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SCHNELL GENAU UMFASSEND
Kapitel 12
Mit dem Begriff „Dienstleistungsverträge” (A.) werden verwandte und in ihrer historischen Entstehung zum Teil aus gemeinsamer Quelle fließende Vertragstypen, nämlich der Arbeitsvertrag, der Werkvertrag sowie der Auftrag, behandelt. Für den Bereich des Individualarbeitsvertrags wird der modernere Begriff des Arbeitsvertrags verwendet, zumal er nicht mehr die sprachliche Wurzel des „Dienens” enthält, sondern die reziproke Austauschbeziehung von Arbeit gegen Entgelt auch sprachlich realistisch in den Vordergrund rückt. Bei allen drei Vertragstypen werden Arbeitsleistungen im wirtschaftlichen Sinne geschuldet, die aber nicht mit „Arbeit” im engeren rechtlichen Sinne gleichgesetzt werden dürfen. – Pkt B. schließt an den Auftrag die „GoA”, die Geschäftsführung ohne Auftrag an. Pkt C. fasst – unüblich, aber funktional korrekt und didaktisch sinnvoll, die Sonderregelungen der Arbeitnehmerhaftung (DNHG, AHG, OrgHG, ASVG) zusammen, zumal alle diese Sonderhaftungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen und „gebündelt” und im Kontext von Arbeitsbeziehungen besser verstanden werden können. – Pkt D. stellt erstmals in diesem Lehrbuch die „Gesellschaft bürgerlichen Rechts” / GesbR, gleichsam als gesellschaftsrechtliches Arbeitsverhältnis, dar und Pkt E. – ebenfalls neu – fasst die gewagten Geschäfte als „Glücksverträge” zusammen.
Überblick
A. Dienstleistungsverträge
Literaturquelle
I. Allgemeines zum Arbeits- und Werkvertrag
Die praktische Bedeutung dieser Vertragstypen im Alltag und im Wirtschaftsleben ist groß. Geregelt sind sie in den §§ 1151-1174 ABGB, der Arbeitsvertrag zudem in zahlreichen arbeitsrechtlichen Vorschriften. Täglich werden viele solcher Verträge verhandelt, geschlossen und gelöst. Gleichzeitig enthält dieser Bereich des Privatrechts starke Verbindungen zum Arbeits- und Sozialrecht und damit auch zum öffentlichen Recht.
Eine typisch öffentlichrechtliche Materie ist bspw das Arbeitnehmer/innenschutzrecht, geregelt im ASchG, BGBl 450/1994. Dabei wird österreichisches Recht (zB § 67 ASchG: Bildschirmarbeit) durch EU-Recht ergänzt; vgl EU-RL 90/270: BildschirmarbeitsVO zur ergonomischen Gestaltung der Bildschirmarbeit.
1. Was wird geschuldet?
Sowohl beim Arbeitsvertrag wie beim Werkvertrag wird – wie erwähnt – eine Arbeitsleistung iwS geschuldet; zur rechtlichen Einordnung der Arbeitsleistung → Leistung abhängiger Arbeit Präziser: Gegenstand dieser Verträge ist einerseits (beim Arbeitsvertrag) die Arbeitsleistung als solche (zB Lehrerin unterrichtet, Angestellter verhandelt, Krankenschwester pflegt), und andrerseits (beim Werkvertrag) das Ergebnis, der Erfolg der Arbeit, das Werk / Erzeugnis.
Beispiel
„Arbeitsleistungen” iwS können auf sehr unterschiedliche Weise erlangt werden: Einerseits – wie erwähnt – über Dienst- / Arbeits- und Werkverträge, andrerseits aber auch über Aufträge und Gesellschaftsverträge (GesbR, OHG, KG, Stille Gesellschaft, OEG und KEG und natürlich auch durch die Gründung von Kapitalgesellschaften) sowie durch familiäre Hilfe. – Die Art der „Bezahlung” der erbrachten Arbeitsleistung ist dementsprechend unterschiedlich.
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2. Bedeutung der Unterscheidung
Die Unterscheidung von Arbeitsvertrag und Werkvertrag ist praktisch deshalb so bedeutsam, weil auf Arbeitsverträge das Arbeitsrecht anzuwenden ist, auf Werkverträge aber grundsätzlich nicht und darüber hinaus lange Zeit nur Arbeitsverträge, nicht aber Werkverträge sozialversicherungspflichtig waren, weshalb in der Praxis immer wieder versucht wurde, auch echte Arbeitsverhältnisse als Werkverträge hinzustellen. Derartige Umgehungen – sog „Flucht aus dem Arbeitsrecht”, um sich Sozialversicherungsbeiträge und arbeitsrechtliche Leistungen an Arbeitnehmer zu ersparen (insbesondere Kündigungsschutz, Urlaub, Entgeltfortzahlung, Abfertigung), werden aber von der Rechtsordnung nicht geduldet. Durch ein „Verschieben” von Arbeitnehmern in den werkvertraglichen Bereich oder in den des freien Dienstvertrags verlieren diese auch ihre steuerliche Begünstigung; sie sind dann nicht mehr lohn-, sondern einkommensteuerpflichtig. – Seit 1996 sind auch für freie Dienstverträge und dienstnehmerähnliche Werkverträge – sog unechte Werkverträge, Sozialabgaben zu entrichten, soweit das Entgelt monatlich einen bestimmten Betrag übersteigt. Der Personenkreis der ASVG-Pflichtversicherten wurde dadurch wesentlich erweitert. Echte Werkverträge sind aber auch weiterhin nicht von der ASVG-Pflichtversicherung umfasst.
Flucht aus dem Arbeitsrecht
Der unterschiedliche arbeitsrechtliche Bezug zwischen Arbeits- und Werkvertrag bleibt also grundsätzlich weiterhin bestehen; kurz: Die Grenze zwischen Arbeitsvertrag und Werkvertrag ist die Grenze zwischen unselbständiger und (echter) selbständiger, also unternehmerischer Arbeit.
Rechtssprechungsbeispiel
VwGH 1994/ARDInd 4588/30/94: Überwiegen die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber jenen persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit, liegt – mag auch der Vertrag als „Werkvertrag” bezeichnet sein – ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor. Bei der Prüfung des Vorliegens eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses kommt es also nicht auf die Bezeichnung des Vertrags an, sondern auf seine inhaltliche Gestaltung.
Dazu folgende Zeitungsmeldung: „Urteil gegen die Mediaprint. Zeitungskolporteure sind keine selbständigen Unternehmer.., sondern Arbeitnehmer. Das hat der Verwaltungsgerichtshof im Steuerverfahren eines Kolporteurs der Mediaprint erkannt, dem das Finanzamt Umsatz- und Einkommensteuer vorgeschrieben hat. Die Richter führten an, dass die Kolporteure praktisch keinen unternehmerischen Spielraum hätten, wenn ihnen Standort, Verkaufszeit und das Tragen von Arbeitskleidung vorgeschrieben werden und der Verkauf von Konkurrenzprodukten untersagt ist. – Die Mediaprint schließt mit ihren Kolporteuren Verträge über eine eigene Tochtergesellschaft ab, in denen die Zeitungsverkäufer als Unternehmer betrachtet werden, womit für den Dienstgeber keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge anfallen. Dies wird nach dem Urteil nicht mehr möglich sein ....” (Der Standard, 22.8.1996, S. 1) – Die Realität sieht freilich anders aus: Diese Rspr wurde nämlich von den Zeitungsherausgebern durch eine Gesetzeskorrektur unterlaufen, wonach Kolporteure als Selbständige zu behandeln sind. Dies mit allen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belastungen. (Macht in der Demokratie macht vieles möglich!)
ZAS 2001, H. 5 (Judikaturbeilage) OGH 28.3.2001, 9 Ob A 25/01 v: Wegen Fehlens des für die Annahme einer arbeitsvertraglichen Beziehung nötigen Kriteriums persönlicher Abhängigkeit, wird bloß familiär bedingte Mitarbeit der Ehegattin und kein Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen ihre Mannes (OHG) angenommen.
Abzugrenzen ist der Arbeitsvertrag aber nicht nur vom Werkvertrag, sondern auch vom sog Bevollmächtigungsvertrag (§§ 1002 ff ABGB), der Auftrag und Stellvertretung / Vollmacht verbindet (→ Begriff und Abgrenzung) und vom Gesellschaftsvertrag; zur GesbR → Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Abgrenzungen
Kurz: Beim Bevollmächtigungsvertrag übernimmt der Bevollmächtigte die Durchführung von Rechthandlungen oder Rechtsgeschäften und nicht von tatsächlicher Arbeit. Er handelt zudem in fremdem Namen und auf fremde Rechnung. – Zu einem Gesellschaftsvertrag schließen sich mehrere Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammen. Anders als beim Arbeitsvertrag besteht zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft Gleichordnung und nicht Über- und Unterordnung wie beim Arbeitsvertrag.
Die III. TN illustriert den Unterschied zwischen Arbeitsvertrag (= Vertrag mit Dienstmädchen) und Werkvertrag (= Vertrag mit Baumeister):
Beispiel der III. TN
Beispiel der III. TN
Vertrag mit DienstmädchenVertrag mit Baumeister
Arbeit unter fremder Leitung und Verfügung
Arbeit nach eigenem Plan
mit fremden Arbeitsmitteln
mit eigenen Arbeitsmitteln
mit persönlicher Arbeitspflicht
mit Gehilfen und Substituten
Haftung für Sorgfalt, nicht für Erfolg
Haftung für Erfolg
Organisatorische, persönliche, wirtschaftliche Abhängigkeit
Organisatorische, persönliche, wirtschaftliche Unabhängigkeit
in fremder Organisation tätig
selbständiger Unternehmer
Immer DSchV
Grundsätzlich: ZSchV
Zum Vertrag mit Dienstmädchen → Der Arbeitsvertrag: ArbeitsV; zum Vertrag mit Baumeister → Der Werkvertrag: WerkV.
Weitere Beispiele (Gschnitzer)
Einen Vertrag über abhängige Arbeit (ArbeitsV) schließt:
Schustergeselle mit dem Meister
Architekt im städischen Bauamt
• von einem Hotel angestellter Schilehrer
Schauspieler eines (Landes)Theaters
Lehrer einer Privatschule
Oberarzt einer Klinik
• ständiger (Rechts)Berater eines Unternehmens; sog Syndikus oder Konsulent
Angestellter mit seinem Geschäftsherrn
Einen Vertrag über selbständige Arbeit (WerkV, Auftrag, freier Dienstvertrag) schließt:
• (Handwerks)Meister mit Kunden
Architekt mit Auftraggeber
Bergführer mit Touristen
Künstler auf Gastreisen
Privatlehrer, der Schüler unterrichtet
praktischer Arzt mit Patienten
Anwalt mit seinen Klienten
Handelsvertreter mit seinem Geschäftsherrn
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3. Sozial(versicherungs)recht
Das Sozialrecht, reicht – im Gegensatz zum Arbeitsrecht – über den Kreis der unselbständigen Arbeit hinaus und schließt auch selbständig Erwerbstätige ein; zB gesetzliche Unfallversicherung und Krankenversicherung für Selbständige oder Sozialversicherung für die Landwirtschaft. – Das Sozialversicherungsrecht, das ein Teil des Sozialrechts ist, sichert gegen die klassischen sozialen Risken: Krankheit, Unfall, Alter oder Tod; nach dem Ersten Weltkrieg kam noch die Arbeitslosenversicherung dazu. Seit 1993 gibt es in Österreich das Pflegegeld, das aber nicht als Versicherung gestaltet wurde, sondern aus Steuermitteln finanziert wird.
Literaturquelle
Die Zahl der bei österreichischen Sozialversicherungsträgern gemeldeten unselbständigen Erwerbstätigen betrug Ende zum 31.5.2002 3.155.648 Personen, was eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr um 5.520 bedeutet. Die Arbeitslosenquote stieg von 6,1 auf 6,9 Prozent. Dieser Zahl stehen etwa 380.000 Selbständige gegenüber. Die Vollzeitbeschäftigung in Österreich ist aber seit 1995 deutlich zurückgegangen, während die Teilzeitbeschäftigung deutlich zugenommen hat. 87 % der Teilzeitarbeitsplätze entfallen auf Frauen. Die Vollzeitbeschäftigung (mehr als 35 Wochenstunden) lag Ende 1998 bei 2,63 Mio Personen. – Sog geringfügige Beschäftigungsverhältnisse (Mai 2003: ca 220.013) unterliegen nicht voll der Sozialversicherungspflicht. Ein Arbeitgeber muss solche Arbeitnehmer zwar gegen Unfall versichern, nicht aber krankenversicherungs- und pensionsrechtlich absichern, wodurch er sich einiges erspart. Es kommt daher auch hier immer wieder zu unerlaubten Umgehungen; zB gleichzeitiger Abschluss mehrerer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse zwischen einem/r Arbeitnehmer/in und dem Arbeitgeber. Betroffen davon sind überwiegend Frauen. Vgl auch → Typische und atypische Arbeitsverhältnisse: atypische Arbeitsverhältnisse. – Die Erwerbsquote der Frauen erreichte 2002 (gerechnet auf die arbeitsfähige weibliche Bevölkerung zwischen 15 und 65 Jahren) 60 Prozent. Die Erwerbstätigkeit junger Frauen zwischen 25 und 35 Jahren ist von von 68 auf 66 Prozent zurückgegangen.
Einige Zahlen – Rechtstatsächliches
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II. Das Arbeitsrecht
Literaturquelle
Ich folge hier den Ausführungen J. Bergers, der mir auch innerhalb seiner Zitate graphische Abweichungen gestattete. Die folgenden „Überschriften” stammen von ihm. Ich habe ihm auch für zahlreiche wertvolle Hinweise zu danken.
1. Definition – Grundlegung
J. Berger (aaO 19) charakterisiert das Arbeitsrecht als „Sonderrecht der in abhängiger Stellung fremdbestimmte Arbeit verrichtenden” Arbeitnehmer. Das bedeutet:
• „Sonderrecht der Arbeitnehmer: Das Arbeitsrecht ist eine selbständige Rechtsdisziplin. Es stellt sich im Grunde als Schutzrecht der Arbeitnehmer dar. Die primäre Funktion des Arbeitsrechts besteht darin, die von vornherein gegebene soziale Ungleichheit zwischen Arbeitgeber einerseits und Arbeitnehmer andererseits sowie die wirtschaftliche Machtunterlegenheit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber rechtlich zu korrigieren. Dadurch soll die Gleichheit der Verhandlungskraft und der Rechtspositionen der beiden Parteien bewirkt werden. Anwendung findet das Arbeitsrecht nur, wenn an einem rechtlich zu beurteilenden Sachverhalt (wenigstens mittelbar) ein Arbeitnehmer als solcher beteiligt ist.”
Sonderrecht der Arbeitnehmer
• „Arbeit: Das Arbeitsrecht erfasst das Phänomen ‚Arbeit’ in sozialökonomischer Hinsicht. Was im Einzelfall Arbeit ist, wird durch die Vertragspartner, allenfalls durch die Verkehrsauffassung bestimmt. Völlig unerheblich ist, ob die Arbeit zur Gänze oder überwiegend in körperlicher oder in geistiger Betätigung des Arbeitnehmers besteht. Auch auf das Gelingen der Arbeit kommt es nicht an.”
• „Fremdbestimmtheit: Das Arbeitsrecht stellt nur auf Arbeit ab, die für jemand anderen geleistet wird (Dienstleistung); nicht dagegen auf Arbeit, die jemand für sich selbst leistet (Eigenleistung).”
• „Abhängigkeit des Arbeitnehmers: Gegenstand des Arbeitsrechts ist allein jene Arbeit, die aus einer Position der Unterordnung bzw des Eingebunden-Seins in eine fremde Organisation erbracht wird. Der Arbeitnehmer ist insbesondere bezüglich Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsorganisation vom Arbeitgeber abhängig.”
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2. Struktur und Systematik des Arbeitsrechts
„Das Arbeitsrecht hat keine einheitliche Rechtsstruktur. Es gehört weder ausschließlich dem Privatrecht noch allein dem öffentlichen Recht an; es enthält vielmehr Rechtsvorschriften der einen wie der anderen Art; die zudem oft miteinander verknüpft oder ineinander verzahnt sind.
Keine einheitliche Rechtsstruktur
Bezogen auf die Gesamtrechtsordnung stellt das Arbeitsrecht nur eine von vielen Rechtsdisziplinen dar. Gleichwohl setzt es sich auch selbst aus mehreren Einzelrechtsgebieten zusammen.
Systematisch geordnet weist das Arbeitsrecht folgende Gliederung auf:
Systematische Gliederung
Individualarbeitsrecht: Das sind jene Rechtsvorschriften, welche die Rechtsbeziehungen zwischen dem einzelnen Arbeitgeber einerseits und dem einzelnen Arbeitnehmer andererseits sowie die Rechtsbeziehung zwischen dem einzelnen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer einerseits und dem Staat bzw dessen Institutionen andererseits regeln. Bezugsgröße ist die einzelne Rechtsperson als Individuum:
Arbeitsvertragsrecht
Arbeitnehmerschutzrecht
Arbeitsmarktrecht.
KollektivesArbeitsrecht: Das sind jene Rechtsvorschriften, die sich mit der Institution, Organisation, Funktion und den Rechtsbeziehungen der verschiedenen arbeitsrechtlichen Personenmehrheiten befassen. Bezugsgrößen sind die entsprechenden Gruppen von Personen als Kollektiv:
Koalitions- und Arbeitsverbandsrecht
• Recht der kollektiven Rechtsgestaltung
Betriebsverfassungsrecht
Arbeitskampfrecht.
Arbeitsverfahrensrecht: Das sind jene Rechtsvorschriften, die dass Verfahren regeln, welches die mit der Durchführung von arbeitsrechtlichen Angelegenheiten befassten Behörden anzuwenden haben:
• Arbeitsgerichtsverfahrensrecht
• Arbeitsverwaltungsverfahrensrecht.” (Berger, aaO 20)
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3. Geschichte des modernen Arbeitsrechts
Ich beschränke mich auf den letzten historischen Entwicklungsabschnitt aus Bergers umfangreicherer Darstellung; aaO 23 f.
Entwicklungsperiode 1945 – Gegenwart
„Nach der Befreiung Österreichs setzte neuerlich ein Aufschwung unserer Sozialpolitik und Sozialgesetzgebung ein. Der ganz überwiegende Teil der heute geltenden arbeitsrechtlichen Vorschriften stammt aus dieser Epoche. Die gegenwärtige Situation in der Entwicklung des österreichischen Arbeitsrechts ist vor allem durch folgende Komponenten geprägt:
1. Streben nach systematischer und inhaltlicher Vereinheitlichung des durch eine Vielzahl von Einzelgesetzen zersplitterten und unübersichtlichen Arbeitsrechts (Kodifikation des Arbeitsrechts). Neben den berufsspezifischen und themenspezifischen Einzelgesetzen bestehen Rechtsbereiche, in denen Teilkodifikationen gelungen sind.
2. Vordringen arbeitsmarktpolitisch motivierter und mit dem Sozialrecht verknüpfter besonderer Arbeitszeitmodelle (Gleitpension, Altersteilzeit, Solidaritätsprämienmodell, Bildungskarenz usw).
3. Anpassung des nationalen Arbeitsrechts an das Recht der Europäischen Union.
4. Feinabstimmung des Arbeitsrechts mit dem Sozialrecht zur Verbesserung des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer und deren Angehöriger.
5. Tendenz zur Liberalisierung der arbeitsrechtlichen Schutznormen (‚Flexibilisierung’ – zB durch Arbeitszeit-Bandbreitenmodelle, Arbeitskräfteüberlassung, private Arbeitsvermittlung, Aussetzungsverträge).”
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III. Zum Verhältnis von Arbeits- und Zivilrecht
Von Martin Binder
Literaturquelle
1. Das moderne Arbeitsrecht als weitgezogene Disziplin
Das moderne Arbeitsrecht stellt ein weitgefächertes Rechtsgebiet dar, das sich aus dem Recht des Arbeitsvertrages, Arbeitnehmer-Schutzrecht (zB technischer Gefahrenschutz), Betriebsverfassungsrecht (zB Mitwirkungsrechte des Betriebsrats), Verbandsrecht (zB Recht der Gewerkschaften und Berufskammern) und Arbeitskampfrecht (zB Streikrecht und Staatsneutralität) sowie dem Arbeitsverfahrensrecht (zB Verfahren vor Arbeitsgerichten und Schlichtungsstellen) zusammensetzt. Für den Bereich des Zivilrechts sind hievon folgende Teilgebiete von Relevanz:
Die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer (AN) und Arbeitgeber (AG), also der „Arbeitsvertrag” mit seiner Arbeits- und Entgeltpflicht, Treue- und Fürsorgepflicht, die vor- und nachvertraglichen Beziehungen (zB Vertragsanbahnung und Zeugnispflicht) sowie allfälligen deliktischen Beziehungen (zB Ersatzpflichten bei Schädigung von AN-Eigentum; bezüglich der Personenschäden modifiziert das Sozialrecht das zivile Schadenersatzrecht). Der Arbeitgeberbegriff ist weit zu ziehen, weil auch Dritte (zB der Beschäftiger im Rahmen der Arbeitskräfteüberlassung oder der allein Gewinn ziehende „mittelbare” AG) Pflichtenadressaten sein können, etwa bei Entgeltzahlung, Fürsorge- und sozialer Beitragspflicht.
Arbeitsvertrag
Die Rechtsbeziehungen zwischen den Arbeitskollegen: Diese resultieren vorwiegend aus faktischer Arbeitsberührung; durch die Deutung des Arbeitsvertrages als Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte wird der rechtliche Schutzbereich auf Mitarbeiter erweitert, mögen sie denselben oder einen anderen AG haben. Es lassen sich hier Verträglichkeitsgebote und Solidaritätspflichten gewinnen sowie spezielle Regeln für den Fall der Kollegenschädigung erkennen, aber auch Aspekte der Gruppenarbeitsverträge einbeziehen. Für Kollegenkonflikte ist jedenfalls der Sache nach zutreffend das Arbeitsgericht zuständig.
Arbeitskollegen
Das Verhältnis der einzelnen Arbeitsvertragsteile (also AN oder AG) zu den Verbänden und der Belegschaftsvertretung, soweit der Persönlichkeitsschutz, das „Hausrecht” des AG und überhaupt die Grundrechte wirksam werden. Es geht um das Recht, ohne Druck einem Verband beitreten oder austreten zu können (sog „positive„ bzw „negative” Koalitionsfreiheit), die Meinungs- und verbandsorientierte Betätigungsfreiheit in der Arbeitsstätte, somit um die sog „Drittwirkung” der Grundrechte. Einzubeziehen ist aber auch das aktive Wahlrecht und die Wählbarkeit zum Betriebsrat sowie die Ausübung der Mitbestimmungsrechte in den diversen Belegschaftsgremien; man könnte diesbezüglich von einer sehr weit gezogenen Wirkung des Persönlichkeitsrechts nach § 16 ABGB sprechen;
Verbände und Belegschaftsvertretung
Die Normenverträge (dh der Kollektivvertrag und die Betriebsvereinbarung) werden herrschend dem Privatrecht zugeordnet. Sie wirken gesetzesgleich auf die Arbeitsverträge und das betriebliche Geschehen ein, ohne dass normunterworfene AN und AG in jedem Fall auf das Zustandekommen oder den Inhalt des kollektiven Gestaltungsmittels bestimmend Einfluss nehmen können. In Ermangelung expliziter verfassungsrechtlicher Deckung kann jedoch nur eine privatrechtliche Deutungsweise über die Denkfiguren der Verbandsrepräsentation und der rechtlich fingierten Einbeziehung in den Arbeitsvertrag zu einer friktionsfreien Geltungserklärung führen.
Kollektivvertrag
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2. Die Beziehung der §§ 1152 ff ABGB (“Dienstvertrag”) zum modernen Arbeitsrecht
Stellt man diese Beziehungsgeflechte und Normenkomplexe nun dem 26. Hauptstück des ABGB über die Dienstleistungsverträge (§§ 1151 ff ABGB) gegenüber, so fällt einem die Eindimensionalität und Normenkargheit des zivilen Arbeitsvertragsrechts auf. Hiebei kommt es gar nicht darauf an, ob man einen Vergleich zum Lohnvertrag des Jahres 1812 (Zeitpunkt des Inkrafttretens des ABGB), zum abhängigen Arbeitsvertrag der III. Teilnovelle 1916 (wesentliche Reformierung dieses Vertragstypes mit spezifischer sozialer Einfärbung) oder zum aktuellen Arbeitsvertragsrecht des ABGB (gekennzeichnet durch einige „Randkorrekturen” als Folgeerscheinung des gestiegenen Wohlstandes und der beruflichen Sondergesetzgebung) zieht. Man ist insoweit enttäuscht, als das Arbeitsvertragsrecht des ABGB über einige rudimentäre Bestimmungen betreffend Arbeitsvertragsdefinition, Entgeltvermutung, Entgeltfortzahlung bei Krankheit, Fürsorgepflicht und Vertragsbeendigung nicht hinausgelangt. Hiebei handelt es sich zudem um Normen,
die entweder bezüglich der Kriterien recht offen oder unvollständig sind und deren Tatbestandsmerkmale daher noch eine entsprechende Konkretisierung und Weiterentwicklung erfahren müssen (zB Arbeitnehmerbegriff nach § 1153 ABGB; Umgrenzung des Betriebsrisikos nach § 1155 ABGB; wichtiger Auflösungsgrund nach § 1162 ABGB);
durch Spezialgesetze, kollektive Rechtsgestaltung oder die Unternehmenspraxis partiell überholt sind (zB Entgeltfälligkeit nach §§ 1154 Abs 2 S 2, 1154a ABGB; Kündigungsfristen nach §§ 1159 – 1159b ABGB);
faktisch bloß zur Geltungsverbreiterung von wichtigen Regelungen der Spezialgesetzgebung auf normativ unzulänglich erfasste AN-Gruppen dienen (zB „Postensuchzeit” nach § 1160 ABGB; Folgen der rechtswidrigen Vertragslösung nach §§ 1162a – 1162d ABGB);
bisweilen nur eine Weiterverweisung auf andere Rechtsgebiete (zB bezüglich Konkurseröffnung in § 1161 ABGB) vornehmen.
Ganz wichtige Rechtsbereiche sind überhaupt nicht angesprochen, wie:
• der Dienstzettel, die Gleichbehandlung und der Diskriminierungsschutz,
• die Gefahrenabwehr und Kontrolle,
• die Entgeltsicherung, der Urlaubsanspruch, die Dienstnehmerhaftung,
• das Recht auf vorübergehende Herabsetzung der Arbeitszeit oder Vertragssuspension aus wichtigen persönlichen Gründen, der materielle Kündigungsschutz,
• der Betriebsübergang, die Entsendung in das Ausland sowie
• die Abfertigung und Betriebspension.
Dafür hat man entweder Sondergesetze geschaffen oder die Materien in ein eigenständiges Arbeitsvertragsrechts- Anpassungsgesetz (AVRAG) höchst heterogener Natur ausgelagert. Man könnte daher resignierend das Resümee ziehen, dass dem Arbeitsvertragsrecht des ABGB bloß eine zeitlich begrenzte Lückenfüllungsfunktion zukommt – nämlich dessen Normen nur noch solange eine Daseinsberechtigung haben, als das antiquierte Arbeiterrecht der Gewerbeordnung 1859 (§§ 72 ff) nicht endgültig erneuert wurde. Eine solche Schlussfolgerung wäre jedoch verfehlt.
Sondergesetze etc
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3. Der soziale Schutzstandard der §§ 1151 ff ABGB
Es darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass selbst das zivile Arbeitsvertragsrecht in der geltenden Fassung wichtige Prinzipien enthält, die das gesamte Arbeitsrecht prägen und gleichsam einen sozialen Standard widerspiegeln, der keinesfalls unterschritten werden darf. Gemeint sind damit:
Die Höchstpersönlichkeit der Dienstleistungserbringung und die grundsätzliche Unübertragbarkeit des Anspruchs auf Zurverfügungstellung der Arbeitskraft gemäß § 1153 ABGB. Dadurch wird vermieden, dass der AN bei persönlicher Verhinderung eine Ersatzkraft stellen muss oder im Falle des Darniederliegens der Unternehmensressourcen genötigt ist, bei anderen Arbeitgebern einzuspringen; gleichwohl bleibt der Entgelt(fort)zahlungsanspruch intakt.
Höchstpersönlichkeit
Die Verbürgung der Entgeltangemessenheit in § 1152 ABGB (eine auf andere Vertragstypen ausweitungsfähige Norm), wodurch den groben Begrenzungspfeilern der Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes (§ 934 ABGB) und des Wucherverbots (§ 879 Abs 2 Z 4 ABGB) noch ein Feinindikator beigegeben wird, der eine ausgleichende, auf die Einzelsituation eingehende Entgeltfestlegung ermöglicht.
Entgeltangemessenheit
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei persönlichen Hinderungsgründen (§ 1154b ABGB), besonders bei Krankheit und Unglücksfall, sowie im Rahmen des Betriebs- und Wirtschaftsrisikos des AG (§ 1155 ABGB). Es wird hier darauf Bedacht genommen, dass die vereinbarte Entgelthöhe prinzipiell nicht ausreicht, um unvorhersehbare Fälle von Arbeitsverhinderung überbrücken zu können, sowie dem bedeutenden Umstand Rechnung getragen, dass der AN keine Möglichkeit hat, die Produktions- und Wirtschaftspläne seines AG mitzugestalten. Das Risiko von Umsatz- und Markteinbrüchen trifft somit zwangsläufig denjenigen, der die Wirtschaftsführung des Unternehmens bestimmt, also den AG.
Entgeltfortzahlung
Die Verankerung der Fürsorgepflicht des AG in § 1157 ABGB als besondere Form des Gebots zur Fremdinteressenwahrung. Damit wird deutlich, dass die auch anderen Schuldverhältnissen eigentümlichen Schutz-, Warn- und Auskunftspflichten bei persönlich geprägten Dauerschuldverhältnissen besonders intensiv ausgestaltet sind. Eine weitergehende Konkretisierung der geschützten Rechtsgüter (zB in Bezug auf Ehre, Vermögen des AN) täte allerdings not.
Fürsorgepflicht
Die grundsätzliche Zulassung von befristeten Arbeitsverhältnissen (§ 1158 Abs 1 ABGB). Ein Sachgrund muss nur angegeben werden, wenn – spezialgesetzlich positiviert – das Unterlaufen von spezifischen Schutzzwecken (zB des Mutterschutzes) zu befürchten steht oder – zur Vermeidung von Diskriminierung (zB von Behinderten) – eine benachteiligende Behandlung gegenüber den unbefristet beschäftigten AN droht. Diese Art des Nebeneinanders von terminisierten und auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsverhältnissen belässt im Sinne der zivilen Vertragsfreiheit den Parteien die grundsätzliche Wahl der zweckmäßigsten Beendigungsform unter weitgehender Ausschaltung von Missbrauchsgefahr und reduziert die – aus der deutschen Rechtspraxis bekannten – Abgrenzungsprobleme.
Befristete Arbeitsverhältnisse
Die beiden Hauptbeendigungsformen der fristbezogenen, jedoch begründungsfreien Kündigung und der vorzeitigen Lösung aus wichtigem Grund (§§ 1158 ff, 1162 ff ABGB) werden dogmatisch klar konturiert, ohne in zu viele Details auszumünden. Sieht man einmal von der Notwendigkeit einer Modernisierung und Vereinfachung des ABGB-Fristenmodells sowie einer demonstrativen Konkretisierung des wichtigen Auflösungsgrundes (etwa dem Angestelltengesetz vergleichbar) ab, kann die Detailausformung durchaus der beruflichen Sondergesetzgebung und auch der kollektivvertraglichen Ausgestaltung überlassen werden.
Kündigung
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4. Postulat: Eine auf das Wesentliche beschränkte Arbeitsrechtskodifikation im ABGB
Das gerade aufgezeigte Grundkonzept des Arbeitsvertragstypus sollte somit jedenfalls im ABGB erhalten bleiben und mE sogar noch durch wesentliche Elemente der bereits unter Pkt 2. aufgelisteten Art angereichert werden. Es ist somit nicht eine Arbeitsrechtskodifikation außerhalb des ABGB zu realisieren – wie es offensichtlich im Ansatz durch das AVRAG versucht wird, sondern das Vertragstypenkonzept des ABGB auch in Bezug auf den Arbeitsvertrag weiter zu entwickeln. Dies hätte den Vorteil, dass die Regeln der Rechtsgeschäftslehre, des allgemeinen Schuld-, Schadenersatz- und Bereicherungsrechts ohne zusätzliche Verweise oder gar Parallelverschiebung in ein allgemeines Arbeitsgesetzbuch angewandt werden könnten. Wichtige Rechtsfragen betreffend
• Willensmängel und Verzug,
• Bestärkung oder Lockerung von Vertragspflichten,
• Erfüllungspflicht oder Zurückbehaltungsrecht,
• Vergleich, Zession und Schuldübernahme,
• Kompensation und Verjährung,
könnten somit durch problemlosen Rückgriff auf die Stammmasse des ABGB gelöst werden. Sollte sich aus der besonderen Struktur des Arbeitsverhältnisses oder berufsspezifischen Besonderheiten die Notwendigkeit zur Anpassung einzelner ziviler Rechtsfiguren ergeben (zB im Zusammenhang mit Verzicht und „Drucktheorie”), so könnte dies unmittelbar in dem regelnden Normenkomplex erfolgen. Damit wäre der Sachzusammenhang und auch die Wertungseinheit im weitestgehenden Maße gesichert.
Rückgriff auf die Stammmasse des ABGB
Literaturquelle
Das Arbeitsvertragsrecht des ABGB hätte somit die Aufgabe, die Grundregeln und Standards des Arbeitsrechts in allgemeinerer und abstrakter Form vorzugeben, an denen sich dann die berufsspezifischen Sondergesetze und auch Kollektivverträge ausrichten könnten. Lediglich die komplizierten Detailregelungen sollten der arbeitsrechtlichen Sondergesetzgebung überlassen bleiben. Dies hätte den Vorteil, dass Differenzierungen in fachlicher, personeller oder regionaler Hinsicht leichter durchgeführt sowie neue Modelle und Praktiken normativ erprobt und adaptiert werden könnten, ohne jeweils das Grundkonzept verändern zu müssen. Das Arbeitsvertragsrecht des ABGB bildete somit den stabilen Kernbereich („eherne Turm in der Brandung”), um den herum sich das dynamische Potential des Arbeitsrechts in spezialgesetzlichen und kollektiven Regelungen entfalten könnte und der Rechtsfortbildung Spielraum gelassen würde. Insofern ist der Einbau von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen im zivilen Arbeitsvertragsrecht (zB durch den Verweis auf Ortsüblichkeit und Angemessenheit) nicht zu kritisieren, sondern im Sinne der Normenbeständigkeit und mit Rücksicht auf die Spezialregelungsflexibilität durchaus angebracht.
ABGB: Grundregeln und Standards des Arbeitsrechts
Auf den zivilen Arbeitsvertragsgesetzgeber wartet somit eine Menge Arbeit:. Es müssen Grundregeln und Standards für das Arbeitsrecht entwickelt werden, denen nicht nur fortschrittliche arbeitsrechtliche Sondergesetze (wie zB das AngestelltenG, SchauspielerG, BerufsausbildungsG) als Vorbild zu dienen hätten, sondern die sich auch an anderen Vertragstypen mit einem chronisch unterlegenen Vertragsteil (zB Mieter, Versicherungsnehmer, Verbraucher) zu orientieren und brauchbare Schutzregeln zu rezipieren hätten.
Sondergesetze
Literaturquelle
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B. Der Arbeitsvertrag
I. Arbeitsvertragstypen
1. Leistung abhängiger Arbeit
Der „Dienstvertrag” des ABGB (§§ 1151 und 1153 ff ABGB), heute idR Arbeitsvertrag genannt, ist ein Vertrag über Leistung abhängiger, also unselbständiger Arbeit. Das Arbeitsrecht gilt als Recht der sozial typisch Schwächeren, also einer Personengruppe, die besonderen gesetzlichen Schutz benötigt.
Arbeitnehmer schulden ihrem Arbeitgeber eine auf Zeit abgestellte Arbeitsleistung und nicht einen bestimmten Arbeitserfolg. Ihre Tätigkeit ist – wie beim Werkvertrag – faktischer/tatsächlicher und nicht rechtlicher oder rechtsgeschäftlicher Art wie beim Auftrag. Arbeitnehmer sind aber verpflichtet, ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten aufzubieten und die Arbeit so zu leisten, wie sie ohne Schädigung der Gesundheit auf Dauer nach dem individuellen Leistungsvermögen unter Bedachtnahme auf betriebliche Gegebenheiten oder den Ortsgebrauch erbracht werden; SZ 57/1 (1984): Zahntechniker.
Auf Zeit abgestellte Arbeitsleistung
Zu den immer mehr in den Vordergrund tretenden atypischen Arbeitsverhältnissen → Typische und atypische Arbeitsverhältnisse – Neoliberalismus, Globalisierung, EU-Ideologie und mangelndes nationales soziales Verständnis höhlen den Schutz abhängig geleisteter Arbeit im Interesse der Wirtschaft / des Kapitals immer mehr aus.
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2. Höhere Dienste
Der Typus des Arbeitsvertrags wird auch für höhere Dienste verwendet; zB für leitende Angestellte, Geschäftsführerverträge bei GmbHs, Anstellungsverträge für Vorstandsmitglieder einer AG, kurz: Verträge für wirtschaftliche Führungskräfte, sog Managerdienstverträge. Zum freien Dienstvertrag → Der sog freie Dienstvertrag
Leitende Angestellte iSd ArbVG 1974 erscheinen durch ihre Aufgaben in die Nähe der Arbeitgeberposition gerückt. Sie genießen daher nicht denselben Schutz – zB gegen sozialwidrige Kündigungen – wie normale Arbeitnehmer; vgl § 36 Abs 2 Z 3 mit § 105 Abs 3 ArbVG:
Leitende Angestellte
Literaturquelle
Literaturquelle
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3. ABGB und Sonderprivatrecht
Beim Arbeitsvertrag sind – wie zB auch beim Bestandvertrag (MRG!) – die einschlägigen Vorschriften des ABGB durch spätere Sondervorschriften (= Arbeitsrecht) weitgehend ersetzt worden. Es handelt sich um Sonderprivatrecht, wenngleich das Arbeitsrecht auch viel öffentliches Recht enthält; zB ArbeitnehmerschutzG (ASchG 1994, BGBl 450) oder BeamtendienstrechtsG / BDG 1979.
Das Arbeitsrecht im heutigen Sinn hat sich erst nach dem Ersten Weltkrieg zu einem eigenen Rechtsgebiet entwickelt. Die Vorschriften des ABGB über den Dienstvertrag betreffen den Einzelarbeitsvertrag, wenngleich auch hier vieles durch Sondergesetzegeregelt wurde; zB AngG 1921. – Die allgemeinen Vorschriften des ABGB sind für das Arbeitsrecht aber weiterhin von Bedeutung. Vgl → Zum Verhältnis von Arbeits- und Zivilrecht: M. Binder.
Beispiel
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4. Der sog freie Dienstvertrag
Neben dem Arbeitsvertrag und dem Werkvertrag kennt das österreichische Recht eine weitere Rechtsfigur: den freien Dienstvertrag. Er ist ein schillerndes Konstrukt, das sich im Zivilrecht anders ausnimmt, als im Arbeits-, Sozial(versicherungs)- und Steuerrecht. – Problematisch ist diese Rechtsfigur vornehmlich deshalb, weil sie gerne zu Umgehungen (von Arbeitgeberseite) verwendet wird. So werden auch „normale” Arbeitnehmer – zB Angestellte/Mitarbeiter von Architekten oder (Foto)Journalisten von Tageszeitungen – in die Stellung sog freier Mitarbeiter gedrängt (eine andere Möglichkeit ist die der neuen Selbständigkeit, die auf Werkvertragsbasis arbeitet) und verlieren dadurch sowohl den arbeitsrechtlichen (Urlaub, Abfertigung, Entgeltfortzahlung oder Insolvenzentgeltsicherung; auch Kollektivverträge gelten nicht mehr für sie), als auch den sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen (Einkommens-, statt Lohnsteuer) Schutz von Arbeitnehmern. Besondere Benachteilungen können sich zusätzlich daraus ergeben, dass freien Dienstnehmern für die Dauer der vertraglichen Beziehung ein Konkurrenzverbot auferlegt wird.
Schillerndes Konstrukt
Wird von freien Dienstnehmern der sozialversicherungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff des § 4 Abs 4 ASVG erfüllt, unterliegen sie zwar der Sozialversicherung, die aber für sie wesentlich ungünstiger ausgestaltet ist als für normale Arbeitnehmer: So zahlt der Arbeitgeber nur etwa die Hälfte der sonstigen Beiträge und es besteht keine Pensionsversicherung.
Arbeitnehmerbegriff des § 4 Abs 4 ASVG
Anders ist das in Deutschland, wo die Kategorie unseres freien Dienstvertrags im (allgemeinen) Dienstvertrag aufgeht, der auch solche typisch höhere Dienste erfasst, die idR nur auf Grund besonderen Vertrauens übertragen werden; vgl § 627 dtBGB.
Deutschland
Es gibt aber auch Fälle selbständiger Arbeit, in denen – anders als beim Werkvertrag – für den Erfolg nicht einzustehen ist. Das ist gleichsam die zivilrechtliche Dimension des freien Dienstvertrags: – Der behandelnde oder operierende Arzt, der prozessführende Firmenanwalt oder der Steuerberater eines Unternehmens schulden zwar sachgemäßes Wirken, sie können aber einen Erfolg nicht (immer) versprechen. Man nennt diese Verträge, bei denen selbständig Tätige einerseits nicht für einen Erfolg einzustehen haben, andrerseits aber ein rechtliches Dauerverhältnis (auf bestimmte oder unbestimmte Zeit), wenngleich uU ohne feste/fixe Bezüge, begründet wird, ebenfalls freie Dienstverträge. Entscheidend ist ferner nach J. Berger, dass trotz Selbständigkeit eine „wirtschaftliche Abhängigkeit von einem oder wenigen Dienstgebern” besteht; das trifft auf die bereits erwähnten freien Mitarbeiter in Medienunternehmen (zB ORF), aber auch auf Reiseleiter oder Betriebsärzte zu. – Rechtsanwälte oder Steuerberater etc könnten aber auch, was die Sache nicht einfacher macht, die Stellung von Arbeitnehmern (eines Unternehmers) einnehmen.
Fälle selbständiger Arbeit als zivilrechtliche Dimension des freien Dienstvertrags
Beispiel
Auf Grund des für die Parteien nötigen Vertrauensverhältnisses sind derartige Vertragsbeziehungen als Dauerschuldverhältnisse grundsätzlich leichter kündbar; häufig sogar fristlos auch ohne wichtigen Grund. Das hat seinen Grund vornehmlich darin, dass ein Wegfall oder doch Zweifel an der Vertrauensbeziehung rasch beseitigt werden können soll. – Die Abhängigkeit wird dadurch natürlich erhöht und wir wissen, dass bspw Anwälte für Bautäger auch fragwürdige „Aufträge” erfüllt haben und erfüllen.
Vertrauensbeziehung
Die große praktische Bedeutung des freien Dienstvertrags kommt auch daher, dass die Arzt-Patient-Beziehung nach hA als freier Dienstvertrag verstanden wird → KAPITEL 10: Der Behandlungsvertrag als freier Dienstvertrag.
Arzt-Patient-Beziehung
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II. Vertragsfreiheit beim Arbeitsvertrag
1. Abschlussfreiheit
Allgemein zur Vertragsfreiheit → KAPITEL 5: Allgemeines zur Vertragsfreiheit.
Grundsätzlich besteht auch für Arbeitsverträge Form- und Abschlussfreiheit; Ausnahmen von der Abschlussfreiheit statuieren aber etwa das InvalideneinstellungsG 1970, seit BGBl 1988/721: BehinderteneinstellungsG (1 Invalide / Behinderter auf 25 Beschäftigte; die Einstellungspflicht ist jedoch in Geld ablösbar) oder das BerufsausbildungsG/BAG, das zwingende Schutzbestimmungen für Lehrlinge kennt. Auch das Arbeitszeitgesetz/AZG ist hier zu nennen.
Die Ausgleichstaxe je nicht beschäftigtem Behinderten beträgt derzeit (seit 1.7.2001) monatlich 2.700 S (196 ı). Eine wesentliche Verschlechterung für Behinderte besteht nunmehr auch darin, dass der Kündigungsschutz für Behinderte für die ersten 6 Monate des Dienstverhältnisses beseitigt wurde (!).
Zu Ausnahmen von der Formfreiheit → KAPITEL 15: Die Form (im Privatrecht).
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2. Inhaltsfreiheit
Die Inhaltsfreiheit wird bei Arbeitsverträgen häufig durch zwingende Gesetzesbestimmungen und Kollektivverträge (→ KAPITEL 11: Der Kollektivvertrag als Rechtsquelle) eingeschränkt. – Dennoch werden immer wieder unerlaubte Vereinbarungen zum Nachteil von Arbeitnehmern/innen getroffen. Typisches Beispiel sind sog Ketten(arbeits)verträge, die Arbeitnehmer um ihre Urlaubs-, Abfertigungs-, Entgelts- und Kündigungsrechte oder -ansprüche bringen sollen.
Inhaltlich unklar bleiben in Arbeitsverträgen aber oft auch andere Vereinbarungen, etwa die, dass ein Arbeitsnehmer im Falle seines Ausscheidens die Ausbildungskosten zurückzuzahlen hat. – Als Faustregel dafür kann gelten: Bloße Einschulungskosten in den Betrieb sind nicht zu ersetzen, echte Ausbildungskosten dann, wenn durch die Ausbildung bessere Verdienstmöglichkeiten (auch in anderen Unternehmen) geschaffen werden. Entscheidend für die Frage der Rückzahlung ist auch die Art der Beendigung des Dienstverhältnisses. Trifft den Arbeitgeber daran Verschulden, besteht kein Rückzahlungsanspruch, kündigt ein Arbeitnehmer selbst oder trifft ihn Verschulden an der Entlassung, ist zurückzuzahlen. Liegt die Ausbildung länger zurück, anerkennt die Rspr nur eine abnehmende Rückzahlung. Längere zeitliche Rückzahlungsanordnungen werden von der Rspr nur ausnahmsweise als nicht sittenwidrig angesehen. Allgemein darf durch die vereinbarte Verpflichtung zum Rückersatz, das berufliche Fortkommen von Arbeitnehmern/innen nicht ungebührlich erschwert werden.
Ausbildungskosten
Allgemein zur Sittenwidrigkeit → KAPITEL 11: Gesetz- und Sittenwidrigkeit.
Rechtssprechungsbeispiel
ZAS 2001,147/16: §§ 879, 914 ABGB- Rückersatz von Ausbildungskosten ?
Große Bedeutung für den „Inhalt” von Arbeitsverträgen besitzen Kollektivverträge. Kollektivverträge sind Vereinbarungen, die zwischen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer schriftlich abgeschlossen werden; § 2 ArbVG 1974. – Neben Gesetzen und Rechtsverordnungen ist der Kollektivvertrag eine eigene Rechtsquelle des Arbeitsrechts.
Kollektivverträge
Zur Rechtsquellenlehre allgemein und zur Stellung des Kollektivvertrags darin → KAPITEL 11: Rechtsquellen des Privatrechts.
Hinzuweisen ist darauf, dass Kollektivverträge nicht im Bereich des öffentlichen Dienstrechts gelten; also etwa für Bedienstete von Bund, Ländern und Gemeinden.
Der Kollektivvertrag wirkt normativ, dh gestaltend auf die ihm unterliegenden einzelnen Arbeitsverhältnisse. Ihr Sinn liegt darin, die gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten für ganze Gruppen von Arbeitnehmern zu regeln. Der Kollektivvertrag kompensiert die sonst bestehende wirtschaftliche Übermacht der Unternehmerseite wenigstens zum Teil und erfüllt wichtige sozialpolitische Funktionen.
Wirken auch normativ…
Was wird in Kollektivverträgen geregelt?
Beispiel
Eine andere wichtige Einschränkung der Vertragsfreiheit bei Arbeitsverträgen enthält das ArbeitszeitG /AZG 1969, BGBl 461 idgF. Es regelt viele Spezialfragen und hat sich im Laufe seiner Geltung stark geändert; zB Flexibilisierung der Arbeitszeit, Sonderbestimmungen für die Arbeitszeit von Kfz-/Lkw-Lenkern oder Abgeltung von Zeitguthaben von Arbeitnehmern bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. – Die nationalen Regelungen über die Arbeitszeit sind mittlerweile durch EU-Recht überlagert.
Arbeitszeitgesetz
In Teilbereichen bestehen Sonderarbeitszeitgesetze; etwa das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz / KA-AZG , BGBl I 1997/8.
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III. Der Arbeitsvertrag als Dauer(schuld)verhältnis
Wir kennen bereits die allgemeine Unterscheidung zwischen Schuldvertrag (punktuelle Betrachtung) und Schuldverhältnis (rechtliches Spektrum / Kontinuum). Sie spielt auch hier eine wichtige Rolle; vgl → KAPITEL 7: Schuldvertrag und Schuldverhältnis.
1. Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis
Durch die tatsächliche Arbeitsaufnahme entsteht aus dem Arbeitsvertrag das Arbeitsverhältnis. – Ab diesem Zeitpunkt finden die Regeln für Dauerschuldverhältnisse Anwendung, bis dorthin gelten noch die für Zielschuldverhältnisse. – Erscheint bspw ein Arbeitnehmer nicht wie vereinbart zur Arbeit (Schuldnerverzug), kann der Arbeitgeber vom Vertrag (noch) zurücktreten; § 30 AngG. Nach tatsächlicher Aufnahme der Arbeit ist dagegen zu kündigen; §§ 20 ff AngG.
Arbeitsaufnahme
Die unterschiedliche Terminologie – Rücktritt oder Kündigung – zeigt grundsätzlich an, ob es um die Beendigung eines Ziel- oder die Auflösung / Aufhebung eines Dauerschuldverhältnisses geht! – Vgl EvBl 1999/117: Beginn des Erfüllungsstadiums eines Arbeitsverhältnisses. – Der Entgeltanspruch wegen Dienstverhinderung (§ 8 Abs 1 AngG) setzt die vorherige Arbeitsaufnahme voraus. Der Dienstnehmer hat keinen Anspruch auf Entgeltzahlung, wenn er vor dem Antritt des Arbeitsverhältnisses einen Verkehrsunfall erleidet.
Rücktritt oder Kündigung
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2. Endigung von Arbeitsverträgen
Die Endigung von Arbeitsverträgen folgt grundsätzlich den allgemeinen Regeln für Dauerschuldverhältnisse → KAPITEL 6: Ziel- und Dauerschuldverhältnisse. Sie erfolgt durch Zeitablauf (§ 19 AngG) oder die jederzeit mögliche einvernehmliche Aufhebung (= zweiseitiges Rechtsgeschäft/Beendigungsvertrag) und bei Arbeitsverträgen auf unbestimmte Zeit durch ordentliche Kündigung; §§ 20 ff AngG. § 1158 Abs 4 ABGB formuliert:
„Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden, so kann es durch Kündigung ... gelöst werden.”
§ 1160 Abs 1 ABGB und § 22 Abs 1 AngG (beide in der Fassung des ARÄG 2000) bringen nahezu wortgleich eine neue Regelung der sog Dienstpostensuchtage („Freizeit während der Kündigungsfrist”) bei Kündigung durch den Dienstgeber. – Dem Dienstnehmer ist während der Kündigungsfrist auf sein Verlangen wöchentlich mindestens ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ohne Schmälerung des Entgelts freizugeben.
Dienstpostensuchtage
Eine vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgt durch den Tod des Arbeitnehmers oder das Erreichen der Altersgrenze; bei Vorliegen wichtiger Gründe durch außerordentliche Kündigung, dh vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers oder fristlose Entlassung durch den Arbeitgeber.
Vorzeitige Auflösung
Vorzeitiger Austritt und fristlose Entlassung (man bezeichnet diese beiden Kündigungsmöglichkeiten auch als außerordentliche Kündigung) erfolgen in erster Linie wegen schuldhafter Pflichtverletzungen (zB ein Arbeitnehmer betreibt Nebengeschäfte), aber auch aus Gründen ohne Verschulden; zB Arbeitnehmer wird durch schwere Krankheit arbeitsunfähig. Die §§ 26, 27 AngG zählen bspw wichtige (Kündigungs)Gründe für Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf.
Außerordentliche Kündigung
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 65/134: Tonbandaufnahme eines Gesprächs unter vier Augen → KAPITEL 4: Persönlichkeitsrechte ¿ Überblick.
SZ 71/14 (1998): Gerechtfertigter vorzeitiger Austritt eines Arbeitnehmers (ohne vorherige Nachfristsetzung) dem totz Urgenzen monatelang das gesamte Entgelt vorenthalten wurde.
Literaturquelle


Beendigung von Dienstverhältnissen
Abbildung 12.1:
Beendigung von Dienstverhältnissen
Bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses können Schadenersatzansprüche entstehen, wenn zB ein Arbeitnehmer nicht rechtmäßig entlassen wird oder ein Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt. In diesen Fällen wird das Arbeitsverhältnis dennoch mit sofortiger Wirkung beendet. Der Arbeitgeber hat also bspw bei falscher Kündigung keinen Anspruch mehr auf Dienste, muss aber Lohn bis zum Zeitpunkt weiterzahlen, in dem das Arbeitsverhältnis korrekt geendet hätte; sog Kündigungsentschädigung.
Kündigungsentschädigung
Mit Endigung des Arbeitsverhältnisses erlöschen aber nicht alle Rechte und Pflichten. Es können Nachwirkungen eintreten; zB Pflicht zur Ausstellung von (Arbeits)Zeugnissen (§ 39 AngG), Zahlung der Abfertigung (§ 23 AngG), verschiedene Rückstellungspflichten (zB von Arbeitsgerät oder -kleidung), Beschränkungen durch Konkurrenzklauseln wirken überhaupt erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses; § 36 AngG.
Nachwirkungen
Eine weitere Konsequenz der Beendigung eines Dienstverhältnisses ist die Abfertigung. – Das Abfertigungsrecht wurde jüngst auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt.
Abfertigung
Literaturquelle
Seit 1. Jänner 2003 gilt grundsätzlich das Betriebliche MitarbeitervorsorgeG (BMVG, BGBl 2002 I 100); ausgenommen sind zB Bauarbeiter, Vertragsbedienstete der Länder und Gemeinden sowie Beamte. Alle vor Inkrafttreten abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse unterliegen weiterhin dem alten Abfertigungsrecht, können aber durch Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dem neuen Abfertigungsrecht unterstellt werden. – Neu ist auch, dass sich nunmehr der Abfertigungsanspruch nicht mehr gegen den Arbeitgeber, sondern an eine Mitarbeitervorsorgekasse richtet, in welche der Arbeitgeber für jeden Arbeitnehmer monatlich einen Betrag von 1,53% des Arbeitsentgelts einzahlt. Die Einhebung dieser Beträge nimmt der zuständige gesetzliche Krankenversicherungsträger vor, der die Beträge an die Mitarbeitervorsorgekasse weiterleitet. Der Arbeitgeber kann die geleisteten Beiträge als Betriebsausgabe steuerlich absetzen.
Grundsätze der Abfertigung neu – Vergleich zur alten Lösung
Nach der Abfertigung neu hat jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abfertigung, gleichgültig, ob er selbst kündigt oder gekündigt wird. Der Anspruch ist entweder auf Auszahlung oder nur auf Mitnahme des Anspruchs (zu einem anderen Arbeitgeber) gerichtet; sog Rucksackprinzip. – Die Abfertigung neu kennt auch die Möglichkeit des Arbeitnehmers, seinen Abfertigungsanspruch in eine Zusatzpension umzuwandeln; § 17 Abs 1 Z 4 BMVG. – Eine Abtretung und Verpfändung von Abfertigungsanwartschaften ist grundsätzlich nicht möglich; für eine Pfändung gelten die Vorschriften und Einschränkungen der EO. – Zum Konkurs einer Mitarbeitervorsorgekasse § 36 BMVG. Näheres bei J. Berger 46 ff → Dienstleistungsverträge: Literatur.
Nach § 23 Abs 7 AngG entfällt der (alte!) Abfertigungsanspruch, wenn Angestellte (selbst!) kündigen oder ohne wichtigen Grund vorzeitig austreten oder wenn sie Verschulden an der vorzeitigen Entlassung trifft. Nach § 23a AngG besteht der (alte) Abfertigungsanspruch aber auch dann, wenn zB das Dienstverhältnis mindestens 10 Jahre ununterbrochen gedauert hat und bei Männern nach Vollendung des 65. Lebensjahres, bei Frauen nach Vollendung des 60. Lebensjahres durch Kündigung seitens des Dienstnehmers endet. – Hat das Dienstverhältnis ununterbrochen ….. Jahre gedauert, gebührt/e Angestellten bei Auflösung eine Abfertigung in Höhe des ……. -fachen (letzten) Monatsgehalts: nach
3 Dienstjahren: das 2-fache
5 Dienstjahren: das 3-fache
10 Dienstjahren: das 4-fache
15 Dienstjahren: das 6-fache
• nach 20 Dienstjahren: das 9-fache
• nach 25 Dienstjahren: das 12-fache.


Abfertigung (1)
Abbildung 12.2:
Abfertigung (1)


Abfertigung (2)
Abbildung 12.3:
Abfertigung (2)
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1999/31: Das Vorliegen einer bestimmten, den Abfertigungsanspruch vernichtenden Beendigungsart eines Arbeitsverhältnisses ist nach der Rspr vom Arbeitgeber zu beweisen.
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IV. Gegenseitige Rechte und Pflichten
Die aus dem Arbeitsvertrag und dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten sind über viele Gesetze verstreut; bspw ABGB, AngG, AVRAG, UrlG, AZG etc.– Bei Regelung einer Sachfrage in einem Spezial- oder NebenG, die über den Anwendungsbereich des speziellen Gesetzes hinausreicht und von allgemeiner Bedeutung ist, wird von lex fugitiva gesprochen; wörtlich: flüchtiges/fliehendes Gesetz. – Gemeint ist damit, dass sich eine Regelung an einem Ort findet, an dem man sie nicht erwartet. Leges fugitivae kommen immer wieder vor, sind aber legistisch problematisch. Vgl etwa § 2 AVRAG.
lex fugitiva
1. Der „Dienstzettel”
Gemäß § 2 AVRAG 1993 hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unverzüglich nach Beginn des Arbeitsverhältnisses eine schriftliche Aufzeichnung – sog „Dienstzettel” – über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag auszustellen.
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2. Arbeitspflicht und Entgeltzahlung
Arbeitnehmer/innen haben nach dem Arbeitsvertrag ihre Arbeitskraft persönlich zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch auf Arbeit ist auf beiden Seiten höchstpersönlich und kann daher nicht einseitig übertragen werden (§ 1153 Satz 1 ABGB): Man kann also Arbeitnehmer/innen nicht (ohne weiteres) „verleihen”, aber auch Arbeitnehmer können nicht „Ersatz” schicken, wenn sie keine Lust zur Arbeit haben. – Das moderne Arbeitsvertragsdenken stellt der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, die Entgeltverpflichtung des Arbeitgebers gegenüber. Es handelt sich um einen korrespondierenden Leistungsaustausch.
Persönliche Arbeitspflicht
Zur Arbeitnehmerüberlassung / „Leiharbeit” → Arbeitnehmerüberlassung
Arbeitnehmer sind zu vertragsgemäßer, gewissenhafter Arbeit und berufsüblicher Sorgfalt unter Beachtung der Weisungen / Anordnungen des Arbeitgebers verpflichtet.
Sorgfaltspflicht AN – Weisungsrecht AG
Bei typisch schadensgeneigten Arbeiten (zB Fernfahrer oder Inkassotätigkeit: zB Kellnerin, Kassier), darf diesen Personen nicht allein das (Schadens)Risiko aufgebürdet werden. Zum D(N)HG → Die Dienstnehmerhaftung; zur analogen Anwendung des § 1014 letzter HalbS ABGB auf Arbeitsverhältnisse → Risikohaftung – Zudem besteht in diesen Fällen aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers heraus die Pflicht, Arbeitnehmerrisiken allenfalls zu versichern (Haftpflicht + Kasko); zB Fernfahrer.
Schadensgeneigte Arbeiten
Als Gegenleistung für die zur Verfügung gestellte Arbeitskraft erhalten Arbeitnehmer ein Entgelt; zB § 1152 ABGB:
Entgelt
„Ist im Vertrag kein Entgelt bestimmt und auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart, so gilt ein angemessenes Entgelt als bedungen.”
Das Entgelt wird idR in Geld entrichtet und ist grundsätzlich im Nachhinein fällig; § 1154 Abs 1 ABGB. Es kann aber vereinbart werden, dass es nicht – wie im Gesetz vorgesehen – nach erfolgter Arbeitsleistung, sondern im Vorhinein zu entrichten ist, was in der Arbeitsvertragspraxis häufig vorkommt und (auch) als Entgeltvorauszahlung bezeichnet wird.
Fälligkeit des Entgelts
Zur Abgrenzung von: Entgeltvorauszahlung, Entgeltvorschuss und Arbeitgeberdarlehen → Der Entgeltvorschuss
§ 1154 Abs 3 ABGB statuiert, dass bereits verdientes Entgelt mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses „in jedem Falle … fällig” wird. Was das bedeutet zeigt die folgende E:
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 28. 2. 2001, 9 Ob A 325/00k, JBl 2001, 600: Kraftfahrer gibt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Fahrtenschreiberaufzeichnungen nicht heraus und klagt auf ausständigen Lohn. – OGH: Ein Zurückhalten des Arbeitsentgelts (ob wegen Nichterfüllung einer Nebenpflicht seitens des Arbeitnehmers oder aus einem anderen Grund) ist grundsätzlich unzulässig. Selbst wenn zugunsten des Arbeitgebers ein Retentionsrecht vereinbart worden wäre, kann es die relativ zwingende Bestimmung des § 1154 Abs 3 ABGB nicht umgehen. (Ein Suspendieren der Zug-um-Zug-Leistungspflicht ist aus gesetzlichen Gründen zu bejahen, nicht nur deshalb, weil bloß eine Nebenleistungspflicht verletzt wurde.)
Es besteht Truckverbot! – dh: Verbot der Entlohnung in Waren aus der eigenen Produktion statt durch Geld. Diese Unsitte war im 19. bis ins 20. Jhd verbreitet.
Truckverbot
Erwähnt werden soll noch, dass grundsätzlich (immer noch) folgende Begriffe für das vom Arbeitgeber geschuldete Entgelt Verwendung finden: Arbeiter erhalten Lohn, Angestellte und öffentliche Bedienstete dagegen ein Gehalt.
Lohn oder Gehalt
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3. Fürsorgepflicht und Treuepflicht
Arbeitgeber und Arbeitnehmer treffen gegeneinander korrespondierende Pflichten, die mit Fürsorgepflicht desArbeitgebers (§ 18 AngG) und Treuepflicht des Arbeitnehmers (§§ 7, 27 Z 1 AngG) bezeichnet werden.
Arbeitnehmer haben in Entsprechung ihrer Treuepflicht alles zu unterlassen, was gegenüber dem Arbeitgeber als Untreue erscheint; zB § 7 (Konkurrenzverbot) oder § 27 Z 1 AngG (Untreue).
Untreue
Literaturquelle
§ 36 AngG regelt die Wirksamkeit von (in diesem Zusammenhang wichtigen) Konkurrenzklauseln; nachwirkende Treuepflicht. – Konkurrenzklauseln verbieten Angestellten eine bestimmte Zeit nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses eine Anstellung bei einem Konkurrenzunternehmen anzutreten. Gültig sind sie dann, wenn sie mit 1 Jahr befristet sind (§ 36 Abs 2 AngG) und die Interessen des Arbeitgebers schwerer wiegen als die des Arbeitnehmers. Auch gebietsmäßig darf eine Konkurrenzklausel Arbeitnehmer nicht unbillig einschränken.
Konkurrenzklauseln
Nach der Rspr können derartige Klauseln analog auch mit Arbeitern vereinbart werden, wenn diese aufgrund ihrer Tätigkeit und ihrer Kenntnisse Unternehmensinteressen ihres Arbeitgebers durch Tätigkeit in einem Konkurrenzunternehmen gefährden können; SZ 69/290 (1996). – Zur Unterscheidung der Konkurrenzklausel vom Konkurrenzverbot → KAPITEL 11: Rspr-Beispiele: Rspr-Beispiele.
§ 18 AngG Nach Abs 1 dieser Bestimmung ist der Dienstgeber verpflichtet, auf seine Kosten alle Einrichtungen bezüglich der Arbeitsräume und Gerätschaften herzustellen und zu erhalten, die mit Rücksicht auf die Beschaffenheit der Dienstleistung zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Angestellten erforderlich sind.
Abs 2: Werden Angestellten vom Dienstgeber Wohnräume überlassen, dürfen [diese nicht] gesundheitsschädlich [sein].
Abs 3: Der Dienstgeber hat dafür zu sorgen, dass, soweit es die Beschäftigung zulässt, die Arbeitsräume während der Arbeitszeit licht, rein und staubfrei gehalten werden, dass sie im Winter geheizt und ausreichend Sitzplätze zur Benutzung für die Angestellten in den Arbeitspausen vorhanden sind.
Abs 4: Der Dienstgeber hat Maßnahmen zur Wahrung der Sittlichkeit zu treffen, die durch Alter und Geschlecht der Angestellten geboten sind.
Der Arbeitgeber darf Arbeitnehmer auch nicht diskriminieren, was ebenfalls aus seiner Fürsorgepflicht abgeleitet wird.
Fürsorgepflicht des Dienstgebers
Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hat sich ferner das Arbeitsschutzrecht entwickelt; vgl § 18 AngG. Es bezweckt den Schutz von Leben, Gesundheit und Sittlichkeit etc. – Erhöhten arbeitsrechtlichen Schutz genießen Kinder, Jugendliche, Frauen / Schwangere, Invalide/Behinderte, Nachtschicht- und Schwerarbeiter, Präsenz- und Zivildiener; zB Kündigungsschutz.
Arbeitsschutzrecht
Literaturquelle
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4. Arbeitszeit
Rechtsquelle ist das AZG 1969; vgl schon → Inhaltsfreiheit Es regelt Begriffe wie: Arbeitszeit, Tages-, Wochen-, Normalarbeitszeit, gleitende Arbeitszeit, Überstundenarbeit, Ruhepausen und Ruhezeiten, Teilzeitarbeit usw.
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5. Urlaubsrecht
Literaturquelle
Das Urlaubsrecht ist für die meisten Arbeitnehmer seit 1977 einheitlich im UrlaubsG (UrlG 1976, BGBl 390) geregelt. Früher bestanden für Arbeiter und Angestellte unterschiedliche Regelungen. – Abweichungen gelten aber noch heute zB für: Journalisten, Schauspieler, Heimarbeiter, Vertragsbedienstete des Bundes oder Bauarbeiter.
Urlaubsgesetz
Urlaubsausmaß (jährlich): Bei weniger als 25 Dienstjahren: mindestens 30 Werktage (= 5 Wochen); – ab Vollendung des 25. Dienstjahrs: 36 Werktage (= 6 Wochen).
Urlaubsausmaß
Werktage sind alle Kalendertage, ausgenommen Sonn- und gesetzliche Feiertage
Erkrankung während des Urlaubs (§ 5 UrlG): Dauert der Krankenstand länger als 3 Tage, werden diese Tage nicht auf das Urlaubsausmaß angerechnet. Die Krankheit während des Urlaubs ist zu bescheinigen. – Nach § 5 Abs 2 UrlG darf ein Arbeitnehmer während des Urlaubs aber keine dem Erholungszweck widersprechende Erwerbstätigkeit ausüben!
Ansprüche nach § 10 UrlG idFd ARÄG 2000 bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses:
Ansprüche nach § 10 UrlG
„(1) Dem Arbeitnehmer gebührt für das Urlaubsjahr, in dem das Arbeitsverhältnis endet, zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Ersatzleistung als Abgeltung für den der Dauer der Dienstzeit in diesem Urlaubsjahr im Verhältnis zum gesamten Urlaubsjahr entsprechenden Urlaub. Bereits verbrauchter Jahresurlaub ist auf das aliquote Urlaubsausmaß anzurechnen. Urlaubsentgelt für einen über das aliquote Ausmaß hinaus verbrauchten Jahresurlaub ist nicht rückzuerstatten, außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch
1. unberechtigten vorzeitigen Austritt oder
2. verschuldete Entlassung. Der Erstattungsbetrag hat dem für den zu viel verbrauchten Urlaub zum Zeitpunkt des Urlaubsverbrauchs erhaltenen Urlaubsentgelt zu entsprechen.
(2) Eine Ersatzleistung gebührt nicht, wenn der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt.
(3) Für nicht verbrauchten Urlaub aus vorangegangenen Urlaubsjahren gebührt anstelle des noch ausständigen Urlaubsentgelts eine Ersatzleistung in vollem Ausmaß des noch ausständigen Urlaubsent-gelts, soweit der Urlaubsanspruch noch nicht verjährt ist.
(4) ...”


Urlaubsrecht (1)
Abbildung 12.4:
Urlaubsrecht (1)


Urlaubsrecht (2)
Abbildung 12.5:
Urlaubsrecht (2)
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6. Vom Karenz(urlaubs)geld zum Kinder(betreuungs)geld
Literaturquelle
Entgeltersatzleistungen für Mütter während des Karenzurlaubs nach dem MutterschutzG gab es in Österreich seit 1961. Es handelt sich um eine wichtige familienpolitische Leistung. Während sie früher nur von Müttern in Anspruch genommen werden konnte, sind seit 1990 beide Elternteile anspruchsberechtigt. Karenzgeld konnte auch neben einer Teilzeitbeschäftigung bezogen werden. Betrug die Anspruchsdauer anfänglich ein halbes Jahr, reichte sie ab 1.1.2000 über das zweite Lebensjahr des Kindes hinaus. Die ursprünglich bestehende Verbindung mit der Arbeitslosenversicherung wurde aufgegeben; zuständig war nicht mehr das Arbeitsmarktservice, sondern die Krankenversicherungsträger (GKK). 1997 wurde ein eigenes KarenzgeldG (BGBl I 47) erlassen. Das BudgetbegleitG 2001 (BGBl I 142/2000) hat das KGG erneut geändert.
Mit BGBl I 2001/68 wurde durch Änderung des FamilienlastenausgleichsG die Familienbeihilfe erhöht – sog Kinder(betreuungs)geld – und damit das Karenzgeld abgelöst. Es trat mit 1.1.2002 in Kraft und gebührt für Kinder, die nach diesem Datum geboren werden, sofern für sie ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht und sie im gemeinsamen Haushalt leben.
Der Anspruch ist unabhängig von früherer Erwerbstätigkeit und gebührt Hausfrauen / -männern ebenso wie Studierenden oder Arbeitslosen. Die Höhe des Kinderbetreuungsgeldes beträgt monatlich ca 6.000 S (14,53 ı täglich). Ein darüber hinaus gehender Zuschuss für sozial schwache Familien oder Alleinerziehende Elternteile ist möglich (+ 6,06 ı täglich ~ 2.500 S monatlich). Die Leistung ist an die Erfüllung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gebunden. Die individuelle Zuverdienstgrenze ( Familieneinkommen) beträgt jährlich brutto 200.000 S (14.600 ı). Die Dauer beträgt grundsätzlich 30 Monate, betreut auch der zweite Elternteil maximal bis zum Ende des 3. Lebensjahres. Zuständigkeit: Krankenversicherungsträger / GKK.
Kinderbetreuungsgeld gilt für Geburten ab dem 1. Jänner 2002. – Voraussetzungen sowie sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen (für selbständige und unselbständige Elternteile):
Wer kann Kinderbetreuungsgeld beziehen? Folgende drei Voraussetzungen müssen vorliegen:
(1) Anspruch auf Familienbeihilfe
(2) (Gemeinsamer) Haushalt mit dem Kind
(3) Einkommensgrenze 14.600 ı (200.900 S) pro Kalenderjahr.
Zur Anrechnung des neuen Kinderbetreuungsgeldes auf familiäre Unterhaltsleistungen:
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 11. 12. 2002, 7 Ob 167/02p, JBl 2003/107: Richtungsweisende E zur Anrechnung des neu eingeführten Kinderbetreuungsgeldes auf familiäre Unterhaltsleistungen. – Nach Scheidung geht Mann zweite Ehe ein; aus der ersten Ehe ist er für Zwillinge unterhaltspflichtig. Er will die Unterhaltspflichten für seine (zweite) nicht berufstätige Frau, die auf Grund eines gemeinsamen Kindes Kinderbetreuungsgeld erhält, durch eine Reduktion seiner Unterhaltspflichten für die Zwillinge um 3 % anrechnen lassen. Von den Unterinstanzen werden ihm aber nur 2 % gewährt, da das Kinderbetreuungsgeld als Einkommen der Frau zu qualifizieren sei. – OGH stimmt dem zu, führt aber aus, dass das Kinderbetreuungsgeld als neue familienpolitische Leistung an die Stelle des bisherigen Karenzgeldes trete; Karenz(Urlaubs)geld wurde vom OGH in stRspr als bei der Unterhaltsermittlung zu berücksichtigendes Einkommen der Ehefrau qualifiziert. – In diesem Sinne auch JBl 2003, 111 und JBl 2003, 113.
Allgemein zum „Karenzierungsrecht” J. Berger, aaO 82 ff: Der Begriff der Karenzierung bedeutet allgemein: Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Arbeits- und des Arbeitgebers von seiner Lohnfortzahlungspflicht, bei Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses.
Karenzierungsrecht
Zu unterscheiden sind Fälle der
Vertraglich-vereinbarte und gesetzliche Karenz
- vertraglich vereinbarten und der
- gesetzlichen Karenz iS einer „‚Aussetzung’ der beiderseitigen arbeitsvertraglichen Hauptpflichten” (J. Berger).
Fälle der gesetzlichen Karenz sind zB: – Die Karenz für Mütter und Väter (§ 15 MSchG); – Präsenz-, Ausbildungs- und Zivildienerkarenz (nach dem APSG); – Familienhospizkarenz (§§ 14a, 14b, 15b AVRAG).
Karenz durch Vereinbarung: – Bildungskarenz (§ 11 AVRAG: 3-12 Monate); – vgl auch § 12 AVRAG.


Hospizkarenz
Abbildung 12.6:
Hospizkarenz
nach oben
7. Dienstverhinderung und Entgeltfortzahlung
Literaturquelle
Das Arbeitsverhältnis ist ein Dauerschuldverhältnis mit personenrechtlichem Einschlag: Daraus entspringen die kurz behandelte Fürsorge- wie Treuepflicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Zu unterscheiden sind grundsätzlich Dienstverhinderungsgründe der Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und der neutralen Sphäre. – Die Entgeltfortzahlung des Arbeitsrechts „ersetzt” sowohl Dienstverhinderungen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer- (wenn auch nicht alle!), als auch der neutralen Spähre, was einen wichtigen Unterschied zum Werkvertragsrecht darstellt, bei dem alle derartigen Hinderungsgründe in die Spähre des Werkunternehmers fallen, dem höchstens Schadenersatzansprüche zustehen.
Dienstverhinderungsgründe
Heute besteht ein Recht von Arbeitnehmern auf Beschäftigung (Beschäftigungspflicht; nicht zu verwechseln mit dem „Recht auf Arbeit”) und unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Anspruch auf Lohn bei Arbeitsausfall und Dienstverhinderung:
• Nach dem ABGB (§ 1154 idFd ARÄG 2000, BGBl 44) und dem EFZG 1974 (§ 2 Abs 1) ist das Entgelt auch dann fortzuzahlen, wenn Arbeitnehmer aus Gründen, die in ihrer Person liegen, dienstverhindert sind; das gilt insbesondere bei Krankheit. Dazu gleich mehr.
• Eine weitere Leistung bei einseitger Dienstverhinderung ist die Pflegefreistellung nach § 16 UrlG, wo sie geregelt ist, aber eigentlich nicht hingehört. Danach steht jedem Arbeitnehmer jährlich 1 Woche (bezahlte) Pflegefreistellung zu, wenn dies für die Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden nahen Angehörigen oder die Betreuung eines Kindes nötig ist. Freistellung um eine weitere Woche ist möglich.
Pflegefreistellung


Pflegefreistellung
Abbildung 12.7:
Pflegefreistellung
Nahe Angehörige sind nach § 16 Abs 1 Z 2 UrlG: Ehegatte/in, Verwandte in gerader Linie, Wahl- und Pflegekinder sowie Lebensgefährte/in.
Zur gesetzlich besonders geregelten Entgeltsicherung bei Insolvenz des Arbeitgebers → Entgeltsicherung bei Insolvenz des Arbeitgebers
Nach § 1 Abs 1 EFZG gilt dieses Gesetz für Arbeitnehmer, „deren Arbeitsverhältnis auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht.” Abs 2 leg cit nimmt vom Geltungsbereich aber Angestellte (AngG, GutsangestelltenG, JournalistenG, SchauspielerG), Landarbeiter und Heimarbeiter aus. Die §§ 8 und 9 AngG regeln nämlich die Entgeltfortzahlung für Angestellte separat. Nicht erfasst vom EFZG werden grundsätzlich auch Arbeitsverhältnisse zum Bund, einem Land oder sonstigen Körperschaften oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts.
Geltungsbereich des EFZG
Für welche Dienstverhinderung gilt Entgeltfortzahlung ? – Entgeltfortzahlung wird geleistet bei: Krankheit, Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, Unglücksfällen (zB auch Freizeitunfällen), bei bewilligten oder angeordneten Kur- und Erholungsaufenthalten (zB § 1154b Abs 4 ABGB), Arztbesuchen oder der Entbindung der Ehegattin; vgl § 1154b Abs 5 ABGB.
• Nach § 2 EFZG und § 1154b ABGB wird Entgeltfortzahlung nur geleistet, wenn Erkrankungen oder Unfälle weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt wurden.
• Die Bezugsdauer hängt davon ab, wie lange der/die Betroffene zuvor im Betrieb beschäftigt war; vgl § 2 EFZG und § 1154b ABGB.
§ 1154b
(1) Der Dienstnehmer behält seinen Anspruch auf das Entgelt, wenn er nach Antritt des Dienstes durch Krankheit oder Unglücksfall an der Dienstleistung verhindert ist, ohne dies vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet zu haben, bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von acht Wochen, wenn das Dienstverhältnis fünf Jahre, von zehn Wochen, wenn es 15 Jahre und von zwölf Wochen, wenn es 25 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch jeweils weitere vier Wochen behält der Dienstnehmer den Anspruch auf das halbe Entgelt.
(2) Bei wiederholter Dienstverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) innerhalb eines Arbeitsjahres besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nur insoweit, als die Dauer des Anspruchs gemäß Abs. 1 noch nicht erschöpft ist.
(3) Wird ein Dienstnehmer durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit im Sinne der Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Dienstverhinderung bis zur Dauer von acht Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn das Dienstverhältnis 15 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Bei wiederholten Dienstverhinderungen, die im unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit stehen, besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts innerhalb eines Dienstjahres nur insoweit, als die Dauer des Anspruchs nach dem ersten oder zweiten Satz noch nicht erschöpft ist. Ist ein Dienstnehmer gleichzeitig bei mehreren Dienstgebern beschäftigt, so entsteht ein Anspruch nach diesem Absatz nur gegenüber jenem Dienstgeber, bei dem die Dienstverhinderung im Sinne dieses Absatzes eingetreten ist; gegenüber den anderen Dienstgebern entstehen Ansprüche nach Abs. 1.
(4) Kur- und Erholungsaufenthalte, Aufenthalte in Heil- und Pflegeanstalten, Rehabilitationszentren und Rekonvaleszentenheimen, die wegen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit von einem Träger der Sozialversicherung, dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen gemäß § 12 Abs. 4 Opferfürsorgegesetz, einem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen oder einer Landesregierung auf Grund eines Behindertengesetzes auf deren Rechnung bewilligt oder angeordnet werden, sind einer Dienstverhinderung gemäß Abs. 3 gleichzuhalten.
(5) … (6) …
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8. Entgeltsicherung bei Insolvenz des Arbeitgebers
Literaturquelle
Mit dem IESG 1977, BGBl 324, wurde ein neuer Zweig des Gesamtsystems der sozialen Sicherheit geschaffen. Im Volksmund wird von „Konkursversicherung” gesprochen. Ziel des IESG ist es, Arbeitnehmer gegen das Risiko des Entgeltverlustes
IESG 1977
• bei Eröffnung des Konkurses oder
• eines Ausgleichs des Arbeitgebers
• oder der Ablehnung eines Konkursantrags mangels hinreichenden Vermögens zu schützen.
Bei der Insolvenz-Entgeltsicherung handelt es sich um eine öffentlichrechtliche Pflichtversicherung. Das Insolvenz-Ausfallgeld ist eine öffentlichrechtliche Ersatzleistung für nicht erhaltenes privatrechtliches Entgelt. – Notwendig wurde das neue Gesetz deshalb, weil Arbeitnehmer im Konkurs ihres Arbeitgebers oft nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern häufig auch im anschließenden Insolvenzverfahren ihr bereits verdientes Entgelt ganz oder teilweise verlieren.
1997 waren rund 21.000 Arbeitnehmer von Insolvenzen ihrer Arbeitgeber betroffen. – Zur praktischen Bedeutung von Konkursen besonders in wirtschaftlichen Krisenzeiten → KAPITEL 19: Der Konkurs.
Das Insolvenz-Ausfallgeld muss binnen 4 Monaten nach Eintritt des Versicherungsfalles (zB Entgeltverlust wegen Konkurseröffnung) beim Arbeitsamt oder dem zuständigen Konkurs- oder Ausgleichsgericht beantragt werden. Das örtlich zuständige Arbeitsamt entscheidet über den eingereichten Antrag. Der beantragende Arbeitnehmer erhält im Falle der Genehmigung seines Antrags vom zuständigen Arbeitsamt das Insolvenz-Ausfallgeld ausbezahlt; und zwar in der Höhe seiner noch offenen Nettoentgeltforderung.
Kraft Gesetzes gehen die durch das IESG gesicherten Entgeltansprüche von Arbeitnehmern mit Antragstellung auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds über; Legalzession. Der Fonds besitzt eigene Rechtspersönlichkeit und beteiligt sich anstelle des Arbeitnehmers am Insolvenzverfahren. Die dabei erlangten Gelder werden dem Fonds zugeführt. Gespeist wird der Fonds grundsätzlich durch den gesetzlich vorgeschriebenen Beitrag der Arbeitgeber, der als Zuschlag zum Anteil des Arbeitgeber-Arbeitslosenversicherungsbeitrags durch die Krankenkassen eingehoben wird.
Zu beachten ist, dass die Eröffnung eines Konkurses oder Ausgleichs über das Vermögen des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis unberührt lässt. Die aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden oder schon bestehenden Arbeitnehmerforderungen werden aber durch die Eröffnung der Insolvenz des Arbeitgebers rechtlich betroffen; vgl § 23 Abs 1 AO („bevorrechtete Forderungen”) oder § 46 Abs 1 KO („Masseforderungen”) oder § 25 KO („Konkursforderungen”).


IESG (1)
Abbildung 12.8:
IESG (1)


IESG (2)
Abbildung 12.9:
IESG (2)


IESG (3)
Abbildung 12.10:
IESG (3)
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9. Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz 1985
Literaturquelle
Der Durchsetzung arbeits- und sozialrechtlicherAnsprüche (beider Seiten) dient nicht der normale Zivilprozess (ZPO), sondern ein eigenes – sozialeres – Verfahren nach dem Arbeits- und SozialgerichtsG: ASGG, BGBl 1985/104. – In erster Instanz sind die Landes- oder Kreisgerichte zuständig. – Der zweite Abschnitt des ASGG regelt die Arbeitsrechtssachen; (§§ 49-63 ASGG), der dritte Abschnitt, die Sozialrechtssachen: §§ 64-91 ASGG.
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10. Gleichbehandlung von Frauen und Männern
Literaturquelle
Presseberichte, wie der folgende (Der Standard, 19.5.1998, S. 1 und 17), machen deutlich, wie weit noch der Weg zu materieller Gleichbehandlung von Frauen ist:
„Männer verdienen um 70 Prozent mehr als Frauen. Enorme Unterschiede bei Bruttogehältern. Lohnsteuerbericht für 1997: Niedriglohn ist weiblich: Ein Angestellter verdient demnach etwa 551.300 Schilling brutto im Jahr, eine Angestellte nur knapp eine Viertelmillion. Ihren Arbeitnehmerinnen zahlen die Unternehmen nur 190.600 Schilling, den Arbeitern aber 321.900 Schilling im Jahr. – Im öffentlichen Dienst sind die Gagen dagegen fast ausgewogen.”
Frauen stellen einen Anteil von etwa 52 Prozent der österreichischen Gesamtbevölkerung und bilden auch die größte Gruppe der Wählerschaft. Dennoch steht es um ihre tatsächliche Gleichstellung mit Männern im Arbeitsleben nicht zum Besten; vgl Art 7 Abs 2 B-VG → KAPITEL 4: Gleichheit vor dem Gesetz. – Was die Frauenbeschäftigung in der EU anlangt (in Prozent der gesamten Bevölkerung) liegt Österreich mit 62,5 % im oberen Mittelfeld.
Art 7 Abs 2 B-VG
In legistischer Vorbereitung befindet sich aufgrund verschiedener EU-Antidiskriminierungs-RL ein neues Gleichbehandlungsgesetz, das zu einem allgemeinen Antidiskriminierungsinstrument umgebaut werden soll. Es wird befürchtet, dass darunter das ursprüngliche Anliegen der Gleichbehandlung von Männern und Frauen leiden könnte.
Für Arbeitsverhältnisse, die auf privatrechtlichem Vertrag beruhen, gilt das GleichbehandlungsG 1979 / GlBG.
GleichbehandlungsG 1979
Für öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Dienstverhältnisse zum Bund gilt das Bundes-GleichbehandlungsG 1993 (B-GBG).
Bundes-GleichbehandlungsG 1993
Grundgedanke: Auf Grund des Geschlechtes darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar „diskriminiert” werden, insbesondere nicht bei:
• Begründung des Arbeitsverhältnisses,
• Festsetzung des Entgelts,
• Gewährung freiwilliger Sozialleistungen,
• Maßnahmen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung,
• beruflichen Aufstieg/Beförderung,
• sonstigen Arbeitsbedingungen,
• Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Diskriminierung ist jede benachteiligende Differenzierung, die ohne sachliche Rechtfertigung vorgenommen wird; auch sexuelle Belästigungen (§ 2 GBG 1979).
Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes; § 2a B-GBG 1979:
Rechtsfolgen
Schadenersatz: bis zu 2 Monatsentgelten bei Nichteinstellung oder 4 Monatsentgelte bei Nichtbeförderung. § 2a Abs 1 GlBG normiert einen Schadenersatzanspruch des diskriminierten Stellenwerbers, im Ausmaß von bis zu zwei Monatsgehältern. Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers (RV 735 BlgNR 18. GP 33f) der „durch die Diskriminierung entstandene materielle und durch die Verletzung der Würde der Person entstandene immaterielle Schaden in angemessener Weise finanziell ausgeglichen werden”.
• Anspruch auf Differenzzahlung bei zu geringem Entgelt;
• Gewährung gleicher Arbeitsbedingungen, vorenthaltener Sozialleistungen oder Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen usw;
• § 2c B-GBG 1979 verlangt geschlechtsneutrale Stellenausschreibung.
§ 3 B-GBG 1979 sieht die Einrichtung einer Gleichbehandlungskommission beim BMS, § 3 a die Bestellung einer Anwältin für Gleichbehandlungsfragen vor.
Gleichbehandlungskommission
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 21.1.1999, 8 Ob A 188/98z, ZAS 2000, 20 – Schadenersatz wegen sexueller Belästigung nach dem GlBG 1979: Eine Arbeitnehmerin war durch mehrere Tage hindurch Opfer intensiver und brutaler sexueller Belästigung durch ihren Arbeitgeber. Als Konsequenz dieser Übergriffe beendete sie ihr Arbeitsverhältnis. Sie begehrt unter Berufung auf § 2a Abs 7 GlBG 110.000 S Schadenersatz. Der OGH nahm diesen Fall zum Anlass, um Grundsätzliches zur Bemessung des Schadenersatzes nach dem GlBG auszuführen. – Er hielt fest, dass der Schadenersatz als Ausgleich für die durch die Belästigung herbeigeführte Beeinträchtigung der Würde der Arbeitnehmerin gebühre. Es müsse demnach die durch die Belästigung geschaffene Situation in ihrer Gesamtheit beurteilt werden. Der OGH lehnte eine gesonderte Bemessung des Schadenersatzes für jede einzelne sexuelle Belästigung ab. Er argumentierte damit, dass zwischen GlBG und allgemeinen Schadenersatzrecht ein Zusammenhang bestehe, auf den bei der Bemessung des Schmerzengeldes Bedacht zu nehmen ist. (Das Schadenersatzrecht ist allerdings bei der Zuerkennung von Schadenersatz für immaterielle Schäden eher restriktiv. Vgl § 1328 ABGB: Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung.) Der OGH nahm bei einer Häufung sexueller Übergriffe für die Bewertung des immateriellen Schadens eine Globalbemessung vor. Die im Gesetz genannte Untergrenze von 5.000 S soll nach Auffassung des OGH nur verhindern, dass eine Ersatzpflicht unter Hinweis auf die relative Geringfügigkeit der Belästigung abgewiesen wird. Im konkreten Fall hielt der OGH einen Schmerzengeldbetrag von 50.000 S für angemessen, da der Arbeitgeber auf rücksichtslose und brutale Art das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin, aus das sie existentiell angewiesen war, zur Erreichung seiner sexuellen Ziele ausgenützt hatte. Der OGH berücksichtigte andererseits, dass die psychische Beeinträchtigung der Arbeitnehmerin noch keine Krankheit darstellte und die Übergriffe innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne von einigen Tagen erfolgten.
JBl 1999, 397: Der Nachweis, der Bewerber hätte die zu besetzende Position auch ohne Diskriminierung nicht erhalten, obliegt dem Arbeitgeber.
Ein EU-rechtskonformes Verständnis gestattet es aber nicht, das B-GBG so zu verstehen, dass bei gleicher Qualifikation immer der Frau der Vorrang gebühre; vielmehr sei wegen möglicher Härtefälle stets die persönliche Situation aller Bewerber/innen zu berücksichtigen. Andernfalls steht grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch zu. – Der EuGH hat dies in den Fällen Kalanke (Rs C-450/93), Marschall (Rs C-409/95) und Abrahamson (Rs C-407/98) betont. Vgl dazu nunmehr auch OGH 30.1.2001, 1 Ob 80/00x; Staatshaftungsklage eines Richters wird zwar abgelehnt, zugleich aber die EU-Rechtslage in Erinnerung gerufen.
B-GBG und EU-Recht


Gleichbehandlung (1)
Abbildung 12.11:
Gleichbehandlung (1)


Gleichbehandlung (2)
Abbildung 12.12:
Gleichbehandlung (2)


Gleichbehandlung (3)
Abbildung 12.13:
Gleichbehandlung (3)
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11. Typische und atypische Arbeitsverhältnisse
Seit etwa 15-20 Jahren nimmt die Zahl sog atypischer Arbeitsverhältnisse sowohl international wie in Österreich signifikant zu. Das bisherige typische oder Normalarbeitsverhältnis wird durch folgende Kriterien charakterisiert: Es ist ein kontinuierliches, auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes, auf Arbeitsvertragberuhendes Vollzeitarbeitsverhältnis mitallen arbeitsrechtlichen Absicherungen; dh: Entgelt, Entgeltfortzahlung, Urlaub, Bestandsschutz, kollektiver Schutz, Aufstiegsmöglichkeiten, Abfertigung etc. Es hat den Anschein, als würden die bislang noch als atypisch bezeichneten Beschäftigungsformen bald zum Normalfall werden.
Normalarbeitsverhältnis
Literaturquelle
Heute sind bereits mehr als 25 Prozent aller Arbeitsverhältnisse sog atypische oder Nichtnorm-Arbeitsverhältnisse; Tendenz: stark steigend.
Erscheinungsformen atypischer Arbeitsverhältnisse
Teilzeitbeschäftigung: Ca 295.000 Frauen und 36.800 Männer übten 1996 eine Teilzeitbeschäftigung aus. 1999 gab es bereits 488.000 Teilzeitarbeitsplätze. Teilzeitarbeit bedeutet (immer noch) häufig einen qualifikatorischen Abstieg. – Tendenz steigend.
Befristete Arbeitsverhältnisse: Häufig im Fremdenverkehr oder der Bauwirtschaft, aber auch Lehrer oder Ärzte bei Karrierebeginn. Im Juni 1994 hatten ein solches Arbeitsverhältnis 117.000 unselbständig Beschäftigte in Österreich. – Tendenz stark steigend.
Geringfügig Beschäftigte: Im Mai 2001 gab es in Österreich 208.108 geringfügig Beschäftigte, die monatlich weniger als 3.740 S/jetzt 275 ı verdienen; etwa ein Drittel Männer und zwei Drittel Frauen und doppelt soviel Arbeiter als Angestellte. – Für geringfügig Beschäftigte besteht nach § 19a ASVG eine attraktive Möglichkeit zur Selbstversicherung (sog opting in), wodurch zusätzlich zur gesetzlichen Unfall-, eine gesetzliche Kranken- und Pensionsversicherung erworben werden kann, die damit nicht verbunden ist. Auch geringfügig Beschäftigte haben Anspruch auf Urlaub, Abfertigung sowie Weihnachts- / Urlaubsgeld.
Job-sharing: Hier teilen sich zwei oder mehrere ArbeitnehmerInnen einen Arbeitsplatz; idR Aufteilung nach Zeit: täglicher, wöchentlicher, monatlicher Wechsel. Aber auch eine Aufteilung nach Arbeitsinhalten ist denkbar. Zur Zeit besteht dafür noch keine gesetzliche Regelung.
Heimarbeit / Tele-Arbeit: HeimarbeitsG, BGBl 1961/105.
Neue Formen der (Schein)Selbständigkeit: Hier ist die Grauzone zwischen abhängiger Beschäftigung und (echter) Selbständigkeit angesprochen, zumal immer wieder versucht wird, durch Umgehungspraktiken die Systeme der sozialen Sicherheit zu schädigen und sog Lohnnebenkosten der Arbeitgeber auf die Arbeitnehmer zu überwälzen.
Kurzarbeit (bei Auftragsmangel): Ende Juli 1996 waren 8505 (1995: 3667) Industriebeschäftigte in 67 (1995: 38) Betrieben davon betroffen.


Typische und atypische Arbeitsverhältnisse
Abbildung 12.14:
Typische und atypische Arbeitsverhältnisse


Arbeitslose in Österreich
Abbildung 12.15:
Arbeitslose in Österreich
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12. Arbeitnehmerüberlassung
Literaturquelle
Die Arbeitskräfte- oder Arbeitnehmerüberlassung wird mit Synonymen auch: Leiharbeit, Personal-Leasing oder Vermietung von Arbeitskraft bezeichnet. Rechtsquelle ist das ArbeitskräfteüberlassungsG (AÜG 1988, BGBl 196): Man versteht darunter die gewerbsmäßige Arbeitskräfteüberlassung an Dritte; nach § 323a GewO besteht Konzessionspflicht.
Synonyme
Arbeitskräfteüberlassung ist sinnvoll, wenn Unternehmer einen kurzfristigen Arbeitsbedarf decken; zB Urlaubsvertretung, Krankheit, Mutterschutz, saisonale Arbeiten, vor allem aber Termindruck und Auftragsspitzen.
Der überlassende Arbeitgeber bleibt Arbeitgeber, ihn trifft bspw weiterhin die Lohnzahlungspflicht und die Pflicht zur Leistung einer Abfertigung. Dennoch entstehen auch zwischen (überlassener) Arbeitskraft und Drittem (= Beschäftiger) verschiedene arbeitsrechtliche Beziehungen; etwa: Weisungsrecht, bestimmte Fürsorgepflichten (Arbeitsplatz!), Arbeitgeberprivileg des § 333 ASVG sowie § 334 ASVG → Das Arbeitgeberhaftungsprivileg – Arbeitnehmer wiederum genießen auch gegen den Beschäftiger den Schutz des D(N)HG.
Parteien
Ein gesetzlicher Ansatz für die Arbeitskräfteüberlassung findet sich schon im ABGB; § 1153 ABGB erlaubt die Übertragung des Arbeitgeberanspruchs auf Arbeitsleistung, sofern der Arbeitnehmer zustimmt.


Arbeitskräfteüberlassung: AÜG 1988
Abbildung .15:
Arbeitskräfteüberlassung: AÜG 1988
Überlassender AG bleibt AG: Er ist zB weiterhin lohnzahlungspflichtig Aber auch zwischen Beschäftiger und überlassenem AN entstehen verschiedene arbeitsrechtliche Beziehungen: Weisungsrecht, Fürsorgepflicht, AG-Privileg (§ 333 ASVG) sowie § 334 ASVG (Aufseher im Betrieb) und Schutz nach D(N)HG.
Jede Überlassung bedarf nach § 2 Abs 2 AÜG der ausdrücklichen Zustimmung der überlassenen Arbeitskraft; Ausnahme von § 863 ABGB. Der Dienst(nehmer)verschaffungsvertrag ist kein Arbeitsvertrag: Arbeit wird nicht persönlich geschuldet, sie ist vielmehr nur iSd § 880a ABGB zu verschaffen = Verwendungszusage.
Zur Arbeitskräfteüberlassung kommt es häufig im Industriebereich; ca 600 Unternehmen entlehnten (im Juni 1996) in Österreich Arbeitnehmer; dies mit einem Gesamtumsatzvolumen von etwa 3 Mrd S und 14.600 Beschäftigten (1993 waren es noch knapp 8.000); im Jahr 2000 waren es bereits ca. 30.000 Arbeitnehmer. – In Tirol gibt es derzeit ca 20 Unternehmen die gewerbsmäßig Arbeitskräfte überlassen. – Die Arbeitnehmerüberlassung ist zu einem einträglichen Dienstleistungsbereich, mit hohen Wachstumsraten geworden. Zunehmende Arbeitsflexibilisierung und knapper werdende Kalkulationsspielräume lassen einen Personalüberhang immer weniger zu. Die Antwort darauf ist die „Vermietung” von Arbeitskraft.
Anlassfälle für die „Überlassung“


Leiharbeit in Österreich (1)
Abbildung 12.16:
Leiharbeit in Österreich (1)


Leiharbeit in Österreich (2)
Abbildung 12.17:
Leiharbeit in Österreich (2)
Rechtssprechungsbeispiel
WBl 1987, 193: Österreichisches Unternehmen entsendet Leiharbeiter nach Lybien.
JBl 1971, 45: Familienhelferin – Soziale Hilfsdienste privater oder öffentlichrechtlicher Organisationen sind ein praktisch wichtiger Anwendungsbereich der Arbeitskräfteüberlassung. – Dabei ist zu beachten, dass übersandte Arbeitnehmer auch bloß als Erfüllungsgehilfen des Überlassers tätig sein können und zum „Beschäftiger” keine arbeitsrechtlichen Beziehungen wie bei der Arbeitskräfteüberlassung entstehen.


ArbeitskräfteüberlassungsG – AÜG
Abbildung 12.18:
ArbeitskräfteüberlassungsG – AÜG


§ 3 AÜG: Begriffsbestimmungen
Abbildung 12.19:
§ 3 AÜG: Begriffsbestimmungen


Wozu dient die Arbeitnehmerüberlassung?
Abbildung 12.20:
Wozu dient die Arbeitnehmerüberlassung?
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13. Der Entgeltvorschuss
Der Vorschuss spielt beim Arbeitsvertrag eine wichtige Rolle, kommt aber auch in anderen Rechtsinstituten und Zusammenhängen vor:
• Vgl Unterhaltsvorschuss nach dem UVG 1976 → KAPITEL 16: Die Auflösung der Ehe oder
Vorschüsse
• zur Vorschusspflicht des Entlehners → KAPITEL 3: Gebrauchs- und Erhaltungskosten
• zur Vorschusspflicht beim Werkvertrag → Entgelt-Vorschuss
• zur Vorschusspflicht beim Auftrag → Pflichten des Auftraggebers
• zur Vorschusspflicht bei der Stellvertretung → KAPITEL 13: Gegenseitige Rechte und Pflichten.
• Verschiedene Vorschusspflichten existieren ferner im Schadenersatzrecht; zB im Rahmen des Reparaturkostenersatzes durch den Schädiger oder im Rahmen des Ersatzes der Heilungskosten nach § 1325 ABGB.
Es handelt sich um eine Sonderform der Erfüllung bei der eine noch nicht fällige oder noch gar nicht entstandene Forderung im Voraus erfüllt wird, weil angenommen wird, dass die Vorwegerfüllung später ohnehin hätte erbracht werden müssen. Rückerstattung der vorschussweise erbrachten Leistung ist deshalb nicht vorgesehen oder nur insofern, als das als Vorschuss Geleistete vom späteren Lohn / Gehalt, also Entgelt abgezogen wird.
Abzugrenzen ist der Entgeltvorschuss von der Entgeltvorauszahlung (→ Arbeitspflicht und Entgeltzahlung) und vom Arbeitgeberdarlehen.
Abzugrenzungen
Nach § 1154a ABGB kann der nach Stück oder Einzelleistung entlohnte Arbeitnehmer einen Vorschuss vor Fälligkeit des Entgelts verlangen. – Das GehaltsG 1956 idgF sieht in § 23 für Beamte die Möglichkeit eines Vorschusses oder einer Geldaushilfe vor; danach kann auf Antrag ein Vorschuss bis zur Höhe des 3-fachen Monatsbezugs gewährt werden. Nach Abs 2 dieser Vorschrift ist der Vorschuss durch Abzug von den Bezügen binnen 4 Jahren hereinzubringen.
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C. Der Werkvertrag
Literaturquelle
Auf die praktisch wichtige und rechtlich sensible Grenze zwischen Arbeits- und Werkvertrag wurde bereits hingewiesen. – Wir haben aber nicht nur zwischen Arbeits- und Werkvertrag (bei denen es in beiden Fällen um die Leistung tatsächlicher / faktischer Dienste oder Arbeiten geht) zu unterscheiden, sondern auch die Grenze zum Auftrag (→ Abgrenzungen) zu ziehen, dessen Gegenstand Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen (und nicht faktische Leistungen) sind. – Darüber hinaus ist der Werkvertrag auch vom Kaufvertrag abzugrenzen (→ Werkvertrag – Bedeutung und Abgrenzung) und jene zum freien Dienstvertrag zu ziehen.
Beim Werkvertrag wird ein Werk hergestellt und es wird für einen bestimmten Erfolg– zB eine ordnungsgemäße Reparatur oder eine plangerechte Bauausführung – gehaftet, während beim freien Dienstvertrag (→ Der sog freie Dienstvertrag) ebenfalls selbständige Arbeit geleistet wird, aber ohne Erfolgszusage. – Zum Behandlungsvertrag als freiem Dienstvertrag → KAPITEL 10: Der Behandlungsvertrag als freier Dienstvertrag: Arzthaftung.


Werkvertrag – Arbeitsvertrag
Abbildung 12.21:
Werkvertrag – Arbeitsvertrag
I. Werkvertrag – Bedeutung und Abgrenzung
1. Wirtschaftliche Bedeutung des Werkvertrags
Sie zeigt sich heute vor allem darin, dass er jener Vertragstypus ist, der – im tatsächlichen / faktischen Leistungsbereich angesiedelt – den zukunftsorientierten Wachstumsbereich der „ökonomischen” Dienstleistungen repräsentiert, die nicht mit dem „rechtlichen” Typus des Arbeits- oder Dienstvertrages verwechselt werden dürfen: Kino, Theater, Taxi, Friseur, Konzert oder das Anfertigen einer Zahnkrone sind ebenso Beispiele für diesen Typus, wie künstlerische oder spezifische unternehmerische Tätigkeiten und der weite Service- und Reparatursektor. – Daher wird der Werkvertrag auch künftig seine Bedeutung behalten, ja ausbauen. Der Dienstleistungssektor ist mittlerweile der größte ökonomische Berufsbereich; hierher gehören nämlich auch die Dienstleistungen des Handels, der Banken und Versicherungen, des Fremdenverkehrs / Tourismus und der Information und Beratung insbesondere auch der Rechts- und Unternehmensberatung.
Ökonomische Dienstleistungen
Ein Beispiel neuer Dienstleistungen für den Unternehmensbereich stellt das sog „Outsourcing” dar, bei dem Unternehmen bestimmte Unternehmensaufgaben an andere (Spezial)Unternehmen übertragen; zB Informationstechnologie / EDV oder (Ab)Rechnungswesen / Buchhaltung.
Outsourcing
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2. Was wird geschuldet?
Ein Werkvertrag (§§ 1165 ff ABGB) beinhaltet die Herstellung eines Werks / Erfolgs in selbständiger, also nicht abhängiger Arbeit – und zwar idR – gegen Entgelt; § 1151 Abs 1 ABGB.
Werk oder Erfolg wird geschuldet
Zur Eigentumsübertragungspflicht des Werkunternehmers vgl EvBl 2000/103: Sanitär- und Heizungsinstallationen. Zum Werkvertrag als Titelgeschäft → KAPITEL 2: Die Lehre von Titel und Modus.
Beim Werkvertrag tritt dem (Werk)Besteller ein selbständiger (Werk)Unternehmer gegenüber. Beim Arbeitsvertrag ieS leistet ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber abhängige Arbeit. Der (Werk)Unternehmer arbeitet dagegen eigenverantwortlich (= im eigenen Namen und auf eigene Rechnung) und mit eigenen Betriebsmitteln. Über Arbeitsabläufe, Arbeitszeit und Arbeitsort entscheidet der Unternehmer grundsätzlich selbst.
Terminologie
Im Rahmen der Erbringung / Ausführung der werkvertraglichen Leistung steht dem Besteller gegenüber dem Unternehmer ein Weisungsrecht zu (vgl Arbeitsvertrag): So kann der Taxi-Gast bestimmen, dass das Taxi eine bestimmte Route fährt oder dass der Fahrer die Geschwindigkeit verringert oder noch jemand anderen aufnehmen soll.
Weisungsrecht
Was wird beim Werkvertrag hergestellt? – Wichtig: Das herzustellende Werk, der zugesagte Erfolg kann körperlich oder unkörperlich sein; zB eine Autoreparatur oder die Errichtung eines Hauses, aber auch Auskunftserteilung, eine Musik- oder Theateraufführung, ein Gutachten oder die Beförderung durch ein Taxi. Bei Theater-, Konzert- oder Kinoaufführungen oder der Personenbeförderung – zB mit der Bahn – erwerben / ‘kaufen’ Besucher / Fahrgäste zwar uU eine Karte, was aber nichts am Vorliegen eines Werkvertrags ändert; es liegt kein Kaufvertrag vor!
(Leistungs)Gegenstand
Das jüngere dtBGB nimmt auf diese Entwicklungen bereits Rücksicht: Nach § 631 Abs 2 dtBGB ist „Gegenstand des Werkvertrages ... sowohl die Bestellung oder Veränderung einer [körperlichen] Sache als ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg.”
Abgrenzung Werkvertrag – Kaufvertrag: Neben der Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkvertrag gilt es auch zwischen Werkvertrag und Kaufvertrag zu unterscheiden. Wird das Werk entweder ganz oder doch überwiegend aus dem Material des Unternehmers hergestellt, ist es nämlich fraglich, ob Werkvertrag oder Kauf auf Bestellung vorliegt: zB Schneider macht Kostüm aus von ihm beigestelltem Stoff. § 1166 ABGB rechnet diese Fälle im Zweifel zum Kauf. Im Zweifel meint: Wenn die Parteien nichts andres ausdrücklich vereinbart haben oder nach der Verkehrssitte oder der Natur der Sache wollen.
Werk <-> Kauf
Als praktische Regel, die der Verkehrssitte entspricht, gilt:
Abgrenzungsregel
Kauf ist anzunehmen, wenn es sich um allgemein marktgängige Sachen, insbesondere Serienerzeugnisse, handelt (zB Konfektionskleidung mit allenfalls minimal möglicher Anpassung: Länge, Bund etc oder Fertigküche);
Werkvertrag, wenn die Erzeugung die besonderen Bedürfnisse des Bestellers umfassender berücksichtigen soll; individuelle Anpassung (zB Maßanzug / -kostüm in Übergröße oder Einbauküche oder -kasten).


Lieferung einer Sache: Kaufvertrag oder Werkvertrag?
Abbildung 12.22:
Lieferung einer Sache: Kaufvertrag oder Werkvertrag?
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 27/223 (1954): Lieferung einer serienmäßigen, nach den Plänen des Unternehmers hergestellten, lediglich kleine Abänderungen aufweisenden Registrierkasse ist Kauf, nicht Werkvertrag, auch wenn der Unternehmer aus arbeitstechnischen Gründen nicht eine schon erzeugte Kasse abändert, sondern eine neue herstellt.
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II. ÖNormen und Haftrücklass
1. Zur Bedeutung von AGB und ÖNormen
Die nähere inhaltliche Ausgestaltung von Werkverträgen erfolgt in der Praxis oft über:
AGB (→ KAPITEL 6: Allgemeine Geschäftsbedingungen), sei es bei Beförderungsverträgen (zB Bahn, Post, Lifte), Wäschereien oder chemischen Reinigungsanstalten, Kraftfahrzeugwerkstätten, Theatern udgl oder
mittels sog ÖNormen.
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2. ÖNormen
Sie spielen vor allem im Bauvertragsrecht eine praktische Rolle und sind (wie AGB) vorformulierte Vertragsinhalte. Sie werden aber, zum Unterschied von herkömmlichen AGB, weder von einem, noch von beiden (→ KAPITEL 6: Vorvertrag <-> Rahmenverträge: Rahmenvertrag) Vertragsteil/en formuliert, sondern von einem Dritten, dem Österreichischen Normungsinstitut, nach dem NormenG (BGBl 240/1971) geschaffen.
Vertragschließende Parteien können sich dieser ÖNormen – zB für Bauleistungen – zur Erleichterung ihres Vertragsschlusses bedienen, müssen das aber nicht. Zum Teil ist das Heranziehen von ÖNormen aber branchenüblich.
Beispiel
Die vom ÖNormungsinstitut erarbeiteten ÖNormen sind für sich nicht rechtsverbindlich, sondern bedürfen, wie AGB, der vertraglichen Vereinbarung als Geltungsgrund. Daher kann von ihnen im Einzelfall abgewichen werden! Sie können aber auch durch Gesetz oder Verordnung für verbindlich erklärt werden; vgl etwa § 17 Abs 6a WEG 1975 (= § 34 Abs 5 WEG 2002). – ÖNormen dienen den vertragschließenden Parteien auch als wichtige „Orientierungshilfen” (Adamovich / Funk).
Geltungsgrund von ÖNormen
Seit 1.1.1996 existiert eine ÖNorm für ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung. Es ist die ÖNorm A 4000: Abrechnung von Bewirtschaftungskosten von Gebäuden mit Miet- und Eigentumswohnungen.
Die ErlBem zur RV des NormenG 1971 umschreiben ÖNormen so: Sie sind allgemeine Richtlinien zur Vereinheitlichung von Begriffen, Formen, Abmessungen, Eigenschaften, Verfahren, Lieferbedingungen, Qualitätskriterien etc, die eine Vereinheitlichung, Vereinfachung und Erleichterung der beruflichen Tätigkeit zum Ziel haben.
Unterschieden werden technische Normen und Vertragsnormen; letztere dienen der Vereinheitlichung und Typisierung von Vertragsinhalten. Im Falle ihrer Verwendung erspart sich eine oder sogar beide Parteien das Erstellen von AGB oder das Vereinbaren eines Rahmenvertrags.
Technische Normen und Vertragsnormen
Zur erinnern ist an die Umschreibung von AGB als typisierten Vertragsinhalten → KAPITEL 6: Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Praktisch bedeutsam sind ÖNormen für das Geltendmachen bauvertraglicher Gewährleistungsansprüche. ÖNormen legen nämlich Maßtoleranzen fest: ZB darf eine Mauer von weniger als 4 m Länge nur um 2 cm abweichen; ein Estrich, auf dem ein Holzboden oder Fliesen verlegt werden, darf nur um 5 mm vom Ebenmaß abweichen. Größere Abweichungen berechtigen zu einem Verbesserungs- oder Reparaturanspruch oder zur Preisminderung. – Wer mehr Qualität will, muss das – darüber hinaus – vereinbaren!
Gewährleistungsansprüche
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3. Haftrücklass
Er bedeutet im Werkvertrags- und insbesondere im Bauvertragsrecht, dass ein Teil des Entgelts für eventuelle Schadenersatz- oder Gewährleistungsansprüche vereinbarungsgemäß zurückbehalten werden darf. – Eine Bankgarantie (→ KAPITEL 15: Garantievertrag und Bankgarantie) für derartige Zwecke wird Haftbrief genannt.
Bauvertragsrecht
Die historischen Ansätze einer solchen Sicherungspraxis im Bauvertragsrecht sind schon im antiken Griechenland nachweisbar.
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III. Pflichten des Werkunternehmers
1. Herstellung des Werkes
Der Unternehmer hat nach § 1165 ABGB – und das ist seine Hauptpflicht – das Werk herzustellen und rechtzeitig abzuliefern, aber auch für allfällige Mängel einzustehen (→ Gewährleistung) und nach allgemeinen Vorschriften für Schaden zu haften → Schadenersatz – Häufig treffen den Werkunternehmer auch Nebenpflichten, wie eine Gebrauchs- oder Reparaturanweisung zu geben oder Autofahrer in die Waschanlage einzuweisen; RZ 1982/61.
Erst die vollständige Herstellung des Werkes (samt der allenfalls nötigen Übergabe von Unterlagen zur Überprüfung) lässt die Werklohnforderung des Unternehmers fällig werden; es sei denn, eine Leistung /Lieferung in Abschnitten wäre vereinbart worden, was bei Werkverträgen häufig vorkommt; zB Hausbau: Kellergleiche, Rohbaufertigstellung, völlige Fertigstellung.
Fälligkeit des Werklohns
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 22. 3. 2002, 1 Ob 47/02x, EvBl 2002/130: Abschluss eines Werkvertrags über Einbau eines Schaltschranks. Werkunternehmer liefert Schaltkasten und klagt auf Zahlung des Werklohns. Werkbesteller wendet ein, dass die Übergabe der zum Schaltkasten gehörenden umfangreichen Dokumentation unterlassen worden sei, worauf der Werkunternehmer die Dokumentation in einer Tagsatzung vorlegt. – OGH beurteilt Werk bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz dennoch als noch nicht beendet – und die Werklohnforderung daher noch nicht fällig. Die Fälligkeit trete nämlich erst dann ein, wenn der Unternehmer dem Besteller Gelegenheit zur Überprüfung des Werks gewährt hat – dies erfordere im vorliegenden Fall (auf Grund des Umfangs der Dokumente) längere Zeit.
OGH 26. 2. 2002, 1 Ob 40/02t, JBl 2002, 658 = EvBl 2002/131: Generalunternehmer übernimmt Herstellung von Böden und der Estriche für ein Einfamilienhaus und beauftragt einen Subunternehmer mit den Estricharbeiten. Trotz offensichtlicher Mängel (der Estriche) klagt der Generalunternehmer den „Auftraggeber” auf Werklohnzahlung. Einen Teil der Kosten dieses verlorenen Vorprozesses will er idF vom Subunternehmer einklagen/refundiert erhalten. – OGH: Die Kosten, die ein Generalunternehmer für eine ersichtlich aussichtslose Prozessführung aufwendet, hat auch ein Subunternehmer, der das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers auf Grund seiner mangelhaften Arbeit verschuldet hat, nicht zu ersetzen. Ein solcher Schaden liegt außerhalb des Rechtswidrigkeitszusammenhangs (→ KAPITEL 9: Rechtswidrigkeitszusammenhang) der verletzten Vertragsnorm.
„Der Unternehmer ist – nach § 1165 ABGB – verpflichtet, das Werk persönlich auszuführen oder unter seiner persönlichen Verantwortung ausführen zu lassen „. – Aus dem zweiten Satzteil ergibt sich, dass der Unternehmer nicht verpflichtet ist, das Werk stets selber auszuführen, wenngleich er weiterhin für den Erfolg einzustehen hat, also haftet. Er darf:
Ausführung des Werks durch Hilfspersonen
• sowohl eigene Hilfspersonen / (Erfüllungs)GehilfeniSd § 1313a ABGB heranziehen,
• als auch die Ausführung des gesamten Werks oder doch eines Teils davon an andere selbständige Unternehmer – sog Subunternehmer (→ Schadenersatz) – weitergeben.
Rechtssprechungsbeispiel
GlU 11.030 (1886): „Ausarbeitung eines einem Advocaten persönlich abgeforderten Gutachtens durch einen „Concipienten” desselben: Anspruch des Advocaten auf Honorar?” → Handelsvertreter.
Man denke auch an Konstellationen wie von Reiseveranstaltern zu Fluglinien, Hotels, Busunternehmen oder das Verhältnis von General- zu einzelnen Sub unternehmern im Rahmen von Bauführungen; dazu gleich mehr.
Weisungen des Werkbestellers hat der Unternehmer aber grundsätzlich selbst zu befolgen oder doch befolgen zu machen. Zur Warnpflicht nach § 1168a Satz 3 ABGB → Schadenersatz Ansonsten arbeitet der Unternehmer aber weisungsfrei.
Weisungen


Pflichten des (Werk)Unternehmers (1)
Abbildung 12.23:
Pflichten des (Werk)Unternehmers (1)


Pflichten des (Werk)Unternehmers (2)
Abbildung 12.24:
Pflichten des (Werk)Unternehmers (2)
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2. Gewährleistung
§ 1167 nF – in Geltung seit 1.1.2002 – erklärt bei „Mängeln des Werkes”, die allgemeinen, für entgeltliche Verträge geltenden Bestimmungen der §§ 922-933b ABGB für anwendbar → KAPITEL 7: Gewährleistung als ¿Schlecht-Erfüllung¿. Damit wurde die (wohl zu Recht) von den kaufvertraglichen Gewährleistungsregeln der §§ 922 ff ABGB abweichende werkvertragliche Gewährleistungsregel beseitigt, was keine Verbesserung bedeutet. Stellen die §§ 922 ff nF schon einen Kniefall vor der Wirtschaft und ihren Interessen dar, bildet die erwähnte Gleichschaltung des Werkvertragsrechts ein sachliches Ärgernis.
Die bisher sowohl tatbestandlich wie rechtsfolgenmäßg flexiblere Lösung des § 1167 ABGBaF entsprach den Besonderheiten dieses Vertragstypus in höherem Maße, als die nivellierende neue Regelung.
Flexiblere Lösung des § 1167 ABGB aF
Zu bedenken gilt es nämlich für die Gewährleistung beim Werkvertrag nach wie vor, dass dieser Vertragstypus anfällig ist für Gewährleistungsprobleme, zumal das häufige Erbringen eines nach individuellen Gesichtspunkten zu erstellenden Werks immer wieder Abweichungen vom Gewünschten und Vereinbarten mit sich bringt. (Beim Kauf ist das anders!) – Dazu kommt, dass im Anwendungsbereich des § 1167 ABGB häufig auch für Mängel an unkörperlichen Werken (zB eine künstlerische Aufführung, eine Beförderungsleistung oder ein Gutachten) einzustehen ist, für welche die Rechtsfolgen der §§ 922 ff ABGB zu schwerfällig sind; vgl im übrigen die Vorauflage (2000).
§ 1167 ABGB aF: „Bei Mängeln des Werkes kommen die für entgeltliche Verträge überhaupt geltenden Bestimmungen (§§ 922 bis 933b) zur Anwendung.”
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 69/II 218 (1996): Nicht ordnungsgemäß ausgeführter Werbedruckauftrag für einen Tischaufstellkalender, der als Werbegeschenk geplant war: Der Text war nicht richtig positioniert, der Druck entsprach nicht dem vorher übermittelten Bürstenabzug und die Druckfarbe war bestellungswidrig hellgrau statt schwarz. – Es geht um die Frage: Wandlung oder bloß Preisminderung. Kläger war das Druckunternehmen, Beklagter der Besteller. Der OGH wies im Gegensatz zu den Unterinstanzen die Klage insgesamt ab, hielt also die Wandlung für berechtigt, was zu begrüßen ist.
Beim Werkvertrag ist für den Erfolg auch dann (!) einzustehen, wenn die Leistung / Ausführung zwar nach den anerkannten Regeln der Technik erbracht wurde, sie sich aber dennoch als mangelhaft erweist, weil sie nicht den vereinbarten Erfolg erbringt. – Auch Gewährleistungsansprüche bestehen verschuldensunabhängig.
Anerkannte Regeln der Technik
Rechtssprechungsbeispiel
WBl 1989, 307 (Einbau von Aluminiumfenstern) uH auf die dtRspr und Lehre: Bei der Anwendung neuer Methoden und bei der Verwendung neuer Werkstoffe hat das damit verbundene Risiko des Fehlschlagens der Unternehmer zu tragen, es sei denn, der Besteller hätte eingewilligt; aber auch diese Einwilligung entlastet den Unternehmer nicht, wenn der Besteller zuvor nicht erschöpfend über diese Risken aufgeklärt worden ist; vgl Soergel, Kommentar zum BGB Rz 36 zu § 633.
Die Rügepflicht des § 377 HGB (→ KAPITEL 7: Kaufmännische Rügepflicht) gilt auch für Werkverträge, wenn der Unternehmer den Stoff beistellt, also ein sog Werklieferungsvertrag iSd § 381 Abs 2 HGB vorliegt.
Rügepflicht
§ 381 Abs 2 HGB: „[Die in diesem Abschnitt für den Kauf von Waren getroffenen Vorschriften] ... finden auch Anwendung, wenn aus einem von dem Unternehmer zu beschaffenden Stoffe eine nicht vertretbare bewegliche Sache herzustellen ist.”
Die Fristen des § 933 ABGB laufen ab Über- oder Abnahme des erstellten Werks. In der Praxis kommt es häufig zu vertraglicher Fristverlängerung durch Garantievereinbarungen; Herstellergarantie.
Fristen


GWL-Vergleich: Kauf- und WerkV
Abbildung 12.25:
GWL-Vergleich: Kauf- und WerkV
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3. Schadenersatz
Der Unternehmer haftet nach allgemeinen (Gewährleistungs)Grundsätzen für den von ihm verschuldeten Schaden; §§ 933a und b ABGB. Er haftet dabei insbesondere auch für:
die Verletzung der Warnpflicht nach § 1168a Satz 3 ABGB bei offenbarer Untauglichkeit des beigestellten Stoffs oder bei offenbar unrichtiger Anweisung des Bestellers und für allfällige Subunternehmer als Erfüllungsgehilfen.
Verletzung der Warnpflicht: § 1168a
Besonders zu beachten ist die Warnpflicht des Unternehmers gegenüber dem Werkbesteller; § 1168a ABGB. Sie gilt auch bei offenbar unrichtiger Anweisung des Bestellers und bei offenbarer Untauglichkeit des Stoffs. Vom Unternehmer wird (größere) Sachkunde erwartet. – Die Warnpflicht gilt auch gegenüber (scheinbar) sachkundigen Bestellern, zB einem Architekten.
Rechtssprechungsbeispiel
Eine typische Warnpflicht nach § 1168a ABGB trifft den Betreiber einer Reifenfachwerkstätte, wenn die vom Besteller beigestellten und über dessen Auftrag am Fahrzeug zu montierenden Reifen ungeeignet sind; vgl SZ 45/75 = JBl 1973, 207 = ZVR 1973/153.
JBl 1978, 208 (Verletzung der Warnpflicht nach § 1168a ABGB): Reinigung eines Wildlederkostüms durch einen Subunternehmer: Der Werkunternehmer haftet bei Verletzung seiner Warnpflicht auch dann, wenn das Kostüm trotz fachgemäßer Reinigung ausfärbt und eingeht. Vgl damit die Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht → KAPITEL 10: Zur ärztlichen Aufklärungspflicht: § 1299 ABGB.
SZ 1/79 (1919): Zu färbender Stoff wird von einem Bediensteten des Subunternehmers gestohlen. Der Werkunternehmer haftet dem geschädigten Besteller als Generalunternehmer vertraglich auch für das Verschulden seiner Subunternehmer und allenfalls deren Gehilfen entdeckt.
OGH 29. 6. 2000, 8 Ob 97/00y, EvBl 2001/13: Werkunternehmer stellt für Hotel Einrichtungsgegenstände her, die zwar gemäß den Anweisungen des Werkbestellers hergestellt werden, aber doch den Anforderungen des Hotelbetriebs nicht gewachsen sind; zB Kratzspuren im Holzmosaikfußboden durch zu schwache Versiegelung. Werkunternehmer warnt Besteller nicht, obwohl er weiß, dass die Anweisungen des Bestellers nicht sachgerecht sind. – OGH: Ein Verbesserungsanspruch habe keine Grundlage im Werkvertrag selber (?) – OGH schlägt daher (verfehlten) Weg über § 872 ABGB vor. (Zu enges Verständnis der Warnpflicht.)
OGH 17. 8. 2001, 1 Ob 170/01h: Zum Verkauf bestimmtes Auto wird zur Reparatur eines bestimmten Mangels an eine Werkstatt (Werkunternehmer) übergeben; die noch einen andern Fehler entdeckt, diesen aber nur unsachgemäß beseitigt und den Werkbesteller auch nicht darauf hinweist. Die zwischen Käufer und Verkäufer vereinbarte Überprüfungsklausel lautete: Das Auto sei „so zu reparieren, dass alles wieder in Ordnung” sei, was auch bislang unbekannte Fehler umfasste. Nach zwei Monaten/4000 km führt das unsachgemäße Beheben des zweiten Mangels zu einem Schaden, der doppelt so hoch ist, wie eine fachgemäße Reparatur gekostet hätte. – OGH lässt Werkunternehmer wegen Verletzung der Warnpflicht (§ 1168a ABGB) haften.
Zu den Begriffen General-, Sub-, Total- und Hauptunternehmer: Gehen wir von einem Beispiel aus: A ist Häuslbauer und kann als Bauherr mit den einzelnen Handwerkern (Baumeister, Elektriker, Installateur etc) Einzelwerkverträge schließen. Er muss sich in diesem Fall um die Handwerkertermine, eine qualitätsvolle Bauausführung und Bauüberwachung selber kümmern. – Will er das nicht, gibt es rechtliche Möglichkeiten, es sich einfacher zu machen. Er bestellt einen Generalunternehmer, der alle diese Arbeiten für ihn erledigen soll. Dieser Generalunternehmer kann zB Baumeister oder Architekt sein. Praktisch wichtig ist es, den Aufgabenbereich des Generalunternehmers vertraglich klar festzustellen, denn ein Generalunternehmer übernimmt die vollständige Herstellung des Werkes nach Plan. Er hat das vollständige Werk fehlerfrei zu übergeben. – Von Totalunternehmer wird oft dann gesprochen, wenn jemand zu den typischen Aufgaben des Generalunternehmers noch weitere Aufgaben, nämlich zB die Grundstücksbeschaffung, Finanzierung und Planung übernimmt. General- oder Totalunternehmer erbringen die vereinbarten Leistungen entweder selber oder bedienen sich (im eigenen Namen und auf eigene Rechnung) anderer Unternehmer, sog Subunternehmer. – Vergibt ein General- oder Totalunternehmer die nötigen „Subaufträge” nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, sondern im Namen und auf Rechnung des Bauherrn / Kunden, spricht man oft bloß von Hauptunternehmer. – Die Unterschiede der einzelnen Unternehmertypen zeigen sich etwa bei auftretenden Mängeln. Wurde ein General- oder Totalunternehmer bestellt, ist dieser für alles verantwortlich. Hat man dagegen selber die Werkaufträge vergeben oder sich bloß eines Hauptunternehmers bedient, muss bei Vorliegen von Mängeln (zB einer Fehlkonstruktion des Daches) geklärt werden, wer dafür verantwortlich ist (Planer, Baumeister oder Dachdecker etc?) Das kann schwierig sein, lange dauern und hohe (Sachverständigen)Kosten verursachen.
General-, Sub-, Total- und Hauptunternehmer
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 16. 1. 2001, 4 Ob 323/00d, EvBl 2001/110: Eine Miteigentümerin, die im Haus ein Geschäft betreibt, wird von der (Miteigentümer)Gemeinschaft bevollmächtigt, eine Portalrenovierung durchführen zu lassen. Sie erteilt darauf Vollmacht an einen Bauunternehmer zur Durchführung der geplanten Arbeiten. Dieser (General)Bauunternehmer legt aber den ausführenden Subunternehmern gegenüber seine Bevollmächtigtenstellung nicht offen, holt dies aber nach, als ihm von diesen (ausführenden Subunternehmern) deren Arbeiten in Rechnung gestellt werden. – OGH lässt das (wie bisher) ausreichen und betrachtet die Verträge des als Generalunternehmer tätigen Bauunternehmers als mit dem Machtgeber (= Miteigentümergemeinschaft) zustandegekommen. (Klägerin war eine als Subunternehmerin herangezogene Tischlerei, Beklagte die von der Miteigentümergemeinschaft bevollmächtigte Geschäftsinhaberin. Praktische Lehre: Passiv klagslegitimiert war die Gemeinschaft, nicht die bevollmächtigte Miteigentümerin! Es wurde demnach falsch eingeklagt!)
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4. Zur (häufigen) Pauschalpreisvereinbarung
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1987/176: § 1170 ABGB – Wäschereinigung: Der vereinbarte Pauschalpreis ist verbindlich, auch wenn sich herausstellt, dass die übernommenen Arbeiten die veranschlagten Mengen erheblich (hier: um 33 %) über- oder unterschreiten ....Kläger = Wäscherei / Werkunternehmer Beklagter = Kurbetriebsgesellschaft / Werkbesteller. Eine Vertragsanpassung gemäß § 1118 ABGB setzt die Unzumutbarkeit der Zuhaltung des Vertrages voraus, welche nur bejaht werden kann, wenn das Festhalten am Vertrag mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbare Folgen hätte .... Mit Vertrag vom 8.1.1976 übernahm der Kläger die Reinigung der „gesamten in den derzeitigen Betrieben der Auftraggeberin (Beklagten) anfallenden Wäsche um den hiemit vereinbarten jährlichen Pauschalbetrag von 550.000 S” wobei die Vertragsdauer mit 10 Jahren ... festgesetzt wurde. Der Klägerstellte das Begehren auf Feststellung, der zwischen ihm und der beklagten Kurbetriebsgesellschaft 1976 geschlossene Werkvertrag sei mit sofortiger Wirkung aufgelöst bzw aufgehoben; hilfsweise beantragte er a) die Feststellung, der vorgenannte Werkvertrag sei auf Grund seiner Aufhebungserklärung aufgehoben; b) die Verurteilung der beklagten Partei, ihm an Stelle des bisher im genannten Werkvertrag vereinbarten jährlichen Pauschalbetrages von 555.000 S einen solchen von 800.000 S zu zahlen.
Beachte
Vgl im übrigen die Ausführungen zur Auflösung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund → KAPITEL 6: Die außerordentliche Kündigung: ebenfalls strenge Linie des OGH.
Beispiel
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5. Gefahrtragung beim Werkvertrag
Der Werkvertrag kennt eigene Regeln, was bei Vereitelung der Ausführung des Werks zu gelten hat: Sie finden sich in den §§ 1168 und 1168a ABGB.
Was meint „Gefahr”? – Der Gefahrbegriff stellt die Frage danach, wer den wirtschaftlichen Nachteil zu tragen hat, wenn (zwischen Vertragsschluss und Fertigstellung/Übergabe des Werks) durch Zufall entweder:
Gefahr?
• die Ausführung des Werks unterbleibt oder
• das bereits hergestellte Werk (vor Abnahme / Übergabe) untergeht.
Zu erinnern ist an die Gefahrtragungsregeln bei Kauf und Tausch; § 1064 iVm §§ 1048 ff ABGB.
Zur „Sphärentheorie” des § 1168 ABGB Vereitelung der Ausführung:
Sphärentheorie
• Liegen die Umstände der Vereitelung der Ausführung, in der Sphäre des Bestellers, trägt der Besteller die Preisgefahr, dh er muss zahlen. Der Unternehmer behält, wenn er leistungsbereit ist, seinen Werklohnanspruch; § 1168 Abs 1 ABGB. Allerdings kommt es zur Vorteilsanrechnung des Ersparten oder des durch anderweitige Verwendung Erworbenen oder des zu erwerben absichtlich Versäumten; zB Portraitierter stirbt.
Zu den Pflichten des Werkbestellers → Bestellerpflichten
• Liegen dagegen die Umstände die zur Vereitelung der Ausführung führen, in der Sphäre des Unternehmers, verliert dieser seinen Entgeltanspruch; zB Schlechtwetter vereitelt eine von diesem organisierte (Musik)Veranstaltung.
• Liegen die Umstände außerhalb der Sphären beider Vertragspartner verliert der Unternehmer ebenfalls seinen Entgeltanspruch, weshalb es häufig zu vertraglicher Modifikation kommt; zB Film- oder Konzertaufführung wird behördlich untersagt. Die Karte gilt dann weiter.
• Bis zur Übergabe / Übernahme des Werks trägt der Unternehmer die Gefahr. Bei Annahmeverzug (→ KAPITEL 7: Gläubiger- oder Annahmeverzug) geht die Gefahr auf den Besteller über.
Gefahrtragung für das fertiggestellte Werk
• Derjenige, der den Stoff beistellt, trägt im Fall des Untergangs oder der Beschädigung des Werks die Gefahr für den Stoff. Bei sich herausstellender Untauglichkeit des Stoffs aber auch die Gefahr für das gesamte Werk.


Sphärentheorie (1)
Abbildung 12.26:
Sphärentheorie (1)


Sphärentheorie (2)
Abbildung 12.27:
Sphärentheorie (2)


Sphärentheorie (3)
Abbildung 12.28:
Sphärentheorie (3)


Gefahrtragung beim Werkvertrag
Abbildung 12.29:
Gefahrtragung beim Werkvertrag
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IV. Bestellerpflichten
1. Entgelt-Vorschuss
Den (Werk)Besteller trifft neben unabdingbaren Fürsorgepflichten – § 1169 iVm § 1157 ABGB – die Pflicht, das bedungene oder, wenn nichts vereinbart wurde, ein angemessenes Entgelt zu leisten. Es ist im Zweifel im nachhinein fällig (§ 1170 Satz 1 ABGB), doch besteht eine gesetzliche Vorschusspflicht insofern, als der jeweilige Teil des Werklohns nach dessen korrekter Erfüllung zu entrichten ist, wenn das Werk in Abteilungen verrichtet wird oder Auslagen damit verbunden sind. Eine darüber hinaus gehende Vorschusspflicht müsste vereinbart werden.
Vgl die typische Entgeltvereinbarung / Verkehrssitte bei der Errichtung von Gebäuden: zB 1/3 bei Baubeginn / Ausheben der Baugrube, 1/3 nach Fertigstellen des Rohbaus, 1/3 bei Abnahme; § 1170 Satz 2 ABGB. – Zu anderen Formen der Vorschusspflicht und überhaupt des Vorschusses → Der Entgeltvorschuss
Der Besteller hat das Entgelt (Werklohn) zu entrichten; nach § 1152 ABGB bedungenes oder angemessenes Entgelt. Unentgeltlichkeit ist nur bei ausdrücklicher Vereinbarung anzunehmen. Nach der Rspr wird der Werklohn mit Übermittlung der Rechnung fällig, wenn eine detaillierte Berechnung erst nach Vollendung des Werks möglich ist. – Zu beachten ist nunmehr auch der neue § 1333 ABGB → KAPITEL 7: Weitere Rechtsfolgen des objektiven Schuldnerverzugs.
Entgelt – Werklohn
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 2000/103: Teilzahlungen auf den Werklohn vor Fertigstellung des Werks, die nicht bestimmte Teilleistungen abgelten, sind als Vorschüsse zu qualifizieren. Vorschüsse sind Vorauszahlungen eines noch nicht fälligen Entgelts; sie können bereits erbrachte Leistungen vor Fälligkeit der entsprechenden Forderungen vorweg entgelten oder auf noch nicht Geleistetes entfallen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist ein Vorschuss ein Geldbetrag, der jemandem vorausgezahlt wird, obwohl er sonst erst später Anspruch auf die Leistung des Geldbetrags hätte.
Ein (teilweises) Zurückbehalten des Werklohns, Zug um Zug (§ 1052 ABGB) gegen die Beseitigung von Mängeln, wird für zulässig erachtet; Verhältnismäßigkeit ist aber zu beachten. – Dem Unternehmer steht die Einrede des nicht erfüllten Vertrags und ein Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB ( → KAPITEL 15: Das Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB) am beigestellten Material zu; er hat aber kein gesetzliches Pfandrecht.
Zurückbehalten des Werklohns
Unterbleibt die zur Ausführung des Werks erforderliche Mitwirkung des Bestellers – zB er sitzt dem Maler nicht Modell oder erscheint nicht zum Phototermin, kann der Unternehmer unter angemessener Nachfristsetzung unbeschadet seiner Ansprüche zurücktreten; § 1168 Abs 2 ABGB.
Mitwirkung des Bestellers
Das gilt etwa auch für Massagetermine und andere als Werkvertrag zu qualifizierende therapeutische Behandlungen.


Bestellerpflichten (1)
Abbildung 12.30:
Bestellerpflichten (1)


Bestellerpflichten (2)
Abbildung 12.31:
Bestellerpflichten (2)


Bestellerpflichten (3)
Abbildung 12.32:
Bestellerpflichten (3)
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2. Rücktrittsrecht
Das Rücktrittsrecht des Werkbestellers bei Schuldnerverzug des Werkunternehmers folgt den Regeln des § 918 ABGB → KAPITEL 7: Zum gesetzlichen Rücktrittsrecht des § 918 ABGB.
Umgekehrt liegt Gläubigerverzug vor, wenn der Besteller einer (Spezial)Massage den Behandlungstermin vergisst. Kann der Masseur den Termin nicht mehr anderweitig vergeben, was in einem derartigen Fall anzunehmen ist, bleibt der Werklohnanspruch (voll) aufrecht und eine Vorteilsanrechnung findet nicht statt. – Vgl auch § 50 Abs 3 ÄrzteG 1998.
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3. Verjährung
Der werkvertragliche Entgeltanspruch verjährt nach § 1486 Z 1 ABGB in 3 Jahren.
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4. Werkvertrag: Ziel- oder Dauerschuldverhältnis
Zum Unterschied vom Arbeitsvertrag ist der Werkvertrag idR ein Vertrag auf Ziel (Zielschuldverhältnis), der mit Vollendung und Abnahme des Werks endet. Nach allgemeinen Grundsätzen kann er daher jederzeit einvernehmlich aufgehoben werden, eine Kündigung ist aber (wie bei anderen Zielschuldverhältnissen auch) nicht vorgesehen.
Werkverträge kommen aber auch als Dauerschuldverhältnisse vor. Sie folgen dann deren Regeln und enden durch Zeitablauf oder Kündigung.
Beispiel
Zu erinnern ist daran, dass die lange Dauer einer Werkherstellung allein, dem Vertrag noch nicht den Charakter des Zielschuldverhältnisses nimmt; zB Großbauprojekt über 3 Jahre.
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5. Beendigung des Werkvertrags
Welche Rolle spielt der Tod für die Beendigung des Werkvertrags?
Durch den Tod des (Werk)Bestellers endet der Werkvertrag nicht. Bezieht sich das Werk direkt auf seine Person, greift aber § 1168 ABGB. – Allein auch hier ist zu differenzieren; so kann das angefangene Porträt vielleicht noch vollendet werden.
Tod des Bestellers
Durch den Tod des (Werk)Unternehmers endet der Werkvertrag nur, wenn es sich um höchstpersönliche Arbeiten handelt; zB künstlerische Leistungen. Nicht, wenn der Kraftfahrzeugwerkstätteninhaber, bei dem sie das Auto in Reparatur haben, stirbt.
Tod des Unternehmers


Beendigung des Werkvertrags
Abbildung 12.33:
Beendigung des Werkvertrags
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V. Der Kostenvoranschlag
Literaturquelle
Kostenvoranschläge spielen in der Praxis eine wichtige Rolle; einerseits bei den vielfältigen Reparaturverträgen (sei es von beweglichen oder unbeweglichen Sachen; etwa um die Kosten einer Kellertrockenlegung zu schätzen), aber auch zB bei Neuanfertigungen, sei es der Anbau eines Hauses, das Anfertigen einer Zahnprothese oder der Austausch von Zahnamalgamfüllungen gegen körperverträgliches Material.
Reparaturverträge
Häufig sind im Zusammenhang mit Fragen des Kostenvoranschlags die Regeln für Offertstellungen zu beachten, zumal Kostenvoranschlag und Offerte oft identisch sind! – Dem „reinen” Kostenvoranschlag fehlt aber das zweite Kriterium einer gültigen Offerte: der endgültige Bindungswille → KAPITEL 5: Voraussetzungen einer gültigen Offerte. Durch Auslegung ist festzustellen, was gewollt war.
Regeln für Offertstellungen
1. Arten
§ 1170a ABGB regelt den praktisch wichtigen Kostenvoranschlag. Die Bestimmung besitzt über den Werkvertrag hinaus Bedeutung. – Das Gesetz unterscheidet zwischen:
• Kostenvoranschlägen mit Gewähr und
• Kostenvoranschlägen ohne Gewähr.
Beim Kostenvoranschlag mit Gewähr kann auch bei unvorhergesehener Kostspieligkeit der veranschlagten Arbeiten keine Erhöhung des Entgelts verlangt werden!
Kostenvoranschlag mit Gewähr
Im Zweifel gilt nach ABGB ein erstellter Kostenvoranschlag als solcher ohne Gewähr; Entgeltlichkeitsvermutung. – Nach § 5 Abs 2 KSchG gilt im Zweifel das Umgekehrte: Es ist ohne abweichende Vereinbarung ein Kostenvoranschlag mit Gewähr anzunehmen.
Unterschiede: ABGB und KSchG
Auch beim Kostenvoranschlag ohne Gewähr besteht aber (nach dem Gesetz) bei beträchtlicher Kostenüberschreitung eine Anzeigepflicht des Unternehmers; andernfalls hat er keinen Anspruch auf die Mehrkosten! Der Besteller hat in diesem Fall ein Wahlrecht; § 1170a ABGB. Entweder übernimmt er die Mehrkosten oder er kann vom Vertrag zurücktreten, muss dann aber die bisher geleistete Arbeit des Unternehmers vergüten. – Wurde ein „Pauschale” vereinbart trägt der Unternehmer die Gefahr des Mehraufwands. Zur Pauschalpreisvereinbarung → Zur (häufigen) Pauschalpreisvereinbarung
Kostenvoranschlag ohne Gewähr
Der OGH kennt neben den beiden (Haupt)Formen des Kostenvoranschlags noch einen sog Schätzungsanschlag, der weder auf den Werkvertrag (sondern etwa auch bei Aufträgen herangezogen wird), noch auf die Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen des § 1170a ABGB beschränkt ist: offene (Gesetzes)Analogie; vgl das folgende Urteil.
Sog Schätzungsanschlag
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 21. 5. 2001, 10 Ob 82/00g, JBl 2002, 108: Rechtsanwalt wird mit Durchführung einer Auslandsreise (Südafrika) zur Klärung von Erbschaftsangelegenheiten (Auftrag) betraut. Als voraussichtliche Kosten nannte der Anwalt auf Anfrage ca 200.000 S, womit die Mandantin einverstanden war. Tatsächlich verlangte der Rechtsanwalt dann aber über 450.000 S und klagte diesen Betrag auch ein. – OGH kennt für den Bereich des Werkvertrags neben den beiden Varianten des Kostenvoranschlags in § 1170 a ABGB auch einen Schätzungsanschlag, der eine bloß überschlagsmäßige, beiläufige und nicht ohne weiteres verbindliche Kosteneinschätzung darstellt; vgl SZ 55/83. Diesen Schätzungsanschlag wendet der OGH analog auf die vorliegende Auftragsbeziehung an. Die Rechtsfolgen des Schätzungsanschlags stimmen in concreto mit § 1170 a ABGB überein, müssen dies aber nicht in jedem Fall.
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2. KSchG-Modifikation
Für Verbrauchergeschäfte zu beachten ist – daran sei nochmals erinnert – § 5 KSchG, der die bürgerlichrechtliche Regelung aus Gründen des Verbraucherschutzes umkehrt: Kostenvoranschläge für Verbraucher sind danach im Zweifel sowohl unentgeltlich, als auch verbindlich. – Entgeltlichkeit und Unverbindlichkeit müssten daher vereinbart werden.


Kostenvoranschlag
Abbildung 12.34:
Kostenvoranschlag
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VI. Verwandte Vertragstypen
Die Vertragsfreiheit macht den Werkvertrag zu einem sehr lebendigen – immer neue Formen entwickelnden – Typus. Neue wirtschaftliche „Dienstleistungen“ werden häufig in der Rechtsform Werkvertrag erbracht. Als Werkverträge iwS – dh dem Werkvertrag als Typus mehr oder weniger nahestehend (vgl auch die Marginalrubrik vor den §§ 631 ff dtBGB: „Werkvertrag und ähnliche Verträge”) sind bspw zu nennen:
Beförderungsverträge: zB Taxi oder Paketbeförderung;
Wichtige neue Verträge unterstehen dem Werkvertragsrecht
Reiseverträge: Werkvertrag + Geschäftsbesorgung → Der (Pauschal)Reiseveranstaltungsvertrag
Speditionsverträge: §§ 407 ff HGB
Frachtverträge: §§ 425 ff HGB
Verlagsverträge: §§ 1172 f ABGB
• der Architektenvertrag (ZiviltechnikerG 1994): Die bloße Herstellung von Bauplänen ist schlichter Werkvertrag; kommt dazu aber – wie häufig – noch die Leitung und Überwachung der Bauausführung, also insbesondere Geschäftsbesorgung hinzu (Vertragsschlüsse mit Professionisten oder Materialeinkauf etc) liegt ein Architektenvertrag (als Mischvertrag) vor; vgl § 1151 Abs 2 ABGB: das ist zusätzlich Auftrag mit oder ohne Bevollmächtigung. Zu den Mischverträgen allgemein → KAPITEL 5: Gemischte und atypische Verträge.
• der Kinder(garten)aufnahmevertrag und überhaupt Heimverträge aller Art (insbesondere auch Alten- und Pflegeheimverträge) als gesetzlich nicht geregelte (Misch)Typen.
Literaturquelle
Heirats- oder Partnervermittlungsverträge: vgl SZ 54/173 (1981);
Beratungsverträge verschiedenster Art; Beispiel: Anlageberatungen von Bankkunden (sind Werkverträge für Bankdienstleistungen); vgl für Deutschland: BGH NJW 1987, 1816 oder BGH NJW 1993, 3073 (3075). – Der Consulting- oder Unternehmensberatungsvertrag ist je nach Ausgestaltung im Einzelfall entweder als (freier) Dienstvertrag (insbesondere bei begleitender Dauerberatung), Werkvertrag (insbesondere bei Projektberatung) oder Mischvertrag mit beiden Typelementen anzusehen. Der OGH stellt in JBl 2000, 441 darauf ab, dass nach Bestimmung des Leistungsinhalts im Einzelfall zu prüfen sei, ob dadurch Sorgfalts- oder Erfolgsverbindlichkeiten begründet werden. Auftragselemente enthält der echte Beratungsvertrag nur ausnahmsweise und nur bei besonderer Vereinbarung: Management Consulting, zB Vertrag mit Steuerberater, Architektenvertrag, JBl 1967, 376.
Veranstaltungsverträge im Kunstsektor (Musik, Schauspiel; zB Vertrag zwischen dem Brindisi String Quartett und dem Musikveranstalter Galerie St. Barbara / Hall in Tirol);
• der Fernlehrkursvertrag; dazu JBl 1987, 521 → KAPITEL 5: Allgemeines (Willensmängel);
• der (private) Arbeitsvermittlungsvertrag; möglich seit 1.7.1994;
• der Bestattungsvertrag; Feuer- oder Erdbestattung;
• der Softwarevertrag;
• Inwieweit auf Massage- und therapeutische Behandlungsverträge die Werkvertragsregeln oder die freien Dienstverträge zur Anwendung gelangen, muss (wie bei Ärzten) im Einzelfall entschieden werden. In nicht wenigen Fällen wird aber eine werkvertragliche Beziehung anzunehmen sein. – Das gilt sowohl für die sog klassische Körpermassage wie Spezialmassagen, etwa die Akupunktmassage.
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VII. Der (Pauschal)Reiseveranstaltungsvertrag
Allgemein zur AGB-Problematik → KAPITEL 6: Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die allgemeinen Reisebedingungen (ARB) sind ein Beispiel für sog Branchen-AGB.
Literaturquelle
Mit BGBl 1993/247 wurden in das KSchG fünf neue Paragraphen unter der Marginalrubrik „Reiseveranstaltungsvertrag” eingefügt. Dazu kommt, dass seit 1.1.1995 in Österreich die EU-RL über Pauschalreisen gilt. – Mit dem Reiseveranstaltungsvertrag hat eine besondere werkvertragliche Dienstleistung ihre gesetzliche Regelung erfahren. – Für Deutschland vgl die §§ 651a–651m dtBGB.
1. Überblick
• § 31b KSchG gibt Begriffsbestimmungen: Was ist eine Reiseveranstaltung? Wer ist Veranstalter, wer Reisender?
• § 31c KSchG regelt den wichtigen Preisänderungsvorbehalt; kurz: keine Preisänderung ab dem 20. Tag vor dem vereinbarten Abreisetermin.
• § 31c Abs 3 KSchG kennt ein Vertragsüberbürdungsrecht des Reisenden, der am Reiseantritt verhindert ist, auf eine „andere Person”! Zur Vertragsübernahme → KAPITEL 14: Die Vertragsübernahme.
• § 31d KSchG: Rücktritt vom Vertragdurch Reisende oder Storno der Reiseveranstaltung durch den Veranstalter. – Zur Deutung der Stornovereinbarung als Reugeld → KAPITEL 15: Reugeld: §§ 909 ff ABGB und § 7 KSchG.
• § 31e KSchG: Behandlung von Leistungsstörungen nach der Abreise.
• § 31f KSchG: Anordnung, dass die §§ 31a–e zwingendes Recht enthalten.
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2. Reisevermittler und Reiseveranstalter
Festzuhalten ist, dass ein Reisebüro dann strenger haftet, wenn es nicht nur als Reisevermittler, sondern selbst als Reiseveranstalter auftritt. – Der Reisveranstalter unterliegt aber der normalen Verschuldenshaftung und nicht der Gastwirtehaftung; vgl das folgende Urteil.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 17. 10. 2001, 7 Ob 237/01f, EvBl 2002/50: Geschäftsführer einer GmbH bucht berufsbedingt eine Pauschalflugreise für 3 Tage nach London. Aus dem Hotelzimmer werden von einem Einsteigdieb (Fenster) der GmbH gehörende wertvolle technische Geräte gestohlen, nämlich Videokamera und Notebook. GmbH klagt Reiseveranstalter auf Schadenersatz. – OGH: Die Gastwirtehaftung für die Gefahr des offenen Hauses ist auf Reiseveranstalter weder unmittelbar noch analog anzuwenden, weil dieser keine Fremden beherbergt oder die Beherbergung im Reisevertrag doch in den Hintergrund tritt. Der Reiseveranstalter unterliegt der normalen vertraglichen Verschuldenshaftung. Ein Reiseveranstalter haftet aus dem Reiseveranstaltungsvertrag aber auch insoweit (Nebenpflicht), als dieser Obhutspflichten für Sachen des Vertragspartners umfasst; hat dabei gemäß § 1313a ABGB für ein allfälliges Verschulden des Hotelbetreibers als seines Erfüllungsgehilfen einzustehen, was hier angenommen wird. OGH verneint zurecht ein Mitverschulden des Hotelgastes, der die ständig gebrauchten Geräte nicht in den Hotelsafe gab.
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3. Einzelprobleme
Vertragsänderung vor Abreise (durch das Reisebüro): Akzeptiert der Reisende diese (zB Preis- oder sonstige Änderungen) nicht, steht ihm ein Rücktrittsrecht (ohne Entrichtung einer Stornogebühr) zu;
Rücktritt und Storno: Tritt ein Reisender berechtigt vom Vertrag zurück oder storniert ein Reiseveranstalter die Reise selbst ohne Verschulden des Reisenden, so kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen anstelle der Rückerstattung all seiner geleisteten Zahlungen auch Vertragserfüllung durch Teilnahme an einer gleichwertigen anderen Reiseveranstaltung verlangen.
• Daneben kann ein Reisender auch Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags geltend machen;
• Ansprüche von Reisenden bei mangelhafter Leistung des Reiseveranstalters: Hier bestehen grundsätzlich Gewährleistungsansprüche. – Zum Ersatz immateriellen Schadens bei entgangener Urlaubsfreude → KAPITEL 9: Schadensbegriff, Schadensarten, Schadensfeststellung (Schadensbegriff) Reisende treffen dabei aber gewisse Obliegenheiten: So sind aufgetretene Mängel unverzüglich anzuzeigen.
Beachte
• Reisebuchungen werden immer häufiger über das Internet vorgenommen; sog Online-Buchung. Die Kundschaft gibt die Kreditkartennummer an, die vom Unternehmer auf Gültigkeit und Kontodeckung überprüft wird. Zu zahlen ist das Ticket bei Abholung am Schalter. – Zum Online-Vertragsschluss → KAPITEL 2: Internet und Recht. Mit Internetbuchungen umgehen Fluglinien die Reisebüros, die für den Verkauf von Flugtickets Provision erhalten.
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VIII. Entscheidungen zum Werkvertrag
Rechtssprechungsbeispiel
GlUNF 5437 (1911): Werkvertrag– Anbringung von Goldbrücken durch einen Zahnarzt im Gebiss eines Patienten: Berechtigung des letzteren zum Abgehen vom Vertrag wegen behebbarer, die Gebrauchsfähigkeit der Brücken aber beeinträchtigender Mängel.
SZ 49/60 (1976): Der Besteller kann gemäß § 1167 ABGB bei wesentlichen, wenn nur nicht leicht behebbaren Mängeln stets Wandlung begehren; hier ging es um die Erstellung von (Um)Bauplänen eines Gebäudes, das zuletzt ein Kaffeehaus war, in eine Apotheke und Drogerie. Die Pläne waren unbrauchbar und zur Einreichung bei der Baubehörde ungeeignet. Kläger = Werkunternehmer. Beklagter = Werkbesteller
WBl 1989, 307: Gewährleistung trotz Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik bei der Werkherstellung – Vorgabe der Ausführungsart durch den Besteller. Kläger = Werkbesteller; Beklagter = Werkunternehmer.
OGH 22.2.1983, 5 Ob 510/83 (OLG Linz 29.10.1982, 3 R 154/82; KG Wels 17.5.1982, 2 Cg 128/78): §§ 1167 und 1168a ABGB: Der Unternehmer ist auch gewährleistungspflichtig, wenn er das Werk nach dem Stande der Technik hergestellt hat und doch ein Mangel vorliegt. Hat der Besteller das Werk in einer genau bestimmten Ausführung in Auftrag gegeben und führte gerade diese Ausführung zu einem Mangel der Gebrauchstauglichkeit, so ist der Unternehmer nur gewährleistungspflichtig, wenn er den Besteller hätte warnen müssen.
OGH 22.3.2001, 4 Ob 47/01t, JBl 2002/796 = EvBl 2001/156: Betreiber eines Sportartikelgeschäfts führt Lokalumbau durch. Werkunternehmer erstellt mangelhafte Dachkonstruktion; niedrigere Brandwiderstandsklasse als behördlich vorgeschrieben. Werkbesteller wählt idF teuerste Variante (Einzug einer Betonzwischendecke) und klagt auf Kostenersatz. – OGH: Besteller kann von einem mangelhaft erfüllenden Werkunternehmer die Mangelhehebungskosten nur ersetzt verlangen, wenn er den Schaden beheben lassen will; andernfalls besteht sein Schaden in der objektiven Wertminderung. Besteller kann den Verbesserungsaufwand aber auch dann ersetzt verlangen, wenn er den Mangel nicht dadurch behebt, dass er den vertragsgemäßen Zustand herstellt, sondern eine überlegene Lösung wählt. Sein (Ersatz)Anspruch ist aber mit den für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands notwendigen Verbesserungskosten begrenzt.
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D. Der Auftrag
I. Begriff und Abgrenzung
1. Zum Begriff
Um den Begriff des Auftrags (Mandat – römisches Recht: mandatum) ranken sich terminologische Unklarheiten. Das ABGB verwendet den Begriff in § 709 ABGB für die „Auflage” → KAPITEL 13: Die Auflage. Das Rechts- und Wirtschaftsleben gebraucht ihn häufig „untechnisch”: Geschäftsleute bedanken sich für erteilte „Aufträge” und meinen damit den (durch Annahme) „abgeschlossenen Vertrag” oder den von der Kundschaft gestellten „Antrag” (Offerte). Kunden erteilen Handwerkern „Aufträge”, wollen aber zB einen „Werkvertrag” schließen. Im Rahmen von Arbeitsverhältnissen ist mit „Auftrag” und „beauftragen” häufig das Erteilen einer „Weisung” (seitens des Arbeitgebers) gemeint. Schließlich bezeichnet das ABGB das, was heute als Auftrag verstanden wird als „Bevollmächtigungsvertrag” (§ 1002) und fasst damit Auftrag und Vollmacht als praktisch häufigsten Fall zusammen → KAPITEL 13: Bevollmächtigungsvertrag.
Terminologische Unklarheiten
Zur Abgrenzung von Auftrag, Vollmacht und Ermächtigung → KAPITEL 13: Erteilung der Vollmacht.
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2. Abgrenzungen
Anders als bei den bisher besprochenen „Dienstleistungsverträgen“ – dem Arbeitsvertrag und dem Werkvertrag, bei denen es um die Leistung tatsächlicher / faktischer Dienste oder Arbeiten geht, ist inhaltlicher Gegenstand des Auftrags die Besorgung / Durchführung von (erlaubten) Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen; zu dieser Unterscheidung → KAPITEL 5: Exkurs: Rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen .
Gegenstand des Auftrags
Tatsächliche Dienste sind demnach nicht Gegenstand des Auftrags. Werden tatsächliche und rechtliche oder rechtsgeschäftliche Dienste miteinander verbunden, sind nach § 1151 Abs 2 ABGB neben den dienst- und werkvertraglichen Regeln auch die Auftragsregeln der §§ 1002 ff ABGB zu beachten.
Eine innere Verwandtschaft mit dem Auftrag weisen auf:
Innere Verwandtschaft mit …
• das Kommissionsgeschäft: §§ 383 ff HGB, das aus
• dem Verkaufsauftrag oder Trödelvertrag (§§ 1086 ff ABGB) entstanden ist;
• der Zivil- und Handelsmäklervertrag → Makler;
• der Handelsvertretervertrag → Handelsvertreter
Der Maklervertrag (→ Makler) ist nach der Rspr aber weder Auftrag, noch Dienst- oder Werkvertrag, sondern ein Vertrag eigener Art / sui generis; vgl SZ 25/168 (1952). – Unter Inkassomandat ist entweder eine Vollmacht zur Einziehung im Namen des Gläubigers oder eine Abtretung zum Inkasso zahlungshalber oder eine Inkassozession zu verstehen; SZ 2471 (1951). – Das Rechtsinstitut der Zession hat im Laufe seiner Anwendung, entsprechend den verschiedenen Zwecken, die mit ihm verfolgt werden, unterschiedliche „Arten” oder „Formen” der Zession entwickelt, auf die idF kurz eingegangen wird.
Maklervertrag – Inkassomandat
Rechtssprechungsbeispiel
Der sog Wahrnehmungsvertrag mit einer urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaft ist ebenfalls ein Vertrag sui generis, der Elemente des Auftrags, des Treuhandvertrags und der sog Geschäftsbesorgungskommission iSd § 406 HGB enthält; SZ 51/134 (1978).
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3. Definition – Vertragstypus
Auftrag ist vertraglich begründete entgeltliche oder unentgeltliche Geschäftsbesorgung (= Vornahme von Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen) für einen andern (= Geschäftsherrn oder Auftraggeber) auf dessen (= fremde) Rechnung, aber nicht in dessen (= in fremdem) Namen; dazu wäre zusätzlich eine Vollmacht nötig! Vollmacht wird aber häufig zusätzlich erteilt, um Beauftragten die Vorteile der direkten Stellvertretung zu sichern → KAPITEL 13: Direkte Stellvertretung: Anwendungsbereich.
Geschäftsbesorgung
Die Parteibezeichnungen lauten: AuftraggeberIn und Beauftragte/r.
Parteibezeichnungen
Der Auftrag ist (Konsensual)Vertrag und verpflichtet als solcher zur Durchführung des übernommenen Geschäfts. Der Auftrag statuiert eine Geschäftsbesorgungspflicht. Als Vertrag braucht er für sein Entstehen die Zustimmung des Beauftragten; zur Abgrenzung von der Vollmacht → Zum Begriff
Vertrag
Beispiel
• Mietet ein Freund für seine Freundin eine Wohnung, ist das (dh ihre Rechtsbeziehung) ebenfalls Auftrag (genauer: Bevollmächtigungsvertrag iSd § 1002 ABGB), freilich unentgeltlicher; vgl § 1004 ABGB.
• Der Vertrag zwischen Schuldner und Bürgen ist idR Auftrag; der Bürgschaftsvertrag dagegen wird zwischen Gläubiger und Bürgen geschlossen → KAPITEL 15: Die Bürgschaft: §§ 1346 ff ABGB.
• Hier zu nennen sind ferner der Hausverwaltervertrag (Auftrag + Vollmacht; dazu → KAPITEL 13: Abschluss sog unternehmensbezogener Geschäfte ¿ Verzicht auf strikte Offenlegung) und
• der Kreditauftrag, das ist der jemandem erteilte und von diesem angenommene Auftrag im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, jedoch auf Gefahr des Auftraggebers einem Dritten Kredit zu gewähren.
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4. § 1003 ABGB: Ablehnungspflicht
Nach § 1003 ABGB müssen Personen, „welche zur Besorgung bestimmter Geschäfte öffentlich bestellt worden sind” – das sind bspw Rechtsanwälte oder Ziviltechniker – zwar einen Auftrag nicht übernehmen, aber sie müssen einen an sie gerichteten Antrag unverzüglich ablehnen.
Zur Besorgung bestimmter Geschäfte öffentlich bestellt
Vgl damit § 362 HGB → KAPITEL 5: Annahme durch Stillschweigen?. – Notare trifft nach den §§ 33-35 NO eine Übernahmepflicht; Ausnahme: Befangenheit. Für sie besteht demnach Kontrahierungszwang → KAPITEL 5: Abschlussfreiheit <-> Kontrahierungszwang. – Allgemein zum Notariat → KAPITEL 19: Personen der Rechtspflege (Link): Priglinger und zur Rechtsanwendung ebendort (Link).
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5. Zum Vertragsschluss
Der Auftrag wird als Vertrag iSd § 863 ABGB sowohl ausdrücklich, wie konkludent / schlüssig oder allenfalls auch stillschweigend geschlossen.
Nach § 1005 ABGB besteht für den Abschluss des Bevollmächtigungsvertrags Formfreiheit; dh er kann mündlich und schriftlich geschlossen werden.
Formfreiheit
Der Auftrag kommt als Ziel- und Dauerschuldverhältnis vor, je nachdem sein Inhalt auf einmalige (zB einen bestimmten Vertragsschluss) oder zeitlich bestimmte / orientierte – etwa auf unbestimmte Dauer (zB Hausverwaltung) – Verrichtung zielt.
ZSchV und DSchV
Beispiel
Der Auftrag als eigener Vertragstypus hat typische Vertragspflichten der an ihm beteiligten Vertragspartner ausgeformt; dazu → Gegenseitige Rechte und Pflichten
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II. Gegenseitige Rechte und Pflichten
1. Pflichten des Beauftragten: § 1009 ABGB
§ 1009 ABGB: „Der Gewalthaber [= Beauftragte/r] ist verpflichtet, das Geschäft seinem Versprechen und der erhaltenen Vollmacht gemäß, emsig und redlich zu besorgen, und allen aus dem Geschäfte entspringenden Nutzen dem Machtgeber zu überlassen. Er ist, ob er gleich eine beschränkte Vollmacht hat, berechtigt, alle Mittel anzuwenden, die mit der Natur des Geschäftes notwendig verbunden, oder der erklärten Absicht des Machtgebers gemäß sind.”
Man beachte in dieser Norm das terminologische Vermengen von Auftrag und Vollmacht / Stellvertretung. Vgl auch → KAPITEL 13: Stellvertretung und Vollmacht: Stellvertretung.
Bei Zweifeln über den Umfang des Auftrags besteht für Beauftragte eine Rückfragepflicht beim Auftraggeber; vgl RdW 1983, 106 und WBl 1987, 212. – Gefragt ist überhaupt eine „denkende” Auftragsausführung, was mitunter ein Abgehen von erteilten Weisungen bedeuten kann; § 1010 ABGB.
Rückfragepflicht
Grundsätzlich ist ein Auftrag vom Beauftragten persönlich auszuführen; § 1010 ABGB: Sonst „haftet er ganz allein für den Erfolg.”
Persönlich auszuführen
Eine vollständige Weitergabe des Auftrags (sog Substitution) ist nach § 1010 ABGB nur erlaubt, wenn:
Substitution
• dies entweder „ausdrücklich gestattet „ oder
• „durch die Umstände unvermeidlich „ wurde.
In diesen Fällen haftet der Beauftragte nur für „bei der Auswahl der Person begangenes Verschulden”; sog Auswahlverschulden / culpa in eligendo.
§ 1010 ABGB wird analog auf andere Vertragsbeziehungen (als den Bevollmächtigungsvertrag) angewandt; zB den ärztlichen oder (psycho)therapeutischen Behandlungsvertrag, wenn der behandelnde Arzt / Therapeut auf Urlaub geht und einen Vertreter bestellt. – Zur Analogie → KAPITEL 11: § 7 ABGB: Die Lückenschließung.
§ 1012 ABGB statuiert die mögliche Schadenersatzpflicht des Beauftragten; zB wenn er von erteilten Weisungen ohne Grund abgeht oder wenn er bei seinem Handeln nicht jene Sorgfalt an den Tag legt, zu der ihn das Gesetz verpflichtet; § 1009 ABGB verlangt nämlich „emsige und redliche” Auftragsausführung! – Das gilt natürlich auch für Notare, Rechtsanwälte, Wirtschaftstreuhänder, Steuer- oder Unternehmensberater → KAPITEL 19: Personen der Rechtspflege (Link).
§ 1012 ABGB
Dazu tritt die umfassende – ebenfalls in dieser Bestimmung (§ 1012 ABGB) geregelte – Rechnungslegungspflicht des Beauftragten
Rechnungslegungspflicht
Diese allgemeine Rechnungslegungspflicht des ABGB wird in Sondergesetzen modifiziert:
• Vgl die Rechnungslegungspflicht des (Haus)Verwalters nach § 17 Abs 1 Z 1 WEG 1975 (= § 34 WEG 2002) oder ebendort für die sog Rücklage nach § 16 Abs 3 WEG 1975 (= § 31 WEG 2002.);
• vgl auch § 19 WGG.
• Besondere Bedeutung kommt der Rechnungslegung im Handels- und Gesellschaftsrecht zu; vgl §§ 125 ff AktG 1990 (BGBl 475).
• Das RechnungslegungsG 1990, BGBl 475 ändert zahlreiche handelsrechtliche Rechnungslegungsvorschriften zum Teil grundlegend.
§ 1013 Satz 2 ABGB normiert ein Geschenkannahmeverbot des/r Beauftragten von Dritten.
Geschenkannahmeverbot
Das spielt auch bei anderen Verträgen, insbesondere bei Mischverträgen wie Alten- oder Pflegeheimverträgen (→ KAPITEL 5: Heimvertrag ¿ Pflegegeld), aber auch beim Behandlungsvertrag (→ KAPITEL 10: Arten des Behandlungsvertrags) eine Rolle, wenn eine Vertrauensbeziehung begründet wird, was im Regelfall anzunehmen ist. – Dabei wird bspw in der Heimpraxis auch über das Ziel geschossen: Statt die Geschenkannahme auf Liegenschaften, Geld und Wertsachen zu beschränken, wird verboten, Angestellten auch nur einen Blumenstock oder eine Stehlampe zu schenken.
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2. Pflichten des Auftraggebers
Den Auftraggeber trifft nach § 1004 iVm § 1014 ABGB die Pflicht zur Zahlung des vereinbarten oder gesetzlichen Entgelts an Beauftragte.
Zur Rechtsgeschichte: Den Auftrag kannten schon die alten Griechen; vgl L. Beauchet, Histoire du droit privé de la république athénienne (1897). Das mandatum (von manus dare) der Römer war lange unentgeltlich.; D. 17, 1, 1, 4: mandatum nisi gratuitum nullum est. Heute dagegen kann es entgeltlich oder unentgeltlich sein. Inhalt des Auftrags waren im Laufe der Rechtsgeschichte faktische wie rechtliche Tätigkeiten. Auch darin liegt ein signifikanter Unterschied zu heute, denn heute umfasst es nur rechtliches und rechtsgeschäftliches Handeln. Die Parteien hießen in Rom mandator/Mandant/Auftraggeber und Mandatar/Beauftragter. Die auf Abrechnung/Herausgabe zielende Klage des Mandanten war die actio mandati directa, die des Mandatars – mit der notwendige Aufwendungen und der Ersatz von Schäden verlangt werden konnte, die der Auftrag mit sich brachte (§ 1014 ABGB!: dazu gleich mehr) – die actio mandati contraria. Mehr bei Kaser, Das Römische Privatrecht I 577 ff (1971).
Rechtsgeschichte
Beauftragte haben Anspruch auf Aufwandersatz, „selbst bei fehlgeschlagenem Aufwande”, und allenfalls auch auf Vorschuss; § 1014 ABGB.
Aufwandersatz
Zur Schadenersatzpflicht des Auftraggebers nach § 1014 letzter HalbS ABGB: Das Gesetz ordnet hier nicht nur den Ersatz des Schadens an, der Beauftragten durch ein Verschulden des Auftraggebers selbst entstanden ist, sondern – praktisch bedeutsamer (!) – auch die Vergütung des „mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen [sonstigen!] Schadens”.
Schadenersatzpflicht des Auftraggebers
Nach hA steigert dies die Haftung des Auftraggebers ganz wesentlich bis hin zu einer verschuldensunabhängigen Risikohaftung. Aber nur, soweit es sich um typische und nicht nur zufällig mit dem Auftrag verbundene Gefahren / Schäden handelt.
Diese Regelung des § 1014 letzter HalbS ABGB wird nunmehr analog (auch außerhalb des Auftrags) auf Ersatzansprüche für arbeitsadäquate Sachschäden von Arbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber angewandt, wenn der Schaden im Rahmen der Erfüllung der Arbeitspflicht eingetreten ist; man spricht von Risikohaftung bei Tätigkeit in fremdem Interesse.
Risikohaftung
Rechtssprechungsbeispiel
Arbeitnehmer benötigt für seine Dienstausübung den eigenen Pkw (zB Außendienst) und dieser wird dabei beschädigt; SZ 56/86 (1983): Für den Vermögensschaden, den ein Arbeitnehmer an seinem Pkw auf einer Dienstfahrt erlitten hat, haftet der Arbeitgeber gemäß § 1014 ABGB, wenn das Fahrzeug mit seiner Billigung, wenn auch ohne besondere Vergütung in seinem „Betätigungsbereich” verwendet worden ist. Ein allfälliges Eigenverschulden des Arbeitnehmers ist nach den Grundsätzen des D(N)HG zu berücksichtigen → Die Dienstnehmerhaftung
SZ 69/167 (1996): Prozesskostenersatzpflicht des Arbeitgebers nach § 1014 ABGB iVm dem D(N)HG.
OGH 26. 1. 2000, 9 Ob A 326/99b, SZ 73/20 = JBl 2000, 530 (Kerschner): Die notwendigen Vertretungskosten eines GmbH-Geschäftsführers sind bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung „typische” Schäden iSd § 1014 ABGB. Dies gilt für mit Freispruch endenden Strafverfahren oder bei erfolglosen zivilrechtlichen Inanspruchnahmen.
EvBl 1999/65: §§ 1014, 837 ABGB, § 13c WEG 1975 – Passivlegitimation für Aufwandersatzansprüche des Verwalters: Der Verwalter steht seit Anerkennung der (Teil)Rechtspersönlichkeit der WE-Gemeinschaft (seit 1994) zu dieser und nicht mehr zu den einzelnen Mit- und Wohnungseigentümern in einem Auftragsverhältnis; dazu → KAPITEL 8: Eigentümergemeinschaft, Verwalter, Vorzugspfandrecht. Die WE-Gemeinschaft entscheidet in Verwaltungsangelegenheiten und ist damit zum Gewaltgeber des Verwalters geworden. Der Verwalter hat daher die aus diesem Rechtsverhältnis entstehenden Ansprüche, insbesondere den Aufwandersatzanspruch nach § 1014 ABGB, gegen die WE-Gemeinschaft geltend zu machen. Er muss zunächst die WE-Gemeinschaft klagen und kann sich nur subsidiär – nach Maßgabe des § 13 Abs 2 WEG 1975 – an die einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer halten.
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III. Beendigung des Auftrags
Der Auftrag setzt zwischen Auftraggeber und Beauftragtem/r ein Vertrauensverhältnis voraus. Daher kommt der Beendigung dieser Beziehung bei Wegfall der Vertrauensbeziehung besondere Bedeutung zu. – Rspr und Schrifttum haben aber in Bezug auf diesen leicht einsehbaren Zusammenhang immer wieder versagt.
Nach § 1020 ABGB kann der Auftraggeberden Auftrag ”nach Belieben” widerrufen. Das gilt selbst für den Fall, dass der Auftrag unwiderruflich erteilt wurde; vgl damit die Funktion der außerordentlichen Kündigung von Dauerschuldverhältnissen → KAPITEL 6: Die ordentliche Kündigung.
Widerruf
Ein Teil der Lehre und Praxis schränkte das Widerrufsrecht auf wichtige Gründe ein, was abzulehnen ist, weil dadurch nicht hinreichend das besondere Vertrauensverhältnis (und vor allem auch die Beweisfrage) berücksichtigt wird, das zwischen Auftraggeber und Beauftragten besteht; vorzuziehen Gschnitzer, SchRBesT2 272 mit näherer Begründung, uH auf Zeiller, Comm § 1021 Anm 1. Zudem wird diese einschränkende Interpretation des § 1020 ABGB dem Gesetzeswortlaut nicht gerecht, wo es heißt: „nach Belieben”. Das läuft drauf hinaus § 1020 Satz 1 als zwingendes Recht zu verstehen und zudem als (Not)Ventil.
Nach § 1021 ABGB kann der Beauftragte das Auftragsverhältnis „aufkünden”, also kündigen. Zur Kündigung F. Gschnitzer, in: Franz Gschnitzer Lesebuch 129 ff, insbesondere 153. Näheres im Gesetz.
„Aufkünden”
Der Tod des Auftraggebers oder Beauftragten beendet im Regelfall den Auftrag; § 1022 ABGB. Vgl → KAPITEL 13: Widerruf der Vollmacht ¿ Tod: Widerruf der Vollmacht – Tod.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 16/158 (1934): §§ 956, 1022 ABGB – Gültigkeit des vom Darlehensnehmer übernommenen Auftrags des Darlehensgebers, die Darlehenssumme nach dem Tode des Darlehensgebers einem bestimmten Dritten zu übergeben. Klägerin = Erbin der Darlehens- und Auftraggeberin; Beklagte = Darlehensnehmerin und Beauftragte.


Auftrag (1)
Abbildung 12.35:
Auftrag (1)


Auftrag (2)
Abbildung 12.36:
Auftrag (2)


Auftrag (3)
Abbildung 12.37:
Auftrag (3)


Auftrag (4)
Abbildung 12.38:
Auftrag (4)


Auftrag (5)
Abbildung 12.39:
Auftrag (5)
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IV. Sonderformen des Auftrags
1. Makler
Zum Begriff des Maklers, der Rechtsgeschäfte und Verträge nicht selber abschließt, sondern nur vermittelt, also Vorarbeiten dazu leistet → KAPITEL 13: Abgrenzungen: Abgrenzung zur Stellvertretung.
Literaturquelle
Mit dem MaklerG 1996, BGBl 262 wurde erstmals in Österreich das Handelsvermittlerrecht umfassend kodifiziert. Der allgemeine Teil des MaklerG behandelt die Rechte und Pflichten aus dem Maklervertrag, der besondere Teil enthält Sonderbestimmungen für die wichtigsten Maklertypen. Das sind:
MaklerG 1996
Immobilienmakler – § 16 Abs 1 MaklerG: „..[vermittelt] Geschäfte über unbewegliche Sachen”; dazu erging: VO über Standes- und Ausübungsregeln für ––Immobilienmakler, BGBl 1996/297, sog ImmobilienmaklerVO.
Handelsmakler – § 19 Abs 1 MaklerG: „ ..., wer als Makler gewerbsmäßig Geschäfte über Gegenstände des Handelsverkehrs vermittelt.”
Krämermakler – § 25 MaklerG: „ ...Handelsmakler, die die Vermittlung von Warengeschäften im Kleinverkehr besorgen ...”
Versicherungsmakler – § 26 MaklerG: „ ..., wer als Handelsmakler Versicherungsverträge vermittelt.”
Personalkreditvermittler – § 33 MaklerG: „ ..., wer als Makler gewerbsmäßig für Kreditwerber Kreditgeschäfte (Geldkreditverträge und Gelddarlehen [iSd § 1 Abs 1 Z 3 BWG]) vermittelt”.
§ 1 MaklerG definiert den Makler: „Makler ist, wer auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung (Maklervertrag) für einen Auftraggeber Geschäfte mit einem Dritten vermittelt, ohne ständig damit betraut zu sein.”
Makler und Maklervertrag
Der Maklervertrag ist ein Vertrag eigener Art / sui generis. Der „Auftrag”, ein Geschäft zu vermitteln, dem keine Verpflichtung des Vermittlers, die Vermittlung zu bewirken, zu entnehmen ist, ist nicht Auftrag, auch nicht eine Unterart des Auftrags, sondern Maklervertrag und somit ein im ABGB nicht geregelter Vertrag sui generis; HS 24.530 = JBl 1994, 404.
§ 2 Abs 1 MaklerG regelt die Befugnisse des Maklers: „Ohne ausdrückliche Vereinbarung ist der Makler nicht befugt, für den Auftraggeber das vermittelte Geschäft zu schließen oder Zahlungen von Dritten entgegenzunehmen.”
Befugnisse des Maklers
Eine Besonderheit regelt § 14 MaklerG: den sog Alleinvermittlungsauftrag. Hier verpflichtet sich der Auftraggeber für ein zu vermittelndes Geschäft keinen anderen Makler in Anspruch zu nehmen. Dabei muss sich der Makler nach Kräften um die Vermittlung bemühen. Der Alleinvermittlungsauftrag kann nur befristet auf angemessene Dauer abgeschlossen werden. – Er ist nicht ungefährlich und immer wieder Gegenstand von Streit.
Rechte und Pflichten des MaklersAlleinvermittlungsauftrag
§ 3 MaklerG:
Abs 1: „Der Makler hat die Interessen des Auftraggebers redlich und sorgfältig zu wahren ....”
Abs 2: „Der Auftraggeber hat den Makler bei der Ausübung seiner Vermittlungstätigkeit redlich zu unterstützen ...”
Abs 3: „Makler und Auftraggeber sind verpflichtet, einander die erforderlichen Nachrichten zu geben.”
§ 4 MaklerG:
Abs 1: „Mangels anderer Vereinbarung ist der Makler nicht verpflichtet, sich um die Vermittlung zu bemühen.”
Abs 2: Keine Pflicht des Auftraggebers, das angebahnte Geschäft zu schließen.
Seit Anfang umstritten ist die Höhe der Maklerprovision. Sie beträgt bei Neuvermietung drei Brutto-Monatsmieten. Das bedeutet eine europäische Spitzenstellung. Die Arbeiterkammer fordert seit langem eine Senkung auf zwei Netto-Monatsmieten. Österreichs Neumieter zahlen pro Jahr etwa 2,5 Mrd S (= 182 Mio ?) an Makler.


Neues Maklerrecht (1)
Abbildung 12.40:
Neues Maklerrecht (1)


Neues Maklerrecht (2)
Abbildung 12.41:
Neues Maklerrecht (2)


Neues Maklerrecht (3)
Abbildung 12.42:
Neues Maklerrecht (3)


Neues Maklerrecht (4)
Abbildung 12.43:
Neues Maklerrecht (4)


Arten von Maklern
Abbildung .44:
Arten von Maklern


Höhe der Maklerprovision nach der MaklerVO
Abbildung 12.45:
Höhe der Maklerprovision nach der MaklerVO
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2. Handelsvertreter
Rechtssprechungsbeispiel
GlU 11.030 (1886): „Ausarbeitung eines einem Advocaten persönlich abgeforderten Gutachtens durch einen ‚Concipienten‘ desselben: Anspruch des Advocaten auf Honorar?” Kläger = (beauftragter) Rechtsanwalt (der das bei ihm bestellte Gutachten von seinem Konzipienten verfassen lässt, behält seinen Anspruch auf Werklohn). Beklagter = Auftraggeberin des Gutachtens an Rechtsanwalt. Sachverhalt: Die Beklagte wollte in einem anderen Rechtsstreit, in dem sie einen Fürsten auf Zahlung von 63.700 fl (Gulden) belangt hatte, vor Annahme des von dessen Anwalt angebotenen Vergleichs den Rechtsfall von einer hervorragenden Kapazität des Advokatenstandes begutachten lassen und beauftragte daher den Kläger mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser musste aufgrund anderer dringlicher Geschäfte die Ausarbeitung des Gutachtens seinem Konzipienten übertragen, überprüfte und genehmigte aber das Gutachten seines Konzipienten. Üblicherweise handelt es sich beim Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Klient um einen sog Bevollmächtigungsvertrag / Auftrag + Vollmacht. Die Erstattung eines Rechtsgutachtens gegen Lohn ist aber ein Werkvertrag. – Der OGH wies die Revision mit der Begründung ab, „dass der Kläger das Gutachten erst dann der Beklagten erstattete, als er den von seinem Konzipienten verfassten Entwurf desselben geprüft hatte, wodurch und durch seine Genehmigung es eben zu dem bei ihm bestellten Werke” geworden sei.
wobl 1995, 90: Haftung für die Kosten der Errichtung eines Kaufvertrags – Der Vertrag zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Klienten ist Bevollmächtigungsvertrag, dh Auftrag gekoppelt mit Vollmacht. Er ist entgeltlich, es sei denn, Unentgeltlichkeit wurde vereinbart.
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E. Geschäftsführung ohne Auftrag
I. Einordnung und gesetzliche Grundlagen
Der für das Privatrecht zentrale Gedanke der Privatautonomie verlangt, dass für Eingriffe in fremdes Vermögen und überhaupt das Handeln für andere grundsätzlich die Zustimmung Betroffener vorliegen muss; vgl § 1035 ABGB. Die GoA stellt eine mögliche Ausnahme davon dar.
Der gleiche Gedanke spielt bei der Stellvertretung (→ KAPITEL 13: Stellvertretung und Vollmacht) eine wichtige Rolle. Vgl auch § 1311, 3. HalbS ABGB: „ ... oder, sich ohne Not in fremde Geschäfte gemengt”; Haftung für gemischten Zufall → KAPITEL 9: Schadenersatz und Zufall: § 1311 ABGB und → KAPITEL 3: Gemischter Zufall. – Vorsicht des Gesetzgebers ist nötig, weil es sich bei der GoA um eine „heikle” Ausnahme vom Grundsatz der Privatautonomie handelt.
Literaturquelle
Die GoA umfasst als Geschäftsbesorgung iwS einserseits wie der Arbeitsvertrag den tatsächlich-faktischen (Leistungs)Bereich, was auch für den Werkvertrag gilt; andrerseits erfasst die GoA aber auch – wie der Auftrag – den rechtsgeschäftlichen und sonstigen Rechtsbereich. Dazu kommt, dass die Dienste beim Arbeitsvertrag in wirtschaftlich abhängiger Stellung erbracht werden, wobei der freie Dienstvertrag bereits einen Übergang zur Selbständigkeit darstellt. Beim Werkvertrag dagegen erbringt den vereinbarten Erfolg ein selbständiger Unternehmer. Der Auftrag wiederum umfasst beide Bereiche und wird daher sowohl von Beauftragten in unselbständiger (zB Arbeitnehmer) wie selbständiger (zB Rechtsanwalt) Stellung ausgeführt. Die GoA kann sowohl in unselbständiger wie in selbständiger Stellung geleistet werden. Sie umfasst demnach als „rechtliche Klammer” einen sehr großen Teil wirtschaftlicher Dienstleistungen. – Freilich handelt es sich bei der GoA nur um ein aushilfsweise zur Anwendung gelangendes Rechtsinstitut.
Anwendungsbereich
1. Eingangsbeispiele
Beispiel
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2. Die GoA als gesetzliches Schuldverhältnis
§ 859 ABGB zählt als Entstehungsgründe von Schuldverhältnissen, „vermöge welcher eine Person einer anderen zu einer Leistung verbunden ist”, allgemeine folgende Möglichkeiten auf:
• Gesetz,
• Rechtsgeschäft und
• erlittene Beschädigung, also Delikt.
Die erlittene Beschädigung ist ein Unterfall der Entstehung aufgrund des Gesetzes, sodass nach ABGB eigentlich nur zwei Gruppen übrigbleiben: Die auf Rechtsgeschäft beruhenden Schuldverhältnisse, die erneut in einseitige und zwei- und mehrseitige (= Verträge) Rechtsgeschäfte eingeteilt werden (→ KAPITEL 5: Einteilung und Abgrenzung) und die gesetzlichen Schuldverhältnisse.
Die GoA gehört zusammen mit dem Schadenersatzrecht aus Delikt (→ KAPITEL 9: Vertrags- und Deliktshaftung), der ungerechtfertigten Bereicherung / Kondiktionen (→ KAPITEL 5: Ungerechtfertigte Bereicherung), der Gläubigeranfechtung (→ KAPITEL 3: Die Gläubigeranfechtung) und der cic (→ KAPITEL 6: Cic ¿ culpa in contrahendo) zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen.
Gesetzliches Schuldverhältnis
Das heisst nichts anderes, als dass das jeweilige Schuldverhältnis (und seine Rechtsfolgen!) ohne weiteres Zutun der Parteien unmittelbar aufgrund des Gesetzes entsteht. Zwischen den Parteien besteht also kein Vertrag (oder eine sonstige rechtsgeschäftliche Beziehung), und daher auch kein Auftragsverhältnis. § 1035 ABGB erweitert dies noch:
„Wer weder durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag, noch vom Gerichte, noch aus dem Gesetze die Befugnis erhalten hat, [darf der Regel nach sich in das Geschäft eines anderen nicht mengen] ...”.
Beispiel: – SZ 70/113 = JBl 1998, 114: Die Rspr legt den Wortlaut des § 1035 ABGB weit aus und subsumiert auch noch Fälle, bei denen eine gesetzliche Hilfeleistungspflicht besteht (?). – Korrekter wäre es, bei fehlenden speziellen Vorschriften, von einer analogen Anwendung zu sprechen.
In bestimmten Fällen ordnet das Gesetz selbst die Anwendung der GoA-Regeln an; Fälle sog angewandter Geschäftsführung:
Angewandte Geschäftsführung
• § 336 ABGB (unredlicher Besitzer);
§ 336 ABGB: „Hat der unredliche Besitzer einen Aufwand auf die Sache gemacht, so ist dasjenige anzuwenden, was in Rücksicht des von einem Geschäftsführer ohne Auftrag gemachten Aufwandes in dem Hauptstücke von der Bevollmächtigung verordnet ist.”
• § 418 ABGB (Bauführer);
• § 517 ABGB (Fruchtnießer) und
• § 1097 ABGB (Bestandnehmer).
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3. GoA ist nur ausnahmsweise zulässig
Gleich am Beginn der gesetzlichen Regelung der GoA betont § 1035 ABGB, dass man sich ohne Geschäftsführungsbefugnis „der Regel nach [dh: grundsätzlich] ... in das Geschäft eines andern nicht mengen” darf. „Hätte er sich dessen angemaßt; so ist er für alle Folgen verantwortlich.”
Ausnahmsweise gestattet es das Gesetz in gewissen Fällen aber doch, für andere tätig zu werden, wobei dieses Tätigwerden (wie erwähnt):
• sowohl faktische / tatsächliche Handlungen (→ Was wird geschuldet? Dienstvertrag und Werkvertrag), wie
rechtliches und insbesondere rechtsgeschäftliches Tätigwerden (→ Begriff und Abgrenzung) umfassen kann; vgl das eingangs Gesagte.
Ausdrücklich gesetzlich geschieht das bspw in § 1097 ABGB, wo der Bestandnehmer als Geschäftsführer ohne Auftrag betrachtet wird, wenn er – bei Ausbesserungsarbeiten – „auf das Bestandstück einen dem Bestandgeber obliegenden Aufwand (§ 1036 ABGB) oder einen nützlichen Aufwand (§ 1037 ABGB) gemacht hat” → Arten „erlaubter” GoA: Fälle der sog angewandten GoA.
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II. Voraussetzungen und Arten der GoA
GoA liegt demnach vor, wenn jemand ein Geschäft für jemand anderen führt, ohne dass er dazu einen „Auftrag” – genauer: eine Ermächtigung – hat oder sonst dazu berechtigt ist. – Berechtigt ist zB ein bevollmächtigter oder ein gesetzlicher (Stell)Vertreter.
Ein GoA führt also:
GoA setzt voraus
• ein fremdes Geschäft
mit dem Bewusstsein / Willen,
• es im Interesse des Geschäftsherrn zu tun.
Das römische Recht sprach von negotiorum gestio und anschaulich von animus rem alteri gerendi, also dem Geschäftsführungswillen für einen andern.
Der „Geschäftsbegriff” im Rahmen der GoA ist kein rechtsgeschäftstechnischer. Er umfasst vielmehr Rechtsgeschäfte wie Nicht-Rechtsgeschäfte iSv Tathandlungen. „Geschäft” ist hier in einem weiten Sinne von Tätigwerden, Handeln (für einen andern) zu verstehen und nicht iSv Rechtsgeschäft oder gar von Vertrag(sschluss).
Geschäftsbegriff
Ein GoA hat das Geschäft so zu führen, wie es das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen erfordert. Dabei ist (wahrscheinlichen) Intentionen des Geschäftsherrn Rechnung zu tragen, insbesondere wenn die Geschäftsführung mit Kosten verbunden ist, deren Tragung nicht ohne weiteres als im Willen des Geschäftsherrn gelegen erachtet werden kann; JBl 1984, 256: Abschleppen eines beschädigten Kraftfahrzeugs → Arten „erlaubter” GoA
Intentionen des Geschäftsherrn
Das zentrale Problem der GoA liegt darin, ob ein GoA, die Aufwendungen, die er gemacht hat, vom Geschäftsherrn – also dem von seiner Geschäftsführung Betroffenen – ersetzt erhält und ob er – auf der anderen Seite – seinerseits zur Haftung herangezogen, also ersatzpflichtig werden kann, wenn (dem Geschäftsherrn) durch die GoA Schaden entstanden ist.
Aufwendungen und Haftung
Das Gesetz unterscheidet zwischen:
Arten der GoA
erlaubter und
unerlaubter GoA.
1. Unerlaubte oder unechte GoA: § 1040 ABGB
Unerlaubt oder unecht ist nach § 1040 ABGB eine Geschäftsführung dann, wenn sie „gegen den gültig erklärten Willen des Eigentümers sich [ein fremdes] Geschäft anmaßt oder den rechtmäßig Bevollmächtigten durch eine solche Einmengung an der Besorgung des Geschäftes verhindert”.
Ein solcher Geschäftsführer „verantwortet ... nicht nur den hieraus erwachsenen Schaden und entgangenen Gewinn, sondern er verliert auch den gemachten Aufwand, insofern er nicht in Natur zurückgenommen werden kann”; sog Wegnahmerecht: sog ius tollendi. – Man spricht in diesem Fall auch von unnützer oder verbotener Geschäftsführung.
Haftung für Schaden + kein Aufwandersatz
Der unerlaubte oder unechte GoA haftet (wie ein Verwahrer, Entlehner und unredlicher Besitzer) für gemischten Zufall / casus mixtus; vgl § 1311, Satz 2 ABGB:
Haftung für gemischten Zufall
„ ... Hat aber jemand den Zufall durch ein Verschulden veranlasst; ... oder, sich ohne Not in fremde Geschäfte gemengt; so haftet er für allen Nachteil, welcher außer dem nicht erfolgt wäre.”
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1964/292: Keine unerlaubte GoA iSd § 1040 ABGB nimmt der OGH an, wenn der Miteigentümer eines Hauses auch gegen den ausdrücklich erklärten Willen des anderen Hälfteeigentümers eine Sanierung des Hauses gegen den Hausschwamm durchführen lässt (= unbedingt notwendige Erhaltungsarbeit). In der Untersagung der notwendigen Maßnahme durch den anderen Hälfteeigentümer erblickt der OGH einen sittenwidrigen Akt. Vgl auch → Arten „erlaubter” GoA
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2. Arten „erlaubter” GoA
Liegt erlaubte oder echte GoA vor, hat der Geschäftsführer das Geschäft so zu führen, wie es das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen verlangt; vgl § 677 dtBGB.
Die erlaubte oder echte GoA wird wieder unterteilt in:
• GoA im Notfall (§ 1036 ABGB) und
nützliche GoA; § 1037 ABGB.
GoA im Notfall wird auch notwendige GoA genannt und dient „zur Abwendung eines bevorstehenden Schadens” (§ 1036 ABGB). – Hier ordnet das Gesetz an, dass der Geschäftsherr „den notwendigen und zweckmäßig gemachten Aufwand zu ersetzen schuldig” sei. Und zwar selbst dann, „wenngleich die Bemühung ohne Verschulden fruchtlos geblieben ist”; vgl § 403 ABGB: Rettung. – Die Ermächtigung des Geschäftsherrn war vielleicht aus Zeitgründen vorher nicht mehr einzuholen.
GoA im Notfall
Eine GoA bleibt aber nur solange notwendig, als ein unmittelbar bevorstehender Schaden bis zum Zeitpunkt einer möglichen Einholung der Zustimmung des Geschäftsherrn abgewendet wird; SZ 54/176 (1981).
Beispiel
Zur sog nützlichen GoA (§ 1037 ABGB): Dieser Tatbestand kennt zwei Voraussetzungen, nämlich eine objektive und eine subjektive; und zwar
GoA zum Nutzen eines andern
• dass das Geschäft – objektiv – „zu des andern klarem, überwiegendem Vorteil [s. auch § 1038 ABGB] geführt” wurde und dass der GoA
• auch subjektiv, den Vorteil des Geschäftsherrn befördern wollte; vgl § 1038 ABGB.
Rspr und Schrifttum sprechen von einer vernünftigen Bewertung der jeweiligen Situation, wobei die Ver­kehrs­auf­fas­sung (§ 914 ABGB) zu berücksichtigen ist. Soweit Vermögensrechte in Betracht kommen, muss der Geschäftsherr bereichert sein. – Der Beweis des „klaren und überwiegenden Vorteils” obliegt aber dem Geschäftsführer, wobei im Zweifel der Standpunkt des Geschäftsherrn maßgebend ist; EvBl 1980/168: Schulskikurs.
Zur Heranziehung der GoA zum Nutzen eines andern beim Gläubigerverzug → Vertragsfreiheit beim Arbeitsvertrag: Befreiungshandlungen des Schuldners.
Die Rechtsfolge einer nützlichen GoA besteht im Kostenersatz, genauer: Die aufgewendeten Kosten sind zu ersetzen. Aber nur bei Erfolg! Vgl den Unterschied zum Auftrag → Begriff und Abgrenzung
Kostenersatz
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1964/292: Hälfteeigentümer lässt das ganze Haus, das vom Hausschwamm befallen war, sanieren, obwohl der andere Hälfteeigentümer ausdrücklich dagegen war. Der OGH wendet die Regeln der GoA auch zwischen Miteigentümern an, weil ein die Verwaltungsgeschäfte führender Miteigentümer „teils eigene, teils fremde [!] Geschäfte besorgt”. Der OGH verweist allerdings pauschal auf die Regeln der §§ 1035 ff ABGB und sagt nicht welche Art der GoA er hier annimmt. Das ist auch nicht unbedingt nötig, wenn feststeht, dass die GoA erlaubt ist. Hier kann sowohl notwendige, wie nützliche GoA angenommen werden. (Der OGH zieht hier – offenbar unbewusst – einen Größenschluss zu § 1097 ABGB!)
Oder: EvBl 1980/168: Mädchen zieht sich auf Schulschikurs einen komplizierten Beinbruch zu. Arzt legt Operation in seiner Privatklinik nahe, deren Kosten von der Krankenkasse aber nicht bezahlt werden. Da die Eltern des Mädchens auf einem Griechenlandurlaub nicht erreichbar waren, entschieden der Lehrer und das Mädchen. – Der OGH lehnte eine nützliche GoA nach § 1037 ABGB und damit den Honoraranspruch des Klägers (= Arzt) ab. Beklagt war der Vater des Mädchens. – Zur Beweissituation vgl oben.
§ 1037 ABGB gelangt immer wieder zwischen Miteigentümern zur Anwendung; vgl EvBl 1968/39 und SZ 57/167.
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3. Weitere Pflichten des GoA: § 1039 ABGB
Das Gesetz ordnet ferner an, dass:
derjenige, der „ein fremdes Geschäft ohne Auftrag auf sich genommen hat, [es] bis zur Vollendung fortsetzen” muss; sog Fortsetzungspflicht.
Fortsetzungspflicht
Rechtssprechungsbeispiel
MietSlg 29.128 (1977): Hat ein Vierteleigentümer ohne Zustimmung des Mehrheitseigentümers mit Instandsetzungsarbeiten am Gebäude begonnen, die unter die ordentliche Verwaltung fallen (Abschlagen des Verputzes), muss er die begonnene Arbeit auch vollenden.
Den GoA trifft „gleich einem Bevollmächtigten” (vgl § 1012 ABGB) auch die Pflicht, „genau Rechnung” zu legen; Rechnungslegungspflicht.
Rechnungslegungspflicht
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4. Aufwandersatz
Das Gesetz sieht für den GoA nur Aufwandersatz (Barauslagen, inklusive Zinsen) vor, grundsätzlich aber kein /en Entgelt oder Lohnanspruch für die Mühewaltung.
Kein Entgelt
Von diesem Grundsatz werden aber von der Rspr Ausnahmen gemacht:
Ausnahmen
• Einmal der gesetzlich besonders geregelte Fall des Finder- oder Bergelohns (Fund: §§ 388-394 ABGB; Finderlohn: § 391 ABGB + Bergung: § 403 ABGB).
• Wird ein GoA im Rahmen seines Berufs oder Gewerbes tätig, gebührt ihm nach der Rspr auch Entlohnung für Mühewaltung, also ein Entgelt; vgl etwa die Hinweise in EvBl 1968/39 oder SZ 57/167 (1984). – Dieser Rspr-Grundsatz wird auch auf medizinische Hilfeleistungen angewandt.
Beachte
§ 1097 Satz 2, 2. HalbS bestimmt, dass ein als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig gewordener Bestandnehmer seinen Ersatz längstens binnen sechs Monaten nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern muss, sonst ist die Klage erloschen (Präklusionsfrist).
Geltendmachung
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5. Nachträgliche Genehmigung
Wird die GoA nachträglich vom Geschäftsherrn genehmigt – was ausdrücklich, schlüssig oder stillschweigend iSd § 863 ABGB geschehen kann – wird die GoA rückwirkend in einen Auftrag, also eine vertragliche Beziehung, umgewandelt.
Zur Genehmigung / Ratihabition bei der Stellvertretung → KAPITEL 13: Ratihabition.
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6. Zurückbehaltungsrecht
Einem GoA steht zur Sicherung seiner Ansprüche gegen den Geschäftsherrn ein Zurückbehaltungsrecht (§ 471 ABGB → KAPITEL 15: Das Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB) zu. – Die Autowerkstätte muss demnach das abgeschleppte beschädigte Auto nicht herausgeben, bevor die Abschleppkosten entrichtet wurden.
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7. Gefälligkeiten oder GoA?
Das Rechtsinstitut der GoA darf nicht „überzogen” werden: Bloße (kleine) Gefälligkeiten sind noch keine GoA. – Für die Abgrenzung ist § 914 ABGB heranzuziehen: Übung des redlichen Verkehrs / Verkehrssitte.
Das Blumengießen im Eingangsbeispiel (→ Eingangsbeispiele) stellt eine bloße Gefälligkeit dar, nicht dagegen das Bezahlen der Telefon- oder Stromrechnung durch den Nachbarn.


Gesetzliche Schuldverhältnisse
Abbildung 12.46:
Gesetzliche Schuldverhältnisse


GoA (1)
Abbildung 12.47:
GoA (1)


GoA (2)
Abbildung 12.48:
GoA (2)


GoA (3)
Abbildung 12.49:
GoA (3)


GoA (4)
Abbildung 12.50:
GoA (4)


GoA (5)
Abbildung 12.51:
GoA (5)


GoA (6)
Abbildung 12.52:
GoA (6)
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F. Arbeitnehmerhaftung iwS
Da im privat- oder öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnis wurzelnd, werden die schadenersatzrechtlichen Sonderbeziehungen der Dienstnehmerhaftung / D[N]HG → Die Dienstnehmerhaftung, Amtshaftung / AHG → Die Amtshaftung – AHG 1948, und Organhaftung / OrgHG → Die Organhaftung – OrgHG 1967 als Exkurs im Anschluss an den Arbeits- oder Dienstvertrag dargestellt. Für Arbeitnehmer, die als Organe eines hoheitlich-öffentlichrechtlichen Rechtsträgers diesem Schaden zufügen gilt nämlich nicht das D(N)HG, sondern das AHG und OrgHG, je nachdem, ob ein Dritter (AHG) geschädigt wird oder nur der Rechtsträger selbst (OrgHG).
Zusätzlich werden hier auch die das allgemeine Schadenersatzrecht innerbetrieblich modifizierenden Regeln der §§ 332 ff ASVG mit den Haftungs(beziehungs)ebenen: Arbeitnehmer – Arbeitgeber sowie von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zum Sozialversicherungsträger (eingeschlossen die sog Arbeitskollegenhaftung: Arbeitnehmer <-> Arbeitnehmer) behandelt, weil die haftungsrechtliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von größter praktischer Bedeutung, aber wenig bekannt ist und zudem exemplarisch von der ABGB-Lösung abweicht; Arbeitsunfälle. Dabei wird auch kurz auf die nicht nur historisch interessante gesetzliche Unfallversicherung eingegangen.
§§ 332 ff ASVG
Die quantitative Bedeutung dieses Problemkreises ist, wie die folgenden Zahlen verdeutlichen, groß. So ereigneten sich bspw in Österreich im Jahre 1998 128.244 Arbeitsunfälle ieS, 1458 Berufskrankheiten, 12.828 Wegunfälle und 53.011 Schüler- und Studierendenunfälle.
In all diesen Fällen handelt es sich um Sonderhaftungsrecht, also um Abweichungen vom allgemeinen Schadenersatzrecht des ABGB; vgl das Pkt F vorangestellte Motto, aus den ErlBem zum D(N)HG 1965. – Zur Entwicklung dieses betrieblichen Sonderhaftungsrechts von der Industriellen Revolution bis in die Gegenwart: Barta, Kausalität im Sozialrecht (1983).
Sonderhaftungsrecht
I. Die Dienstnehmerhaftung
Literaturquelle
Österreich besitzt mit dem D(N)HG 1965 – wie die Schweiz mit Art 321e OR – für die vom allgemeinen Schadenersatzrecht abweichende Arbeitnehmerhaftung eine gesetzliche Grundlage. In Deutschland hat die Rspr durch Richterrecht haftungsrechtliche Sonderregeln geschaffen.
D(N)HG 1965
Nötig waren diese Sonderregeln, weil die Anwendung des allgemeinen Schadenersatzrechts zu ungerechten Lösungen und Härten führte, die der Schadensgeneigtheit vieler Arbeitnehmertätigkeiten nicht mehr gerecht wurde. Vgl das diesem Pkt vorangestellte Motto.
Der tiefere Grund für die geschaffenen Schadensverlagerungsmöglichkeiten zugunsten von Arbeitnehmern liegt darin, dass der jeweilige Arbeitgeber dadurch nicht mehr beliebig betriebliche Schadensrisiken auf seine Arbeitnehmer abwälzen kann, wo er sich doch in vielen Fällen durch den Abschluss einer Versicherung absichern kann; bspw Kasko-, Betriebsunterbrechungs-, Transport- und diverse Haftpflichtversicherungen. Wer die Vorteile aus einem Betrieb / Unternehmen zieht (Gewinn), hat auch damit zusammenhängende Verluste zu tragen und sollte diese nicht vollständig auf seine Arbeitnehmer übertragen können: Guter Tropfen – böser Tropfen.
Schadensverlagerung


Arbeitnehmerhaftung: „direkte” Schädigung des Arbeitgebers
Abbildung 12.53:
Arbeitnehmerhaftung: „direkte” Schädigung des Arbeitgebers
1. Arbeitnehmer schädigt Arbeitgeber
Auf Schadenersatzansprüche privater Dienstgeber gegen ihre Dienstnehmer findet das D(N)HG Anwendung:
Ein Arbeitnehmer kann seinen Arbeitgeber auf verschiedene Weise schädigen; etwa dadurch, dass er Maschinen, Apparate oder Werkzeug unsorgfältig behandelt, wodurch der Arbeitgeber unmittelbar / direkt geschädigt wird. Aber auch dadurch, dass er einer Kundschaft (seines Arbeitgebers) Schaden zufügt, was eine mittelbare / indirekte Schädigung des Arbeitgebers darstellt; zB Kundschaft erleidet durch schlampiges Autoservice Unfall und verlangt den Schaden vom Arbeitgeber als (Werk)Vertragspartner ersetzt.
Unmittelbare oder mittelbare Schädigung des AG
Der Arbeitgeber kann in beiden Fällen vom Arbeitnehmer seinen Schaden unter den Voraussetzungen des D(N)HG ersetzt verlangen; im zweiten Fall idR durch Regress / Rückgriff beim Arbeitnehmer, wobei auch dieser Regressanspruch zB gemäßigt werden kann → Schadensmäßigung
Regress
Die Beschränkung der Schadenshaftung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wirkt sich nicht auf vom Dienstnehmer geschädigte Dritte aus, die außerhalb des Dienstverhältnisses stehen. Dritte behalten vielmehr ihren vollen Schadenersatzanspruch auch dann, wenn das D(N)HG zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer haftungsmindernd oder haftungsausschließend wirkt.
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2. Schadensmäßigung
Um Arbeitnehmer finanziell nicht zu überfordern, kann das Gericht aus Gründen der Sachgerechtheit der Schadenstragung und der Billigkeit, die Ersatzansprüche des Arbeitgebers gegen seinen Arbeitnehmer mäßigen.
Nach § 2 D(N)HG können Schäden, die von Dienstnehmern:
§ 2 D(N)HG
leicht fahrlässig zugefügt wurden, teilweise oder ganz erlassen werden;
grob fahrlässig zugefügte Schäden können vom Richter nur gemäßigt werden;
• für vorsätzlich herbeigeführte Schäden (zB Sabotage) haften Arbeitnehmer voll.
Auch der vorsichtigste Arbeitnehmer (zB ein Fernfahrer) begeht einmal einen kleinen Fehler, der größere finanzielle Auswirkungen haben kann. Müsste er den ganzen Schaden selber tragen, wäre das für ihn ruinös; daher kein vollständiges Überbürden des Unternehmerrisikos auf Arbeitnehmer. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verlangt in solchen Fällen überdies, angemessene Versicherungen abzuschließen! – Was ist grobe Fahrlässigkeit ? Sie wird von der Rspr dann angenommen, wenn ein Arbeitnehmer die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlicher und auffallender Weise vernachlässigt hat und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich vorhersehbar war. – Als grob fahrlässig anzusehen wäre es, wenn der Kassier eines Supermarktes den Kassaschlüssel an der Kassa stecken lässt und sich (länger) entfernt. Ein allfälliger Fehlbetrag in der Kassa (Kassenmanko) könnte in diesem Fall allenfalls gemäßigt, nicht völlig erlassen werden.
Kein vollständiges Überbürden des Unternehmerrisikos


Arbeitnehmerhaftung: „indirekte” Schädigung des AG
Abbildung 12.54:
Arbeitnehmerhaftung: „indirekte” Schädigung des AG
Rechtssprechungsbeispiel
ZVR 1998/4 (§ 6 DHG): Das am Ende eines Arbeitstages erfolgende unaufmerksame Überfahren einer ungeregelten Kreuzung im Ortsgebiet mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h kann nicht als grobe Fahrlässigkeit eines Dienstnehmers gewertet werden, sondern stellt nur einen minderen Grad des Versehens dar. Ein Schadenersatzanspruch erlischt daher, wenn er nicht innerhalb von 6 Monaten gerichtlich geltende gemacht wird.
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3. Entschuldbare Fehlleistungen
Nach dem D(N)HG wird für entschuldbare Fehlleistungen (§ 2 Abs 3) überhaupt nicht mehr gehaftet; zB: Kellner/in lässt einmal einen Teller fallen, Lehrbub Werkzeug. – Die Rspr nimmt eine „entschuldbare Fehlleistung” an, wenn der Eintritt eines Schadens entweder überhaupt nicht oder nur bei außerordentlicher Aufmerksamkeit und Fleiß voraussehbar und daher vermeidbar gewesen wäre.
Beachte
Beispiel
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4. Regress zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer
§ 3 D(N)HG: Schadeneersatzrechtliches Heranziehen von Dienstnehmer durch Dritte; Regress. – Ersetzt der Dienstnehmer einem Dritten dessen Schaden im Einverständnis mit dem Dienstgeber oder auf Grund eines gefällten Urteils, steht ihm gegen den Dienstgeber ein Rückforderungsanspruch zu, wenn der Dienstgeber dem Dritten ersatzpflichtig gewesen wäre; zB nach § 1313a ABGB. Das Verlangen des Dienstnehmers muss zudem der Billigkeit entsprechen.
Heranziehen von Dienstnehmern durch Dritte
Beachte
Nach § 3 D(N)HG hat der Dienstnehmer dem Dienstgeber den Streit zu verkündigen, wenn er vom Dritten gerichtlich in Anspruch genommen wird. Wird dies unterlassen, bleiben dem Dienstgeber die nicht ausgeführten Einwendungen gegen den Dienstnehmer erhalten.
Streitverkündung


§ 3 DHG: Leistung des Dienstnehmers an Dritte
Abbildung 12.55:
§ 3 DHG: Leistung des Dienstnehmers an Dritte
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5. Aufrechnung?
Darf ein Dienstgeber seinen (vermeintlichen) Schadenersatzanspruch gegen seinen Dienstnehmer von dessen Gehalt abziehen, also aufrechnen? – § 7 Abs 1 D(N)HG bestimmt, dass eine Aufrechnung (→ KAPITEL 15: Aufrechnung / Kompensation) bei aufrechtem Dienstverhältnis nur zulässig ist, wenn der Dienstnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen (ab Zugehen der Aufrechnungserklärung) widerspricht; anders bei Aufrechnung auf Grund eines rechtskräftigen Urteils; § 7 Abs 2 D(N)HG. – Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterliegt die Aufrechnung von Schadenersatzansprüchen keinen besonderen Beschränkungen mehr; Umkehrschluss aus § 7 Abs 1 DHG.
Aufrechnung nicht ohne weiteres zulässig
Die Aufrechnungsmöglichkeit des Arbeitgebers spielt in der Praxis etwa bei Kassenmankos eine Rolle. Immer weniger Arbeitgeber gewähren ein gewisses Mankogeld, was nicht sachgerecht erscheint, zumal der Einfluss von Arbeitnehmern teilweise gering ist oder gar nicht gegeben erscheint; zB Scannerkasse.
Mankogeld
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II. Die Amtshaftung – AHG 1948
Literaturquelle
1. Haftung des Staates für seine Organe
Fügt ein staatliches Organ jemandem (einem Dritten) Schaden zu, so haftet der Staat (in seiner jeweiligen Erscheinungsform als Bund, Land oder Gemeinde etc) als Rechtsträger nach den Regeln des AHG, wenn die Schädigung „in Vollziehung der Gesetze”, dh in Ausübung öffentlichrechtlicher Funktionen, also ausgestattet mit Hoheitsgewalt / Imperium, geschehen ist.
Haftung gegen den wildgewordenen Amtsschimmel: F. Gschnitzer
Amtshaftung besteht für Verwaltungsbehörden (zB Polizei), Gerichte, sonstige Ämter und Behörden, aber etwa auch sog beliehene Unternehmer, die als Private hoheitliche Aufgaben erfüllen; vgl SZ 71/7 (1998): Formungültiges gerichtliches Testament. Amtshaftung ist also die Haftung staatlicher Rechtsträger / Hoheitsträger, sei es von Bund, Ländern, Bezirken, Gemeinden oder sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für jenen Schaden, den die jeweils als Organe handelnden Personen:
Hoheitsträger haften …
in Vollziehung der Gesetze,
• durch ein rechtswidriges Verhalten,
• wem immer schuldhaft zufügen; Art 23 B-VG.
Das schädigende Organ selbst haftet dem Geschädigten nicht; beachte den Unterschied zum D(N)HG. Der Geschädigte hat sich vielmehr ausschliesslich an den Rechtsträger zu halten.
Keine Haftung des Organs
Hat der Rechtsträger aber dem Geschädigten den Schaden ersetzt, kann er selbst nach § 3 Abs 1 AHG von den Personen, die als seine Organe gehandelt und die Rechtsverletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig verübt und verursacht haben, Rückersatz / Regress begehren.
Trägerregress
Der Bereich leichter Fahrlässigkeit ist danach vom Regress ausgenommen.
Eine Amtshaftung der genannten Rechtsträger kommt nur für den Bereich der Hoheitsverwaltung, also den des öffentlichen Rechts in Frage, nicht für den Bereich des Privatrechts; daher nach hA keine Anwendung des AHG im Bereich der sog Privatwirtschaftsverwaltung des Staates → KAPITEL 1: Die sog Privatwirtschaftsverwaltung.
Hoheitsverwaltung
Mit „in Vollziehung der Gesetze” ist gemeint, dass der Rechtsträger eine hoheitliche Tätigkeit, also eine solche mit Befehls- und Zwangsgewalt ausübt. Das trifft zu auf Gerichte und Verwaltungsbehörden, aber auch öffentlich beliehene private Unternehmer /Organe wie ein Abbruchunternehmen bei Ersatzvornahme aufgrund eines baubehördlichen Bescheids, Fischereiaufsichtsorgane, Jagdaufseher etc. – Auch beliehene Organe treten „hoheitlich” auf.
„in Vollziehung der Gesetze”
Rechtssprechungsbeispiel
Rspr-Beispiele für sog beliehene Unternehmer:
JBl 1991, 180: Automobilclub führt Kfz-Überprüfungen nach § 57a KFG durch.
SZ 68/220 (1995): Schwertransportbegleitung.
OGH 27. 3. 2001, 1 Ob 25/01k, EvBl 2001/159: Versicherung deckt Explosionsschaden eines Dampfspeichers in einer Styroporfabrik ab und klagt Bund (nach AHG) und den für die Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen beliehenen Unternehmer ( § 1299 ABGB) auf Schadenersatz wegen Verletzung von Prüfpflichten nach dem KesselG. – OGH: Unterhält ein Geschädigter mit einem als juristischen Person des Privatrechts organisierten beliehenen Unternehmen vertragliche Beziehungen, die von diesem vorzunehmende hoheitliche Tätigkeiten zum Gegenstand haben (hier: Werkvertrag über regelmäßige Überprüfung der Dampfkessel), kann er sowohl den Rechtsträger im Wege der Amtshaftung, als auch den Vertragspartner wegen Vertragsverletzung in Anspruch nehmen.
§ 1 AHG
(1) Der Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Träger der Sozialversicherung – im folgenden Rechtsträger genannt – haften nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben; dem Geschädigten haftet das Organ nicht. Der Schaden ist nur in Geld zu ersetzen.
(2) Organe im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle physischen Personen, wenn sie in Vollziehung der Gesetze (Gerichtsbarkeit oder Verwaltung) handeln, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt sind, ob sie gewählte, ernannte oder sonstwie bestellte Organe sind und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist.”
Danach können keine Amtshaftungsansprüche aus Akten der Gesetzgebung abgeleitet werden!


Amtshaftung: 3-Personen-Verhältnis
Abbildung 12.56:
Amtshaftung: 3-Personen-Verhältnis
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2. Gesetzliche Voraussetzungen
Die Anwendung des AHG setzt also voraus, dass das Organ eines Rechtsträgers ”hoheitlich” (= „in Vollziehung der Gesetze”) aufgetreten ist und dabei ”rechtswidrig” und „schuldhaft” gehandelt hat, wodurch einer (dritten) Person – die sich zB an diese Behörde gewandt hatte, um ihre Angelegenheit / Ansprüche geltend zu machen – Schaden entstanden ist. – Zugespitzt ließe sich formulieren: Ein Rechtsträger des öffentlichen Rechts haftet nach den Vorschriften des Privatrechts, wenn er hoheitlich auftritt und dabei einem Privatrechtssubjekt Schaden zufügt.
Der Ersatzanspruch besteht aber nicht, wenn der Geschädigte den Schaden durch ein Rechtsmittel oder durch eine Beschwerde an den VwGH hätte abwenden können, was vom Gericht auch ohne Einwendung des Beklagten (also amtswegig) zu prüfen ist. – Ein offenkundig aussichtsloses Rechtsmittel muss aber zur Wahrung des Amtshaftungsanspruchs nicht erhoben werden; SZ 71/7 (1998): Formungültiges Testamtent einer unter Sachwalterschaft stehenden Altenheimbewohnerin → Rspr-Beispiele: Beispiele.
Rechtsmittel
Es wurde schon ausgeführt, dass das schädigende Organ dem Geschädigten nicht persönlich haftet. Darin liegt ein wichtiger Schutz des handelnden Organs, aber auch für Geschädigte bedeutet dies einen Vorteil. – Ein Geschädigter hat sich nämlich an den Rechtsträger zu halten. Dafür bestimmt § 8 Abs 1 AHG folgendes (sog Aufforderungsverfahren):
Aufforderungsverfahren
„Der Geschädigte soll den Rechtsträger, gegen den er den Ersatzanspruch geltend machen will, zunächst schriftlich auffordern [Finanzprokuratur], ihm binnen einer Frist von drei Monaten eine Erklärung zukommen zu lassen, ob er den Ersatzanspruch anerkennt oder den Ersatz ganz oder zum Teil ablehnt.”
Zuständig für eine allenfalls in der Folge erhobene Klage ist das Landesgericht in dessen Sprengel der Schaden zugefügt wurde.
Zu den allgemeinen Schadenersatzanspruchsvoraussetzungen → KAPITEL 9: Die Schadenersatzvoraussetzungen. – Zur Amtshaftung vgl auch → Die Amtshaftung – AHG 1948
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3. Sonderregelungen
Einen Spezialfall der Amts- oder Staatshaftung regelt das Strafrechtliche EntschädigungsG/ StEG 1969, BGBl 270. Danach hat der Bund eine Entschädigung zu leisten, wenn jemandem durch eine gesetzwidrige, strafgerichtliche Anhaltung oder Verurteilung vermögensrechtliche Nachteile (Schaden) entstanden sind; sog Haftentschädigungen.
StEG 1969
Eine weitere Sonderregelung enthält das Polizeibefugnis-EntschädigungsG / PolBEG 1988, BGBl 735. Danach haftet der Bund für Schäden, die von einem Organ der öffentlichen Sicherheitsdienste bei der Ausübung von Zwangsbefugnissen unmittelbar verursacht worden sind.
PolBEG 1988
Beispiel
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4. Rspr-Beispiele
Rechtssprechungsbeispiel
Discolärm: Die Republik in Anspruch zu nehmen, beabsichtigt ein Hotel im Zentrum von Wien, weil durch den Betriebslärm einer nahegelegenen Diskothek die Gäste ausbleiben. Obwohl sich die Hotelbesitzer weder gegen die Konzessionserteilung noch gegen den Betriebsanlagengenehmigungsbescheid gewehrt hatten, stehen ihre Aussichten gar nicht schlecht. Seit 1992 muss die Behörde auch bei bereits genehmigten Betriebsanlagen zusätzliche oder andere Auflagen erteilen, wenn sich herausstellt, dass durch die ursprünglich vorgeschriebenen Auflagen die Nachbarn nicht ausreichend geschützt sind. Unterlässt dies die Behörde, besteht grundsätzlich ein Amtshaftungsanspruch gegen die Republik Österreich. Mit dem Urteil 1 Ob 107/97 k vom 28.4.1998 hat der OGH deshalb die Rechtssache an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen. (Aus: Der Standard, 21.7.1998, Seite 22)
ZVR 1998/10: Amtshaftung – Schutzpflicht gegenüber Häftlingen: Ergreift das Wachpersonal trotz des randalierenden Verhaltens und weiterer Drohungen keine Sicherheitsmaßnahmen, so wird die gehörige Sorgfalt zum Schutz von Mithäftlingen außer Acht gelassen und diesen steht im Fall ihrer Verletzung oder bei Sachschäden ein Amtshaftungsanspruch zu.
JBl 1999, 325: Amtshaftung wegen Entweichenlassens eines gefährlichen Geisteskranken aus einer psychiatrischen Klinik. Zum UbG → KAPITEL 4: Das Unterbringungsgesetz 1990 .
JBl 2000, 179: Kein Unterlassungsanspruch gegen eine staatliche Sektenwarnung (Sri Chinmoy-Bewegung) – Eine staatliche Tätigkeit wie die Information der Öffentlichkeit vor bestimmten „Sekten” ist ein Realakt, der in einem engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der Pflicht des Staates zum Schutz der persönlichen Freiheit seiner Bürger steht. Eine solche Tätgikeit liegt im öffentlichen Interesse und ist als hoheitlich zu qualifizieren. – Es kommen die Bestimmungen des AHG zur Anwendung, die aber Unterlassungs- und Widerrufsansprüche sowohl gegen das Organ als auch den Rechtsträger [selbst bei Rechtswidrigkewit der Maßnahme angeblich!] ausschließen. Die damit verbundene Rechtsschutzlücke (?) entzieht sich [angeblich?!] einer Schließung durch die Rspr-Organe (Anm Kalb).
Literaturquelle
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 71/7 (1998): Ein die Amtshaftung auslösendes Organverschulden liegt vor, wenn der Richter bei mündlicher, gerichtlicher Testamentserrichtung einer unter Sachwalterschaft stehenden Person höchstrichterliche veröffentlichte Rspr nicht beachtet, sodass das Testament wegen eines Formfehlers ungültig ist.
OGH 22. 2. 2000, 1 Ob 14/00s, SZ 73/34: Die Kläger erwarben eine Liegenschaft in Kärnten, zu deren Gutsbestand eine Baufläche mit Haus gehörte; dieses befand sich innerhalb der „roten Zone” des Gefahrenzonenplans, die für Siedlungszwecke ungeeignet ist. Dies war jedoch im Flächenwidmungsplan der beklagten Gemeinde nicht ersichtlich gemacht. Auch der Gemeindesekretär erklärte dem Käufer auf dessen Rückfrage, es liege „alles in der ‚gelben Zone’” und es seien keine „Auflagen zu befürchten”. Als sich der tatsächliche Sachverhalt herausstellt, klagt der Käufer die Gemeinde auf Schadenersatz. – OGH: Behördliche Auskünfte bezwecken den Schutz wirtschaftlicher Dispositionen des Auskunftswerbers; dieser hat daher ein subjektives öffentliches Recht auf Erteilung einer der Sache nach richtigen Auskunft. Bezieht sich die Auskunft auf eine hoheitlich zu vollziehende Verwaltungsmaterie, ist auch der Realakt der Auskunft selbst eine Maßnahme hoheitlicher Verwaltung; daher Anwendbarkeit des AHG.
OGH 6. 10. 2000, 1 Ob 12/00x, SZ 73/150 = JBl 2001, 322 = EvBl 2001/51: Deutscher will in Österreich Handelsagentur betreiben und kauft dazu ein Haus am Achensee. Die BH Schwaz erteilt die grundverkehrsgesetzlich notwendige Zustimmung nicht und verstieß damit gegen EU-Recht. Erst die Landes-Grundverkehrsbehörde gab dem Deutschen Recht. Er klagt das Land Tirol auf Ersatz der Vertretungskoten im Verfahren vor der Grundverkehrsbehörde. – OGH: Ein Amtshaftungsanspruch kann auch dann entstehen, wenn ein Organ eines Rechtsträgers in Österreich unmittelbar anzuwendendes Gemeinschaftsrecht vorwerfbar nicht oder nicht richtig anwendet. Die zum Schadenersatz führende Vorwerfbarkeit kann dabei auch in der Nichtbeachtung der ständigen Rspr des EuGH liegen.


Amtshaftungsgesetz – Beispiele
Abbildung 12.57:
Amtshaftungsgesetz – Beispiele
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III. Die Organhaftung – OrgHG 1967
Am Beginn dieses Exkurses wurde darauf hingewiesen, dass das D(N)HG 1965 dann nicht gilt, wenn Arbeitnehmer als Organe eines hoheitlichen / öffentlichrechtlichen Rechtsträgers Schaden zufügen. – Das OrgHG gelangt gerade in jenen Fällen zur Anwendung, wenn ein Organ seinen Rechtsträger „unmittelbar” schädigt, ohne dass davon eine dritte Person betroffen ist; sonst greift ja das AHG! Während D(N)HG und AHG beide Schadensdimensionen (wenngleich mit unterschiedlichen Rechtsfolgen) umfassen, nämlich die Ebenen: Arbeitgeber – Arbeitnehmer + Arbeitnehmer – Dritter, behandelt das OrgHG nur den ersten Bereich. Inhaltlich sind alle drei Gesetze mittlerweile „harmonisiert”; vgl § 3 Abs 1 OrgHG mit § 2 D(N)HG.


Organhaftung: DN-Haftung der Beamten
Abbildung 12.58:
Organhaftung: DN-Haftung der Beamten
§ 1 OrgHG
(1) Personen, die als Organe des Bundes ...handeln, haften ... für den Schaden am Vermögen, den sie dem Rechtsträger, als dessen Organ sie gehandelt haben, in Vollziehung der Gesetze durch ein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten unmittelbar zugefügt haben. Der Schaden ist nur in Geld zu ersetzen.”
(2) Organe sind alle physischen Personen, wenn sie in Vollziehung der Gesetze (Gerichtsbarkeit oder Verwaltung) handeln, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt sind, ob sie gewählte, ernannte oder sonstwie bestellte Organe und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist.” – Wie im AHG!
§ 2 OrgHG
(1) Ein Ersatzanspruch ...besteht nicht, wenn der Rechtsträger den Schaden durch Rechtsmittel oder durch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof oder durch sonst eine gesetzlich begründete Maßnahme hätte abwenden können.”
(2) Von einem Organ kann kein Ersatz wegen einer Handlung begehrt werden, die auf einer entschuldbaren Fehlleistung beruht oder auf Weisung (Auftrag, Befehl) eines Vorgesetzten erfolgt ist, es sei denn, das Organ hätte die Weisung eines offenbar unzuständigen Vorgesetzen befolgt oder in Befolgung dieser Weisung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen.”
§ 3 Abs 1 OrgHG
Beruht die Schädigung, ... auf einem Versehen, so kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit den Ersatz mäßigen oder, sofern der Schaden durch einen minderen Grad des Versehens zugefügt worden ist, auch ganz erlassen.”
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IV. Schadenersatz und Sozialversicherung: Der Arbeitsunfall
Vgl das eingangs zur „Arbeitnehmerhaftung iwS“ Gesagte. – Der enge Zusammenhang der in der Folge geschilderten – vom „Normalfall” abweichenden – Haftungsnormen mit dem Arbeitsverhältnis, macht es vertretbar, diese Rechtsbeziehungen nicht wie üblich im Schadenersatzrecht, sondern im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag darzustellen. – Die Haftungsbeziehung: Arbeitgeber–Arbeitnehmer ist zudem eminent wichtig für die Praxis.
Beispiel


Die österreichische Sozialversicherung
Abbildung 12.59:
Die österreichische Sozialversicherung
1. Kein direkter Ersatzanspruch von Arbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen
Die angesprochene Sonder(haftungs)regelung des ASV bewirkt vor allem den Ausschluss (direkter) Schadenersatzansprüche von Arbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber, wodurch dem Betriebsfrieden gedient werden soll. Nur bei vorsätzlicher Schadenszufügung durch den Arbeitgeber verbleibt es bei der direkten Haftung des Arbeitgebers → Das Arbeitgeberhaftungsprivileg – Der Übergang des Ersatzanspruchs des Arbeitnehmers (gegen seinen Arbeitgeber) auf den Sozialversicherungsträger mittels Legalzession bedeutet für Arbeitnehmer in Bezug auf die Anspruchsdurchsetzungsmöglichkeit eine erhöhte Sicherheit, denn vom Sozialversicherungsträger erlangt er mit Gewissheit Entschädigung, während zB der Arbeitgeber insolvent werden kann. Die Regelung stellt historische Erfahrungen in Rechnung! – Vgl aber auf der anderen Seite den weitgehenden Verlust von Schmerzengeldansprüchen → Kein Schmerzengeld
Legalzession
Von großer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist der Begriff des Arbeitsunfalls, der deshalb kurz behandelt wird.
Begriff des Arbeitsunfalls
Legaldefinition des Arbeitsunfalls: Arbeitsunfälle sind nach § 175 Abs 1 ASVG „Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und [!] ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen”.
Legaldefinition
Die Kausalitätsprüfung ist hier alleiniges (Schadens)Zurechnungskorrektiv. Es gelangt die sog Theorie der wesentlichen Bedingung (ThdwB) zur Anwendung → KAPITEL 9: Die Theorie der wesentlichen Bedingung/ThdwB.
Literaturquelle
Ein Unfall ist ein „zeitlich begrenztes (von außen einwirkendes) Ereignis, das zu einer Körperschädigung führt”; Rspr. Diese Definition dient der Abgrenzung zur Krankheit, andrerseits werden aber die Berufskrankheiten kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung miteinbezogen.
Unfallbegriff
Um die Vielfalt des Arbeitslebens legistisch einzufangen, kam es zu dieser kasuistischen Ausweitung des gesetzlichen UV-Schutzes über die Generalklausel des Abs 1 des § 175 ASVG hinaus. Das war auch deshalb nötig und ist nicht zu tadeln, weil damit die Rspr unterstützt und größere Rechtssicherheit geschaffen wird.
§ 175 ASVG
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen.
(2) Arbeitsunfälle sind auch Unfälle, die sich ereignen:
1. auf einem mit der Beschäftigung nach Abs. 1 zusammenhängenden Weg zur oder von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte [sog Wegunfälle ]; hat der Versicherte wegen der Entfernung seines ständigen Aufenthaltsortes von der Arbeits(Ausbildungs)stätte auf dieser oder in ihrer Nähe eine Unterkunft, so wird die Versicherung des Weges von oder nach dem ständigen Aufenthaltsort nicht ausgeschlossen;
2. auf einem Weg von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte oder der Wohnung zu einer Untersuchungs- oder Behandlungsstelle (wie freiberuflich tätiger Arzt, Ambulatorium, Krankenanstalt) zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe (§ 135), Zahnbehandlung (§ 153) oder der Durchführung einer Vorsorge(Gesunden)untersuchung (§ 132b) und anschließend auf dem Weg zurück zur Arbeits(Ausbildungs)stätte oder zur Wohnung, sofern dem Dienstgeber oder einer sonst zur Entgegennahme von solchen Mitteilungen befugten Person der Arztbesuch vor Antritt des Weges bekanntgegeben wurde, ferner auf dem Weg von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte oder von der Wohnung zu einer Untersuchungsstelle, wenn sich der Versicherte der Untersuchung auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift oder einer Anordnung des Versicherungsträgers oder des Dienstgebers unterziehen muss und anschließend auf dem Weg zurück zur Arbeits(Ausbildungs)stätte oder zur Wohnung; …
3. bei häuslichen oder anderen Tätigkeiten, zu denen der Versicherte durch den Dienstgeber oder dessen Beauftragten herangezogen wird;
4. bei häuslichen und anderen Tätigkeiten des Versicherten im Zusammenhang mit der Gewinnung und Verarbeitung von Produkten, die ihm vom Dienstgeber als Sachbezüge gewährt werden; …
5. bei einer mit der Beschäftigung zusammenhängenden Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung und Erneuerung des Arbeitsgerätes, auch wenn dieses vom Versicherten beigestellt wird; …
6. bei einer mit der Beschäftigung zusammenhängenden Inanspruchnahme von gesetzlichen beruflichen Vertretungen oder Berufsvereinigungen; …
7. auf einem Weg von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte, den der Versicherte zurücklegt, um während der Arbeitszeit, einschließlich der in der Arbeitszeit liegenden gesetzlichen sowie kollektivvertraglich oder betrieblich vereinbarten Arbeitspausen, in der Nähe der Arbeits- oder Ausbildungsstätte oder in seiner Wohnung lebenswichtige persönliche Bedürfnisse zu befriedigen, anschließend auf dem Weg zurück zur Arbeits- oder Ausbildungsstätte sowie bei dieser Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse, soferne sie in der Nähe der Arbeits- oder Ausbildungsstätte, jedoch außerhalb der Wohnung des Versicherten erfolgt; …
8. auf einem mit der unbaren Überweisung des Entgelts zusammenhängenden Weg von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte oder der Wohnung zu einem Geldinstitut zum Zweck der Behebung des Entgelts und anschließend auf dem Weg zurück zur Arbeits- oder Ausbildungsstätte oder zur Wohnung; …
9. auf einem Weg zur oder von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte, der im Rahmen einer Fahrgemeinschaft von Betriebsangehörigen oder Versicherten zurückgelegt worden ist, die sich auf einem in der Z 1 genannten Weg befinden; …
10. auf einem Weg eines (einer) Versicherten zur oder von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte (Z 1) zu einem Kindergarten (Kindertagesstätte, fremde Obhut) oder zu einer Schule, um das Kind (§ 252 Abs. 1) oder den Schüler (die Schülerin) (§ 8 Abs. 1 Z 3 lit. h) eines (einer) Versicherten dorthin zu bringen oder von dort abzuholen, wenn dem (der) Versicherten die gesetzliche Aufsicht obliegt. …
(3) In einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gelten als Arbeitsunfälle auch Unfälle, die sich ereignen:
1. bei der Arbeit im Haushalt des Betriebsinhabers oder der Dienstnehmer, wenn der Haushalt dem Betrieb wesentlich dient;
2. bei der Arbeit in der Land- oder Forstwirtschaft und im Haushalt der ständig im Betrieb beschäftigten Dienstnehmer, die als Entgelt vom Betriebsinhaber Grundstücke oder sonstige Betriebsmittel zur eigenen land(forst)wirtschaftlichen Erzeugung erhalten und aus dieser Erzeugung einen wesentlichen Teil ihres Unterhaltes bestreiten;
3. Aufgehoben. …
4. bei Arbeiten, die im Zusammenhang mit der Errichtung, dem Umbau und der Reparatur von Gebäuden, die dem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb dienen, verrichtet werden, sowie bei Arbeiten im Rahmen der Nachbarschaftshilfe für einen anderen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb. …
(4) In der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. h und i sind Arbeitsunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Schul(Universitäts)ausbildung ereignen. Abs. 2 Z 1, 2, 5, 6, 7 und 9 sowie Abs. 6 sind entsprechend anzuwenden. …
(5) In der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. h und i gelten als Arbeitsunfälle auch Unfälle, die sich ereignen:
1. bei der Teilnahme an Schulveranstaltungen im Sinne der §§ 1 und 2 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst, BGBl. Nr. 369/1974, an gleichartigen Schulveranstaltungen an anderen vom Geltungsbereich der zitierten Verordnung nicht erfassten Schularten sowie an schulbezogenen Veranstaltungen gemäß § 13a des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/1986; …
2. bei der Ausübung einer im Rahmen des Lehrplanes bzw. der Studienordnung vorgeschriebenen oder üblichen praktischen Tätigkeit. …
(6) Verbotswidriges Handeln schließt die Annahme eines Arbeitsunfalles nicht aus. …


Schadenersatz und Sozialversicherung
Abbildung 12.60:
Schadenersatz und Sozialversicherung


1. Legalzession
Abbildung 12.61:
1. Legalzession


2. Arbeitgeber-Privileg
Abbildung 12.62:
2. Arbeitgeber-Privileg


3. Arbeitgeber-Privileg
Abbildung 12.63:
3. Arbeitgeber-Privileg


4. Integritätsabgeltung
Abbildung 12.64:
4. Integritätsabgeltung


5. Integritätsabgeltung
Abbildung 12.65:
5. Integritätsabgeltung


6. Sozialversicherungsträger-Regreß
Abbildung 12.66:
6. Sozialversicherungsträger-Regreß


7. Arbeitskollegenhaftung/1
Abbildung 12.67:
7. Arbeitskollegenhaftung/1


8. Arbeitskollegenhaftung/2
Abbildung 12.68:
8. Arbeitskollegenhaftung/2


9. Einfache Beispiele
Abbildung 12.69:
9. Einfache Beispiele


10. Die gesetzliche Unfallversicherung/1
Abbildung 12.70:
10. Die gesetzliche Unfallversicherung/1


11. Die gesetzliche Unfallversicherung/2
Abbildung 12.71:
11. Die gesetzliche Unfallversicherung/2


12. Die gesetzliche Unfallversicherung/3
Abbildung 12.72:
12. Die gesetzliche Unfallversicherung/3


13. Legaldefinition des Arbeitsunfalls
Abbildung 12.73:
13. Legaldefinition des Arbeitsunfalls
Erleidet jemand einen Arbeitsunfall /AU (Tötung oder Körperverletzung) und steht dem Verletzten (gegen den Schädiger) ein Ersatzanspruch für den zugefügten Körperschaden „auf Grund anderer Vorschriften” (zB ABGB, EKHG, DNHG) zu, so geht dieser Ersatzanspruch auf den Sozialversicherungsträger über, „insoweit ..., dieser Leistungen zu erbringen hat”; das ist die sog Legalzession = gesetzlicher Forderungsübergang → KAPITEL 14: Die Legalzession. Konkret geht zB der Schadenersatzanspruch eines Arbeitnehmers (AN) gegen seinen Arbeitgeber (AG) auf den Sozialversicherungsträger (SozVersTr) über.
Legalzession des § 332 ASVG
Beispiel
§ 332 ASVG
„(1) Können Personen, denen nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Leistungen zustehen oder für die als Angehörige gemäß § 123 Leistungen zu gewähren sind, den Ersatz des Schadens, der ihnen durch den Versicherungsfall erwachsen ist, auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften beanspruchen, geht der Anspruch auf den Versicherungsträger insoweit über, als dieser Leistungen zu erbringen hat. …”
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2. Eigenverschulden von Arbeitnehmern
Erwähnt werden soll noch, dass der jeweilige Sozialversicherungsträger einen Arbeitsunfall auch dann entschädigt – und zwar voll!, wenn der Schaden auf Eigenverschulden des Arbeitnehmers zurückzuführen ist; und zwar sowohl bei leichter wie grober Fahrlässigkeit. Nur vorsätzliche (Selbst)Schädigung schließt einen Ersatz aus.
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3. Kein Schmerzengeld
Ein Wermutstropfen für Arbeitnehmer besteht allerdings darin, dass das Sozialversicherungsrecht kein volles Schmerzengeld iSd Zivilrechts (§ 1325 ABGB) kennt; ein unzureichender Ersatz ist die sog Integritätsabgeltung nach § 213a ASVG.
Nur Integritätsabgeltung
Der Weg auf dem dies erreicht wird, ist etwas vertrackt. Ansprüche auf Schmerzengeld gehen nämlich nicht auf den Sozialversicherungsträger über; § 332 Abs 1 Satz 1 ASVG. Sie können nach § 333 Abs 1 Satz 1 ASVG aber auch nicht gegen den Arbeitgeber geltend gemacht werden; sog Arbeitgeberprivileg → Das Arbeitgeberhaftungsprivileg
Als Teilersatz für den lange völlig fehlenden immateriellen Ersatz des Schmerzengeldes wurde 1990 die sog Integritätsabgeltung geschaffen. Sie ist eine einmalige Geldleistung als Entschädigung für ideelle Beeinträchtigungen bei grob fahrlässiger Missachtung von Arbeitnehmer-Schutzvorschriften bei erheblicher und dauernder Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Unversehrtheit / Integrität. – Diese zu sehr eingeschränkte Lösung, die in der Praxis kaum eine Rolle spielt, ist nur ein Schritt in die richtige Richtung!
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4. Das Arbeitgeberhaftungsprivileg
Da der Arbeitgeber in der gesetzlichen Unfallversicherung allein die Versicherungsbeiträge bezahlt, wurde ihm die Haftung auf der Ebene leichter Fahrlässigkeit völlig erlassen; vgl schon → Kein direkter Ersatzanspruch von Arbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen Man spricht von Arbeitgeber-(Haftungs)Privileg. – Ab grob fahrlässiger Schadensverursachung des Arbeitsunfalls durch den Arbeitgeber besteht aber ein Regressanspruch seitens des Sozialversicherungsträgers.
Arbeitgeber zahlt Beiträge, daher …
§ 333 ASVG
(1) Der Dienstgeber ist dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalles oder durch eine Berufskrankheit entstanden ist, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall (die Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht hat. Diese Einschränkung gilt auch gegenüber den Hinterbliebenen des Versicherten, wenn dessen Tod auf die körperliche Verletzung infolge des Arbeitsunfalles oder auf die Berufskrankheit zurückzuführen ist.
(2) Hat der Dienstgeber den Arbeitsunfall (die Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht, so vermindert sich der Schadenersatzanspruch des Versicherten oder seiner Hinterbliebenen um die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
(3) Die Bestimmungen der Abs. 1 und 2 sind, unbeschadet der Bestimmungen des § 477, nicht anzuwenden, wenn der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für dessen Betrieb auf Grund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht besteht. Der Dienstgeber haftet nur bis zur Höhe der aus einer bestehenden Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme, es sei denn, dass der Versicherungsfall durch den Dienstgeber vorsätzlich verursacht worden ist. (BGBl. Nr. 642/1989, Art. V Z 2 lit. a und b) – 1.1.1990.
(4) Die Bestimmungen der Abs. 1 und 2 gelten auch für Ersatzansprüche Versicherter und ihrer Hinterbliebenen gegen gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter des Unternehmers und gegen Aufseher im Betrieb. (BGBl. Nr. 13/1962, Art. V Z 10) – 1.1.1962.
Das Arbeitgeberprivileg § 333 ASVG: Der Arbeitgeber haftet dem geschädigten Arbeitnehmer (seinen Hinterbliebenen) unmittelbar/direkt nur bei Vorsatz; Abs1. Das Privileg gilt auch für gesetzliche und bevollmächtigte Vertreter des Unternehmers und sog Aufseher im Betrieb: Abs 4; zB Prokurist, Abteilungsleiter, sogar Fahrer eines Lastzuges. Es gilt auch für Leistungen über die gesetzliche Unfallversicherung hinaus; der Arbeitgeber haftet auch nicht für Schmerzengeldansprüche; § 332 Abs 1 letzter Satz iVm § 333 Abs 1 Satz 1 ASVG. Es besteht aber uneingeschränkte Haftung des Arbeitgebers bei gesetzlicher Haftpflichtversicherung bei Kfz-Unfällen bis zur Höhe der Versicherungssumme; Abs 3. Ein Rückgriff des Sozialversicherungsträgers gegen Arbeitgeber ist erst ab grober Fahrlässigkeit möglich; § 334 ASVG. Worin liegt die Rechtfertigung? Es zählt das Argument des Betriebsfriedens ! Die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung soll, gerade auch nach Unfällen, nicht durch Prozesse gestört werden! Der Arbeitgeber zahlt die Unfallversicherungsbeiträge allein. Dies schützt ihn – und den Aufseher im Betrieb etc – vor einem Sozialversicherungsträger-Regress bei bloß leicht fahrlässiger Arbeitnehmer-Schädigung.
§ 333 ASVG: Aufseher im Betrieb etc
Ein kleiner Systemfehler liegt darin, dass Sachschäden von Arbeitnehmern gegen ihren Arbeitgeber nach wie vor direkt geltend gemacht werden können; das unterläuft das Betriebsfriedensargument! Umstritten ist (nach wie vor) der Verlust des Schmerzengeldanspruchs von Arbeitnehmern; vgl aber nunmehr die Integritätsabgeltung.
§ 334 ASVG
(1) Hat der Dienstgeber oder ein ihm gemäß § 333 Abs. 4 Gleichgestellter den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verursacht, so hat er den Trägern der Sozialversicherung alle nach diesem Bundesgesetz zu gewährenden Leistungen zu ersetzen. Dies gilt nicht in den Fällen von Leistungen nach § 213a. (BGBl. Nr. 642/1989, Art. V Z 2 a) – 1.1.1990.
(2) § 328 ist auf Ersatzansprüche für Krankenbehandlung (§§ 133 bis 137) oder für Unfallheilbehandlung (§§ 135 bis 137 in Verbindung mit § 189) entsprechend anzuwenden. (BGBl. Nr. 31/1973, Art. V Z 14) – 1.1.1973.
(3) Durch ein Mitverschulden des Versicherten wird die Haftung gemäß Abs. 1 weder aufgehoben noch gemindert.
(4) Der Träger der Unfallversicherung kann als Ersatz für eine von ihm zu gewährende Rente deren Kapitalswert (§ 184) fordern.
(5) Hat der Dienstgeber oder ein ihm gemäß § 333 Abs. 4 Gleichgestellter den Arbeitsunfall nicht vorsätzlich herbeigeführt, so kann der Träger der Sozialversicherung auf den Ersatz ganz oder teilweise verzichten, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten dies begründen.
Der Regress des Sozialversicherungsträgers richtet sich gegen den Arbeitgeber (§ 334 Abs 1 ASVG) oder Arbeitskollegen des Geschädigten (§ 332 Abs 5 lit a ASVG), die zur Zeit des Unfalls „in demselben Betrieb” beschäftigt sind oder wenn der Versicherungsfall durch ein Verkehrsmittel mit erhöhter gesetzlicher Haftpflichtversicherung herbeigeführt wird; § 332 Abs 5 lit b ASVG. – Der Sozialversicherungsträger kann die kraft Gesetzes auf ihn übergegangenen Ansprüche im Regressweg geltend machen, soweit er Leistungen erbracht hat. Voraussetzung ist grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Der Anspruch richtet sich.
Regress des Sozialversicherungsträgers
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5. Die sog Arbeitskollegenhaftung
Was passiert, wenn ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit nicht vom Arbeitgeber, sondern von einem/r Arbeitskollegen/in herbeigeführt wurde? Auch dieser Anspruch des Verletzten gegen den Arbeitskollegen geht auf den Sozialversicherungsträger nach § 332 Abs 1 iVm § 332 Abs 5 ASVG über, wenn der Sozialversicherungsträger Leistungen erbringen muss. Das bedeutet, dass der verletzte Arbeitnehmer gewisse Ansprüche grundsätzlich nicht mehr direkt gegen seine/n Arbeitskollegen/in durchsetzen kann; Argument: Betriebsfrieden.
Beim Geschädigten (Arbeitnehmer) verbleiben hier jedoch (!):
• die Schmerzengeld- und
Sachschädenansprüche,
weil die Sozialversicherung keine derartigen Leistungen erbringt und – anders als gegen den Arbeitgeber (!) – auch die Geltendmachung nicht ausgeschlossen ist; zB Kleidung, Uhr.
Umstritten war, ob der geschädigte Arbeitnehmer „seine” Ansprüche gegen seine/n Arbeitskollegen/in überhaupt durchsetzen kann oder ob die haftungsreduzierenden Gedanken des D(N)HG auch hier Anwendung finden sollen. Der OGH (Arb 9703 und 9704; dazu kritisch Grillberger DRdA 1979, 219) entschied, dass die Ansprüche voll durchsetzbar sind und hier nach dem D(N)HG keine Haftungsbeschränkung unter Arbeitskollegen besteht.
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6. Vorbild: Bismarcks Arbeiter(unfall)versicherung
Historisch beruht unsere Regelung auf der Bismarckschen Arbeiterunfallversicherung 1884, die Österreich 1887, wenngleich etwas modifiziert, übernommen hat.
Literaturquelle
Die gesetzliche Unfallversicherung schützt bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten und ist nicht mit der privaten Unfallversicherung zu verwechseln! Rechtsgrundlage bilden die §§ 172 ff ASVG. Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung „greift” automatisch mit Aufnahme einer versicherungsgeschützten Tätigkeit; es ist kein Abschluss eines Versicherungsvertrags – wie bei privaten Versicherungen – nötig! Es erfolgt eine Haftungsverlagerung vom Arbeitgeber auf den Sozialversicherungsträger; Arbeitgeber-Privileg. Gleichzeitig wird der Arbeitnehmer besser gestellt: das Eigenverschulden spielt erst ab Vorsatz eine Rolle.
...Das Unfallversicherungs-Konzept umfasst insgesamt:
UV-Konzept umfasst
Schadensausgleich / Kompensation und
Schadensprävention iSv Unfallverhütung.
Allgemein zum Schadensausgleichs- und zum Präventionsgedanken → KAPITEL 9: ¿Warum¿ ist Schaden zu ersetzen?. Das Schadenspräventionskonzept der gesetzlichen Unfallversicherung ist vorbildlich und hat die Zahl der Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten drastisch gesenkt.
Die gesetzliche Unfallversicherung statuiert eine verschuldensunabhängige Gefährdungs(Haftung) neuen Typs. Dieses Modell ist als (betriebliche) Innenhaftung konzipiert und betrifft grundsätzlich die Beziehung Arbeitgeber <-> Arbeitnehmer sowie des jeweiligen Sozialversicherungsträgers zu diesen Personen. Die Arbeitnehmer erhalten ihre Versicherungsleistung (durch den Sozialversicherungsträger) auch dann, wenn sie den Unfall durch eigenes (leicht oder grob fahrlässiges) Verhalten herbeigeführt haben (Eigenverschulden); nur vorsätzliches Herbeiführen des Versicherungsfalles führt zur Leistungsfreiheit des Versicherers.
Art der Haftung?
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G. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Die §§ 1175-1216 ABGB handeln von der „Erwerbsgesellschaft”, die wir heute Gesellschaft bürgerlichen Rechts/GesbR nennen. Gschnitzer bezeichnet sie zu recht als „Mutterboden für ein hochentwickeltes Gesellschaftsrecht, das jetzt im Handelsrecht beheimatet” ist. – Allein der Anwendungsbereich der GesbR ist nach wie vor ein vielfältiger, mag auch die beträchtlich an Bedeutung verloren haben.
Erwerbsgesellschaft
Sie reicht immer noch von der Strassenbaulos-ARGE, über Bürgerinitiativen und verschiedene Interessengemeinschaften (zB von Mietern oder Wohnungseigentümern), bis zu den Bauwerbern eines Selbstbauprojektes. Und (mehrere) Banken bedienen sich der GesbR, wenn sie gemeinsam Wertpapiere begeben oder ein Kreditkonsortium gründen, um Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Land- und Forstwirte greifen auf diese Rechtsform zurück, wenn sie Maschinen- oder Transportringe udgl bilden. Dasselbe gilt für Musikgruppen, die sich lose zusammenschließen wollen oder Geschäftsleute die einen rechtlichen Rahmen suchen, um gemeinsame (Werbe)Aktionen durchzuführen; zB eine gemeinsame Weihnachtsbeleuchtung; vgl auch SZ 44/123 (1971): Schischule G in Vlbg und SZ 53/9 (1980): Jagdgesellschaft. Oder den Sachverhalt von JBl 2002, 458: Liegenschaftseigentümer schliessen einen Gesellschaftsvertrag, um einen Abverkauf von Liegenschaften an dritte Personen zu verhindern
§ 1216 ABGB wollte die Vorschriften der GesbR noch (subsidiär) auf die Handelsgesellschaften angewandt wissen. Die Einführung des dtHGB im Jahre 1938 hat dem aber für die Personengesellschaften einen Riegel vorgeschoben (vgl Art 7 EVHGB) und die Kapitalgesellschaften brauchen wegen ihrer detaillierten Regelungen diese Regeln nicht mehr.
I. Geschichte, Wesen, Abgrenzungen
1. Geschichte
Das ABGB unterscheidet, dem römischen Recht folgend, zwischen Gemeinschaft/communio incidens und Gesellschaft / societas und regelt die beiden Rechtsinstitute in den §§ 825 ff und 1175 ff. – Die Gesellschaft entsteht, als gewollter Zusammenschluß mehrerer Personen, durch Vertrag; die Gemeinschaft dagegen unabhängig vom Willen der Beteilgten durch Gesetz. Typisch und häufig für letztere ist die Erben-, als (Mit)Eigentumsgemeinschaft; zB Geschwister erben nach dem Tod eines Elternteils ein Haus. – Man kann auch sagen: die Gesellschaft entsteht (privat)autonom durch Vertrag der Gesellschafter, die Gemeinschaft dagegen heteronom durch Regeln des Gesetzes.
Gemeinschaft oder Gesellschaft
Aber nicht alles , was auf Vertrag beruht, folgt deshalb schon den Regeln der GesbR; denn für die eheliche Gütergemeinschaft gelten die Vorschriften der §§ 1233-1236 ABGB und die Rspr nimmt bei blosser Beteiligung eines Arbeitnehmers am Gewinn eines Unternehmens kein Gesellschaftsverhältnis an; vgl EvBl 1974/51 und § 14 AngG. Auch wenn ein (Ehe)Paar gemeinsam zB ein Haus kaufte, wurde häufig nur eine Gemeinschaft und keine Gesellschaft angenommen, obwohl dem Erwerbsakt ein gemeinsamer Vertragsschluss zugrunde liegt. Die Rspr hat hier aber wenigstens zum Teil umgedacht; vgl JBl 1988, 516: Lebensgemeinschaft als GesbR. Für Ehepaare kommt eine GesbR aber überhaupt erst dann in Betracht, wenn die von ihnen erbrachten Leistungen über die eheliche Beistandspflicht des § 90 ABGB hinausgehen. – Zu restriktiv MietSlg 9579 (1962): Mehrere Mitbenützer einer Wohnung, von denen nur einer Hauptmieter ist, vereinbaren, dass ihnen im Innenverhältnis gleiche Rechte (wie Hauptmietern) zustehen sollen. OGH betrachtet das Rechtsverhältnis zwischen den Mitbenützern als Gemeinschaft. Richtiger wäre hier eine Innengesellschaft anzunehmen gewesen.
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2. Wesen
Die GesbR ist nach hA keine juristische Person und daher auch nicht auf Mitgliederwechsel angelegt, wenngleich sie einen solchen auch nicht ausschliesst. Sie begründet demnach kein von den Mitgliedern gesondertes rechtliches Eigenleben, sondern bloß ein Schuldverhältnis auf Dauer (DSchV) zwischen den Gesellschaftern.
JurP?
Daher kommt es nach Aufnahme der Gesellschaftstätigkeit im Falle der Auflösung oder Anfechtung des Gesellschaftsvertrags zu einer ex nunc-Lösung und nicht zu einer solchen ex tunc; vgl § 218 Abs 2 AktG.
Die Gesellschafter gründen die Gesellschaft nicht dazu, um gegenseitig Leistungen auszutauschen, sondern um ihre unterschiedlichen Beiträge (Geld, Sacheinlagen, Gebrauchs- und Benützungsrechte, Arbeitsleistungen, Zurverfügungstellen von Know-How etc) einem gemeinsamen Zweck zu widmen → Gesellschaftsvermögen
Gemeinsamer Zweck
Dieser Zweck kann sowohl ein
wirtschaftlicher, aber auch ein
• sog idealer, also ein nicht wirtschaftlicher sein.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 24/87 (1951): Auch eine Gesellschaft, die vorwiegend ideelle Zwecke verfolgt, ist unter § 1175 ABGB zu subsumieren.
Der angestrebte gemeinsame Zweck verlangt daher von der Gesellschaft, die gemeinsamen Angelegenheiten getrennt von denen der einzelnen Mitglieder zu behandeln. Schon bei der GesbR ist daher zwischen Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftsschulden und dem (Privat)Vermögen und den Schulden der Mitglieder zu unterscheiden. Das für die Haftung juristischer Personen wichtige Trennungsprinzip ist bei der GesbR aber noch nicht durchgeführt → KAPITEL 4: Haftung.
Trennungsprinzip
Auch die Gemeinschaftsorganisation ist noch unentwickelt, was aber im (kautelarjuristischen) Gesellschaftsvertrag verbessert werden kann.
Gemeinschaftsorganisation?
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3. Abgrenzungen
Die GesbR ist von verschiedenen ähnlichen rechtlichen Gebilden abzugrenzen. – Nämlich:
• der stillen Gesellschaft → KAPITEL 3: Abgrenzungen des Darlehens (Darlehen „partiarisch”)…
• dem partiarischen Darlehen vgl ebendort (Darlehen „partiarisch”)…
• der Teilpacht (§ 1103 ABGB) sowie
• den bloß gewinnbeteiligten Angstellten nach § 14 AngG.
Diese können aber Gesellschafter sein, wenn ihnen Einfluss auf die Betriebsführung, Kontrollrechte sowie eine Beteiligung an Gewinn und Verlust eingeräumt werden, selbst wenn sie als Einlage in die Gesellschaft nur Arbeitsleistungen und kein Kapital einbringen.
Zu den Erwerbsgesellschaften der freien Berufe nach dem ErwerbsgesellschaftenG/EGG 1990, BGBl 257 idgF; vgl auch → KAPITEL 4: Nicht jede ¿Gesellschaft¿ ist eine juristische Person.
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II. Der Gesellschaftsvertrag
Wie erwähnt, entsteht die GesbR durch Vertrag und unterscheidet sich dadurch von der Gemeinschaft. Die bloß grobmaschige gesetzliche Ausformung der GesbR lässt es ratsam erscheinen, im Gesellschaftsvertrag sorgfältig kautelarjuristisch nachzubessern.
1. Form
Das Gesetz schreibt für die Errichtung einer GesbR keine Form vor. Nur wenn sie sich auf das gesamte gegenwärtige oder auch auf das künftige Vermögen bezieht, verlangt § 1178 ABGB die Errichtung eines Inventars. – Gesellschaftsverträge können danach auch mündlich geschlossen werden, ja es kommt der gesamte Anwendungsbereich des § 863 ABGB in Betracht; daher auch konkludentes Vereinbaren einer GesbR. Das spielt zwischen Freunden/innen, Lebensgefährten und Ehegatten eine praktische Rolle. – Die Rspr beurteilt aber – wie angedeutet – manche Vereinbarung, die besser als eine GesbR verstanden würde, als bloße Gemeinschaft oder wendet doch die Regeln der §§ 825 ff ABGB auf diese Vereinbarungen analog an.
Formfreiheit
Rechtssprechungsbeispiel
So wenn MietSlg 9579 (1962) auf mehrere Mitbenützer einer Wohnung, von denen nur einer Hauptmieter ist, die aber vereinbart haben, dass ihnen (im Innenverhältnis) gleiche Rechte zustehen sollen „als ob alle Mitbenützer Hauptmieter wären”, die §§ 825 ff ABGB analog anwendet, statt eine Innengesellschaft anzunehmen.
Vgl auch SZ 50/123 (1977): Zu den Voraussetzungen eines konkludenten oder stillschweigenden Zustandekommens einer GesbR – Eine Österreicherin betreibt mit ihrem ausländischen Lebensgefährten einen Gärtnereibetrieb. Der OGH nimmt keine konkludent errichtete Innengesellschaft an, sondern verweist den Lebensgefährten (nach Beendigung der Lebensgemeinschaft) auf Bereicherungsansprüche.
Abgelehnt wird vom OGH auch die Annahme einer (Innen)Gesellschaft in SZ 40/123 (1967) nach deren Sachverhalt Ehegatten gemeinsam die Mittel für einen Hausbau aufbringen und dabei über die eheliche Beistandspflicht hinaus Leistungen erbracht werden, idF aber nur der Mann verbüchert wird.
Anders schon JBl 1963, 264: Hausbau von Ehegatten wird als Gesellschaftsverhältnis beurteilt.
Für Änderungen des Gesellschaftsvertrags wird idR Einstimmigkeit verlangt; vgl aber SZ 40/73 (1973), S. 215, wo der OGH uH auf § 1188 ABGB von einem Mehrheitsbeschluss ausgeht.
Satzungsänderungen
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2. Sorgfaltspflichten – Haftung
Während das Handelsrecht (Art 7 Nr 3 EVOHGB) einen Gesellschafter bei Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten „nur für diejenige Sorgfalt (einstehen lässt), die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt” – sog culpa in concreto, was aber keine Haftungsbefreiung für grobe Fahrlässigkeit bedeutet, haben Gesellschafter einer GesbR für jedes Verschulden (omnis culpa) einzustehen; vgl § 1191 ABGB.
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3. Außen- und Innengesellschaft
Der Gesellschaftvertrag stellt auch Weichen im Hinblick auf diese wichtige Unterscheidung:
• Die Innengesellschaft weist intern zwar ein Gesellschaftsverhältnis auf, läßt dieses aber nach außen hin nicht in Erscheinung treten. – Nach außen hin, also Dritten gegenüber, ist nur eine (Bezugs)Person berechtigt und verpflichtet, mögen auch die von ihr getätigten Geschäfte auf gemeinsame Rechnung gehen. Bei der Innengesellschaft tritt der die Geschäfte führende Gesellschafter nach außen im eigenen Namen, wenn auch auf fremde Rechnung (nämlich auf Rechnung aller Gesellschafter) auf. Er wird als indirekter Stellvertreter tätig → KAPITEL 13: Die indirekte Stellvertretung
Rechtssprechungsbeispiel
GesRZ 1986, 93: Karl Schranz, als Leiter der Schischule St. Anton am Arlberg ist passiv für Schadenersatzansprüche einer Schischülerin legitimiert. Vgl auch → Geschäftsführung, Vertretung, Klagslegitimation: Klagslegitimation.
SZ 50/96 (1977): Gemeinsamer Betrieb einer Apotheke.
Die Stille Gesellschaft (§§ 178 ff HGB) ist weder eine Innengesellschaft, noch überhaupt eine Gesellschaft. – Die Unterbeteiligung, d. i. die Beteiligung an einer Beteiligung, zB an der eines OHG-Gesellschafters oder Kommanditisten, ist blosse Innengesellschaft/GesbR.
• Die Außengesellschaft tritt – wie ihr Name sagt – nach außen hin als Gesellschaft auf. Ein Gesellschafter, der dabei für die GesbR tätig wird, ist direkter Stellvertreter und berechtigt dadurch die anderen Gesellschafter, nicht dagegen die Gesellschaft! (Der GesbR fehlt die Rechtspersönlichkeit!) Nach hA bedarf es auch dazu nach § 1201 ABGB einer internen Beschlussfassung (Mehrheitsbeschluß) zur Vollmachtserteilung.
Merkregel: Wer im Innenverhältnis geschäftsführungsbefugt ist, kann seine Mitgesellschafter auch im Außenverhältnis gültig vertreten, also berechtigen und verpflichten.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1982, 93: Bau-ARGE – Zwei Bauunternehmer vereinbaren, dass nur einem von ihnen die Geschäftsführung und Vertretung zukommen soll; dies bei Ausschluß der Haftung des anderen;
GesRZ 1985, 137: Bau- ARGE übernimmt Baulos. Im Innenverhältnis wird völlige Trennung der Arbeiten beschlossen.
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III. Wirkungen der Gesellschaft
Zweck der Gesellschaft ist es, die unterschiedlichen gemeinsamen Leistungen der Gesellschafter einem gemeinsamen Zweck zu widmen. Die Leistungen, die die einzelnen Gesellschafter erbringen, stellen demnach kein Entgelt dar. – Als Entgelt anzusehen ist es aber, wenn Gewinn- und Verlustanteile nach der Höhe der Beiträge bemessen werden. – Steht einem Gesellschafter, trotz Erbringens von Leistungen kein Gewinn zu, ist das als Unentgeltlichkeit zu qualifizieren.
Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an Gschnitzers Kategorie der entgeltfremden Leistungen → KAPITEL 5: Weitere Einteilungsgesichtspunkte.
1. Beitrags- und Mitwirkungspflicht
Die §§ 1184 ff ABGB bestimmen die Rechte und Pflichten der (Gesellschafts)Mitglieder. Danach sind idR alle Mitglieder verbunden, einen gleichen Anteil zum gemeinschaftlichen Hauptstamm beizutragen und ohne Rücksicht auf die Grösse ihres Anteils „zu dem gemeinschaftlichen Nutzen gleich mitzuwirken”; sog Beitrags- und Mitwirkungspflicht.
Die Bewertung der Einlagen obliegt den Gesellschaftern. – § 1189 ABGB schliesst eine Nachschusspflicht aus. Satz 2 dieser Norm ist aber zu beachten. – Als „Beitrag” können ganz unterschiedliche Leistungen erbracht werden; Sachen können ebenso eingebracht werden (zu Eigentum oder zum Gebrauch), wie Geld, Arbeitsleistungen oder Know How.
Nachschusspflicht
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2. Treuepflicht
§ 1186 ABGB regelt die Treuepflicht der Gesellschafter, zumal die Gesellschaft ein (höchst) persönliches Vertrauensverhältnis begründet. Daher ist kein Mitglied befugt, „die Mitwirkung einem Dritten anzuvertrauen; oder jemanden in die Gesellschaft aufzunehmen; oder ein der Gesellschaft schädliches Nebengeschäft zu unternehmen”. – Daraus hat sich das Konkurrenzverbot des Handelsrechts (§ 112 HGB: für die OHG) entwickelt → KAPITEL 11: Rspr-Beispiele.
Vertrauensverhältnis
Man beachte den grundsätzlichen Unterschied zur (Eigentums)Gemeinschaft der §§ 825 ff ABGB, bei der jeder Miteigentümer seinen Anteil veräußern oder belasten kann (wenn auch nicht zur Unzeit oder zum Nachteil der übrigen; § 830 ABGB), ohne die anderen Gemeinschafter auch nur zu verständigen → KAPITEL 8: Schlichtes oder ideelles Miteigentum.
Aus der Treuepflicht folgt auch die Unübertragbarkeit der Mitgliedschaftsrechte. – Abgetreten werden kann aber der Anspruch auf Gewinnbeteiligung, nicht aber der auf Rechnungslegung.
Unübertragbarkeit der Mitgliedschaftsrechte
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3. Gesellschaftsvermögen
Alle in die Gesellschaft eingebrachten Sachen (iSd § 285 ABGB) stellen das Gesellschaftsvermögen dar. Aber eine GesbR muß über kein Vermögen im herkömmlichen Sinn verfügen. Gschnitzer nennt als Beispiel die Lese- oder Spielgemeinschaft.
Vgl § 1182 ABGB: „Alles, was ausdrücklich zum Betriebe des gemeinschaftlichen Geschäftes bestimmt worden ist, macht das Kapital, oder den Hauptstamm der Gesellschaft aus. Das Übrige, was jedes Mitglied besitzt, wird als ein abgesondertes Gut betrachtet.”
Das lässt fragen: Was kann in eine GesbR eingebracht werden?
Was kann eingebracht werden?
Sachen zu Eigentum / quoad dominium: Diese gehen ins Miteigentum der Gesellschaft über;
Sachen können der GesbR aber auch bloß zum Gebrauch / quoad usum überlassen werden;
• Schließlich können Sachen nur ihrem Wert nach / quoad sortem der GesbR überlassen werden; vgl JBl 2000, 238 (Anm Jabornegg): In diesem Fall bleibt der Einbringende formell Eigentümer, aber die GesbR trägt die (wirtschaftliche) Gefahr.
Auf das Einbringen von Einlagen in die GesbR ist die Lehre von Titel und Modus anzuwenden → KAPITEL 2: Die Lehre von Titel und Modus. § 1181 ABGB bezeichnet den Gesellschaftsvertrag ausdrücklich als Titel „Eigentum zu erwerben”.
Titel und Modus
Das Gesellschaftsvermögen steht im Sondervermögen der GesbR und ist als solches nach § 1182 iVm § 1202 ABGB vom Vermögen der Mitglieder zu trennen.
Gesellschaftsvermögen
Darüber wie das einzelne Mitglied zum Hauptstamm/Gesellschaftsvermögen rechtlich steht, gingen die Meinungen immer wieder auseinander. Gschnitzer, SchRAT 114 f führt dazu aus:
„Nach h. L. steht das Gesellschaftsvermögen im Miteigentum der Gesellschafter. Dafür sprechen die §§ 1183/1 und 1192/2. Da das ABGB nur das schlichte Miteigentum kennt [?], besagt das, dass das einzelne Mitglied über seinen ideellen Anteil verfügen kann, wenn auch nicht verfügen darf, da der Anteil dem gemeinsamen Zweck gewidmet ist (obligatorische Innenwirkung, keine Außenwirkung).”
Miteigentum
„Dieser unangenehmen Folge sucht die deutsch-rechtlich beeinflusste Lehre von der Gesamthand abzuhelfen. Sie beruft sich auf § 1202. Danach kann ein Mitglied über sein nicht in die Gesellschaft eingebrachtes Vermögen ‚nach Belieben’ verfügen. E contrario könne es über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen nicht verfügen. Somit könne über das Ganze wie über die einzelnen Anteile nur gesamthänderisch von allen Mitgliedern verfügt werden.”
Gesamthand
In diesem Sinne SZ 24/87 (1951): Sieben Berufskameraden kaufen eine Almhütte. – Danach ist die Abtretung eines Gesellschaftsanteils an einen Dritten ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter nach § 1186 ABGB unwirksam, auch wenn dem Dritten die Rechtsnatur der GesbR nicht bekannt war.
„Lehre von der juristischen Person (Wahle [und idF Ostheim]). Sie lehnt beide Ansichten ab. Die Gesellschaft dürfe mit ihren Mitgliedern nicht identifiziert werden (Mitgliederwechsel!). Sie sei juristische Person, das Gesellschaftsvermögen daher in ihrer alleinigen Verfügung. Der einzelne Gesellschafter habe keinen Miteigentumsanteil. …”
Juristische Person
Forderungen und Schulden von Gesellschaftern: § 1203 Satz 1 ABGB
Forderungen und Schulden: § 1203 ABGB
„Was also jemand an ein einzelnes Mitglied, und nicht an die Gesellschaft zu fordern oder zu zahlen hat, kann er auch nur an das einzelne Mitglied, und nicht an die Gesellschaft fordern oder bezahlen.” – Vgl SZ 55/117 (1982).
Forderungen und Schulden der Gesellschaft: § 1203 Satz 2 ABGB
„Ebenso hat aber bei gesellschaftlichen Forderungen oder Schulden jedes Mitglied nur für seinen Anteil ein Recht oder eine Verbindlichkeit zur Zahlung, außer in dem Falle, welcher bei Handelsleuten vermutet wird, dass alle für einen und einer für alle etwas zugesagt oder angenommen haben.”
Gschnitzer fügt dem hinzu: „Die h. L. nimmt daher an, dass der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden neben der Gesellschaft mit seinem Privatvermögen, aber nur anteilig – nicht wie bei der OHG solidarisch – hafte. Der Gläubiger könne danach wählen, ob er sich an das Gesellschaftsvermögen halte oder auf die einzelnen Gesellschafter pro parte greife. Anders bei den Gesellschaftsforderungen: Hier könne nicht jeder Gesellschafter seinen Anteil, sondern nach § 848/2 und 3 nur Zahlung zur gesamten Hand verlangen.”
Zu beachten ist hiebei, dass eine Haftung der GesbR mit deren Gesellschaftsvermögen nur durchgesetzt werden kann, wenn alle (!) Gesellschafter in Anspruch genommen werden; denn die GesbR kann nicht wie die OHG und die KG nach § 124 HGB unter ihrem Namen geklagt werden.
Inanspruchnahme aller Gesellschafter
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4. Geschäftsführung, Vertretung, Klagslegitimation
Die Geschäftsführung betrifft das Innen-, die Vertretung das Außenverhältnis. – § 1188 ABGB verweist für die Geschäftsführung auf die §§ 833-842 ABGB:
„Bei der Beratschlagung und Entscheidung über die gesellschaftlichen Angelegenheiten sind, wenn keine andere Verabredung besteht, die in dem Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigentumes gegebenen Vorschriften anzuwenden (§§ 833-842).”
Nach § 833 Satz 1 ABGB kommt der „Besitz und die Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache … allen Teilhabern insgesamt zu”. Bei der GesbR treten an die Stelle der „Teilhaber” alle Gesellschafter. § 1201 ABGB bestimmt dasselbe für die Vertretung. Geschäftsführung und Vertretung fallen daher, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, zusammen. – Nach § 833 Satz 2 ABGB entscheidet bei Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung die Anteilsmehrheit, bei solchen der außerordentlichen Verwaltung gilt grundsätzlich Einstimmigkeit, wobei der Schutz der Minderheit zu beachten ist (§§ 834 f ABGB).
o. und ao. VerwaltungWas ist damit gemeint?
Der Gesellschaftsvertrag kann Geschäftsführung/Verwaltung und Vertretung auch „einem oder einigen Mitgliedern” anvertrauen; § 1190 ABGB. – Diese Personen sind dann „als Bevollmächtigte zu betrachten”. § 1190 ABGB verweist bezüglich ihrer „Beratschlagungen und Entscheidungen” wiederum auf die §§ 833-842 ABGB. – Die §§ 1198-1200 ABGB verpflichten die Bevollmächtigten, denen die Verwaltung anvertraut wurde, zur Rechnungslegung.
Bevollmächtigte
Nach hA wurde die GesbR lange nicht als parteifähig angesehen, besaß demnach prozessual weder Aktiv-, noch Passivlegitimation für Klagen. – Die Rspr hat hier aber – im Kielwasser der Rspr durch den dtBGH – für Erleichterungen gesorgt, was zu begrüßen ist.
Aktiv- und Passivlegitimation
Rechtssprechungsbeispiel
Vgl noch SZ 53/9 (1980): Klagebegehren gegen eine Jagdgesellschaft muss sich gegen sämtliche Mitglieder der Jagdgesellschaft und nicht nur gegen die Mitglieder des Jagdausschusses richten;
GesRZ 1986, 93: Schischule St. Anton am Arlberg / K. Schranz → Außen- und Innengesellschaft
OGH 13. 4. 2000, 6 Ob 58/00y, EvBl 2000/180: Ein GesbR-Gesellschafter erfüllt seine Individualverpflichtungen nicht und wird daraufhin von einem anderen Gesellschafter geklagt; actio pro socio. – OGH: Da die GesbR in Österreich keine juristische Person ist, ist sie im Zivilprozess nicht parteifähig, sodass Parteien des Rechtsstreits die Gesellschafter als Einzelpersonen sind. Das hätte beim Einklagen von Sozialansprüchen der GesbR zur Folge, dass der beklagte Mitgesellschafter sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite auftreten müsste; bei einer derartigen Konstellation liegt daher die Notwendigkeit der actio pro socio auf der Hand. Bei Individualansprüchen kann ein Gesellschafter der GesbR Ansprüche der Gesellschaft gegen einen einzelnen Gesellschafter mit actio pro socio im eigenen Namen geltend machen und Leistung an alle Gesellschafter verlangen.
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5. Gewinn, Verlust, Rechnungslegung und Kontrolle
Für die Gewinn- und Verlustverteilung macht das Gesetz in den §§ 1193 ff ABGB einen dispositivrechtlichen, also modifizierbaren Vorschlag. Eine andere Gewinn- und Verlustverteilung ist daher möglich, nicht aber eine Beteiligung nur am Verlust; sog societas leonina. In diesem Fall ist aber das Vorliegen eines allfälligen Schenkungs- oder Garantieversprechens zu prüfen.
Gewinn ist nach § 1192 Satz 1 ABGB, was „nach Abzug aller Kosten und erlittenen Nachteile über den Hauptstamm zurückbleibt”; was ihn mindert, Verlust.
Jeder Gesellschafter kann jährlich Rechnungslegung verlangen; §§ 1198 f ABGB. Dazu kommt ein Recht auf Bucheinsicht; § 1199 Schlußsatz ABGB. – Auf diese Rechte kann aber nach § 1200 ABGB verzichtet werden.
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IV. Ausscheiden von Gesellschaftern – Auflösung der Gesellschaft
Das Ausscheiden von Gesellschaftern beendet die GesbR nicht, mag sie auch mangels eigener Rechtspersönlichkeit nicht auf einen Mitgliederwechsel angelegt sein. Das Ende der Mitgliedschaft (von Gesellschaftern) ist daher von der Beendigung der GesbR zu unterscheiden.
1. Ende der Mitgliedschaft – Eintritt neuer Mitglieder
Gesellschafter können aus folgenden Gründen ausscheiden:
Ausscheiden
• Beim Tod von Gesellschaftern unterscheidet § 1207 ABGB zwischen der Zwei-Personen-GesbR (Satz 1), bei der durch den Tod eines Gesellschafters die GesbR „erlischt”; und der Mehr-Personen-GesbR für die Satz 2 die (Rechts)Vermutung aufstellt, dass die übrigen Mitglieder die Gesellschaft „noch unter sich fortsetzen wollen”.
Die GesbR kann aber nach § 1206 Satz 3 ABGB mit den „Erben eines Mitgliedes” fortgesetzt werden, obwohl die „gesellschaftlichen Rechte und Verbindlichkeiten … in der Regel nicht auf die Erben eines Mitgliedes über[gehen]”.
Austritt/Kündigung Ausschluss eines Gesellschafters: Gesellschafter einer GesbR können aus dieser austreten; nach dem Gesetz (§ 1189 ABGB) aber nur dann, wenn sie die für das Erreichen des Gesellschaftszweckes nötige Erhöhung der Einlage (sog Nachschuss/Kapitalerhöhung) nicht leisten wollen. In diesem Fall kann ein Mitglied auch „zum Austritt verhalten werden”. – Es sind demnach einseitiger Austritt und (erzwungener) Ausschluss zu unterscheiden. § 1210 ABGB kennt aber noch weitere Ausschlussgründe; so wenn „ein Mitglied die wesentlichen Bedingungen des Vertrages nicht erfüllt” oder „wenn es in Konkurs verfällt” oder bestimmte strafbare Handlungen setzt. – Unter Heranziehung des § 834 ABGB wird von der hM ein einseitiger Gesellschafteraustritt auch dann gebilligt, wenn ein Gesellschafter bei wichtigen Angelegenheiten überstimmt wird und er diese Entscheidung nicht mittragen will. Und § 1211 ABGB gewährt ein (Auf)Kündigungsrecht, „wenn dasjenige Mitglied, von welchem der Betrieb des Geschäfts vorzüglich abhing, gestorben oder ausgetreten ist”. – § 1212 ABGB gewährt ein noch weitergehendes Kündigungsrecht, wenn der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde und auch aus der Natur des Geschäfts nicht bestimmt werden kann. In diesem Fall „mag jedes Mitglied den Vertrag nach Willkür aufkündigen; nur darf es nicht mit Arglist oder zur Unzeit geschehen (§ 830)”.
Ein ausscheidendes Mitglied kann Rechnungslegung verlangen, muss dies aber, wenn nötig, auch selber tun. – Dem Ausscheidenden ist sein Anteil, der durch Schätzung festzustellen ist, in Geld auszuzahlen.
Rechnungslegung + Auszahlung
Die mangelnde Systematik der Austritts-, Kündigungs- und Ausschlussregeln offenbart legistische Schwächen dieser ABGB-Paragraphen.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 44/123 (1971): Die Ausschließung eines Geselslchafters aus einer GesbR (Schischule in Vlbg) ist ein Gestaltungsrecht, das, wenn der Vertrag nichts anderes vorsieht, nur von der Gesamtheit der übrigen Mitglieder ausgeübt werden kann; ebenso SZ 53/9 (1980): Jagdgesellschaft.
Möglich ist nicht nur der Austritt aus einer bestehenden GesbR, sondern auch der Eintritt neuer Mitglieder, doch bedarf es dazu eines einstimmigen Aufnahmevertrags. – Auf diese Weise kann auch die Mitgliedschaft von einem ausscheidendem auf ein neues Mitglied übertragen werden.
Eintritt neuer Mitglieder
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2. Auflösung der Gesellschaft
§ 1205 ABGB nennt Zweckerreichung, Zweckvereitelung / Verlust des Hauptstammes und Zeitablauf; ausdrückliche oder stillschweigende Fortsetzung sind aber möglich. – Daneben besteht im Rahmen der Vertragsfreiheit auch die Möglichkeit einer einvernehmlichen Auflösung.
Auflösungsgründe
Zu den einseitigen Kündigungsmöglichkeiten der §§ 1211 und 1212 iVm § 830 ABGB → Ende der Mitgliedschaft – Eintritt neuer Mitglieder
Durch die Auflösung wandelt sich die GesbR in eine Gemeinschaft (§§ 825 ff ABGB) um, die dann ihrerseits durch Teilung des gemeinschaftlichen Vermögens beendet wird → KAPITEL 8: Schlichtes oder ideelles Miteigentum. – Die GesbR kennt aber, anders als die (Personen)Handelsgesellschaften, keine Liquidation; vgl SZ 63/44 (1990). – Zuständig für die Aufteilung des Gesellschaftsvermögens auf alle Gesellschafter (nach dem Verhältnis ihrer Anteile) sind alle Gesellschafter nach den Gemeinschaftsregeln der §§ 841 ff ABGB. Danach entscheiden mangels Einigung „das Los, oder ein Schiedsmann, oder, … [letztlich] der Richter”.
Abwicklung
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 63/44 (1990): Der ausschließende Gesellschafter einer aus nur 2 Personen bestehenden GesbR übernimmt unter Ausschluss der Liquidation das gesamte Gesellschaftsvermögen und kann dem ausgeschlossenen Gesellschafter das Betreten der Geschäftsräumlichkeiten untersagen.
OGH 9. 11. 1999, 4 Ob 291/99v, EvBl 2000/84: Eheleute gründen eine GesbR (Kosmetiksalon); der Gatte vermietet das Geschäftslokal im Parterre seines Hauses an die GesbR. Nach Scheidung und Auflösung der GesbR klagt er die Frau auf Räumung des Geschäftslokals, da sie dieses nunmehr titellos nutze. – OGH: Bestandrechte einer GesbR (!)/societas bleiben bis zur endgültigen Auseinandersetzung aufrecht. Die Gesellschaft wandelt sich erst mit ihrer Auflösung in eine Rechtsgemeinschaft/communio iSd §§ 825 ff ABGB, die ihrerseits erst durch Teilung des gemeinschaftlichen Vermögens beendet wird. Es kommt also durch die Auflösung des GesbR nicht zu einer Vereinigung iSd § 1445 ABGB. Ein (ehemaliger) Gesellschafter nutzt die Bestandräume daher bis zur endgültigen Aufteilung des Gesellschaftsvermögens nicht titellos.
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H. Glücksverträge – Gewagte Geschäfte
Das ABGB fasst im 29. Hauptstück, das sind die §§ 1267-1292 die gewagten Geschäfte (§ 1065 ABGB) zur Gruppe der „Glücksverträge” zusammen. Der Begriff „gewagte Geschäfte” ist weiter, als der der Glücksverträge.
§ 1267 ABGB gibt eine Legaldefinition des Glücksvertrags:
Legaldefinition
„Ein Vertrag, wodurch die Haftung eines noch ungewissen Vorteiles versprochen und angenommen wird, ist ein Glücksvertrag”.
Satz 2 fügt hinzu, dass Glücksverträge entweder zu den entgeltlichen oder unentgeltlichen Geschäften zählen, „je nachdem etwas dagegen versprochen wird oder nicht”; vgl GlUNF 6287: Unentgeltliche Glücksverträge sind die unentgeltliche Ausspielung und die einseitige Wette.
§ 1268 ABGB schließt die Anwendung des Rechtsmittels der Verkürzung über die Hälfte (→ KAPITEL 7: Verkürzung über die Hälfte) für alle Glücksverträge aus; vgl Gschnitzers Kritik: SchRBesT 123 (1965). – Aber auch Glücksverträge können als wucherisch (→ KAPITEL 11: Die Beispiele des § 879 Abs 2 ABGB) oder sittenwidrig (→ KAPITEL 11: Gegen die guten Sitten) angefochten werden; SZ 24/306: Übergabs- und Leibrentenvertrag.
Keine Verkürzung über die Hälfte
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 24/306 (1951): Leibrenten-, Ausgedings- und Unterhaltsverträge sind Glücksverträge. – Die Kläger hatten den Beklagten auf Lebensdauer ein Wohnungsrecht ( → KAPITEL 8: Wohnungsrecht / habitatio: § 521 ABGB ) eingeräumt und erhielt dafür vierteljährlich die Leistung von 300 kg Weizen und 300 kg Korn sowie jährlich 100 l Wein. In der Folge ging es wesentlich um die Frage, ob in dem als nichtig angefochtenen Vertrag eine Leibrente, ein Ausgedinge oder eine Unterhaltsleistung versprochen wurde. Da aber alle diese Verträge als Glücksverträge anzusehen seien, bei denen eine Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte nicht stattfindet und weder Wucher, noch Sittenwidrigkeit anzunehmen war, wies der OGH die Klage ab.
Eine Modifikation dieser Rspr-Position findet sich in NZ 1994, 206 (1993): Darin wird zwar am Grundsatz der Nichtanfechtbarkeit von Glücksverträgen mittels laesio enormis festgehalten, zugleich aber eine Ausnahme statuiert: Steht schon bei Vertragsschluss fest, dass der Leibrentenbezieher zu jenem Zeitpunkt, der als mögliche Lebenserwartung der österreichischen Bevölkerung anzusehen ist, bei Berücksichtigung aller ihm in diesem Zeitraum zukommenden Leistungen weniger als die Hälfte des Werts seiner eigenen Leistung erhalten haben wird, dann kann, da das aleatorische – dh vom Zufall abhängige – Element in solchen Fällen gänzlich in den Hintergrund tritt, laesio enormis geltend gemacht werden. (Das ist typischerweise dann der Fall, wenn Leibrentenberechtigte bei Vertragsschluss schon sehr alt sind. – In SZ 67/99(1994) war die Klägerin etwa 88 Jahre alt.)
Diese Rspr-Linie ist zu befürworten; ablehnend aber Pfersmann, ÖJZ 1997, 57: ME greift das Argument, hier hätten nur die §§ 870, 871 ABGB oder § 879 ABGB zur Anwendung gelangen dürfen insoferne nicht, weil eben Glücksverträge ebenfalls nur unter bestimmten Voraussetzungen (→ Charakteristik – Glücksverträge ieS und iwS) angenommen werden dürfen, was hier wohl zu Recht verneint wurde.
Als aleatorische Verträge werden jene Verträge bezeichnet, deren Wirksamkeit oder Erfüllung typischerweise vom Zufall oder einem ungewissen Ereignis abhängen. Hierher gehören insbesondere Spiel oder Wette, aber auch der Leibrentenvertrag. – Im Zusammenhang mit Leibrentenverträgen wird auch von aleatorisch-synallagmatischen Verträgen gesprochen; vgl SZ 27/222 (1954).
I. Überblick
1. Arten der Glücksverträge
§ 1269 ABGB zählt die „Arten der Glücksverträge” (Überschrift) auf. Es sind dies:
Wette (§§ 1270, 1271),
Spiel (§ 1272) und Los (§§ 1273, 1274),
• „alle über gehoffte Rechte, oder über künftige noch unbestimmte Sachen errichtete Kauf- und andere Verträge” (§§ 1275-1283): Hier werden Hoffnungskauf (→ KAPITEL 2: Hoffnungskauf) und Erbschaftskauf (→ KAPITEL 17: Der Erbschaftskauf ) behandelt.
• die Leibrenten ( → KAPITEL 8: Das Ausgedinge. und → KAPITEL 2: Leibrentenvertrag);
• die gesellschaftlichen Versorgungsanstalten (§ 1287),
• schließlich die Versicherungsverträge (§§ 1288-1291) und die Bodmerei- und Seeassekuranzen (§ 1292).
Dabei fasst das ABGB unter dem Oberbegriff der Glücksverträge verschiedenartiges zusammen (Gschnitzer, SchRBesT 122): Nämlich solche, die das Risiko seiner erregenden Wirkung oder des leichten Gewinns wegen geradezu aufsuchen wie Wette und Spiel (= Glücksverträge ieS) und auf der andern Seite solche, die einem unvermeidlichen Risiko angemessen begegnen wollen, wie die Leibrente, die der Versorgung dient und die Versicherung, die durch Risikostreuung drohendes Unheil wirtschaftlich tragbar machen soll; Glücksverträge iwS.
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2. Charakteristik – Glücksverträge ieS und iwS
Gschnitzer (aaO 122) weist darauf hin, dass für die Zuordnung eines Vertrags als Glücksvertrag ausschlaggebend sei, dass die Übernahme des Risikos der Hauptzweck ist, denn ein gewisses Risiko sei mit den meisten Geschäften verbunden.
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II. Glücksverträge im engeren Sinn
1. Wette
Wette meint nach § 1270 ABGB, dass eine Leistung („ein bestimmter Preis”) für den Fall zugesagt wird, dass sich eine Behauptung „über ein beiden [Vertrags]Teilen noch unbekanntes Ereignis” als zutreffend erweist.
Das Gesetz verlangt, dass das Ereignis, auf das sich die Wette bezieht, ”beiden Teilen” unbekannt sein muss, was von Gschnitzer (SchRBesT 123 [1965]) zu Recht als zu eng abgelehnt wird; ebenso nunmehr Apathy / Riedler, Bürgerliches Recht III: SchRBesT 95. Es genüge vielmehr die Unkenntnis eines Teils, nur muss der, dem der Ausgang des Wettereignisses bekannt war, dies dem andern mitteilen. Ansonsten gilt, was § 1270 Satz 2 ABGB, ausführt: „ ... so macht er sich einer Arglist schuldig, und die Wette ist ungültig.” Satz 3 bezeichnet im umgekehrten Fall den Verlierer, „dem der Ausgang vorher bekannt war”, als einen „Geschenkgeber”.
Ereignis „beiden Teilen” unbekannt
Das Ereignis, auf das sich die Wettbehauptung bezieht, kann ein vergangenes, gegenwärtiges oder zukünftiges sein; es kann sich um ein Naturereignis oder eine menschliche Tätigkeit („auch auf die einer Wettpartei selbst” – Gschnitzer) beziehen. – Unerlaubte Beeinflussung des Wettereignisses lässt nach Gschnitzer die für Bedingungen getroffene Regelung des § 162 dtBGB eintreten.
Ereignis: vergangenes, gegenwärtiges oder zukünftiges
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2. Spiel
Nach § 1272 ABGB ist „jedes Spiel ... eine Art von Wette”, weshalb „die für Wetten festgesetzten Rechte auch für Spiele” gelten. Gschnitzer (aaO 123) bezweifelt diese Aussage mit gutem Grund, stellt aber relativierend fest:
„Übrigens überhebt uns das Gesetz der nicht immer leichten Entscheidung dadurch, daß für Spiel und Wette dieselben Regeln gelten”; §§ 1272 Satz 2 ABGB.
Redliche und erlaubte Wetten und Spiele sind nach § 1271 ABGB „insoweit verbindlich, als der bedungene Preis nicht bloß versprochen; sondern wirklich entrichtet, oder hinterlegt worden ist. Gerichtlich kann der Preis nicht gefordert werden.” – Gemeint ist damit, dass ein bloß versprochener Spiel- oder Wetteinsatz nur eine Naturalobligation begründet → KAPITEL 7: Schuld und Haftung ¿ Naturalobligationen.
Gemeinsame Rechtsfolgen:
Sie sind aus einem Umkehrschluss aus § 1271 iVm § 879 ABGB heraus unverbindlich, also ungültig. § 1272 Satz 3 spricht von verbotenen Spielen. – Erweisen sich Wette oder Spiel als schlicht ungültig (ohne gesetzwidrig zu sein), kann der Wett- oder Spieleinsatz zurückgefordert werden; es sei denn, das Spiel war ein verbotenes oder der Wetteinsatz sollte einer unmöglichen oder unerlaubten Handlung dienen; § 1174 ABGB → KAPITEL 5: Ungerechtfertigte Bereicherung.
Unredliche und unerlaubte Spiele und Wetten
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III. Neuer Anwendungsbereich – Abgrenzungen
1. Neuer Anwendungsbereich
Über die in § 1269 ABGB aufgezählten Verträge hinaus, werden heute weitere Verträge zu den Glücksverträgen gezählt:
Unterhaltsverträge: Vgl SZ 24/306 (1951) oder EvBl 1961/20.
• Unredliche und unerlaubte Spiele und Wetten Partnervermittlungsverträge werden als glücksvertragsähnlich angesehen und grundsätzlich nicht als sittenwidrig (→ KAPITEL 11: Die Beispiele des § 879 Abs 2 ABGB) angesehen; EF 63.152 und 66.284 (LGZ Wien). Auch hier muss aber das zu NZ 1994, 206 Ausgeführte gelten ; am Beginn von Pkt H.
Devisentermin- oder Differenzgeschäfte: Vgl ÖBA 1992, 944 – Danach liegt in solchen Fällen nur für die Kundschaft, nicht für die Bank ein Spekulationsgeschäft vor. Ebenso SZ 69/261 (1996): Das Differenzgeschäft ist ein in Form eines Lieferungsvertrags über Waren oder Wertpapiere gekleidetes Geschäft, das aber nach der Absicht der Parteien nicht durch Lieferung und Bezahlung der Waren oder Wertpapiere erfüllt, sondern nur durch die Zahlung der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Kurs am Erfüllungstag abgewickelt wird.
• Auch herkömmliche Verträge sind als Glücksverträge anzusehen, wenn das aleatorische Element den Ausschlag gibt; vgl MietSlg 17.235 (1965): Wohnungsmiete auf Lebenszeit gegen eine einmalige Geldleistung. Ebenso JBl 1973, 259.
Ausspielungen iSd §§ 6 ff GlücksspielG (BGBl 1989/690 idF BGBl I 1998/90) unterliegen als erlaubte Wetten dem ABGB; § 1271. Hierunter fallen Lotto, Toto, Klassenlotterie, Zahlenlotto udgl.
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2. Abgrenzung gegenüber Börsegeschäften
Börsengeschäfte unterliegen nicht den Glücksverträgen; vgl § 28 Abs 1 BörseG 1989, BGBl 555 idF BGBl I 1998/127:
„Bei der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus Börsengeschäften ist der Einwand, dass dem Anspruch ein als Spiel oder Wette zu beurteilendes Differenzgeschäft zugrunde liegt, unstatthaft.”
Und § 28 Abs 2 BörseG 1989 bestimmt:
„Werden an einer anerkannten in- oder ausländischen Wertpapierbörse Optionen und Finanzterminkontrakte gehandelt und dafür Kurse veröffentlicht, so ist der Einwand von Spiel und Wette bei Rechtsstreitigkeiten aus diesen Geschäften von wem auch immer unzulässig.”
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