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SCHNELL GENAU UMFASSEND
Kapitel 13
Dieses Kapitel behandelt den praktisch bedeutsamen Bereich von Stellvertretung und Vollmacht (Pkt A.) und schliesst daran die Frage der Zeit im Privatrecht an (Pkt B.), wobei Verjährung (Pkt B.I.), Ersitzung (Pkt B.II.) sowie Zeitberechnung, Zeitablauf und Bedingung (Pkt B.III.) dargestellt werden; Ausführungen zur „Auflage” (Pkt B.IV.) beschliessen es.
Überblick
A. Stellvertretung und Vollmacht
§§ 1002 ff ABGB; §§ 48 ff HGB; HVertrG 1993; MaklerG 1996.
Literaturquelle
I. Was ist Stellvertretung?
Ein (echter) Stellvertreter gibt in (nicht unter!) fremdem Namen rechtsgeschäftliche Erklärungen ab (aktive) oder empfängt sie (passive Stellvertretung), wobei die Rechtswirkungen dieses Handelns unmittelbar beim Vertretenen eintreten. – Der Weg dieses uns heute selbstverständlich erscheinenden Rechtsinstituts der direkten Stellvertretung war aber lange und steinig, mögen ihm die großen Völker der Antike (vor allem die Griechen, weniger die Römer) auch schon nahe gekommen sein. Allein die rechtlichen Errungenschaften der Griechen gingen wieder verloren, die Römer übernahmen sie nicht.
Langer Entwicklungsweg
1. Allgemeines – Historische Entwicklung
Grundsätzlich kann man nur für sich selbst rechtsverbindlich handeln. Das ist vor allem für den Bereich der Verpflichtungen von Bedeutung. Wo käme man hin, wollte man es zulassen, dass andere einen verpflichten können. – Das Rechtsinstitut der Stellvertretung regelt, unter welchen Voraussetzungen – ausnahmsweise – ein rechtswirksames Handeln für andere gestattet ist.
Der tatsächliche Grund, der nach Stellvertretung verlangt, kann sehr verschieden sein: Krankheit, Urlaub, sonstige Verhinderung, Überlastung, aber auch fehlende (Fach)Kenntnisse oder einfach bessere und effizientere Geschäftsorganisation. Daher Vollmacht an Verwandte, Freunde, Angestellte, Anwälte, Steuerberater etc. Moderne Unternehmungen können meist nicht mehr „allein” geführt werden, sondern brauchen Hilfspersonen, die für das Unternehmen handeln können; entweder für den gesamten Unternehmensbereich oder doch einen Teil.
Grund der Stellvertretung
Inhaltlich kann die Stellvertretung einen Kaufvertragsabschluss betreffen oder nur die Abgabe oder Entgegennahme einer Offerte. – Immer aber geht es um rechtswirksames oder rechtsgeschäftliches Handeln für andere und nicht bloß um tatsächliches Handeln wie beim Arbeits- und Werkvertrag → KAPITEL 12: Was wird geschuldet? und → KAPITEL 12: Werkvertrag ¿ Bedeutung und Abgrenzung. Zum Unterschied zwischen Werkvertrag und Auftrag → KAPITEL 12: Abgrenzungen.


Direkte oder offene Stellvertretung
Abbildung 13.1:
Direkte oder offene Stellvertretung
Das moderne Rechtsinstitut der direkten Stellvertretung ist noch jung. Lange Zeit behalf man sich mit der umständlicheren Form indirekter / unechter / mittelbarer oder verdeckter Stellvertretung → Die indirekte Stellvertretung Erst im 19. Jhd wird im Privatrecht endgültig das Recht der modernen direkten Stellvertretung etabliert und dabei streng zwischen:
Direkte Stellvertretung
• jenem zwischen Machtgeber und Machthaber (sog Innenverhältnis) und
• dem (Rechts)Verhältnis zwischen Machthaber / Stellvertreter und Drittem (sog Außenverhältnis) unterschieden.
Dazu kommt, dass im Rahmen dieser Entwicklung auch das rechtsgeschäftliche Instrument zur Erteilung von Vertretungsmacht, die Vollmacht, von der häufig ebenfalls bestehenden vertraglichen Beziehung zwischen Machtgeber und Machthaber (Dienstvertrag oder Auftrag → KAPITEL 12: Abgrenzungen) klar unterschieden wird. Die Vollmacht(erteilung) ist nämlich kein Vertrag, sondern nur ein einseitiges Rechtsgeschäft → KAPITEL 5: Einteilung nach ihrer Entstehung.
Vollmacht
Von dieser inneren Verbindung von (bereits bestehender oder doch gleichzeitig begründeter) vertraglicher Beziehung zwischen Machtgeber und Machthaber und zusätzlich erteilter Vollmacht geht auch – als praktisch häufiger Fall (!) – das ABGB aus. Es versieht die §§ 1002 ff ABGB mit der Marginalrubrik: „Bevollmächtigungsvertrag „, trennt also noch nicht klar zwischen dem der Erteilung von Vertretungsmacht dienenden einseitigen Rechtsgeschäft, der „Vollmacht „ und der (allenfalls) parallel dazu bestehenden vertraglichen Beziehung „Auftrag „. Vgl aber die Bemerkung zu § 1017 ABGB → Parteien und Rechtsfolgen direkter Stellvertretung
Bevollmächtigungsvertrag
Auch das Preußische Landrecht / ALR, dem das ABGB folgt, kennt die Unterscheidung zwischen Vollmacht und Auftrag noch nicht.
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2. Die indirekte Stellvertretung
Im eigenen Namen Der indirekte(mittelbare, unechte oder verdeckte) Stellvertreter handelt nicht in fremdem (wie der direkte), sondern im eigenen Namen. Das heisst: Es erfolgt auch keine Offenlegung der im Innenverhältnis erteilten Ermächtigung.
Im eigenen Namen
Ermächtigung meint im Privatrecht eine (einseitige) Erklärung, dass der Erklärende das künftige Verhalten eines andern – hier des indirekten Stellvertreters – gegen sich gelten lassen will.


Indirekte Stellvertretung
Abbildung 13.2:
Indirekte Stellvertretung
Der indirekte Stellvertreter handelt aber – wie der direkte – auf fremde Rechnung, nämlich die des eigentlichen, wenn auch verdeckten Geschäftsherrn. – Die Rechtsfolgen aus dem zwischen ihm und dem Dritten geschlossenen Geschäft treffen aber – anders als bei der direkten Stellvertretung – zunächst den indirekten Stellvertreter selbst. Dieser wird zB aus dem (auf Rechnung des „Vertretenen”) abgeschlossenen Kaufvertrag selbst berechtigt und verpflichtet; § 1017 Satz 3 ABGB.
Auf fremde Rechnung
Der indirekte Stellvertreter muss daher die formal von ihm selbst erworbene Rechtsposition in einem eigenen, neuerlichen Rechtsgeschäft / Vertrag auf den „Vertretenen” übertragen; Übertragungsgeschäft. – Das ist umständlich, unsicher und uU teuer. Daher wurde nach einem Ausweg gesucht und in der direktenStellvertretung gefunden.
Übertragungsgeschäft
Ein gesetzliches Beispiel einer indirekten Stellvertretung enthalten die §§ 383 ff HGB; Kommissionsgeschäft. Auch der sog Strohmann ist (bloß) mittelbarer Stellvertreter.
Kommissionsgeschäft und Strohmann
Das Kommissionsgeschäft und damit die indirekte Stellvertretung spielen heute noch eine Rolle im Rahmen der Wertpapierkommission der Banken, aber auch im Rahmen der Rechtsbeziehung zwischen Verlagen und dem Buch- und Zeitschriftenhandel sowie bei Second Hand-Läden. Die problematische Zeitschriftenvielfalt in Kiosken und Tankstellen wäre ohne dieses Rechtsinstitut undenkbar. – Das Komissionsgeschäft dient auch der Verlagerung des Verkaufsrisikos; zB vom Buchhändler oder Zeitschriftenverkäufer auf den Verleger.
Der Rechtsfigur des Strohmanns bedient sich die Rechtspraxis in legaler und illegaler Absicht. – Legal ist es, dass eine Person bspw ein Grundstück erwirbt, dabei aber nicht an die Öffentlichkeit treten will. Die Rechtsfigur wird immer wieder zu unerlaubter Umgehung → KAPITEL 11: Die (Gesetzes)Umgehung. – etwa im Rahmen des (Ausländer)Grundverkehrs – benützt.


Kommissionsgeschäft: §§ 383 – 406 HGB
Abbildung 13.3:
Kommissionsgeschäft: §§ 383 – 406 HGB
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3. Direkte Stellvertretung: Anwendungsbereich
Bei der direkten Stellvertretung wird dem Vertreter Vertretungsmacht – dh rechtliches Handeln-Können, nicht Handeln-Müssen, für andere, hier den Vertretenen – verliehen. – Diese Vertretungsmacht betrifft das Außenverhältnis, also das rechtliche Verhältnis des Stellvertreters zu Dritten. Nach der Terminologie des ABGB erteilt der Machtgeber dem Machthaber Vertretungsmacht.
Vertretungsmacht
Sie kann(→ Entstehungsquellen der Vertretungsmacht) auf verschiedene Weise geschehen, nämlich:
Begründung von Vertretungsmacht
• durch Rechtsgeschäft: nur dann heißt sie Vollmacht;
• durch Statuten oder den Gesellschaftsvertrag;
• durch Gesetz (zB Eltern als gesetzliche Vertreter der Kinder): dann heißt sie gesetzliche Vertretung;
• oder durch den Richter: zB Sachwalterbestellung oder Bestellung eines Patientenanwalts nach dem UbG.
Die statutarische Begründung von Vertretungsmacht ist ein Unterfall der rechtsgeschäftlichen, die richterliche ein Unterfall der gesetzlichen.
Die Rechtsordnung gestattet ein rechtlich wirksames Handeln für andere (insbesondere das Bewirken von Verpflichtungen für andere) – gleichsam präventiv – nur unter ganz bestimmten Kautelen / Voraussetzungen (→ Voraussetzungen moderner Stellvertretung):
Voraussetzungen wirksamer Stellvertretung
• Das Vorliegen von Vertretungsmacht; zB Vollmachterteilung. Dabei muss die Vertretungsmacht stets von dem stammen, der vertreten werden soll; Selbstverpflichtung.
• Das Handeln in fremdem Namen muss für den Dritten auch erkennbar sein; der Vertreter muss sich daher als solcher zu erkennen geben. – Die Vertretungsmacht muss, soll es sich um gültige direkte Stellvertretung handeln, offengelegt werden; Offenlegungsgrundsatz.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 2000, 170 (Blutspender wird mit Hepatitis C infiziert): Nach allgemeinen Regeln (§ 863 ABGB) und dem Grundsatz, dass mangels Offenlegung eines Vertretungsverhältnisses jeder im eigenen Namen handelt, wird derjenige, der sich in eine Arztordination oder in ein ärztliches Labor oder in ein sonstiges medizinisches Institut begibt, mit dem freiberuflich tätigen Arzt oder mit dem Inhaber des Instituts oder Labors kontrahieren.
Das moderne Wirtschaftsleben ist der Hauptanwendungsbereich von direkter Stellvertretung und Vollmacht. Modernes Wirtschaften, insbesondere das großer Unternehmungen, ist ohne das Rechtsinstitut der direkten Stellvertretung undenkbar. Das Handelsrecht hat daher eigene Stellvertretungsformen und kaufmännische Hilfspersonen entwickelt und gesetzlich näher geregelt. Sie bauen – wie das Handelsrecht insgesamt – auf dem bürgerlichen Recht auf.
Handelsrecht hat eigene Vertretungsformen entwickelt
Im kaufmännischen Bereich sind dies unselbständige (die beiden erstgenannten) und selbständige Hilfspersonen:
Kaufmännische Hilfspersonen
Prokura (§§ 48 ff HGB) → Vollmachtsarten
Handlungsvollmacht (§§ 54 ff HGB) an Betriebsangehörige / Angestellte → Handelsrechtliche Vollmachten
Handelsvertreter (im Anschluss), und
• (Handels)Makler → KAPITEL 12: Makler.
Handelsvertreter ist nach § 1 Abs 1 HVertrG:
Der Handelsvertreter
Rechtsquelle: HVertrG 1993, BGBl 88
• „ ... wer von einem anderen... [= Unternehmer]
• mit der Vermittlung [= Vermittlungsvertrag] oder dem Abschluss [= Abschlussvertrag] von Geschäften, ...
in dessen Namen und für dessen Rechnung
ständig betraut ist und
• diese Tätigkeit selbständig und gewerbsmäßig ausübt.”
Der Handelsvertreter ist Kaufmann nach § 1 Abs 2 Z 7 HGB. Bedeutsam ist der konkret geschlossene Vertrag, der daher sorgfältiger Ausarbeitung bedarf; Kautelarjurisprudenz. Eine Ausnahme bilden die Liegenschaftsgeschäfte; § 1 Abs 1 HVertrG. Handelsvertreter können auch zu mehreren Geschäftsherrn in ständiger Geschäftsbeziehung stehen. Das Entgelt von Handelsvertretern heißt Provision.
Kaufmann
• § 3 HVertrG regelt die Befugnisse des Handelsvertreters; zB Annahme von Zahlungen
Weitere Regelungen des HVertrG
• § 3 Abs 3: „Ist der Handelsvertreter als Reisender tätig, so gilt er als ermächtigt, den Kaufpreis aus den von ihm geschlossenen Verkäufen einzuziehen [Inkasso ] oder dafür Zahlungsfristen zu bewilligen.”
• § 3 Abs 4: Möglichkeit der Abgabe der Mängelrüge gegenüber dem Handelsvertreter;
• § 5 HVertrG: Der Handelsvertreter hat die Interessen des Unternehmers mit Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen und den Unternehmer unverzüglich von Geschäftsabschlüssen zu verständigen.
• § 6: Unterstützungspflichten des Unternehmers
• § 7: Verbot der Annahme von Belohnungen
• §§ 8 ff: Vergütung / Provision
• § 13: Auslagenersatz
• § 14: Abrechnung und Vorschußleistung
• § 15: Fälligkeit der Provision
• § 16:Buchauszug und Büchereinsicht
• § 17: Gewinnbeteiligung
• § 18: Verjährung aus Vertragsverhältnis (3 Jahre)
• § 19: Zurückbehaltungsrecht;
• §§ 20 ff: Beendigung des Vertragsverhältnisses
• § 20: Fristablauf
• §§ 21 f: Kündigung, vorzeitige Auflösung
• § 25: Konkurrenzklausel
• § 26: Konkurs des Unternehmers
Ein anderer wichtiger Anwendungsbereich moderner Stellvertretung ist das Verfahrensrecht: Vertretung durch Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater etc; vgl etwa §§ 26 ff ZPO: Prozessvollmacht.
Prozessvollmacht
§ 26 ZPO
(1) Die Parteien können, sofern in diesem Gesetze nicht etwas anderes bestimmt ist, Processhandlungen entweder in Person oder durch Bevollmächtigte vornehmen.
(2) Die Vertretung durch einen Bevollmächtigten schließt auch in jenen Fällen, in welchen die Vertretung durch Rechtsanwalt geboten ist, nicht aus, dass die Partei in Begleitung ihres Bevollmächtigten vor Gericht erscheint und daselbst neben diesem mündliche Erklärungen abgibt.”
Nicht alle Rechtsgeschäfte eignen sich zur Stellvertretung. Es gibt auch sog vertretungsfeindliche Rechtsgeschäfte: wie zB Eheschließung oder Testamentserrichtung. – Es handelt sich dabei um Rechtsakte, die nur höchstpersönlich ausgeübt werden können. Die Rechtsgeschichte kennt freilich auch hier Ausnahmen; zB Soldatentestament oder Ferntrauung von Soldaten.
Vertretungsfeindliche Rechtsgeschäfte
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4. Parteien und Rechtsfolgen direkter Stellvertretung
Die Parteien der Stellvertretung heißen:
Parteien
• Machtgeber = Vertretener,
• Machthaber = Stellvertreter und
• Dritter = RechtsgeschäftspartnerIn des Stellvertreters.
Die Rechtsfolge moderner – direkter – Stellvertretung besteht – wie angedeutet – darin, dass die Rechtswirkungen des zwischen Machthaber / Stellvertreter und Drittem abgeschlossenen Rechtsgeschäfts unmittelbar beim Vertretenen eintreten. Vgl
Rechtsfolge
㤠1017 ABGB
Insofern der Gewalthaber nach dem Inhalte der Vollmacht den Gewaltgeber vorstellt, kann er ihm Rechte erwerben und Verbindlichkeiten auflegen. Hat er also innerhalb der Grenzen der offenen Vollmacht mit einem Dritten einen Vertrag geschlossen; so kommen die dadurch gegründeten Rechte und Verbindlichkeiten dem Gewaltgeber und dem Dritten; nicht aber dem Gewalthaber zu.”
Dies zeigt, dass bereits das ABGB die echte Stellvertretung kannte und nur durch die unglückliche Verbindung von Vollmacht und Auftrag zum „Bevollmächtigungsvertrag” letzte Klarheit nicht erreichte.
Es braucht also bei der modernen, direkten Stellvertretung nicht den umständlichen Vorgang der Übertragung der Rechtsfolgen vom Machthaber auf den Machtgeber / Vertretenen.
Keine Stellvertretung gibt es im deliktischen Bereich. – Für deliktisches Verhalten hat vielmehr jeder selbst einzustehen. Das Strafrecht kennt aber die Mittäterschaft; § 12 StGB. – Vgl auch die §§ 1301 und 1302 ABGB.
Delikte
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5. Gegenseitige Rechte und Pflichten
§ 1009 ABGB handelt von den „Rechten und Pflichten des Gewalthabers „ (= Stellvertreter). – Niemand muss eine Stellvertretung übernehmen! Wer sie aber übernimmt, hat diese – nach der schönen Formulierung des § 1009 ABGB:
• „emsig und redlich zu besorgen „! Und der Vertreter hat ferner
• „allen [!] aus dem Geschäfte entspringenden Nutzen dem Machtgeber zu überlassen „.
Auf der anderen Seite kann der Stellvertreter „alle Mittel anwenden, die mit der Natur des Geschäftes notwendig verbunden, oder der erklärten Absicht des Machtgebers gemäß sind”. – Das hat Folgen für den Machtgeber; vgl die §§ 1014 ff ABGB.
Rechte und Pflichten des Gewaltgebers
Die §§ 1014 ffABGB regeln die Rechte und Pflichten des Gewaltgebers. – Er hat dem Machthaber insbesondere:
• allen im Rahmen der Stellvertretung notwendigen oder nützlichen Aufwand zu ersetzen; „selbst bei fehlgeschlagenem Erfolge” (§ 1014 ABGB) und
• auf Verlangen „zur Bestreitung der baren Auslagen ... einen angemessenen Vorschuss zu leisten”; und
• „er muss ferner allen durch sein Verschulden entstandenen, oder mit der Erfüllung des Auftrages verbundenen Schaden vergüten”; dazu → KAPITEL 12: Schadenersatzpflicht des Auftraggebers.
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6. Abgrenzungen
Zu unterscheiden ist die Stellvertretung von einigen ähnlichen Rechtsinstituten, insbesondere:
Ein Bote überbringt nicht wie der Stellvertreter eine eigene Willenserklärung, sondern eine fremde; ein Bote braucht daher auch nicht geschäftsfähig zu sein, während ein Stellvertreter wenigstens beschränkt (!) geschäftsfähig sein muss; § 1018 ABGB. – Der Bote ist bloß Werkzeug; daher können auch Brieftaube oder Hund Bote sein. Natürlich auch Kinder! – Die Abgrenzung zum Boten ist aber nicht immer leicht. Die Rspr stellt iSd Vertrauenstheorie auf das objektive äußere Verhalten ab. Frage: Wie musste / konnte der Dritte das Handeln verstehen? Als das eines Boten oder eines Stellvertreters?
Botenstellung
Zu unterscheiden ist der Erklärungsbote (aktiv), vom Empfangsboten (passiv); zB Angestellte überbringt Offerte ihrer Chefin, Sekretär des Adressaten nimmt sie entgegen. – Zur Handlungs- und Empfangsvollmacht → Handlungs- oder Empfangsvollmacht.
Rechtsgeschäftliche Vermittlung obliegt heute sog Maklern: Hier wird nicht das Rechtsgeschäft selbst vom Vermittler /Makler abgeschlossen, sondern es werden von ihm nur vorbereitende Arbeiten zum Abschluss desselben durch die Parteien geleistet; zB Versicherungs-, Börsen- oder Immobilienmakler.
Vermittlung
Treuhänder handeln nicht – wie der direkte Stellvertreter – in fremdem Namen, sondern im eigenen Namen, wenngleich aufgrund vertraglicher Verpflichtung zur Wahrung der Interessen des Treugebers; mehr → KAPITEL 15: Die Treuhand.
Treuhand
Die Treuhand ist gesetzlich nicht geschlossen geregelt, vielmehr ein vornehmlich von Rspr und Schrifttum entwikkeltes Rechtsinstitut. Daneben finden sich einzelne gesetzliche Erwähnungen/Regelungen. – Die Personen der Treuhand sind der Treugeber und der Treuhänder. Aus dem geschlossenen Treuhandvertrag entsteht das Treuhandverhältnis. Der Treuhänder übt eigenes Recht im eigenen Namen, wenngleich im Interesse des Treugebers aus. Daher die Merkformel: „Der Treuhänder kann mehr als er darf.” Damit wird der Rechtsüberschuss des Treuhänders im unbeschränkten Außenverhältnis angesprochen und darauf angespielt, dass der Treuhänder im Innenverhältnis idR sehr wohl Beschränkungen unterliegt.
Einen neuen Aufgabenbereich für die Treuhand brachte das BTVG 1997 (→ KAPITEL 15: Das Bauträgervertragsgesetz / BTVG), das die Treuhand als Sicherungsmittel für die Abwicklung bestimmter Liegenschaftskäufe einsetzt. – Vgl auch § 202 Abs 2 KO: Treuhandbestellung im Rahmen des Privatkonkurs- Abschöpfungsverfahrens → KAPITEL 19: Privatkonkurs.
Rechtssprechungsbeispiel
Rechtsanwalt wird von Käufer und Verkäufer zur Abwicklung eines Liegenschaftskaufs beauftragt; vgl etwa EvBl 1999/196: Pflichten des Treuhänders; oder – Steuerberater übergibt seine Kanzlei für die Zeit seiner politischen Tätigkeit an einen Treuhänder.
Literaturquelle
Abzugrenzen von der Stellvertretung (= Handeln in fremdem Namen) ist ferner das (unerlaubte) Handeln unter fremdem Namen. – Natürlich kann der unter fremdem Namen Auftretende – also der zB mit falschem Namen Auftretende – den namentlich Betroffenen nicht verpflichten. Es fehlt an allen Voraussetzungen (→ Voraussetzungen moderner Stellvertretung) einer gültigen rechtsgeschäftlichen Stellvertretung!
Handeln unter fremdem Namen
Besondere Vorkehrungen werden im Bereich von Internet und e-commerce getroffen, um ein Handeln unter fremdem Namen auszuschalten → KAPITEL 2: Internet und Recht.
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7. Voraussetzungen moderner Stellvertretung
Es wurde schon erwähnt, dass man grundsätzlich nur sich selbst berechtigen und verpflichten kann; Grundsatz der Selbstverpflichtung. Wenn das Gesetz davon eine Ausnahme macht, knüpft es diese an Bedingungen. – Was sind nun – zusammengefasst – die Voraussetzungen moderner direkter Stellvertretung?
Grundsatz der Selbstverpflichtung
• Der Stellvertreter braucht Vertretungsmacht und
• er muss als Machthaber im Namen des Vertretenen, also des Machtgebers handeln; und zudem muss dieses Handeln in (nicht unter!) fremdem Namen
offengelegt werden; dh es muss dem Dritten erkennbar werden! Man nennt das Offenlegungsgrundsatz. § 1017 ABGB spricht von „offener Vollmacht” im Gegensatz zur „geheimen” oder verdeckten bei der indirekten Stellvertretung.
Offenlegung
Nur unter Einhaltung aller dieser Voraussetzungen treffen die Rechtsfolgen des abgeschlossenen Geschäfts den Machtgeber / Vertretenen unmittelbar und nicht nur den handelnden Stellvertreter (selbst).
Wer sich also bloß als Vertreter ausgibt, ohne es zu sein, oder wer seine Vertretungsmacht überschreitet (sog falsus procurator → Vertreter ohne Vertretungsmacht ), kann den Vertretenen nicht berechtigen und verpflichten. Aber auch ein Vertreter, der Vertretungsmacht besitzt, aber nicht im Namen des Vertretenen auftritt, löst die Wirkungen direkter Stellvertretung nicht aus; Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel → Abschluss sog unternehmensbezogener Geschäfte – Verzicht auf strikte Offenlegung: Abschluss sog unternehmernsbezogener Geschäfte.
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8. Entstehungsquellen der Vertretungsmacht
Dass jemand als Stellvertreter handeln darf, kann verschiedene Gründe haben. Rechtliche Vertretungsmacht fließt aus verschiedenen Quellen:
Rechtsgeschäftliche oder gewillkürte Stellvertretung: Die einseitige Willenserklärung / das einseitige Rechtsgeschäft, womit rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht übertragen / erteilt wird, heißt Vollmacht → Die Vollmacht Der Vollmacht kommt von allen Begründungsarten der Stellvertretung die größte praktische Bedeutung zu.
rechtsgeschäftliche Stellvertretung
• Statut / Satzung / Gesellschaftsvertrag; organschaftliche oder statutarische Vertretung bei juristischen Personen: zB Geschäftsführer einer GmbH oder Vereinsvorstand. – Die Bestellung zum Organ begründet kraft Statut / Satzung / Gesellschaftsvertrag Vertretungsmacht.
statutarische Stellvertretung
Gesetzliche Stellvertretung: zB §§ 151 Abs 1, 154, 865 ABGB; vgl die Ausführungen zur Geschäftsfähigkeit Minderjähriger! → KAPITEL 4: Wer ist gesetzlicher Vertreter?. – Vater, Mutter als gesetzliche Vertreter ihrer minderjährigen Kinder; vgl § 1034 Satz 2 ABGB.
gesetzliche Stellvertretung
Richterliche Erteilung von Vertretungsmacht: zB Vormund, Kurator, Sachwalter, Masseverwalter im Konkurs; vgl § 1034 Satz 1 ABGB.
richterliche Stellvertretung
Das ABGB spricht in der Überschrift vor § 1034 ungenau von „Gerichtliche[r] und gesetzliche[r] Bevollmächtigung”. Aber die richterliche Erteilung von Vertretungsmacht beruht ebenfalls auf dem Gesetz.
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9. Vertreter ohne Vertretungsmacht
Rechtsquellen: – §§ 1009 und 1016 ABGB; – HGB
Das römische Recht sprach von falsus procurator; heute kurz auch: Falsus
Falsus
Der Vertreter ohne Vertretungsmacht handelt zwar in fremdem Namen, aber er erfüllt nicht die gesetzlichen Voraussetzungen gültiger Stellvertretung; dh er besitzt keine ordentliche Vertretungsmacht. – Dafür gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten:
Keine ordentliche Vertretungsmacht
• § 1016 ABGB nennt bloß den Fall, dass ein Vertreter seine Vertretungsmacht überschreitet.
• Es kann aber auch sein, dass die Vertretungsmacht (ursprünglich) zwar bestanden hat, mittlerweile aber erloschen ist, und
• schließlich kann Vertretungsmacht überhaupt fehlen, gar nicht erteilt worden sein.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 20. 1. 2000, 2 Ob 5/00z, SZ 73/11: Mehrheitseigentümer einer Liegenschaft überträgt mit schriftlicher Vollmacht die Hausverwaltung an einen Dritten. Darin wird dieser zur in Empfangnahme von Geldern jedoch nicht zur Darlehensaufnahme bevollmächtigt. Trotzdem nimmt der Verwalter einen Kredit unter Berufung auf seine Vollmacht auf. Das Geld verwendet er zur Tilgung offener Verbindlichkeiten des Mehrheitseigentümers. – OGH: Wer einem falsus procurator auf Grund eines unwirksamen Geschäftes geleistet hat, wobei der Scheinvertreter grundsätzlich zwar nicht zum Abschluss des Grundgeschäfts, aber zur Empfangnahme von Leistungen ermächtigt war, hat einen Kondiktionsanspruch gegen den Vertretenen, wenn der Vertreter das Empfangene tatsächlich an den Vertretenen weitergeleitet hat; hier: durch Zahlung offener Verbindlichkeiten des Vertretenen an sich selbst.(?)
Ein Vertreter ohne Vertretungsmacht kann den Vertretenen nicht verpflichten. Es besteht allerdings die Möglichkeit (§ 1016 ABGB), dass der fälschlich Vertretene das Geschäft nachträglich genehmigt (ratihabiert / Ratihabition), was iSd § 863 ABGB auch schlüssig erfolgen kann; zB indem sich der Vertretene „den aus dem Geschäfte entstandenen Vorteil ... zuwendet.”; § 1016 ABGB Schluss.
Ratihabition
Rechtsfolge bei Nichtgenehmigung: Falls aber der Vertretene nicht an Genehmigung denkt, kann der Dritte den Falsus „zur Verantwortung” ziehen. – Was meint das Gesetz damit? Die Lösung bietet § 1009 ABGB letzter Satz (Faistenberger): Danach haftet der Vertreter ohne Vertretungsmacht (dem Dritten) für den Erfüllungs- und nicht nur für den Vertrauensschaden. Der Falsus muss daher den von ihm für den Vertretenen geschlossenen Vertrag selber zuhalten. Allerdings nur, wenn der Dritte es will; dh, wenn der Dritte auf Vertragserfüllung besteht. Es liegt also nicht am Falsus den Vertrag mit dem Dritten aufrechtzuerhalten! – Die Haftung des Falsus ist eine normale Verschuldenshaftung (für omnis culpa), greift also ab leichter Fahrlässigkeit.
Haftung des Falsus
Sonderregelungen: ABGB, HVertrG, HGB
• Eine Sonderregelung enthält § 1026 ABGB für den Fall, dass dem Dritten, die Aufhebung der Vollmachtohne sein Verschulden unbekannt war”. Der vom Falsus in einem solchen Fall mit dem Dritten geschlossene Vertrag bleibt (für den Vertretenen!) verbindlich und dieser (!) muss sich an den Falsus halten, der (dem Dritten) die Aufhebung der Vollmacht verschwiegen hat.
• Eine weitere Sonderregelung enthält § 2 Abs 2 HVertrG, wenn ein bloßer Vermittlungsvertreter mit einem Dritten ein Geschäft im Namen des Unternehmers abgeschlossen hat. Das Gesetz erklärt dieses Geschäft für gültig– Fiktion der Genehmigung durch den Unternehmer, wenn der Unternehmer nicht unverzüglich dem Dritten gegenüber das Geschäft ablehnt.
• Das HGB (Art 8 Nr 11 EVHGB) trifft eine vom ABGB abweichende Lösung, was sachgerecht erscheint. – Sie folgt dem dtBGB und lautet:
(1) „Wer als Vertreter ein Handelsgeschäft geschlossen hat, ist, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadenersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert.”
Kannte der Falsus den Mangel nicht, haftet er nach Abs 2 unserer Bestimmung nur für den Vertrauensschaden. Nach Abs 3 haftet der Vertreter auch nicht, „wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste.”
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II. Die Vollmacht
1. Erteilung der Vollmacht
Wir wissen bereits, dass Stellvertretung rechtlich nur wirksam ist, wenn Vertretungsmacht korrekt erteilt wurde → Voraussetzungen moderner Stellvertretung Die Vollmacht ist nun jenes rechtliche Instrument, mittels dessen Vertretungsmacht (rechtsgeschäftlich) erteilt wird. Man spricht deshalb auch von gewillkürter Stellvertretung; vgl die Marginalrubrik zu § 49 IPRG.
Kein Vertrag
Vollmacht wird durch einseitige Willenserklärung erteilt. Sie ist kein Vertrag (!), vielmehr einseitige/s Willenserklärung/Rechtsgeschäft. – Ihre Erteilung durch den Machtgeber kann aber in eine vertragliche Beziehung eingebettet sein, dh im Rahmen eines (schon) bestehenden oder doch gleichzeitig abgeschlossenen Vertrags erteilt werden; dazu gleich unten. – Als einseitige und empfangsbedürftige Willenserklärung wird die (erteilte) Vollmacht mit Zugang wirksam. Eine Annahme ist daher nicht nötig; JB 212 (1914).
Vollmacht wird idR zu rechtsgeschäftlichem Handeln des Bevollmächtigten erteilt, aber sie kann auch bloss zur Vornahme von Rechtshandlungen (dazu → KAPITEL 5: Die Rechtshandlungen) dienen. Das spielt bei sog Patientenverfügungen (→ KAPITEL 17: Exkurs: Die Patientenverfügung) eine Rolle, die nach us-amerikanischem Vorbild mittlerweile auch in Europa mit einer „Vorsorgevollmacht “ verbunden werden. Die so bevollmächtigte Person handelt dann allenfalls anstelle der betroffenen Person, wenn diese nicht mehr in der Lage ist, selbst über die Vornahme oder Nichtvornahme bestimmter medizinischer Behandlungen zu entscheiden. – Das lehrt uns, dass das Rechtsinstitut der Stellvertretung nicht nur im rechtsgeschäftlichen Bereich, sondern auch in dem der Rechtshandlungen Anwendung findet.
Vorsorgevollmacht
Die Vollmachterteilung kann:
Wer ist Adressat der Vollmachtserteilung?
• dem Bevollmächtigten selbst zugehen, man spricht dann von interner Vollmachtserteilung; oder auch
• an den betroffenen Dritten oder an die Öffentlichkeit gerichtet sein (externe Bevollmächtigung): OGH 16.1.1986, 6 Ob 511/86.
Die erteilte Vollmacht allein, verpflichtet den Bevollmächtigten noch zu nichts, räumt ihm vielmehr nur die rechtliche Befugnis ein, für einen anderen handeln zu können (nicht zu müssen!)
Handlungs- oder Empfangsvollmacht
Die Vollmacht kann zu aktivem Handeln (Handlungs- oder Erklärungsvollmacht) oder zu passiver/m Entgegennahme/Empfang (Empfangsvollmacht) erteilt werden; vgl § 54 HGB (→ Handelsrechtliche Vollmachten: Handlungsvollmacht des Handelsrechts) und die Empfangsvollmacht des Art 8 Nr 9 EVHGB für den Überbringer einer Quittung:
„Der Überbringer einer Quittung gilt als ermächtigt, die Leistung zu empfangen, sofern nicht die dem Leistenden bekannten Umstände der Annahme einer solchen Ermächtigung entgegenstehen.”
Zu unterscheiden sind:
Wichtige Unterscheidung
• das Grundverhältnis (zwischen Machtgeber und Machthaber, es wird auch Innenverhältnis genannt) und andrerseits
• das Ausführungsgeschäft des bevollmächtigten (Stell)Vertreters mit dem Dritten: Außenverhältnis.
Zur Bedeutung von Willensmängeln im Verhältnis zwischen Machtgeber und Machthaber → KAPITEL 5: ¿Wer¿ kann anfechten?.
Vollmachtserteilungen sind häufig eingebettet in vertragliche Beziehungen, die zwischen Machtgeber und Machthaber (bereits) bestehen oder doch begründet werden (Grundverhältnis); sei es ein Arbeits- oder Dienstvertrag, ein Auftrag oder ein Gesellschaftsverhältnis. – Das ABGB selbst fasst diesen praktisch häufigen Fall – wie eingangs erwähnt – begrifflich im Terminus des Bevollmächtigungsvertrags zusammen (Überschrift vor § 1002 ABGB), verbindet also – als wäre dies die einzig mögliche Form – Vollmacht und Auftrag. Das führt immer wieder zu Verwirrung. Auftrag und Vollmacht können, müssen aber nicht verbunden sein; dh: es gibt sowohl vollmachtlose Aufträge, wie auftraglose Vollmachten.
Bevollmächtigungsvertrag
Anders als die Vollmacht ist der Auftrag ein Vertrag. – Inhaltlich enthält ein Auftrag die Geschäftsbesorgung für andere auf Rechnung des Auftraggebers / Geschäftsherrn. Beim Auftrag geht es – wie bei der Stellvertretung – um die Durchführung von Rechtsgeschäften oder doch Rechtshandlungen. Das unterscheidet Auftrag und Stellvertretung vom Arbeitsvertrag und vom Werkvertrag, bei denen es um das Verrichten faktischer Arbeiten / Dienste geht; Büroarbeit, Baumeister.
Vollmacht und Auftrag
Der Unterschied von Auftrag und Stellvertretung liegt auch darin, dass dem Auftrag immer eine vertragliche Beziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zugrunde liegt, während Stellvertretung grundsätzlich auf Vollmacht, also einseitiger rechtsgeschäftlicher Erklärung beruht (die den Bevollmächtigten noch zu nichts verpflichtet!). Der Auftrag statuiert demnach eine vertragliche Pflicht des Auftragnehmers, die ihm übertragenen Geschäfte auf Rechnung des Auftraggebers zu besorgen. – Ein weiter Unterschied liegt darin, dass der Auftrag im Innenverhältnis wirkt, die Stellvertretung dagegen im Außenverhältnis.
Beispiele aus der Praxis: – Dauerauftrag einer Bankkundschaft für die eigene Hausbank; – Dauervollmacht(ohne Auftrag) an einen Rechtsanwalt; – Erteilung einer Hausverwaltervollmacht im Rahmen eines zwischen Mit- / Wohnungseigentümern und einem Hausverwalter abgeschlossenen Vertrag.


Begriffliche Gegenüberstellung


Vollmacht = Begründet ein rechtliches Handeln-Können und betrifft das Außenverhältnis. Vollmacht entsteht idR durch rechtsgeschäftliche Begründung von Vertretungsmacht = Handeln in fremdem Namen und auf fremde Rechnung.
Ermächtigung = Begründet ein rechtliches Handeln-Dürfen. Ermächtigte werden durch einseitige Willenserklärung berechtigt in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung handeln zu dürfen. Der Ermächtigende erklärt, künftig das Handeln des Ermächtigten gegen sich gelten zu lassen. Dazu ist keine Zustimmung des Ermächtigten nötig. Sie betrifft das Innenverhältnis; typisch indirekte Stellvertretung!
Auftrag = Begründet ein rechtliches Handeln-Sollen (iSv Müssen). Er ist ein Vertrag (zweiseitiges RG) und verpflichtet den Beauftragten zu rechtsgeschäftlichem Handeln auf Rechnung des Auftraggebers. Er betrifft (wiederum nur) das Innenverhältnis
Bevollmächtigungsvertrag: Diktion des ABGB in § 1002 = Verbindung von Auftrag und Vollmacht (in einem einheitlichen Vertrag) !
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2. Vollmachtsarten
Zur Unterscheidung des ABGB zwischen offener und geheimer Vollmacht (§ 1017 ABGB) → Voraussetzungen moderner Stellvertretung
offene und geheime Vollmacht
Generalvollmacht (ABGB = allgemeine Vollmacht) und Spezialvollmacht (ABGB = besondere Vollmacht): „ ... je nachdem jemandem die Besorgung aller, oder nur einiger Geschäfte anvertraut wird”; § 1006 Satz 1 ABGB.
General- und Spezialvollmacht
Beispiel
Unumschränkte oder beschränkte Vollmacht:
Unumschränkte oder beschränkte Vollmacht
„Vollmachten werden entweder mit unumschränkter oder mit beschränkter Freiheit zu handeln erteilt. Durch die erstere wird der Gewalthaber berechtigt, das Geschäft nach seinem besten Wissen und Gewissen zu leiten: durch die letztere aber werden ihm die Grenzen, wie weit, und die Art, wie er dasselbe betreiben soll, vorgeschrieben.” (§ 1007 ABGB)
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 24/169 (1951): Die Bevollmächtigung zum Verkauf einer Liegenschaft umfasst noch nicht die Vollmacht, auf Kosten des Auftraggebers ein Realitätenbüro mit dem Verkauf und der Ermittlung von Interessenten zu beauftragen.
Die Bevollmächtigung kann eine unentgeltliche oder entgeltliche sein; § 1004 ABGB. Sie kann nach § 1005 ABGB mündlich oder schriftlich erteilt werden.
Unentgeltliche oder entgeltliche, mündliche oder schriftliche Vollmacht
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3. Handelsrechtliche Vollmachten
Gewisse Vollmachten, etwa die handelsrechtliche Generalvollmacht – die Prokura – sind ihrer praktischen Bedeutung wegen gesetzlich näher umschrieben. Die Prokura ermächtigt – gemäß § 49 HGB – „zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines [nicht des Unternehmens in dem sie erteilt wird! – Unterschied zur Handlungsvollmacht!] Handelsgewerbes mit sich bringt.”
Prokura
Trotz dieser Generalklausel bestehen Beschränkungen:
gesetzliche Beschränkungen der Prokura
• „Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist [aber] nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist”; § 49 Abs 2 HGB.
• „Eine [rechtsgeschäftliche!] Beschränkung des Umfanges der Prokura ist Dritten gegenüber unwirksam; § 50 Abs 1 HGB. Dies gilt insbesondere von der Beschränkung, dass die Prokura nur für gewisse Geschäfte oder gewisse Arten von Geschäften oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten ausgeübt werden soll”; § 50 Abs 2 HGB.
• Die Erteilung der Prokura ist im Firmenbuch (früher Handelsregister) einzutragen; § 53 Satz 1 HGB.
• Die Prokura ist (vom Inhaber) nicht übertragbar und erlischt nicht durch den Tod des Geschäftsherrn; § 52 Abs 1 HGB.
• „Sie kann jederzeit ohne Rücksicht auf einen allenfalls weiterbestehenden Dienstvertrag oder Auftrag widerrufen werden „; § 52 Abs 1 HGB.
Sonderformen der Prokura:
Sonderformen der Prokura
Gesamtprokura (§ 48 Abs 2 HGB),
gemischte und die
Filialprokura; § 50 Abs 3 HGB.
Von der Prokura ist die Handlungsvollmacht zu unterscheiden. Sie erstreckt sich „auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen (!) Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt”; § 54 HGB. – Die Handlungsvollmacht ist also deutlich „enger” angelegt als die Prokura und zudem an der konkreten Unternehmenstätigkeit orientiert!
Handlungsvollmacht


Prokura (1)
Abbildung 13.4:
Prokura (1)


Prokura (2)
Abbildung 13.5:
Prokura (2)


Prokura (3)
Abbildung 13.6:
Prokura (3)


Handlungsvollmacht (1)
Abbildung 13.7:
Handlungsvollmacht (1)


Handlungsvollmacht (2)
Abbildung 13.8:
Handlungsvollmacht (2)


Handlungsvollmacht (3)
Abbildung 13.9:
Handlungsvollmacht (3)
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4. Duldungs- oder Anscheinsvollmacht
Wir haben schon gehört, dass die Vollmacht nicht nur ausdrücklich, sondern auch schlüssig oder stillschweigend (iSd § 863 ABGB) erteilt werden kann und das ABGB selbst die Verwaltungs- und Ladenvollmacht kennt; §§ 1029 ff ABGB. – Die Vollmacht ist – wie wir gehört haben – die einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Machtgebers / Vertretenen gerichtet an:
• den Stellvertreter / Machthaber; sog Innenvollmacht;
• oder an Dritte / die Öffentlichkeit; sog Außenvollmacht.
Der Grundgedanke der §§ 1029 – 1031 ABGB – als gesetzlich geregelten Fällen stillschweigend erteilter Vollmacht, wird über den dort geregelten Bereich hinaus angewandt; man spricht in solchen Fällen von Duldungs- oder Anscheinsvollmacht und verlangt dafür folgende Voraussetzungen:
Verwaltungs- und Ladenvollmacht
• Vertretener duldet oder erweckt den Anschein, dass die Vollmacht von ihm ausgeht, also eine Art äußerer Tatbestand einer Vollmachtserteilung vorliegt und der Vertretene nicht widerspricht;
• dann wird das Vertreterverhalten dem Vertretenen zugerechnet.
Unbedingte Voraussetzung dafür ist aber, dass die Anscheinswirkung auf den Vertretenen selbst zurückgeht und nicht nur auf den Vertreter. Dritte vertrauen demnach auf eine stillschweigende oder schlüssige Zustimmung des Vertretenen!
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 27/277 (1954): Hofmeister eines Klosters verkauft Pferdehändler 2 Schlachtpferde, die dieser nicht zahlt, wozu er aber idF verurteilt wird. Später treffen sich beide im Gasthaus und schließen einen Vergleich (über die Judikatschuld von 5.500S) und einigen sich auf 4.500 S + 1 Liter Wein. Das Kloster will den Vergleich nicht gelten lassen, setzt sich aber nicht durch. – OGH nimmt (Anscheins)Vollmacht des Hofmeisters an.
HS 5088 (1965): Bauherr überträgt befugtem Architekten die Ausführung eines Hausbaus; er setzt äußeren Tatbestand typischen Charakters und erweckt bei gutgläubigen Dritten nach der Verkehrssitte den Eindruck, der Architekt sei ... auch als Machthaber des Bauherrn anzusehen und daher zum Abschluss einschlägiger Rechtsgeschäfte berechtigt.
EvBl 1971/20 (1970): Architekt führt im Auftrag des Akademischen Senates Planungsarbeiten zum Bau der Mensa in Innsbruck durch; Ministerium lehnt Zahlung des Honorars ab; – OGH: Keine Anscheinsvollmacht des Akademischen Senates/ Rektors.
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5. Umfang der Vertretungsmacht und mündliche Zusagen
§ 10 KSchG behandelt Spezialfälle, die in der Praxis immer wieder Probleme schufen:
• § 10 Abs 1: Hat ein Unternehmer – zB an einen Angestellten – eine Vollmacht erteilt, ist eine unübliche Beschränkung dieser Vollmacht dem Verbraucher gegenüber nur wirksam, „wenn sie ihm bewusst war”.
• Abs 2: War einem Verbraucher eine solche Vollmachtsbeschränkung nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht bewusst, kann der Unternehmer vom Vertrag zurücktreten.
• Abs 3: „Die Rechtswirksamkeit formloser Erklärungen desUnternehmersoder seinerVertreter kann zum Nachteil des Verbrauchers vertraglich nicht ausgeschlossen werden.” – Was heißt das?
Beispiel
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6. Höchstpersönlichkeit der Vollmacht – Substitution
Machtgeber und Machthaber verbindet eine Vertrauensbeziehung. Der Machthaber / Vertreter kann daher seine Vollmacht grundsätzlich nicht übertragen; sog Höchstpersönlichkeit der Vollmacht. Die Übertragung / Substitution müsste ihm vielmehr:
Substitution?
• „ausdrücklich gestattet, oder
• durch die Umstände unvermeidlich „ geworden sein.
Man nennt also die Übertragung der dem Vertreter vom Machtgeber erteilten Vertretungs(voll)macht durch den Vertreter selbst: Substitution; § 1010 ABGB. Der Vertreter haftet dabei für Auswahlverschulden / culpa in eligendo. Nicht zu verwechseln mit der Substitution ist, dass sich auch ein (einfacher) Vertreter / Machthaber eines Erfüllungsgehilfen bedienen kann (Rechtsanwalt-Konzipient), der ihn unterstützen soll und für dessen Verschulden der Vertreter nach allgemeinen Grundsätzen einzustehen hat; zu § 1313a ABGB → KAPITEL 10: § 1313a ABGB: Erfüllungsgehilfenhaftung. – Allein der Unterschied liegt in folgendem: Der Substitut handelt (direkt / unmittelbar) für den Vertretenen / Machtgeber, ein Erfüllungsgehilfe dagegen nur für den Vertreter / Machthaber.
Substitution <-> Erfüllungsgehilfe
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7. Widerruf der Vollmacht – Tod
Vollmachten können – wegen der damit verbundenen engen Vertrauensbeziehung und Höchstpersönlichkeit – jederzeit vom Machtgeber widerrufen werden; § 1020 ABGB. – Auch der Machthaber / Vertreter kann sie aufkündigen; § 1021 ABGB. Tut er das aber „vor Vollendung” des ihm aufgetragenen Geschäfts, „so muss er, dafern nicht ein unvorhergesehenes und unvermeidliches Hindernis eingetreten ist, allen daraus entstandenen Schaden ersetzen”. Dies soll sicherstellen, dass begonnene Tätigkeiten zu Ende geführt werden und dem Vertretenen durch Vollmachtsaufkündigung kein Nachteil entsteht.
Im Normalfall beendet nach bürgerlichem Recht, sowohl der Tod des Gewaltgebers, wie der des Gewalthabers das Vertretungsverhältnis; § 1022 Satz 1 ABGB.
Tod
„Läßt sich aber das angefangene Geschäft ohne offenbaren Nachteil der Erben nicht unterbrechen, oder erstreckt sich die Vollmacht selbst auf den Sterbefall des Gewaltgebers; so hat der Gewalthaber das Recht und die Pflicht, das Geschäft zu vollenden.” (§ 1022 Satz 2 ABGB)
Anders im Handelsrecht: Art 8 Nr 10 EVHGB lässt die in einem Gewerbebetrieb von einem Kaufmann erteilten Vollmachten durch den Tod des Kaufmanns im Zweifel nicht erlöschen. – Die Regelung gilt auch für Aufträge.
Auch nach Prozessrecht beendet der Tod des Machtgebers – zB der KlientIn eines Anwalts – die erteilte Prozessvollmacht nicht. Der Tod bildet aber einen Widerrufungsgrund; § 35 ZPO.
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8. Abschluss sog unternehmensbezogener Geschäfte – Verzicht auf strikte Offenlegung
In manchen Fällen verlangen Gesetz (zB § 19 GmbHG) und Rspr kein striktes Offenlegen des Vertretungsverhältnisses durch den Vertreter. Das wird dann zugelassen, wenn sich die Vertretungsabsicht aus den jeweiligen Umständen (ohnehin nach der Vertrauentheorie) ergibt. – Das führt aber in der Praxis immer wieder zu Unklarheit und Streit wie die folgenden Beispiele zeigen. Vgl aber zunächst die Sonderregel des GmbHG.
§ 19 GmbHG: „Die Gesellschaft wird durch die von den Geschäftsführern in ihrem Namen geschlossenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet; es ist gleichgültig, ob das Geschäft ausdrücklich im Namen der Gesellschaft geschlossen worden ist oder ob die Umstände ergeben, dass es nach dem Willen der Beteiligten für die Gesellschaft geschlossen werden sollte.”
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1976, 40: §§ 1002 ff und 863 ABGB: Ein Geschäft in fremdem Namen liegt auch vor, wenn die Person des Vertretenen bei Vertragsschluss (zwar) nicht genannt wird, aber die Stellvertretungsabsicht aus den Umständen klar hervortritt. Verträge, die ein Hausverwalter, der sich als solcher deklariert, in dieser Eigenschaft über Hausreparaturarbeiten schließt, sind daher im Namen des/r Hauseigentümer/s geschlossen, auch wenn der Hausverwalter das Vertretungsverhältnis nicht ausdrücklich und die Person des Hauseigentümers, von der sich der Vertragspartner Kenntnis verschaffen kann, überhaupt nicht offenlegt. – Kläger war ein Dachdeckerunternehmen., Beklagter der Hausverwalter einer Wohnungseigentumsanlage. Das Klagebegehren war auf Zahlung der Hausreparaturkosten gerichtet. Der Verwalter hatte telefonisch die Reparaturarbeiten vergeben und sich dabei als „Hausverwaltung S” gemeldet. Daraus hätte der Dachdeckermeister das Vertretungsverhältnis erkennen müssen. Die Klage des Dachdeckerunternehmers gegen den Hausverwalter wurde daher wegen mangelnder Passivlegitimation des Hausverwalters abgewiesen.
RdW 1985, 337: „Die Beklagte bestellte bei der Klägerin in mehreren Verträgen die Einrichtung für einen Kosmetiksalon; dieser gehörte der K-GmbH, deren alleinige Geschäftsführerin die Beklagte ist. Die Beklagte trat aber bei allen mündlichen Äußerungen so auf, als ob sie selbst alleinige Inhaberin dieses Unternehmens sei; sie ließ sämtliche Verträge auf ihren persönlichen Namen ausstellen, ohne je die Änderung auf die Firmenbezeichnung zu reklamieren. Über dem Geschäftslokal befand sich neben der großen Aufschrift ‚Depot m.‘ in kleineren Buchstaben der Zusatz K-GmbH. Die Beklagte verwendete ein Briefpapier, auf dem als Kopf in blassem Druck die Firmenbezeichnung, darunter aber in wesentlich stärkerem Druck der Name der Beklagten, und darunter wieder in blassem und wesentlich kleinerem Druck ‚Generalrepräsentant‘ aufschien .... Der Wille, im Namen eines Dritten zu handeln, muss im Geschäftsverkehr ausdrücklich erklärt werden oder aus den Umständen klar erkennbar sein (Griehsler, GesRZ 1973, 40; SZ 51/102). Ob diese Erkennbarkeit für den Vertragspartner gegeben ist, ist objektiv zu beurteilen (Strasser in Rummel, ABGB, Rz 50 zu § 1002, EvBl 1981/168). Wer sich darauf beruft, dass ein Vertretergeschäft vorliegt, muss dies beweisen (Stanzl in Klang IV/1, 776; Griehsler, GesRZ 1973, 41; Strasser aaO, EvBl 1979/12 ua). Im Zweifel ist jedenfalls ein Eigengeschäft des Handelnden anzunehmen....“
Bei der Beurteilung, ob sich mangels einer ausdrücklichen Erklärung über das Handeln im fremden Namen für die Klägerin aus den Umständen eindeutig hätte ergeben müssen, dass die Erklärungen der Beklagten im Namen der GmbH erfolgten, sind alle Umstände in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen. Bei einer solchen alle Umstände berücksichtigenden Beurteilung kann aber trotz der festgestellten Art der Anbringung der Firmenaufschrift auf dem Geschäftslokal und auf dem Briefpapier nicht von Umständen gesprochen werden, die eindeutig auf ein Vertreterhandeln hinweisen. Daran vermag der Umstand, dass die Beklagte die Geschäftsführerin der K GmbH war, schon deshalb nichts zu ändern, weil auch dies der Klägerin bei dem festgestellten Sachverhalt nicht klar sein musste. War aber weder ausdrücklich noch aus den Umständen klar, dass die Beklagte nicht im eigenen Namen, sondern als Geschäftsführerin für die GmbH handeln wollte, so traft die Klägerin auch keine Pflicht, sich über das Vertretungsverhältnis der GmbH zu unterrichten. Die Vorinstanzen haben das Geschäft zu Recht als Eigengeschäft der Beklagten beurteilt. Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich um sog unternehmensbezogene Rechtsgeschäfte gehandelt hat. Das Vorliegen solcher Rechtsgeschäfte allein ist kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin damit hätte rechnen müssen, die Beklagte sei nur Vertreterin (vgl Hügel, JBl 1983, 529 FN 80). Da die Beklagte unter ihrem bürgerlichen Namen aufgetreten ist und unter diesem Namen sich so verhalten hat, dass sie für die Inhaberin des Kosmetiksalons gehalten werden konnte, ‚zielte‘ das Rechtsgeschäft (vgl Welser, ZAS 1976, 186) auf die Beklagte selbst. Es fehlte ein ausreichender Hinweis auf einen allenfalls von der Beklagten verschiedenen Unternehmensträger als Vertreterin. Zumindest in einem solchen Fall kann nicht davon gesprochen werden, dass sie selbstverständlich im Namen des wirklichen Geschäftsinhabers gehandelt habe. Der Einwand der mangelnden Passivlegitimation ist daher nicht berechtigt.”]
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9. Insichgeschäfte
Insichgeschäfte führen leicht zu Interessenkollissionen, daher erscheint Vorsicht geboten. – Der Begriff des Insichgeschäfts dient als Oberbegriff für:
• das Selbstkontrahieren und
• die Doppel- oder Mehrfachvertretung.
Von Selbstkontrahieren wird gesprochen wenn eine Person (als Vertreter eines anderen) den Vertrag für diesen mit sich selbst schließt. – Ein Fall der Doppel- oder Mehrfachvertretung liegt vor, wenn der Vertreter, der für beide oder mehrere Parteien vertretungsberechtigt ist, einen Vertrag zwischen (nicht mit!) diesen Parteien schließt.
Selbstkontrahieren und Doppelvertretung
Das ABGB regelt das Insichgeschäft nicht umfassend, andere Gesetze dagegen – zB das HGB – kennen Bestimmungen; so gestattet § 400 HGB unter gewissen Voraussetzungen das Selbstkontrahieren des Einkaufs- oder Verkaufskommissionärs.
Das bedeutet zB: Der Verkaufskommissionär kann das zu verkaufende Gut / Ware des Kommittenten selbst kaufen, wenn die Ware einen Börsen- oder Marktpreis hat, was regelmäßig der Fall ist. – Dies deshalb, weil dadurch die Interessen des Kommitenten nicht verletzt werden, woraus der allgemeine Gedanke abgeleitet werden kann, dass dann, wenn die Interessen des „Betroffenen” (hier des Kommitenten) gewahrt bleiben, ein Selbstkontrahieren toleriert wird.
Dies deshalb, weil dabei die erhöhte Gefahr von Interessenkollisionen besteht. Man kann üblicherweise nicht „zwei Herren gleichzeitig dienen”!
Insichgeschäfte: grundsätzlich unzulässig
So bestimmen für den Bereich der gesetzlichen Stellvertretung die §§ 271 f ABGB, dass im Kollisionsfall (zwischen den Interessen eines Minderjährigen und seines gesetzlichen Vertreters) vom Gericht ein Kollisionskurator zu bestellen ist. – Zu Vertragsschlüssen zwischen Eltern / Vormündern und den von ihnen gesetzlich vertretenen Kindern / Mündeln etc → KAPITEL 4: Die Handlungsfähigkeit .
Kollisionskurator
Insichgeschäfte werden aber als zulässig erachtet, wenn:
Ausnahmen
• der oder die vom Geschäft betroffenen Machtgeber / Vertretenen zustimmen oder genehmigen, also damit einverstanden sind; oder
• wenn durch das Geschäft die Interessen des Vertretenen / Machtgebers nicht gefährdet, sondern ausschließlich gefördert werden.
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
AnwBl 1977, 25: Doppelvertretung – Der Rechtsanwalt, der Wohnungseigentumsverträge verfasst und von den WE-Werbern bevollmächtigt wurde alles zu veranlassen, was zur Begründung von Wohnungseigentum nötig und nützlich ist, begeht eine Doppelvertretung, wenn er die Baufirma in Prozessen gegen diese Wohnungseigentümer vertritt. Bei der Doppelvertretung vertritt ein Dritter – zB ein Rechtsanwalt – beide Vertragsparteien, ist aber selbst nicht Vertragspartei. – Anders das Selbstkontrahieren: Hier ist der Vertreter selbst Vertragspartei und vertritt darüber hinaus noch den anderen Vertragsteil.
EvBl 2000/63: Unzulässige Doppelvertretung – § 18 Abs 5 und 6 GmbHG, wonach selbst die Gültigkeit eines vom Alleingesellschafter mit der von ihm vertretenen Gesellschaft abgeschlossenen außergewöhnlichen Insichgeschäfts nicht anzuzweifeln ist, wenn hierüber unverzügliche eine Urkunde errichtet wurde, gilt nicht für den Fall der Doppelvertretung. An der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Insichgeschäften hat sich durch die mit dem EU-GesRÄG geschaffene neue Rechtslage nichts geändert.
OGH 12. 4. 2000, 4 Ob 71/00w, EvBl 2000/176: Geschäftsführer der A-GmbH gründet mit Partnern die B-GmbH in der Absicht, Geschäfte mit der A-GmbH zu tätigen. – OGH: Erteilt der Geschäftsführer einer GmbH (hier: A-GmbH) ohne Wissen und Zustimmung der übrigen Geschäftsführer einer andern Gesellschaft (hier: B-GmbH), an deren geschäftlichem Erfolg er persönlich interessiert ist, einen „Auftrag” (hier: Kaufvertrag), der mit den Interessen der von ihm vertretenen Gesellschaft in Widerspruch geraten könnte, sind die von der Lehre und Rspr zur Gültigkeit von Insichgeschäften entwickelten Grundsätze analog anzuwenden. (Zu beachten ist, dass bei aufrechtem Gesellschaftsverhältnis ein Konkurrenzverbot besteht.)
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B. Die Zeit im Privatrecht
Die Zeit spielt im Privatrecht eine wichtige Rolle; vgl etwa die allgemeine Anordnung in § 1449 ABGB: Verjährung. Und zwar schon von Gesetzes wegen; zB: Gewährleistungsfristen des § 933 ABGB oder die Schuldnerverzugsregel des § 918 ABGB, wonach der Rücktritt des Gläubigers unverzüglich zu erfolgen hat oder insbesondere bei Verjährung und Ersitzung. Die Dauer von Rechten, etwa des Patent- und Urheberrechts ist häufig gesetzlich beschränkt; vgl §§ 28, 46 PatG und 60–65 UrhG. – Aber auch durch den Parteiwillenkommt die Zeit ins Spiel; zB vereinbarte/r Leistungszeitpunkt oder Leistungsfrist (mit möglicher Konventionalstrafe) oder konkrete Nachfristsetzung nach § 918 ABGB oder es werden ein Fixgeschäft nach § 919 ABGB oder eine vertragliche Kündigungsfrist vereinbart. – Im (Zivil)Verfahrensrecht (ZPO etc) spielen Ausschlussfristen eine wichtige Rolle; zB die Rechtsmittelfristen.
Die Verjährung spielt nicht nur im Privatrecht eine bedeutende Rolle, auch das öffentliche Recht kennt sie – wenngleich (wie im Anschluss ausgeführt) eingeschränkt – in manchem Bereichen: – Die §§ 57-60 StGBhandeln von der Verjährung der Strafbarkeit; so verjähren nach § 57 Abs 1 StGB strafbare Handlungen, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit einer solchen von 10-20 Jahren bedroht sind, nicht. Alle anderen Straftaten verjähren dagegen. – Verwaltungsübertretungen verjähren nach § 31 VStG in 1 Jahr oder in 6 Monaten; – § 102 RDG 1961 regelt die Verjährung von Disziplinar- und Ordnungsstrafen für Richter.
Verjährung in der RO
kennt keine allgemeine VerjährungDas öffentliche Recht kennt aber – im Gegensatz zum Privatrecht – keine allgemeine Verjährung. So judiziert der VwGH in stRspr, dass es in Angelegenheiten öffentlichrechtlicher Natur nur dort eine Verjährung gebe, wo dies durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen sei, und dass die allgemeinen Bestimmungen des ABGB über die Verjährung hier weder unmittelbar noch mittelbar zur Anwendung gelangen könnten. Der VfGH folgte dieser Rechtsansicht und vertritt wie der VwGH die Meinung, dass die Verjährung eine Einrichtung des Gesetzgebers sei und daher keinesfalls gesagt werden könne, sie folge aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen des § 7 ABGB.
Öffentliches Recht
Rechtssprechungsbeispiel
In JBl 1971, 619 (Anm Morscher) vertritt der VfGH die Ansicht, die Bereiche des privaten und öffentlichen Rechts seien der Sache nach zu verschieden, als dass aus dem (auch den Gesetzgeber bindenden) Gleichheitsgrundsatz gefolgert werden könne, dass das Rechtsinstitut der Verjährung in beiden Bereichen Anwendung finden müsse.
I. Die Verjährung
1. Rechtspolitische Gründe der Verjährung
Die Verjährung dient der allgemeinen Rechtssicherheit: Ein Zustand, der lange Zeit unangefochten bestanden hat, soll auch von der Rechtsordnung anerkannt werden. – Dazu kommt: Wer sich um „sein” Recht nicht kümmert, ist auch nicht schutzwürdig. In der Verjährung wird zudem auch ein „erzieherisches Druckmittel” zur Vermeidung von Nachlässigkeiten in der Rechtsausübung erblickt; EvBl 1990/14 oder JBl 1993, 726 (Anm Huber). Eine gewisse Ordnung bei der Verfolgung eigener (Rechts)Ansprüche muss „sein”. Lange zurückliegende rechtliche Sachverhalte sind nämlich häufig auch kaum mehr zu rekonstruieren und zu beweisen. Und Beweismittel soll man nicht „ewig” aufbewahren müssen. Das Rechtsinstitut beugt demnach Beweisschwierigkeiten und umständlichen und nutzlosen Prozessen vor.
Das Rechtsinstitut der Verjährung (§§ 1451 ff ABGB) sorgt insgesamt für eine gewisse „Rechtsbereinigung „, da verjährte Ansprüche klagsweise nicht mehr geltend gemacht werden können, worin auch eine Entlastung der Gerichte liegt. Es bleibt aber – trotz eingetretener Verjährung – eine Naturalschuld bestehen, die, wird sie freiwillig oder irrtümlich bezahlt, nicht mehr zurückgefordert werden kann → KAPITEL 7: Naturalobligationen.
Rechtsbereinigung
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2. Abgrenzung: Verjährung – Ersitzung
Verjährung bedeutet Rechtsverlust <-> Ersitzung dagegen Rechtserwerb, freilich auf Kosten eines anderen, der dadurch sein Recht verliert.
Verjährung setzt bloß Nichtausübung eines Rechts während bestimmter Zeit voraus <-> für die Ersitzung genügt die Ausübung des Rechts allein während bestimmter Zeit noch nicht, es müssen weitere Erfordernisse dazutreten; zB Redlichkeit und Rechtmäßigkeit des Ersitzenden → Die Ersitzung
Verjähren können Rechte verschiedenster Art, insbesondere schuldrechtliche Ansprüchen <-> ersitzen kann man dagegen nur dingliche Rechte.
Die Verjährung wird daher idR im „Allgemeinen Teil”, die Ersitzung im Sachenrecht behandelt.
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3. Welche Rechte können verjähren?
Nicht alle Rechte unterliegen der Verjährung.
Unverjährbar sind bspw:
• grundsätzlich alle öffentlichen Rechte, § 1456 ABGB; das Recht, Steuern einzuheben, aber die einzelne Steuerforderung verjährt in 40 Jahren;
• das Eigentum als solches verjährt durch bloßen Nichtgebrauch nicht; jedoch ist die Ersitzung durch andere möglich;
Pfandrecht: § 1483 ABGB: „Solange der Gläubiger das Pfand in Händen hat ...” (Gesetz lesen!)
Familien- und Personenrechte: zB Recht auf Unterhalt (§ 1481 ABGB); aber: konkrete Unterhaltsforderung verjährt in 3 Jahren.
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4. Beginn und Ablauf der Verjährung
Nach § 1478 Satz 2 ABGB beginnt die Verjährung, sobald das Recht „an sich schon hätte ausgeübt werden können”. Die Verjährung eines Rechtes durch Nichtgebrauch beginnt sonach mit der Entstehung des Rechtes. – Die Klagsverjährung läuft ab dem Zeitpunkt, zu dem die Klage erhoben werden kann; römisches Recht: si actio nata est.
Rechtssprechungsbeispiel
Solch einen Fall behandelt SZ 13/191 (1931): Die Beklagte bestellt unter Angabe eines falschen Namens einen Mantel bei einem Schneidermeister. Sie erscheint nicht mehr zur vereinbarten Anprobe. Nach 4 Jahren erkennt der Kläger die Beklagte zufällig auf der Straße und kann ihre Identität ermitteln. Der Schneidermeister verlangt von der Beklagten den Werklohn gegen Lieferung des Mantels. Die Beklagte wendet Verjährung ein. – OGH: Nach § 1489 ABGB beginnt die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs mit dem Zeitpunkt, wo der Kläger Kenntnis von der Person des Beschädigers und vom Schaden erlangt. Auch der Anspruch aus dem Vertrag (§ 1486 Z 1 ABGB) ist nicht verjährt, da die Frist erst in dem Moment zu laufen beginnt, in dem der Kläger von der Identität der Beklagten Kenntnis erlangt.
Nicht immer läuft die Verjährungszeit ungestört, also kontinuierlich ab. Es kommt vielmehr auch zu ihrer Hemmung oder Unterbrechung.
Ablauf der Verjährung
Die Hemmung schiebt entweder die noch gar nicht begonnene Verjährung hinaus (zB Stundung einer noch nicht fälligen Schuld) oder hindert vorübergehend den Fortlauf der bereits begonnenen Verjährungsfrist; zB: bereits fällige Schuld wird gestundet. Man spricht dann von Ablaufshemmung; vgl Rspr-Beispiele. – Nach Wegfall des Hemmungsgrundes läuft die Verjährungsfrist weiter.
Hemmung
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 48/33 (1975): Vergleichsverhandlungen hemmen (solange sie andauern) die Verjährung; Zur Hemmung von Fristen bei Mediation → KAPITEL 19: Schiedsgerichtsbarkeit und andere Rechtsschutzalternativen.
Vgl ferner die Regelungen der §§ 1494 (Handlungsunfähige), 1495 (Ehegatten) und 1496 ABGB: Abwesenheit des Gläubigers. Dazu EvBl 2000/2 (§§ 1494, 271 ABGB): Verjährungshemmung bei mangelnder Wahrung der Interessen des Minderjährigen durch den gesetzlichen Vertreter in Folge Interessenkollission.
OGH 13. 7. 1999, 4 Ob 174/99p („Hundebiss”), SZ 72/119 = EvBl 2000/2: Hund des Lebensgefährten der Mutter beißt ihren Sohn. Sohn klagt über 3 Jahre nach diesem Vorfall (volljährig geworden) – aber nur 1 ½ Jahre nach Beendigung der Lebensgemeinschaft zwischen seiner Mutter und dem Schädiger Schmerzengeldansprüche ein. – OGH sieht Schadenersatzansprüche als nicht verjährt an, weil die in § 1494 ABGB ua zugunsten Minderjähriger angeordnete Hemmung der Verjährung nicht nur dann greift, wenn der Minderjährige keinen gesetzlichen Vertreter hat, sondern auch, wenn vom Vertreter (hier: Mutter) wegen einer Interessenkollision (hier: Lebensgemeinschaft mit Schädiger) eine gesetzmäßige Wahrung der Rechte des Minderjährigen (hier: Schadenersatz gegen Lebensgefährten) nicht zu erwarten ist.
OGH 28. 6. 2001, 2 Ob 271/00t, JBl 2002, 42: Nach einem Autounfall mit Kopfverletzungen wird der Verletzte psychisch krank sodass ihm ein Sachwalter bestellt wird. Nach seinem Tod – über 4 Jahre nach dem Unfall – bringen seine Erben eine Schadenersatzklage nach § 1325 ABGB ein. Beklagter wendet Verjährung ein. – OGH: Die Ablaufhemmung gem § 1494 ABGB greift ein, wenn die psychische Erkrankung oder geistige Behinderung zumindest von solcher Art ist, dass deswegen zur Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen ein Sachwalter zu bestellen wäre. Dies gilt auch in dem Fall, dass ein Sachwalter bestellt wurde, dieser aber keine angemessenen Vertretungshandlungen gesetzt hat. (Vgl auch EvBl 2000/2.)
Eine praktisch bedeutsame neue Hemmungsregel während laufender Schadenersatzverhandlungen – iSv Vergleichsverhandlungen – wurde 2001 mit BGBl I 110 als § 58a ins ÄrzteG 1998 eingefügt. Dazu → KAPITEL 10: § 58 a ÄrzteG 1998.
Neue Hemmungsregel
Sie beendet die bereits begonnene Verjährung (endgültig). Nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes beginnt die Verjährungsfrist (allenfalls) von vorne, also neu zu laufen, aber sie läuft nicht weiter.
Unterbrechung
Beispiel
– Ein Anerkenntnis unterbricht nach § 1497 ABGB die Verjährung.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 15. 3. 2001, 6 Ob 14/01d, EvBl 2001/163: In einem Wochenmagazin wird im Zuge der Berichterstattung über einen Pyramidenspiel-Skandal der Kläger als „größenwahnsinniger Brutalo-Faschist” bezeichnet. Nach dem Strafverfahren (§ 115 StGB) das über ein Jahr dauerte, bringt der Kläger auch noch eine Zivilklage nach § 1330 ABGB ein. – OGH verweist darauf, dass das Geltendmachen zivilrechtlicher Ansprüche auch im Strafverfahren möglich gewesen wäre (Adhäsionsverfahren) und daher die Erhebung einer Privatanklage nach § 115 StGB allein noch keine Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche darstellt, also die Verjährung nicht unterbricht.
OGH 25. 7. 2000, 1 Ob 112/00b, SZ 73/122: Nach Beendigung eines Mietvertrags verlangt der Vermieter 500.000 S aus § 1111 ABGB, da der Mieter erhebliche Schäden am Bestandobjekt verursacht habe. Nach fehlgeschlagenen Verhandlungen bringt der Vermieter gerade noch vor Ablauf der einjährigen Präklusionsfrist die Klage ein. Statt an das zuständige BG für ZRS Graz stellt die Post aber irrtümlich an das LG für ZRS Graz zu, worauf der Mieter Präklusion einwendet. – OGH: Da ein von der Partei gar nicht angerufenes Gericht, bei dem die Klage infolge eines Versehens der Postverwaltung einlangt, diese pflichtgemäß anzunehmen und weiterzuleiten hat, tritt die Unterbrechung der Verjährung schon mit dem Einlangen der Klage bei diesem (unzuständigen) Gericht ein.
Zu beachten ist, dass die Verjährung zwar gehemmt und unterbrochen, nicht aber – vgl § 1502 ABGB – verlängert werden kann. Das würde die vom Gesetzgeber angestrebte Bereinigungswirkung der Verjährung unterlaufen.
Keine Verlängerung der Verjährung
Im Rahmen des rechtlich allgemein Zulässigen (§§ 879, 937 ABGB) kann auf das Geltendmachen der Verjährungseinrede auch gültig verzichtet werden.
Verzicht
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 23. 11. 2000, 2 Ob 296/00v, EvBl 2001/91: Ein Sattelschlepper verschuldet einen Unfall mit einem Pkw. Der Halter des Pkw klagt auf Schadenersatz inklusive Ersatz von 75.000 S Mietwagenkoten. Der Kläger hatte mit dem Mietwagenbesitzer vereinbart, die Kosten erst nach Prozessbeendigung zahlen zu müssen, wofür er einen Verzicht auf die Verjährungseinrede abgab. Der Prozess dauerte 6 Jahre. In diesem Verzicht erblickt der Schädiger einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht des Geschädigten. – Dies wird vom OGH im Ergebnis zutreffend, doch mit einer nicht überzeugenden Begründung bezüglich der Natur der Naturobligation abgelehnt.
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5. Allgemeine oder lange Verjährungszeit
Das Gesetz unterscheidet – vgl die Überschriften zu § 1478 ABGB und §§ 1486 ff ABGB – zwischen:
allgemeiner oder langer – sie beträgt nach § 1479 ABGB 30 Jahre und
besonderer oder kurzer Verjährungszeit; sie beträgt drei Jahre.
Rechtssprechungsbeispiel
Zur allgemeinen / langen Verjährung:
Kulanzgutschriften verjähren erst nach 30 und nicht schon nach 3 Jahren! Ein Kunde / Verbraucher hatte 1982 von einer Kraftfahrzeugwerkstätte für eine mangelhafte Batterie eine Gutschrift über 1.873 S erhalten und wollte diese Gutschrift 1994 als Teilzahlung für den Einbau eines Autoradios verwenden, was die Werkstätte ablehnte. Das zutreffende Ergebnis des unterinstanzlichen Prozesses: Gutschriften „gelten” 30 Jahre.
Nach hA verjähren Bereicherungsansprüche nach Ablauf der dreißigjährigen Frist des § 1479 ABGB; vgl SZ 60/129 (1987), ÖBA 1997, 826 oder JBl 1999, 250 (§§ 1431, 1479 ABGB): Die Rückforderung einer zu unrecht abgerufenen Bankgarantie verjährt in 30 Jahren. Dass es sich bei der Garantieleistung um eine Haftungsrücklassgarantie gehandelt hat, rechtfertigt eine Analogie zu den Bestimmungen der §§ 1486 f ABGB nicht.
Der langen Verjährungsfrist des § 1479 ABGB unterliegt auch der Anspruch auf Rückforderung der Zahlung aus einer zu Unrecht abgerufenen Bankgarantie; EvBl 1999/96.
EvBl 1999/56: Zum Beginn der Verjährungsfrist einer Unterlassungsverpflichtung – Die 30jährige Verjährung einer in einem gerichtlichen Vergleich übernommenen Unterlassungsverpflichtung beginnt nicht schon mit dem Vergleichsabschluss, sondern erst mit dem ersten Zuwiderhandeln.
OGH 22. 3. 2000, 3 Ob 223/99m, JBl 2000, 738: Ein Pflichtteilsanspruch, der sich auf ein Testament stützen kann, verjährt erst nach 30 Jahren; § 1487 ABGB bezieht sich demnach nur auf Ansprüche, die gegen den testamentarischen Willen des Erblassers durchgesetzt werden sollen.
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6. Kurze oder besondere Verjährung – 3 Jahre
Während das Bezugsrecht selbst (!) nach § 1480 ABGB in 30 Jahren verjährt, verjähren rückständige (jährlich oder periodisch in kürzeren Zeiten wiederkehrende) Einzelleistungen in 3 Jahren. – Das betrifft zB Zinsen, Renten, Unterhalts- und Ausgedingsleistungen, Annuitäten, aber auch Kirchen- (SZ 34/37 [1961]) oder Vereinsbeiträge, nicht jedoch den Anspruch auf Gewinnanteil eines Gesellschafters.
Wiederkehrende Leistungen
Annuitäten sind gleichbleibende jährliche Leistungen zur Verzinsung und Tilgung eines in Anspruch genommenen Kapitals, die sich aus Zinsen und Kapitalrückzahlung zusammensetzen; bei fortschreitender Tilgung fällt der in den einzelnen Annuitäten enthaltene Zinsenbetrag kontinuierlich, während die (Kapital)Tilgungsrate der Annuität wächst.
Sie können nunmehr seit SZ 61/143 (1988) grundsätzlich auch für die Vergangenheit gestellt werden; früher galt der Grundsatz: pro praeterito non alitur / dh: Für die Vergangenheit wird kein Unterhalt geleistet. Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit unterliegen aber der Verjährung des § 1480 ABGB.
Bei ihnen handelt es sich nach § 1486 Z 1 bis 6 ABGB nicht nur um unwichtige Forderungen oder kleine Beträge! Dazu einige Beispiele:
Sog Forderungen des täglichen Lebens
Ziffer 1: Forderungen „für Lieferung von Sachen oder Ausführung von Arbeiten oder sonstige Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betriebe”.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 12/271 (1930): Kauf eines Fahrrads auf Raten. – Die einzelnen Raten unterliegen selbständig der Verjährung nach § 1486 Z 1 ABGB.
SZ 52/137 (1979): Zum Begriff ‘sonstiger Leistungen ’ in § 1486 Z 1 ABGB: Honorarforderungen sowie der Auslagenersatz für bevorschusste Betriebskosten des von den Wohnungseigentümern beauftragten Verwalters verjähren in 3 Jahren. – Für den Beginn der Verjährungsfrist ist bei aufrechtem Verwaltungsvertrag das Ende des vereinbarten (gesetzlichen, verkehrsüblichen) Abrechnungszeitraumes entscheidend.
Ziffer 3: Die „Übernahme zur Beköstigung, Pflege, Heilung, zur Erziehung oder zum Unterricht durch Personen, die sich damit befassen, oder in Anstalten, die diesem Zwecke dienen”. – Betroffen sind: Alten- und Pflegeheime, sonstige Heime, Krankenhäuser, Sanatorien, Kindergärten / -horte, (Privat)Schulen, Internate etc.
Ziffer 4: Miet- und Pachtzinse;
Ziffer 5: Arbeitnehmerforderungen auf Lohn- und Auslagenersatz sowie Arbeitgeberforderungen auf Rückstellung von Vorschüssen.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 32/60 (1959): Ansprüche der Vertragsbediensteten des Bundes verjähren nach § 1486 Z 5 ABGB.
ArbSlg 8255 (1966): Der Abfertigungsanspruch unterliegt nicht der Ausschlussfrist des § 34 AngG, sondern der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 ABGB.
EvBl 1988/94: Ansprüche aus sog ”zweckverfehlenden” Arbeitsleistungen, die inhaltlich nach § 1152 ABGB zu beurteilen sind, verjähren gemäß § 1486 Z 5 ABGB in 3 Jahren.
Ziffer 6: Die Forderungen „der Ärzte, Tierärzte, Hebammen, der Privatlehrer, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte und aller anderen zur Besorgung gewisser Angelegenheiten öffentlich bestellten Personen wegen Entlohnung ihrer Leistungen und Ersatzes ihrer Auslagen sowie der Parteien wegen der Vorschüsse an diese Personen”.
Ingenieure und Architekten werden in Ziffer 6 nicht erwähnt, fallen aber idR unter Ziffer 1.
Die in § 1486 ABGBgenannten Forderungen verjähren aber erst in 30 Jahren, wenn sie durch eine Hypothek gesichert sind; SZ 37/29 (1964). Diese Rspr-Position verdient volle Zustimmung, zumal das hier berücksichtigte „Rechtsempfinden der Bevölkerung” Schutz verdient. Vgl auch SZ 20/103 (1938) uH auf Klang und Ehrenzweig:
Sonderfall: Hypothek
„Die kurzfristige Verjährung von Hypotheken widerstreitet schließlich auch dem Rechtsempfinden der Bevölkerung, welche in einer Hypothek ein auf Dauer berechnetes Rechtsinstitut zu erblicken gewohnt ist. Der Kaufmann oder der Arzt, der für seine Forderung aus der Lieferung von Waren oder für geleistete ärztliche Hilfe eine Hypothek an der Liegenschaft seines Schuldners erwirbt, denkt nicht daran, dass diese Forderung trotzdem in 3 Jahren verjähren kann, wenn nicht irgendeine Unterbrechungshandlung gesetzt wird. Er hält sich eben durch die Hypothek nicht nur sachlich, sondern auch für die Dauer gesichert. Für Hypotheken hat es daher stets bei der allgemeinen Regel des § 1479 ABGB, also bei der 30jährigen Verjährung, zu bleiben.”
Nach § 1486a ABGB verjährt der Anspruch eines Ehegatten auf Abgeltung seiner Mitwirkung im Erwerb des anderen (§ 98 ABGB) nunmehr (ab 1.1.2000, EheRÄG 1999) in 6 Jahren vom Ende des Monats an gerechnet, in dem die Leistung erbracht worden ist; bisher waren es 3 Jahre.
§ 1486a ABGB
Mit Regelungen wie dieser wird die Stärke und Überlegenheit der einfachen Zweiteilung der Verjährungsfristen des ABGB – im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen – aber weiter ausgehöhlt. Rechtspolitisch vorzuziehen wäre es gewesen, nicht die Frist zu verlängern, sondern den Beginn der Frist an gewisse Voraussetzungen zu knüpfen, um das billigenswerte rechtspolitische Ziel zu erreichen.
Unter Entschädigungsansprüchen – aus Vertrag oder Delikt – sind Schadenersatzansprüche zu verstehen. Die Rspr unterstellt § 1489 ABGB aber auch nachbarrechtliche (Ausgleichs)Ansprüche nach § 364 Abs 2 und § 364a (und wohl auch § 364b) ABGB.
Entschädigungsansprüche: § 1489 ABGB
§ 1489 ABGB unterscheidet „2 Fälle” (Satz 1 und Satz 2):
• § 1489 Satz 1 ABGB: Im Normalfall verjähren Schadenersatzansprüche in 3 Jahren von jener Zeit an, „zu welcher der Schaden und (!) die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde”.
• § 1489 Satz 2 ABGB: „Ist dem Beschädigten der Schade oder (!) die Person des Beschädigers nicht bekannt geworden „ oder (!) ist der Schade aus einem Verbrechen entstanden, so erlischt das Klagerecht nur nach 30 Jahren.” – Vgl auch → KAPITEL 9: Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen ¿ Verjährung: § 1489 ABGB.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1999, 605: Zur Verjährung eines Schmerzengeldergänzungsanspruchs bei Existenz eines Feststellungsurteils → KAPITEL 9: Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen ¿ Verjährung: § 1489 ABGB.
JBl 1999, 463: Verjährung des Schadenersatzanspruchs des Werkbestellers nach misslungener Verbesserung. Verbessert ein Dritter, beginnt der Lauf der Verjährungsfrist für den Besteller erst dann, wenn feststeht, daß die Verbesserung durch den Dritten misslungen ist.
Dasist eine gerichtlich (idR durch Urteil) festgestellte Schuld; also ein Anspruch, der durch rechtskräftiges gerichtliches Urteil zugesprochen oder durch einen vollstreckbaren Vergleich anerkannt wurde. – Es gilt dann immer (!) die allgemeine 30-jährige Verjährungszeit; mag auch die ursprüngliche Forderung der 3-jährigen Frist unterlegen sein.
Judikatschuld
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7. Geltendmachung und Wirkung der Verjährung
Verjährung muss durch „Einrede“ geltend gemacht werden, wird also nicht von Amts wegen berücksichtigt; § 1501 ABGB. – Einrede ist die Geltendmachung eines Gegenrechts; also zB: Jemand wird auf Zahlung geklagt und wendet dagegen (einredeweise) Verjährung ein. Das führt in der Praxis immer wieder zu „frecher” Geltendmachung dieses Anspruchsabwehrinstruments; vgl etwa die folgende E:
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 30. 1. 2001, 1 Ob 64/00v, EvBl 2001/118: Eine Bankangestellte klärt eine Kundin über die Entwicklung ihres Wertpapierdepots bewusst falsch auf (in Wirklichkeit kam es zu einem großen Wertverlust) und setzt diese Tätigkeit nach dem Wechsel zu einer anderen Bank unter „Mitnahme” der Kundin (die immer noch nichts wusste) fort. – OGH rechnet das Wissen der Angestellten (Vertreterin) der Bank nicht zu, lehnt aber deren Verjährungseinrede uH auf § 1489 ABGB ab. (Der Leitsatz ist katastrophal, § 1313a ABGB wird neben anderen Fragen nicht einmal angesprochen!?)
Wird Verjährung erfolgreich geltend gemacht, ergreift sie auch die Nebenrechte des verjährten Rechts oder Anspruchs; zB Hypothek, Bürgschaft, Vertragsstrafe, Zinsen. Auch diese Ansprüche werden von der Verjährung erfasst.
Nebenrechte
Eine verjährte Schuld ist nicht mehr einklagbar, besteht aber als Naturalschuld fort und kann – laut § 1432 ABGB – wirksam gezahlt werden. Dh: Die erfolgte Zahlung kann auch dann nicht zurückgefordert werden, wenn sie in Unkenntnis der Verjährung geleistet wurde.
Wirkung
Zu den Naturalobligationen → KAPITEL 7: Naturalobligationen.
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8. Ausschluss-, Fall- oder Präklusivfristen
Neben den Verjährungsfristen, die mit Eintritt der Verjährung eine Naturalschuld „zurücklassen”, kennen ABGB – und zwar inhaltlich, nicht dem Begriff nach – und Rspr auch sog Präklusivfristen. Nach Klang2 VI 566 (1950) liegt eine Präklusivfrist dort vor, „wo eine Rechtshandlung nur innerhalb einer bestimmten Frist wirksam vorgenommen werden kann”. Dabei ist zu beachten, dass das ABGB auch Fallfristen kennt; vgl § 970 b ABGB: „…erlischt, wenn nicht ohne Verzug…” → KAPITEL 3: Geltendmachung des Ersatzanspruchs.
Über die Natur und Existenz der Präklusivfristen bestehen seit langem unterschiedliche Auffassungen, deren Extrem darin besteht, ihre Existenz für das österreichische Privatrecht überhaupt zu leugnen; so Reischauer DRdA 1978, 198. Kritisch aber schon Gschnitzer, AllgT 243 (19661). – Der Gesetzgeber hat im Rahmen der sog Gewährleistungsreform, die bisher als Präklusivfristen verstandenen Gewährleistungsfristen zu Verjährungsfristen erklärt; vgl nunmehr die Überschrift vor § 933 ABGB. Wie unsorgfältig dabei vorgegangen wurde zeigt etwa der Umstand, dass die Parteien nach § 933 Abs 1 Satz 3 ABGB eine „Verkürzung oder Verlängerung dieser Frist vornehmen können, obwohl § 1502 ABGB es ausdrücklich ausschließt, dass „eine längere Verjährungsfrist” bedungen werden kann. – Vgl dazu auch die Ausführungen im Anschluss.
Der Unterschied liegt darin, dass bei Präklusivfristen (nach Ablauf) nicht einmal eine Naturalschuld zurückbleibt, sondern das Recht selbst erlischt oder – wie das ältere Schrifttum (insbesondere J. Unger) formulierte:
Unterschied zur Verjährung
„Bei der Verjährung erlösche ein an sich unbefristetes Recht, während bei Präklusivfristen die Lebensdauer eines Rechts von vornherein beschränkt sei”; Klang aaO 565.
Das Gesetz bedient sich in Fällen von Präklusivfristen häufig der Diktion, dass nach Ablauf der Frist, das Recht oder die Klage „erloschen” sei (vgl etwa §§ 1097, 1111 ABGB) oder das „Recht nur binnen [30] Tagen angebracht werden” könne; § 967 ABGB. – Weitere Unterschiede sollen darin bestehen, dass Ausschlussfristen weder gehemmt, noch unterbrochen werden können und dass sie von Amts wegen zu beachten sind und von den Parteien verlängert werden können; vgl dagegen § 1502 ABGB.
Beispiel
ME geht es zu weit, die Existenz von Präklusivfristen in der österreichischen Privatrechtsordnung zu leugnen. Bestehende Unklarheiten wären aber legistisch möglichst auszuräumen. Stattdessen werden neue geschaffen; § 933 ABGB. – Da die rechtspolitische Bereinigungswirkung von Präklusivfristen größer ist, als bei Verjährungsfristen, sollte dem Gesetzgeber das Recht auf Statuierung solcher Fristen nicht abgesprochen werden.


Verjährung: §§ 1451 ff ABGB
Abbildung 13.10:
Verjährung: §§ 1451 ff ABGB


Unverjährbare Rechte
Abbildung 13.11:
Unverjährbare Rechte


Allgemeine oder lange Verjährung
Abbildung 13.12:
Allgemeine oder lange Verjährung


Kurze Verjährung – 3 Jahre
Abbildung 13.13:
Kurze Verjährung – 3 Jahre
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II. Die Ersitzung
Literaturquelle
Ersitzung führt zum Eigentumserwerb oder doch dem Erwerb beschränkter dinglicher Rechte. Man spricht anschaulich vom Ersitzungsbesitzer. – Das ABGB behandelt im „Vierten” und letzten Hauptstück (§§ 1451 ff) Verjährung und Ersitzung gemeinsam. Die Rechtswirkungen beider Rechtsinstitute sind jedoch konträr: Bewirkt die Verjährung einen Rechtsverlust, führt die Ersitzung zu einem Rechtserwerb; vgl schon oben → Abgrenzung: Verjährung – Ersitzung Ein Zusammenhang besteht aber insofern, als – § 1478 ABGB drückt dies durch ein Wortspiel aus – „jede Ersitzung eine Verjährung in sich begreift”, was umgekehrt nicht gilt.
Beachte
1. Definition – Voraussetzungen
Ersitzung ist originärer (= ursprünglicher → KAPITEL 2: Originärer und derivativer Erwerb) Rechtserwerb, vermittelt durch (qualifizierten) Besitz + Zeitablauf; vgl § 1452 ABGB:
Der Ersitzende / der neue Eigentümer ist aufgrund seines originären Erwerbs nicht Rechtsnachfolger des bisherigen Berechtigten; zB des bisherigen bücherlichen Eigentümers gegen den eine Servitut ersessen wurde. Vielmehr erwirbt der Ersitzende kraft eigenen Rechts. Seine Rechtsstellung ist keine abgeleitete / derivative, sondern eine originäre.
Originär
Zur Unterscheidung originär-derivativ → KAPITEL 2: Originärer und derivativer Erwerb.
Für die Ersitzung genügt nicht schlichter Besitz, sondern nur derjenige, der das gesetzliche Kriterium des qualifizierten Besitzes voll erfüllt. Und § 1460 ABGB verlangt dafür kumulativ: rechtmäßigen (§ 316 ABGB), redlichen (§ 326 ABGB) und echten (§ 345 ABGB) Besitz! Dazu → KAPITEL 3: Arten des Besitzes: Rechtmäßig, redlich, echt.
Qualifizierter Besitz
Nach § 1460, 2. HalbS ABGB muss der Besitz „durch die ganze von dem Gesetze bestimmte Zeit fortgesetzt” werden. Dazu gleich mehr.
Zeitablauf
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2. „Wer” kann ersitzen?
§ 1453 ABGB: „Jeder, der sonst zu erwerben fähig ist, kann auch ein Eigentum oder andere [dingliche] Rechte durch Ersitzung erwerben.” – Dazu zählen natürliche und juristische Personen.
Rechtssprechungsbeispiel
Die Ersitzung von Geh- und Prozessionswegen oder Schiabfahrten (JBl 1962, 148: Anm Gschnitzer; JBl 1973, 143: Anm Reindl; JBl 1978, 144: Anm König) ist auch durch die „Allgemeinheit” möglich. Es ist aber stRspr, dass dann die Ersitzung durch die Gemeinde erfolgt und diese die Ersitzung geltend zu machen hat.
Vgl zuletzt SZ 69/216 (1996) mwH, wo es abgelehnt wird, neben der Gemeinde als Ersitzungssubjekt auch noch einen „selbständigen Personenkreis ‚Jedermann’ „anzuerkennen und dafür einen Prozessführungskurator zu bestellen. In solchen Fällen (sc der Gemeindeersitzung) kommt die Ersitzung Wanderern, Schifahrern, Prozessionsteilnehmern, überhaupt dem Publikum zugute
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3. „Gegen wen” kann ersessen werden?
§ 1454 ABGB: „Die ... Ersitzung kann gegen alle Privatpersonen, welche ihre Rechte selbst auszuüben fähig sind, stattfinden”. – Einschränkungen macht das Gesetz aber für Mündel und Pflegebefohlene, Kirchen, Gemeinden und andere „moralische Körper „ sowie Abwesende. Gegen diesen Personenkreis ist eine Ersitzung nur unter den in den §§ 1494, 1472 und 1475 genannten Voraussetzungen gestattet.
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4. „Was” kann ersessen werden?
§ 1455 Satz 1 ABGB formuliert (zu) weit: „Was sich erwerben lässt, kann auch ersessen werden.” – In Wahrheit sind nur bestimmte dingliche Rechte Gegenstand der Ersitzung; nämlich: Eigentum (inklusive Miteigentum), Servituten, Reallasten, nach § 1457 ABGB auch Jagd-, Fischerei- und Waldrechte.
dingliche Rechte
Kein Gegenstand der Ersitzung sind zB verpfändete, geliehene, in Verwahrung, „oder zur Fruchtnießung gegebene Sachen”; § 1462 ABGB. – Das gleiche gilt für Personenrechte; § 1458 ABGB: „Die Rechte eines Ehegatten, ‚der Eltern‘, eines Kindes und andere Personenrechte sind kein Gegenstand der Ersitzung ....”
nicht ersessen werden können
Eine Reihe von Gesetzen enthalten in Bezug auf die Ersitzung Ausschlusstatbestände:
• ZB § 33 Abs 5 ForstG: „Durch die Benutzung des Waldes zu Erholungszwecken tritt eine Ersitzung ... nicht ein”;
• § 4 Abs 6 WRG: „Durch Ersitzung kann das Eigentum oder ein anderes dingliches Recht am öffentlichen Wassergute ... nicht mehr erworben werden”;
• oder praktisch bedeutsam, § 50 VermG: „Die Ersitzung von Teilen eines im Grenzkataster enthaltenen Grundstückes ist ausgeschlossen.” – Damit wird die Ersitzung von Grundstücken weitgehend obsolet und beschränkt sich (bei unbeweglichen Sachen) auf Servituten.
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 2000/31 (§ 33 ForstG 1975): Zur Ersitzung von Wegerechten an Waldgrundstücken – Die Ersitzung selbständiger Wegerechte an Waldgrundstücken ist grundsätzlich möglich. Das Ersitzungsverbot des § 33 Abs 5 ForstG gilt nur für die bloße Benützung des Waldes zu Erholungszwecken. Andere Rechte als das vom ForstG 1975 eingeräumte Benützungsrecht zu Erholungszwecken, also etwa die Dienstbarkeit des Wegerechts, der Markierung oder der Schiabfahrt, sind von diesem Ersitzungsverbot – wie schon von den bisherigen Ersitzungsverboten – nicht erfasst.
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5. „Wann” beginnt die Ersitzung zu laufen?
Die Ersitzungszeit beginnt mit Besitzerwerb: „Die Ersitzungszeit beginnt grundsätzlich mit dem ersten Ausübungsakt, durch den der Rechtsbesitz erworben wird, zu laufen”; Schubert in Rummel2 II 1213.
Der Ersitzungsbesitzer ist während seiner Ersitzungszeit Rechtsbesitzer, weil er sich zur Besitzausübung berechtigt glaubt, weil er (vermeintlich) ein Recht als das seine ausübt.
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6. Zeitablauf: Zwei Arten der Ersitzung
Der Zeitablauf, den das Gesetz für eine gültige Ersitzung verlangt, ist unterschiedlich, je nachdem ob es sich um eine ordentliche oder eine außerordentliche Ersitzung und ob es um die Ersitzung beweglicher oder unbeweglicher Sachen geht:
Die eigentliche oder kurze Ersitzung erfordert qualifizierten (= rechtmäßigen, redlichen und echten) Besitz. Das Kriterium des rechtmäßigen Besitzes verlangt (für den Eigentumserwerb durch Ersitzung) den Nachweis eines gültigen Titels (!); § 1461 ABGB. – Das Gesetz nennt Beispiele: Erlangen der Sache durch Vermächtnis, Schenkung, Darlehen, Kauf und Verkauf, Tausch.
Kurze Ersitzung
Sie beträgt für:
Ersitzungszeit
bewegliche Sachen 3 Jahre (6 Jahre),
unbewegliche Sachen 30 Jahre (40 Jahre); § 1472 ABGB.
Die uneigentliche oder lange Ersitzung verlangt nach § 1477 ABGB immer einen Zeitraum von 30 oder 40 Jahren, bedarf dafür aber „keiner Angabe des rechtmäßigen Titels”; Redlichkeit und Echtheit müssen aber ebenfalls vorliegen → Beweislast
Lange Ersitzung
Sie beträgt nach § 1466 ABGB 3 Jahre.
Ersitzung beweglicher Sachen
Von praktischer Bedeutung war dies für gefundene Sachen (vgl nunmehr § 395 ABGB → KAPITEL 2: Originärer und derivativer Erwerb). – Entgegen der Annahme des Gesetzes liegt weder ein Eigentumserwerb durch Aneignung, noch durch Verjährung oder Ersitzung vor, weil durch Verjährung nur Rechte untergehen, aber neue nicht begründet werden und ein für die Ersitzung geeigneter Besitz nicht vorliegt. „Wir haben [hatten] es hier vielmehr mit einem Falle deutschrechtlicher Verschweigung zu tun.” (Klang in Klang2 II 265) – Nunmehr regelt § 395 ABGB ausdrücklich den Eigentumserwerb des Finders.
§ 1471 ABGB: Ersitzung bei Rechten, „die selten ausgeübt werden können, ...”
Sonderfall
Beispiel
Diese Vorschrift besitzt für Dienstbarkeiten und Reallasten Bedeutung; zB Dienstbarkeit des Nichtverbauens oder Nichthöherbauens: GlU 1779 (1863).
Die Verjährung von Servituten regelt § 1488 ABGB; sog Freiheitsersitzung (usucapio libertatis).
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7. Beweislast
Die Beweislast des Ersitzungsbesitzers ist für die kurze und lange Ersitzung unterschiedlich. Bei der langen ist nur der Zeitablauf zu beweisen (Beginn und Ende), bei der kurzen neben dem Zeitablauf auch die Rechtmäßigkeit (Titel) des Besitzes; Redlichkeit und Echtheit werden beim Besitzer ohnehin vermutet; § 328 ABGB.
Dazu Klang2 VI 578 und 583: Die Rspr gewährt dem Ersitzungsbesitzer bei der langen Ersitzung durch eine Erfahrungsregel eine zusätzliche Beweiserleichterung; er muss nur seinen Besitz zu Beginn und am Ende der Ersitzungszeit nachweisen: olim possessor, hodie possessor, interim possessor.
olim possessor ...
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8. Funktion / Zweck
Die Ersitzung erleichtert den Eigentumsbeweis und dient dadurch der Rechtssicherheit. – Die lange Ersitzung für unbewegliche Sachen macht sogar vom grundbücherlichen Eintragungsprinzip eine Ausnahme; der Eigentumserwerb erfolgt außerbücherlich.
Eigentumsbeweis
Zu weiteren Ausnahmen vom Intabulationsprinzip → KAPITEL 2: Der Eintragungsgrundsatz: Grundbuchsprinzipien.
Bei gutgläubigem Erwerb beweglicher Sachen vom Nichteigentümer nach § 367 ABGB erübrigt sich die Ersitzung, da die Voraussetzungen des § 367 ABGB günstiger sind, insbesondere zeitlich sofort wirken. Nur beim Fehlen der Voraussetzungen des § 367 ABGB besitzt die Ersitzung praktische Bedeutung. – Auch § 367 ABGB ist eine originäre Eigentumserwerbsart.
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III. Zeitberechnung, Zeitablauf und Bedingung
Die Zeit ist im Privatrecht von großer Bedeutung: Das gilt nicht nur für die eben besprochene Verjährung und Ersitzung, sondern auch eine Reihe anderer Fragen, die im Anschluss behandelt werden. – Im Rechtsleben werden nämlich zB die bürgerliche (Zeit)Berechnung / computatio civilis und die natürliche (Zeit)Berechnung / computatio naturalis unterschieden. So ungenau die bürgerliche Berechnung auch ist, sie ist wohlberechtigt. Denn für manche Rechtsakte ist es gleichgültig, ob sie ein paar Stunden früher oder später erfolgt sind; zB der Erwerb des Besitzes an einer Sache. Es genügt daher, dass die Berechnung gleichförmig und sicher ist, wenn auch nicht auf die Stunde genau. Die natürliche Berechnung muss da eintreten, wo nicht ein Zeitraum (Frist), sondern ein Zeitpunkt (Termin) in Frage steht. Das gilt etwa für die Frage der Priorität dinglicher Rechte und jene nach dem Eintritt des Todes zweier Personen, um allfällige Erbansprüche bestimmen zu können. Rechtliche und natürliche Zeitberechnung stimmen danach nicht überein, was sich etwa auch in der Einführung der Sommerzeit zeigt.
computatio civilis und computatio naturalis
Im Rahmen der Leistungsstörungen etwa haben wir von der Bedeutsamkeit zeitlich korrekter / pünktlicher Erfüllung gehört und dabei einfaches Termingeschäft und Fixgeschäft (§ 919 ABGB) unterschieden; im Rahmen des § 918 ABGB (Rücktritt des Gläubigers bei Schuldnerverzug) ist (zeitlich) uno actu mit der Rücktrittserklärung eine angemessene Nachfrist zu setzen. Konventionalstrafen (§ 1336 ABGB) sichern die zeitgerechte Erfüllung zum vereinbarten Zeitpunkt (= Termin) oder innerhalb einer festgelegten Frist (= rechtlich relevanter Zeitraum). – Im Rahmen der Lehre vom Vertragsschluss haben wir bspw die befristete Offerte kennen gelernt. Die unechte oder Herstellergarantie erfolgt befristet, das Recht der Gewährleistung kann nur innerhalb bestimmter gesetzlich festgelegter Fristen ausgeübt werden; § 933 ABGB. Nach § 865 ABGB kann der Geschäftspartner eines Minderjährigen dessen gesetzlichen Vertreter eine „angemessene Frist zur Erklärung” setzen usw.
Die in der Folge behandelten Rechtsfiguren der Bedingung, Befristung und Auflage werden heute auch unter dem Oberbegriff „Nebenbestimmungen von Rechtsgeschäften” zusammengefasst. – Hier dagegen wird ihr Zusammenhang mit der Zeit in den Vordergrund gestellt.
1. Die Befristung
Die Befristung beschränkt ein Rechtsverhältnis zeitlich; genauer: hinsichtlich seiner zeitlichen Dauer. Anders als bei der Bedingung (→ Die Bedingung) werden die Rechtswirkungen eines Rechtsgeschäfts nicht von einem zukünftigen und ungewissen Ereignis abhängig gemacht; die Rechtswirkungen sollen vielmehr erst mit einem bestimmten (künftigen) Zeitpunkt beginnen (sog Anfangstermin / dies a quo) oder mit einem genannten Zeitpunkt enden; sog Endtermin / dies ad quem.
Anfangs- und Endtermin: dies a quo und dies ad quem
Die §§ 902 und 903 ABGB regeln die Fristberechnung; vgl aber etwa auch § 32 AVG. – Das ABGB unterscheidet dabei, ob die Frist nach Tagen oder nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmt wird und führt dazu aus:
Fristberechnung
• bei Tagesfristen wird der „erste” Tag („in welchen das Ereignis fällt”) nicht mitgezählt (§ 902 Abs 1 ABGB; § 32 Abs 1 AVG);
§ 359 Abs 2 HGB bestimmt: „Ist eine Frist von acht Tagen vereinbart, so sind hierunter im Zweifel volle acht Tage zu verstehen.”
• § 902 Abs 2 ABGB (§ 32 Abs 2 AVG) bestimmt das Ende von Wochen-, Monats- oder Jahresfristen.
§ 903 ABGB regelt den Zeitpunkt von Rechtserwerb und Rechtsverlust.
Mit BGBl 37/1961 wurde die Regelung des § 903 Satz 3 ABGB (Sonntag oder anerkannter Feiertag) über die Hemmung des Fristenlaufs auf Samstage und den Karfreitag erstreckt. – Danach verlängert sich eine Frist, die am Samstag oder Sonntag etc enden würde, automatisch bis Montag.
Die in den §§ 902 und 903 ABGB gesetzlich festgelegte Fristberechnung nennt man Zivilkomputation im Gegensatz zur Naturalkomputation (= a momento ad momentum / von Augenblick zu Augenblick). – Naturalkomputation ist möglich, müsste vertraglich aber vereinbart werden.
Ein wichtiger Unterschied besteht zwischen materiellrechtlichen Fristen, etwa jenen des ABGB und formellen oder verfahrensrechtlichen / prozessualen Fristen; zB § 464 ZPO (Berufungsfristen) oder § 33 Abs 3 AVG. Allgemein: § 89 Abs 1 GOG. – Leider ist auch hier längst nicht alles klar. Als Merkregel kann aber festgehalten werden:
Materielle und formelle Fristen
• Bei formellen Fristen werden die Tage des Postlaufs (generell: der Beförderung) in die Frist nicht (!) eingerechnet; dh zB: Ein Rechtsmittel ist rechtzeitig eingebracht, wenn es (am letzten Tag der Frist) rechtzeitig abgesandt wurde, mag auch idF der Postweg länger als üblich gedauert haben. – Das gilt nunmehr auch für das elektronische Einbringen von Rechtsmitteln.
Rechtssprechungsbeispiel
JB 143 (1899): Erklärungen, Anträge, Schriftsätze, welche an eine Frist gebunden sind und mit der Post an das Gericht gelangen, sind als rechtzeitig überreicht anzusehen, wenn sie am letzten Tage der Frist zu einer Zeit der Post übergeben wurden, zu welcher sie noch mit dem postämtlichen Aufgabevermerke dieses Tages versehen werden konnten. Dies gilt ebenso für den Fern- wie für den Lokalverkehr.
• Bei materiellen Fristen dagegen wird der Postlauf in die Beförderung eingerechnet; dh es entscheidet das tatsächliche Einlangen beim Empfänger und nicht bloß die (rechtzeitige) Absendung. Das spielt bspw beim Vertragsschluss eine Rolle.
Zur befristeten Offerte → KAPITEL 5: Unbefristete und befristete Anträge. – Für Schick- und Geldschulden genügt allerdings die rechtzeitige Absendung → KAPITEL 7: Die Geldschuld als qualifizierte Schickschuld. Ebenso für die Mängelrüge → KAPITEL 7: Kaufmännische Rügepflicht.
Literaturquelle
Nicht alle Rechtsgeschäfte oder Rechtsakte vertragen eine Zeitbestimmung oder eine Befristung; vgl etwa § 17 Abs 2 EheG: Eheschließung → KAPITEL 16: Der Ehevertrag. Mehr zu den bedingungs- und befristungsfeindlichen Rechtsgeschäften → Bedingungs- und befristungsfeindliche Rechtsgeschäfte
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2. Die Bedingung
Rechtsquellen: §§ 696 ff und §§ 897 ff ABGB. – Vgl dazu die Anordnung des § 897 ABGB, wonach „in Ansehung der Bedingungen bei Verträgen” das gleiche gilt für die „Erklärungen des letzten Willens”. (Zu der im ABGB inhaltlich noch identen Auslegung von Gesetzen und Rechtsgeschäften / Verträgen → KAPITEL 11: Die ¿Stufen¿ des § 914 ABGB.) – Das dtBGB regelt Bedingung und Zeitbestimmung in den §§ 158-163.
Das ABGB enthält in § 696 eine Legaldefinition der Bedingung:
Legaldefinition
„Eine Bedingung heißt eine Ereignung, wovon ein Recht abhängig gemacht wird.”
Bedingungen spielen in Verträgen (zB Schenkungen auf den Todesfall) und einseitigen Rechtsgeschäften – etwa Testamenten – eine wichtige Rolle.
Die echte oder eigentliche Bedingung stellt auf ein ungewisses und künftiges Ereignis ab, die unechte oder uneigentliche auf vergangene oder doch gegenwärtige Umstände; condicio in praesens vel praeteritum collata.
Echte und unechte Bedingung
Ist die Bedingung bereits eingetreten, darf sie den Parteien oder doch einer von ihnen noch nicht bekannt sein; vgl die Formulierung der Wette in § 1270 und § 899 ABGB.
Rechtssprechungsbeispiel
EFSlg 66.237 (1991-LGZ Wien) Schenkung auf den Todesfall unter einer Bedingung (hier: Führung einer harmonischen Ehe durch 10 Jahre), die infolge des Freitods des Geschenkgebers nicht mehr eintreten kann, wird nicht wirksam. Im Freitod kann keine Vereitelung der Bedingung wider Treu und Glauben (→ Erfüllungsfiktion) mit der Wirkung gesehen werden, dass die Bedingung als eingetreten gilt. Ganz abgesehen davon, dass sich der Erblasser durch den vorzeitigen Tod keine Vorteile verschafft hat, ist die Anwendung dieses Rechtssatzes auch dann ausgeschlossen, wenn der Erblasser seinen Tod bloß deshalb herbeigeführt hätte, um die Bedingung zu vereiteln. (?)
Wie die unechten Bedingungen sind auch Rechtsbedingungen keine echten Bedingungen; sie werden vielmehr gesetzlich festgesetzt und bedürfen keiner Vereinbarung. Vgl etwa die nach den LandesgrundverkehrsG vorgesehene Zustimmung der Grundverkehrskommissionen bei Kaufverträgen über landwirtschaftlich genutzte Liegenschaften.
Rechtsbedingungen
Dasselbe gilt für notwendige und unmögliche Bedingungen, denn es fehlt im Vergleich zu echten Bedingungen das Element des Ungewissen. Bei ihnen ist der Bedingungseintritt schon im Zeitpunkt des Festsetzens der Bedingung gewiss. – Unmöglich ist eine Bedingung, die nach dem Stand des jeweiligen menschlichen Wissens gar nicht eintreten kann.
Notwendige und unmögliche Bedingungen
Vgl zur Unmöglichkeit die Formulierung des § 878 ABGB, wo es aber um den Vertragsinhalt geht.
Von den unmöglichen sind die unerlaubten Bedingungen zu unterscheiden. Sie sind gesetz- oder sittenwidrig. Ihre Behandlung regelt:
Unerlaubte Bedingungen
§ 698 ABGB
”Die Anordnung, wodurch jemanden unter einer aufschiebenden unmöglichen Bedingung ein Recht erteilt wird, ist ungültig, obschon die Erfüllung der Bedingung erst in der Folge unmöglich, und die Unmöglichkeit dem Erblasser bekannt geworden wäre. Eine auflösende unmögliche Bedingung wird als nicht beigesetzt angesehen. Alles dieses gilt auch von den unerlaubten Bedingungen.”
§ 700 ABGB schließt für bisher unverheiratete Personen bspw die Bedingung der Nichtverehelichung aus, nicht dagegen für verwitwete Personen. (? – Hier wäre aufgrund einer anzunehmenden Wertungslücke teleologisch zu reduzieren → KAPITEL 11: Die teleologische Reduktion.) Gültig auferlegt werden kann dagegen die Bedingung, dass der/die Bedachte „eine bestimmte Person nicht heirate”. (?)
Das Wort Bedingung wird aber auch in Sinnzusammenhängen verwendet, die mit dem Rechtsinstitut „Bedingung“, das hier behandelt werden soll, nichts zu tun haben.
„Bedingung”
So spricht man von Versicherungs- oder Versteigerungsbedingungen und meint damit die AGB von Versicherungsunternehmungen oder die konkreten Voraussetzungen unter denen eine Versteigerung ablaufen soll. Im Erbrecht wird von bedingter Erbserklärung gesprochen, was auch nichts mit dem hier Besprochenen zu tun hat. Benannt wird damit vielmehr der Umfang der Erbenhaftung → KAPITEL 17: Die Erbenhaftung .
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3. Weitere Arten von Bedingungen
Aufschiebende / Suspensiv- und auflösende oder Resolutivbdingung: Vom Eintritt oder Entfall jener hängt die Entstehung eines Rechtes ab, von dieser sein Erlöschen.
Aufschiebende und auflösende Bedingung
Vgl § 696 Satz 3 ABGB: „Sie [sc die Bedingung] ist aufschiebend, wenn das zugedachte Recht erst nach ihrer Erfüllung zu seiner Kraft gelangt; sie ist auflösend, wenn das zugedachte Recht bei ihrem Eintritte verloren geht.”
Auslegung muss uU klären, ob diese oder jene Bedingung vorliegt, was zweifelhaft sein kann; entscheidend sind nach § 914 ABGB Parteiwille und Vertragszweck.
§ 900 ABGB stellt klar, dass „ein unter einer aufschiebenden Bedingung zugesagtes Recht ... auch auf die Erben” übergeht. – Diese Form der Bedingung spielt beim Anwartschaftsrecht eine Rolle → KAPITEL 6: Vorvertrag <-> Anwartschaftsverträge.
Beispiel
Bejahende / positive oder affirmative und verneinende / negative Bedingung: § 696 ABGB stellt darauf ab, ob sich eine Bedingung auf den Erfolg bezieht, dann ist sie eine bejahende, oder auf den Nichterfolg einer Ereignung, dann ist sie verneinend.
Bejahende und verneinende Bedingung
Beispiel
Willkür- oder Potestativbedingung sowie Zufalls- und gemischte Bedingung: Die Zufallsbedingung ist dem Willen des bedingt Berechtigten entzogen, sie kann von ihm nicht beeinflusst werden, es fehlt die Einwirkungsmöglichkeit; die Potestativbedingung dagegen ist vom Willen des Berechtigten abhängig, ihr Eintritt hängt vom Willen des bedingt Berechtigten ab; auf die gemischte Bedingung (condicio mixta) trifft beides zu.
Willkür-, Zufalls- und gemischte Bedingung
Beispiel
Von einer Wollensbedingung spricht man nach Ehrenzweig (I/12, 242) dann, „wenn jemand bei Abschließung eines Geschäftes sich selbst die Genehmigung vorbehält”.
Beispiel
Auch Bedingungen können – als Teil einer Willenserklärung – ausdrücklich, schlüssig oder stillschweigend iSd § 863 ABGB vereinbart werden; vgl jedoch § 901 ABGB.
§ 863 ABGB
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4. Bedingungs- und befristungsfeindliche Rechtsgeschäfte
Nicht alle Rechtsakte und Rechtsgeschäfte „vertragen” ihrem Wesen nach eine Bedingung oder eine Befristung. Das Erbrecht ist hier aber großzügiger als die Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die viel häufiger bedingungs- und befristungsfeindlich sind. – Der römische Jurist Papinian nannte bedingungsfeindliche Geschäfte actus legitimi:
• Hierher gehören: Familien- und erbrechtliche, aber zB auch Rechtsakte, die aus rechtsgrundsätzlichen und rechtsethischen Überlegungen nicht unter einer Bedingung erfolgen können; das betrifft zB: Eheschließung (§ 17 Abs 4 EheG), Adoption oder Vaterschaftsanerkennung;
actus legitimi
• Überlegungen der Rechtssicherheit und des ordre public (öffentliche Ordnung; § 26 ABGB, IPR) machen Erbs- (NZ 1999, 124) und Aufsandungserklärungen ebenso bedingungsfeindlich wie das Erteilen einer Prokura; § 50 Abs 2 HGB.
• Für die Bedingungsfeindlichkeit einseitiger empfangsbedürftiger Willenserklärungen (zB von Kündigung, Entlassung, Rücktritt oder Widerruf) spricht häufig – aber nicht immer – das Interesse des Erklärungsempfängers an sofortiger und klarer Erkennbarkeit der Rechtslage; vgl SZ 52/139 (1979).
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1999/31 – § 20 AngG, § 897 ABGB: Rechtswirkungen einer bedingten Kündigung. Eine der Kündigung beigefügte Bedingung ist unzulässig, wenn ihre Erfüllung nicht ausschließlich vom Erklärungsempfänger abhängt. Eine unzulässige Bedingung hat die (relative) Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Der Erklärungsempfänger kann einer unzulässigen Bedingung nicht wirksam zustimmen, da sie dem zum Wesensgehalt der Kündigung gehörenden Bestimmtheits- und Gewissheitsverbot widerspricht. Eine Umdeutung der Bedingung oder die Annahme der Gültigkeit der restlichen Erklärung ohne Bedingung kommt deshalb nicht in Betracht.
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5. Erbrecht und Geschäfte unter Lebenden gehen im Bedingungsrecht zum Teil unterschiedliche Wege ...
Diese Norm bestimmt für das Erbrecht, dass „ganz unverständliche Bedingungen [ebenso behandelt werden ganz unbestimmte, unvernünftige oder unernst-lächerliche Bedingungen] ... für nicht beigesetzt zu achten” sind. – Das bedeutet: Die letztwillige Verfügung bleibt grundsätzlich bestehen.
§ 697 ABGB
Anderes bestimmt § 898 ABGB für Verträge (unter Lebenden):
§ 898 ABGB
„Verabredungen unter solchen Bedingungen, welche bei einem letzten Willen für nicht beigesetzt angesehen werden, sind [als Ganze!] ungültig.”
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6. Erfüllung der Bedingung
Hat sich die als Bedingung gesetzte (faktische) Ereignung verwirklicht, gilt sie als erfüllt; condicio existit. Steht fest, dass sie sich nicht mehr verwirklichen kann, gilt sie als vereitelt; condicio deficit. Die Zeit bis zum (Nicht)Eintritt der Bedingung heißt Schwebezeit; condicio pendet.
conditio existit, deficit, pendet
Das Gesetz (§ 699 ABGB) verlangt die „genaue Erfüllung” einer Bedingung, worin ein wichtiger Unterschied zur Auflage besteht, für die § 710 ABGB anordnet, dass dann, wenn „nicht genau erfüllt ... kann, [ ... man dieser] wenigstens nach Möglichkeit nahe zu kommen suchen” solle. Aber auch bei Bedingungen ist auf ihren Sinn und Zweck zu achten.
Genaue Erfüllung
Vgl dazu die ausdrückliche Regelung des frCC in Art 1175: „Toute condition doit etre accomplie de la maniere que les parties ont vraisemblablement voulu et entendu qu’elle le fut.” – Dh: „Jede Bedingung muß auf diese Weise erfüllt werden, wie die Parteien wahrscheinlich gewollt und verstanden haben, daß dies geschehe.”
Das ABGB kennt nicht die anderen Rechtsordnungen vergleichbare – Art 1178 frCC, § 162 dtBGB, Art 156 SchwOR – Regelung einer Erfüllungsfiktion, wenn der Bedingungseintritt wider Treu und Glauben herbeigeführt oder vereitelt wird; vgl aber → Erfüllungsfiktion Rspr und Schrifttum haben daher ganz selbstverständlich die Regelung des § 162 dtBGB „adoptiert”; vgl schon GlUNF 6838 (1914) = SprRep Nr 234.
Erfüllungsfiktion
Überlege: Welcher methodische „Schritt” der Rechtsanwendung gelangt hier zur Anwendung? – Analogie; genauer: Gesetzesanalogie; noch genauer: Gesetzesanalogie aus einer fremden Rechtsordnung! Das lehrt uns, dass als Analogiebasis nicht nur die eigene Rechtsordnung in Betracht kommt, sondern auch das Recht anderer (Kultur)Staaten.
Art 1178 frCC
Eine Bedingung wird auch als erfüllt angesehen, wenn der Schuldner, der sich unter dieser Bedingung verpflichtet hatte, selbst deren Erfüllung verhinderte.
§ 162 dtBGB
Verhinderung oder Herbeiführung des Bedingungseintritts
”(1) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten.
(2) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der Eintritt als nicht erfolgt.”
Art 156 SchwOR
Eine Bedingung gilt als erfüllt, wenn ihr Eintritt von dem einen Teile wider Treu und Glauben verhindert worden ist.
Die Fiktion ist ein Instrument der Gesetzestechnik / Legistik und der (Gesetzes)Auslegung. Sie ordnet an, etwas für wirklich – und damit rechtlich-tatbestandlich beachtlich – zu halten, was bekanntermaßen nicht so (gewesen) ist. Man könnte das auch als bewusst falsche Annahme von Wirklichkeit bezeichnen. Eine solche von der Wirklichkeit abweichende Annahme erfolgt natürlich nicht grundlos, sondern aus einem legistisch-rechtspolitischen Kalkül heraus.
Fiktion
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
Zur Bedingungsvereitelung:
RGZ 79 (1912) 96: Arglistiges Verhindern des Eintritts einer aufschiebenden Bedingung durch die Vertragspartei, auf deren Handeln die Bedingung abstellt. (In welchem Zeitpunkte hat gegebenenfalls die Bedingung als eingetreten zu gelten?) – Kläger war der Verkäufer einer Liegenschaft mit Villa, Beklagter der Käufer, der einen Hotelbetrieb eröffnen wollte. Das Wirksamwerden des Kaufvertrags war davon abhängig gemacht worden, dass der Beklagte die Konzession für den Hotel- und den vollen Schankbetrieb in der Villa erhalte. Der Beklagte hatte zwar um die Konzession nachgesucht, ohne zuvor aber wie vereinbart das Gebäude weiter auszubauen und zu vergrößern (zB ausdrückliche Verabredung, dass der Villa ein zweites Stockwerk aufgesetzt wird), weshalb es abgelehnt wurde. Daraufhin erklärte der Beklagte den Vertrag als hinfällig. Das dtRG folgte der Argumentation des Klägers, dass der Beklagte den Eintritt der Bedingung wider Treu und Glauben vereitelt habe. Das RG sieht die Bedingung bereits in dem Zeitpunkt als vereitelt an, „in dem der Beklagte ihren Eintritt hätte herbeiführen können und herbeigeführt hätte, wenn er redlich gehandelt hätte”, was im Zeitpunkt der Klagsführung angenommen wurde.
SZ 15/247 (1933) = JB Nr 47: Die Grazer Tramway-Gesellschaft hatte als Dienstgeber, durch eine vertragswidrige Kündigung ihres Dienstnehmers, den Eintritt der für die Entstehung eines Pensionsanspruchs ihres Dienstnehmers nach den Satzungen der Gesellschaft vorgesehenen Wartezeit verhindert. Der OGH erblickte darin uH auf § 162 Abs 1 dtBGB und SprRep Nr 234 (GlUNF 6838) eine wider Treu und Glauben verstoßende Vereitelung der Bedingung.
EFSlg 66.237: Schenkung auf den Todesfall. → Die Bedingung
Ein anderer Unterschied zwischen Bedingung und Auflage liegt darin, dass es kein Klagerecht auf das Erfüllen von Bedingungen gibt, während ein solches für die Auflage angenommen wird → Abgrenzungen: Savigny.
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7. Wirkung der Bedingung
Ein mit einer auflösenden Bedingung versehenes Rechtsgeschäft ist, solange die Bedingung nicht eingetreten ist, also schwebt, gültig; das Eigentum besteht bspw, und die Forderung ist aufrecht. – Beim aufschiebend bedingten Rechtsgeschäft dagegen ist das Recht noch gar nicht voll entstanden. Es wird aber – je nach bedingtem Recht – eine schuldrechtliche oder dingliche Anwartschaft angenommen → KAPITEL 8: Rechtsstellung des Vorbehaltskäufers.
Diese Anwartschaft ist bereits vor Bedingungseintritt veräußerbar und belastbar (Ehrenzweig); sog Rückwirkung der bücherlichen Vormerkung: § 438 ABGB, § 49 GBG. Bedingte Rechte oder Verbindlichkeiten sind auch schon vererblich (§ 900 ABGB); vgl jedoch § 703 ABGB. Bedingte Forderungen sind zB aber noch nicht fällig und ihre irrtümliche Erfüllung kann nach § 1434 ABGB zurückgefordert werden. Bedingte Rechtspositionen können bspw auch durch einstweilige Verfügungen sichergestellt werden.
Anwartschaft
Fraglich ist, ob der Eintritt der Bedingung zurückwirkt, insbesondere auf den Abschluss des Rechtsgeschäfts; dazu Ehrenzweig, I/12, 254. Ehrenzweig verweist auf die bedingte Pfandrechtseintragung (§ 59 GBG → KAPITEL 15: § 59 GBG: Bedingte Pfandrechtseintragung), die einem nach dieser Eintragung erworbenen unbedingten Pfandrecht vorgeht, auch wenn der Bedingungseintritt erst nach dieser Eintragung erfolgte. – Generell wird man das aber nicht annehmen können.
Rückwirkung?
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IV. Die Auflage
Das ABGB spricht in § 709 unglücklich von Auftrag, meint aber die Auflage; vgl die Klarstellung in → KAPITEL 12: Zum Begriff. Regelungsort der Auflage (lateinisch: modus) ist das Erb- und Testamentsrecht, was aber nicht bedeutet, dass eine Auflage nicht auch in anderem rechtlichen Zusammenhang von Bedeutung sein kann; zB bei Schenkungen: Vgl dazu die §§ 525-527 dtBGB.
1. Was ist die Auflage?
Die Auflage verbindet eine unentgeltliche Zuwendung – sei es eine letztwillige Verfügung (zB Vermächtnis oder Testament) oder eine Schenkung – mit einer (echten) Verpflichtung und stellt klar, dass der Bedachte mit der (unentgeltlichen) Zuwendung auch die Verpflichtung zu akzeptieren hat.
Das Gesetz ordnet an, dass das Nichterfüllen einer Auflage wie eine auflösende Bedingung anzusehen sei, und bestimmt als Rechtsfolge, dass dann „der Nachlass [als] verwirkt” zu betrachten sei.
Wirkung
§ 709 ABGB: „Hat der Erblasser jemandem einen Nachlass unter einem Auftrage zugewendet; so ist dieser Auftrag als eine auflösende Bedingung anzusehen, dass durch die Nichterfüllung des Auftrages der Nachlass verwirkt werden solle (§ 696).”
Begriff Ehrenzweig I/12, 252 umschreibt die Auflage als eine „bei einer unentgeltlichen Vermögenszuwendung dem Erwerber auferlegte Verbindlichkeit, die nicht unter einen anderen Begriff fällt. Der weite Begriff der Auflage soll eben nur Reste zusammenfassen, Verbindlichkeiten, die anderwärts nicht unterzubringen sind.”
Begriff
Beispiel
Eine Auflage (etwa bei einer Schenkung) ist kein Entgelt. – Das Rechtsgeschäft bleibt daher Schenkung. Im Rahmen letztwilliger Verfügungen ist die Auflage vom Vermächtnis abzugrenzen.
Abgrenzung
Vgl dazu die Merkformel: Auflage ist, was nicht Vermächtnis ist; zB die auferlegte Pflicht, die Feuerbestattung auszurichten oder ein Grabmal zu errichten oder den hinterlassenen Roman zu verlegen. Vgl auch § 1946 dtBGB.
Merkformel
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2. Erfüllung der Auflage
§ 710 ABGB ordnet an, dass dann, wenn ein Auftrag „nicht genau erfüllt werden kann”, wenigstens versucht werden müsse, diesem „nach Möglichkeit nahe zu kommen”; zum Unterschied zur Bedingung → Erfüllung der Bedingung – Aber auch dann, wenn ein solches Nahekommen nicht möglich ist, behält der/die „Belastete” nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung den „zugedachten Nachlass”, „wofern aus dem Willen des Erblassers nicht das Gegenteil erhellt”. – Nur wer sich zur Erfüllung der Auflage „selbst unfähig gemacht hat”, verliert den zugedachten Nachlass; § 710 Satz 3 ABGB. Darin liegt ein Anklang an eine Nichterfüllungsfiktion → Erfüllung der Bedingung
§ 711 ABGB behandelt den Fall, dass der „Erblasser” erklärt hat, wozu der „Nachlass” dienen soll, ohne dies „zur Pflicht gemacht” zu haben. Eine andere Verwendung des Nachlasses schadet dann dem Bedachten nicht. – Und § 712 ABGB trifft für die Auflage eine der Bedingung entsprechende Anordnung für unmögliche oder unerlaubte Auflagen. Solche Auflagen sind ungültig.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 25. 11. 1999, 6 Ob 244/99x, SZ 72/197 = EvBl 2000/84: Die Tochter begeht Selbstmord. Im eigenhändigen Testament vermacht sie einem Verein ein Grundstück mit der Auflage, ihrer Mutter in einem darauf zu errichtenden Haus ein Wohnrecht einzuräumen. Das Ansuchen des Vereins auf Umwidmung des Grundstückes in Bauland wird abgelehnt; daraufhin klagt die Mutter auf Herausgabe der Liegenschaft. – OGH: Der Legatar kann auch mit einem Sublegat beschwert werden, das in der Einräumung eines Wohnungsrechts besteht. Der Erblasser kann auch bestimmen, dass der Legatar die vermachte Sache erst verschaffen muss; selbst wenn dafür die Hilfe eines Dritten (hier: Gemeinde) notwendig ist. Ist die Erfüllung der Auflage unmöglich (hier: Bau des Hauses, wegen Nichtbewilligung der Umwidmung), ist der Beschwerte (hier: Verein) verpflichtet, dem Auftrag möglichst nachzukommen oder dem (Sub)Legatar den Schätzwert zu entrichten. Ist auch eine Surrogaterfüllung nicht möglich, erhält der Belastete den Nachlass ohne Belastung. Die Klage der Mutter auf Herausgabe der Liegenschaft bleibt also erfolglos. (Ein solches Verständnis der Auflage wird dem Erblasserwillen nicht gerecht).
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3. Abgrenzungen
Die echte Auflage (modus qualificatus) ist abzugrenzen vom Vermächtnis (→ Was ist die Auflage?), dem Auftrag, der Bedingung, aber auch dem/r unverbindlichen Empfehlung / Wunsch oder Rat – modus simplex / nudum praeceptum – vgl §§ 711, 901, 695 ABGB.
Auflage und Vermächtnis, Auftrag, Bedingung, Wunsch etc
Berühmt ist die Abgrenzung von Bedingung und Auflage durch F.C.v. Savigny: Die Bedingung suspendiert, zwingt aber nicht; die Auflage zwingt, suspendiert aber nicht. – Gemeint ist damit: Die (aufschiebende) Bedingung schiebt den Rechtserwerb bis zum Eintritt der Bedingung hinaus; bei der Auflage erfolgt dieser dagegen sofort. Umgekehrt „zwingt” die Auflage – anders als die Bedingung – zur Erfüllung der auferlegten echten Verpflichtung, auf deren Einhaltung auch geklagt werden kann; das Nichterfüllen der Auflage zerstört also (grundsätzlich) das Recht und verwirkt den zugewendeten Vorteil: § 709 ABGB.
Ob eine Erklärung Auflage oder Bedingung ist, kann zweifelhaft sein. Ehrenzweig wendet § 614 ABGB (Auslegung der Substitutionen → KAPITEL 17: Substitution: Ersatz- und Nacherbschaft) analog an und folgert, dass im Zweifel eine Auflage anzunehmen ist, weil diese dem Belasteten die geringere Beschränkung auferlege. – Vgl mit § 614 die Unklarheitenregel des § 915 Fall 1 ABGB.
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