Zahlung von 63.700 fl (Gulden) belangt
hatte, vor Annahme des von dessen Anwalt angebotenen Vergleichs
den Rechtsfall von einer hervorragenden Kapazität des Advokatenstandes
begutachten lassen und beauftragte daher den Kläger mit der Erstellung
eines Gutachtens. Dieser musste aufgrund anderer dringlicher Geschäfte
die Ausarbeitung des Gutachtens seinem Konzipienten übertragen,
überprüfte und genehmigte aber das Gutachten seines Konzipienten.
Üblicherweise handelt es sich beim Verhältnis zwischen Rechtsanwalt
und Klient um einen sog Bevollmächtigungsvertrag / Auftrag + Vollmacht.
Die Erstattung eines Rechtsgutachtens gegen Lohn ist aber ein Werkvertrag.
– Der OGH wies die Revision mit der Begründung ab, „dass der Kläger
das Gutachten erst dann der Beklagten erstattete, als er den von
seinem Konzipienten verfassten Entwurf desselben geprüft hatte,
wodurch und durch seine Genehmigung es eben zu dem bei ihm bestellten
Werke” geworden sei. | |
|
|
wobl 1995, 90: Haftung für die
Kosten der Errichtung eines Kaufvertrags – Der Vertrag zwischen
einem Rechtsanwalt und seinem Klienten ist Bevollmächtigungsvertrag,
dh Auftrag gekoppelt mit Vollmacht. Er ist entgeltlich, es sei denn,
Unentgeltlichkeit wurde vereinbart. | |
|
E. Geschäftsführung
ohne Auftrag |
I. Einordnung und
gesetzliche Grundlagen | |
Der
für das Privatrecht zentrale Gedanke der Privatautonomie verlangt,
dass für Eingriffe in fremdes Vermögen und überhaupt das Handeln
für andere grundsätzlich die Zustimmung Betroffener vorliegen muss;
vgl § 1035 ABGB. Die GoA stellt eine mögliche Ausnahme davon dar. | |
| |
| |
Die GoA umfasst
als Geschäftsbesorgung iwS einserseits wie der Arbeitsvertrag den tatsächlich-faktischen
(Leistungs)Bereich, was auch für den Werkvertrag gilt;
andrerseits erfasst die GoA aber auch – wie der Auftrag – den rechtsgeschäftlichen und
sonstigen Rechtsbereich. Dazu kommt, dass die Dienste
beim Arbeitsvertrag in wirtschaftlich abhängiger Stellung erbracht werden,
wobei der freie Dienstvertrag bereits einen Übergang zur Selbständigkeit
darstellt. Beim Werkvertrag dagegen erbringt den vereinbarten Erfolg
ein selbständiger Unternehmer. Der Auftrag wiederum umfasst beide
Bereiche und wird daher sowohl von Beauftragten in unselbständiger
(zB Arbeitnehmer) wie selbständiger (zB Rechtsanwalt) Stellung ausgeführt.
Die GoA kann sowohl in unselbständiger wie in selbständiger Stellung
geleistet werden. Sie umfasst demnach als „rechtliche Klammer” einen
sehr großen Teil wirtschaftlicher Dienstleistungen. – Freilich handelt
es sich bei der GoA nur um ein aushilfsweise zur Anwendung gelangendes
Rechtsinstitut. | Anwendungsbereich |
| |
| |
2. Die GoA als
gesetzliches Schuldverhältnis | |
§
859 ABGB zählt als Entstehungsgründe von Schuldverhältnissen, „vermöge
welcher eine Person einer anderen zu einer Leistung verbunden ist”,
allgemeine folgende Möglichkeiten auf: | |
• Gesetz, | |
• Rechtsgeschäft und | |
• erlittene Beschädigung, also Delikt. | |
Die erlittene Beschädigung ist ein Unterfall
der Entstehung aufgrund des Gesetzes, sodass nach ABGB eigentlich nur
zwei Gruppen übrigbleiben: Die auf Rechtsgeschäft beruhenden
Schuldverhältnisse, die erneut in einseitige und zwei- und mehrseitige
(= Verträge) Rechtsgeschäfte eingeteilt werden ( → KAPITEL 5: Einteilung
und Abgrenzung)
und die gesetzlichen Schuldverhältnisse. | |
| Gesetzliches
Schuldverhältnis |
Das
heisst nichts anderes, als dass das jeweilige Schuldverhältnis (und
seine Rechtsfolgen!) ohne weiteres Zutun der Parteien unmittelbar
aufgrund des Gesetzes entsteht. Zwischen den Parteien besteht also
kein Vertrag (oder eine sonstige rechtsgeschäftliche Beziehung),
und daher auch kein Auftragsverhältnis. § 1035 ABGB erweitert dies
noch: | |
„Wer weder durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag,
noch vom Gerichte, noch aus dem Gesetze die Befugnis
erhalten hat, [darf der Regel nach sich in das Geschäft eines anderen
nicht mengen] ...”. | |
Beispiel:
– SZ 70/113 = JBl 1998, 114: Die Rspr legt den Wortlaut des § 1035
ABGB weit aus und subsumiert auch noch Fälle, bei denen eine gesetzliche
Hilfeleistungspflicht besteht (?). – Korrekter wäre es,
bei fehlenden speziellen Vorschriften, von einer analogen Anwendung
zu sprechen. | |
In bestimmten Fällen ordnet das Gesetz selbst die Anwendung
der GoA-Regeln an; Fälle sog angewandter Geschäftsführung: | Angewandte
Geschäftsführung |
•
§ 336 ABGB
(unredlicher Besitzer); | |
§ 336 ABGB: „Hat der unredliche Besitzer
einen Aufwand auf die Sache gemacht, so ist dasjenige anzuwenden,
was in Rücksicht des von einem Geschäftsführer ohne Auftrag gemachten
Aufwandes in dem Hauptstücke von der Bevollmächtigung verordnet
ist.” | |
•
§ 418 ABGB
(Bauführer); | |
•
§ 517 ABGB (Fruchtnießer) und | |
•
§ 1097 ABGB (Bestandnehmer). | |
3. GoA ist nur
ausnahmsweise zulässig | |
Gleich
am Beginn der gesetzlichen Regelung der GoA betont § 1035 ABGB,
dass man sich ohne Geschäftsführungsbefugnis „der Regel nach [dh:
grundsätzlich] ... in das Geschäft eines andern nicht mengen” darf.
„Hätte er sich dessen angemaßt; so ist er für alle Folgen verantwortlich.” | |
Ausnahmsweise gestattet es das Gesetz in gewissen Fällen
aber doch, für andere tätig zu werden, wobei dieses Tätigwerden
(wie erwähnt): | |
• sowohl faktische /
tatsächliche Handlungen (→ Was
wird geschuldet? Dienstvertrag
und Werkvertrag), wie | |
•
rechtliches und insbesondere rechtsgeschäftliches
Tätigwerden (→ Begriff
und Abgrenzung)
umfassen kann; vgl das eingangs Gesagte. | |
Ausdrücklich gesetzlich geschieht das bspw in
§ 1097 ABGB, wo der Bestandnehmer als Geschäftsführer ohne Auftrag
betrachtet wird, wenn er – bei Ausbesserungsarbeiten – „auf das
Bestandstück einen dem Bestandgeber obliegenden Aufwand (§ 1036
ABGB) oder einen nützlichen Aufwand (§ 1037 ABGB) gemacht hat” → Arten
„erlaubter” GoA: Fälle
der sog angewandten GoA. | |
II. Voraussetzungen
und Arten der GoA | |
GoA liegt demnach vor, wenn jemand ein Geschäft
für jemand anderen führt, ohne dass er dazu einen „Auftrag” – genauer:
eine Ermächtigung – hat oder sonst dazu berechtigt ist. – Berechtigt
ist zB ein bevollmächtigter oder ein gesetzlicher (Stell)Vertreter. | |
Ein GoA führt also: | GoA setzt voraus |
• ein fremdes Geschäft | |
•
mit dem Bewusstsein / Willen, | |
• es im Interesse des Geschäftsherrn zu
tun. | |
Das römische Recht sprach von negotiorum
gestio und anschaulich von animus rem alteri gerendi,
also dem Geschäftsführungswillen für einen andern. | |
Der „Geschäftsbegriff”
im Rahmen der GoA ist kein rechtsgeschäftstechnischer. Er umfasst vielmehr
Rechtsgeschäfte wie Nicht-Rechtsgeschäfte iSv Tathandlungen. „Geschäft”
ist hier in einem weiten Sinne von Tätigwerden, Handeln (für einen
andern) zu verstehen und nicht iSv Rechtsgeschäft oder gar von Vertrag(sschluss). | Geschäftsbegriff |
Ein GoA hat das Geschäft so zu führen,
wie es das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen
wirklichen oder mutmaßlichen Willen erfordert. Dabei ist (wahrscheinlichen) Intentionen des
Geschäftsherrn Rechnung zu tragen, insbesondere wenn die
Geschäftsführung mit Kosten verbunden ist, deren Tragung nicht ohne
weiteres als im Willen des Geschäftsherrn gelegen erachtet werden
kann; JBl 1984, 256: Abschleppen eines beschädigten Kraftfahrzeugs → Arten
„erlaubter” GoA
| Intentionen des
Geschäftsherrn |
Das zentrale
Problem der GoA liegt darin, ob ein GoA, die Aufwendungen,
die er gemacht hat, vom Geschäftsherrn – also dem von seiner Geschäftsführung
Betroffenen – ersetzt erhält und ob er – auf der anderen Seite –
seinerseits zur Haftung herangezogen, also ersatzpflichtig
werden kann, wenn (dem Geschäftsherrn) durch die GoA Schaden entstanden
ist. | Aufwendungen und Haftung |
Das Gesetz unterscheidet
zwischen: | Arten der GoA |
•
erlaubter und | |
•
unerlaubter GoA. | |
1. Unerlaubte
oder unechte GoA: § 1040 ABGB | |
Unerlaubt
oder unecht ist nach § 1040 ABGB eine Geschäftsführung dann, wenn
sie „gegen den gültig erklärten Willen des Eigentümers sich [ein
fremdes] Geschäft anmaßt oder den rechtmäßig Bevollmächtigten durch
eine solche Einmengung an der Besorgung des Geschäftes verhindert”. | |
Ein
solcher Geschäftsführer „verantwortet ... nicht nur den hieraus
erwachsenen Schaden und entgangenen Gewinn, sondern er verliert
auch den gemachten Aufwand, insofern er nicht in
Natur zurückgenommen werden kann”; sog Wegnahmerecht:
sog ius tollendi. – Man spricht in diesem Fall auch von unnützer
oder verbotener Geschäftsführung. | Haftung für
Schaden + kein Aufwandersatz |
Der
unerlaubte oder unechte GoA haftet (wie ein Verwahrer,
Entlehner und unredlicher Besitzer) für gemischten Zufall /
casus mixtus; vgl § 1311, Satz 2 ABGB: | Haftung für gemischten Zufall |
„ ... Hat aber jemand den Zufall durch ein
Verschulden veranlasst; ... oder, sich ohne Not in fremde Geschäfte gemengt;
so haftet er für allen Nachteil, welcher außer dem nicht erfolgt
wäre.” | |
| |
|
EvBl
1964/292: Keine unerlaubte GoA iSd § 1040
ABGB nimmt der OGH an, wenn der Miteigentümer eines Hauses auch
gegen den ausdrücklich erklärten Willen des anderen Hälfteeigentümers
eine Sanierung des Hauses gegen den Hausschwamm durchführen
lässt (= unbedingt notwendige Erhaltungsarbeit). In der Untersagung
der notwendigen Maßnahme durch den anderen Hälfteeigentümer erblickt
der OGH einen sittenwidrigen Akt. Vgl auch → Arten
„erlaubter” GoA
| |
|
| |
Liegt erlaubte oder echte GoA vor, hat der Geschäftsführer
das Geschäft so zu führen, wie es das Interesse des Geschäftsherrn
mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen verlangt;
vgl § 677 dtBGB. | |
Die erlaubte oder echte GoA wird wieder unterteilt in: | |
• GoA im Notfall (§
1036 ABGB) und | |
•
nützliche GoA; § 1037 ABGB. | |
GoA im Notfall wird auch notwendige GoA genannt
und dient „zur Abwendung eines bevorstehenden Schadens”
(§ 1036 ABGB). – Hier ordnet das Gesetz an, dass der Geschäftsherr
„den notwendigen und zweckmäßig gemachten Aufwand zu ersetzen schuldig”
sei. Und zwar selbst dann, „wenngleich die Bemühung ohne Verschulden
fruchtlos geblieben ist”; vgl § 403 ABGB: Rettung. – Die Ermächtigung
des Geschäftsherrn war vielleicht aus Zeitgründen vorher nicht mehr
einzuholen. | |
Eine GoA bleibt aber nur solange notwendig, als ein unmittelbar
bevorstehender Schaden bis zum Zeitpunkt einer möglichen Einholung
der Zustimmung des Geschäftsherrn abgewendet wird; SZ 54/176 (1981). | |
| |
Zur sog nützlichen GoA (§ 1037 ABGB): Dieser Tatbestand
kennt zwei Voraussetzungen, nämlich eine objektive und eine subjektive;
und zwar | GoA zum Nutzen
eines andern |
• dass das Geschäft
– objektiv – „zu des andern klarem, überwiegendem
Vorteil [s. auch § 1038 ABGB] geführt” wurde und dass der
GoA | |
• auch subjektiv, den Vorteil
des Geschäftsherrn befördern wollte; vgl § 1038 ABGB. | |
Rspr
und Schrifttum sprechen von einer vernünftigen Bewertung der jeweiligen
Situation, wobei die Verkehrsauffassung (§ 914 ABGB) zu berücksichtigen
ist. Soweit Vermögensrechte in Betracht kommen, muss der Geschäftsherr
bereichert sein. – Der Beweis des „klaren und überwiegenden Vorteils”
obliegt aber dem Geschäftsführer, wobei im Zweifel der Standpunkt
des Geschäftsherrn maßgebend ist; EvBl 1980/168: Schulskikurs. | |
| |
Die Rechtsfolge
einer nützlichen GoA besteht im Kostenersatz, genauer:
Die aufgewendeten Kosten sind zu ersetzen. Aber nur bei Erfolg!
Vgl den Unterschied zum Auftrag → Begriff
und Abgrenzung
| Kostenersatz |
|
EvBl 1964/292: Hälfteeigentümer
lässt das ganze Haus, das vom Hausschwamm befallen
war, sanieren, obwohl der andere Hälfteeigentümer ausdrücklich dagegen
war. Der OGH wendet die Regeln der GoA auch zwischen Miteigentümern
an, weil ein die Verwaltungsgeschäfte führender Miteigentümer „teils eigene,
teils fremde [!] Geschäfte besorgt”. Der OGH verweist allerdings
pauschal auf die Regeln der §§ 1035 ff ABGB und sagt nicht welche
Art der GoA er hier annimmt. Das ist auch nicht unbedingt nötig, wenn
feststeht, dass die GoA erlaubt ist. Hier kann sowohl notwendige,
wie nützliche GoA angenommen werden. (Der OGH zieht hier – offenbar
unbewusst – einen Größenschluss zu § 1097 ABGB!) | |
|
|
Oder: EvBl 1980/168: Mädchen zieht sich
auf Schulschikurs einen komplizierten Beinbruch
zu. Arzt legt Operation in seiner Privatklinik nahe, deren Kosten
von der Krankenkasse aber nicht bezahlt werden. Da die Eltern des
Mädchens auf einem Griechenlandurlaub nicht erreichbar waren, entschieden
der Lehrer und das Mädchen. – Der OGH lehnte eine nützliche GoA
nach § 1037 ABGB und damit den Honoraranspruch des Klägers (= Arzt)
ab. Beklagt war der Vater des Mädchens. – Zur Beweissituation vgl
oben. | |
|
|
§ 1037 ABGB gelangt
immer wieder zwischen Miteigentümern zur Anwendung;
vgl EvBl 1968/39 und SZ 57/167. | |
|
3. Weitere Pflichten
des GoA: § 1039 ABGB | |
Das Gesetz ordnet ferner an, dass: | |
derjenige,
der „ein fremdes Geschäft ohne Auftrag auf sich genommen hat, [es]
bis zur Vollendung fortsetzen” muss; sog Fortsetzungspflicht. | Fortsetzungspflicht |
|
MietSlg 29.128 (1977): Hat ein Vierteleigentümer ohne
Zustimmung des Mehrheitseigentümers mit Instandsetzungsarbeiten am
Gebäude begonnen, die unter die ordentliche Verwaltung fallen (Abschlagen des
Verputzes), muss er die begonnene Arbeit auch vollenden. | |
|
Den
GoA trifft „gleich einem Bevollmächtigten” (vgl § 1012 ABGB) auch
die Pflicht, „genau Rechnung” zu legen; Rechnungslegungspflicht. | Rechnungslegungspflicht |
| |
Das
Gesetz sieht für den GoA nur Aufwandersatz (Barauslagen, inklusive
Zinsen) vor, grundsätzlich aber kein /en Entgelt oder
Lohnanspruch für die Mühewaltung. | |
Von diesem Grundsatz werden aber von der Rspr Ausnahmen gemacht: | |
•
Einmal der
gesetzlich besonders geregelte Fall des Finder- oder Bergelohns (Fund:
§§ 388-394 ABGB; Finderlohn: § 391 ABGB + Bergung: § 403 ABGB). | |
• Wird ein GoA im Rahmen seines Berufs oder Gewerbes tätig,
gebührt ihm nach der Rspr auch Entlohnung für Mühewaltung, also
ein Entgelt; vgl etwa die Hinweise in EvBl 1968/39
oder SZ 57/167 (1984). – Dieser Rspr-Grundsatz wird auch auf medizinische
Hilfeleistungen angewandt. | |
| |
§
1097 Satz 2, 2. HalbS bestimmt, dass ein als Geschäftsführer ohne
Auftrag tätig gewordener Bestandnehmer seinen Ersatz längstens binnen
sechs Monaten nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich
fordern muss, sonst ist die Klage erloschen (Präklusionsfrist). | |
5. Nachträgliche
Genehmigung | |
Wird die
GoA nachträglich vom Geschäftsherrn genehmigt – was ausdrücklich,
schlüssig oder stillschweigend iSd § 863 ABGB geschehen kann – wird
die GoA rückwirkend in einen Auftrag, also eine vertragliche Beziehung,
umgewandelt. | |
| |
| |
Einem GoA steht
zur Sicherung seiner Ansprüche gegen den Geschäftsherrn ein Zurückbehaltungsrecht
(§ 471 ABGB → KAPITEL 15: Das
Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB) zu. – Die Autowerkstätte muss demnach
das abgeschleppte beschädigte Auto nicht herausgeben, bevor die
Abschleppkosten entrichtet wurden. | |
7. Gefälligkeiten
oder GoA? | |
Das Rechtsinstitut der
GoA darf nicht „überzogen” werden: Bloße (kleine) Gefälligkeiten
sind noch keine GoA. – Für die Abgrenzung ist § 914 ABGB heranzuziehen:
Übung des redlichen Verkehrs / Verkehrssitte. | |
Das Blumengießen im Eingangsbeispiel ( → Eingangsbeispiele)
stellt eine bloße Gefälligkeit dar, nicht dagegen das Bezahlen der Telefon-
oder Stromrechnung durch den Nachbarn. | |
| Abbildung 12.46: Gesetzliche Schuldverhältnisse |
|
| Abbildung 12.47: GoA (1) |
|
| Abbildung 12.48: GoA (2) |
|
| Abbildung 12.49: GoA (3) |
|
| Abbildung 12.50: GoA (4) |
|
| Abbildung 12.51: GoA (5) |
|
| Abbildung 12.52: GoA (6) |
|
F. Arbeitnehmerhaftung
iwS |
| |
| |
Da im privat- oder öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnis
wurzelnd, werden die schadenersatzrechtlichen Sonderbeziehungen
der Dienstnehmerhaftung / D[N]HG → Die
Dienstnehmerhaftung, Amtshaftung / AHG → Die
Amtshaftung – AHG 1948,
und Organhaftung / OrgHG → Die
Organhaftung – OrgHG 1967 als
Exkurs im Anschluss an den Arbeits- oder Dienstvertrag dargestellt.
Für Arbeitnehmer, die als Organe eines hoheitlich-öffentlichrechtlichen Rechtsträgers
diesem Schaden zufügen gilt nämlich nicht das D(N)HG, sondern das
AHG und OrgHG, je nachdem, ob ein Dritter (AHG)
geschädigt wird oder nur der Rechtsträger selbst (OrgHG). | |
Zusätzlich werden hier auch die das allgemeine
Schadenersatzrecht innerbetrieblich modifizierenden Regeln der §§
332 ff ASVG mit den Haftungs(beziehungs)ebenen: Arbeitnehmer
– Arbeitgeber sowie von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zum Sozialversicherungsträger
(eingeschlossen die sog Arbeitskollegenhaftung: Arbeitnehmer <->
Arbeitnehmer) behandelt, weil die haftungsrechtliche Beziehung zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer von größter praktischer Bedeutung, aber
wenig bekannt ist und zudem exemplarisch von der ABGB-Lösung abweicht; Arbeitsunfälle. Dabei
wird auch kurz auf die nicht nur historisch interessante gesetzliche
Unfallversicherung eingegangen. | §§
332 ff ASVG |
Die quantitative Bedeutung dieses Problemkreises
ist, wie die folgenden Zahlen verdeutlichen, groß. So ereigneten sich
bspw in Österreich im Jahre 1998 128.244 Arbeitsunfälle ieS, 1458
Berufskrankheiten, 12.828 Wegunfälle und 53.011 Schüler- und Studierendenunfälle. | |
In all diesen
Fällen handelt es sich um Sonderhaftungsrecht,
also um Abweichungen vom allgemeinen Schadenersatzrecht des ABGB;
vgl das Pkt F vorangestellte Motto, aus den ErlBem zum D(N)HG 1965.
– Zur Entwicklung dieses betrieblichen Sonderhaftungsrechts von
der Industriellen Revolution bis in die Gegenwart: Barta, Kausalität
im Sozialrecht (1983). | Sonderhaftungsrecht |
I. Die
Dienstnehmerhaftung | |
| |
Österreich besitzt mit dem D(N)HG
1965 – wie die Schweiz mit Art 321e OR – für die
vom allgemeinen Schadenersatzrecht abweichende Arbeitnehmerhaftung
eine gesetzliche Grundlage. In Deutschland hat
die Rspr durch Richterrecht haftungsrechtliche Sonderregeln geschaffen. | D(N)HG
1965 |
Nötig waren diese Sonderregeln, weil die Anwendung des allgemeinen
Schadenersatzrechts zu ungerechten Lösungen und Härten führte, die
der Schadensgeneigtheit vieler Arbeitnehmertätigkeiten nicht mehr
gerecht wurde. Vgl das diesem Pkt vorangestellte Motto. | |
Der tiefere
Grund für die geschaffenen Schadensverlagerungsmöglichkeiten zugunsten
von Arbeitnehmern liegt darin, dass der jeweilige Arbeitgeber dadurch
nicht mehr beliebig betriebliche Schadensrisiken auf seine Arbeitnehmer
abwälzen kann, wo er sich doch in vielen Fällen durch den Abschluss
einer Versicherung absichern kann; bspw Kasko-, Betriebsunterbrechungs-,
Transport- und diverse Haftpflichtversicherungen. Wer die Vorteile
aus einem Betrieb / Unternehmen zieht (Gewinn), hat auch damit zusammenhängende
Verluste zu tragen und sollte diese nicht vollständig auf seine
Arbeitnehmer übertragen können: Guter Tropfen – böser Tropfen. | Schadensverlagerung |
| Abbildung 12.53: Arbeitnehmerhaftung: „direkte” Schädigung des Arbeitgebers |
|
1. Arbeitnehmer
schädigt Arbeitgeber | |
Auf Schadenersatzansprüche privater Dienstgeber gegen ihre
Dienstnehmer findet das D(N)HG Anwendung: | |
Ein Arbeitnehmer kann seinen Arbeitgeber auf verschiedene
Weise schädigen; etwa dadurch, dass er Maschinen, Apparate oder
Werkzeug unsorgfältig behandelt, wodurch der Arbeitgeber unmittelbar /
direkt geschädigt wird. Aber auch dadurch, dass er einer
Kundschaft (seines Arbeitgebers) Schaden zufügt, was eine mittelbare
/ indirekte Schädigung des Arbeitgebers darstellt; zB Kundschaft
erleidet durch schlampiges Autoservice Unfall und verlangt den Schaden
vom Arbeitgeber als (Werk)Vertragspartner ersetzt. | Unmittelbare
oder
mittelbare Schädigung des AG |
Der Arbeitgeber
kann in beiden Fällen vom Arbeitnehmer seinen Schaden unter den
Voraussetzungen des D(N)HG ersetzt verlangen; im zweiten Fall idR
durch Regress / Rückgriff beim
Arbeitnehmer, wobei auch dieser Regressanspruch zB gemäßigt werden
kann → Schadensmäßigung
| |
Die Beschränkung der Schadenshaftung zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer wirkt sich nicht auf vom Dienstnehmer geschädigte Dritte aus,
die außerhalb des Dienstverhältnisses stehen. Dritte behalten vielmehr
ihren vollen Schadenersatzanspruch auch dann, wenn das D(N)HG zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer haftungsmindernd oder haftungsausschließend wirkt. | |
| |
Um
Arbeitnehmer finanziell nicht zu überfordern, kann das Gericht aus
Gründen der Sachgerechtheit der Schadenstragung und der Billigkeit,
die Ersatzansprüche des Arbeitgebers gegen seinen Arbeitnehmer mäßigen. | |
Nach
§ 2 D(N)HG können Schäden, die von Dienstnehmern: | |
•
leicht fahrlässig zugefügt
wurden, teilweise oder ganz erlassen werden; | |
•
grob fahrlässig zugefügte
Schäden können vom Richter nur gemäßigt werden; | |
• für vorsätzlich herbeigeführte
Schäden (zB Sabotage) haften Arbeitnehmer voll. | |
Auch der vorsichtigste Arbeitnehmer
(zB ein Fernfahrer) begeht einmal einen kleinen Fehler, der größere
finanzielle Auswirkungen haben kann. Müsste er den ganzen Schaden
selber tragen, wäre das für ihn ruinös; daher kein vollständiges
Überbürden des Unternehmerrisikos auf Arbeitnehmer. Die
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verlangt in solchen Fällen überdies,
angemessene Versicherungen abzuschließen! – Was ist grobe
Fahrlässigkeit ? Sie wird von der Rspr dann angenommen,
wenn ein Arbeitnehmer die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlicher
und auffallender Weise vernachlässigt hat und der Eintritt des Schadens
als wahrscheinlich vorhersehbar war. – Als grob fahrlässig anzusehen
wäre es, wenn der Kassier eines Supermarktes den
Kassaschlüssel an der Kassa stecken lässt und sich (länger) entfernt.
Ein allfälliger Fehlbetrag in der Kassa (Kassenmanko) könnte in
diesem Fall allenfalls gemäßigt, nicht völlig erlassen werden. | Kein vollständiges Überbürden des
Unternehmerrisikos |
| Abbildung 12.54: Arbeitnehmerhaftung: „indirekte” Schädigung des AG |
|
|
ZVR 1998/4 (§ 6 DHG): Das am Ende
eines Arbeitstages erfolgende unaufmerksame Überfahren einer ungeregelten
Kreuzung im Ortsgebiet mit einer Geschwindigkeit von 40
km/h kann nicht als grobe Fahrlässigkeit eines Dienstnehmers gewertet
werden, sondern stellt nur einen minderen Grad des Versehens dar.
Ein Schadenersatzanspruch erlischt daher, wenn er nicht innerhalb
von 6 Monaten gerichtlich geltende gemacht wird. | |
|
3. Entschuldbare
Fehlleistungen | |
Nach dem
D(N)HG wird für entschuldbare Fehlleistungen (§ 2 Abs 3) überhaupt
nicht mehr gehaftet; zB: Kellner/in lässt einmal einen Teller fallen,
Lehrbub Werkzeug. – Die Rspr nimmt eine „entschuldbare Fehlleistung”
an, wenn der Eintritt eines Schadens entweder überhaupt nicht oder nur
bei außerordentlicher Aufmerksamkeit und Fleiß voraussehbar und
daher vermeidbar gewesen wäre. | |
| |
| |
4. Regress zwischen
Dienstgeber und Dienstnehmer | |
§ 3 D(N)HG:
Schadeneersatzrechtliches Heranziehen von Dienstnehmer durch
Dritte; Regress. – Ersetzt der Dienstnehmer einem Dritten
dessen Schaden im Einverständnis mit dem Dienstgeber oder auf Grund
eines gefällten Urteils, steht ihm gegen den Dienstgeber ein Rückforderungsanspruch zu,
wenn der Dienstgeber dem Dritten ersatzpflichtig gewesen wäre; zB
nach § 1313a ABGB. Das Verlangen des Dienstnehmers muss zudem der
Billigkeit entsprechen. | Heranziehen
von Dienstnehmern durch Dritte |
| |
Nach
§ 3 D(N)HG hat der Dienstnehmer dem Dienstgeber den Streit
zu verkündigen, wenn er vom Dritten gerichtlich in Anspruch
genommen wird. Wird dies unterlassen, bleiben dem Dienstgeber die
nicht ausgeführten Einwendungen gegen den Dienstnehmer erhalten. | Streitverkündung |
| Abbildung 12.55: § 3 DHG: Leistung des Dienstnehmers an Dritte |
|
| |
Darf ein Dienstgeber seinen
(vermeintlichen) Schadenersatzanspruch gegen seinen Dienstnehmer von
dessen Gehalt abziehen, also aufrechnen? – § 7 Abs 1 D(N)HG bestimmt,
dass eine Aufrechnung ( → KAPITEL 15: Aufrechnung
/ Kompensation)
bei aufrechtem Dienstverhältnis nur zulässig ist, wenn der Dienstnehmer
nicht innerhalb von 14 Tagen (ab Zugehen der Aufrechnungserklärung)
widerspricht; anders bei Aufrechnung auf Grund eines rechtskräftigen
Urteils; § 7 Abs 2 D(N)HG. – Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
unterliegt die Aufrechnung von Schadenersatzansprüchen keinen besonderen
Beschränkungen mehr; Umkehrschluss aus § 7 Abs 1 DHG. | Aufrechnung
nicht ohne weiteres zulässig |
Die
Aufrechnungsmöglichkeit des Arbeitgebers spielt in der Praxis etwa
bei Kassenmankos eine Rolle. Immer weniger Arbeitgeber gewähren
ein gewisses Mankogeld, was nicht sachgerecht erscheint,
zumal der Einfluss von Arbeitnehmern teilweise gering ist oder gar
nicht gegeben erscheint; zB Scannerkasse. | Mankogeld |
II. Die
Amtshaftung – AHG 1948 | |
| |
| |
1. Haftung des
Staates für seine Organe | |
Fügt ein staatliches Organ jemandem (einem
Dritten) Schaden zu, so haftet der Staat (in seiner jeweiligen Erscheinungsform
als Bund, Land oder Gemeinde etc) als Rechtsträger nach den Regeln des
AHG, wenn die Schädigung „in Vollziehung der Gesetze”, dh in Ausübung
öffentlichrechtlicher Funktionen, also ausgestattet mit Hoheitsgewalt
/ Imperium, geschehen ist. | Haftung gegen den wildgewordenen Amtsschimmel:
F. Gschnitzer |
Amtshaftung besteht für Verwaltungsbehörden (zB Polizei),
Gerichte, sonstige Ämter und Behörden, aber etwa auch sog beliehene
Unternehmer, die als Private hoheitliche Aufgaben erfüllen; vgl
SZ 71/7 (1998): Formungültiges gerichtliches Testament. Amtshaftung
ist also die Haftung staatlicher Rechtsträger /
Hoheitsträger, sei es von Bund, Ländern, Bezirken, Gemeinden oder
sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für
jenen Schaden, den die jeweils als Organe handelnden
Personen: | |
•
in Vollziehung
der Gesetze, | |
• durch ein rechtswidriges Verhalten, | |
• wem immer schuldhaft zufügen;
Art 23 B-VG. | |
Das schädigende
Organ selbst haftet dem Geschädigten nicht;
beachte den Unterschied zum D(N)HG. Der Geschädigte hat sich vielmehr
ausschliesslich an den Rechtsträger zu halten. | |
Hat der Rechtsträger aber dem Geschädigten
den Schaden ersetzt, kann er selbst nach § 3 Abs 1 AHG von den Personen,
die als seine Organe gehandelt und die Rechtsverletzung vorsätzlich oder grob
fahrlässig verübt und verursacht haben, Rückersatz / Regress
begehren. | |
Der Bereich leichter Fahrlässigkeit ist
danach vom Regress ausgenommen. | |
Eine
Amtshaftung der genannten Rechtsträger kommt nur für den Bereich
der Hoheitsverwaltung, also den des öffentlichen
Rechts in Frage, nicht für den Bereich des Privatrechts; daher nach
hA keine Anwendung des AHG im Bereich der sog Privatwirtschaftsverwaltung des
Staates → KAPITEL 1: Die
sog Privatwirtschaftsverwaltung. | Hoheitsverwaltung |
Mit „in Vollziehung
der Gesetze” ist gemeint, dass der Rechtsträger eine hoheitliche
Tätigkeit, also eine solche mit Befehls- und Zwangsgewalt ausübt.
Das trifft zu auf Gerichte und Verwaltungsbehörden, aber auch öffentlich beliehene
private Unternehmer /Organe wie ein Abbruchunternehmen
bei Ersatzvornahme aufgrund eines baubehördlichen Bescheids, Fischereiaufsichtsorgane,
Jagdaufseher etc. – Auch beliehene Organe treten „hoheitlich” auf. | „in
Vollziehung der Gesetze” |
|
Rspr-Beispiele
für sog beliehene Unternehmer: | |
|
|
JBl 1991, 180: Automobilclub führt
Kfz-Überprüfungen nach § 57a KFG durch. | |
|
|
SZ 68/220 (1995): Schwertransportbegleitung.
| |
|
|
OGH 27. 3. 2001, 1 Ob 25/01k, EvBl 2001/159:
Versicherung deckt Explosionsschaden eines Dampfspeichers in einer Styroporfabrik ab
und klagt Bund (nach AHG) und den für die Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen
Prüfungen beliehenen Unternehmer ( § 1299 ABGB)
auf Schadenersatz wegen Verletzung von Prüfpflichten nach dem KesselG.
– OGH: Unterhält ein Geschädigter mit einem als juristischen Person
des Privatrechts organisierten beliehenen Unternehmen vertragliche
Beziehungen, die von diesem vorzunehmende hoheitliche Tätigkeiten
zum Gegenstand haben (hier: Werkvertrag über regelmäßige Überprüfung
der Dampfkessel), kann er sowohl den Rechtsträger im Wege der Amtshaftung,
als auch den Vertragspartner wegen Vertragsverletzung in
Anspruch nehmen. | |
|
|
§ 1 AHG | |
(1)
Der Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden, sonstige Körperschaften
des öffentlichen Rechts und die Träger der Sozialversicherung –
im folgenden Rechtsträger genannt – haften nach den Bestimmungen
des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der
Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung
der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten
wem immer schuldhaft zugefügt haben; dem
Geschädigten haftet das Organ nicht. Der Schaden ist nur
in Geld zu ersetzen. | |
(2) Organe im Sinne dieses
Bundesgesetzes sind alle physischen Personen, wenn sie in Vollziehung
der Gesetze (Gerichtsbarkeit oder Verwaltung) handeln, gleichviel,
ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt
sind, ob sie gewählte, ernannte oder sonstwie bestellte Organe sind
und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem
Recht zu beurteilen ist.” | |
|
Danach können keine Amtshaftungsansprüche aus Akten der Gesetzgebung abgeleitet
werden! | |
| Abbildung 12.56: Amtshaftung: 3-Personen-Verhältnis |
|
2. Gesetzliche
Voraussetzungen | |
Die Anwendung des AHG setzt also voraus, dass das Organ
eines Rechtsträgers ”hoheitlich” (= „in Vollziehung
der Gesetze”) aufgetreten ist und dabei ”rechtswidrig” und „schuldhaft” gehandelt
hat, wodurch einer (dritten) Person – die sich zB an diese Behörde
gewandt hatte, um ihre Angelegenheit / Ansprüche geltend zu machen
– Schaden entstanden ist. – Zugespitzt ließe sich
formulieren: Ein Rechtsträger des öffentlichen Rechts haftet nach
den Vorschriften des Privatrechts, wenn er hoheitlich
auftritt und dabei einem Privatrechtssubjekt Schaden zufügt. | |
Der Ersatzanspruch
besteht aber nicht, wenn der Geschädigte den Schaden durch ein Rechtsmittel oder
durch eine Beschwerde an den VwGH hätte abwenden können, was vom
Gericht auch ohne Einwendung des Beklagten (also amtswegig) zu prüfen
ist. – Ein offenkundig aussichtsloses Rechtsmittel muss aber zur
Wahrung des Amtshaftungsanspruchs nicht erhoben werden; SZ 71/7 (1998):
Formungültiges Testamtent einer unter Sachwalterschaft stehenden
Altenheimbewohnerin → Rspr-Beispiele:
Beispiele. | Rechtsmittel |
Es
wurde schon ausgeführt, dass das schädigende Organ dem Geschädigten
nicht persönlich haftet. Darin liegt ein wichtiger Schutz
des handelnden Organs, aber auch für Geschädigte bedeutet
dies einen Vorteil. – Ein Geschädigter hat sich nämlich an den Rechtsträger
zu halten. Dafür bestimmt § 8 Abs 1 AHG folgendes (sog Aufforderungsverfahren): | Aufforderungsverfahren |
„Der Geschädigte soll den Rechtsträger,
gegen den er den Ersatzanspruch geltend machen will, zunächst schriftlich auffordern
[Finanzprokuratur], ihm binnen einer Frist von drei Monaten eine
Erklärung zukommen zu lassen, ob er den Ersatzanspruch anerkennt
oder den Ersatz ganz oder zum Teil ablehnt.” | |
Zuständig für eine allenfalls in der Folge erhobene Klage
ist das Landesgericht in dessen Sprengel der Schaden zugefügt wurde. | |
| |
| |
Einen Spezialfall
der Amts- oder Staatshaftung regelt das Strafrechtliche
EntschädigungsG/ StEG 1969, BGBl 270. Danach hat der Bund
eine Entschädigung zu leisten, wenn jemandem durch eine gesetzwidrige,
strafgerichtliche Anhaltung oder Verurteilung vermögensrechtliche
Nachteile (Schaden) entstanden sind; sog Haftentschädigungen. | StEG 1969 |
Eine weitere
Sonderregelung enthält das Polizeibefugnis-EntschädigungsG /
PolBEG 1988, BGBl 735. Danach haftet der Bund für Schäden, die von
einem Organ der öffentlichen Sicherheitsdienste bei der Ausübung
von Zwangsbefugnissen unmittelbar verursacht worden sind. | PolBEG 1988 |
| |
| |
|
Discolärm:
Die Republik in Anspruch zu nehmen, beabsichtigt ein Hotel im Zentrum
von Wien, weil durch den Betriebslärm einer nahegelegenen Diskothek
die Gäste ausbleiben. Obwohl sich die Hotelbesitzer weder gegen
die Konzessionserteilung noch gegen den Betriebsanlagengenehmigungsbescheid gewehrt
hatten, stehen ihre Aussichten gar nicht schlecht. Seit 1992 muss
die Behörde auch bei bereits genehmigten Betriebsanlagen zusätzliche
oder andere Auflagen erteilen, wenn sich herausstellt, dass durch
die ursprünglich vorgeschriebenen Auflagen die Nachbarn nicht ausreichend
geschützt sind. Unterlässt dies die Behörde, besteht grundsätzlich
ein Amtshaftungsanspruch gegen die Republik Österreich. Mit dem
Urteil 1 Ob 107/97 k
vom 28.4.1998 hat der OGH deshalb die Rechtssache an das Gericht
erster Instanz zurückverwiesen. (Aus: Der Standard, 21.7.1998, Seite
22) | |
|
|
ZVR 1998/10: Amtshaftung – Schutzpflicht
gegenüber Häftlingen: Ergreift das Wachpersonal trotz des randalierenden
Verhaltens und weiterer Drohungen keine Sicherheitsmaßnahmen, so
wird die gehörige Sorgfalt zum Schutz von Mithäftlingen außer Acht
gelassen und diesen steht im Fall ihrer Verletzung oder bei Sachschäden
ein Amtshaftungsanspruch zu. | |
|
|
JBl 1999, 325:
Amtshaftung wegen Entweichenlassens eines gefährlichen Geisteskranken aus
einer psychiatrischen Klinik. Zum UbG → KAPITEL 4: Das
Unterbringungsgesetz 1990 . | |
|
|
JBl 2000, 179: Kein Unterlassungsanspruch
gegen eine staatliche Sektenwarnung (Sri
Chinmoy-Bewegung) – Eine staatliche Tätigkeit
wie die Information der Öffentlichkeit vor bestimmten „Sekten” ist
ein Realakt, der in einem engen inneren und äußeren Zusammenhang
mit der Pflicht des Staates zum Schutz der persönlichen Freiheit
seiner Bürger steht. Eine solche Tätgikeit liegt im öffentlichen
Interesse und ist als hoheitlich zu qualifizieren. – Es kommen die
Bestimmungen des AHG zur Anwendung, die aber Unterlassungs- und
Widerrufsansprüche sowohl gegen das Organ als auch den Rechtsträger
[selbst bei Rechtswidrigkewit der Maßnahme angeblich!] ausschließen.
Die damit verbundene Rechtsschutzlücke (?) entzieht sich [angeblich?!]
einer Schließung durch die Rspr-Organe (Anm Kalb). | |
|
| |
|
SZ 71/7 (1998): Ein die Amtshaftung
auslösendes Organverschulden liegt vor, wenn der Richter bei mündlicher,
gerichtlicher Testamentserrichtung einer unter Sachwalterschaft
stehenden Person höchstrichterliche veröffentlichte Rspr nicht beachtet,
sodass das Testament wegen eines Formfehlers ungültig ist. | |
|
|
OGH 22. 2. 2000, 1 Ob 14/00s, SZ 73/34:
Die Kläger erwarben eine Liegenschaft in Kärnten, zu deren Gutsbestand
eine Baufläche mit Haus gehörte; dieses befand
sich innerhalb der „roten Zone” des Gefahrenzonenplans,
die für Siedlungszwecke ungeeignet ist. Dies war jedoch im Flächenwidmungsplan der
beklagten Gemeinde nicht ersichtlich gemacht. Auch der Gemeindesekretär
erklärte dem Käufer auf dessen Rückfrage, es liege „alles in der
‚gelben Zone’” und es seien keine „Auflagen zu befürchten”. Als
sich der tatsächliche Sachverhalt herausstellt, klagt der Käufer
die Gemeinde auf Schadenersatz. – OGH: Behördliche Auskünfte bezwecken
den Schutz wirtschaftlicher Dispositionen des Auskunftswerbers;
dieser hat daher ein subjektives öffentliches Recht auf Erteilung
einer der Sache nach richtigen Auskunft. Bezieht sich die Auskunft
auf eine hoheitlich zu vollziehende Verwaltungsmaterie, ist auch
der Realakt der Auskunft selbst
eine Maßnahme hoheitlicher Verwaltung; daher Anwendbarkeit des
AHG. | |
|
|
OGH 6. 10. 2000, 1 Ob 12/00x, SZ 73/150 = JBl 2001, 322
= EvBl 2001/51: Deutscher will in Österreich Handelsagentur
betreiben und kauft dazu ein Haus am Achensee.
Die BH Schwaz erteilt die grundverkehrsgesetzlich notwendige Zustimmung
nicht und verstieß damit gegen EU-Recht. Erst die Landes-Grundverkehrsbehörde
gab dem Deutschen Recht. Er klagt das Land Tirol auf Ersatz der
Vertretungskoten im Verfahren vor der Grundverkehrsbehörde. – OGH:
Ein Amtshaftungsanspruch kann auch dann entstehen, wenn ein Organ
eines Rechtsträgers in Österreich unmittelbar anzuwendendes Gemeinschaftsrecht vorwerfbar
nicht oder nicht richtig anwendet. Die zum Schadenersatz führende
Vorwerfbarkeit kann dabei auch in der Nichtbeachtung der ständigen
Rspr des EuGH liegen. | |
|
| Abbildung 12.57: Amtshaftungsgesetz – Beispiele |
|
III. Die
Organhaftung – OrgHG 1967 | |
Am Beginn dieses Exkurses
wurde darauf hingewiesen, dass das D(N)HG 1965 dann nicht gilt, wenn
Arbeitnehmer als Organe eines hoheitlichen / öffentlichrechtlichen
Rechtsträgers Schaden zufügen. – Das OrgHG gelangt gerade in jenen
Fällen zur Anwendung, wenn ein Organ seinen Rechtsträger „unmittelbar”
schädigt, ohne dass davon eine dritte Person betroffen ist; sonst
greift ja das AHG! Während
D(N)HG und AHG beide Schadensdimensionen (wenngleich mit unterschiedlichen
Rechtsfolgen) umfassen, nämlich die Ebenen: Arbeitgeber – Arbeitnehmer
+ Arbeitnehmer – Dritter, behandelt das OrgHG nur den ersten Bereich.
Inhaltlich sind alle drei Gesetze mittlerweile „harmonisiert”; vgl
§ 3 Abs 1 OrgHG mit § 2 D(N)HG. | |
| Abbildung 12.58: Organhaftung: DN-Haftung der Beamten |
|
|
§ 1 OrgHG | |
(1) Personen, die als Organe des Bundes ...handeln,
haften ... für den Schaden am Vermögen, den sie dem Rechtsträger,
als dessen Organ sie gehandelt haben, in Vollziehung der Gesetze
durch ein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten unmittelbar zugefügt
haben. Der Schaden ist nur in Geld zu ersetzen.” | |
(2) Organe sind alle physischen Personen, wenn
sie in Vollziehung der Gesetze (Gerichtsbarkeit oder Verwaltung)
handeln, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für
den einzelnen Fall bestellt sind, ob sie gewählte, ernannte oder
sonstwie bestellte Organe und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger
nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist.” – Wie
im AHG! | |
|
|
§ 2 OrgHG | |
(1) Ein Ersatzanspruch ...besteht nicht, wenn
der Rechtsträger den Schaden durch Rechtsmittel oder
durch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den
Verwaltungsgerichtshof oder durch sonst eine gesetzlich begründete
Maßnahme hätte abwenden können.” | |
(2) Von einem Organ kann kein Ersatz wegen einer
Handlung begehrt werden, die auf einer entschuldbaren Fehlleistung
beruht oder auf Weisung (Auftrag, Befehl) eines Vorgesetzten erfolgt
ist, es sei denn, das Organ hätte die Weisung eines
offenbar unzuständigen Vorgesetzen befolgt oder in Befolgung dieser Weisung
gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen.” | |
|
|
§ 3 Abs 1 OrgHG | |
Beruht die Schädigung, ... auf einem Versehen,
so kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit den Ersatz mäßigen oder,
sofern der Schaden durch einen minderen Grad des Versehens zugefügt
worden ist, auch ganz erlassen.” | |
|
IV. Schadenersatz
und Sozialversicherung: Der Arbeitsunfall | |
Vgl das eingangs zur „Arbeitnehmerhaftung
iwS“ Gesagte. – Der enge Zusammenhang der in der Folge geschilderten
– vom „Normalfall” abweichenden – Haftungsnormen mit dem Arbeitsverhältnis,
macht es vertretbar, diese Rechtsbeziehungen nicht wie üblich im
Schadenersatzrecht, sondern im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag
darzustellen. – Die Haftungsbeziehung: Arbeitgeber–Arbeitnehmer
ist zudem eminent wichtig für die Praxis. | |
| |
| Abbildung 12.59: Die österreichische Sozialversicherung |
|
1. Kein
direkter Ersatzanspruch von Arbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber
bei Arbeitsunfällen | |
Die
angesprochene Sonder(haftungs)regelung des ASV bewirkt vor allem
den Ausschluss (direkter) Schadenersatzansprüche von Arbeitnehmern
gegen ihre Arbeitgeber, wodurch dem Betriebsfrieden gedient werden
soll. Nur bei vorsätzlicher Schadenszufügung durch den Arbeitgeber
verbleibt es bei der direkten Haftung des Arbeitgebers → Das
Arbeitgeberhaftungsprivileg –
Der Übergang des Ersatzanspruchs des Arbeitnehmers (gegen seinen
Arbeitgeber) auf den Sozialversicherungsträger mittels Legalzession bedeutet
für Arbeitnehmer in Bezug auf die Anspruchsdurchsetzungsmöglichkeit
eine erhöhte Sicherheit, denn vom Sozialversicherungsträger erlangt
er mit Gewissheit Entschädigung, während zB der Arbeitgeber insolvent
werden kann. Die Regelung stellt historische Erfahrungen in Rechnung!
– Vgl aber auf der anderen Seite den weitgehenden Verlust von Schmerzengeldansprüchen → Kein
Schmerzengeld
| Legalzession |
Von großer Bedeutung in diesem Zusammenhang
ist der Begriff des Arbeitsunfalls, der deshalb kurz
behandelt wird. | Begriff
des Arbeitsunfalls |
Legaldefinition
des Arbeitsunfalls: Arbeitsunfälle sind nach §
175 Abs 1 ASVG „Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und [!]
ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden
Beschäftigung ereignen”. | Legaldefinition |
| |
| |
Ein Unfall ist
ein „zeitlich begrenztes (von außen einwirkendes) Ereignis, das
zu einer Körperschädigung führt”; Rspr. Diese Definition dient der
Abgrenzung zur Krankheit, andrerseits werden aber die Berufskrankheiten
kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung miteinbezogen. | Unfallbegriff |
Um die Vielfalt des Arbeitslebens legistisch einzufangen,
kam es zu dieser kasuistischen Ausweitung des gesetzlichen UV-Schutzes
über die Generalklausel des Abs 1 des § 175 ASVG hinaus. Das war
auch deshalb nötig und ist nicht zu tadeln, weil damit die Rspr
unterstützt und größere Rechtssicherheit geschaffen wird. | |
| |
|
§ 175 ASVG | |
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle, die sich im
örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die
Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. | |
(2) Arbeitsunfälle sind auch Unfälle, die sich
ereignen: | |
1. auf einem mit der Beschäftigung nach Abs.
1 zusammenhängenden Weg zur oder von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte
[sog Wegunfälle ]; hat der Versicherte wegen der
Entfernung seines ständigen Aufenthaltsortes von der Arbeits(Ausbildungs)stätte
auf dieser oder in ihrer Nähe eine Unterkunft, so wird die Versicherung
des Weges von oder nach dem ständigen Aufenthaltsort nicht ausgeschlossen; | |
2. auf einem Weg von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte
oder der Wohnung zu einer Untersuchungs- oder Behandlungsstelle
(wie freiberuflich tätiger Arzt, Ambulatorium, Krankenanstalt) zur
Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe (§ 135), Zahnbehandlung (§ 153)
oder der Durchführung einer Vorsorge(Gesunden)untersuchung (§ 132b)
und anschließend auf dem Weg zurück zur Arbeits(Ausbildungs)stätte
oder zur Wohnung, sofern dem Dienstgeber oder einer sonst zur Entgegennahme
von solchen Mitteilungen befugten Person der Arztbesuch vor Antritt
des Weges bekanntgegeben wurde, ferner auf dem Weg von der Arbeits-
oder Ausbildungsstätte oder von der Wohnung zu einer Untersuchungsstelle,
wenn sich der Versicherte der Untersuchung auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift
oder einer Anordnung des Versicherungsträgers oder des Dienstgebers
unterziehen muss und anschließend auf dem Weg zurück zur Arbeits(Ausbildungs)stätte
oder zur Wohnung; … | |
3. bei häuslichen oder anderen Tätigkeiten,
zu denen der Versicherte durch den Dienstgeber oder dessen Beauftragten
herangezogen wird; | |
4. bei häuslichen und anderen Tätigkeiten des
Versicherten im Zusammenhang mit der Gewinnung und Verarbeitung
von Produkten, die ihm vom Dienstgeber als Sachbezüge gewährt werden;
… | |
5. bei einer mit der Beschäftigung zusammenhängenden
Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung und Erneuerung des Arbeitsgerätes,
auch wenn dieses vom Versicherten beigestellt wird; … | |
6. bei einer mit der Beschäftigung zusammenhängenden
Inanspruchnahme von gesetzlichen beruflichen Vertretungen oder Berufsvereinigungen;
… | |
7. auf einem Weg von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte,
den der Versicherte zurücklegt, um während der Arbeitszeit, einschließlich
der in der Arbeitszeit liegenden gesetzlichen sowie kollektivvertraglich oder
betrieblich vereinbarten Arbeitspausen, in der Nähe der Arbeits-
oder Ausbildungsstätte oder in seiner Wohnung lebenswichtige persönliche
Bedürfnisse zu befriedigen, anschließend auf dem Weg zurück zur
Arbeits- oder Ausbildungsstätte sowie bei dieser Befriedigung der
lebensnotwendigen Bedürfnisse, soferne sie in der Nähe der Arbeits-
oder Ausbildungsstätte, jedoch außerhalb der Wohnung des Versicherten
erfolgt; … | |
8. auf einem mit der unbaren Überweisung des
Entgelts zusammenhängenden Weg von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte
oder der Wohnung zu einem Geldinstitut zum Zweck der Behebung des
Entgelts und anschließend auf dem Weg zurück zur Arbeits- oder Ausbildungsstätte
oder zur Wohnung; … | |
9. auf einem Weg zur oder von der Arbeits- oder
Ausbildungsstätte, der im Rahmen einer Fahrgemeinschaft von Betriebsangehörigen
oder Versicherten zurückgelegt worden ist, die sich auf einem in
der Z 1 genannten Weg befinden; … | |
10. auf einem Weg eines (einer) Versicherten
zur oder von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte (Z 1) zu einem
Kindergarten (Kindertagesstätte, fremde Obhut) oder zu einer Schule,
um das Kind (§ 252 Abs. 1) oder den Schüler (die Schülerin) (§ 8
Abs. 1 Z 3 lit. h) eines (einer) Versicherten dorthin zu bringen oder
von dort abzuholen, wenn dem (der) Versicherten die gesetzliche
Aufsicht obliegt. … | |
(3) In einem land- oder forstwirtschaftlichen
Betrieb gelten als Arbeitsunfälle auch Unfälle, die sich ereignen: | |
1. bei der Arbeit im Haushalt des Betriebsinhabers
oder der Dienstnehmer, wenn der Haushalt dem Betrieb wesentlich
dient; | |
2. bei der Arbeit in der Land- oder Forstwirtschaft
und im Haushalt der ständig im Betrieb beschäftigten Dienstnehmer,
die als Entgelt vom Betriebsinhaber Grundstücke oder sonstige Betriebsmittel
zur eigenen land(forst)wirtschaftlichen Erzeugung erhalten und aus
dieser Erzeugung einen wesentlichen Teil ihres Unterhaltes bestreiten; | |
3. Aufgehoben. … | |
4. bei Arbeiten, die im Zusammenhang mit der
Errichtung, dem Umbau und der Reparatur von Gebäuden, die dem land(forst)wirtschaftlichen
Betrieb dienen, verrichtet werden, sowie bei Arbeiten im Rahmen der
Nachbarschaftshilfe für einen anderen land(forst)wirtschaftlichen
Betrieb. … | |
(4) In der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs.
1 Z 3 lit. h und i sind Arbeitsunfälle Unfälle, die sich im örtlichen,
zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung
begründenden Schul(Universitäts)ausbildung ereignen. Abs.
2 Z 1, 2, 5, 6, 7 und 9 sowie Abs. 6 sind entsprechend anzuwenden.
… | |
(5) In der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs.
1 Z 3 lit. h und i gelten als Arbeitsunfälle auch Unfälle, die sich
ereignen: | |
1. bei der Teilnahme an Schulveranstaltungen im
Sinne der §§ 1 und 2 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht
und Kunst, BGBl. Nr. 369/1974, an gleichartigen Schulveranstaltungen
an anderen vom Geltungsbereich der zitierten Verordnung nicht erfassten
Schularten sowie an schulbezogenen Veranstaltungen gemäß § 13a des
Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/1986; … | |
2. bei der Ausübung einer im Rahmen des Lehrplanes
bzw. der Studienordnung vorgeschriebenen oder üblichen praktischen
Tätigkeit. … | |
(6) Verbotswidriges Handeln schließt
die Annahme eines Arbeitsunfalles nicht aus. … | |
|
| Abbildung 12.60: Schadenersatz und Sozialversicherung |
|
| Abbildung 12.61: 1. Legalzession |
|
| Abbildung 12.62: 2. Arbeitgeber-Privileg |
|
| Abbildung 12.63: 3. Arbeitgeber-Privileg |
|
| Abbildung 12.64: 4. Integritätsabgeltung |
|
| Abbildung 12.65: 5. Integritätsabgeltung |
|
| Abbildung 12.66: 6. Sozialversicherungsträger-Regreß |
|
| Abbildung 12.67: 7. Arbeitskollegenhaftung/1 |
|
| Abbildung 12.68: 8. Arbeitskollegenhaftung/2 |
|
| Abbildung 12.69: 9. Einfache Beispiele |
|
| Abbildung 12.70: 10. Die gesetzliche Unfallversicherung/1 |
|
| Abbildung 12.71: 11. Die gesetzliche Unfallversicherung/2 |
|
| Abbildung 12.72: 12. Die gesetzliche Unfallversicherung/3 |
|
| Abbildung 12.73: 13. Legaldefinition des Arbeitsunfalls |
|
Erleidet
jemand einen Arbeitsunfall /AU (Tötung oder Körperverletzung)
und steht dem Verletzten (gegen den Schädiger) ein Ersatzanspruch für
den zugefügten Körperschaden „auf Grund anderer Vorschriften” (zB
ABGB, EKHG, DNHG) zu, so geht dieser Ersatzanspruch auf
den Sozialversicherungsträger über, „insoweit ..., dieser
Leistungen zu erbringen hat”; das ist die sog Legalzession = gesetzlicher
Forderungsübergang → KAPITEL 14: Die
Legalzession.
Konkret geht zB der Schadenersatzanspruch eines Arbeitnehmers (AN)
gegen seinen Arbeitgeber (AG) auf den Sozialversicherungsträger
(SozVersTr) über. | Legalzession des § 332 ASVG |
| |
|
§ 332 ASVG | |
„(1) Können Personen, denen nach den Bestimmungen
dieses Bundesgesetzes Leistungen zustehen oder für die als Angehörige
gemäß § 123 Leistungen zu gewähren sind, den Ersatz des Schadens,
der ihnen durch den Versicherungsfall erwachsen ist, auf Grund anderer
gesetzlicher Vorschriften beanspruchen, geht der Anspruch auf den
Versicherungsträger insoweit über, als dieser Leistungen zu erbringen
hat. …” | |
|
2. Eigenverschulden
von Arbeitnehmern | |
Erwähnt werden soll noch, dass der jeweilige
Sozialversicherungsträger einen Arbeitsunfall auch dann entschädigt
– und zwar voll!, wenn der Schaden auf Eigenverschulden des Arbeitnehmers zurückzuführen
ist; und zwar sowohl bei leichter wie grober Fahrlässigkeit. Nur
vorsätzliche (Selbst)Schädigung schließt einen Ersatz aus. | |
| |
Ein Wermutstropfen für Arbeitnehmer
besteht allerdings darin, dass das Sozialversicherungsrecht kein
volles Schmerzengeld iSd Zivilrechts (§ 1325 ABGB) kennt; ein unzureichender
Ersatz ist die sog Integritätsabgeltung nach §
213a ASVG. | Nur
Integritätsabgeltung |
Der Weg auf dem dies erreicht wird, ist etwas
vertrackt. Ansprüche auf Schmerzengeld gehen nämlich nicht auf den Sozialversicherungsträger
über; § 332 Abs 1 Satz 1 ASVG. Sie können nach § 333 Abs 1 Satz
1 ASVG aber auch nicht gegen den Arbeitgeber geltend gemacht werden;
sog Arbeitgeberprivileg → Das
Arbeitgeberhaftungsprivileg
| |
Als Teilersatz für den lange völlig fehlenden immateriellen
Ersatz des Schmerzengeldes wurde 1990 die sog Integritätsabgeltung
geschaffen. Sie ist eine einmalige Geldleistung als Entschädigung
für ideelle Beeinträchtigungen bei grob fahrlässiger Missachtung
von Arbeitnehmer-Schutzvorschriften bei erheblicher und dauernder
Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Unversehrtheit
/ Integrität. – Diese zu sehr eingeschränkte Lösung, die in der Praxis
kaum eine Rolle spielt, ist nur ein Schritt in die richtige Richtung! | |
4. Das
Arbeitgeberhaftungsprivileg | |
Da der Arbeitgeber in der gesetzlichen
Unfallversicherung allein die Versicherungsbeiträge bezahlt, wurde
ihm die Haftung auf der Ebene leichter Fahrlässigkeit völlig
erlassen; vgl schon → Kein
direkter Ersatzanspruch von Arbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber
bei Arbeitsunfällen Man
spricht von Arbeitgeber-(Haftungs)Privileg. – Ab grob fahrlässiger
Schadensverursachung des Arbeitsunfalls durch den Arbeitgeber besteht
aber ein Regressanspruch seitens des Sozialversicherungsträgers. | Arbeitgeber
zahlt Beiträge, daher … |
| |
|
§ 333 ASVG | |
(1) Der Dienstgeber ist dem Versicherten zum
Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper
infolge eines Arbeitsunfalles oder durch eine Berufskrankheit entstanden
ist, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall (die Berufskrankheit)
vorsätzlich verursacht hat. Diese Einschränkung gilt auch gegenüber
den Hinterbliebenen des Versicherten, wenn dessen Tod auf die körperliche
Verletzung infolge des Arbeitsunfalles oder auf die Berufskrankheit
zurückzuführen ist. | |
(2) Hat der Dienstgeber den Arbeitsunfall (die
Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht, so vermindert sich der
Schadenersatzanspruch des Versicherten oder seiner Hinterbliebenen
um die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. | |
(3) Die Bestimmungen der Abs. 1 und 2 sind,
unbeschadet der Bestimmungen des § 477, nicht anzuwenden, wenn der
Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für dessen
Betrieb auf Grund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht
besteht. Der Dienstgeber haftet nur bis zur Höhe der aus einer bestehenden
Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme,
es sei denn, dass der Versicherungsfall durch den Dienstgeber vorsätzlich
verursacht worden ist. (BGBl. Nr. 642/1989, Art. V Z 2 lit. a und
b) – 1.1.1990. | |
(4) Die Bestimmungen der Abs. 1 und 2 gelten
auch für Ersatzansprüche Versicherter und ihrer Hinterbliebenen
gegen gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter des Unternehmers
und gegen Aufseher im Betrieb. (BGBl. Nr. 13/1962, Art. V Z 10)
– 1.1.1962. | |
|
Das
Arbeitgeberprivileg § 333 ASVG: Der Arbeitgeber haftet dem geschädigten
Arbeitnehmer (seinen Hinterbliebenen) unmittelbar/direkt nur bei
Vorsatz; Abs1. Das Privileg gilt auch für gesetzliche und bevollmächtigte Vertreter
des Unternehmers und sog Aufseher im Betrieb:
Abs 4; zB Prokurist, Abteilungsleiter, sogar Fahrer eines Lastzuges.
Es gilt auch für Leistungen über die gesetzliche Unfallversicherung
hinaus; der Arbeitgeber haftet auch nicht für Schmerzengeldansprüche;
§ 332 Abs 1 letzter Satz iVm § 333 Abs 1 Satz 1 ASVG. Es besteht
aber uneingeschränkte Haftung des Arbeitgebers bei gesetzlicher
Haftpflichtversicherung bei Kfz-Unfällen bis zur Höhe der Versicherungssumme;
Abs 3. Ein Rückgriff des Sozialversicherungsträgers gegen Arbeitgeber ist
erst ab grober Fahrlässigkeit möglich; § 334 ASVG. Worin liegt die
Rechtfertigung? Es zählt das Argument des Betriebsfriedens ! Die
Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung soll, gerade auch nach Unfällen,
nicht durch Prozesse gestört werden! Der Arbeitgeber zahlt die Unfallversicherungsbeiträge
allein. Dies schützt ihn – und den Aufseher im Betrieb etc – vor
einem Sozialversicherungsträger-Regress bei bloß leicht fahrlässiger
Arbeitnehmer-Schädigung. | § 333 ASVG:
Aufseher im Betrieb etc |
Ein kleiner
Systemfehler liegt darin, dass Sachschäden von Arbeitnehmern gegen
ihren Arbeitgeber nach wie vor direkt geltend gemacht werden können;
das unterläuft das Betriebsfriedensargument! Umstritten ist (nach
wie vor) der Verlust des Schmerzengeldanspruchs von Arbeitnehmern;
vgl aber nunmehr die Integritätsabgeltung. | |
| |
|
§ 334 ASVG | |
(1) Hat der Dienstgeber oder ein ihm gemäß §
333 Abs. 4 Gleichgestellter den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit
vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verursacht, so hat er
den Trägern der Sozialversicherung alle nach diesem Bundesgesetz
zu gewährenden Leistungen zu ersetzen. Dies gilt nicht in den Fällen
von Leistungen nach § 213a. (BGBl. Nr. 642/1989, Art. V Z 2 a) –
1.1.1990. | |
(2) § 328 ist auf Ersatzansprüche für Krankenbehandlung
(§§ 133 bis 137) oder für Unfallheilbehandlung (§§ 135 bis 137 in
Verbindung mit § 189) entsprechend anzuwenden. (BGBl. Nr. 31/1973,
Art. V Z 14) – 1.1.1973. | |
(3) Durch ein Mitverschulden des Versicherten
wird die Haftung gemäß Abs. 1 weder aufgehoben noch gemindert. | |
(4) Der Träger der Unfallversicherung kann als
Ersatz für eine von ihm zu gewährende Rente deren Kapitalswert (§
184) fordern. | |
(5) Hat der Dienstgeber oder ein ihm gemäß §
333 Abs. 4 Gleichgestellter den Arbeitsunfall nicht vorsätzlich
herbeigeführt, so kann der Träger der Sozialversicherung auf den
Ersatz ganz oder teilweise verzichten, wenn die wirtschaftlichen
Verhältnisse des Verpflichteten dies begründen. | |
|
Der Regress des Sozialversicherungsträgers richtet
sich gegen den Arbeitgeber (§ 334 Abs 1 ASVG) oder Arbeitskollegen des
Geschädigten (§ 332 Abs 5 lit a ASVG), die zur Zeit des Unfalls „in
demselben Betrieb” beschäftigt sind oder wenn der Versicherungsfall
durch ein Verkehrsmittel mit erhöhter gesetzlicher Haftpflichtversicherung
herbeigeführt wird; § 332 Abs 5 lit b ASVG. – Der Sozialversicherungsträger
kann die kraft Gesetzes auf ihn übergegangenen Ansprüche im Regressweg
geltend machen, soweit er Leistungen erbracht hat. Voraussetzung
ist grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Der Anspruch richtet sich. | Regress des
Sozialversicherungsträgers |
5. Die sog Arbeitskollegenhaftung | |
Was passiert, wenn
ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit nicht vom Arbeitgeber,
sondern von einem/r Arbeitskollegen/in herbeigeführt wurde? Auch
dieser Anspruch des Verletzten gegen den Arbeitskollegen geht auf
den Sozialversicherungsträger nach § 332 Abs 1 iVm § 332 Abs 5 ASVG
über, wenn der Sozialversicherungsträger Leistungen erbringen muss.
Das bedeutet, dass der verletzte Arbeitnehmer gewisse Ansprüche
grundsätzlich nicht mehr direkt gegen seine/n Arbeitskollegen/in
durchsetzen kann; Argument: Betriebsfrieden. | |
Beim Geschädigten (Arbeitnehmer) verbleiben hier jedoch
(!): | |
• die Schmerzengeld-
und | |
•
Sachschädenansprüche, | |
weil die Sozialversicherung keine derartigen Leistungen
erbringt und – anders als gegen den Arbeitgeber (!) – auch die Geltendmachung
nicht ausgeschlossen ist; zB Kleidung, Uhr. | |
Umstritten war, ob der geschädigte Arbeitnehmer
„seine” Ansprüche gegen seine/n Arbeitskollegen/in überhaupt durchsetzen
kann oder ob die haftungsreduzierenden Gedanken des D(N)HG auch
hier Anwendung finden sollen. Der OGH (Arb 9703 und 9704; dazu kritisch
Grillberger DRdA 1979, 219) entschied, dass die Ansprüche voll durchsetzbar
sind und hier nach dem D(N)HG keine Haftungsbeschränkung unter Arbeitskollegen
besteht. | |
6. Vorbild: Bismarcks
Arbeiter(unfall)versicherung | |
Historisch beruht unsere Regelung auf der Bismarckschen
Arbeiterunfallversicherung 1884, die Österreich 1887, wenngleich
etwas modifiziert, übernommen hat. | |
| |
Die
gesetzliche Unfallversicherung schützt bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
und ist nicht mit der privaten Unfallversicherung zu verwechseln!
Rechtsgrundlage bilden die §§ 172 ff ASVG. Der Schutz der gesetzlichen
Unfallversicherung „greift” automatisch mit Aufnahme einer versicherungsgeschützten
Tätigkeit; es ist kein Abschluss eines Versicherungsvertrags – wie
bei privaten Versicherungen – nötig! Es erfolgt eine Haftungsverlagerung
vom Arbeitgeber auf den Sozialversicherungsträger; Arbeitgeber-Privileg.
Gleichzeitig wird der Arbeitnehmer besser gestellt: das Eigenverschulden
spielt erst ab Vorsatz eine Rolle. | |
...Das Unfallversicherungs-Konzept
umfasst insgesamt: | UV-Konzept umfasst |
•
Schadensausgleich /
Kompensation und | |
•
Schadensprävention iSv Unfallverhütung. | |
Allgemein zum Schadensausgleichs- und zum
Präventionsgedanken → KAPITEL 9: ¿Warum¿
ist Schaden zu ersetzen?.
Das Schadenspräventionskonzept der gesetzlichen Unfallversicherung
ist vorbildlich und hat die Zahl der Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
drastisch gesenkt. | |
Die gesetzliche Unfallversicherung statuiert
eine verschuldensunabhängige Gefährdungs(Haftung)
neuen
Typs. Dieses Modell ist als (betriebliche) Innenhaftung konzipiert
und betrifft grundsätzlich die Beziehung Arbeitgeber <-> Arbeitnehmer
sowie des jeweiligen Sozialversicherungsträgers zu diesen Personen.
Die Arbeitnehmer erhalten ihre Versicherungsleistung (durch den
Sozialversicherungsträger) auch dann, wenn sie den Unfall durch
eigenes (leicht oder grob fahrlässiges) Verhalten herbeigeführt
haben (Eigenverschulden); nur vorsätzliches Herbeiführen des Versicherungsfalles
führt zur Leistungsfreiheit des Versicherers. | Art
der Haftung? |
| |
G. Die Gesellschaft
bürgerlichen Rechts |
Die §§ 1175-1216
ABGB handeln von der „Erwerbsgesellschaft”, die wir heute Gesellschaft
bürgerlichen Rechts/GesbR nennen. Gschnitzer bezeichnet sie zu recht
als „Mutterboden für ein hochentwickeltes Gesellschaftsrecht, das
jetzt im Handelsrecht beheimatet” ist. – Allein der Anwendungsbereich
der GesbR ist nach wie vor ein vielfältiger, mag auch die beträchtlich
an Bedeutung verloren haben. |
Erwerbsgesellschaft |
Sie reicht immer noch von der Strassenbaulos-ARGE,
über Bürgerinitiativen und verschiedene Interessengemeinschaften
(zB von Mietern oder Wohnungseigentümern), bis zu den Bauwerbern
eines Selbstbauprojektes. Und (mehrere) Banken bedienen sich der
GesbR, wenn sie gemeinsam Wertpapiere begeben oder ein Kreditkonsortium gründen,
um Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Land- und Forstwirte greifen
auf diese Rechtsform zurück, wenn sie Maschinen- oder Transportringe
udgl bilden. Dasselbe gilt für Musikgruppen, die sich lose zusammenschließen wollen
oder Geschäftsleute die einen rechtlichen Rahmen suchen, um gemeinsame
(Werbe)Aktionen durchzuführen; zB eine gemeinsame Weihnachtsbeleuchtung;
vgl auch SZ 44/123 (1971): Schischule G in Vlbg und SZ 53/9 (1980): Jagdgesellschaft.
Oder den Sachverhalt von JBl 2002, 458: Liegenschaftseigentümer
schliessen einen Gesellschaftsvertrag, um einen Abverkauf von Liegenschaften
an dritte Personen zu verhindern | |
§
1216 ABGB wollte die Vorschriften der GesbR noch (subsidiär) auf
die Handelsgesellschaften angewandt wissen. Die Einführung des dtHGB
im Jahre 1938 hat dem aber für die Personengesellschaften einen
Riegel vorgeschoben (vgl Art 7 EVHGB) und die Kapitalgesellschaften
brauchen wegen ihrer detaillierten Regelungen diese Regeln nicht mehr. | |
I. Geschichte,
Wesen, Abgrenzungen | |
| |
Das
ABGB unterscheidet, dem römischen Recht folgend, zwischen Gemeinschaft/communio incidens
und Gesellschaft / societas und regelt die beiden Rechtsinstitute
in den §§ 825 ff und 1175 ff. – Die Gesellschaft entsteht, als gewollter
Zusammenschluß mehrerer Personen, durch Vertrag; die
Gemeinschaft dagegen unabhängig vom Willen der Beteilgten durch
Gesetz. Typisch und häufig für letztere ist die Erben-, als (Mit)Eigentumsgemeinschaft;
zB Geschwister erben nach dem Tod eines Elternteils ein Haus. –
Man kann auch sagen: die Gesellschaft entsteht (privat)autonom durch
Vertrag der Gesellschafter, die Gemeinschaft dagegen heteronom durch
Regeln des Gesetzes. | Gemeinschaft oder Gesellschaft |
Aber nicht alles , was auf Vertrag beruht, folgt
deshalb schon den Regeln der GesbR; denn für die eheliche
Gütergemeinschaft gelten die Vorschriften der §§ 1233-1236
ABGB und die Rspr nimmt bei blosser Beteiligung eines Arbeitnehmers
am Gewinn eines Unternehmens kein Gesellschaftsverhältnis
an; vgl EvBl 1974/51 und § 14 AngG. Auch wenn ein (Ehe)Paar gemeinsam
zB ein Haus kaufte, wurde häufig nur eine Gemeinschaft und keine Gesellschaft
angenommen, obwohl dem Erwerbsakt ein gemeinsamer Vertragsschluss
zugrunde liegt. Die Rspr hat hier aber wenigstens zum Teil umgedacht;
vgl JBl 1988, 516: Lebensgemeinschaft als GesbR.
Für Ehepaare kommt eine GesbR aber überhaupt erst
dann in Betracht, wenn die von ihnen erbrachten Leistungen über
die eheliche Beistandspflicht des § 90 ABGB hinausgehen.
– Zu restriktiv MietSlg 9579 (1962): Mehrere Mitbenützer einer
Wohnung, von denen nur einer Hauptmieter ist, vereinbaren,
dass ihnen im Innenverhältnis gleiche Rechte (wie Hauptmietern)
zustehen sollen. OGH betrachtet das Rechtsverhältnis zwischen den
Mitbenützern als Gemeinschaft. Richtiger wäre hier eine Innengesellschaft
anzunehmen gewesen. | |
| |
Die GesbR ist nach hA keine juristische Person und
daher auch nicht auf Mitgliederwechsel angelegt, wenngleich sie
einen solchen auch nicht ausschliesst. Sie begründet demnach kein
von den Mitgliedern gesondertes rechtliches Eigenleben, sondern
bloß ein Schuldverhältnis auf Dauer (DSchV) zwischen den Gesellschaftern. | |
Daher kommt es nach Aufnahme der Gesellschaftstätigkeit
im Falle der Auflösung oder Anfechtung des Gesellschaftsvertrags
zu einer ex nunc-Lösung und nicht zu einer solchen ex tunc; vgl
§ 218 Abs 2 AktG. | |
Die Gesellschafter gründen die Gesellschaft nicht dazu,
um gegenseitig Leistungen auszutauschen, sondern um ihre unterschiedlichen
Beiträge (Geld, Sacheinlagen, Gebrauchs- und Benützungsrechte, Arbeitsleistungen,
Zurverfügungstellen von Know-How etc) einem gemeinsamen Zweck zu
widmen →
Gesellschaftsvermögen
| |
Dieser Zweck kann sowohl ein | |
•
wirtschaftlicher,
aber auch ein | |
• sog idealer, also ein nicht
wirtschaftlicher sein. | |
|
SZ 24/87 (1951): Auch eine Gesellschaft,
die vorwiegend ideelle Zwecke verfolgt, ist unter
§ 1175 ABGB zu subsumieren. | |
|
Der angestrebte
gemeinsame Zweck verlangt daher von der Gesellschaft, die gemeinsamen Angelegenheiten
getrennt von denen der einzelnen Mitglieder zu behandeln. Schon
bei der GesbR ist daher zwischen Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftsschulden
und dem (Privat)Vermögen und den Schulden der Mitglieder zu unterscheiden.
Das für die Haftung juristischer Personen wichtige Trennungsprinzip ist
bei der GesbR aber noch nicht durchgeführt → KAPITEL 4: Haftung. | Trennungsprinzip |
Auch
die Gemeinschaftsorganisation ist noch unentwickelt,
was aber im (kautelarjuristischen) Gesellschaftsvertrag verbessert
werden kann. | Gemeinschaftsorganisation? |
| |
Die GesbR ist von verschiedenen ähnlichen rechtlichen Gebilden
abzugrenzen. – Nämlich: | |
• der stillen
Gesellschaft
→ KAPITEL 3: Abgrenzungen
des Darlehens (Darlehen
„partiarisch”)… | |
• dem partiarischen Darlehen vgl ebendort (Darlehen
„partiarisch”)… | |
• der Teilpacht (§ 1103 ABGB)
sowie | |
• den bloß gewinnbeteiligten Angstellten nach
§ 14 AngG. | |
Diese können aber Gesellschafter sein, wenn ihnen Einfluss
auf die Betriebsführung, Kontrollrechte sowie eine Beteiligung an
Gewinn und Verlust eingeräumt werden, selbst wenn sie als Einlage
in die Gesellschaft nur Arbeitsleistungen und kein Kapital einbringen. | |
| |
II. Der Gesellschaftsvertrag | |
Wie erwähnt, entsteht die GesbR durch Vertrag und unterscheidet
sich dadurch von der Gemeinschaft. Die bloß grobmaschige gesetzliche
Ausformung der GesbR lässt es ratsam erscheinen, im Gesellschaftsvertrag
sorgfältig kautelarjuristisch nachzubessern. | |
| |
Das
Gesetz schreibt für die Errichtung einer GesbR keine Form vor. Nur
wenn sie sich auf das gesamte gegenwärtige oder auch auf das künftige
Vermögen bezieht, verlangt § 1178 ABGB die Errichtung eines Inventars.
– Gesellschaftsverträge
können danach auch mündlich geschlossen werden,
ja es kommt der gesamte Anwendungsbereich des § 863 ABGB in Betracht;
daher auch konkludentes Vereinbaren einer GesbR. Das spielt zwischen
Freunden/innen, Lebensgefährten und Ehegatten eine praktische Rolle.
– Die Rspr beurteilt aber – wie angedeutet – manche Vereinbarung,
die besser als eine GesbR verstanden würde, als bloße Gemeinschaft
oder wendet doch die Regeln der §§ 825 ff ABGB auf diese Vereinbarungen
analog an. | Formfreiheit |
|
So wenn MietSlg 9579 (1962) auf mehrere Mitbenützer
einer Wohnung, von denen nur einer Hauptmieter ist, die
aber vereinbart haben, dass ihnen (im Innenverhältnis) gleiche Rechte
zustehen sollen „als ob alle Mitbenützer Hauptmieter wären”, die
§§ 825 ff ABGB analog anwendet, statt eine Innengesellschaft anzunehmen. | |
|
|
Vgl auch SZ 50/123 (1977): Zu den Voraussetzungen
eines konkludenten oder stillschweigenden Zustandekommens einer
GesbR – Eine Österreicherin betreibt mit ihrem ausländischen Lebensgefährten
einen Gärtnereibetrieb. Der OGH nimmt keine konkludent
errichtete Innengesellschaft an, sondern verweist den Lebensgefährten
(nach Beendigung der Lebensgemeinschaft) auf Bereicherungsansprüche. | |
|
|
Abgelehnt wird
vom OGH auch die Annahme einer (Innen)Gesellschaft in SZ 40/123 (1967) nach deren Sachverhalt
Ehegatten gemeinsam die Mittel für einen Hausbau aufbringen
und dabei über die eheliche Beistandspflicht hinaus Leistungen erbracht
werden, idF aber nur der Mann verbüchert wird. | |
|
|
Anders schon JBl 1963, 264: Hausbau
von Ehegatten wird als Gesellschaftsverhältnis beurteilt. | |
|
Für Änderungen
des Gesellschaftsvertrags wird idR Einstimmigkeit verlangt;
vgl aber SZ 40/73 (1973), S. 215, wo der OGH uH auf § 1188 ABGB
von einem Mehrheitsbeschluss ausgeht. |
Satzungsänderungen |
2. Sorgfaltspflichten
– Haftung | |
Während
das Handelsrecht (Art 7 Nr 3 EVOHGB) einen Gesellschafter bei Erfüllung
der ihm obliegenden Pflichten „nur für diejenige Sorgfalt (einstehen
lässt), die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt” – sog culpa
in concreto, was aber keine Haftungsbefreiung für grobe Fahrlässigkeit
bedeutet, haben Gesellschafter einer GesbR für jedes Verschulden
(omnis culpa) einzustehen; vgl § 1191 ABGB. | |
3.
Außen- und Innengesellschaft | |
Der Gesellschaftvertrag stellt auch Weichen im Hinblick
auf diese wichtige Unterscheidung: | |
• Die Innengesellschaft
weist
intern zwar ein Gesellschaftsverhältnis auf, läßt dieses aber nach außen
hin nicht in Erscheinung treten. – Nach außen hin, also Dritten
gegenüber, ist nur eine (Bezugs)Person berechtigt und verpflichtet,
mögen auch die von ihr getätigten Geschäfte auf gemeinsame Rechnung
gehen. Bei der Innengesellschaft tritt der die Geschäfte führende
Gesellschafter nach außen im eigenen Namen, wenn auch auf fremde
Rechnung (nämlich auf Rechnung aller Gesellschafter) auf. Er wird
als indirekter Stellvertreter tätig → KAPITEL 13: Die
indirekte Stellvertretung
| |
|
GesRZ 1986, 93: Karl Schranz, als
Leiter der Schischule St. Anton am Arlberg ist
passiv für Schadenersatzansprüche einer Schischülerin legitimiert.
Vgl auch → Geschäftsführung,
Vertretung, Klagslegitimation: Klagslegitimation. | |
|
|
SZ 50/96 (1977): Gemeinsamer Betrieb
einer Apotheke. | |
|
Die Stille Gesellschaft (§§
178 ff HGB) ist weder eine Innengesellschaft, noch überhaupt eine
Gesellschaft. – Die Unterbeteiligung, d. i. die
Beteiligung an einer Beteiligung, zB an der eines OHG-Gesellschafters
oder Kommanditisten, ist blosse Innengesellschaft/GesbR. | |
•
Die Außengesellschaft tritt
– wie ihr Name sagt – nach außen hin als Gesellschaft auf. Ein Gesellschafter,
der dabei für die GesbR tätig wird, ist direkter Stellvertreter
und berechtigt dadurch die anderen Gesellschafter, nicht dagegen
die Gesellschaft! (Der GesbR fehlt die Rechtspersönlichkeit!) Nach
hA bedarf es auch dazu nach § 1201 ABGB einer internen Beschlussfassung
(Mehrheitsbeschluß) zur Vollmachtserteilung. | |
Merkregel: Wer im Innenverhältnis geschäftsführungsbefugt
ist, kann seine Mitgesellschafter auch im Außenverhältnis gültig
vertreten, also berechtigen und verpflichten. | |
|
JBl 1982, 93:
Bau-ARGE –
Zwei Bauunternehmer vereinbaren, dass nur einem von ihnen die Geschäftsführung
und Vertretung zukommen soll; dies bei Ausschluß der Haftung des
anderen; | |
|
|
GesRZ 1985, 137: Bau- ARGE übernimmt
Baulos. Im Innenverhältnis wird völlige Trennung der Arbeiten beschlossen. | |
|
III. Wirkungen der
Gesellschaft | |
Zweck der Gesellschaft ist es, die unterschiedlichen gemeinsamen
Leistungen der Gesellschafter einem gemeinsamen Zweck zu widmen.
Die Leistungen, die die einzelnen Gesellschafter erbringen, stellen
demnach kein Entgelt dar. – Als Entgelt anzusehen ist es aber, wenn
Gewinn- und Verlustanteile nach der Höhe der Beiträge bemessen werden.
– Steht einem Gesellschafter, trotz Erbringens von Leistungen kein
Gewinn zu, ist das als Unentgeltlichkeit zu qualifizieren. | |
| |
1.
Beitrags- und Mitwirkungspflicht | |
Die §§ 1184 ff ABGB bestimmen die Rechte und Pflichten der
(Gesellschafts)Mitglieder. Danach sind idR alle Mitglieder verbunden,
einen gleichen Anteil zum gemeinschaftlichen Hauptstamm beizutragen
und ohne Rücksicht auf die Grösse ihres Anteils „zu dem gemeinschaftlichen
Nutzen gleich mitzuwirken”; sog Beitrags- und Mitwirkungspflicht. | |
Die Bewertung der Einlagen obliegt
den Gesellschaftern. – § 1189 ABGB schliesst eine Nachschusspflicht aus.
Satz 2 dieser Norm ist aber zu beachten. – Als „Beitrag” können
ganz unterschiedliche Leistungen erbracht werden; Sachen können
ebenso eingebracht werden (zu Eigentum oder zum Gebrauch), wie Geld,
Arbeitsleistungen oder Know How. | Nachschusspflicht |
| |
§
1186 ABGB regelt die Treuepflicht der Gesellschafter, zumal die
Gesellschaft ein ( höchst) persönliches
Vertrauensverhältnis begründet. Daher ist kein Mitglied
befugt, „die Mitwirkung einem Dritten anzuvertrauen; oder jemanden
in die Gesellschaft aufzunehmen; oder ein der Gesellschaft schädliches
Nebengeschäft zu unternehmen”. – Daraus hat sich das Konkurrenzverbot
des Handelsrechts (§ 112 HGB: für die OHG) entwickelt → KAPITEL 11: Rspr-Beispiele. | Vertrauensverhältnis |
Man beachte den grundsätzlichen Unterschied
zur (Eigentums)Gemeinschaft der §§ 825 ff ABGB, bei der
jeder Miteigentümer seinen Anteil veräußern oder belasten kann (wenn
auch nicht zur Unzeit oder zum Nachteil der übrigen; § 830 ABGB),
ohne die anderen Gemeinschafter auch nur zu verständigen → KAPITEL 8: Schlichtes
oder ideelles Miteigentum. | |
Aus
der Treuepflicht folgt auch die Unübertragbarkeit der Mitgliedschaftsrechte.
– Abgetreten werden kann aber der Anspruch auf Gewinnbeteiligung,
nicht aber der auf Rechnungslegung. | Unübertragbarkeit der Mitgliedschaftsrechte |
| |
Alle
in die Gesellschaft eingebrachten Sachen (iSd § 285 ABGB) stellen
das Gesellschaftsvermögen dar. Aber eine GesbR muß über kein Vermögen
im herkömmlichen Sinn verfügen. Gschnitzer nennt als Beispiel die
Lese- oder Spielgemeinschaft. | |
Vgl § 1182 ABGB: „Alles, was ausdrücklich zum
Betriebe des gemeinschaftlichen Geschäftes bestimmt worden ist, macht
das Kapital, oder den Hauptstamm der Gesellschaft aus. Das Übrige,
was jedes Mitglied besitzt, wird als ein abgesondertes Gut betrachtet.” | |
Das lässt fragen: Was kann in eine GesbR eingebracht werden? | Was kann eingebracht werden? |
•
Sachen zu
Eigentum / quoad dominium: Diese gehen ins Miteigentum
der Gesellschaft über; | |
•
Sachen können der GesbR aber
auch bloß zum Gebrauch / quoad usum überlassen
werden; | |
• Schließlich können Sachen nur ihrem Wert nach
/ quoad sortem der GesbR überlassen werden; vgl JBl 2000, 238 (Anm
Jabornegg): In diesem Fall bleibt der Einbringende formell Eigentümer, aber
die GesbR trägt die (wirtschaftliche) Gefahr. | |
Auf das Einbringen von Einlagen in die GesbR
ist die Lehre von Titel und Modus anzuwenden → KAPITEL 2: Die
Lehre von Titel und Modus.
§ 1181 ABGB bezeichnet den Gesellschaftsvertrag ausdrücklich als
Titel „Eigentum zu erwerben”. | Titel
und Modus |
Das Gesellschaftsvermögen steht
im Sondervermögen der GesbR und
ist als solches nach § 1182 iVm § 1202 ABGB vom Vermögen der Mitglieder
zu trennen. | |
Darüber wie das einzelne Mitglied zum Hauptstamm/Gesellschaftsvermögen
rechtlich steht, gingen die Meinungen immer wieder auseinander.
Gschnitzer, SchRAT 114 f führt dazu aus: | |
„Nach h. L. steht das
Gesellschaftsvermögen im Miteigentum der Gesellschafter.
Dafür sprechen die §§ 1183/1 und 1192/2. Da das ABGB nur das schlichte
Miteigentum kennt [?], besagt das, dass das einzelne Mitglied über
seinen ideellen Anteil verfügen kann, wenn auch
nicht verfügen darf, da der Anteil dem gemeinsamen
Zweck gewidmet ist (obligatorische Innenwirkung, keine Außenwirkung).” | Miteigentum |
„Dieser
unangenehmen Folge sucht die deutsch-rechtlich beeinflusste Lehre
von der Gesamthand abzuhelfen. Sie beruft sich
auf § 1202. Danach kann ein Mitglied über sein nicht in die Gesellschaft
eingebrachtes Vermögen ‚nach Belieben’ verfügen. E contrario könne
es über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen nicht verfügen. Somit
könne über das Ganze wie über die einzelnen Anteile nur gesamthänderisch
von allen Mitgliedern verfügt werden.” | Gesamthand |
In diesem Sinne SZ 24/87 (1951): Sieben Berufskameraden
kaufen eine Almhütte. – Danach ist die Abtretung eines Gesellschaftsanteils
an einen Dritten ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter nach
§ 1186 ABGB unwirksam, auch wenn dem Dritten die Rechtsnatur der
GesbR nicht bekannt war. | |
„Lehre von der juristischen
Person (Wahle [und idF Ostheim]). Sie lehnt beide Ansichten
ab. Die Gesellschaft dürfe mit ihren Mitgliedern nicht identifiziert
werden (Mitgliederwechsel!). Sie sei juristische Person, das Gesellschaftsvermögen
daher in ihrer alleinigen Verfügung. Der einzelne Gesellschafter
habe keinen Miteigentumsanteil. …” | Juristische Person |
Forderungen und Schulden von Gesellschaftern: § 1203 Satz
1 ABGB | Forderungen
und Schulden: § 1203 ABGB |
„Was also jemand an ein einzelnes Mitglied,
und nicht an die Gesellschaft zu fordern oder zu zahlen hat, kann
er auch nur an das einzelne Mitglied, und nicht an die Gesellschaft
fordern oder bezahlen.” – Vgl SZ 55/117 (1982). | |
Forderungen und Schulden der Gesellschaft: § 1203 Satz 2
ABGB | |
„Ebenso hat aber bei gesellschaftlichen
Forderungen oder Schulden jedes Mitglied nur für seinen Anteil ein
Recht oder eine Verbindlichkeit zur Zahlung, außer in dem Falle,
welcher bei Handelsleuten vermutet wird, dass alle für einen und
einer für alle etwas zugesagt oder angenommen haben.” | |
Gschnitzer fügt dem hinzu: „Die h. L. nimmt daher an, dass
der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden neben der Gesellschaft
mit seinem Privatvermögen, aber nur anteilig – nicht wie bei der
OHG solidarisch – hafte. Der Gläubiger könne danach wählen, ob er
sich an das Gesellschaftsvermögen halte oder auf die einzelnen Gesellschafter pro
parte greife. Anders bei den Gesellschaftsforderungen: Hier könne
nicht jeder Gesellschafter seinen Anteil, sondern nach § 848/2 und
3 nur Zahlung zur gesamten Hand verlangen.” | |
Zu beachten ist hiebei, dass eine Haftung
der GesbR mit deren Gesellschaftsvermögen nur durchgesetzt
werden kann, wenn alle (!) Gesellschafter in
Anspruch genommen werden; denn die GesbR kann nicht wie die OHG
und die KG nach § 124 HGB unter ihrem Namen geklagt werden. | Inanspruchnahme
aller Gesellschafter |
4. Geschäftsführung,
Vertretung, Klagslegitimation | |
Die Geschäftsführung betrifft das Innen-, die Vertretung
das Außenverhältnis. – § 1188 ABGB verweist für die Geschäftsführung
auf die §§ 833-842 ABGB: | |
„Bei der Beratschlagung und Entscheidung
über die gesellschaftlichen Angelegenheiten sind, wenn keine andere Verabredung
besteht, die in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigentumes
gegebenen Vorschriften anzuwenden (§§ 833-842).” | |
Nach §
833
Satz 1 ABGB kommt der „Besitz und die Verwaltung der
gemeinschaftlichen Sache … allen Teilhabern insgesamt
zu”. Bei der GesbR treten an die Stelle der „Teilhaber” alle Gesellschafter.
§ 1201 ABGB bestimmt dasselbe für die Vertretung. Geschäftsführung
und Vertretung fallen daher, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts
anderes bestimmt, zusammen. – Nach § 833 Satz 2 ABGB entscheidet
bei Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung die Anteilsmehrheit,
bei solchen der außerordentlichen Verwaltung gilt
grundsätzlich Einstimmigkeit, wobei der Schutz der Minderheit zu
beachten ist (§§ 834 f ABGB). | o.
und ao. Verwaltung Was ist damit
gemeint? |
Der
Gesellschaftsvertrag kann Geschäftsführung/Verwaltung und Vertretung
auch „einem oder einigen Mitgliedern”
anvertrauen; § 1190 ABGB. – Diese Personen sind dann „als Bevollmächtigte zu
betrachten”. § 1190 ABGB verweist bezüglich ihrer „Beratschlagungen
und Entscheidungen” wiederum auf die §§ 833-842 ABGB. – Die §§ 1198-1200
ABGB verpflichten die Bevollmächtigten, denen die Verwaltung anvertraut
wurde, zur Rechnungslegung. | Bevollmächtigte |
Nach hA wurde die GesbR lange nicht
als parteifähig angesehen, besaß demnach prozessual weder Aktiv-,
noch Passivlegitimation für Klagen. – Die Rspr
hat hier aber – im Kielwasser der Rspr durch den dtBGH – für Erleichterungen
gesorgt, was zu begrüßen ist. | Aktiv- und
Passivlegitimation |
|
Vgl noch SZ 53/9 (1980): Klagebegehren gegen
eine Jagdgesellschaft muss sich gegen sämtliche
Mitglieder der Jagdgesellschaft und nicht nur gegen die Mitglieder
des Jagdausschusses richten; | |
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GesRZ 1986, 93: Schischule
St. Anton am Arlberg / K. Schranz →
Außen- und Innengesellschaft
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OGH 13. 4. 2000, 6 Ob 58/00y, EvBl 2000/180:
Ein GesbR-Gesellschafter erfüllt seine Individualverpflichtungen
nicht und wird daraufhin von einem anderen Gesellschafter geklagt;
actio pro socio.
– OGH: Da die GesbR in Österreich keine juristische Person ist,
ist sie im Zivilprozess nicht parteifähig, sodass Parteien des Rechtsstreits
die Gesellschafter als Einzelpersonen sind. Das hätte beim Einklagen
von Sozialansprüchen der GesbR zur Folge, dass der beklagte Mitgesellschafter
sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite auftreten müsste;
bei einer derartigen Konstellation liegt daher die Notwendigkeit
der actio pro socio auf der Hand. Bei Individualansprüchen
kann ein Gesellschafter der GesbR Ansprüche der Gesellschaft gegen
einen einzelnen Gesellschafter mit actio pro socio im eigenen Namen
geltend machen und Leistung an alle Gesellschafter verlangen. | |
|
5. Gewinn, Verlust,
Rechnungslegung und Kontrolle | |
Für die Gewinn- und Verlustverteilung macht das Gesetz in
den §§ 1193 ff ABGB einen dispositivrechtlichen,
also modifizierbaren Vorschlag. Eine andere Gewinn-
und Verlustverteilung ist daher möglich, nicht aber eine Beteiligung
nur am Verlust; sog
societas leonina. In diesem Fall ist aber
das Vorliegen eines allfälligen Schenkungs- oder Garantieversprechens
zu prüfen. | |
Gewinn ist
nach § 1192 Satz 1 ABGB, was „nach Abzug aller Kosten und erlittenen
Nachteile über den Hauptstamm zurückbleibt”; was ihn mindert, Verlust. | |
Jeder
Gesellschafter kann jährlich
Rechnungslegung verlangen; §§ 1198
f ABGB. Dazu kommt ein Recht auf
Bucheinsicht;
§ 1199 Schlußsatz ABGB. – Auf diese Rechte kann aber nach § 1200 ABGB
verzichtet werden. | |
IV.
Ausscheiden
von Gesellschaftern – Auflösung der Gesellschaft | |
Das Ausscheiden von Gesellschaftern beendet die GesbR nicht,
mag sie auch mangels eigener Rechtspersönlichkeit nicht auf einen
Mitgliederwechsel angelegt sein. Das Ende der Mitgliedschaft (von
Gesellschaftern) ist daher von der Beendigung der GesbR zu
unterscheiden. | |
1. Ende
der Mitgliedschaft – Eintritt neuer Mitglieder | |
Gesellschafter können aus folgenden Gründen ausscheiden: | |
•
Beim Tod von
Gesellschaftern unterscheidet § 1207 ABGB zwischen der Zwei-Personen-GesbR (Satz
1), bei der durch den Tod eines Gesellschafters die GesbR „erlischt”;
und der Mehr-Personen-GesbR für die Satz 2 die
(Rechts)Vermutung aufstellt, dass die übrigen Mitglieder die Gesellschaft
„noch unter sich fortsetzen wollen”. | |
Die GesbR kann aber nach § 1206 Satz 3 ABGB
mit den „Erben eines Mitgliedes” fortgesetzt werden, obwohl die „gesellschaftlichen
Rechte und Verbindlichkeiten … in der Regel nicht auf die Erben
eines Mitgliedes über[gehen]”. | |
•
Austritt/Kündigung –
Ausschluss eines
Gesellschafters: Gesellschafter einer GesbR können aus dieser austreten;
nach dem Gesetz (§ 1189 ABGB) aber nur dann, wenn sie die für das
Erreichen des Gesellschaftszweckes nötige Erhöhung der Einlage (sog
Nachschuss/Kapitalerhöhung) nicht leisten wollen. In diesem Fall
kann ein Mitglied auch „zum Austritt verhalten werden”. – Es sind demnach einseitiger
Austritt und (erzwungener) Ausschluss zu
unterscheiden. § 1210 ABGB kennt aber noch weitere Ausschlussgründe;
so wenn „ein Mitglied die wesentlichen Bedingungen des Vertrages
nicht erfüllt” oder „wenn es in Konkurs verfällt” oder bestimmte
strafbare Handlungen setzt. – Unter Heranziehung des § 834 ABGB
wird von der hM ein einseitiger Gesellschafteraustritt auch dann
gebilligt, wenn ein Gesellschafter bei wichtigen Angelegenheiten überstimmt
wird und er diese Entscheidung nicht mittragen will. Und § 1211
ABGB gewährt ein (Auf)Kündigungsrecht, „wenn dasjenige Mitglied,
von welchem der Betrieb des Geschäfts vorzüglich abhing, gestorben
oder ausgetreten ist”. – § 1212 ABGB gewährt ein noch weitergehendes
Kündigungsrecht, wenn der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen
wurde und auch aus der Natur des Geschäfts nicht bestimmt werden
kann. In diesem Fall „mag jedes Mitglied den Vertrag nach Willkür
aufkündigen; nur darf es nicht mit Arglist oder zur Unzeit geschehen
(§ 830)”. | |
Ein
ausscheidendes Mitglied kann Rechnungslegung verlangen,
muss dies aber, wenn nötig, auch selber tun. – Dem Ausscheidenden
ist sein Anteil, der durch Schätzung festzustellen
ist, in Geld auszuzahlen. | Rechnungslegung + Auszahlung |
Die mangelnde Systematik der Austritts-,
Kündigungs- und Ausschlussregeln offenbart legistische Schwächen dieser
ABGB-Paragraphen. | |
|
SZ 44/123 (1971): Die Ausschließung
eines Geselslchafters aus einer GesbR (Schischule in Vlbg)
ist ein Gestaltungsrecht, das, wenn der Vertrag nichts anderes vorsieht,
nur von der Gesamtheit der übrigen Mitglieder ausgeübt werden kann;
ebenso SZ 53/9 (1980): Jagdgesellschaft. | |
|
Möglich ist nicht nur der Austritt aus einer bestehenden
GesbR, sondern auch der Eintritt neuer Mitglieder,
doch bedarf es dazu eines einstimmigen Aufnahmevertrags. – Auf diese
Weise kann auch die Mitgliedschaft von einem ausscheidendem auf
ein neues Mitglied übertragen werden. | Eintritt neuer
Mitglieder |
2.
Auflösung
der Gesellschaft | |
§
1205 ABGB nennt Zweckerreichung, Zweckvereitelung /
Verlust des Hauptstammes und Zeitablauf; ausdrückliche
oder stillschweigende Fortsetzung sind aber möglich. – Daneben besteht
im Rahmen der Vertragsfreiheit auch die Möglichkeit einer einvernehmlichen
Auflösung. | |
| |
Durch die Auflösung wandelt sich die GesbR in eine Gemeinschaft
(§§ 825 ff ABGB) um, die dann ihrerseits durch Teilung des gemeinschaftlichen
Vermögens beendet wird → KAPITEL 8: Schlichtes
oder ideelles Miteigentum.
– Die GesbR kennt aber, anders als die (Personen)Handelsgesellschaften, keine
Liquidation; vgl SZ 63/44 (1990). – Zuständig für die Aufteilung
des Gesellschaftsvermögens auf alle Gesellschafter (nach dem Verhältnis
ihrer Anteile) sind alle Gesellschafter nach den Gemeinschaftsregeln
der §§ 841 ff ABGB. Danach entscheiden mangels Einigung „das Los,
oder ein Schiedsmann, oder, … [letztlich] der Richter”. | |
|
SZ 63/44 (1990): Der ausschließende
Gesellschafter einer aus nur 2 Personen bestehenden GesbR
übernimmt unter Ausschluss der Liquidation das gesamte Gesellschaftsvermögen
und kann dem ausgeschlossenen Gesellschafter das Betreten der Geschäftsräumlichkeiten
untersagen. | |
|
|
OGH 9. 11. 1999, 4 Ob 291/99v, EvBl 2000/84:
Eheleute gründen eine GesbR (Kosmetiksalon); der
Gatte vermietet das Geschäftslokal im Parterre seines Hauses an
die GesbR. Nach Scheidung und Auflösung der GesbR klagt er die Frau
auf Räumung des Geschäftslokals, da sie dieses nunmehr titellos
nutze. – OGH: Bestandrechte einer GesbR (!)/societas bleiben bis
zur endgültigen Auseinandersetzung aufrecht. Die Gesellschaft wandelt
sich erst mit ihrer Auflösung in eine Rechtsgemeinschaft/communio
iSd §§ 825 ff ABGB, die ihrerseits erst durch Teilung des gemeinschaftlichen
Vermögens beendet wird. Es kommt also durch die Auflösung des GesbR
nicht zu einer Vereinigung iSd § 1445 ABGB. Ein (ehemaliger) Gesellschafter
nutzt die Bestandräume daher bis zur endgültigen Aufteilung des
Gesellschaftsvermögens nicht titellos. | |
|
H.
Glücksverträge – Gewagte Geschäfte |
Das
ABGB fasst im 29. Hauptstück, das sind die §§ 1267-1292 die gewagten
Geschäfte (§ 1065 ABGB) zur Gruppe der „Glücksverträge” zusammen.
Der Begriff „gewagte Geschäfte” ist weiter, als der der Glücksverträge. | |
§
1267 ABGB gibt eine Legaldefinition des Glücksvertrags: | Legaldefinition |
„Ein Vertrag, wodurch die Haftung eines
noch ungewissen Vorteiles versprochen und angenommen wird, ist ein Glücksvertrag”. | |
Satz 2 fügt hinzu, dass Glücksverträge entweder zu den entgeltlichen oder unentgeltlichen Geschäften zählen,
„je nachdem etwas dagegen versprochen wird oder nicht”; vgl GlUNF
6287: Unentgeltliche Glücksverträge sind die unentgeltliche Ausspielung
und die einseitige Wette. | |
| Keine
Verkürzung über die Hälfte |
|
SZ 24/306 (1951):
Leibrenten-,
Ausgedings- und
Unterhaltsverträge sind
Glücksverträge. – Die Kläger hatten den Beklagten auf Lebensdauer
ein Wohnungsrecht ( → KAPITEL 8: Wohnungsrecht
/
habitatio: § 521 ABGB )
eingeräumt und erhielt dafür vierteljährlich die Leistung von 300
kg Weizen und 300 kg Korn sowie jährlich 100 l Wein. In der Folge
ging es wesentlich um die Frage, ob in dem als nichtig angefochtenen
Vertrag eine Leibrente, ein Ausgedinge oder eine Unterhaltsleistung
versprochen wurde. Da aber alle diese Verträge als Glücksverträge
anzusehen seien, bei denen eine Anfechtung wegen Verkürzung über
die Hälfte nicht stattfindet und weder Wucher, noch Sittenwidrigkeit
anzunehmen war, wies der OGH die Klage ab. | |
|
|
Eine Modifikation
dieser Rspr-Position findet sich in NZ
1994, 206 (1993): Darin wird zwar am Grundsatz
der Nichtanfechtbarkeit von Glücksverträgen mittels laesio enormis
festgehalten, zugleich aber eine Ausnahme statuiert: Steht schon
bei Vertragsschluss fest, dass der Leibrentenbezieher zu jenem Zeitpunkt,
der als mögliche Lebenserwartung der österreichischen Bevölkerung
anzusehen ist, bei Berücksichtigung aller ihm in diesem Zeitraum
zukommenden Leistungen weniger als die Hälfte des Werts seiner eigenen
Leistung erhalten haben wird, dann kann, da das aleatorische – dh
vom Zufall abhängige – Element in solchen Fällen gänzlich in den
Hintergrund tritt, laesio enormis geltend gemacht werden. (Das ist
typischerweise dann der Fall, wenn Leibrentenberechtigte bei Vertragsschluss
schon sehr alt sind. – In SZ 67/99(1994) war
die Klägerin etwa 88 Jahre alt.) | |
|
|
Diese Rspr-Linie
ist zu befürworten; ablehnend aber Pfersmann, ÖJZ
1997, 57: ME greift das Argument, hier
hätten nur die §§ 870, 871 ABGB oder § 879 ABGB zur Anwendung gelangen
dürfen insoferne nicht, weil eben Glücksverträge ebenfalls nur unter
bestimmten Voraussetzungen ( → Charakteristik
– Glücksverträge ieS und iwS)
angenommen werden dürfen, was hier wohl zu Recht verneint wurde. | |
|
|
Als aleatorische
Verträge werden jene Verträge bezeichnet, deren Wirksamkeit
oder Erfüllung typischerweise vom Zufall oder einem
ungewissen Ereignis abhängen. Hierher gehören insbesondere Spiel oder Wette,
aber auch der Leibrentenvertrag. – Im Zusammenhang
mit Leibrentenverträgen wird auch von aleatorisch-synallagmatischen
Verträgen gesprochen; vgl SZ 27/222 (1954). | |
|
| |
1. Arten
der Glücksverträge | |
§
1269 ABGB zählt die „Arten der Glücksverträge” (Überschrift) auf.
Es sind dies: | |
•
Wette (§§
1270, 1271), | |
•
Spiel (§ 1272) und Los (§§
1273, 1274), | |
• „alle über gehoffte Rechte, oder über künftige
noch unbestimmte Sachen errichtete Kauf- und andere Verträge” (§§ 1275-1283):
Hier werden Hoffnungskauf (→ KAPITEL 2: Hoffnungskauf)
und Erbschaftskauf (→ KAPITEL 17: Der
Erbschaftskauf )
behandelt. | |
• die Leibrenten ( → KAPITEL 8: Das
Ausgedinge.
und → KAPITEL 2: Leibrentenvertrag); | |
• die gesellschaftlichen Versorgungsanstalten (§
1287), | |
• schließlich die Versicherungsverträge (§§
1288-1291) und die Bodmerei- und Seeassekuranzen (§
1292). | |
Dabei fasst das ABGB unter dem Oberbegriff der Glücksverträge
verschiedenartiges zusammen (Gschnitzer, SchRBesT 122): Nämlich
solche, die das Risiko seiner erregenden Wirkung oder des leichten
Gewinns wegen geradezu aufsuchen wie Wette und Spiel (= Glücksverträge
ieS) und auf der andern Seite solche, die einem unvermeidlichen
Risiko angemessen begegnen wollen, wie die Leibrente, die der Versorgung
dient und die Versicherung, die durch Risikostreuung drohendes Unheil
wirtschaftlich tragbar machen soll; Glücksverträge iwS. | |
2. Charakteristik
– Glücksverträge ieS und iwS | |
Gschnitzer (aaO 122) weist darauf hin, dass für die Zuordnung
eines Vertrags als Glücksvertrag ausschlaggebend sei, dass die Übernahme
des Risikos der Hauptzweck ist, denn ein gewisses Risiko
sei mit den meisten Geschäften verbunden. | |
II. Glücksverträge
im engeren Sinn | |
| |
Wette
meint nach § 1270 ABGB, dass eine Leistung („ein bestimmter Preis”)
für den Fall zugesagt wird, dass sich eine Behauptung „über ein
beiden [Vertrags]Teilen noch unbekanntes Ereignis” als zutreffend
erweist. | |
Das
Gesetz verlangt, dass das Ereignis, auf das sich
die Wette bezieht, ”beiden Teilen” unbekannt sein
muss, was von Gschnitzer (SchRBesT 123 [1965]) zu Recht als zu eng
abgelehnt wird; ebenso nunmehr Apathy / Riedler, Bürgerliches Recht
III: SchRBesT 95. Es genüge vielmehr die Unkenntnis eines Teils,
nur muss der, dem der Ausgang des Wettereignisses bekannt war, dies
dem andern mitteilen. Ansonsten gilt, was § 1270 Satz 2 ABGB, ausführt:
„ ... so macht er sich einer Arglist schuldig, und die Wette ist
ungültig.” Satz 3 bezeichnet im umgekehrten Fall den Verlierer, „dem
der Ausgang vorher bekannt war”, als einen „Geschenkgeber”. | Ereignis „beiden Teilen” unbekannt |
Das Ereignis,
auf das sich die Wettbehauptung bezieht, kann ein vergangenes,
gegenwärtiges oder zukünftiges sein;
es kann sich um ein Naturereignis oder eine menschliche Tätigkeit
(„auch auf die einer Wettpartei selbst” – Gschnitzer) beziehen.
– Unerlaubte Beeinflussung des Wettereignisses lässt nach Gschnitzer
die für Bedingungen getroffene Regelung des § 162 dtBGB eintreten. | Ereignis: vergangenes, gegenwärtiges oder zukünftiges |
| |
Nach
§ 1272 ABGB ist „jedes Spiel ... eine Art von Wette”, weshalb „die
für Wetten festgesetzten Rechte auch für Spiele” gelten. Gschnitzer
(aaO 123) bezweifelt diese Aussage mit gutem Grund, stellt aber
relativierend fest: | |
„Übrigens überhebt uns das Gesetz der nicht
immer leichten Entscheidung dadurch, daß für Spiel und Wette dieselben
Regeln gelten”; §§ 1272 Satz 2 ABGB. | |
Redliche
und erlaubte Wetten und Spiele sind nach § 1271 ABGB „insoweit verbindlich,
als der bedungene Preis nicht bloß versprochen; sondern wirklich
entrichtet, oder hinterlegt worden ist. Gerichtlich kann der Preis
nicht gefordert werden.” – Gemeint ist damit, dass ein bloß versprochener
Spiel- oder Wetteinsatz nur eine Naturalobligation begründet → KAPITEL 7: Schuld
und Haftung ¿ Naturalobligationen. | Gemeinsame Rechtsfolgen: |
Sie sind aus einem
Umkehrschluss aus § 1271 iVm § 879 ABGB heraus unverbindlich, also ungültig.
§ 1272 Satz 3 spricht von verbotenen Spielen. –
Erweisen sich Wette oder Spiel als schlicht ungültig (ohne gesetzwidrig
zu sein), kann der Wett- oder Spieleinsatz zurückgefordert werden;
es sei denn, das Spiel war ein verbotenes oder der Wetteinsatz sollte
einer unmöglichen oder unerlaubten Handlung dienen; § 1174 ABGB → KAPITEL 5: Ungerechtfertigte
Bereicherung. | Unredliche
und unerlaubte Spiele und Wetten |
III. Neuer Anwendungsbereich
– Abgrenzungen | |
1. Neuer Anwendungsbereich | |
Über die in § 1269 ABGB aufgezählten Verträge
hinaus, werden heute weitere Verträge zu den Glücksverträgen gezählt: | |
•
Unterhaltsverträge:
Vgl SZ 24/306 (1951) oder EvBl 1961/20. | |
• Unredliche und unerlaubte Spiele und Wetten
Partnervermittlungsverträge
werden als glücksvertragsähnlich angesehen und grundsätzlich
nicht als sittenwidrig (→ KAPITEL 11: Die
Beispiele des § 879 Abs 2 ABGB)
angesehen; EF 63.152 und 66.284 (LGZ Wien). Auch hier muss aber
das zu NZ 1994, 206 Ausgeführte gelten ; am Beginn von Pkt H. | |
•
Devisentermin- oder
Differenzgeschäfte:
Vgl ÖBA 1992, 944 – Danach liegt in solchen Fällen nur für die Kundschaft,
nicht für die Bank ein Spekulationsgeschäft vor. Ebenso SZ 69/261
(1996): Das Differenzgeschäft ist ein in Form eines
Lieferungsvertrags über Waren oder Wertpapiere gekleidetes Geschäft,
das aber nach der Absicht der Parteien nicht durch Lieferung und
Bezahlung der Waren oder Wertpapiere erfüllt, sondern nur durch
die Zahlung der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Kurs am
Erfüllungstag abgewickelt wird. | |
• Auch herkömmliche Verträge sind
als Glücksverträge anzusehen, wenn das aleatorische Element den
Ausschlag gibt; vgl MietSlg 17.235 (1965): Wohnungsmiete auf
Lebenszeit gegen eine einmalige Geldleistung. Ebenso JBl 1973, 259. | |
•
Ausspielungen iSd §§ 6 ff GlücksspielG
(BGBl 1989/690 idF BGBl I 1998/90) unterliegen als erlaubte Wetten dem
ABGB; § 1271. Hierunter fallen Lotto, Toto, Klassenlotterie, Zahlenlotto
udgl. | |
2. Abgrenzung gegenüber
Börsegeschäften | |
Börsengeschäfte unterliegen nicht den Glücksverträgen;
vgl § 28 Abs 1 BörseG 1989, BGBl 555 idF BGBl I 1998/127: | |
„Bei der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus Börsengeschäften
ist der Einwand, dass dem Anspruch ein als Spiel oder Wette zu beurteilendes Differenzgeschäft zugrunde
liegt, unstatthaft.” | |
Und § 28 Abs 2 BörseG 1989 bestimmt: | |
„Werden an einer anerkannten in- oder ausländischen
Wertpapierbörse
Optionen und
Finanzterminkontrakte gehandelt
und dafür Kurse veröffentlicht, so ist der Einwand von Spiel und
Wette bei Rechtsstreitigkeiten aus diesen Geschäften von wem auch
immer unzulässig.” | |
| |