Kapitel 8 | |
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Wir
haben bereits mit dem Sachenrecht Bekanntschaft gemacht und Eigentum,
Besitz und Innehabung begrifflich voneinander geschieden → KAPITEL 3: Abgrenzung:
Besitz ¿ Eigentum.
Dort wurde auch die für den Erwerb dinglicher Rechte grundlegende
Lehre von Titel und Modus besprochen. Hier ist daran zu erinnern,
dass es für den gültigen Erwerb dinglicher Rechte, zB des Eigentums
an einer Liegenschaft, nach der Lehre von Titel und Modus (§§ 380,
431 ABGB) der Eintragung ins Grundbuch bedarf. Eigentums- und Besitzerwerb
gehen demnach grundsätzlich Hand in Hand. – Hier wollen wir uns
aber vornehmlich dem Sachenrecht vom Grundsätzlichen her nähern,
dh sein Wesen, seine Aufgabe und Funktionen betrachten (A.I.), um
anschließend das Eigentum als zentrales Rechtsinstitut des Sachen-
und des Privatrechts kennenzulernen (A.II.-VIII.). Anschließend
wird auf Sonderprobleme, nämlich Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung (B.),
Gutglaubenserwerb und Doppelverkauf (C.), die Lehre vom Rechtsobjekt
(D.), die Dienstbarkeiten und Reallasten (E.) sowie das Baurecht
(F.) eingegangen. | Überblick |
A. Grundgedanken
des Sachenrechts |
I. Recht
der Sachgüterzuordnung | |
Dem Sachenrecht kommt innerhalb
des Privatrechts, ja der gesamten Rechtsordnung eine zentrale Ordnungsaufgabe
zu, die gerne übersehen wird, zumal diese bedeutende gesellschaftliche
Leistung vom (Privat)Recht mit großer Zurückhaltung erbracht wird.
– Das Sachenrecht trägt dadurch in hohem Maße zum Entstehen des
Rechtswertes „Rechtssicherheit” bei. | Sachenrecht
erzeugt Rechtssicherheit |
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1. § 308 ABGB:
Dingliche Sachenrechte | |
Das Sachenrecht
fasst die dinglichen Rechte zusammen; § 308 ABGB formuliert: | |
„Dingliche
Sachenrechte sind das Recht des Besitzes, des Eigentums, des Pfandes,
der Dienstbarkeit und des Erbrechts.” | |
| Korrekturen |
 | Abbildung 8.1: Arten der Sachenrechte: Überblick |
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 | Abbildung 8.2: Dingliche Rechte |
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2. Das Eigentum
als dingliches Vollrecht <-> Beschränkte dingliche (Sachen)Rechte | |
Dingliche Rechte gewähren eine unmittelbare
Sachherrschaft; das gilt für das Eigentum wie die beschränkten dinglichen
Sachenrechte. Und dies meint: Das Sachenrecht besteht ohne Dazwischentreten
anderer Personen wie zB beim Kauf, wo dem Käufer nur ein schuldrechtlicher Anspruch
gegen den Verkäufer auf Lieferung des Kaufgegenstands, nicht aber
ein unmittelbares Recht daran, eingeräumt wird. | Unmittelbare
Sachherrschaft |
Zur Unterscheidung ius in re (Recht an einer
Sache selbst: Sachenrecht) und ius ad rem (Recht auf eine Sache: Schuldrecht) → KAPITEL 1: Dingliche
Rechte und Forderungsrechte.
Diese Unterscheidung ist auch dem römischen Recht noch fremd und
geht auf die Glossatoren (Ende 11./12. Jhd) zurück. | |
Eigentum ist
das dingliche Vollrecht an einer Sache. Das heißt:
Die mit dem Eigentumsrecht inhaltlich verbundenen Befugnisse müssen
nicht erst einzeln aufgezählt werden, weil sie grundsätzlich alle
in einer Rechtsordnung anerkannten Rechte an einer Sache umfassen. | Dingliches Vollrecht |
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Alle
anderen dinglichen Sachenrechte sind demgegenüber bloße Abspaltungen
oder Teile dieses umfassenden dinglichen Vollrechts; zB das Pfandrecht
oder die Servituten. Man bezeichnet diese Abspaltungen vom Vollrecht
als beschränkte dingliche Rechte. | Beschränkte dingliche Rechte |
Das Vollrecht lebt wieder
auf, wenn die rechtliche Beschränkung – zB durch eine Servitut oder
ein Pfandrecht – wegfällt; sog Flexibilität des Eigentums. Vgl etwa
§ 469 ABGB: Sog Verfügungsrecht des Eigentümers nach Rückzahlung
der Pfandschuld → KAPITEL 15: Das
Pfandrecht als Recht an fremder Sache. | |
3. Aufgabe des
Sachenrechts | |
Aufgabe des Sachenrechts ist es,
Sachen – bewegliche wie unbewegliche, körperliche wie unkörperliche,
also Vermögensobjekte rechtlich erkennbar und verlässlich an Rechtssubjekte
zuzuordnen; an natürliche und juristische Personen. Das Sachenrecht
ist demnach das Recht der Sachgüterzuordnung. Diese Zuordnung muss
klar und für andere erkennbar erfolgen, weil nur so Gewähr besteht,
dass die jeweilige Rechtsposition (sachenrechtlich Berechtigter)
von anderen, die damit in Berührung kommen, respektiert werden kann.
Dazu kommt, dass Gläubiger in Bezug auf die sachenrechtliche Zuordnung
von Rechtsobjekten, die ihrer Sicherheit dienen, nicht getäuscht, sondern
in ihren berechtigten Interessen geschützt werden sollen. | Recht
der
Sachgüterzuordnung |
Daher
muss die Pfandsache, wenn sie eine bewegliche körperliche ist, wirklich
übergeben werden – sog Faustpfandprinzip ( → KAPITEL 2: Die
rechtliche Erwerbungsart: Modus traditio),
weil nur dieser Publizitätsakt sicherstellt, dass der Pfandgläubiger
ein gültiges und verwertbares Pfandrecht erwirbt. – Zum sog Afterpfand:
§§ 454, 455, 460 ABGB. – Deshalb entstehen Hypotheken nur durch
Eintragung ins Grundbuch → KAPITEL 2: Das
Grundbuch. | |
Der Besitz ( → KAPITEL 3: Die
Funktion des Besitzes)
unterstützt das Sachenrecht bei der Erfüllung seiner Aufgaben ganz
wesentlich indem er die durch das Sachenrecht zuzuordnenden Sachen
an Rechtssubjekte faktisch zuordnet, während die Sachenrechte diese
Zuordnung rechtlich vornehmen. Der Besitz schafft dadurch die Voraussetzungen
– auf ihm aufbauender – rechtlicher Zuordnung. – Darin liegt die
Bedeutung des Besitzes, der deshalb auch als bloße Tatsache rechtlich
geschützt wird. Das ABGB erblickte – wie erwähnt – im Besitz noch
ein dingliches Sachenrecht; § 308 ABGB. | Besitz:
faktischer Sockel des Sachenrechts |
So wie die
im Anschluss zu besprechenden Sachenrechtsprinzipien funktional
das Sachenrecht bei seiner Aufgabe der Sachgüterzuordnung unterstützen,
fördert auch die dem korrekten Erwerb dinglicher Rechte dienende
Lehre von Titel und Modus dieses Ziel → KAPITEL 2: Die
Lehre von Titel und Modus.
Dieses alte auf das römische Recht zurückgehende Konzept will einen
rechtsinhaltlich nachvollziehbaren Erwerb dinglicher Rechtspositionen
erreichen und orientiert sich dabei auch an Gerechtigkeitsüberlegungen. | Sachenrechtsprinzipien |
 | Abbildung 8.3: SachR: Recht der Sachgüterzuordnung |
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 | Abbildung 8.4: Aufgaben des Sachenrechts (1) |
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 | Abbildung 8.5: Aufgaben des Sachenrechts (2) |
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4. Rechtsprinzipien
des Sachenrechts | |
Aus
der geschilderten rechtlichen Funktion ergeben sich – gleichsam
aus der „Natur der Sache” – bestimmte Rechtsprinzipien des
Sachenrechts: | |
Dingliche
Rechte haften an der Sache, an der sie bestehen. Man sagt, sie gewähren
eine unmittelbare Sachherrschaft. Dingliche Rechtsbeziehungen sind
von hoher Intensität, Festigkeit und Dauer. Das zeigt sich ua daran,
dass sie nur ausnahmsweise, also bei weitem nicht so leicht wie Schuldrechte
(einseitig) beendet werden können. Dazu → Beendigung
von Servituten
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Sachenrechte
wirken rechtlich nicht nur (wie Schuldrechte) gegenüber bestimmten
Personen, sondern gegen alle, oder wie man sagt: gegenüber Jedermann.
– Das Eigentum einer Person – etwa das aus einem Kaufvertrag (durch
Übergabe) erworbene – ist von allen Menschen zu respektieren, und
nicht etwa nur vom Verkäufer; vgl § 354 letzter HalbS, § 366 und
§ 472 Satz 2 (Servituten) ABGB. | |
Im Gegensatz dazu wirken schuldrechtliche
Beziehungen grundsätzlich nur zwischen den beteiligten Parteien,
also etwa zwischen Verkäufer und Käufer; man sagt daher, das Schuldrecht
wirke relativ, dh nur zwischen den Parteien (=
inter partes) eines Vertrags. | Schuldrecht
wirkt inter partes |
Auch die sog Immaterialgüterrechte (Urheber-,
Patent-, Marken-, Musterschutzrecht) entfalten, obwohl keine dinglichen
Rechte, absolute Wirkung. Ja sie gewähren, dem Vorbild des Sachenrechts
folgend, dem Rechtsträger auch Priorität; vgl etwa § 43 PatG, §
23 Abs 1 MarkG, § 19 MuSchG. – Sie nehmen daher eine Mittelstellung zwischen
dem Schuld- und Sachenrecht ein. Mehr zu den Immaterialgüterrechten
SIEHE... (Lercher) | |
Die
absolute Wirkung der Sachenrechte setzt ihre Erkennbarkeit voraus.
Sachenrechtliche Rechtspositionen müssen daher für andere / Dritte
einsichtig sein, was vor allem für die Übertragung, also den Erwerb
von Sachenrechten (Eigentum, Pfandrecht, Servituten etc.) Bedeutung
hat. Daher gibt es eigene Übertragungsregeln; zB für bewegliche
Sachen: § 426 ABGB (körperliche Übergabe),
§ 427 ABGB (Übergabe durch Zeichen = symbolische Übergabe), § 428
ABGB dagegen unterläuft zum Teil den Publizitätsgrundsatz mit der
darin geregelten Übergabe durch Erklärung → KAPITEL 2: Übergabe
durch Erklärung. | |
Problematisch ist hier vor allem das Besitzkonstitut
(§ 428, 1. Fall ABGB), weil dabei keine nach außen hin erkennbare
Veränderung der Sachgüterzuordnung erfolgt, während bei der Übergabe
kurzer Hand und der Besitzanweisung eine Veränderung der nach außen
hin erkennbaren Sachgüterzuordnung bereits vor der angestrebten
Rechtsänderung stattgefunden hat. | |
Durchbrochen wird das Publizitätsprinzip
auch beim Eigentumsvorbehalt; dazu → Eigentumsvorbehalt
als Warensicherungsmittel Streng gehandhabt
wird dieser Grundsatz aber bei der Pfandrechtsbegründung an beweglichen
Sachen; sog Faustpfandprinzip: Pfandrechtsbegründung
durch Besitzkonstitut ist danach untersagt → KAPITEL 2: Übergabe
durch Erklärung.
– Für Liegenschaften (unbewegliche Sachen) wird der Publizitätsgrundsatz
ebenfalls streng durchgeführt: Eigentumserwerb setzt daher grundsätzlich Grundbuchs-Eintragung /
Verbücherung / Intabulation voraus; vgl § 431 ABGB. § 451 ABGB regelt
das Pfandrecht an Liegenschaften, § 381 ABGB den Erwerb von Servituten.
– Man kann daher sagen: Was die Übergabe der §§ 426 ff ABGB für
bewegliche Sachen ist, ist die Verbücherung für Liegenschaften,
was insbesondere auch für Hypotheken (Liegenschaftspfand) gilt. | Durchbrechungen
des Publizitätgrundsatzes |
Vgl
aber auch die publizitätsmäßig konsequente Regelung der §§ 430,
440 ABGB: Doppelverkauf → Der
sog Doppelverkauf
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Rechtsgeschichtlich stammt der Publizitätsgedanke im Sachen-
und hier vor allem wiederum im Liegenschaftsrecht und Pfandrecht
– aus dem antiken Griechenland und dem alten dtRecht,
während das römische Recht insbesondere im Pfandrecht keinen hohen
Entwicklungsstand erreicht hat. | |
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Numerus clausus der Sachenrechte:
Um die Überschaubarkeit der Sachenrechte zu gewährleisten, und damit
die Sachgüterzuordnung effizient (!) zu machen, kennt das Gesetz
nur eine beschränkte Anzahl von Sachenrechten. Der Rechtsverkehr
kann sich nur der gesetzlich geregelten Sachenrechtsinstitute bedienen.
Im Gegensatz zum Schuldrecht, können die Parteien des Rechtsverkehrs keine
neuen Sachenrechtsinstitute „erfinden” oder bestehende kombinieren. | |
Die wichtigsten dinglichen Sachenrechte sind: | |
• Eigentum, Pfandrecht,
Servituten, Reallasten und | |
• eigentumsähnliche Rechte, wie das Baurecht; | |
•
darüber hinaus
kennt § 9 GBG verbücherbare obligatorische Rechte; zB das Vorkaufsrecht → KAPITEL 2: Das Vorkaufsrecht. | |
Rechtspolitisch könnte heute ernsthaft
überlegt werden, den Kanon der Sachenrechte moderat zu erweitern,
was das EDV-Grundbuch vertragen würde. So könnte bspw, einem Vorschlag
H. Klangs aus dem Jahre 1947 folgend, ein neues dingliches (veräußerliches
und vererbbares) Wohnungsrecht geschaffen werden.
Darüber hinaus könnte erneut die Möglichkeit überlegt werden, Stockwerkeigentum zu
begründen, wozu die Aufhebung des Gesetzes von 1879 nötig wäre.
Zu denken wäre ferner an ein neues, im ABGB anzusiedelndes Bauhandwerkerpfandrecht,
das als Sach- oder Realhaftung geschaffen werden könnte. Überhaupt
sollte auch bei uns künftig die Möglichkeit bloßer Sachhaftung geschaffen
werden, wie in Deutschland die Grundschuld und in der Schweiz die
Gült. Darüber hinaus konnte verstärkt an die Möglichkeit von Registerpfandrechten gedacht
werden usw. | Neue
Sachenrechte? |
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Der Typenzwang beschränkt also die Anzahl und
den Inhalt der Sachenrechte. Dies entspricht der erhöhten
rechtlich-gesellschaftlichen Ordnungsfunktion des Sachenrechts.
– Dieser Gesichtspunkt gilt auch für das Familien- und Erbrecht,
die ebenfalls einen Typenzwang kennen; dazu → KAPITEL 5: Gestaltungs-
oder Inhaltsfreiheit. | |
Sachenrechte
bestehen und können grundsätzlich nur an bestimmten / speziellen,
genau bezeichneten Sachen begründet werden. – Zudem muss der Rechtsinhalt
des jeweiligen Sachenrechts klar umschrieben sein. Das spielt eine
besondere Rolle beim Pfandrecht. | |
Vgl daher § 14 Abs 1 GBG: „Das Pfandrecht kann
nur für eine ziffernmäßig bestimmte Geldsumme eingetragen werden
...” oder § 12 Abs 1 GBG: „Bei Dienstbarkeiten und Reallasten muss
Inhalt und Umfang des eingetragenen Rechts möglichst bestimmt angegeben
werden ...” | |
Inhalt und Umfang von Servituten oder Reallasten ergeben
sich aus dem Titelgeschäft, zB dem Servitutsvertrag. | |
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Das
Schuldrecht kennt grundsätzlich keinen Vorrang älterer Rechte vor
jüngeren. Anders das Sachenrecht, das dem deutschrechtlichen Grundsatz
folgt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst oder: prior tempore, potior
iure. | |
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 | Abbildung 8.6: Prinzipien des Sachenrechts (1) |
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 | Abbildung 8.7: Prinzipien des Sachenrechts (2) |
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5. Vergleich von
Schuld- und Sachenrecht | |
Insgesamt lässt sich mit Gschnitzer zu Bewertung
und Vergleich von Schuld- und Sachenrecht sagen: | |
„So wichtig das Schuldrecht ist, tritt es
im täglichen Leben hinter dem Sachenrecht zurück. Eine primitive
Wirtschaft könnte zur Not ohne ausgefeiltes Schuldrecht, nicht ohne
– das geschichtlich ältere – Sachenrecht auskommen.” | |
Das Sachenrecht zählt
mit dem Familienrecht zu den ältesten Schichten
des Privatrechts. Es ist deutlich älter als das Schuldrecht. – Noch
vor dem Schuldrecht entwickelte sich auch das Erbrecht,
das sich auf den Grundlagen des Familienrechts entwickelt hat. Der
älteste Teil des Schuldrechts sind seine deliktischen Teile, die
deutlich älter als das Vertragsrecht sind. Das frühe Deliktsrecht –
das auch Blutrecht genannt wird – bestand aus einer Gemengelage
von – wie wir heute sagen würden – strafrechtlichen, schadenersatzrechtlichen
sowie verfahrensrechtlichen Regeln, deren ausschliessliche Zuordnung
weder zum öffentlichen noch zum Privatrecht möglich erscheint. –
Paradigmatisch ist diese Entwicklung im antiken Griechenland abgelaufen.
– Vgl auch die Hinweise zur Entwicklung und Unterscheidung von Schadenersatzrecht
und Strafrecht → KAPITEL 9: Zum
Verhältnis von
Privat- und StrafR:
Historische Entwicklung. | Zur rechtshistorischen Entstehung privatrechtlicher
Rechtsgebiete |
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 | Abbildung 8.8: Gegenüberstellung: SachenR – Schuldrecht |
|
 | Abbildung 8.9: Vergleich: SchuldR – SachenR |
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II. Das
Eigentum als dingliches Vollrecht | |
Eigentum
bedeutet begrifflich die (vollständige) rechtliche Herrschaft einer
Person über eine Sache oder doch einen Sachteil. Inhaltlich ist
das Eigentum das zentrale Rechtsinstitut des Sachenrechts. Sehr
viele Rechtsinstitute bauen auf ihm auf oder setzen es doch voraus.
– Das Eigentum in seinen Erscheinungsformen als Fahrnis- und Liegenschaftseigentum
ist für Private ebenso wichtig wie für die Wirtschaft oder den Staat. | Fahrnis- und Liegenschaftseigentum |
Wir alle sind EigentümerInnen, wenigstens
von beweglichen Sachen. Heute kann man geradezu von einem „Fahrnisreichtum”
sprechen (H. Mayrhofer): Autos, Schmuck, Kunstgegenstände, teure
Möbel und Einrichtungen (zB Bilder, Teppiche), Kleidung, Sport-
oder elektronische Geräte, wie Stereoanlagen, PC- oder Photo- / (Video)Filmausrüstungen
etc. | |
Nicht
zu übersehen ist ferner, dass das (Privat)Eigentum Grundlage
unserer Wirtschaftsordnung ist, wobei für die Wirtschaft
insbesondere das Eigentum an Produktionsmitteln und die damit idR
verbundene Verfügungsgewalt über ein Unternehmen zählt. Gemeinsam
mit dem Markt als Steuerungsmittel der Wirtschaft
und dem Prinzip der Gewinnmaximierung, stellt das Privateigentum die
Grundlage des modernen Kapitalismus dar. Zu den
Voraussetzungen eines einheitlichen und entwickelten Privatrechtssystems
für die Entwicklung moderner Staaten und die Herausbildung moderner
Wirtschaftsordnungen → KAPITEL 1: Zur Entstehung des
ABGB. | Grundlage unserer Wirtschaftsordnung |
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1. Vom
Gemeinschafts- zum Individualeigentum | |
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Das Individualeigentum,
also das Eigentum von Einzelpersonen, ist verhältnismäßig jung in
der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Die Entwicklung verläuft
historisch vom Gemeinschafts- / Kollektiveigentum (Stammes-
und Claneigentum), zum Familien- und schließlich
zum Individualeigentum. – Individualeigentum hat
sich wiederum zuerst an Fahrnis (beweglichen Sachen), und
zwar zunächst an persönlichen Gebrauchsgegenständen (Kleidung, Werkzeug,
Waffen, Schmuck, Haushaltsgeräten etc) und der Beute ausgebildet.
Bewegliche Sachen standen häufig im Eigentum von Frauen, weil diese
„bei den Hackbauern in erster Linie die Bestellerin(en) der Gärten und
am Feuer und Haus interessiert” sind; R. Thurnwald. – Grundeigentum beginnt
erst mit dem Sesshaftwerden des Menschen interessant zu werden und
bleibt auch dann lange Kollektiv- und Familieneigentum. Schweifenden
Jäger-, Sammler- und Fängerhorden der menschlichen Frühzeit fehlt
das Interesse an einem ausschließlichen Stück Land. Erste Ansätze
dazu finden sich allerdings schon damals in Form von (immer wieder
aufgesuchten) Wasserstellen in der Steppe und Fischplätzen sowie
Eislöchern in der Arktis etc. | |
Altes
Gemeinschaftseigentum an Liegenschaften ist vereinzelt noch heute
erhalten in Form der sog Allmende (= Gemeinschaftsweide
/ Almen) oder alten realgeteilten Häusern → Realgeteiltes
Eigentum Der
Großteil des Gemeinschaftseigentums an Liegenschaften wurde in privates
oder öffentliches Eigentum umgewandelt; zB im Rahmen der Grundentlastung
1848. – Allmende bedeutet sprachlich: „Was allen gemein ist”, seien
es Wege, Weide, Wasser, Wiesen oder sonstiges. Allmenden wurden
kollektiv genutzt, bewirtschaftet und verwaltet. Allmenden wurden
nicht abgezäunt und auf der Allmende zu weiden, war niemandem verboten. | Allmende |
Früher als das Grundeigentum Einzelner erscheinen
oft „gewisse Seiten des geistigen Eigentums” (R. Thurnwald) ausgeprägt;
zB in der Südsee, dem malaischen Archipel und bei den Indianern Nordamerikas:
Gemeint ist damit bspw das Wissen um die Vornahme bestimmter Riten
für Zeremonien, Festgesänge, das Ausüben bestimmter Künste, aber
auch der Handel als Vorrecht von Familien oder Einzelnen. | Geistiges
Eigentum |
Das hat, wenngleich viel später, bei der
rechtlichen Entwicklung des Urheberrechts nachgewirkt, bei dem sich geistiges
Eigentum erst richtig entwickelt hat. Erste gesellschaftliche Ansätze
beginnen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Lessing). | |
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Mit
dem Entstehen von Eigentum an beweglichem und unbeweglichem Gut
bilden sich bei Naturvölkern „Eigentumszeichen” heraus, die sinnlicher
Ausdruck privater und kollektiver Inanspruchnahme sind. Verbots-
oder Tabuzeichen machen den Anfang, Eigentumsmarken folgen. Jäger lassen
bspw erlegtes Wild liegen, um es später abzuholen und kennzeichnen
es mit einem Verbotszeichen in Gestalt eines Zweigs oder ähnlichem.
Solche Zeichen werden auch an Bäumen angebracht. | Eigentumszeichen |
Die
Unterscheidung von Besitz und Eigentum –
wie schon im griechischen und dann im römischen Recht und heute üblich,
setzt die begriffliche Unterscheidung zwischen tatsächlicher Macht
/ Gewahrsame und rechtlicher Herrschaft voraus und fehlt daher noch
in frühen Entwicklungsphasen der Menschheit. – Auch der deutschrechtliche
Begriff der Gewere trennt beide Begriffe noch nicht
scharf; dazu SIEHE ...... | Gewere |
2. Entwicklung
zum dinglichen Vollrecht | |
Inhaltlich
betrachtet ist Eigentum das dingliche Vollrecht an einer
Sache; an Fahrnis, wie an Grund und Boden. – Mit Vollrecht
ist gemeint, dass die rechtlichen Befugnisse, die das Eigentum vermittelt,
nicht erst einzeln aufgezählt werden müssen. Das Eigentum umfasst
vielmehr – idealtypisch gesehen – alle erdenklichen Rechte an einer
Sache (in einer bestimmten Rechtsordnung). – Zu den heute bestehenden Schranken
des Eigentums gleich unten. | Vollrecht |
Entwickelt hat sich das Eigentum zum dinglichen
Vollrecht – insbesondere an Grund und Boden – aus einer Summierung
von Einzelrechten, die im Laufe der Zeit in einer Hand
(zunächst von Clan und Familie, dann Einzelner) zusammengeführt
wurden. Aus parzellierten Einzelrechten entsteht schließlich das
rechtlich umfassende dingliche Vollrecht; Patchworkgenese des Eigentums.
Folgende Einzelrechte wurden – wie rechtsanthropologische und -ethnologische
Forschungen etwa in Neuguinea ergaben – bspw zusammengefasst: Das
Recht über ein Grundstück zu gehen, darauf zu bauen, bestimmte Früchte
darauf zu ernten, Bäume (gewisser Größe) für den Hausbau zu fällen,
Tiere weiden zu lassen, Pflanzen und Beeren zu sammeln, Fischereirechte
(zunächst getrennt in Fischfang und Schalentiere), Schifffahrts-
und Jagdrecht etc. | L. Pospišil, Anthropologie des
Rechts (1982) |
3. Schranken
des Eigentums | |
Das
Eigentum ist seinem Wesen nach das grundsätzlich unbeschränkte
dingliche Vollrecht; das bringen die §§ 354, 362 ABGB als
naturrechtliche Formulierungen anschaulich zum Ausdruck. – Zur „Erhaltung
und Beförderung des allgemeinen Wohles” war das Eigentum aber seit
jeher in gewisser Weise beschränkbar und es konnte, „wenn es das
allgemeine Beste erheischt” gegen angemessene Entschädigung auch
entzogen werden; Enteignung: § 365 ABGB → Enteignung:
§ 365 ABGB
| Beschränkbarkeit |
Im ABGB selbst besteht ein normatives
Spannungsverhältnis zwischen der weiten, uneingeschränkten Formulierung
des § 354 ABGB und der bereits soziale Bezüge aufweisenden Bestimmung
des § 364 Abs 1 ABGB. Schon der Gesetzgeber des ABGB sah sich gezwungen „Schranken”
zu ziehen! Vgl auch → Sozialpflichtigkeit
des Eigentums:
Sozialpflichtigkeit des Eigentums. | Normatives
Spannungsverhältnis |
4.
Privateigentum
und Naturrecht | |
Das moderne und weite sowie flexible
Verständnis des Privateigentums ist (in der Neuzeit) eine Schöpfung
des rationalistischen Naturrechts. Über das (Privat)Eigentum
wurden in dieser Zeit – also zwischen 1650 und 1800 – aber sehr
unterschiedliche Gedanken geäußert: Auf der einen Seite – um mich
auf zwei wichtige Beispiele zu beschränken – John Locke ( → KAPITEL 1: Natur
und Vernunftrecht und ABGB)
mit seiner grundlegenden Zuordnung des Eigentums zu den Menschenrechten
und der damit verbundenen Rechtfertigung, die das Eigentum aus der
Arbeit (!) ableitet; auf der anderen Seite J.J. Rousseau ( → KAPITEL 1: Natur
und Vernunftrecht und ABGB),
der mit dem Entstehen des Privateigentums das Ende der Gleichheit
zwischen den Menschen und den Niedergang der menschlichen Gemeinschaft
verbindet. – John Lockes Eigentumsauffassung wird durch K. A. v. Martini dem
ABGB zugeführt. Beide verstehen den Begriff des Eigentums in einem
sehr weiten Sinn als Gesamtbereich der Lebensinteressen eines Menschen;
vgl noch die §§ 353 ff ABGB. Das öffentliche Recht ist diesem weiten
Eigentumsverständnis bis heute nicht gefolgt, was sich ua in einem
mangelhaften Schutz (wohl)erworbener öffentlichrechtlicher Ansprüche
– etwa der Pension – offenbart. – Der Eigentumsschutz wird zu einem
wichtigen Teil frühen rechtsstaatlichen Denkens. | J. Locke, J. J.Rousseau,
K. A. v. Martini |
Vgl Martinis Einleitung in seinem Entwurf
eines bürgerlichen Gesetzbuchs. | |
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III. Der Eigentumsbegriff
des ABGB | |
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1. Zu
weite Fassung des § 353 ABGB | |
§ 353 ABGB: | |
„Alles
was jemandem zugehört, alle seine körperlichen und unkörperlichen
Sachen, heißen sein Eigentum”. | |
Die
sachenrechtlichen Regeln für Erwerb, Verlust und Schutz des Eigentums
gelten aber (schon nach dem ABGB) nur für das Eigentum ieS, also
an körperlichen Sachen. § 353 ABGB ist daher restriktiv
auszulegen und teleologisch zu reduzieren → KAPITEL 11: Die
teleologische Reduktion. | |
Zu
unterscheiden ist: – Eigentum iwS (= an körperlichen
+ unkörperlichen Sachen) und Eigentum ieS (= nur
an körperlichen Sachen). – Nur für körperliche (bewegliche) Sachen
gelten zB die Übergabsregeln der §§ 426 ff ABGB. Die Rechtsübertragung
unkörperlicher Sachen (= Rechte / Forderungen) erfolgt nicht nach
den §§ 426 ff ABGB, sondern nach den Zessionsregeln der §§ 1392
ff ABGB → KAPITEL 14: Zession,
Gläubigerwechsel, Forderungsübergang. – Von ”Eigentum” an Forderungen oder Rechten wird
daher nur bildhaft – iSv Vollrecht an der Forderung! – gesprochen. | Eigentum iwS und ieS |
2. Eigentum im
objektiven und im subjektiven Sinn | |
Die Unterscheidung
zwischen Recht im objektiven Sinn (= die Rechtsordnung) und den
daraus abgeleiteten subjektiven Rechten wurde in → KAPITEL 1: Recht
im objektiven und subjektiven Sinn behandelt.
Sie ist auch hier von Bedeutung. Die §§ 353 und 354 ABGB unterscheiden
nämlich zwischen: | |
•
Eigentum
im objektiven (§ 353 ABGB: allgemeine Umschreibung
des Eigentumsinhalts) und | |
•
Eigentum im subjektiven Sinne
– § 354 ABGB: Vom Eigentum im objektiven Sinn abgeleitete rechtliche
Befugnis des einzelnen Eigentümers. | |
Im ersten Fall wird das Rechtsinstitut vom Gesetzgeber abstrakt
(inhaltlich) umschrieben, im zweiten konkret-individuell, als das
einem Rechtssubjekt (durch Rechtserwerb) zugeordnete subjektive
dingliche (Voll)Recht verstanden. | |
3. Positive und
negative Seite des Eigentums | |
§ 354 ABGBgewährt dem Eigentümer: | |
•
das subjektive Recht
/ die Befugnis „mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür
zu schalten”; sog positive Seite des Eigentums (§
362 ABGB führt die „Rechte des Eigentümers” dann näher aus) und
zusätzlich | |
•
„jeden andern davon auszuschließen”; sog negative
Seite des Eigentums iSd absoluten Wirkung des Eigentums
als Konsequenz seines dinglichen Charakters. | |
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Ein lehrreiches Beispiel
wie weit § 354 ABGB reicht enthält GlU 9711
(1883): Störung im Besitz des Fensterrechtes? –
„A belangt seine Nachbarin B in possesorio summarissimo [= Besitzstörungsverfahren]
wegen Störung im Besitze des Fensterrechtes mit der Anführung, dass
die B vor einem Fenster seines Hauses mit der Aussicht auf ihr Grundstück,
durch welches er seit mehr als 30 Jahren Licht und Luft vom Nachbargrunde
ungestört benützte, eine eiserne Türe aufgestellt und ihm hiedurch
den Genuss des Lichtes und der Luft entzogen habe.” Anders als die
Untergerichte wies der OGH die Klage ab, weil der Kläger kein Servitutsrecht
iSd § 488 ABGB (Fensterrecht) besaß und deshalb in seinem Rechtsbesitz gar
nicht gestört werden konnte. Und sein Eigentumsrecht (allein!) verbietet
der Nachbarin nicht ihr Eigentumsrecht iSd § 354
ABGB auszuüben. Ein eigenes Recht auf Licht, Luft und Aussicht hätte
sich A in Form einer Servitut einräumen lassen müssen. | |
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JAP 4-1999/2000, 180 (OGH 25.3.1999, 6 Ob 201/98x): Demonstrationshaftung –
Nach Ansicht des OGH stellt die Blockade einer Zufahrtsstraße zu
einem Bauplatz durch Demonstranten, wodurch die Bautätigkeit an
einem öffentlichen Bauvorhaben verhindert wird, einen Eingriff in
das Eigentumsrecht des Liegenschaftseigentümers dar, wenn die Blockade
die dauerhafte Entziehung der Benützung der Bauliegenschaft anstrebte.
– Zur mitunter erheblichen inneren Spannung zwischen dem Schutz
individueller Rechtspositionen und Grundrechtsgarantien – hier:
der Meinungs- und Versammlungsfreiheit etc → KAPITEL 4: Grundrechte
und Privatrecht. | |
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IV. Umfassender
rechtlicher Schutz des Eigentums | |
Die Bedeutung
des Eigentums für Staat und Gesellschaft zeigt sich auch daran,
dass das Eigentum als Rechtsinstitut des Privatrechts keineswegs
nur vom Privatrecht, sondern auch vom öffentlichen Recht (Völker-,
Europarecht, Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Strafrecht) umfassend
geschützt und abgesichert wird. Die Rechtsordnung behütet das für
freie Gesellschaftsordnungen offenbar unverzichtbare Eigentum mit
allen zu Gebote stehenden Mitteln. – Die modernen Grundlagen dafür
wurden – wie erwähnt – vom Naturrecht auf antiken Rechtsgrundlagen
gelegt. | |
 | Abbildung 8.10: RO schützt Eigentum umfassend |
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 | Abbildung 8.11: Schranken des (Privat)Eigentums |
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1. Öffentlichrechtlicher Eigentumsschutz: | |
Schutz des Eigentums durch internationale
Konventionen; zB Art 1 ZP zur EMRK, BGBl 1958/210: | Völker-
und Europarecht |
„Jede natürliche oder juristische Person
hat ein Recht auf Achtung ihres Eigentums ...” | |
Verfassungsrechtlichen
Schutz gewährt Art 5 StGG 1867 (völkerrechtlich abgesichert durch
den erwähnten Art 1 ZP zur EMRK): | Verfassung |
„Das
Eigentum ist unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des
Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche
das Gesetz bestimmt.” | |
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Zum Schutz des Eigentums durch das StGB vgl
etwa: – Sachbeschädigung (§§ 125, 126 StGB), – Diebstahl (§§ 127–131
StGB), – Entwendung (§ 141 StGB). | Strafrechtlicher
Schutz |
2. Privatrechtliche
Eigentumsklagen – Übersicht | |
Die
schon historisch feststellbare privatrechtliche Vielfalt des Eigentumsschutzinstrumentariums offenbart
seit altersher die Bedeutung dieses Rechtsinstituts. | Vielfalt des Eigentumsschutzinstrumentariums |
Besonderen Schutz genoss schon in der Antike
das Liegenschaftseigentum: Unerreicht bis heute
das antike griechische Recht, das es Gläubigern, bei voller Respektierung
ihrer Ansprüche, untersagte, sogleich exekutiv auf die Liegenschaften
eines Schuldners greifen zu können, sondern ein stufenweises Vorgehen
verlangte; zB Pacht und Mieteinkünfte sind zuerst zur Befriedigung
heranzuziehen. Der Zweck bestand in der Erhaltung des Liegenschaftseigentums
der Bürger; sog gebundenes Bodenrecht (E. Schönbauer). Den Griechen
war auch schon die Revenuenhypothek bekannt; R. Koerner. | |
Barta, „Graeca non leguntur“? – Zum Ursprung des
europäischen Rechtsdenkens im antiken Griechenland (2005). | |
Historisch baut das naturrechtlich
orientierte ABGB auf dem römisch-gemeinen Recht und dem alten deutschen
Recht auf und ergänzt es um modernere Schutzinstrumente (vgl neben
den §§ 366 und 523 ABGB etwa § 364 Abs 2 ABGB und § 364a ABGB oder
§ 37 EO): | |
Die
eigentliche Eigentumsklage: Klage wegen Entziehung
des Eigentums (römisches Recht: rei vindicatio – ubi meam rem invenio,
ibi vindico); § 366 ABGB: | rei vindicatio |
„Mit dem Recht des Eigentümers ..., ist
auch das Recht verbunden, seine ihm vorenthaltene Sache von jedem
Inhaber durch die Eigentumsklage gerichtlich zu fordern ...”. | |
| |
Die Eigentumsfreiheits-,
Eigentumsstörungs- oder Negatorienklage (römisches Recht: actio negatoria);
§ 523, 2. Fall ABGB: | actio
negatoria |
„
... der Eigentümer kann sich über die Anmaßung einer Servitut beschweren.
...” | |
Wer sich also Nutzungsrechte am Eigentum eines andern anmaßt,
die ihm nicht zustehen, kann mit der Eigentumsfreiheitsklage belangt
werden. | |
|
SZ 42/116 (1969): Horizontalausleger
eines Baukrans ragt in den Luftraum eines benachbarten Grundstücks. | |
|
|
EvBl
1982/93: Halter eines Kraftfahrzeugs untersagt
eigenen Bediensteten nicht, fremdes Nachbargrundstück zu befahren. | |
|
|
EvBl 1992/56: Entfernung einer
vom Nachbargrund aus wachsenden Kletterpflanze. | |
|
| |
|
SZ 15/48 (1933):Jeder Miteigentümer
ist allein berechtigt, Eingriffe in sein Eigentum mit der Eigentumsfreiheitsklage
abzuwehren. Dieses Klagerecht steht ihm aber gegenüber anderen Miteigentümern
nur insoweit zu, als er sich damit nicht in Widerspruch zu den übrigen
Miteigentümern setzt; SZ 1/72 (1919) oder SZ 60/216 (1987). | |
|
|
SZ 69/110 (1996):Die Miteigentümer
der herrschenden Liegenschaft (wie des dienenden Grundstücks) bilden
eine einheitliche Streitpartei, wenn es um die Feststellung des
Bestehens, aber auch um die Freiheit von einer Wegeservitut geht;
auf Unterlassung kann jeder Miteigentümer allein klagen. | |
|
•
Das Immissionsschutzinstrumentarium der
§§ 364 Abs 2 Satz 1 (sog private Immissionen) und 364a ABGB: Ausgleichsanspruch
bei gewerblichen / industriellen Immissionen. – Dazu kommt
§ 364b ABGB: Verbot Grundstücke abzugraben. Näheres → §
364b ABGB: Vertiefung eines Grundstücks
| Immissionsschutz |
•
§ 372 ff ABGB: Die sog Publizianische
Klage (Gesetz lesen!) ist die Klage aus dem rechtlich vermuteten
Eigentum des Klägers; so auch die Marginalrubrik. | Publizianische
Klage |
Die Publiziana
knüpft (petitorisch!) an das Recht zum Besitz an und nicht wie die
Besitzstörung(sklage) possesorisch an die Tatsache des letzten ruhigen
Besitzstands → KAPITEL 3: Gerichtlicher
Besitzschutz. – Wie andere Eigentumsklagen ist die Publiziana
inhaltlich gerichtet auf die: | |
• Abwehr von Störungen
(~ actio negatoria) oder | |
• auf Sachherausgabe (~ rei vindicatio). | |
Aktivlegitimiert ist der, dessen Eigentum rechtlich
vermutet wird. Das ist im Regelfall der rechtmäßige, redliche und
echte Besitzer. – Die publizianische Klage schützt das bessere Recht
zum Besitz, schützt den Besitzer also insbesondere auch rechtlich
gegen den (veräußernden) formellen Eigentümer des Kaufgegenstands.
Geschützt werden nach hA nicht nur Sach-, sondern auch Rechtsbesitzer;
also zB der Mieter und (analog) der Vorbehaltskäufer: SZ 31/91 (1958). | |
Aber auch dem besitzenden Bestandnehmer gegen seinen Vermieter,
wenn dieser ihn in seinem Besitz stört. | |
 | |
|
MietSlg 38.663
(1986): Die Publiciana steht zB dem nichtverbücherten WE-Werber
zu, dem (zwar verkauft) und das zugesagte Objekt bereits übergeben
wurde; zB gegen einen Zweiterwerber, dem ebenfalls verkauft, aber
nicht übergeben wurde; vgl auch wobl 2000/107: § 23 WEG 1975. | |
|
•
Eigentumsfeststellungsklage;
§ 228 ZPO | §
228 ZPO |
| |
•
Widerspruchs-
oder Exszindierungsklage: Sie ist eine Eigentumsklage
aus dem rechtlich vermuteten Eigentum des Klägers. „Eigentumsschutz”
wird danach auch schon bei rechtmäßiger und echter Besitzerlangung
gewährt: § 37 EO. Sie ist bspw wichtig für den Schutz von Vorbehaltsverkäufer
und -käufer beim Eigentumsvorbehalt → Eigentumsvorbehalt
als Warensicherungsmittel
| Exszindierungsklage |
 | |
•
Aussonderungsklage nach
§ 44 KO und § 21 AO, wenn in den Konkurs oder Ausgleich (→ KAPITEL 19: Insolvenzrecht)
versehentlich Vermögensstücke einbezogen werden, die nicht im Eigentum
des Gemeinschuldners stehen. – Auch die Aussonderungsklage ist beim
Eigentumsvorbehalt von Bedeutung. | Aussonderungsklage |
•
Grundbürgerliche
Löschungsklage; §§ 61 ff GBG: gerichtet auf Herstellung
des richtigen Grundbuchstandes, wenn es irrtümlicherweise zu einer
falschen Eintragung gekommen ist. | Löschungsklage |
| Besitzschutz |
V. Schranken des
(Grund)Eigentums | |
 | |
1. Sozialpflichtigkeit
des Eigentums | |
Die §§ 354 und 362 ABGB umschreiben
– wie erwähnt – die Rechtsstellung des Eigentümers weit, ja schrankenlos.
Aber schon das ABGB korrigiert diese zu weit geratene Aussage in
§ 364 Abs 1 ABGB, wo ausgeführt wird: | §
364 Abs 1 ABGB |
„Überhaupt findet die Ausübung des Eigentumsrecht
nur insofern statt, als dadurch weder in die Rechte eines Dritten ein
Eingriff geschieht, noch die in den Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung
des allgemeinen Wohles vorgeschriebenen Einschränkungen übertreten
werden.” – Mit BGBl I 2003/91 wurde dem § 364 Abs 1 ABGB ein zweiter Satz
angefügt, der lautet: „Im Besonderen haben die Eigentümer benachbarter
Grundstücke bei der Ausübung ihrer Rechte auf einander Rücksicht
zu nehmen.“ (Zur Reform des privaten Nachbarrechts → Zum
Nachbarrecht) | |
Auch
die Rspr schränkt – im Einklang mit Spezialgesetzen
– die inhaltlichen Grenzen des Eigentums immer wieder ein. Begrenzt
werden muss dabei insbesondere das Liegenschaftseigentum; und zwar
nach der Seite (Nachbarrecht), der Tiefe (Bergrecht,
MinroG, Wasserrecht) und nach der Höhe, also hinsichtlich
des Luftraums (bspw durch die BauO der Länder oder das LFG); vgl
dazu die folgenden Beispiele. | Grenzen des Eigentums: Seite, Tiefe, Höhe |
|
SZ
61/220 (1988) = RZ 1989/102: Fotoaufnahmen
von der Riegersburg und → Rspr-Beispiele
| |
|
|
EvBl 1999/57: Freiheit
des Luftraums (§§ 2, 22 Abs 1 LFG; §§ 364 ff ABGB) – Der
Grundeigentümer hat zwar das Überfliegen seines Luftraums durch
Luftfahrzeuge usw zu dulden, verliert deshalb aber nicht den Anspruch,
sich gegen Immissionen durch den Flugbetrieb nach den §§ 364 ff
ABGB – hier ferngesteuerte Modellflugzeuge – zur
Wehr zu setzen. In jedem Einzelfall ist zu prüfen, wie weit die
Duldungspflicht des Grundeigentümers reicht. Eine Gefährdung von
Personen oder Sachen ist durch die Legalservitut des Überfliegens
fremden Luftraums jedenfalls nicht gedeckt. | |
|
Die
Rechtsordnung kennt auch sog gesetzliche oder Legalservituten,
die inhaltlich nichts anderes als eine Form der Eigentumsbeschränkung
darstellen; zB nach dem NotwegeG (Wegerechte), den Bauordnungen
der Länder (zB Einhaltung von Bauabständen oder vorgeschriebene
Bauhöhen; zB E + 1), nach dem StarkstromwegeG (zB Duldung elektrischer
Leitungsanlagen) oder im Interesse des Umweltschutzes (zB Luftreinhaltung). | Legalservituten |
Man
spricht heute synonym von Sozialpflichitgkeit, Sozialbindung oder
eben den immanenten Schranken des Eigentums. –
Allein die rechtliche Einbettung des Individualeigentums in die Gesamtgesellschaft
und ihre Ziele, ist alt; vgl schon den Mauer- und Burgenbau oder
Flussregulierungsbauten im Altertum und Mittelalter, die auch zu
Enteignungen führten → Enteignung:
§ 365 ABGB Der
Sozialpflichtigkeit unterlag aber geschichtlich nicht nur das Grundeigentum,
sondern auch Fahrnis. Man denke nur an die Versorgung von Truppen
im Rahmen von (Verteidigungs)Kriegen. | |
Vorbildlich
umschrieben wird diese (schon verfassungsrechtlich bestehende) Einschränkung
des Eigentumsrechts in Art 14 Abs 2 des Bonner GG: „Eigentum
verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der
Allgemeinheit dienen.” | „Eigentum verpflichtet …“ |
| |
Das Zusammenleben von
Menschen hat seine Tücken: Das gilt für das Leben Tür an Tür, wie
von Grundnachbar zu Grundnachbar. Daher ist das Nachbarrecht seit
altersher geregelt: | |
ZB schon in der Solonischen Gesetzgebung
(594/3 v. C.). Von dort ist es ins römische Zwölftafelgesetz gelangt.
– Vgl heute etwa § 421 ABGB (Grenzbaum) oder § 422 ABGB: Wurzeln
und Äste fremder Bäume. Auch die §§ 850 ff ABGB, insbesondere die
§§ 854 ff ABGB sind hier zu nennen. § 859 Satz 2 ABGB regelt zB
die Zaunerrichtungs- und Zaunerhaltungspflicht. | Solonische
Gesetzgebung |
 | |
 | Neufassung
des § 422 ABGB |
Das römische
Recht regelte im Zwölftafelgesetz (~ 450 v. C.) in Tafel
VII 2 nachbarrechtliche Fragen: Danach durften Öl- oder Feigenbäume nur
in neun Fuß Abstand von der Nachbargrenze gepflanzt werden, die
übrigen Bäume in fünf Fuß Abstand. Das ABGB kennt keine solche Vorschrift.
– Als Vorbild für § 422 ABGB diente aber wohl Tafel VII 10, wo vorgesehen
war, dass Eicheln, die auf ein fremdes Grundstück gefallen waren,
von dessen Eigentümer gesammelt werden durften. Diese Vorschrift
wurde schon im römischen Recht (Gaius) analog auf alle Früchte ausgedehnt. | Zwölftafelgesetz |
 | |
Im Nachbarrecht stecken alte menschliche Erfahrungswerte über
nachbarliches Zusammenleben. Die Bestimmungen über den Grenzbaum tragen
dem Umstand Rechnung, dass Bäume gerne zur Grenzziehung gepflanzt werden,
um die künstliche rechtliche Grenze allzeit sichtbar zu machen.
Dem entspricht ein Bedürfnis des Menschen, abstrakte Rechtsakte
und Rechtsregeln im weitesten Sinn fasslich, also „greif- und sichtbar”
zu machen. Die Existenz der §§ 421, 422 ABGB ist daher nicht so
trivial, wie sie zunächst erscheinen mag. – Neben dem Privatrecht finden
sich nachbarrechtliche Vorschriften vor allem auch im öffentlichen
Recht und hier wiederum im Agrar- und Forstrecht und
den Bauordnungen. Die Vorschriften des privaten
Nachbarrechts – also bspw § 364 ABGB – gelten aber auch für das
Verhältnis von öffentlichem Eigentum (zB von Straßen) zu Privatgrundstücken.
Von praktischer Bedeutung sind bei nachbarrechtlichen Streitigkeiten
immer wieder auch Servituten
→ Die
Servituten
| |
Mit
BGBl I 2003/91 (in Geltung ab 1. Juli 2004) wurde dem §
364 ein Absatz 3 angefügt. Er sieht vor,
dass der Grundstückseigentümer „einem Nachbarn die von dessen Bäumen
oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug
von Licht oder Luft insoweit untersagen [kann], als diese das Maß
des Abs 2 überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung
der Benutzung des Grundstücks führen.“ | Reform des privaten Nachbarrechts |
Satz 2 des neuen Absatzes 3 stellt klar,
dass bundes- und landesgesetzliche Regelungen über den Schutz von
oder vor Bäumen und anderen Pflanzen, insbesondere über den Wald-,
Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz unberührt bleiben. | |
IdF werden aus dem Bereich des privaten Nachbarrechts die Immissionen behandelt.
Das sind unwägbare, mittelbare Einflüsse und Beeinträchtigungen
des nachbarlichen (Grund)Eigentums durch Rauch, Gase, Lärm / Geräusch,
Wärme, Geruch, Erschütterung oder ähnliche (!) Einwirkungen; vgl
§ 364 Abs 2 ABGB. | |
 | |
3. Die
Immissionen – Überblick | |
Der gegliederte Immissionsschutz
der §§ 364 Abs 2, 364a und 364b ABGB beinhaltet Unterfälle der Eigentumsfreiheitsklage;
§ 523 ABGB → Privatrechtliche
Eigentumsklagen – Übersicht Funktional hat der Immissionsschutz aber auch
eine gewisse Ähnlichkeit mit der Besitzstörung, mag es beim Immissionsschutz
auch um Rechtsfragen gehen. – Inhaltlich bräuchte es längst ein
modernes Umwelthaftungsrecht, dessen Verwirklichung bisher von der
Wirtschaft verhindert wurde; vgl die unten → Gewerblich-industrielle
Immissionen angeführte Literatur
von M. Gimpel-Hinteregger. | Neues
Umwelthaftungsrecht? |
Das ABGB unterscheidet zwischen: | |
• unmittelbarer Zuleitung → Unmittelbare
Zuleitung und | |
• mittelbaren Einwirkungen; sei es durch | |
| |
 | |
4. Unmittelbare
Zuleitung | |
„Unmittelbare
Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen
unzulässig”; § 364 Abs 2, Satz 2 ABGB. – Dabei handelt es sich eigentlich
gar nicht um Immissionen ieS. Ein Nachbar kann solche Beeinträchtigungen
demnach immer – und zwar ohne die Einschränkungen dieser Gesetzesstelle
– untersagen. | |
Das ist insoferne von praktischer Bedeutung,
weil – wie wir sehen werden – die Untersagung mittelbarer Einwirkungen
nach § 364 Abs 2 ABGB nur unter gewissen Voraussetzungen erfolgen
kann und gewerblich-industrielle Immissionen nach § 364a ABGB überhaupt
nicht untersagt werden können. Die „unmittelbare Zuleitung“ geht – als speziellere
Norm – diesen Bestimmungen vor. | |
Die Judikatur
hat zu § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB eine reiche Kasuistik entwickelt:
Verboten ist danach zB die direkte Zuleitung von Regen- oder Gießwasser
ebenso, wie die von Jauche und anderen Abwässern auf das Nachbargrundstück.
Dasselbe gilt, wenn das „Öl des Nachbarn” ihren Garten verseucht;
aber zB auch Schießübungen (Patronenhülsen) oder Tennisbälle; SZ
65/145 (1992). Die Grenze ist allerdings fließend; so subsumiert
die Rspr Hobelspäne noch unter § 364a ABGB (?) → Gewerblich-industrielle
Immissionen
| Reiche Kasuistik |
 | |
 | |
 | |
 | |
 | |
 | |
 | |
 | |
 | de
minimis non curat Praetor |
5. Häuslich-private
Immissionen | |
Den
Hauptanwendungsfall von Immissionen bilden vom Nachbargrundstück
ausgehende mittelbare Einwirkungen. § 364 Abs 2 Satz 1 ABGB nennt
folgende Beispiele: | |
„Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase,
Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche”; die Formulierung
„ähnliche” deutet auf die bloß beispielhafte Aufzählung hin, die
hier vom Gesetzgeber gewählt wurde. | Beispielhafte
Aufzählung |
Daher kommen auch zB elektromagnetische Wellen oder Strahlung
in Betracht, die den Fernsehempfang stören. | |
Umstritten ist zur Zeit, ob die Strahlung
von Handymasten
als Immission anzusehen ist. Bislang fehlen gesicherte Ergebnisse
und die Rspr lehnt daher derzeit Unterlassungsklagen ab; vgl JBl
2001, 317. | |
Als weitere Tatbestandsvoraussetzungen der
möglichen Untersagung verlangt das Gesetz: | Tatbestandsvoraussetzungen |
• dass diese störenden
Einwirkungen „das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche
Maß überschreiten” und | |
• [dadurch] „die ortsübliche Benutzung des
Grundstückes wesentlich beeinträchtigen „. | |
| |
•
Aktiv klagslegitimiert (=
Wer kann klagen?) sind: | |
|
JBl 1990, 447: Störung der Ausübung
des Mietrechts durch häufiges grundloses Klopfen mit dem
Besen; OGH: Gegen jede rechtswidrige Beeinträchtigung des
Bestandrechts an einer unbeweglichen Sache durch Dritte (etwa im
gleichen Haus darüber wohnenden Mietern) steht auch dem Bestandnehmer
eine Unterlassungsklage (nach § 364 Abs 2 ABGB) gegen den Störer
zu. – Damit ist eine alte Streitfrage iSd Vorschläge H. Klangs [ÖJZ
1952, Nr 7 und 8] erledigt. Vgl dazu auch Gschnitzer, in: Franz
Gschnitzer Lesebuch 519 (1993). Lange versagte der OGH Bestandnehmern
jedoch diesen Schutz! | |
|
|
Vgl auch JBl 1991, 110 (Fischereirecht):
Dem Bestandnehmer werden selbständige Schadenersatzansprüche zuerkannt. | |
|
|
OGH 21. 12. 1999, 1 Ob 6/99k(„Die
Klavierspielerin”), SZ 72/205 = EvBl 2000/115: Eine Nachbarin klagt
eine Klavierstudentin nach § 364 Abs 2 ABGB auf Unterlassung der
Geräuschimmissionen durch langes Üben – täglich bis zu 9 Stunden,
da dieses zu psychischen und physischen Gesundheitsproblemen geführt
habe. – OGH hält 4 Stunden tägliches Üben außerhalb der Ruhezeiten
für angemessen. Meinung des OGH erscheint noch nicht ausgereift;
insbesondere die Unterscheidung, dass auf jemanden Rücksicht zu
nehmen sei, der schon krank ist, nicht aber auf jemanden, der durch
den Lärm krank wird, stellt eine Ungereimtheit dar. | |
|
|
SZ 65/145 (1992) mwH:
Geräuschimmissionen –
Betrieb eines Tennisplatzes darf 50 Dezibel nicht übersteigen. | |
|
|
OGH 14. 12. 2000, 6 Ob 293/00g, JBl 2001, 522:
Mieterin der Räumlichkeiten im Erdgeschoß eines dreistöckigen Hauses
betreibt darin Cafe-Restaurant mit Schanigarten,
der mit einer Markise überdacht ist. An der Markise wurden durch
aus den oberen Stockwerken geworfene Zigarettenstummel Brandlöcher verursacht.
– OGH: Die Mieterin kann direkt gegen den Störer vorgehen und verliert
deswegen nicht ihren Anspruch gegen den Vermieter. Schon aus der
Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 1096 ABGB ist abzuleiten,
dass es Sache des Vermieters ist, einen noch unbekannten Störer
zu identifizieren. | |
|
•
Passiv klagslegitimiert (also
potentieller Beklagter) ist der Nachbar. | |
Vgl § 364 Abs 2 ABGB: „Der Eigentümer eines Grundstückes
kann dem Nachbarn ... untersagen.” | |
Nachbar iSd Immissionsbestimmungen
des ABGB, ist nicht nur der unmittelbar angrenzende Grundnachbar (wie
im Verwaltungsrecht: zB § 30 Abs 1 TirBauO), sondern auch ein uU
weiter entfernter Liegenschaftseigentümer, wenn er nur beeinträchtigt
ist; vgl SZ 54/137 (1981). – Auch derjenige der aktiv Immissionen
verursacht muss nicht der unmittelbare Grundnachbar sein. Es genügt
auch, dass von einem entfernteren Grundstück Immisionen ausgehen.
Kurz: Das immittierende und das beeinträchtigte Grundstück müssen
nicht unmittelbar aneinander grenzen. MietSlg 37.018 (1985) | Wer
ist Nachbar? |
| Bauordnungen |
 | |
 | Abbildung 8.12: Privates Nachbarrecht: §§ 364 Abs 2 ff ABGB |
|
Immissionsansprüche setzen kein
Verschulden des Störers voraus: Verschulden ist
nur dann (Anspruchs)Voraussetzung, wenn über das bloße Untersagungsbegehren
hinaus Schadenersatz verlangt wird. | Kein Verschulden
des Störers nötig |
Die Judikatur
zum Immissionsrecht kennt interessante Rechtsfortbildungen nach
Art des anglo-amerikanischen case law; vgl JBl
1985, 669: Windschaden an Wald, dessen Randbäume
im Rahmen von Straßenbauarbeiten geschlägert werden → Rspr-Beispiele
| case law |
Die Immissions-Klage geht
auf Unterlassung der (unzulässigen) Immission oder
Zuleitung, was nicht gleichbedeutend mit der Beseitigung des bestehenden
und Wiederherstellung (!) des früheren Zustandes sein muss. Es handelt
sich um eine Unterlassungsklage
→ KAPITEL 7: Unterlassungspflichten.
– Allenfalls richtet sich die Klage auch auf (künftige)
Immissionsverhinderung durch geeignete (vorbeugende) Maßnahmen
/ Vorkehrungen; zB bei Störung des Rundfunk- oder Fernsehempfangs. Die
Rspr betont aber, dass dem Eigentümer des beeinträchtigten / gefährdeten
Besitzes kein Anspruch auf Vornahme bestimmter Sicherungsmaßnahmen
zusteht; EvBl 1983/82: Geruchsimmissionen → Rspr-Beispiele
| Unterlassungsklage |
6. Gewerblich-industrielle
Immissionen | |
§
364a ABGB regelt „Beeinträchtigung[en] durch eine Bergwerksanlage
oder eine behördlich genehmigte Anlage.” – Das Gesetz verlangt,
dass die Beeinträchtigung „in einer dieses Maß überschreitenden
Weise” verursacht wurde, womit Einwirkungen iSd § 364 Abs 2 ABGB
gemeint sind, nicht etwa feste Körper; EvBl 1939/525. Hobelspäne
fallen aber nach der Rspr noch unter § 364 Abs 2 ABGB; SZ 51/114
(1978) mit krit Anm von Pfersmann in ÖJZ 1982, 59. | |
Die
Rspr verlangt für eine Haftung nach § 364a ABGB das Vorliegen eines
individuell behördlichen Rechtsakts (für eine behördlich genehmigte
Anlage), an dem es in JBl 1999, 524 (Haftung wegen Bienenschädigung
eines Imkers durch Spritzmittel eines Winzers) fehlte; vgl auch
RdU 1998, 41 (Anm Kerschner). | Individuell
behördlicher Rechtsakt |
§ 364a ABGB baut auf
einer Störung iSd § 364 Abs 2 ABGB auf. Der Anspruch nach § 364a ABGB
ist an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der Unterlassungsanspruch
nach § 364 Abs 2 ABGB; JBl 1990, 786. Die Rechtsfolge ist aber eine
andere. Denn § 364a ABGB gewährt keinen Unterlassungs-, sondern
bloß einen Ausgleichsanspruch aus Eingriffshaftung ( → KAPITEL 9: Eingriffshaftung),
der allerdings verschuldensunabhängig ist. Begründung in EvBl 1983/82
(Geruchsimmissionen) → Rspr-Beispiele:
In dieser E wird auch ausgeführt, dass eine behördliche Anlage dann
genehmigt ist, wenn die Genehmigung rechtskräftig ist. Unter einer
„behördlich genehmigten Anlage” ist nicht bloß eine baubehördlich
genehmigte Anlage zu verstehen (EvBl 1957/19), vielmehr ist § 364a
ABGB gar nicht anzuwenden, wenn nur ein Baugenehmigungsverfahren
oder ein sicherheitspolizeiliches Genehmigungsverfahren durchgeführt
wurde; SZ 48/15 (Schießstand) und SZ 48/45: Baumaßnahmen. Gedacht
war typischerweise an gewerblich-industrielle Genehmigungsverfahren. | Behördlich genehmigte Anlage |
Bei
diesem Ersatzanspruch handelt es sich also um einen besonderen (Ausgleichs)Anspruch.
Man spricht von Eingriffshaftung, weil der Gesetzgeber Eingriffe
in Eigentum, Vermögen, auch die Gesundheit (!) von Anrainern aus
wirtschaftlichen Überlegungen gestattet, ohne dass die Betroffenen
Beseitigung / Unterlassung der Einwirkung begehren können. Dieser
Eingriff (ins Eigentum anderer) erfolgt also rechtmäßig. | Eingriffshaftung |
Diese legistische
Sichtweise ist aber veraltet und bedarf dringend der Ablöse durch
ein modernes UHG; dazu unten: Kritik, Reform etc. Eine gewisse Weiterentwicklung
– contra oder doch praeter legem – brachte die sog Sandstrahl-E des
OGH; RdU 1996, 40 (Anm Kerschner / Raschauer) = JBl 1996, 446: Anm
Jabornegg. | Sandstrahl-Entscheidung |
Es ging um Metallstaubimmissionen aus
Sandstrahlanlagen zur Eisenkonservierung, durch die 56 Kfz auf dem Nachbargrundstück
schwere Lackschäden erlitten. Der OGH war der Ansicht, dass hier
der Betriebsinhaber trotz genehmigungskonformem Betriebs der Anlage
rechtswidrig gehandelt habe und daher – entgegen dem Wortlaut des Gesetzes
– nicht nur Schadenersatz, sondern auch Unterlassungsansprüchen
ausgesetzt sei, wenn nach § 79 GewO nachträgliche Auflagen hätten
erteilt werden müssen. | |
Hinzuweisen ist auch auf das gewerberechtliche
Betriebsanlagengenehmigungsrecht nach den §§ 74 ff GewO
1994 (BGBl 194), das einen öffentlichrechtlichen Anrainer- und Nachbarschutz installiert;
nunmehr idgF. | |
 | |
|
§ 74 GewO 1994 regelt den Begriff der
Betriebsanlage: | |
(1) „Unter einer gewerblichen Betriebsanlage
ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung
einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.” | |
(2) „Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur
mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn
sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer
Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, | |
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden
[etc zu gefährden], | |
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub,
Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, | |
3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht
in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung
oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen
oder Einrichtungen zu beeinträchtigen, | |
4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit
des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich
zu beeinträchtigen oder | |
5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit
der Gewässer herbeizuführen […].” usw | |
|
Als
Anlage iS unserer Vorschrift gilt zB auch eine Landstraße (JBl 1987,
381) oder eine Autobahn (JBl 1989, 646), überhaupt jede öffentliche
Straße (SZ 63/133) und natürlich vor allem gewerbliche oder industrielle
Betriebe. Nach SZ 63/133 (1990) = JBl 1990,789 begründet eine umweltschädigende
Salzstreuung einer öffentlichen Straße (als unzulässige Immission)
Ersatzansprüche, wenn das zur Verkehrssicherheit nötige Maß überschritten
wurde. | Was ist eine
Anlage iSd
§ 364a ABGB? |
 | |
|
Der OGH wendete § 364a
ABGB analog auf folgenden Sachverhalt an (SZ
69/II 220 aus 1996): Beim Bau einer Tankstelle
wird Grundwasser abgepumpt, um die Tanklager einbauen
zu können. Dadurch wird eine Gärtnerei geschädigt, die das Grundwasser
für ihre Bewirtschaftung verwendete. | |
|
|
Nach § 364a ABGB können
auch Ansprüche wegen gefährlicher Abfall-Deponien erhoben
werden; JBl 1991, 580 (Anm
Kerschner): Haftung für nicht genehmigte Industriemüll-Deponie.
(Davon gibt es allein in Österreich an die 3.500. Aus ihnen entweichen
Schwermetalle durch Sickerwässer oder chlorierte Kohlenwasserstoffe
oder Öle etc, die das Grundwasser verseuchen.) | |
|
 | |
Was ist an
Ersatz zu leisten? – Stets voller (Schaden)Ersatz, also auch entgangener
Gewinn; SZ 65/38 (1992). | Was ist zu ersetzen? |
Einen
öffentlichrechtlichen Immissionsschutz in Bezug auf ungebührliche Lärmerregung enthalten
die LandespolizeiG. | Lärmerregung |
ZB für Tirol die §§ 1-5 TirLPolizeiG, LGBl
1976/60 idF LGBl 1987/69 und 1993/4. – Art VIII EGVG, der diesen Tatbestand
bundeseinheitlich regelte – wurde in die entsprechenden landesrechtlichen
Bestimmungen übergeführt. Mit Ausnahme von Wien, das noch kein LandespolizeiG
erlassen hat. Dort gilt Art VIII EGVG als LandesG weiter. | |
Die Rspr wendet § 364a ABGB auch auf nicht
ständige, also bloß temporäre Anlagen an; zB eine Motocrossveranstaltung
(JBl 1982, 595) oder einen Autobahnbau (SZ 43/139); vgl auch JBl
1985, 669 (Windschaden an Wald) → Rspr-Beispiele
| Temporäre
Anlagen |
Ansprüche
nach § 364a ABGB verjähren nach § 1489 ABGB grundsätzlich
in 3 Jahren. | Verjährung |
Kritik, Reform, Querverbindungen: Das privatrechtliche
„Umweltschutzinstrumentarium” des
§ 364a ABGB ist nicht mehr zeitgemäß. Was 1916 (III. TN zum ABGB)
vertretbar war, ist heute überholt. | Kritik,
Reform |
Auch das Umweltstrafrecht versucht
die gefährdete Umwelt zu schützen; vgl §§ 180 f StGB: vorsätzliche
/ fahrlässige Gefährdung durch Verunreinigung der Gewässer oder
der Luft oder §§ 182 f: vorsätzliche / fahrlässige Gefährdung des
Tier- oder Pflanzenbestandes. – Die weit gediehenen legistischen Vorarbeiten
für ein neues UmwelthaftungsG wurden von der Wirtschaft
bisher torpediert. | |
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Ein
neues öffentlichrechtliches Umweltschutzinstrument ist das sog Öko-Audit:
Mit EU-VO Nr 1836/93 vom 29.6.1993 wurden Bestimmungen über die
freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem
für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (von der
EU) erlassen; in Kraft getreten im April 1995. Damit wurde ein EU-weit
gültiges Siegel für umweltgerechte Betriebsführung iSd EMAS-VO (Environmentel
Management and Audit Scheme) geschaffen. | |
 | Abbildung 8.13: § 364 a und b ABGB: Nachbarrecht |
|
7. §
364b ABGB: Vertiefung eines Grundstücks | |
Unsere Bestimmung lautet: „Ein Grundstück darf
nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden oder das Gebäude
des Nachbars die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass
der Besitzer des Grundstückes für eine genügende anderweitige Befestigung
Vorsorge trifft.” | |
Ist es dazu gekommen – zB Mauerrisse oder sog Setzungen
im Nachbarhaus, ist der frühere Zustand wiederherzustellen. | |
Auch nach § 364b ABGB besteht ein
verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch des Nachbarn.
– Zur Abgrenzung der Aktivlegitimation zwischen Hauseigentümer und
Mieter vgl die idF wiedergegebene E EvBl 2001/79. | Verschulden
keine Voraussetzung |
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SZ 24/312 (1951): Straßenbauarbeiten
führten zu Hauseinsturz; | |
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SZ 61/71 (1988): Erdrutsch durch
Planierungsarbeiten; | |
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SZ
9/182 (1927): Torfabbau gefährdet
Obstgarten; hier wird betont, dass die Wirkungen des Abgrabens auch
erst zeitlich später eintreten können; | |
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SZ 55/28 (1982): Hausschäden durch
baubehördlich genehmigte Sanierungsarbeiten am Nachbarhaus; | |
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JBl 1999, 383: Für den Ausgleichsanspruch
nach § 364b ABGB – es handelt sich um eine nachbarrechtliche Gefährdungshaftung
wegen Entzugs der erforderlichen Stütze – ist es grundsätzlich gleichgültig,
in welchem Zustand sich das Gebäude des Nachbarn vor der Vertiefung
befunden hat. Der Vertiefende haftet für alle Schäden, die
eingetreten sind; mwH. | |
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OGH 28. 11. 2000, 1 Ob 228/00m, EvB 2001/79:
Der Eigentümer eines Hauses ließ an diesem Bauarbeiten durchführen,
wodurch Risse und Setzungen am Nachbarhaus (Miethaus)
entstanden. Ein betroffener Mieter erhebt gegen den Bauführer eine
Schadenersatzklage. – OGH: Soweit Behebungskosten Schäden an der
Bausubstanz betreffen, sind diese im Vermögen des Vermieters (Hauseigentümers)
aufgetreten; ihm obliegen die Erhaltungsarbeiten bezüglich ernster
Schäden. Der Mieter kann diese nicht im eigenen Namen
geltend machen. Die reine Oberflächengestaltung im Inneren eines
Mietobjekts durch Malerei, Tapeten etc fällt hingegen (selbst bei
größtem Kostenaufwand) nicht in die gesetzliche Erhaltungspflicht
des Vermieters. Zur Geltendmachung dieser Schäden ist somit der
Mieter selbst aktivlegitimiert. | |
|
8. Enteignung:
§ 365 ABGB | |
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| |
Der Begriff Enteignung bedeutet
primär die Eigentumsentziehung. Aber nicht nur die Entziehung des
Eigentums wird vom Begriff umfasst: Auch obligatorische (zB Bestandrechte)
oder beschränkte dingliche Rechte (zB Servituten, Reallasten, Pfandrechte)
oder Patentrechte können „enteignet” werden. – Insofern ist der
Begriff inhaltlich zu erweitern. Auch die Begründung bloßer Eigentumsbeschränkungen
ist Enteignung. | |
Eigentumsbeschränkungen
beinhaltet zB auch das Ausländergrundverkehrsrecht oder das Notwegerecht;
NotwegeG 1896 → Das
Notwegerecht
| |
Man unterscheidet
zwischen formeller, dh rechtsförmlicher Enteignung, bei der das
Eigentum wirklich entzogen wird und materieller Enteignung, bei
der das Eigentum oder das sonstige Recht „formal” zwar bestehen
bleibt, inhaltlich jedoch weitgehend ausgehöhlt wird. Typisches
Beispiel einer materiellen Enteignung ist das Bauverbot in Bezug
auf eine Liegenschaft. | Formelle und
materielle Enteignung |
Ehrlicher und fairer wäre es in vielen Fällen der materiellen
Enteignung, gleich formell zu enteignen und (!) zu entschädigen. | |
Verfassungsrechtlich
dient heute Art
5 StGG 1867 als
Enteignungsgrundlage. Dort heißt es in Satz 2, der einen sog (Grundrechts)Gesetzesvorbehalt
formuliert, dass eine Enteignung nur aufgrund eines Gesetzes zulässig
ist. Solche Enteignungsgesetze sind zB das BundesstraßenG, die LandesstraßenG
oder das EisenbahnenteignungsG. | Art 5 StGG 1867 |
| Eingriffshaftung |
Die Enteignung
gehört zum überwiegenden Teil (Enteignungsverfahren) ins öffentliche
Recht, und nur hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Enteignungsentschädigung ins
Privatrecht. | Enteignungsentschädigung |
|
SZ 71/4 (1998): Valorisierungsproblematik
bei überlangem Entschädigungsverfahren. – Zur Geldschuld → KAPITEL 7: Die
Geldschuld als qualifizierte Schickschuld. | |
|
Der
Eigentumserwerb durch Enteignung – es kann auch
zugunsten Privater (!) enteignet werden – erfolgt schon mit dem Erlag
der Entschädigungssumme, was für Liegenschaften eine Ausnahme vom
Verbücherungsgrundsatz darstellt → KAPITEL 2: Der Eintragungsgrundsatz. | Eigentumserwerb durch Enteignung |
 | Abbildung 8.14: Enteignung: § 365 ABGB (1) |
|
 | Abbildung 8.15: Enteignung: § 365 ABGB (2) |
|
| |
Der Gesetzgeber des
ABGB geht in den §§ 353 ff ABGB vom Alleineigentum aus. Zu recht,
denn es ist der häufigste Fall. Daneben kann aber eine Sache – zB
ein Haus oder Auto – auch im Eigentum mehrerer Personen stehen.
Das ABGB regelt das Miteigentum (condominium) an mehreren Stellen: | |
§ 361 ABGB enthält die (seit 1812 unveränderte) Legaldefinition,
die so geschickt gefasst ist, dass darin alle Arten
des Miteigentums Platz finden. Es ist daher unrichtig zu sagen,
das ABGB enthalte keine Regelung für das sog realgeteilte Eigentum.
– Dieser Paragraph lautet: | §
361 ABGB |
„Wenn eine noch ungeteilte Sache mehrern
Personen zugleich zugehört; so entsteht ein gemeinschaftliches Eigentum.
In Beziehung auf das Ganze werden die Miteigentümer für eine einzige
Person angesehen; insoweit ihnen aber gewisse, obgleich unabgesonderte
Teile angewiesen sind, hat jeder Miteigentümer das vollständige
Eigentum des ihm gehörigen Teiles.” | |
Diese
Umschreibung trug bis 1879 auch das Stockwerkeigentum und man müsste
dieses Gesetz von 1879 nur aufheben, um erneut das volksnähere Stockwerkeigentum,
gestützt auf diese Gesetzesstelle begründen zu können. Eine bedenkenswerte
Möglichkeit! – Die Gemeinschaft der Miteigentümer, als Form des
schlichten oder ideellen Miteigentums, regelt das ABGB ausführlich
in den §§ 825 ff, worauf noch eingegangen wird. – Daneben ist an
die weitere – rechtsgeschäftlich wichtige – Unterscheidung zwischen
Eigentum an beweglichen (Fahrnis) und unbeweglichen Sachen (Grund-
oder Liegenschaftseigentum) zu erinnern. | Stockwerkeigentum? |
 | |
| |
Wir unterscheiden zwischen: | |
•
Alleineigentum und | |
•
Miteigentum iwS (§§ 361, 825 ff
ABGB): Im Rahmen des Miteigentums iwS ist erneut zu unterscheiden
zwischen: | Miteigentum
iwS |
•
Als
Sonderform kann auch das Treuhandeigentum erwähnt
werden, das vor allem als Sicherungseigentum vorkommt → Die
Sicherungsübereignung:
Sicherungsübereignung. – Allgemein zur Treuhand → KAPITEL 15: Die Treuhand. | |
Anders als in Deutschland,
wo treuhändisch gebundenes Eigentum grundsätzlich als unzulässig
angesehen wird, obwohl gerade Deutschland die Sicherungsübereignung
kennt, bestehen in Österreich keine grundsätzlichen Bedenken gegen
diese Eigentumsform, die von der Rechtspraxis entwickelt wurde,
gesetzlich bislang aber nicht geregelt ist. Die Sicherungsübereignung
wird dagegen in Österreich – zurecht – nur sehr zurückhaltend akzepiert. | |
Als
treuhändisches Sicherungseigentum kann bspw das Vorbehaltseigentum
des Vorbehaltsverkäufers beim Eigentumsvorbehalt angesehen werden,
der formell sein Eigentum aus Sicherungszwecken zurückhält. | |
 | |
• In zeitlicher Hinsicht
kann zwischen zeitlich unbeschränktem und zeitlich
beschränktem Eigentum unterschieden werden. Der Eigentumsgedanke
verbindet sich primär mit dem zeitlich unbeschränkten Eigentum,
doch kennt die Rechtspraxis seit langem auch zeitlich beschränktes Eigentum. | |
| |
2. Realgeteiltes
Eigentum | |
Beim realgeteilten Eigentum ist die
Sache selbst (nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich) geteilt;
nicht bloß das Recht wie beim schlichten Miteigentum! – Realgeteiltes
Eigentum kann seit Gesetz von 1879 nicht mehr neu begründet werden.
Es besteht jedoch noch von früher her in verschiedenen Bundesländern
als sog Stockwerk- und Kellereigentum fort; zB Salzburg, Burgenland sowie
im Tiroler Oberland. | Sache
selbst ist geteilt |
Die Bedeutung dieser Eigentumsform lag – auch schon
lange vor dem ABGB – darin, dass mit ihr Eigentum breit
und sozial gestreut werden konnte. Die Abschaffung
1879 erfolgte aus rein dogmatischen und nicht überzeugenden
Gründen. Die weite Fassung des § 361 ABGB schloss auch das Stockwerkeigentum
ein. | Abschaffung
1879 |
Auch
beim Stockwerkeigentum stehen die allgemeinen Teile der
Liegenschaft im Miteigentum, was zur Anwendung der §§ 833 ff ABGB
führt; SZ 24/58 (1951): Streit über das Recht zur Benützung der
Außenmauern eines Hauses, an dem Stockwerkeigentum besteht. | Allgemeine Teile stehen im Miteigentum |
Die rechtliche Konstruktion des schlichten
Miteigentums ( → Schlichtes
oder ideelles Miteigentum) bereitet Laien immer wieder (Vorstellungs)Schwierigkeiten.
Diese haben ihren Grund darin, dass es sich beim schlichten Miteigentum
um eine „Juristenschöpfung” handelt, die in der realen Außenwelt
nicht wahrnehmbar ist. Volksnäher wäre es gewesen, das eingelebte Real-
oder Stockwerkeigentum zu belassen. | |
 | |
3. Schlichtes
oder ideelles Miteigentum | |
Geregelt
in den §§ 361, 825 ff ABGB wird es auch Quoten-, Bruchteils- oder
Anteilseigentum genannt: Hier ist nicht die Sache, sondern nur das
Recht geteilt. Jede/r MiteigentümerIn ist rechtlich Teilhaber der
ganzen, ungeteilten Sache. Der ideelle Miteigentumsanteil gewährt
aber noch kein konkretes Nutzungsrecht an einem bestimmten Sachteil,
etwa einer (Parterre)Wohnung. Es braucht dazu vielmehr eine sog
Benützungsregelung oder Gebrauchsordnung → §
17 WEG:
Benützungsregelung
| Nur das Recht ist geteilt |
Daneben besteht die Möglichkeit, dass ein
Miteigentümer, die ihm zur ausschließlichen Benützung überlassene Wohnung
mietet. Er wird dann auf der Vermieter-Seite für die Miteigentümer-Gemeinschaft
tätig und tritt auf der anderen Seite als Vertragspartner dieser
Gemeinschaft auf. Um als In-sich-Geschäft ( → KAPITEL 13: Insichgeschäfte) wirksam
zu sein, muss der Mietvertrag von allen übrigen Miteigentümern genehmigt
werden. | |
Zu
§ 361 ABGB: Barta, in: Havel / Fink / Barta, Wohnungseigentum –
Anspruch und Wirklichkeit (1999). | |
Miteigentum
besteht an beweglichen (zB Freunde/innen kaufen gemeinsam ein Auto)
und unbeweglichen Sachen. Große Bedeutung besitzt
es im Liegenschaftsrecht. | Bewegliche und unbewegliche Sachen |
 | |
Über seinen Miteigentumsanteil kann
jeder Teilhaber frei verfügen (!); § 829 ABGB.
Dh er kann seinen Anteil – ohne die andern zu verständigen oder
gar ihrer Zustimmung zu bedürfen – veräußern, vererben und verpfänden
oder sonst belasten; also zB auf seinem Anteil eine Hypothek oder
Servitut eintragen lassen. Auf den einzelnen Anteil kann auch gesondert
Exekution geführt werden; auch die Zwangsvollstreckung berührt also
nur den jeweiligen Anteil. | Freie
Verfügung
über den Anteil |
|
EvBl 1999/53: Die Miteigentümergemeinschaft
– gleiches gilt für die WE-Gemeinschaft – hat kein Verfügungsrecht
über den Pfandrang der einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer. | |
|
|
EvBl 1999/54: Frage, wer zur Aufkündigung
eines Mietvertrags legitimiert ist, wenn nach dessen Abschluss
durch eine Miteigentümergemeinschaft am fraglichen Mietobjekt Wohnungseigentum begründet
wurde. Der OGH bleibt unklar. (Zutreffend ist von einer ausschließlichen
Kompetenz des neuen Wohnungseigentümers auszugehen.) | |
|
|
EvBl
1999/1: Ein ideeller Miteigentumsanteil
an einer Liegenschaft kann Gegenstand eines Fruchtgenussrechts (§
509 ABGB → Fruchtgenuss
/ Ususfructus: §§ 509 ff ABGB ) sein. Aber auch der Alleineigentümer einer
Liegenschaft kann bloß einen ideellen Anteil mit einem Fruchtgenussrecht
belasten. | |
|
Nach
§ 830 Satz 1 ABGB ist „jeder Teilhaber ... befugt, auf Ablegung
der Rechnung [Rechnungslegungsanspruch] und auf Verteilung des Ertrags
zu dringen.” | Rechnungslegungsanspruch |
|
Eine allfällige
Auseinandersetzung unter Miteigentümern wegen der Verteilung des
Ertrags ist nach Meinung des OGH nicht im Besitzstörungsverfahren,
sondern im ordentlichen / streitigen Verfahren zu führen; so GlU
9682 (1883), wo ein Miteigentümer in Galizien „die Feldfrüchte der
ganzen Grundwirtschaft einheimste und die Ausfolgung des achten
Theiles dieser Feldfrüchte verweigerte.” | |
|
Die
oben angeführten Eigentumsschutzmöglichkeiten /
Klagen stehen auch Miteigentümern zu, und zwar gegen Dritte wie
auch unter-, also gegeneinander. Mit- und Wohnungseigentümer können demnach
eigenmächtige Ein- und Übergriffe anderer Mit- und Wohnungseigentümer
– zB die Einzäunung eines Stücks gemeinsamen Grundes oder die Errichtung
einer begehbaren Terrasse auf einem Zubau – untersagen; wobl 1992/81.
Vgl schon oben → Privatrechtliche
Eigentumsklagen – Übersicht
| Eigentumsschutzmöglichkeiten |
Die häufigste Entstehungsform für
schlichtes Miteigentum ist – seit Alters her – der Erbgang; etwa:
Ein Elternteil stirbt und hinterlässt das Haus den Kindern. Daneben
entsteht schlichtes Miteigentum nach § 825 Satz 2 ABGB auch durch
Vertrag oder Richterspruch; zB im Rahmen einer Scheidungsaufteilung
(iSd §§ 81 ff EheG) und auf Antrag des beklagten Miteigentümers
bei Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft auch Wohnungseigentum → Begründung
und Erwerb von WE: § 3 WEG Aber
auch aus einem Ehepakt heraus; vgl Rspr-Beispiele. | Entstehungsform
des MitET |
|
OGH 19. 10. 1999, 4 Ob 269/99h, SZ 72/150 = EvBl 2000/49:
Nach dem Tod der Mutter erben ihre 4 Kinder eine Liegenschaft; eines
lebt im Haus, die anderen wollen nicht darin wohnen. Trotzdem klagen zwei
der anderen drei Geschwister auf Räumung der Liegenschaft, da der
Beklagte nur zu 1/8 Miteigentümer ist. – OGH: Die Alleinbenützung
der gemeinschaftlichen Sache durch einen Miteigentümer ist so lange
keine ausschließliche und damit titellose Benützung, als kein Gebrauchsinteresse
der anderen Miteigentümer besteht. Das Gebrauchsrecht des Miteigentümers
einer (eine beschränkte Gebrauchsmöglichkeit eröffnenden) gemeinschaftlichen
Sache wird nur durch den konkreten Gebrauch anderer Miteigentümer
beschränkt. – Didaktisch gute Ausführungen zu Benützungsrechten
unter Miteigentümern. | |
|
|
OGH 11. 7. 2001, 3 Ob 57/01f, JBl 2002, 110:
Ehegatten schließen Ehepakt (allgemeine Gütergemeinschaft
( → KAPITEL 16: Das
Ehegüterrecht). Frau versteckt nachher im Schlafzimmer
ohne Wissen ihres Mannes ihr Erspartes. – OGH: Der Mann erwarb trotzdem
daran Miteigentum. Der Abschluss des Ehepaktes ist sowohl Titel
als auch Modus; iS eines vorweggenommenen Besitzkonstituts. | |
|
Wichtig
für das schlichte Miteigentum sind die Verwaltungsregeln der
§§ 833 ff ABGB. Kurz: Es ist zwischen ordentlicher und außerordentlicher
Verwaltung zu unterscheiden: | |
Für die ordentliche Verwaltung gilt als
Beschluss- oder Abstimmungserfordernis das Mehrheitsprinzip (= Anteilsmehrheit).
Die ordentliche Verwaltung dient der Erhaltung der „Substanz” der
im Miteigentum stehenden Sache. | Ordentliche
Verwaltung |
Die Grenzziehung zwischen ordentlicher und
außerordentlicher Verwaltung ist immer wieder Anlass von Streit; gerade
auch dann, wenn bspw ein (Haus)Verwalter bestellt wurde. Vgl etwa
EvBl 1999/95: Auch die Empfangnahme einer vom Mieter erhobenen gerichtlichen
(Auf)Kündigung des Mietverhältnisses gehört zur ordentlichen Verwaltung
und ist daher von der Hausverwaltervollmacht umfasst. | |
 | |
Für
die außerordentliche Verwaltung – man spricht auch von „wichtigen
Veränderungen” oder „Verbesserungen” – gilt grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip.
Die nicht erteilte Zustimmung eines Miteigentümers kann allerdings
uU durch den Außerstreitrichter (im Außerstreitverfahren) ersetzt
– oder wie man auch sagt: surrogiert – werden. | Außerordentliche Verwaltung |
 | |
Die Schwachstelle
des schlichten Miteigentums liegt darin, dass jeder Teilhaber die
„Aufhebung der Gemeinschaft (§ 830 ABGB) verlangen kann”; wenn auch
„nicht zur Unzeit oder zum Nachteile der Übrigen”. Dh für die von
der Teilung Betroffenen aber nur: allenfalls zeitlichen Aufschub, aber
nicht Verhinderung der Aufhebung der Gemeinschaft. Die mögliche
Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft schwebt wie ein Damoklesschwert
über dem Rechtsinstitut Miteigentum, zumal von dieser Möglichkeit
gerade in heiklen Situationen Gebrauch gemacht und dadurch Druck
ausgeübt werden kann; zB Familienzwist unter Geschwistern! | Aufhebung der
Gemeinschaft |
Die weitere Vorgangsweise
nach der Aufhebung der Gemeinschaft ist die Teilung der gemeinschaftlichen
Sache, geregelt in den §§ 841 ff ABGB. Zu unterscheiden sind dabei
zwei Arten der Teilung von Miteigentum: | Teilung der
gemeinschaftlichen Sache |
•
Naturalteilung (hier
müssen alle einverstanden sein; § 841 Satz 3 ABGB) und | |
•
Zivilteilung
(bei Uneinigkeit). | |
|
§ 843 ABGB | |
Kann eine gemeinschaftliche Sache entweder gar
nicht, oder nicht ohne beträchtliche Verminderung des Wertes geteilt
werden; so ist sie, und zwar, wenn auch nur ein Teilgenosse es verlangt,
vermittelst gerichtlicher Feilbietung zu verkaufen, und der Kaufschilling
unter die Teilhaber zu verteilen. | |
|
Zivilteilung bedeutet demnach öffentliche
Feilbietung des Miteigentumsobjekts; landläufig wird von „Versteigerung”
gesprochen, was aber nicht dasselbe ist. Der erzielte Erlös wird
auf die Teilhaber anteilsgemäß verteilt. – Etwas gemildert wurde
die „Teilungsgefahr” bei Miteigentum nunmehr – wie erwähnt – dadurch,
dass der Beklagte im Teilungsverfahren beantragen kann, dass Wohnungseigentum
richterlich begründet werde; § 2 Abs 2 Z 2 WEG 1975 (= § 3 Abs 1
Z 3 und 4 WEG 2002). Es handelt sich dabei um eine Sonderform der
richterlichen Naturalteilung. | Öffentliche
Feilbietung |
|
SZ 69/169 (1996): Auch
bei Vorliegen eines vertraglichen Verzichts auf Erhebung der Teilungsklage
kann aus wichtigen Gründen dennoch die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft begehrt
werden. Die Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 2 WEG 1975 (=
§ 2 WEG 2002) in einem Verfahren zur Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft
geht als Sonderform der Naturalteilung der Zivilteilung vor. Sie
ist nicht deshalb untunlich, weil zwischen den Miteigentümern Streitigkeiten
bestehen. | |
|
|
GlUNF
2217 (1903): Exekutionsführung auf im Miteigentum des Verpflichteten
stehende bewegliche Sachen (Einrichtungsstücke) in Unkenntnis dieser
Rechtsbeziehung. – Kein Ausschluss der Exekution durch Widerspruch
des anderen Miteigentümers, vielmehr: „ ... Der Miteigentümer muss
sich vielmehr gefallen lassen, dass zum Zwecke der Befriedigung
des betreibenden Gläubigers das gemeinschaftliche Eigentum aufgehoben
und der auf das Miteigentum des Verpflichteten entfallende Teil
des Erlöses auf den Miteigentümer entfällt.” | |
|
Die einzelnen Miteigentümer eines
Hauses bilden zB gegenüber Ansprüchen auf Erteilung der Zustimmung
zur Verbücherung eines Bestandvertrags und auf Schaffung der dafür
nötigen Voraussetzungen eine einheitliche Streitpartei iSd
§ 14 ZPO; SZ 27/138 (1954). | Einheitliche
Streitpartei |
Die Miteigentumsregeln
der §§ 825 ff ABGB finden auch eine analoge Anwendung auf den Mitbesitz,
was etwa in Miethäusern eine Rolle spielt. | Mitbesitz |
|
JBl 1996, 383: Besitzstörung (der
Mietrechte) und Eigentumsstörung nach § 523 ABGB durch unerlaubtes Verteilen
von Werbematerial in einem Miethaus der Gemeinde
Wien. | |
|
| |
Gesamt(hand)eigentum
findet sich in Österreich bei den Personengesellschaften des
Handelsrechts; also OHG und KG, aber auch den eingetragenen
Erwerbsgesellschaften OEG und KEG nach dem EGG 1990 → KAPITEL 4: Zur
Rechts- und Handlungsfähigkeit .
– Auch das Ehegattenwohnungseigentum (§ 9 WEG 1975,
nunmehr Eigentümerpartnerschaft
der §§ 13-15 WEG 2002) schafft Gesamthandeigentum; dh es besteht
nur die Möglichkeit gemeinsamer Verfügung, Belastung oder Exekution
über die (notwendigerweise gleich großen) Mindestanteile. – Keine
Gesamthandschaft besteht in Österreich (anders als in Deutschland)
bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts: §§ 1175
ff ABGB; dazu → KAPITEL 12: Die Gesellschaft
bürgerlichen Rechts. Ihre Bestimmungen verweisen vielmehr mehrfach
auf Bestimmungen des 16. HptSt (§§ 825 ff ABGB) und damit auf das
schlichte Miteigentum; so die §§ 1188, 1190, 1194, 1208 und 1212
ABGB. | Anwendungsbereich |
Bei dieser Spielart des
Miteigentums geht es um: | Funktion |
• die rechtliche Trennung
des gemeinschaftlichen Vermögens vom Privatvermögen der
Beteiligten und zusätzlich | |
• um den Ausschluss der (Einzel)Verfügungsbefugnis über
den Anteil an den einzelnen zum Gemeinschaftsvermögen gehörenden
Gegenständen. | |
Die Beteiligten besitzen also
keine ideellen Anteile / Quoten über die sie frei verfügen können.
Die Gesamthänder / Teilhaber können vielmehr über Anteile und Gesamtsache
nur gemeinsam verfügen. – Der Zweck liegt darin, den Bestand dieser
wirtschaftlich sensiblen Gesellschaftsformen, bei denen es auf persönliche
Mitarbeit und Vertrauen ankommt, nicht durch einseitiges Handeln
zu gefährden. | Nur
gemeinsame Verfügung |
VII.
Wohnungseigentum:
WEG 2002 | |
 | |
Wohnungseigentum /
WE ist seiner rechtlichen Konstruktion nach weiterentwickeltes schlichtes MitET.
Der Unterschied liegt aber darin, dass Wohnungseigentümer/WETü –
anders als schlichte MitETü – bereits das dingliche Recht besitzen
„ein [WE-Objekt] ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu
verfügen”; § 2 Abs 1 WEG. Bei schlichtem MitET dagegen kann auf
Grund seiner rechtlichen Konstruktion kein MitETü eine bestimmte
Wohnung für sich in Anspruch nehmen, da nur das Recht und nicht
aber die Sache selbst geteilt ist. Beim schlichten MitET braucht
es für die konkrete Benützung eine einvernehmliche Vereinbarung
aller MitETü; sog Benützungs- oder Gebrauchsregelung
→ Nutzung
von WE-Objekten und allgemeiner Teile der Liegenschaft Sie
ist (in Bezug auf die Benützung des WE-Objekts) in der gesetzlichen
Konstruktion des WE inbegriffen. | Weiterentwickeltes Miteigentum |
Benützungsregelungen spielen
aber auch beim WET eine praktische Rolle; freilich nicht für die
Nutzung von WE-Objekten ieS – also Wohnungen, Garagen, Geschäftslokalen
oder Kfz-Abstellplätzen, die im WET stehen, sondern nur für sog allgemeine
Teile der Liegenschaft → Nutzung
von WE-Objekten und allgemeiner Teile der Liegenschaft
| |
 | |
| |
Die rechtliche
Konstruktion des WE gewährt dem einzelnen WETü – entgegen
einer weitverbreiteten Einschätzung – also kein Allein- oder SonderET
an seinen vier Wänden. Dennoch ist die Rechtsform beliebt. Allein
sie hat, wie wir noch sehen werden, auch ihre Tücken, wie es das räumlich
nahe Zusammenwohnen mit anderen Menschen nun einmal mit sich bringt.
– Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich das WE als Mittel des Wiederaufbaus
bewährt. | |
Anders
konzipiert ist das WET in Deutschland; WEG, BGBl
I 175/1951. Der einzelne WETü hat dort ein sog SonderET an seiner
Wohnung, ist also ihr echter (Allein)ETü. An den allgemeinen Teilen
der Liegenschaft / des Hauses ist er dagegen bloß MitETü; sog GemeinschaftsETü.
– Die Schweiz hat 1963 im ZGB Regeln über StockwerkET
geschaffen: Inhaltlich handelt es sich dabei aber um ein dem österreichischen
WEG vergleichbares, weiterentwickeltes schlichtes Mit- und nicht
realgeteiltes Eigentum wie die Bezeichnung nahelegt. – Das WE in Österreich,
Deutschland und der Schweiz ist demnach rechtlich vergleichbar,
aber doch in mancher Frage unterschiedlich konzipiert. Italien hat
im Codice Civile eine Stockwerkeigentumslösung geschaffen, die für
Deutschland, die Schweiz und Österreich als Vorbild gedient hat;
Art 1117-1139. Zu den Unterschieden zwischen diesen Ländern: Barta,
in: Havel / Fink / Barta (1999). | Rechtsvergleich |
Gegenwärtig gibt es in Österreich
etwa 450.000 Eigentumswohnungen. – Das WEG 2002 ist das NachfolgeG
des WEG 1948 und des WEG 1975. | ~ 450.000
Eigentumswohnungen |
Das 3.
WÄG 1993 novellierte das WEG 1975 mit wenig Feingefühl
und Qualität; ua schuf es in § 13c Abs 1 und 2 WEG eine verfehlte
Schulden(tragungs)regelung der WE-Gemeinschaft und eine subsidiäre
(Anteils)Haftung der WETü für (Haus)Schulden anderer WETü!
Diese Haftungsregelung wurde durch die WRN 1999 entschärft. Neugeschaffen
wurde ein Vorzugspfandrecht zugunsten der Forderungen
der WE-Gemeinschaft und von Rückgriffsforderungen einzelner MitETü.
Zur Streichung der 1993 geschaffenen verfehlten Ausfallshaftung
konnte sich der Gesetzgeber aber nicht entschließen. Die neue Regel
– eingefügt in die Abs 3 bis 5 des § 13c WEG 1975– ist zudem kompliziert
und kostspielig. Das WEG 2002 hat diese Haftung der WETü für fremde
Schulden übernommen; vgl nunmehr § 18 Abs 3 WEG 2002. | Historische Entwicklung |
Die Reform war in diesem Umfang überflüssig und blieb in
wichtigen Punkten die nötige Weiterentwicklung und Qualität schuldig.
Offenbar brauchen aber Regierung und Ministerialbürokratie formale
Leistungsnachweise. Weniger legistische Gschaftlhuberei wäre mehr
gewesen. Wurden doch durch das neue Gesetz alle bisherigen Hilfsmittel
leichtfertig unbrauchbar gemacht. Die Rechtssicherheit wurde allein
dadurch nachhaltig geschädigt. Der vertretbare Reforminhalt – insbesondere
die Eigentümerpartnerschaft / ETü-P und das selbständige
Wohnungseigentum/WE an Abstellplätzen für Kfz sowie
das vorläufige WE des AlleinETü / sog Vorratsteilung
nach dt Vorbild (§§ 45 ff WEG) hätten auch durch eine Novellierung
des WEG 1975 erreicht werden können. Sie stellten zudem alte rechtspolitische
Forderungen dar. Auch die schwachen Verwaltungsregeln hätten moderater
verbessert werden können. | |
Legistisch weist auch das neue Gesetz Schwächen auf; § 2
besteht bspw aus 10 Absätzen und die ins Kraut geschossene Paragraphenzahl
dokumentiert eine inflationäre Normenvermehrung:
Kam das WEG 1948 mit 13 Paragraphen aus und benötigte das WEG 1975
schon 30, so verdoppelt das WEG 2002 diese Zahl nahezu: 57 Paragraphen.
Allein Quantität schlägt nicht notwendiger Weise in Qualität um.
Hier ist aber nicht der Ort, um darauf näher einzugehen. | |
 | Abbildung 8.16: Verhältnis von WE und Mietwohnungen |
|
2. Begriffe: Wohnungseigentum, WE-Objekte | |
„Das
Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte
dingliche Recht, ein [WE-Objekt] ausschließlich zu nutzen und allein
darüber zu verfügen”; § 2 Abs 1 Satz 1 WEG. | |
Nach § 2 Abs 2 WEG sind WE-Objekte „Wohnungen,
sonstige selbständige Räumlichkeiten und Abstellplätze für
[Kfze]”. § 2 Abs 2 WEG umschreibt die erwähnten Begriffe samt dem
der Wohnung etc. | |
Voraussetzung für
die Begründung und Erhaltung von WE ist das Bestehen einer selbständigen / abgeschlossenen Wohnung etc.
Die Rspr untersagt es daher bisher, bspw zwei untereinander liegende
Wohnungen verschiedener Eigentümer durch eine die Zwischengeschossdecke
durchbrechende Stiege miteinander zu verbinden; vgl EvBl 1994/73
(mit verfehlter Begründung). | |
3. Gegenstand
des Wohnungseigentums | |
Entgegen der zu engen Begriffsfassung
können aber nicht nur Wohnungen, sondern auch Geschäftsräume, Garagen, Kfz-Abstellplätze und
damit verbunden – nicht allein! – Keller- und Dachbodenräume, Hausgärten,
offene Balkone, Terrassen, Autoabstellplätze und andere unmittelbar
zugängliche, deutlich abgegrenzte Teile der Liegenschaft – sog Akzessorien oder Zubehör-WE:
§ 2 Abs 3 WEG – Gegenstand des WE sein. | Unscharfe
Begriffsfassung |
Nicht im WE stehen können dagegen
sog allgemeine Teile der Liegenschaft; § 2 Abs 4 iVm § 3 Abs 3 WEG.
Sie dienen allgemeiner, dh gemeinsamer Nutzung und entziehen sich
kraft ihrer Zweckbestimmung dem ausschließlichen Gebrauch einzelner
WETü. Über den Gebrauch allgemeiner Teile der Liegenschaft – allenfalls
auch durch Einzelne – können aber Benützungsregelungen ( → Nutzung
von WE-Objekten und allgemeiner Teile der Liegenschaft)
getroffen werden. | Allgemeine Teile
der Liegenschaft |
Allgemeine Teile sind zB: Stiegenhaus/Treppen,
Waschküche/Trockenraum, Dachboden, Kinderspielplatz, Müllplatz,
Wege zum Haus, aber auch die Hausbesorgerwohnung, freie zum Haus
gehörige Parkplätze oder Grünflächen für alle. – Aber Achtung: Hier
wurde und wird immer noch von Bauträgern auf Kosten der WETü-Gemeinschaft
manipuliert! | |
|
wobl 2000/82: Nichtigkeit der WE-Begründung
an einer Hausbesorgerwohnung; | |
wobl 2000/126: Nichtige
WE-Begründung an einem allgemeinen Teil der Liegenschaft. | |
|
4. Begründung
und Erwerb von WE: § 3 WEG | |
Die §§ 3-6 WEG regeln die Begründung von WE; Titel, Zustimmung,
Beschränkung. § 3 Abs 1 WEG nennt als Möglichkeiten der
Begründung: | Verschiedene
Möglichkeiten |
• den Wohnungseigentumsvertrag (als
schriftliche Vereinbarung aller MitETü) | |
•
eine gerichtliche Entscheidung über eine Klage
nach § 43 WEG (Klage eines WE-Werbers
gegen den Liegenschafts-ETü wegen Säumnis des/der WE-Organisators/en) | |
• eine gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren
zur Aufhebung einer MitET-Gemeinschaft und schließlich | |
• eine gerichtliche Aufteilung des
ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach
den §§ 81 ff EheG. | |
§ 3 Abs 2 WEG
stellt klar, dass die gültige Begründung von WE alle widmungsgemäß
vorgesehenen WE-Objekte umfassen muß. – Nach Abs 3 kann
an allgemeinen Teilen der Liegenschaft WE nicht
begründet werden. | Begründung umfasst … |
§ 5 Abs 1WEG
(„Erwerb des WE”) spricht den Grundsatz aus, dass
der Erwerb von WE, Mit-ET voraussetzt. | WE setzt Mit-ET voraus |
§
5 Abs 2 trifft die neue Regelung, dass der Erwerb von WE an Kfz-Abstellplätzen bis
zum Ablauf von 3 Jahren nach Begründung von WE an der Liegenschaft
nur von WETü erworben werden kann. Erst nach Ablauf dieser Frist
können auch andere Personen (Dritte) WE an Kfz-Abstellplätzen erwerben.
– § 5 Abs 3: WE wird durch Einverleibung
ins Grundbuch erworben. Die Intabulation erfolgt im B-Blatt
( → KAPITEL 2: Aufbau
des Grundbuchs) auf dem Mindestanteil; § 11 WEG. | Kfz-Abstellplätze |
§ 6 WEG nennt
die notwendigen Beilagen für den Einverleibungsantrag von
WE. – Es sind dies: | Notwendige
Beilagen für den Einverleibungsantrag |
• Der
Nachweis der Begründung von WE nach § 3 Abs 1 WEG
(Wohnungseigentumsvertrag etc); | |
• der Nachweis über den Bestand eines
tauglichen WE-Objekts (durch Bescheinigung der Baubehörde
oder ein Sachverständigengutachten); | |
•
die Nutzwertfeststellung nach
§ 9 WEG; sog Parifizierung. | |
5. Nutzfläche,
Nutzwert und Mindestanteil: §§ 7-12 WEG | |
§ 11 WEG betont
– was auch bisher der Fall war, daß WE und Mindestanteil „untrennbar
verbunden”sind und nur gemeinsam beschränkt,
belastet, veräußert, von Todes wegen übertragen und der Zwangsvollstreckung
unterworfen werden können. | WE
und Mindestanteil „untrennbar verbunden” |
§ 12 Abs 1 WEG spricht
die Unteilbarkeit des Mindestanteils aus; Abs 2
regelt umständlich Ausnahmen der Unteilbarkeit. | Unteilbarkeit |
WE
setzt also nach wie vor grundsätzlich bestehendes MitET voraus;
also wenigstens zwei MitETü. An AlleinET konnte in Österreich WE
bisher nicht begründet werden. – Das dtWEG kannte dagegen seit jeher
die Möglichkeit der sog Vorratsteilung des errichtenden
AlleinETü. Diese Regelung wurde nunmehr übernommen. | Vorratsteilung |
Zu
beachten ist ferner: WE kann zwar nur durch schriftliche Vereinbarung
aller MitETü neu begründet werden; womit nicht
verwechselt werden darf, dass schon bestehendes,
also bereits begründetes und verbüchertes WE (zB bei Verkauf einer
gebauten Eigentumswohnung durch einen WETü), auch mündlich gültig verkauft
werden kann; normaler Liegenschaftskauf. Der derivative
Erwerb von bereits bestehendem WE ist demnach nicht an die Schriftform
gebunden. | Unterscheide |
| |
6. Wirkung der
WE-Begründung auf bestehende Mietverhältnisse: § 4 | |
§ 4 Abs 1 bestimmt, dass mit der Begründung von WE an einem
vermieteten WE-Objekt die Rechtsstellung des Vermieters auf den
(neuen) WETü übergeht. | |
Abs 2 statuiert die problematische Ausfallshaftung
der ETü-Gemeinschaft gegenüber einem Hauptmieter, der seine
(Geld)Ansprüche gegen den WETü auch nicht durch Exekution hereinbringen
kann. (?) – Abs 3 sichert weitere Ansprüche eines Hauptmieters gegen
die ETü-Gemeinschaft. | Problematische
Ausfallshaftung |
7. Die
Eigentümerpartnerschaft/ETü-P: §§ 13-15 WEG | |
Zur Reformforderung nach „Öffnung” des (bisherigen)
Ehegatten-WEs: Barta,
Zur Geschichte und künftigen Entwicklung des WEs in Österreich,
in: Havel/ Fink/ Barta,
WE-Anspruch und Wirklichkeit. Entwicklung, Probleme, Lösungsstrategien
353 (1999). Vgl schon Gschnitzer, Kann ein Ehepaar eine Eigentumswohnung erwerben?,
JBl 1968, 232. | |
§
13 Abs 1 WEG erklärt die §§ 825 ffABGB grundsätzlich
auf die ETü-P anwendbar. – Abs 2 fordert – wie bisher für das Ehegatten- WE –
dass die Partner „[ETü] je eines halben Mindestanteils”
sein müssen. Ihre Anteile am Mindestanteil dürfen auch nicht
unterschiedlich belastet werden. – Abs 3: Solange eine
ETü-P besteht können die durch das gemeinsame WE verbundenen Anteile nicht
getrennt und nur gemeinsam beschränkt, belastet, veräußert oder
der Zwangsvollstreckung unterworfen werden. Hier
finden sich auch Ausführungen über die Vorgangsweise bei Exekutionen.
– Nach Abs 4 haften die Partner für
alle Verbindlichkeiten aus ihrem gemeinsamen WE zur ungeteilten
Hand. – Auch die Nutzung und Verfügung über
das WE-Objekt hat gemeinsamzu erfolgen. Das gilt
auch für die Äußerungs- und Stimmrechte sowie
das Wahrnehmen von Minderheitenrechten durch die
Partner. – Abs 6 kennt die Möglichkeit des vertraglichen
Ausschlusses einer Klage auf Aufhebung einer ETü-P nach
§ 830 ABGB für 3 Jahre (ab Einverleibung). Während des Bestandes
einer Ehe und Vorliegen eines dringenden Wohnbedürfnisses ist eine
Aufhebung überhaupt unzulässig; Satz 3 schützt minderjährige „Partner”. | Grundsätzliches |
Erwirbt der überlebende Partner den Anteil des Verstorbenen
nicht ohnehin als Erbe oder Vermächtnisnehmer, so gilt nach § 14
Abs 1 WEG (subsidiär) – vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung
nach Abs 4 – folgendes: | § 14 WEG – WE
der Partner im Todesfall |
• Z
1 ordnet den unmittelbaren ETs-Erwerb des Überlebenden am Anteil
des Verstorbenen an (Vindikationslegat
→ KAPITEL 17: Erbeinsetzung
und Vermächtnis); | |
• Z 2 regelt den Verzicht des
Überlebenden auf den gesetzlichen ETs-Übergang und kennt zudem die
Möglichkeit, dass der Überlebende mit den Erben des Verstorbenen
eine andere Vereinbarung trifft. Die Zustimmung
der Pflichtteilsberechtigten ist dazu erforderlich. | |
• Nach Abs 4 können die Partner eine schriftliche
Vereinbarung des Inhalts treffen, „dass anstelle des gesetzlichen Eigentumsübergangs
nach Abs 1 Z 1 der Anteil des Verstorbenen … einer anderen natürlichen
Person zukommt.” – Eine solche Vereinbarung hat aber nur schuldrechtliche
Wirkung. | |
Geregelt
in § 15 WEG. – Jeder Ehegatte kann bei Nichteinigung nach Ablauf
1 Jahres nach Eintritt der Rechtskraft der Eheauflösung die Aufhebung
der Partnerschaft verlangen. | ETü-P bei
Auflösung der Ehe |
8. Nutzung
von WE-Objekten und allgemeiner Teile der Liegenschaft | |
Nach § 16 Abs 1 WEG steht
die Nutzung des WE-Objekts dem jeweiligen WETü
zu. | Nutzung |
Abs 2 übernimmt fast wörtlich den Inhalt des bisherigen
§ 13 Abs 2 WEG 1975 und regelt (wie dieser) die Berechtigung von
WETü zu baulichen Veränderungen einschließlich
Widmungsänderungen (also
bspw die Umwandlung einer Wohnung in Geschäftsräume) am WET-Objekt
auf eigene Kosten. – Abs 3 statuiert wie die bisherige Rechtslage Wartungs-, Erhaltungs-
und Duldungspflichten des ETü. | Bauliche Veränderungen + Widmungsänderungen
etc |
Zur Widmungsänderung vgl → Rspr-Beispiele (Rspr-Beispiele):
Zahnarzt als Nachbar. | |
Das WEG 2002 trägt bisheriger Kritik insoferne Rechnung,
als es, anders als das WEG 1975, zwischen der Nutzung der einzelnen
WET-Objekte und der Verwaltung der gesamten Liegenschaft unterscheidet. | |
|
OGH 5. 9. 2000, 5 Ob 217/00y, JBl 2001, 317:
Mit Mehrheitsbeschluss (71%) wurde von einer WE-Gemeinschaft für
die Aufstellung einer Mobilfunkantenne am Dach
der Anlage votiert. Der Eigentümer einer Dachgeschoßwohnung versuchte,
dies zu verhindern. – OGH: Eine Gesundheitsbeeinträchtigung eines Eigentümers
einer Dachgeschoßwohnung durch Aufstellung einer Mobilfunkantenne
kann derzeit nicht bewiesen werden. Eine nicht völlig unbegründete
Besorgnis über noch nicht abschließend zu beurteilende Gefahren
technischer Neuerungen stellt gegenüber dem finanziellen Vorteil
der WE-Gemeinschaft aus dem Nutzungsvertrag keine „übermäßige” Beeinträchtigung
iSd § 14 Abs 3 WEG 1975 dar. | |
|
Nach Abs 1 können alle WETü eine schriftliche
Vereinbarung über eine Benützungsregelung treffen. – Abs
2 kennt die Möglichkeit, daß jeder WETü „aus wichtigen
Gründen” eine gerichtliche Regelung begehren kann.
Wie bisher besteht weiterhin die Möglichkeit einer vorläufigen Benützungsregelung während
des Verfahrens durch eine 2/3-Mehrheit. – Die Chance der legistischen
Weiterentwicklung der Benützungsregelung wurde vom Gesetzgeber nicht
genützt. Abs 3 statuiert die Drittwirkung von Benützungsregelungen,
was bedeutet, dass auch Rechtsnachfolger an sie gebunden sind. Damit
wird das lästige Überbürden von Vereinbarungen vermieden. – Das Gesetz
sieht auch die Ersichtlichmachung im Grundbuch
vor, was zu begrüßen ist. | §
17 WEG:
Benützungsregelung |
9.
Eigentümergemeinschaft,
Verwalter, Vorzugspfandrecht | |
§
18 Abs 1 WEG erkennt der ETü-Gemeinschaft Teil-Rechtsfähigkeit zu
soweit sie in Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung tätig
wird. Sie kann dabei Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen
sowie klagen und geklagt werden;
vgl § 124 HGB für OHG und KG. | Teilrechtsfähigkeit |
|
EvBl 1999/124: Die Rechtssubjektivität
der WET-Gemeinschaft beschränkt sich auf Angelegenheiten der
Verwaltung der Liegenschaft. Außerhalb dieses Geschäftskreises kann
sie weder Rechte erwerben noch Verbindlichkeiten eingehen. Die Vermietung
von Wohnungen oder sonstigen selbständigen Räumlichkeiten, die in
Sondernutzung stehen, gehört nicht zu diesen Verwaltungsagenden. | |
|
|
EvBl 1999/65: Rechtspersönlichkeit
der WE-Gemeinschaft – Passivlegitimation für Aufwandersatzansprüche
des Verwalters aus seinem Auftragsverhältnis (§ 1014 ABGB) → KAPITEL 12: Aufwandersatz. | |
|
|
Im Rahmen ihrer Zuständigkeit
(Liegenschaftsverwaltung) ist die WE-Gemeinschaft auch deliktsfähig; wobl 2000/59: Wegehalterhaftung
nach § 1319a ABGB. Allfällige Kosten aus einer derartigen Haftung sind
nach § 19 Abs 1 WEG als von der WE-Gemeinschaft zu tragender Prozessaufwand
anteilig auf die Mit- und WETü aufzuteilen. Selbstverständlich steht
der Gemeinschaft in einem derartigen Fall uU ein Regressanspruch
gegen den WE-Verwalter, Hausbesorger oder sonstige Hilfspersonen
zu, zu denen auch einzelne Mit- und WETü zu zählen sind. | |
Zur Frage, WE-Gemeinschaft und KSchG, Schauer,
wobl 2000, 220: Grundsätzlich ist die WE-Gemeinschaft iSd § 1 Abs
2 KSchG Verbraucherin; sie kann aber – etwa bei Vermietung allgemeiner
Teile der Liegenschaft – zur Unternehmerin werden. Es ist daher
im Einzelfall jeweils zu prüfen. | |
|
 | |
Die ETü-Gemeinschaft
besitzt demnach auch eine durch ihre Aufgaben eingeschränkte Rechtsfähigkeit
iSd
ultra-vires-Lehre.
Bei Überschreitung des rechtlich zugewiesenen Aufgabenkreises ist das
Rechtsgeschäft oder die gesetzte Vertretungshandlung unwirksam. | Ultra vires-Lehre |
Abs 2 regelt die wichtige Vertretung
der ETü-Gemeinschaft (Liegenschaftsverwaltung): Häufig werden nämlich
ETü-Gemeinschaften durch einen Haus- oder Anlagen-Verwalter vertreten.
Bei Interessenkollision mit diesem vertritt nunmehr ein neuer ETü-Vertreter
die Gemeinschaft. – Wurde kein Verwalter bestellt, verwaltet die
Anteilsmehrheit die Liegenschaft. § 23 WEG kennt die Möglichkeit
der Bestellung eines vorläufigen Verwalters. | Vertretung
der
ETü-Gemeinschaft |
Probleme
tauchen im Rahmen der
Liegenschaftsverwaltung immer
wieder auf, weil Verwalter ihre Kompetenz überschreiten und unkorrekt
vorgehen oder – was ebenfalls vorkommt – zuwenig oder gar nichts
tun. Im Zusammenhang mit der Verwaltung und Errichtung von WE gab
es in Österreich schwerste Skandale (Betrug, Veruntreuung etc),
gerade auch in Tirol. Vgl zur historischen Entwicklung meine Ausführungen,
in: Havel/ Fink/ Barta, WE
– Anspruch und Wirklichkeit 183 ff (1999). So wurde Ende 1997 eine
große Tiroler gemeinnützige Wohnbauvereinigung als Verwalter der
Großanlage „Maria Hilfpark” wegen schwerer Verfehlungen im Rahmen
ihrer Verwaltungstätigkeit gerichtlich als Verwalter enthoben. Vorsicht
gegenüber dem Verwalter und möglichst gemeinsames Handeln der WETü
erscheint daher ratsam. | Liegenschaftsverwaltung |
Überlegenswert und lohnend für kleinere Gemeinschaften ist
daher die
Selbstverwaltung;
sonst spricht man von Fremdverwaltung. Die Autonomie
der WETü-Gemeinschaft wird vom Gesetzgeber leider zu wenig gefördert!
Die politische Abhängigkeit von der Verwalter-Lobby ist offenbar
zu groß. (Im 3. WÄG 1993 wurde bspw mehr auf die Interessen der
Hausverwalter, Banken und Bauträger geachtet, als auf die der WETü.
Auch die WRN 1999 ließ die übermächtige Verwalterstellung unangetastet.
Und auch das neue Gesetz dient vornehmlich den professionellen „Lobbyisten”
des WE.) | |
Für die Zukunft wäre es wichtig, den Verwalter der
Liegenschaft konsequent zu einem Vollzugsorgan der ETü-Gemeinschaft zu
machen, und nicht den Weg in Richtung „Vormund“ der Gemeinschaft
fortzusetzen; Hausverwaltung muß endlich auch rechtlich als „Dienstleistung”
verstanden werden und nicht als monetär-politische Pfründe und Kuratel.
Die bestehende gesetzliche Lösung spiegelt – woran das neue Gesetz
nichts geändert hat – eine Tendenz zur Untertanenmentalität wider. | |
 | |
Ein
weiteres auch von der WRNov 1999 und dem WEG 2002 übergangenes Problem
für die Liegenschaftsverwaltung liegt darin, dass der Kauf von Eigentumswohnungen
immer häufiger zu bloßer Wertanlage erfolgt, was aus Realitätsgründen
hinzunehmen ist. Diese (Wert)Anlage-WETü kümmern sich aber häufig
nicht oder zu wenig um die Liegenschaftsverwaltung, die auf Anteils-Mehrheiten
aufbaut, die bei Abwesenheit dieser Gruppe aber nur schwer oder
gar nicht zu erlangen ist. Dafür wurde erneut nicht vorgesorgt;
vgl meine Ausführungen in: Havel/ Fink/ Barta,
WE-Anspruch und Wirklichkeit 270 f, 282 ff, 326 und 341 f. | WE: Blosse Wertanlage? |
 | Abbildung 8.17: Wohnungseigentum in Europa |
|
§ 18 Abs 3 WEG behandelt unauffällig die unrühmliche und
verfehlte Haftung der ETü-Gemeinschaft. | |
Sie wurde vom neuen Gesetz beibehalten,
was für Handwerker, Lieferanten, Banken und vor allem die Verwalter angenehm
sein mag, für die einzelnen WETü aber fatal ist, weil man die einzelnen
„Mitbewohner” nicht oder kaum kennt und dennoch für sie finanziell
einzustehen hat. Diese Haftung stellt einen politischen und rechtlichen Verrat anderIdee desWE
dar und sollte wenigstens aus Gründen der Attraktivität des Rechtsinstuts,
wenn schon nicht aus legistischem Anstand, beseitigt werden. | |
Nach § 18 Abs 3 WEG kann ein gegen die ETü-Gemeinschaft
ergangener Exekutionstitel zunächst nur in die
Rücklage nach §
31 WEG (die von allen WETü gespeist wird!) oder in die von den WETü
geleisteten oder geschuldeten Zahlungen für Aufwendungen (§ 32 WEG
– sog
Akonti) vollstreckt
werden. Reichen diese vorgeschalteten Haftungsfonds, die ebenfalls
mit dem Geld der WETü dotiert werden (!), aber nicht aus, „haften
die [WETü ] für den Ausfall im Verhältnis
ihrer [MitET-Anteile]” persönlich. | Persönliche
Haftung |
§
19 WEG regelt die Verwalterbestellung: Der Verwalter
verwaltet die Liegenschaft und kann eine natürliche oder
eine juristische Person sein. – Sein Name und seine
Anschrift sind im Grundbuch ersichtlich zu machen. – Dass die Vollmacht
des Verwalters nach wie vor „nach außen unbeschränkbar”
ist, muß bedauert werden, weil dies den Verwalter zum Herrn, ja
Herrscher der Gemeinschaft macht, was ihm nicht zusteht. Die ETü-Gemeinschaft
wird dadurch gelähmt, ja entmündigt. Ähnliches gilt für die – vom
neuen Gesetz ebenfalls übernommene – Kompetenz des Verwalters, der
ohne Zustimmung der ETü-Gemeinschaft (und ohne sachliche und betragliche
Beschränkung) einen „berufsmäßigen Parteienvertreter” bestellen
kann. | |
§
20 WEG umschreibt die Aufgaben und Befugnisse des
Verwaltersnäher: – Das WEG 2002 hat die Chance
einer funktionalen Weiterentwicklung der Verwalterstellung zu einem
Dienstleistungsorgan der WETü-Gemeinschaft wohl bewusst versäumt.
Vgl die bereits oben geäußerte Kritik. | Aufgaben und
Befugnisse des Verwalters |
• Zu aller erst hat
der Verwalter, woran die Praxis häufig krankt, die Interessen
aller WETü zuwahren und die Weisungen
der Mehrheit zu befolgen; Abs 1. | |
• Ihn trifft die Pflicht zur jährlichen „
Vorausschau”;
Abs 2. | |
• Und die wichtige Pflicht zur „ordentlichen
und richtigen [Jahres]Abrechnung”; Abs 3. | |
• Abs 4 untersagt dem Verwalter nicht (!) den
Abschluß von Rechtsgeschäften mit Personen, die mit ihm durch ein
familiäres oder wirtschaftliches „Naheverhältnis”
verbunden sind. Er muß die WETü darauf nur hinweisen. Ein Zeit-
und Sittenbild! | |
• Nach Abs 5 hat der Verwalter ferner rückständige
Zahlungen von WETü einzumahnen. – Es fehlt
wohl bewusst, das für die Praxis wichtige Wörtchen „unverzüglich”. | |
• Abs 6 kennt die Pflicht zur Führung eines ETü-Gemeinschaftskontos. | |
•
Abs 7 erinnert an legistisch unpassender Stelle
den Verwalter an seine unabdingbaren Plichten nach den §§
1002 ff ABGB, insbesondere auch § 1009 ABGB: „emsig und
redlich”! | |
• Abs 8 räumt der ETü-Gemeinschaft bei grober
Pflichtverletzung des Verwalters das Recht ein, eine Herabsetzung
des Entgelts zu „verlangen”. Diese „zahnlose” Einräumung
einer Selbstverständlichkeit wird in der Praxis wenig fruchten. | |
Die
Regelungen zur Auflösung und Verlängerung des Verwaltungsvertrages
finden sich in § 21 WEG. | Auflösung und
Verlängerung des VerwaltungsV |
Man muß kein Prophet sein, um dem
Eigentümervertreter,
dieser „Scheinstütze” der ETü-Gemeinschaft, keine glänzende Praxiskarriere
vorauszusagen. Legistisch schwächlich konzipiert und kaum durchdacht,
werden nur wenige Gemeinschaften von diesem „Angebot” Gebrauch machen. |
§
22 WEG:
Eigentümervertreter |
Das weiterhin mögliche Beantragen
eines, wenn auch nur vorläufigen, Verwalters durch Dritte geht zu
weit. |
§
23 WEG:
Vorläufiger Verwalter |
Hier zeigt sich die Blauäugigkeit oder gar Doppelbödigkeit
der WEG-Legisten und Lobbyisten: Man tut so, als wäre die
ETü-Versammlung einer
WE-Gemeinschaft „das” Organ der Willensbildung und
verschweigt, dass in einem sehr hohen Prozentsatz – er liegt über
80 Prozent – dieses Organ neben dem Verwalter keine Rolle spielt. | § 24 WEG: Beschlussfassung
der ETü-Gemeinschaft |
Beschlüsse sind
nur wirksam, wenn zuvor allen WETü Gelegenheit zur Äußerung gegeben
wurde, was eine entsprechende Ladung voraussetzt. – Zulässig ist
neben der Beschlussfassung in der ETü-Versammlung auch der nicht
unproblematische und legistisch unstrukturierte Umlaufbeschluß. | Beschlüsse |
Abs 4 ordnet an,
dass sich die Stimmenmehrheit nach dem Verhältnis
der MitET-Anteile richtet. | Anteilsmehrheit |
Abs 5 regelt
das Zur-Kenntnisbringen gefasster Beschlüsse und Abs 6 die Beschlussanfechtung mit
einer ganz unzulänglichen, weil viel zu kurzen 1-monatigen Frist.
Das ist legistischer dolus eventualis. | Beschlussanfechtung |
§
25 WEG handelt von der ETü-Versammlung: Geregelt
werden ihre Einberufung durch den Verwalter, die nunmehr als Regelfall
endlich gesetzlich festgeschrieben wird. – Auf die zahlreichen legistischen
Unzulänglichkeiten kann hier nicht eingegangen werden; vgl nur §
25 Abs 1 letzter Satz. – Selbstverständlich hat der Verwalter auch
die „Protokollhoheit”, wofür nicht einmal Minimalerfordernisse festgelegt
wurden. | ETü-Versammlung |
§
26 WEG regelt erstmals die
Gemeinschaftsordnung. –
Auch dieses interessante Instrument der ETü-Gemeinschaft wurde mit
größtmöglicher Einfallslosigkeit geregelt. Kryptisches ist mit Unzureichendem
gepaart. Schade. | Gemeinschaftsordnung |
§
27 WEG normiert das die Haftung der WETü-Gemeinschaft etwas mildernde
gesetzliche Vorzugspfandrecht: Es war vorgeschlagen
worden, um der ursprünglich noch nachteiliger geregelten Haftung
der WETü wenigstens die Spitze zu nehmen. Zu mehr konnte sich der
Gesetzgeber wiederum nicht entschließen. | Vorzugspfandrecht |
10.
Liegenschaftsverwaltung:
§§ 28-34 WEG | |
Wie bisher
wird zwischen ordentlicher (§ 28) und außerordentlicher (§
29) Verwaltung unterschieden. In den Angelegenheiten der o.Verwaltung
– sie werden beispielhaft aufgezählt – entscheidet die Anteilsmehrheit.
Zu kompliziert – wie bisher – ist erneut die ao. Verwaltung geregelt. Wichtiges
Unterscheidungskriterium zur o.Verwaltung ist es, dass der Verwalter
solche Maßnahmen nicht ohne Mehrheitsbeschluß durchführen kann;
Abs 6: Man beachte die Formulierung. | o. und ao. Verwaltung |
§
30 WEG regelt die „Minderheitsrechte”: Auch hier
konnten sich die Gesetzesbastler zu keiner substantiellen Anreicherung
in die Richtung von Individual- oder echten Minderheitsrechten
entschließen. Was ließe sich aber nicht allein dadurch zum Besseren
wenden! – Die Bezeichnung ist zudem sprachlich unrichtig, denn im
Gesetz handelt es sich nicht um Minderheits-, sondern um Individualrechte. | Minderheitenrechte |
§
31 WEG: Rücklage – Die Rücklage war ursprünglich
für Aufwendungen einer angemessenen Erhaltung der Liegenschaft reserviert.
Diese sinnvolle Zweckbindung wurde 1993 beseitigt, und bei dieser
Verschlechterung ist es auch im neuen Gesetz geblieben. – Für die
Rücklage ist ein eigenes Konto einzurichten; sie
steht im Vermögen der ETü-Gemeinschaft. | Rücklage |
§
32 WEG: Aufteilung der Aufwendungen – Alle Aufwendungen
für die Liegenschaftsverwaltung sind von den WETü
nach ihren MitET-Anteilen zu tragen. (Das gilt nicht für die Kostenverteilung
der Errichtungskosten ! Hier sind Ungleichheiten
weiterhin zu dulden und können kaum erkannt werden. Welch Verständnis
und Vorschubleistung für Unseriösität!) – Abweichungen vom gesetzlichen
Aufteilungsschlüssel sind möglich. | Aufwendungen |
§
33 WEG: Verteilung der Erträgnisse – Abs 1 behandelt
systemwidrig die Erträgnisse aus einzelnen WE-Objekten im Rahmen
der Liegenschaftsverwaltung. – Wirft die Liegenschaft Erträgnisse
ab, stehen diese aber allen WETü nach deren Anteilen zu. Das mag
die Vermietung von Abstellplätzen, Werbeeinahmen für Reklameflächen
oder die Lieferung von Wärme aus dem eigenen Heizhaus betreffen. | Erträgnisse |
§
34 WEG: Abrechnung. | Abrechnung |
|
OGH 12. 7. 2000, z Ob 148/00s, SZ 73/115 = JBl 2001, 247:
OGH lässt erstaunlicherweise im Außenverhältnis Parallelverwaltung des
Mehrheitseigentümers gegen den nach WEG bestellten Verwalter zu; Rspr-Änderung. | |
|
11. Beendigung von
WE und Miteigentum: §§ 35, 36 WEG | |
12. Ausschließung
von Wohnungseigentümern: § 36 WEG | |
13. Schutz von WE-Werbern:
§§ 37-44 WEG | |
§ 38 WEG: RechtsunwirksameVereinbarungen; | |
§
39 WEG: Rücktritt des WE-Organisators; | |
§
40 WEG: Grundbücherliche Sicherung des WE-Werbers; | |
§
41 WEG: Zustimmung zur Nachfinanzierung; | |
§
42 WEG: Rangordnung für die beabsichtigte Einräumung von WE; | |
§
43 WEG: Klage auf Einverleibung des Eigentumsrechts; | |
§
44 WEG: Fortsetzung der Bauführung bei Insolvenz. | |
14. Vorläufiges
WE des Alleineigentümers: §§ 45-51 WEG | |
Problematisch ist ua die ungeschickt taxativ
gehaltene Aufzählung rechtsunwirksamer Festlegungen in § 49 WEG. | |
15. § 52 WEG: Rechtliches
Außerstreitverfahren | |
Leider konnte man sich nicht dazu entschließen,
nach dt Vorbild alle Streitigkeiten aus dem Bereich der Liegenschaftsverwaltung
ins Außerstreitverfahren zu verweisen. – Eine weitere versäumte
Chance. | |
Für den Bereich der Wohnrechtsgesetze (MRG, WEG, WGG etc)
wurde ein gemeinsames „Wohnrechtliches Außerstreitbegleitgesetz”
(JMZ 7.132/142-I 7/2003) beschlossen. | |
GdW-Informationen
| |
Über Probleme im Bereich „Wohnungseigentum”
informiert laufend die parteiunabhängige Schutzgemeinschaft „Gemeinschaft
der Wohnungseigentümer” mit den „GdW-Informationen”. Sie erscheinen
mehrmals jährlich. Gegen einen geringen Mitgliedsbeitrag erhalten
Sie diese Zeitschrift und können unentgeltlich die Beratungstermine
besuchen, die es auch in einigen Bundesländern gibt. – Postanschrift:
GdW, 1123 Wien, Postfach 7, E-Mail: dw.me@utanet.at, Homepage: www.gdw.at.
– Unabhängige Information in diesem Rechtsbereich ist immer von
Vorteil. Die Sprechstunden, werden in den GdW-Informationen angekündigt. |
| |
 | Abbildung 8.18: Anteil des WE am Gesamtwohnungsbestand |
|
VIII. Eigentum auf
Zeit – TNG 1997 | |
 | |
| |
Die österreichische Rspr
anerkennt diese Eigentumsform – so widersprüchlich dies auf den
ersten Blick vielleicht erscheinen mag – seit langem. | |
|
GlUNF 2227 (1903) Zeitlich beschränktes
Eigentum: Fideikommissarische Substitution in einer Schenkung
unter Lebenden; Vindikationsrecht des Substituten: Schenkung
einiger Grundstücke des Witwers M an seine Braut N mittels Notariatsakts
im Hinblick auf die beabsichtigte Heirat, die idF auch zustande
kam. Der Notariatsakt enthielt zusätzlich ua die Vereinbarung, dass
N die Grundstücke im Falle ihres Todes zu gleichen Teilen an die
beiden Söhne des M aus erster Ehe herauszugeben habe. Die Liegenschaften
sollten in der Familie des Mannes bleiben. – Der OGH anerkennt außerhalb
des Erbrechts (fideikommissarische Substitution!) ein „zeitlich
eingeschränktes Eigentum”. Dies uH auf die §§ 358, 468, 527, 1449
ABGB ua; sog betagtes Eigentum, dh „mit dem Eintritte des Endtermines
von selbst, ipso jure” erlöschendes Eigentum. | |
|
|
EvBl 1959/156: Schenkung
einer Liegenschaft (von den Eltern an die Tochter) mit
dem Zusatz, dass die Liegenschaft im Falle des Todes der Tochter
nicht an die Familie des Ehemanns fallen dürfe. | |
|
 | |
 | |
2. TeilzeitnutzungsG
/ TNG 1997 | |
Eine
Art Teilzeit(nutzungs)eigentum gewährt das Timesharing,
nunmehr geregelt im TNG. | |
Das Timesharing
ist eine bestimmte Vermarktungsmethode für Ferienwohnungen in Ferienanlagen
oder Hotels. Der Kunde erwirbt zB das Recht, eine Ferienwohnung
oder auch nur ein Hotelzimmer jedes Jahr zu einer bestimmten Zeit
zu benützen; etwa im September. Gesteigert wurde die Attraktivität
des Timesharing durch Tauschpools; Ferienwohnung in den österreichischen
Alpen wird mit einem Objekt in der Karibik „getauscht”. | |
In
Umsetzung der EU-RL 94/47 (zum Schutz der Erwerber
im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb
von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien) hat Österreich ein TeilzeitnutzungsG
(TNG, BGBl 1997/32) beschlossen, das Erwerber solcher Rechte schützen
soll, zumal in der Vergangenheit (weltweit) zahlreiche und vor allem
auch schwere Missbräuche aufgetreten sind. | |
Das
neue Gesetz gilt für Verträge, „mit denen ein Verbraucher von einem
Unternehmer (§ 1 KSchG) Teilnutzungsrechte” erwirbt; § 1 TNG. Ein
Teilnutzungsrecht ist das für „mindestens 3 Jahre eingeräumte dingliche
oder obligatorische Recht, ein Nutzungsobjekt wiederkehrend während
eines begrenzten Zeitraums zu Erholungs?, Freizeit- oder ähnlichen
Zwecken, zu benützen. Das Recht kann an einem bestimmten Nutzungsobjekt
oder in der Möglichkeit bestehen, aus mehreren Nutzungsobjekten
... auszuwählen.” – Die gewählte Rechtsform spielt für die Behandlung
als Teilnutzungsrecht keine Rolle; zB Miteigentum, Fruchtgenuss
an der Liegenschaft, Ausgabe von Aktien an ein (Ferien)Unternehmen,
Vereinslösung, Treuhandmodell, Miet- oder Beherberungsverträge.
– Für weitere Details ist das Gesetz zu konsultieren. | |
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Zu den inhaltlichen
Grenzen des Eigentums: | |
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SZ 61/220 = RZ 1989/102 (1988):
Fotoaufnahmen und idF Herstellung von Ansichtskarten der
Riegersburg – Der Eigentümer eines Gebäudes kann zwar das
Betreten seines Grundes – insbesondere zum Zweck des Fotografierens
– verbieten; er kann aber nicht verhindern, dass ein Dritter das
Gebäude von einem Nachbargrundstück aus fotografiert und diese Lichtbilder
durch Herstellen und Vertreiben von Ansichtskarten gewerblich verwertet.
Kläger = Gräfin P, Eigentümerin der Riegersburg, Beklagter = Fotograf
/ Kaufmann Kurt F. | |
Zur
(actio) Negatoria / Eigentumsfreiheitsklage: § 523 ABGB | |
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SZ 42/116 (1969): Zulässigkeit
der Unterlassungsklage gegen ein Bauunternehmen, wenn sich der Horizontalausleger und
das Gegengewicht eines von diesem Unternehmen aufgestellten Baukrans
im Luftraum über einem benachbarten Grundstück bewegen. | |
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EvBl 1982/93:
§ 523 ABGB: Mit der Negatorienklage kann aber auch
in Anspruch genommen werden, wer ihm mögliche (und zumutbare) Vorkehrungen
gegen Störungen unterlässt. Hier: Halter eines Kraftfahrzeugs, der
seinen Bediensteten nicht untersagt, ein fremdes (benachbartes)
Grundstück zu befahren. | |
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EvBl
1992/56: § 523 ABGB, §§ 422, 354, 362,
364 Abs 2 ABGB – Entfernung einer vom Nachbargrund aus wachsenden Kletterpflanze:
Steht die Mauer, an der sich eine Kletterpflanze (Veitschi) ihrer
Natur – und der Absicht des Grundeigentümer – entsprechend empor
rankt, im Eigentum des Grundnachbarn, dann kann dieser einen solchen
unberechtigten Eingriff in sein Eigentumsrecht mit Klage nach §
523 ABGB geltend machen und insbesondere die Entfernung der Pflanze
verlangen. | |
Zu
den Immissionen: | |
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EvBl 1983/82: § 364a ABGB(§
1325 ABGB): Behördlich genehmigt ist eine Anlage erst dann, wenn
die Genehmigung rechtskräftig ist. – § 364 Abs 2 ABGB gibt dem Eigentümer
des gefährdeten Besitzes keinen Anspruch auf Vornahme bestimmter
Sicherungsmaßnahmen. – Kein Schmerzengeld für belästigende Geruchsimmissionen.
(?) | |
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JBl 1985, 669: Windschaden
an Wald, dessen Randbäume im Rahmen von Straßenbauarbeiten
geschlägert wurden, wodurch der dahinter liegende Baumbestand dem
nächsten Unwetter zum Opfer fiel. – § 364 Abs 2, §§ 364a und 863
ABGB; § 14 Abs 2 ForstG: Die Beseitigung des Deckungsschutzes
gegen Wind für ein Waldgrundstück durch Rodungen auf dem Nachbargrundstück steht
einer Immission gleich. Windschäden durch Rodungen, die zwecks Errichtung
einer Straße vorgenommen werden, begründen einen Ausgleichsanspruch
analog § 364a ABGB. Nur genehmigungsbedürftige, doch nicht genehmigte Schlägerungen
unterfallen dem Schutzgesetz des § 14 Abs 2 ForstG. – Wer die Erhebung
von Ersatzansprüchen nur zur Kenntnis nimmt, anerkennt sie noch
nicht. Kläger = Geschädigter Eigentümer von Waldgrundstücken in
der Nachbarschaft der Straße; Beklagter = Bundesland, dem zum Ausbau
einer Landesstraße Rodungen in bestimmten Waldparzellen mit Bescheid
bewilligt wurden. | |
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Zum WEG
1975: | |
EvBl 1994/73: § 13 Abs 2 Z 1 (§
1 Abs 3) WEG – Zulässigkeit der Verbindung zweier Eigentumswohnungen mit
einer durch die Geschossdecke führenden Stiege? – Die zwischen zwei
Geschossen eingezogene Decke ist ein allgemeiner Teil des Hauses.
Zwei untereinander liegende Eigentumswohnungen, die mit einer durch
die Geschossdecke führenden Stiege verbunden werden sollen, sind
weder baulich abgeschlossen noch deutlich abgegrenzt. Durch eine
solche Veränderung werden schutzwürdige Interessen anderer Miteigentümer
beeinträchtigt. | |
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Zahnarzt
als Nachbar: Kein Preisnachlass. – Beim Kauf einer Eigentumswohnung
muss man laut OGH grundsätzlich damit rechnen, dass auch eine Arztordination
in der Nachbarschaft entstehen kann. Kläger = Käufer einer Neubauwohnung,
unter der eine Arztpraxis eingerichtet wurde; Beklagter = Verkäufer
der Wohnung. | |
Zum schlichten Miteigentum:
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EvBl
1994/142: § 833 ABGB (§ 835 ABGB; § 14
WEG; § 1 AußStrG; § 40a JN) – Durchsetzung eines Mehrheitsbeschlusses.
– Die Durchsetzung eines im Rahmen der ordentlichen Verwaltung zustande
gekommenen Mehrheitsbeschlusses erfordert die Beschreitung des streitigen
Rechtsweges, wenn sie der aktiven Mitwirkung der überstimmten Minderheit,
etwa der Abgabe einer nicht anders zu erlangenden Willenserklärung,
bedarf. Mangels einer Verweisungsnorm, nach der dies im außerstreitigen
Verfahren zu geschehen hätte, kann die Durchsetzung nur durch Klage
erzwungen werden. | |
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B. Eigentumsvorbehalt
und Sicherungsübereignung |
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I. Eigentumsvorbehalt
als Warensicherungsmittel | |
1. Gründe seiner
Beliebtheit | |
Der
Eigentumsvorbehalt ist ein beliebtes Mittel, um bei Kreditkäufen
über bewegliche Sachen den Verkäufer dinglich zu sichern. Praktisch
spielt der Eigentumsvorbehalt im Zusammenhang mit dem Abzahlungsgeschäft
(§§ 16 ff KSchG → KAPITEL 2: Das Abzahlungsgeschäft) eine wichtige Rolle. Seine weite Verbreitung
rührt daher, dass er die verschieden gelagerten Erwartungen von
Verkäufer und Käufer rechtlich in geradezu idealer Weise verbindet:
Der Käufer kann die Sache nutzen und wird – was oft nicht gesehen
wird – auch hinreichend gegen den Verkäufer (und dessen Gläubiger)
geschützt. Der Verkäufer bleibt trotz Übergabe des Kaufgegenstands
(bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises) Eigentümer der
Sache / Ware und sichert so seine Kaufpreisforderung gegen den Käufer
(insbesondere dessen Zahlungsverzug oder Zahlungsunfähigkeit) und
seine Gläubiger optimal ab. Der Eigentumsvorbehalt fördert den Absatz
des Verkäufers, ohne damit ein nennenswertes Risiko zu verbinden.
Der Eigentumsvorbehalt ist bei uns das effizienteste Warensicherungsmittel
der Wirtschaft. Er kann nur an beweglichen Sachen begründet werden. | Kreditkäufe |
Rechtshistorisch
hat sich der Eigentumsvorbehalt erst spät, nämlich am Ende des 19.
Jhs. entwickelt; Vorformen existierten aber schon bei den alten
Griechen, wo das Eigentum erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung
überging, was von den Römern übernommen wurde. – Der Eigentumsvorbehalt
setzt wirtschaftlich einen intensivierten Warenabsatz und ein damit
verbundenes Sicherungsbedürfnis voraus. Dieses
Sicherungsbedürfnis bestand aber auch schon in den frühen Rechtsordnungen
Griechenlands und Roms. Das antike Recht schob daher ebenfalls den endgültigen
Rechtserwerb am Kaufgegenstand bis zur Kaufpreiszahlung hinaus. | Rechtsgeschichte |
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2. Keine gesetzliche
Regelung | |
Der
Eigentumsvorbehalt ist in Österreich (anders als in Deutschland)
gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Er beruht vielmehr auf Judikaturgewohnheitsrecht,
das sich formell auf § 1063 ABGB stützt: Kreditkauf / Kauf auf Borg.
Manche Gesetze setzen das Rechtsinstitut Eigentumsvorbehalt aber
voraus (vgl § 24 Abs 1 Z 9 KSchG), was als Indiz für die Anerkennung
von bestehendem Gewohnheitsrecht durch den Gesetzgeber angesehen
werden kann. | Judikaturgewohnheitsrecht |
Eine ausdrückliche Regelung des Eigentumsvorbehalts
trifft § 449 dtBGB, und diese Vorschrift diente der österreichischen
Rspr und Lehre als (Analogie)Vorbild. | |
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§ 449 dtBGB | |
Hat sich der Verkäufer einer beweglichen Sache
das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist
im Zweifel anzunehmen, dass die Übertragung des Eigentums unter
Zahlung des Kaufpreises erfolgt und dass der Verkäufer zum Rücktritte
von dem Vertrag berechtigt ist, wenn der Käufer mit der Zahlung
in Verzug kommt. | |
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3. Der
Eigentumsvorbehalt braucht eine Vereinbarung | |
Grundsätzlich braucht
es heute für die Begründung eines Eigentumsvorbehalts eine (vertragliche) Vereinbarung
beider Kaufvertragsparteien, zumal § 1063 ABGB für den Kreditkauf
die gegenteilige Regel normiert: Wird nämlich der Kaufgegenstand
dem Käufer ohne das Kaufgeld zu erhalten vom Verkäufer übergeben,
geht das Eigentum an demselben „gleich auf den Käufer über” und
die Sache ist „auf Borg” (dh auf Kredit) verkauft. | |
Eigentumsvorbehalte
werden häufig mit AGB vereinbart. Werden AGB (pauschal)
akzeptiert, wird dadurch auch ein darin enthaltener Eigentumsvorbehalt
toleriert! Das widerspricht nicht der Forderung, dass der Eigentumsvorbehalt
vereinbart werden muss. – Ungültig wäre es dagegen, wenn ein Vertrag
ohne Eigentumsvorbehaltsregelung abgeschlossen wurde und erst nachträglich
(einseitig) auf den Lieferschein oder die Rechnung gesetzt
wird, wie dies in der Praxis vorkommt. | Häufig in AGB vereinbart |
Zum sog einseitigen Eigentumsvorbehalt
im Rahmen eines Zug-um-Zug-Leistungsaustauschs: Gschnitzer, SchRBesT
44 (19882) sowie SchRAT (19912)
und vor allem Sachenrecht 103 (19852). Gültig
erscheint eine Erklärung, sich am Kaufgegenstand das Eigentum einseitig
vorzubehalten dann, wenn ein Zug-um-Zug-Leistungsaustausch vereinbart
war und der Warenschuldner (= Verkäufer) seine Lieferung unter den
Vorbehalt stellt, dass er sich das Eigentum für den Fall vorbehält, dass
der Warengläubiger (= Käufer) nicht ebenfalls Zug um Zug leistet.
Das kann gültig auch noch am Lieferschein vermerkt werden; ein nachträglicher
Hinweis (also nach erfolgtem Leistungsaustausch) auf einer Rechnung
käme aber auch hier zu spät. | Einseitiger
Eigentumsvorbehalt? |
Zu dieser Lösung haben (neben der angeführten
Gschnitzer-Neubearbeitung) mit ganz unterschiedlicher Zielsetzung Spielbüchler,
Frotz und F. Bydlinski beigetragen; vgl etwa F. Bydlinski, Die rechtsgeschäftliche
Voraussetzung der Eigentumsübertragung nach österreichischem Recht,
in: FS Larenz 1027 (1973). Bisher wurde diese Lösung auf das funktionelle
Synallagma ( → KAPITEL 2: Gegenseitige
Pflichten aus dem Kaufvertrag ¿ Das Synallagma) gestützt. ME sollte aber schon beim genetischen
Synallagma angesetzt werden, zumal dann, wenn zwischen den Kaufvertragsparteien
nichts anderes vereinbart wurde, ein Zug-um-Zug-Leistungsaustausch
als vereinbart gilt und diese Vereinbarung des Titelgeschäfts durch
einen nachträglichen einseitigen Eigentumsvorbehalt (nur) gesichert
werden soll. Ein Kreditkauf iSd § 1063 ABGB ist dann eben nicht
gewollt und der Eigentumsvorbehalt betont bloß die rechtliche Relevanz
des Zug-um-Zug-Prinzips. – Die Rspr hat zu dieser „Frage” bislang
aber noch nicht Stellung bezogen. | |
4. Eigentumsübergang:
„bedingt” aufgeschoben | |
Der
Eigentumsvorbehalt stellt die Übertragung des Eigentums unter die aufschiebende Bedingung ( → KAPITEL 13: Aufschiebende
und
auflösende Bedingung) vollständiger
Kaufpreiszahlung. Gerät der Käufer in (Schuldner)Verzug,
kann der Verkäufer (als Gläubiger) vom Vertrag zurücktreten, wobei
die Praxis für den Rücktritt das schlichte Zurückfordern
des Kaufgegenstandes genügen lässt. – Der Verkäufer kann aber (trotz
Käuferverzugs) auch an der Vertragserfüllung festhalten, was meist
im eigenen Interesse des Verkäufers liegt und daher häufig geschieht. | |
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5. Schutz
der Verkäuferinteressen | |
Der
Eigentumsvorbehalt sichert primär die Interessen des Verkäufers
gegen den Käufer (und dessen Gläubiger): | Rechtsstellung des Verkäufers |
• sei es für den Fall
des Käuferverzugs (Rücktritt → KAPITEL 7: Der
Schuldnerverzug); | |
•
sei es um sich
gegen Exekutionen von Gläubigern des Käufers zu
schützen (§ 37 EO: Widerspruchs- oder Exszindierungsklage); | |
•
sei es, um im Falle des Konkurses oder Ausgleichs des
Käufers (§ 44 KO und §§ 11, 21 AO) ein Aussonderungsrecht geltend
zu machen. | |
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§ 37 EO | |
(1) Gegen die Execution kann auch von einer
dritten Person Widerspruch erhoben werden, wenn
dieselbe an einem durch die Execution betroffenen Gegenstande, an
einem Teile eines solchen oder an einzelnen Gegenständen des Zubehöres
einer in Execution gezogenen Liegenschaft ein Recht behauptet, welches
die Vornahme der Execution unzulässig machen würde. | |
(2) Ein solcher Widerspruch ist mittels Klage geltend
zu machen; die Klage kann zugleich gegen den betreibenden Gläubiger
und gegen den Verpflichteten gerichtet werden, welche in diesem
Falle als Streitgenossen zu behandeln sind. | |
(3) Für diese Klage ist, je nachdem sie vor
oder nach Beginn des Executionsvollzuges angebracht wird, das Gericht,
bei dem die Bewilligung der Execution in erster Instanz beantragt
wurde, oder das Executionsgericht zuständig. | |
(4) Wenn der Klage rechtskräftig stattgegeben
wird, ist die Execution einzustellen. | |
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§ 44 KO | |
(1) Befinden sich in der Konkursmasse Sachen,
die dem Gemeinschuldner ganz oder zum Teile nicht gehören, so ist
das dingliche oder persönliche Recht auf Aussonderung nach
den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen. | |
(2) Ist eine solche Sache nach der Konkurseröffnung
veräußert worden, so kann der Berechtigte, unbeschadet weitergehender
Ersatzansprüche, die Aussonderung des bereits geleisteten Entgeltes
aus der Masse, wenn aber das Entgelt noch nicht geleistet worden
ist, die Abtretung des Rechtes auf das ausstehende Entgelt verlangen. | |
(3) Sind dem Gemeinschuldner oder dem Masseverwalter
Auslagen zu vergüten, die für die zurückzustellende Sache oder zur
Erzielung des Entgeltes aufgewendet worden sind, so sind sie vom
Aussonderungsberechtigten Zug um Zug zu ersetzen. | |
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„Aussondern“ heißt, die Sache selbst, also zB den unter
Eigentumsvorbehalt verkauften Pkw-Kombi, zurücknehmen zu dürfen. | |
Natürlich ist ein Kfz, das vom Händler an
den Kunden übergeben wurde, sofort weniger wert; aber es bleiben
zB immer noch von den 15.000 ı (Kaufpreis), 12.500 ı über! Das ist
wirtschaftlich immer noch sehr viel! | |
Nicht
zu verwechseln mit dem Aus-sonderungsrecht, ist das „Ab-sonderungsrecht“,
das bspw ein Pfandrecht (dem Pfandgläubiger) gewährt. Gemeint ist
damit das Recht bevorzugter Befriedigung aus der (Pfand)Sache bei
Exekution oder Insolvenz. Aber man erhält dabei nicht die Sache
selbst zurück! Vielmehr wird die Sache versteigert und der Pfandgläubiger
aus dem Erlös bevorzugt, dh vor allen anderen Gläubigern befriedigt!
Dazu auch → KAPITEL 19: Absonderungsansprüche. | |
Wird das
Vorbehaltsgut versehentlich zum Vorteil eines Dritten verwendet
– etwa im Rahmen einer Exekutionsführung oder eines Insolvenzverfahrens
– steht dem Verkäufer zur Wahrung seiner Interessen ein Verwendungsanspruch nach
§ 1041 ABGB ( → KAPITEL 5: Verwendungsansprüche) gegen den betreibenden Gläubiger, die
„Masse” oder allfällige befriedigte Gläubiger zu; SZ 57/192 (1984). Allein
ein solcher Anspruch ist kein dinglicher, sondern bloß ein obligatorischer. | |
6. ... aber auch
der Käuferinteressen | |
Der
Eigentumsvorbehalt sichert aber auch – gleichsam spiegelbildlich
– die berechtigten Interessen der Käuferseite gegenüber dem Verkäufer
(und dessen Gläubigern). – Die Rspr gewährt dem Vorbehaltskäufer
eine analoge Rechtsstellung zu jener des Verkäufers; also Exszindierung bei
Exekutionen auf das Vorbehaltsgut, Aussonderung in
Konkurs und Ausgleich. Darüber hinaus genießt der Vorbehaltskäufer
als Rechtsbesitzer Besitzschutz, zumal er ein Recht
auf Nutzung des Vorbehaltsguts erworben hat, obwohl er noch nicht
Eigentümer geworden ist. | Spiegelbildlicher Rechtsschutz |
7. Rechtsstellung
des Vorbehaltskäufers | |
Während der Zeit der Kreditierung
des Kaufpreises hat der Käufer ein dingliches Anwartschaftsrecht
( → KAPITEL 6: Vorvertrag
<-> Anwartschaftsverträge: Vorvertrag <-> Anwartschaftsverträge),
das, wie andere unter einer aufschiebenden Bedingung zugesagte Rechte,
bereits vererblich ist. – Gleichzeitig ist der Käufer – wie erwähnt
– Rechtsbesitzer. | Dingliches
Anwartschaftsrecht |
Die Gefahr
(des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung
des Vorbehaltsgutes) trägt ab Übergabe der (Vorbehalts)Käufer. Nur
er kann (ab Übergabe) die Sache vor Schaden bewahren. – Der Käufer
hat das Vorbehaltsgut daher ab Übergabe sorgfältig zu behandeln,
zumal es noch nicht sein Eigentum ist. | Gefahrtragung |
Allfällige Schadenersatzansprüche (zB gekauftes Auto wird
von Drittem beschädigt) stehen aber Verkäufer und Käufer gemeinsam
zu; beide Vertragsparteien haben nämlich ein rechtliches Interesse
an der Reparatur des Vorbehaltsgutes; SZ 52/63 (1979) im Gegensatz
zur früheren Rspr. | |
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 | Abbildung 8.19: Eigentumsvorbehalt (1) |
|
 | Abbildung 8.20: Eigentumsvorbehalt (2) |
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 | Abbildung 8.21: Eigentumsvorbehalt (3) |
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 | Abbildung 8.22: Eigentumsvorbehalt (4) |
|
 | Abbildung 8.23: Eigentumsvorbehalt (5) |
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 | Abbildung 8.24: Eigentumsvorbehalt (6) |
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8. Strafrechtliche
Konsequenzen | |
Beschädigt
der Käufer vorsätzlich das Vorbehaltsgut, begeht er Sachbeschädigung (§
125 StGB), veräußert er es unerlaubt (dh ohne Verkäuferzustimmung),
ist das Veruntreuung iSd § 133 StGB. – Als bloßer
Rechtsbesitzer und dinglicher Anwartschaftsberechtigter steht ihm
nämlich noch kein Verfügungsrecht (iSd § 354 ABGB) über das Vorbehaltsgut
zu. | |
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 | Abbildung 8.25: Formen des Eigentumsvorbehalts/ETV |
|
9. Arten des Eigentumsvorbehalts | |
Verlängerungsformen für Verarbeitung und Weiterveräußerung
| |
Vorauszuschicken ist der Hinweis, dass mangels gesetzlicher
Regelung des Eigentumsvorbehalts nicht einmal die Begriffe / Termini
bezüglich der verschiedenen Arten des Eigentumsvorbehalts einheitlich
verwendet werden, worauf demnach zu achten ist. | |
 | Abbildung 8.26: Verlängerter ETV: Verarbeitungsklausel |
|
Er spielt eine Rolle, wenn der Käufer Waren kauft, die er
idF weiterverarbeitet; zB ein Kühlschrankerzeuger
kauft Bleche oder eine Großschneiderei indische Seidenstoffe, um
daraus Blusen zu fertigen. – „ Verlängerter Eigentumsvorbehalt”
heißt diese Form deshalb, weil die Eigentümerposition des Lieferanten
/ Verkäufers gleichsam dadurch verlängert wird, indem sie auch den Verarbeitungsvorgang
überdauert. Der Lieferant der Seidenstoffe erhält nämlich an den
hergestellten Blusen zwar nicht Allein-, wohl aber Mit eigentum
(im Anteil des Wertes der von ihm gelieferten Stoffe am Endprodukt).
Dieses am Endprodukt entstehende Miteigentum des Lieferanten stellt
für ihn eine wichtige dingliche Sicherung dar. Das zeigt sich etwa
beim Konkurs des Käufers (wie zB der Großschneiderei) in SZ 49/138
(1976): Der Verkäufer kann als Miteigentümer aussondern,
erhält also entsprechend dem Wert seiner Lieferung eine bestimmte
Anzahl fertiger Produkte, etwa Seidenblusen ausgehändigt. Als schlichter
Konkursgläubiger ( → KAPITEL 19: Konkursforderungen
¿ Konkursquote)
erhielte er idR wesentlich weniger. | Verlängerter
Eigentumsvorbehalt |
Wir können aus solchen Rechtsfiguren anschaulich
das Zusammenwirken von Recht und Wirtschaft erkennen. Das
Recht – Rspr und Schrifttum – versucht, hier sogar ohne gesetzliche
Grundlage (!), der Wirtschaft sachgerechte Lösungen zu bieten. –
Die neue Lösung des OGH stammt aus dem Jahre 1976. Früher vertrat
unser Höchstgericht – anders als in Deutschland – die Meinung, dass
das Eigentum des Lieferanten mit Verarbeitung trotz eines allenfalls vereinbarten
Eigentumsvorbehalts erlischt. Der OGH schloss sich in der genannten
E der deutschen Praxis an. | Zusammenwirken von Recht und
Wirtschaft |
Dieser verlängerte Eigentumsvorbehalt
hatte einen Vorläufer aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, wo auf
Grund des Wirtschaftlichen ErmächtigungsG 1917,
RGBl 307 eine Vollzugsanweisung (~ VO; 1920, StGBl 320, zeitlich begrenzt
bis Ende 1925) erlassen worden war, die eine Sonderregelung für
die Begründung von Eigentumsvorbehalten an ausländischen Rohstoffen
vorsah. Der wirtschaftliche Hintergrund lag im Rohstoff- und Kapitalmangel
am Ende und nach dem 1. Weltkrieg. Diese damals neue Form des Eigentumsvorbehalts
ermöglichte die Kreditierung des Kaufpreises (Liegenschaftskredit → KAPITEL 3: Der
Kredit(eröffnungs)vertrag)
und zeitigte nach seiner Registrierung (!) Wirkungen nicht nur für
die Zeit der Verarbeitung, sondern auch am Fertigprodukt; am Endprodukt
entstand Miteigentum (im Normalfall zwischen Lieferant und Produzent)
sowie ein Exekutions- und Konkursschutz. Mehr bei H. Klang, GZ 1920,
Nr 45-48, S. 241. | Wirtschaftliches
ErmächtigungsG 1917 |
Die folgenden Folien stellen den offen weitergeleiteten
Eigentumsvorbehalt sowie die Vorausabtretungs- und die Erlösklausel
dar: | |
 | Abbildung 8.27: Offen weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt |
|
 | Abbildung 8.28: ETV: Vorausabtretungsklausel |
|
 | Abbildung 8.29: ETV: Erlösklausel |
|
Praktische
Anwendung der Erlös- und Vorausabtretungsklausel: Die öRspr hat
sich bislang mit den vielfältigen Formen des Eigentumsvorbehalts
noch kaum detailliert auseinandergesetzt, in Deutschland sind sie
gelebte Praxis. – Ein zusätzliches Problem stellt die allenthalben
feststellbare unterschiedliche Begriffsbildung dar; auch sie wäre
EU-einheitlich zu gestalten. | Erlös- und
Vorausabtretungsklausel |
|
BGHZ 26/178: Der zugunsten eines
Lieferanten von Baustoffen vereinbarte [verlängerte! Man beachte
die andere Terminologie] Eigentumsvorbehalt ... erstreckt sich auch
auf den Vergütungsanspruch (= Erlös) des Bauunternehmers, der unter
Verwendung der ihm unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Baustoffe
ein Gebäude errichtet. | |
|
 | |
Überlege: Wie könnte sich der Lieferant
der Baustoffe absichern, wenn er den Liefervertrag direkt mit dem
Bauherrn (= Liegenschaftseigentümer) schließt? | |
Hier sind zu
nennen: | Andere
Erweiterungsformen des ETV |
• der Kontokorrent- oder Saldovorbehalt und
der | |
•
Konzernvorbehalt, der den
ETV auf Konzernforderungen ausdehnt. | |
 | Abbildung 8.30: ETV-Erweiterungsformen: Überblick |
|
 | Abbildung 8.31: ETV-Erweiterungsformen (1) |
|
 | Abbildung 8.32: ETV-Erweiterungsformen (2) |
|
10. Der Eigentumsvorbehalt
im internationalen Handel | |
 | Abbildung 8.33: ETV braucht EU-Lösung |
|
 | Abbildung 8.34: ETV im internationalen Handel (1) |
|
 | Abbildung 8.35: ETV im internationalen Handel (2) |
|
 | Abbildung 8.36: ETV im internationalen Handel (3) |
|
II. Die
Sicherungsübereignung | |
Typischer Fall: Der Kaufmann A braucht Geld
und wendet sich an die Bank B. Diese ist zu einem Kredit / Darlehen bereit,
wenn entsprechende Sicherheit geleistet wird. A bietet sein wertvolles
Warenlager an und ist bereit, daran der Bank (Sicherungs)Eigentum
zu übertragen; vgl § 428 ABGB: Übergabe durch Erklärung – Besitzkonstitut → KAPITEL 2: Übergabe
durch Erklärung.
Natürlich ist A geschäftlich weiterhin auf sein Warenlager angewiesen,
das demnach Abgänge wie Zugänge verzeichnen wird. – Kann nun A,
als Kreditnehmer, der Bank B sein Eigentum am Warenlager bloß zu
Sicherungszwecken rechtsgültig übertragen und dennoch – gleichzeitig
– Innehabung und Nutzung samt Verfügungsberechtigung daran behalten? | |
1. Sicherungsübereignung:
Form der Treuhand | |
Wie schon der
Begriff ausdrückt, überträgt bei der Sicherungsübereignung der Schuldner
(= Sicherungsgeber) an den Gläubiger (= Sicherungsnehmer!)
Eigentum bloß zu Sicherungszwecken, worin eine Form der Treuhand
( → KAPITEL 15: Die Treuhand) liegt. – Damit soll erreicht werden, dass
das Rechtsinstitut der Eigentumsübertragung jene
Dienste leistet, die sonst dem Pfandrecht vorbehalten
sind. Gesichert werden soll durch die mit der Sicherungsübereignung
bewirkte (formelle) Eigentumsübertragung eine Forderung des Gläubigers
gegen seinen Schuldner. – Unternommen wurde dieser Versuch freilich
deshalb, um durch den gewählten Weg der Eigentumsübertragung, den
strengeren Pfandbegründungsregeln auszuweichen, sie zu umgehen → KAPITEL 15: Allgemeines
zum Pfandrecht. | |
2. Unzulässigkeit
der Sicherungsübereignung | |
In der bisher geschilderten Form
wird daher in Österreich die Sicherungsübereignung von der Rspr –
zu recht – nicht geduldet, weil eine solche Vorgangsweise das Faustpfandprinzip umgeht → KAPITEL 2: Die
rechtliche Erwerbungsart: Modus traditio.
– Zulässig ist die Sicherungsübereignung aber dann, wenn sie den
pfandrechtlichen Publizitätserfordernissen entspricht; dh: alle
anderen Formen der Übergabe durch Erklärung des § 428 ABGB können
gewählt werden, nur nicht das Besitzkonstitut! Damit ist aber die
Sicherungsübereignung für die Rechts- und Wirtschaftspraxis uninteressant,
weil dann gleich ein Pfandrecht bestellt werden kann. | Umgehung
des Faustpfandprinzips |
|
RZ 1962, 38: Besitzkonstitut genügt
nicht zur Begründung von Sicherungseigentum an einem Lkw. Gefordert
wird eine Gewahrsamsänderung; Corpus-Element! Die Klage auf Geltendmachung
eines Absonderungsrechts am Lkw wurde daher abgewiesen. | |
|
|
RdW 1985, 337: Die Sicherungsübereignung
eines Warenlagers wird nur wirksam, wenn das gesamte Warenlager
dem Zugriff der Übereignenden entzogen wird, wie dies etwa durch
Übergabe aller Schlüssel oder Bestellung eines Pfandhalters erreicht
werden kann. | |
|
|
Vgl auch
den Sachverhalt von JBl 2002, 583:
Ungültige Sicherungsübereignung eines Firmen-Lkw an eine
Bank → KAPITEL 10: Die
Sachverständigenhaftung: §§ 1299, 1300 ABGB. | |
|
Dem Kreditgeber als
Sicherungsnehmer kommt bei (gültiger) Sicherungsübereignung die
Stellung eines Pfandgläubigers zu; dh im Konkurs oder Ausgleich
des Kreditnehmers (= Sicherungsgeber) steht ihm ein Absonderungsrecht zu → Schutz
der Verkäuferinteressen –
Bei (Einzel)Exekutionen Dritter auf das Sicherungsgut (hier zB das
Warenlager), gewährt die Rspr dem Kreditgeber sogar eine Exszindierungsmöglichkeit;
§ 37 EO. | Absonderung
und
Exszindierung |
In
Deutschland wird die Sicherungsübereignung (unter Berufung auf §
930 dtBGB: Besitzkonstitut) zugelassen, obwohl die hA Treuhandeigentum
für nicht vereinbar mit der das Eigentum auszeichnenden Verknüpfung
von Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis ansieht. – Es ist
fraglich, ob die bisher gefestigte und begründete österreichische
Praxis den EU-Beitritt sehr lange überleben wird. Ein allfälliger
Kompromiss für ein künftiges europäisches Privatrecht könnte darin
bestehen, für die Sicherungsübereignung eine effiziente Registrierung
und allfällige Kontrollrechte des Gläubigers zu verlangen. | Rechtsvergleich |
III. Was
bedeutet dingliche Sicherheit? | |
Neben der hier
angesprochen dinglichen Sicherheit hat das Rechts- und Wirtschaftsleben
auch zahlreiche obligatorisch / schuldrechtlich wirkende Sicherheiten
(zB Akkreditiv, Bankgarantie, Kontokorrentvorbehalte (§ 355 HGB),
Bürgschaft oder die Ausstellung eines Wechsels usw) entwickelt;
zu diesen Rechtsinstituten → KAPITEL 15: Sicherungsmittel
iwS. | |
Will sich ein Gläubiger
aber nicht mit der persönlichen Haftung seines
Schuldners begnügen, dringt er idR auf zusätzliche dingliche
Sicherheit; dh, dass der Schuldner seinem Gläubiger an Sachen,
die in seinem Eigentum stehen, dingliche Rechte einräumt,
welche die Forderung des Gläubigers zusätzlich –
also neben (!) der persönlichen Haftung und über
diese hinaus – sichern. Das kann ein Eigentumsvorbehalt sein oder
ein Pfandrecht, und hier wiederum Faustpfand oder Hypothek; alle → KAPITEL 15: Das
Pfandrecht. | Persönliche
Haftung und dingliche Sicherheit |
1. Charakteristika
und Vorteile dinglicher Sicherheit | |
Warum wird dinglich gesichert? – Worin liegen
die rechtlichen und wirtschaftlichen Vorteile einer dinglichen Sicherung
für den Gläubiger? | |
•
Zunächst: Ein Schuldner kann die Sache
(die seinem Gläubiger als dingliche Sicherheit dient) nicht mehr
ohne Zustimmung des Gläubigers veräußern; bei bloßer
persönlicher Haftung ist dies aber weiterhin möglich. | Erhöhter
Gläubigerschutz |
| |
•
Die dingliche Rechtsposition
verleiht dem Gläubiger einen rechtlichen Vorrang (Priorität) vor anderen
– nicht dinglich gesicherten – Gläubigern; zwischen mehreren dinglich
gesicherten gilt wiederum das Prioritätsprinzip. – Man weiß daher,
woran man ist; dh man erlangt höhere Rechtssicherheit und bessere
Kalkulierbarkeit des Risikos. | |
•
Dingliche Sicherheit
gewährt vor allem bei Exekution, Konkurs, und Ausgleich erhöhte Sicherheit;
nämlich Exszindierungs- (EO), Aus-sonderungs-
(Eigentumsvorbehalt) oder doch Ab-sonderungsrechte
(bei Pfandrecht und Retentionsrecht) → KAPITEL 19: Absonderungsansprüche. | |
•
Beim Pfandrecht kommt
noch dazu, dass aufgrund des streng praktizierten Faustpfandprinzips der
Pfandgläubiger idR in den Besitz der beweglichen Pfandsache gelangt,
und diese dadurch auch vor Schaden etc bewahren kann. Aber auch
beim Liegenschaftspfand steht dem Pfandgläubiger gegen Übergriffe
des Pfandschuldners (insbesondere Verschlechterungen des Pfandobjekts) die
sog Devastationsklage zu → KAPITEL 15: Devastationsanspruch. | |
 | Abbildung 8.37: Was bedeutet dingliche Sicherheit (1) |
|
2. Was zählt zu
den dinglichen Sicherungsmitteln? | |
Zu den herkömmlichen dinglichen Sicherungsmitteln zählen: | |
•
Eigentumsvorbehalt /
Sicherungsübereignung | |
•
Pfandrecht: Faustpfand, Hypothek → KAPITEL 15: Das
Pfandrecht. | |
•
Mit Vorbehalt
kann hier auch das Zurückbehaltungsrecht / Retentionsrecht
(§ 471 ABGB) genannt werden → KAPITEL 15: Das
Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB. | |
•
Zur Verpfändung
von Forderung(srecht)en
→ KAPITEL 15: Verpfändung
und Pfändung von Forderungen oder Rechten.
– Die Sicherungsabtretung von Forderungen gewährt
kein dingliches Recht. Sie ist nur das schuldrechtliche
Pendant zur Sicherungsübereignung → KAPITEL 14: Sicherungszession.
– Zum leicht irritierenden Begriff des „Eigentums” an Forderungen → Eigentum
an (Forderungs)Rechten?
| |
Neue
Möglichkeiten für dingliche Sicherheiten böte der EDV-Einsatz; so
könnten bspw neue Registerpfandrechte geschaffen
werden, etwa für Kraftfahrzeuge. – Auch Eigentumsvorbehalte könnten,
ja sollten EU-weit geregelt und registriert werden udglm. Rechtspolitische
Überlegungen sind hier überfällig. | Registerpfandrechte |
C. Gutglaubenserwerb
und Doppelverkauf |
I. Gutgläubiger
Eigentumserwerb | |
1. Der Problemhintergrund
des § 367 ABGB | |
Üblicherweise
wird Eigentum derivativ, dh von einem (berechtigten) Vormann, erworben.
§ 423 ABGB spricht von „Sachen, die schon einen Eigentümer haben”.
So wird zB das Eigentumsrecht einer Käuferin unmittelbar vom Veräußerer
/ Verkäufer, der idR Eigentümer ist, abgeleitet. Dabei gilt – wie
wir schon wissen – der Grundsatz, dass niemand mehr Recht übertragen
kann, als er selbst hat: Nemo plus iuris transferre potest, quam
ipse habet. | Nemo
plus iuris transferre potest, quam ipse habet |
Damit lässt sich das Problem des Gutglaubenserwerbs
(vom Nichteigentümer) aber nicht lösen, denn es gibt Fälle, und
nur diese will § 367 ABGB regeln, dass jemand zB von einem Antiquitäten- oder
Autohändler oder auch einer Privatperson etwas kauft, und zwar im
guten Glauben, dass diese Personen Eigentümer des Kaufgegenstands
oder doch wenigstens darüber verfügungsberechtigt sind, was sich
aber nachträglich als falsch herausstellt. Der Händler verkauft
zB wissentlich gestohlene Ware und ist / wurde daher selbst gar
nicht Eigentümer! Oder eine Privatperson verkauft die ihr anvertraute
Sache, etwa das geliehene Fahrrad. – Kann in so einem Fall zB der
hehlerische Händler dennoch an gutgläubige Kunden Eigentum übertragen?
Und warum soll das so sein? | Typische
Fälle |
2. § 367 ABGB als
Ausnahme von § 366 ABGB | |
Das ABGB behandelt den Gutglaubenserwerb
des § 367 legistisch als Ausnahmefall der unmittelbar vorangehenden
Eigentumsklage des § 366 ABGB. – Es ist also kein Zufall, dass §
367 unmittelbar im Anschluss an die Eigentumsentziehungsklage des
§ 366 ABGB anschliesst. | Ausnahme
von
§ 366 ABGB |
|
§ 367 ABGB | |
Die Eigentumsklage [gemeint ist zB die eines
Eigentümers, dem die Sache gestohlen wurde!] findet gegen den redlichen
Besitzer einer beweglichen Sache nicht statt, wenn er beweist, dass
.... In diesen Fällen wird von den redlichen Besitzern das Eigentum
erworben, und dem vorigen Eigentümer [dem zB die Sache gestohlen
wurde] steht nur gegen jene, die ihm dafür verantwortlich sind [=
zB den Dieb und seinen Hehler = Antiquitätenhändler], das Recht
der Schadloshaltung zu. | |
|
 | |
3. Einschneidende
Rechtsfolge: Verkehrsschutz | |
Die Rechtsfolge des § 367 ABGB ist
einschneidend! Der bspw bestohlene (= frühere) Eigentümer verliert
sein Eigentum (zB am gestohlenen Familienbild oder Teppich), wenn
der Erwerber (= Käufer) die gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere
auch die der Gutgläubigkeit erfüllt. – Diese harte Sanktion wird
vom Gesetz nur deshalb angeordnet, weil der Gesetzgeber den rechtsgeschäftlichen
Verkehr auf eine sichere Grundlage stellen wollte; Verkehrs-
und Vertrauensschutz. Man muss sich darauf verlassen
können, dass Eigentum erlangt wird, wenn man zB von einem Kfz-Händler,
also einem befugten „Gewerbsmann”, in gutem Glauben ein Kraftfahrzeug
oder aus einer öffentlichen Versteigerung Gegenstände erwirbt. Die
Erwartungen des Publikums dürfen trotz möglicher „Unregelmäßigkeiten”
nicht enttäuscht werden. – Nur diese wirtschaftlich orientierten rechtlichen
Verkehrsschutzüberlegungen rechtfertigen die harte und – zunächst
vielleicht – ungerecht erscheinende Rechtsfolge des Eigentumsverlustes
des früheren Eigentümers; in unserem Beispiel des Bestohlenen. | Verkehrsschutz
bewirkt ET-Verlust |
Solche Überlegungen können in der Kodifikationsgeschichte
bis zum Codex Theresianus zurückverfolgt werden. | |
Moderne Wirtschaftsordnungen
verlangen von der Rechtsordnung, dass im Interesse von Verkehrssicherheit und Vertrauensschutz stärker
auf äußere Erscheinungsformen von Rechtsverhältnissen Bedacht genommen
wird und nicht so sehr auf innere Zustände oder Vorgänge, die nicht
unmittelbar einsichtig sind. Das wird noch dadurch verstärkt, dass
der Handels- und Wirtschaftsverkehr auf rasche und verlässliche
Geschäftsabwicklung angewiesen ist. Vgl dazu die Begründung in SZ
2/14 (1920): Pferdediebstahl → Entscheidungsbeispiele
| |
4. Gesetzliche
Voraussetzungen | |
Gutgläubiger Erwerb ist aber an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen
geknüpft. Nur die vollständige Erfüllung dieser Voraussetzungen
lässt die erwähnte harte Sanktion für den bisherigen Eigentümer
eintreten und den gutgläubigen Erwerber Eigentum auch vom Nichteigentümer erlangen. | |
Das Handelsrecht kennt
in den §§ 366 ff HGB eine vom bürgerlichen Recht etwas abweichende
Regelung des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten. Eine Vereinheitlichung
steht immer noch aus, sollte aber im Rahmen der Neufassung des HGB
angestrebt werden. | |
§
367 ABGB kennt drei allgemeine und drei besondere Voraussetzungen: | |
Die drei allgemeinen Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.
Es sind folgende: | Drei „allgemeine“
Voraussetzungen |
•
Der Erwerber muss redlich,
dh gutgläubig sein, ein Kriterium, das von der Rspr streng geprüft wird!
Vgl dazu die Beispiele in → KAPITEL 3: Redlicher
Besitz. | |
•
Es muss sich um den Erwerb einer beweglichen (körperlichen) Sache handeln;
für Liegenschaften gilt § 367 ABGB also nicht. | |
| |
•
Schließlich muss der
Erwerb entgeltlich erfolgt sein; § 367 ABGB: „
... gegen Entgelt.” – Gutgläubiger unentgeltlicher Erwerb (zB Schenkung
einer gestohlenen Sache) wird also nicht geschützt! Hier hat also
der Schutz des Eigentümers Vorrang. | |
 | |
Dazu treten zusätzlich als besondere Voraussetzungen folgende,
wobei hier nur eine von ihnen – alternativ – vorliegen
muss. Entweder: | Alternative
„besondere“
Voraussetzungen |
•
Erwerb der Sache „in einer öffentlichen
Versteigerung „ (1. Fall); | 1.
Fall |
Der Ersteher von Fahrnis erwirkt Eigentum mit
dem Zuschlag ohne besonderen Übergabsakt durch
das Vollstrekkungsorgan; SZ 26/281 (1953) oder SZ 58/64 (1985).
– Wie ist zu entscheiden, wenn die versteigerte Sache (eine Skulptur
des Pharao Sesostris III) als echt angekündigt wird, sich aber nachträglich
als Fälschung herausstellt? § 367 ABGB regelt nur den gutgläubigen
Eigentumserwerb; andere Rechte, etwa Schadenersatz- oder Gewährleistungsansprüche
bleiben davon unberührt und könnten daher hier zu Wandlung, Preisminderung
oder allenfalls auch Schadenersatzansprüchen führen. Nicht der Erwerbsakt
nach § 367 ABGB ist hier mangelhaft, sondern die Sache selbst. Es
liegt eine Leistungsstörung, kein Mangel in der Wurzel vor → KAPITEL 7: Mängel von Rechtsgeschäften (Folie). | |
•
oder „von einem zu diesem Verkehre befugten
Gewerbsmann „ (2. Fall), oder | 2.
Fall |
•
wer
die Sache „ ... von jemandem an sich gebracht hat, dem sie der Kläger
[also der bisherige Eigentümer] selbst zum Gebrauche, zur Verwahrung,
oder in was immer für einer andern Absicht anvertraut hatte”;
sog Vertrauensperson (3. Fall). | 3. Fall |
Anvertraut ist
eine Sache dann, wenn sie sich mit Willen des Eigentümers im (ausschließlichen)
Gewahrsam eines andern befindet; SZ 39/189 (1967). Das gilt selbst
dann, wenn sie dem Eigentümer betrügerisch herausgelockt wurde;
SZ 58/75 (1985) unter ausdrücklicher Ablehnung der vorangehenden
Rspr. Daran zeigt sich, dass der Verkehrsschutz sehr weit reicht!
– Geschützt ist auch der Erwerb vom Vertrauensmann des Vertrauensmanns
oder vom Erben des Vertrauensmanns; Rspr 1936/53. | Anvertraut? |
Schon
das alte deutsche Recht kannte für diesen 3. Fall das Rechtssprichwort:
„Wo Du Deinen Glauben gelassen hast [zB bei einem
untreuen Freund, der das entliehene Fahrrad idF verkauft!], musst
Du ihn suchen „; oder: ”Trau, schau, wem!” –
Der Erwerb von einer Vertrauensperson, also der 3. Fall des § 367
ABGB, gelangte erstmals in Martinis Entwurf (II 3 § 20) ins österreichische
Recht. Die ersten beiden Fälle des § 367 ABGB kennt dagegen schon der
Codex Theresianus und auch das ALR; vgl Wellspacher, Das Vertrauen
auf äußere Tatbestände im bürgerlichen Recht 168 f (1906). Der erste
Fall des § 367 ABGB hat bereits griechische Wurzeln. – Vgl auch
den Hinweis in § 1088 Satz 2 ABGB (Trödelvertrag / Verkaufsauftrag):
„In keinem Fall kann die zum Verkaufe anvertraute Sache dem Dritten,
welcher sie von dem Übernehmer redlicher Weise an sich gebracht
hat, abgefordert werden (§ 367 ABGB).” | Rechtssprichworte |
 | |
 | |
5. Entscheidungsbeispiele | |
|
SZ
20/182 (1938): Dauerwellenapparat –
§§ 367, 368 ABGB. – Der gutgläubige Erwerb wird durch Umstände ausgeschlossen,
die den begründeten Verdacht entstehen lassen, dass der Verkäufer
nicht Eigentümer der Sache ist, sondern selbst [zB] nur Vorbehaltskäufer
[Eigentumsvorbehalt]. – Die Versicherung des Verkäufers allein,
dass er über die Sache verfügen kann, kann guten Glauben des Erwerbers
nicht begründen. | |
Kläger = Verkäufer eines Dauerwellenapparats; | |
Beklagter = Vermieter des Friseurs. | |
Die Klägerin hatte dem im Hause des Beklagten wohnenden
Friseur gegen Ratenzahlungen einen Dauerwellenapparat unter Eigentumsvorbehalt
verkauft. Obwohl der Friseur nur einen geringen Teil des Kaufpreises
bezahlt hatte, überließ er dem Beklagten, dem er seit längerer Zeit
den (Miet)Zins schuldig war, den Apparat auf Abschlag der Zinsschuld.
Er ist deswegen strafrechtlich verurteilt worden. – Die Klägerin verlangte
vom Beklagten die Herausgabe des ihr gehörigen Apparats. Zu Recht?
Versuchen Sie die dazu nötigen Argumente zu sammeln. Welcher Fall
des § 367 ABGB ist hier zu prüfen? | |
|
|
JBl 1988, 313: Vorführwagen „Alfa
Romeo „; Kläger = Autokäufer (ohne Kontrolle des Typenscheins); Beklagter
= Autohändler. Wer beim Kauf eines Gebrauchtwagens nicht in den
Typenschein Einsicht nimmt, kann das Auto mangels Redlichkeit in
aller Regel nicht gutgläubig erwerben. – Der Käufer eines Neu- oder
auch Vorführwagens, der den Kaufpreis sogleich bezahlt, darf jedoch
uU vom Eigentum des Verkäufers auch ausgehen, wenn er sich den Typenschein
nicht vorlegen ließ. | |
Nach stRsp ist es Sache des Käufers eines Kraftwagens, sich
durch Einsichtnahme in den Kraftfahrzeugbrief / Typenschein von
der Rechtmäßigkeit des Besitzes seines Vorgängers zu überzeugen
( ...). An die Erkundigungspflicht des Käufers sind besonders strenge
Anforderungen dann zu stellen, wenn es sich um einen Gebrauchtwagen
handelt, weil hier Diebstähle besonders häufig vorkommen ( ...).
Immer aber ist im Einzelfall zu prüfen, ob die nach den besonderen
Umständen erforderliche Sorgfalt verletzt wurde ( ...). Auch bei
Anwendung eines strengen Maßstabs kann deshalb die Gutgläubigkeit
des Käufers eines fabriksneuen Fahrzeuges, der einem autorisierten
Händler den Kaufpreis bar bezahlt hat – auch wenn für einen Teil
des Kaufpreises ein gebrauchter PKW des Käufers an Zahlungs statt
gegeben wird – nicht allein aus dem Grunde verneint werden, weil
er sich den Typenschein nicht vorweisen ließ. Dies gilt auch für
einen vom Kraftfahrzeughändler benützten Vorführwagen. Denn bei
einem Vorführwagen handelt es sich nicht um den Gebrauchtwagen eines
Dritten, so dass bei dessen Erwerb die Rechtsgrundsätze für den
Kauf eines Neuwagens anzuwenden sind. | |
|
|
SZ 2/14 (1920): Pferdediebstahl –
Wer ist befugter Gewerbsmann iSd § 367 ABGB? | |
Kläger = Bestohlener Pferdeeigentümer; Beklagter = Großgrundbesitzer,
dessen Verwalter ein gestohlenes Pferd des Klägers gekauft hat. | |
Dem Kläger, einem burgenländischen Wirtschaftsbesitzer,
wurden in der Nacht vom 15. zum 16. Oktober 1918 zwei Pferde aus
dem Stall gestohlen. Am Abend des 17. und in der Früh des 18. Oktobers
1919 hatte ein bekannter Mann eines dieser Pferde dem Verwalter
des Beklagten M, eines in einer nö Gemeinde begüterten Großgrundbesitzers,
zum Kaufe angeboten und überlassen. Der Verwalter hatte diesem Mann
dafür einen Rapphengst im Werte von 5000 Kronen und einen Barbetrag
von 4500 Kronen übergeben. Dem Kläger war es nach wochenlangen Nachforschungen
gelungen, den Dieb zu verfolgen und das Pferd im Stalle des Großgrundbesitzers
zu agnoszieren. Der Verwalter war anfangs geneigt, weigerte sich
aber später, das Pferd herauszugeben. – Der Kläger begehrte mit
der Klage von M. die Ausfolgung des Pferdes oder Zahlung des Betrags
von 15.000 Kronen. – Alle 3 Instanzen gaben der Klage statt. | |
|
|
RdW 1985/11:
Herauslocken von Perserteppichen – Gutglaubenserwerb an
listig entlockten Sachen? Dem Eigentümer betrügerisch entlockte
Sachen sind anvertraut iSd § 367 ABGB und können daher von Dritten
gutgläubig erworben werden. – Der gute Glaube wird aber schon durch
leicht fahrlässige Unkenntnis der wahren Umstände ausgeschlossen. | |
Kläger = Teppichhändler; Beklagter = Teppichkäufer. | |
H.K. verleitete einen Angestellten des Klägers zur Ausfolgung
von Perserteppichen, indem er vorgab, er wolle sie zu Hause zur
Probe auflegen. Tatsächlich verkaufte er sie dem Beklagten zu einem
günstigen Preis. Der Kläger verlangt vom Beklagten die Herausgabe
der Teppiche. – Hier findet nicht der 2., sondern der 3. Fall des
§ 367 ABGB Anwendung. | |
|
|
EvBl 1999/168: Wirkung des gutgläubigen
Erwerbs bei Weiterveräußerung und Rückerwerb durch den Veräußerer.
– Der gutgläubige Erwerber verschafft durch die Übertragung der
Sache (Motorjacht) jedem Dritten Eigentum, auch
wenn diesem der Mangel im Erwerbsakt des Vormanns bekannt ist. Dies
gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Sache an den schlechtgläubigen
Veräußerer selbst zurückgelangt; hier durch ein Finanzierungsleasing
in Form eines Sale-and-lease-back-Geschäfts. (?) | |
|
II. Der
sog Doppelverkauf | |
 | |
| |
Immer wieder stellt sich
– oft im praktischen Zusammenhang mit § 367 ABGB (der aber auf den Erwerb
beweglicher Sachen beschränkt ist!) – auch die Frage des Doppelverkaufs.
Das ABGB regelt ihn getrennt für bewegliche (§ 430 ABGB) und unbewegliche
Sachen (§ 440 ABGB). | |
Es
handelt sich bei der Regelung des Doppelverkaufs auch um eine frühe
Antwort des Gesetzgebers auf die Verletzung fremder Forderungsrechte,
die auch die Rspr früh für schutzwürdig ansah; dazu Gschnitzer,
AllgT 717 ff (1992 2) und → KAPITEL 11: Verletzung
fremder Forderungsrechte:
Sittenwidrigkeit. | Verletzung fremder Forderungsrechte |
Man darf nicht meinen, Doppelverkäufe von
Liegenschaften kämen nicht vor. In Wahrheit sind sie nicht selten. | |
Sehen wir uns das häufige
Zusammenspiel von § 367 und bspw § 430 ABGB anhand eines Beispiels
an. | Zusammenspiel
von § 367 und bspw § 430 ABGB |
Schulfall: Frau A kauft bei einem Antiquitätenhändler
einen schönen alten Kelim (2 x 3 m), bezahlt auch gleich, ersucht
jedoch darum, den Teppich erst einige Tage später abholen zu können,
weil er ihr zum Tragen zu schwer sei und sie derzeit über kein Fahrzeug
verfüge. – Als Frau A zwei Tage später den Teppich abholen will,
tritt der Verkäufer verlegen von einem Fuß auf den anderen und teilt
Frau A schließlich mit, dass er den Kelim mittlerweile an eine andere
Kundschaft für ihn günstiger (zB um 250 ı teurer!) verkauft habe.
– Was kann Frau A tun? | |
Wie würden Sie entscheiden? | |
• Ist Frau A bereits
Eigentümerin geworden? Wenn ja – wodurch? | |
• Welche Nebenpflicht des Kaufvertrags hat der
Verkäufer verletzt? | |
• Erwirbt der Zweitkäufer (K2) Eigentum am Kelim?
Wenn ja – wie? | |
• Kann Frau A, wenn sie zufällig einige Tage
nach der bösen Überraschung in der Auslage eines anderen Teppichhändlers
einen ähnlichen Teppich sieht, der aber ebenfalls um 250 ı teurer
ist, als der von ihr gekaufte, diesen Mehrpreis, der dem höheren
Zweitverkäuferpreis ihres treulosen Verkäufers entspricht, verlangen
oder erhält sie nur ihren Kaufpreis zurück? – Anders gefragt: Stehen
Frau A auch Schadenersatzansprüche zu? | |
Hat der
Verkäufer (Schuldner) durch einen Doppelverkauf die Erfüllung der
geschuldeten Leistung vereitelt / unmöglich gemacht, hat er den
höheren Erlös dem Käufer als (Schaden)Ersatz herauszugeben. Am Vorliegen
von Verschulden ist idR nicht zu rütteln. Der Verkäufer wird als
unechter Geschäftsführer ( → KAPITEL 12: Unerlaubte
oder unechte GoA: § 1040 ABGB)
behandelt; § 1040 ABGB. Der Mehrerlös wird als sog stellvertretendes
Commodum bezeichnet, das auch in anderen Konstellationen von Bedeutung ist.
Diese Rechtsfigur wird ua auf § 7 ABGB gestützt. – Wir haben es
in unserem Beispiel mit einer verschuldeten nachträglichen Unmöglichkeit
iSd § 920 ABGB zu tun → KAPITEL 7: Nachträgliche
Unmöglichkeit. Zusätzlich
kommt neben § 430, der die Rechtsfolge offen lässt – wie erwähnt
– § 1040 ABGB zur Anwendung. | Stellvertretendes
Commodum |
 | |
Für
den Eigentumserwerb beim Doppelverkauf entscheidet in beiden Fällen
nicht die Priorität des schuldrechtlichen Titels (= erster Kaufvertrag),
sondern die des sachenrechtlichen Modus: Bei § 430 ABGB (beweglichen
Sachen) die frühere Übergabe; bei Liegenschaften (§ 440 ABGB) kommt es
auf das frühere Ansuchen um Grundbuchseintragung an → KAPITEL 2: Arten
bücherlicher Eintragungen.
– Der, dem die Sache zuerst übergeben oder der zuerst um Verbücherung
angesucht hat, erwirbt gültiges Eigentum. Selbst bei Kenntnis des
ersten Verkaufs! „Kenntnis” meint aber nicht „Verleitung zum Vertragsbruch”.
Dazu → Doppelverkäufe
von Liegenschaften Der Doppelverkäufer haftet allerdings dem
verletzten Teil für die – idR schuldhafte – Nichterfüllung. | Eigentumserwerb
beim Doppelverkauf |
2. Doppelverkäufe
von Liegenschaften | |
Auch Doppelverkäufe von
Liegenschaften (§ 440 ABGB) kommen immer wieder vor: Der Erstkäufer,
dem die Liegenschaft nicht physisch außerbücherlich übergeben wurde,
kann vom Verkäufer nur Schadenersatz wegen Nichterfüllung begehren,
selbst wenn der Zweitkäufer vom ersten Kauf Kenntnis hatte; SpR
59 (1873). | |
Nur
bei Verleitung zum Vertragsbruch durch den Zweitkäufer
und bei arglistigem Zusammenwirken von Verkäufer
und Zweitkäufer kann der Erstkäufer unter Heranziehung von § 1295
iVm § 1323 ABGB die ihm verkaufte, aber nicht übereignete Liegenschaft
als Naturalersatz herausverlangen; JBl 1981, 535. | Verleitung zum
Vertragsbruch |
Vgl dazu die Ausführungen (E 22 und E 23 zu §
431 ABGB) in Dittrich / Tades, MGA ABGB35 (1999).
Das folgende Zitat soll auch einen ersten Eindruck über die Darstellungsweise
einschlägiger Probleme in diesem wichtigen Nachschlagwerk vermitteln,
wobei hier auf die Kursivsetzungen im Original verzichtet wurde. | |
 | |
 | |
 | |
 | Abbildung 8.38: Doppelverkauf (1) |
|
 | Abbildung 8.39: Doppelverkauf (2) |
|
III. Gutgläubiger
Pfandrechtserwerb | |
1. Gutgläubiger
Pfandrechtserwerb | |
§ 367
ABGB regelt den gutgläubigen Eigentumserwerb und bindet diesen –
der „harten” Konsequenzen wegen – an strenge Voraussetzungen. –
Gibt es auch einen gutgläubigen Pfandrechtserwerb vom Nichtberechtigten?
– Ja! Die Begründung enthält § 456 ABGB. | |
|
§ 456 ABGB | |
Wird eine fremde bewegliche Sache ohne Einwilligung
des Eigentümers verpfändet, so hat dieser idR zwar das Recht, sie
zurückzufordern; aber in solchen Fällen, in welchen die Eigentumsklage
gegen einen redlichen Besitzer nicht statt hat (§ 367 ABGB), ist
er verbunden, entweder den redlichen Pfandinhaber schadlos zu halten,
oder das Pfand fahren zu lassen, und sich mit dem Ersatzrecht gegen
den Verpfänder zu begnügen. | |
|
2. § 456 hat §
367 ABGB zum Vorbild | |
§ 456 ABGB
folgt tatbestandlich dem Vorbild des § 367 ABGB und ermöglicht ebenfalls
einen gutgläubigen Pfandrechtserwerb an beweglichen (!) Sachen:
zB bei Verpfändung einer fremden Sache. – Die Hypothek führt ein
reines Buchleben und existiert außerhalb des Grundbuchs nicht. | |
 | |
3. Rechtsfolge
des § 456 ABGB | |
Bleiben wir bei unserem
Beispiel: C erwirbt gutgläubig Pfandrecht, nicht Eigentum! Das Eigentum (des
A) wird durch das gutgläubig entstehende Pfandrecht zwar belastet,
geht aber nicht verloren! – Was könnte aber die Folge sein, wenn
A sein Fahrrad wieder haben will? | |
| |
Zum gutgläubigen
Pfandrechtserwerb im Handelsrecht vgl § 366 HGB. Hier genügt guter
Glaube des Pfandgläubigers auf die rechtliche Verfügungsbefugnis
( Eigentum) des Pfandbestellers. – Das Handelsrecht verlangt für
den Verlust der Gutgläubigkeit auch grobe Fahrlässigkeit! | |
|
§ 366 Abs 1 HGB | |
Veräußert oder verpfändet ein Kaufmann im Betriebe
seines Handelsgewerbes eine bewegliche Sache, so wird das Eigentum
oder Pfandrecht auch dann erworben, wenn die Sache nicht dem Veräußerer
oder Verpfänder gehört, es sei denn, dass der Erwerber beim Erwerb
nicht in gutem Glauben ist. Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben,
wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit
unbekannt ist, dass die Sache dem Veräußerer oder Verpfänder
nicht gehört oder dass der Veräußerer oder der Verpfänder nicht befugt
ist, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen. | |
|
5. Zusammenhang
mit dem Eigentumsvorbehalt | |
Die Regeln des gutgläubigen
Pfandrechtserwerbs spielen im Zusammenhang mit dem Eigentumsvorbehalt
eine praktisch wichtige Rolle. – Lässt sich jemand Sachen verpfänden
(sei es ein Kaufmann oder ein Privater), die üblicherweise unter
Eigentumsvorbehalt verkauft werden und zieht der Pfandgläubiger
keine Erkundigungen ein (zB Urkundeneinsicht, Rechnungen, Belege, Erkundigung
beim Verkäufer), ob der Verpfändende auch tatsächlich Eigentümer
(oder nach Handelsrecht wenigstens verfügungsberechtigt) ist, handelt
er (grob) fahrlässig und erwirbt nicht gutgläubig Pfandrecht iSd
§§ 456 ABGB oder 366 HGB. „Es wird also [von der Rspr!] geradezu
eine Nachforschungspflicht statuiert.” – H. Mayrhofer, Zur neueren
Entwicklung der Kreditsicherung durch Fahrnis (1968). | |
| |
|
SZ
23/379 (1950): Verpfändung einer unter
Eigentumsvorbehalt gekauften Fräsmaschine – Leitsatz:
Wer an einer Maschine ein Pfandrecht erwirbt, ohne sich zu vergewissern,
dass der Verpfänder auch tatsächlich der Eigentümer ist, handelt
grob fahrlässig iSd § 366 HGB. Käufer der Fräsmaschine = Verpfänder;
Kläger = Verkäufer der Fräsmaschine; Beklagter = Pfandgläubiger
(dem die Maschine als Pfand übergeben wurde). Sachverhalt: Dr. H
hat die Fräsmaschine, deren Herausgabe die klagende Partei von der
beklagten Partei verlangt, von der klagenden Partei unter Eigentumsvorbehalt
gekauft und sie der beklagten Partei verpfändet. | |
|
|
EvBl 1965/123: Außenbordmotor –
Leitsatz: § 456 ABGB (§§ 368, 1063 ABGB; § 366 HGB): Grobe Fahrlässigkeit
des Pfandgläubigers beim Pfandrechtserwerb an Waren, die erfahrungsgemäß
unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden. Kläger = Verkäufer des
Außenbordmotors (unter Eigentumsvorbehalt); Beklagter = Pfandgläubiger
des Käufer Adalbert K. Sachverhalt: Kläger verkaufte dem Elektrohändler Adalbert
K einen Außenbordmotor mit Tank und Standardpropeller, komplett,
samt Fernschaltung um 47.565,- S unter Eigentumsvorbehalt. Die Klägerin
lieferte den Motor am 12. Juli 1962. Der Beklagte gewährte dem Adalbert
K ein Darlehen von 100.00,- S gegen das Versprechen, ein Motorboot
samt dem hiefür anzuschaffenden Außenbordmotor als Pfand zur Sicherung
der Darlehensforderung übergeben zu erhalten. Adalbert K übergab
ungefähr 1 Monat nach Empfang des Darlehens nach Einbau des Motors
in das Boot dieses samt Motor dem Beklagten mit der Erklärung, er
sei Eigentümer des Bootes. Der Beklagte kannte die finanziellen
Verhältnisse des Adalbert K nicht und wusste nur, dass dieser ein
Haus und ein großes Geschäft besaß. Die Klägerin begehrte nunmehr
mit der Behauptung, der Beklagte sei beim Pfandrechtserwerb schlechtgläubig
gewesen, die Herausgabe des Außenbordmotors. | |
|
|
Ähnlich HS 4264/21 (1963): Ananasdosen –
Grob fahrlässig (§ 366 HGB!) handelt, wer den von Anfang an gegebenen
Verdacht eines Eigentumsvorbehalts nicht aufklärt. Die Behauptung
des Verpfänders allein, dass er über die Sache verfügen könne, kann
den guten Glauben des Erwerbers nicht begründen. Bei der Häufigkeit
des Eigentumsvorbehalts besteht eine Pflicht zur sorgfältigen Nachforschung.
Kläger = Verkäufer und Lieferantin der Ananasdosen (die unter Eigentumsvorbehalt
geliefert wurden); Josef H = Käufer der Ananasdosen und Pfandbesteller
+ Verpfänder. Beklagter = Speditionsgesellschaft, die an der bei ihr
eingelagerten Ware ein gesetzliches und ein vertragliches Pfandrecht
behauptete und deshalb die Herausgabe der Ware an den Masseverwalter
verweigerte; über das Vermögen des Josef H war nämlich der Konkurs
eröffnet worden. – Der Klage wurde statt gegeben. | |
|
D. Die
Lehre vom Rechtsobjekt |
| |
| |
Ehe wir uns der Lehre
vom Rechtsobjekt, also den Sachen im rechtlichen Sinne zuwenden,
wollen wir uns kurz erneut der Aufgabe des Sachenrechts vergewissern:
Seine Aufgabe ist es, Sachen als Vermögensobjekte – und zwar bewegliche
wie unbewegliche – rechtlich erkennbar und zuverlässig, an Rechtssubjekte
(als den Trägern von Rechten und Pflichten) zuzuordnen; so genannte Sach(güter)zuordnung.
– Die idF dargestellte Lehre vom Rechtsobjekt soll daher auch klären,
was sachenrechtlich überhaupt zugeordnet werden kann. | Sachen
im Rechtssinn werden zugeordnet |
Zu erinnern ist daran, dass grundsätzlich
nur Rechtssubjekte Träger eigener Rechte und Pflichten sein können,
nicht dagegen Sachen; vgl aber → Allgemeines
zum Sachbegriff
| |
I. Allgemeines
zum Sachbegriff | |
Das rechtlich unvermittelte, ja schroffe
Gegenüberstellen von Rechts-Subjekt und Rechts-Objekt wurde erst
spät als problematisch erkannt; vgl § 285a ABGB. Neuere Konzepte
versuchen daher – trotz manch’ unsensibler Kritik – diesen Gegensatz
dadurch zu mildern, dass sie der Natur – sei sie belebt oder unbelebt
– (wenigstens) Teil-Rechtssubjektivität zuerkennen wollen. Das Umdenken erfolgt
aber – wie üblich – zögerlich. | Rechts-Subjekt
und Rechts-Objekt |
Die
wohl schwerwiegendste Konsequenz des bestehenden Rechtszustands
liegt – für die ganze Menschheit – darin, dass diese Dichotomie
insbesondere seit der Industriellen Revolution des 19. Jhs. ( → KAPITEL 1: Industrielle
Revolution)
zu einem unverantwortlichen Umgang mit der Natur geführt hat. Dies
iS einer mittlerweile globalen Naturzerstörung und Existenzbedrohung
des Menschen, nämlich: | Globale Naturzerstörung |
 | |
Als Vorbilder einer Teil-Rechtssubjektivität und
Vertretung der Interessen der Natur iwS können die gesetzliche Vertretung
Minderjähriger oder unter Vormundschaft oder Sachwalterschaft stehender
Personen (§ 21 ABGB) und überhaupt das Konzept (quasi)juristischer
Personen dienen. Rechtsfähigkeit wird nämlich heute grundsätzlich
von der Rechtsordnung verliehen. Als Korrelat zur bloßen Objekthaftigkeit
der Natur, die bislang nur „Sache” ist, steht schon viel zu lange
die – durch Religion und Wissenschaft – überschätzte Subjekthaftigkeit
des Menschen der Moderne, der sich als Zentrum des Kosmos fühlt,
so wie sich die Europäer zu lange und verhängnisvoll als Nabel der
Welt fühlten! – Aber sind nicht auch unsere eitlen Vorstellungen
von der Erde als Mittelpunkt unseres Sonnensystems ebenso längst
Lügen gestraft worden? (Kopernikus) wie die Annahme, dass der Mensch
„Herr” seines Bewusstseins ist (S. Freud). | Vorbilder
einer Teil-Rechtssubjektivität |
Unsere kapitalistische Gesellschaft setzt
ihre Waren über den Markt ab,
der längst ein Weltmarkt geworden ist. Das Recht
hinkt dieser Entwicklung hinterher. – Märkte brauchen Waren und
Waren sind Sachen. Damit sind wir beim Thema. Was auf den Märkten
gehandelt wird, muss verdinglicht werden. Dieser Entwicklung sind
auch schon viele menschliche Werte zum Opfer gefallen. | |
Das Recht bestimmt,
welche Sachen als Waren veräußerbar sind und welche nicht. Die folgende Sacheinteilung
unterstützt den Marktmechanismus in unseren Gesellschaften,
wie dem Recht überhaupt die Aufgabe zukommt, gesellschaftliche und
insbesondere auch ökonomische Probleme zu lösen oder doch zu erleichtern.
Das Recht löst aber immer nur jene Fragen, die eine Gesellschaft lösen
will. Zu den wichtigen Vorleistungen der großen Kodifikationen für
den modernen Rechts- und Wirtschaftsverkehr → KAPITEL 1: Zur Entstehung des
ABGB. | Sachen als Waren |
Waren
sind also Sachen, aber nicht alle Sachen sind Waren. Waren als marktgängige
Güter sind nach dem HGB (§ 1 Z 1) nur bewegliche Sachen, mit denen
ein Kaufmann in seinem Handelsbetrieb Geschäfte macht. Dabei müssen wir
uns eingestehen, dass der Warenbegriff idealistisch
eingefärbt ist. Die menschliche Arbeitskraft erscheint dem Begriff
nach zwar nicht als Ware und doch „veräußert” sie der Großteil aller
Menschen an andere, weil das für ihren Lebensunterhalt nötig ist.
Davon profitieren idR wirklich nur einige wenige. – Aber auch Liegenschaften gelten rechtlich
erstaunlicherweise immer noch nicht als Ware iSd HGB; und dennoch
machen Immobiliengesellschaften und –makler gerade in Österreich
lukrative Gewinne. | |
 | Abbildung 8.40: Rechtssubjekte und Rechtsobjekte: Sachen |
|
 | Abbildung 8.41: Sachbegriff: § 285 (1) |
|
 | Abbildung 8.42: Sachbegriff: § 285 (2) |
|
 | Abbildung 8.43: Sachbegriff: § 285 (3) |
|
1. Rechtsobjekt
und Rechtssubjekt | |
Wir
haben vom Rechtssubjektgesprochen, dem Menschen,
der natürlichen Person und idF auch von der juristischen Person.
Beide sind als Rechtssubjekte Träger von Rechten und Pflichten.
– Nun wollen wir von den Rechtsobjekten (= Sachen) handeln. Rechtsobjekte
sind – nach geltendem Recht / de lege lata – nicht Träger, sondern
bloß Gegenstand / Bezugsobjekte dinglicher und obligatorischer Rechte
und Pflichten. Auf sie beziehen sich subjektive Rechte und Pflichten. | |
| |
Das ABGB zieht – in seiner
berühmten auf K. A. v. Martini zurückgehenden Definition der Sache in
§ 285 – die Grenze sehr klar: | § 285 ABGB |
„Alles, was von der Person unterschieden
ist, und zum Gebrauche der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine
Sache genannt”: | |
• „Alles, was von
der Person unterschieden”, also nicht Person ist, ist Sache; negative Umschreibung. | |
• Daneben steht im Gesetz eine positive Umschreibung:
„ ... und zum Gebrauche der Menschen dient.” | |
| |
Umstritten
ist die Grenzziehung zwischen Person und Sache bspw in der Bioethik:
Sind Forschungen an Embryonen erlaubt? Ab wann ist ein Personscharakter
(wenigstens iSv § 22 ABGB) anzunehmen? – An die gesellschaftlich wichtige
Aufgabe des Sachenrechts als Recht der Sachgüterzuordnung und die
Rolle des Besitzes dabei sei ebenfalls erinnert. | |
2. Weiter
Sachbegriff des § 285 ABGB | |
Der Gesetzeswortlaut
fasst den Sachbegriff weit und erfasst bewegliche wie unbewegliche
Sachen, aber auch körperliche und unkörperliche Sachen und damit
(Schuld)Forderungen und ganz allgemein Rechte. – Und dazu kommen
noch – wie wir dem vorangestellten Motto entnehmen können – sog
Handlungen, also Hand- und Kopfarbeiten; § 303 ABGB → Schätzbare
und unschätzbare Sachen
| |
3. §
285a ABGB: „Tiere sind keine Sachen ...” | |
Eine gewisse
Modifizierung des weiten Sachbegriffs des § 285 ABGB brachte mit
BGBl 1988/179 § 285a ABGB. Diese Bestimmung wird aber zu unrecht
weithin nur als programmatische Aussage verstanden. In Wahrheit
macht sie deutlich, dass zwischen Rechtssubjekt und Rechtsobjekt
Übergänge angezeigt und möglich sind. | §
285a ABGB: Nur programmatische Aussage? |
Es existieren bereits – wie erwähnt – interessante
Vorschläge, der Natur eigene (nicht nur um des
Menschen willen zuerkannte) Rechte und insbesondere – zu ihrem Schutze!
– auch eine eigene (Teil)Rechtsfähigkeit zuzuerkennen; vgl die Literatur im
Anschluss. Zur herkömmlichen Rechtsstellung der Tiere im
Sachenrecht → Bewegliche
und unbewegliche Sachen: bewegliche Sachen. | |
Eine
interessante verfassungsrechtliche Regelung zum Schutz von Tieren
kennt die Schweiz mit Art 24 III der Schweizer
Bundesverfassung: Danach muss die „Würde der Kreatur” gewahrt werden. | Beispiele aus anderen Ländern und Österreich |
Auch Deutschland besitzt seit 1990 eine
einfachgesetzliche Regelung, § 90a dtBGB: „Tiere sind keine Sachen.
Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für
Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht
etwas anderes bestimmt ist.” (Nahezu wörtlich dem ABGB entnommen.) | |
Art 9 der Slbg Landesverfassung zählt unter
den „Aufgaben und Zielsetzungen des staatlichen Handelns” ua auf: „–
die Achtung und der Schutz der Tiere als Mitgeschöpfe des Menschen
aus seiner Verantwortung gegenüber den Lebewesen”. | |
Was ist damit gemeint, wenn von einer
Modifikation des Sachbegriffs durch § 285a ABGB gesprochen wird?
– Zunächst: Die allgemeinen Regeln des Sachenrechts und Schuldrechts
bleiben weiterhin auf Tiere anwendbar. Dh, dass Tiere auch weiterhin
verschenkt, ge- und verkauft werden und im Eigentum von jemandem
stehen können. Schädigungen von Tieren stellen weiterhin einen Sachschaden
dar: SZ 69/264: (1996). Vgl auch § 1332a ABGB. Tiere werden demnach
rechtlich auch nach Einfügung des § 285a ABGB weithin als Sachen
behandelt; vgl auch SZ 68/9 (1995). | Modifikation
des Sachbegriffs |
Satz
2 des § 285a ABGB stellt aber klar, dass auf Tiere, die für Sachen
geltenden Vorschriften „nur insoweit anzuwenden” sind, „als keine
abweichenden Regelungen bestehen”. Darunter sind in einem weiten
Sinne Schutzvorschriften für Tiere zu verstehen. Der BSE- und Schweinemastskandal
und andere Ereignisse haben deutlich gemacht, wie sehr die Vieh-Industrie
und Politik jede Ethik, aber auch das Recht hinter sich gelassen
haben. – § 285a ABGB sollte daher künftig nicht als Hindernis, sondern
als Hilfe für eine gesunde und möglichst biologische Tierhaltung
verstanden werden. | Schutzvorschriften für Tiere |
§
285a 2. HalbS ABGB macht deutlich, dass Tiere „durch besondere
Gesetze geschützt „ werden. Das ABGB denkt hier an: | „… durch besondere Gesetze geschützt” |
• bisher die (Landes)Tierschutzgesetze,
nunmehr BundestierschutzG 2004, | |
• das TierversuchsG, BGBl 501/1989
und bspw | |
•
an
das TiertransportG-Straße (nunmehr abgeschwächt
durch eine EU-RL), BGBl 411/1994; | |
•
Das Strafrecht (§
222 StGB) stellt Tierquälerei unter Strafe. | |
•
§ 1332a ABGB hat eine eigene Schadenersatzregelung
für den Kostenersatz bei Tierverletzungen – insbesondere
bestimmte Haustiere! – eingeführt, was nicht belächelt werden sollte. | |
Unzulässig sind danach
etwa (rechts)sadistische Exekutionen gegen Haustiere,
insbesondere um ältere Menschen zu treffen. | Exekution? |
Das teilweise Herausnehmen der Tiere
aus dem Sachbegriff ist (auch) gegen unsensible Angriffe
zu verteidigen und sollte vielmehr Schritt für Schritt ausgedehnt
werden. Zum Teil erzwingt die Entwicklung neue Regelungen; Schweinepest,
Maul- und Klauen- sowie BSE-Seuche etc. – Gerechtfertigt erscheint
eine rechtliche Sonderstellung von Tieren auch dadurch, dass Tiere
– insbesondere Hunde und Katzen – für die emotionale Entwicklung
von Kindern und Erwachsenen wichtig sind. | |
 | |
4. Eigentum
an (Forderungs)Rechten? | |
Das
ABGB stellt klar, dass es neben körperlichen, auch unkörperliche
Sachen – nämlich Rechte – gibt und nennt als Beispiele in § 292
ABGB „das Recht zu jagen, zu fischen und alle andere Rechte”. Die
Konsequenz davon, dass nach dem ABGB Forderungen und Rechte Sachen
sind, wäre nun eigentlich die, dass auch „Eigentum an
Forderungen“ und ganz allgemein an „Rechten“ anzuerkennen wäre.
Begrifflich zieht das ABGB auch diese Konsequenz und spricht sogar
vom „ Eigentümer der Forderung”; vgl § 1424 ABGB.
– Allein legistisch-inhaltlich hat das ABGB diesen Schritt nicht
vollzogen. Hätte dies doch die herkömmlichen Grenzen von Schuld-
und Sachenrecht beseitigt; vgl das diesem Pkt vorangestellte Motto.
– Wenn daher vom „Eigentum an einer Forderung” die Rede ist, ist
das nur bildhaft zu verstehen; uzw iSv obligatorischem
Vollrecht, also uneingeschränkter Rechtszuständigkeit, wenngleich
an einem relativen Recht. Vgl auch → Körperliche
und unkörperliche Sachen
| |
5. Zur
Abgrenzung Person <-> Sache | |
Sehen
wir uns idF einige Beispiele an, die Anlass zu
Zweifeln geben können, ob es sich dabei (noch) um „Teile” der Person
oder um Sachen handelt: | Beispiele |
Der menschliche Leichnam wird
heute zutreffend als Sache angesehen (str), wenngleich als eine,
der mit besonderer Achtung und Pietät zu begegnen ist; vgl auch
den strafrechtlichen Schutz durch § 190 StGB: Störung der Totenruhe und
§ 191 StGB: Störung der Bestattungsfeier. Die Sachqualität des Leichnams
zeigt sich in der Rechtspraxis auch daran, dass er seit Jahrzehnten
Anatomischen Instituten „überlassen” wird. Auch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit,
Toten Organe zu entnehmen spricht für diese Meinung; dazu gleich
mehr. – Auch wenn man den Leichnam als Sache (besonderer Art) betrachtet,
bedeutet das aber nicht, dass für seine „Behandlung” – insbesondere für
die sog Totenfürsorge – die Regeln des Erbrechts
zur Anwendung gelangen; so aber der OGH in JBl 2000, 110 mwH. Vgl
dazu auch die Ausführungen im Rahmen der Darstellung des postmortalen
Persönlichkeitsrechts → KAPITEL 4: Sog
postmortale Persönlichkeitsrechte. | Leichnam |
Für die hier vertretene
Meinung spricht ferner, dass der menschliche Leichnam auch Gegenstand
der medizinischen Obduktion ist; | Obduktion |
 | |
Zwischen Obduktionsrecht und privat(rechtlich)er
Verfügung über Leichenteile besteht übrigens ein bis heute nicht hinreichend
geklärtes Spannungsverhältnis. | |
|
OGH 19. 12. 2001, 7 Ob 199/01t, RdM 2002/21:
Ein wissenschaftlicher Grund zur Vornahme einer Obduktion gemäß
§ 25 KAKuG liegt ua in der Erforschung neuer Krankheitsformen, deren
Ursachen und Verlauf; hier: Creuzfeldt-Jakob-Krankheit. – Gerechtfertigt
wird dieser Eingriff in den menschlichen Leichnam mit dem Interesse
der Allgemeinheit. Allein dieses Argument trifft nicht auf alle
Obduktionen zu. | |
|
 | |
§ 25 Abs 1 KAKuG iVm den jeweiligen Landes-KAG.
Danach sind in öffentlichen Krankenanstalten Verstorbene zu obduzieren,
wenn dies sanitätspolizeilich oder gerichtlich angeordnet wurde
oder zur Wahrung anderer öffentlicher oder wissenschaftlicher Interessen
(insbesondere bei diagnostischer Unklarheit oder erfolgten operativen Eingriffen)
erforderlich ist. Liegt aber keiner dieser Fälle vor und hat die/der
Verstorbene nicht schon zu Lebzeiten einer Obduktion zugestimmt,
darf diese nach § 25 Abs 2 KAKuG (iVm zB § 37 Abs 2 TirKAG) nur
mit Zustimmung der nächsten Angehörigen vorgenommen werden; | |
Keine Sachen sind Kopfhaar, Zahnbrücke oder
andere Körperersatzstücke / Prothesen, solange
diese sich im / am Körper befinden; Brillen werden aber ausgenommen
, was zeigt, dass diese Grenzziehung pragmatisch erfolgt. Ihre Beschädigung
oder Zerstörung ist – jedenfalls auch – Körperverletzung iSd §§
83 ff StGB. Nicht immer wurde das so gesehen und die Judikatur ist
auch heute noch nicht konsequent und einheitlich; vgl SZ 56/54 (1983):
Zahnbrücke bloß als Sache (?!). Faustregel: Im Rahmen von Körperverletzungen
sind Prothesen etc als Teil des Körpers anzusehen; anders, wenn
eine Zahnbrücke, die angefertigt wird (Werkvertrag), nicht passt.
Hier müssen wiederum die Gewährleistungsvorschriften (zB § 1167
ABGB) zur Anwendung gelangen. – Wir können hier eine Ambivalenz rechtlicher
Zuordnung feststellen, die aber durchaus sachgerecht erscheint.
– Lasse ich mir meine Haare schneiden, werden die geschnittenen
Haare zur Sache. Man kann daher sein Haar verkaufen und dieser (Kauf)Vertrag
ist ein Vertrag über eine künftige Sache. | Kopfhaar,
Zahnbrücke
oder Prothesen |
Blut, Sperma, Eizellen / Ovarien und menschliche
Organe werden nach ihrer Trennung vom Körper des Spenders vorübergehend
/ transitorisch als körperliche Sachen behandelt und unterliegen
danach dem Produktbegriff des § 4 PHG 1988 → KAPITEL 7: Produktbegriff
¿ Medizinproduktegesetz.
(Das bedeutet natürlich nicht, dass Spender als Unternehmer iSd
PHG anzusehen sind! Eine Organ-, Samen- oder Blutbank ist aber Unternehmer.)
Mit Transfusion des Blutes oder der Implantation der Spendeorgane
beim Empfänger geht die Sachqualität aber wieder verloren, was zeigt,
dass die Sachqualität transitorisch sein kann. | Blut,
Sperma, Eizellen, menschliche Organe |
Organe oder Organteile sind in Österreich
kein Gegenstand des rechtsgeschäftlichen Verkehrs; § 62a Abs 4 KAKuG. Wir
besitzen aber mit § 62a KAKuG eine liberale Regelung für das Gewinnen
von Organtransplantaten von Toten; sog Totenspende. Für sog Lebend(organ)spenden
fehlt in Österreich derzeit eine gesetzliche Regelung, was rasch nachgeholt
werden sollte. Derzeit behilft man sich bestenfalls mit einer wackeligen
Analogie zu § 62a KAKuG. | Toten- und
Lebendspende |
| |
| |
Ausnahmen in Bezug auf Lebendspenden gewährt
die Rspr für einen engen Kreis Angehöriger; zB Mutter spendet ihrer
kranken Tochter eine Niere. Bekannt ist der Fall Niki Laudas, der
von seinem Bruder eine Niere erhielt. – Festzuhalten ist, dass auch
in unseren modernen Gesellschaften der Mensch nicht völlig frei
über seinen Körper verfügen kann; vgl schon das römische Recht D.
9, 2, 13 pr. – Ulpian: Dominus membrorum suorum nemo videtur. Dh:
Niemand ist Eigentümer seiner Gliedmaßen. Über (nicht abgetrennte)
Teile seines Körpers kann man also nicht frei verfügen! | |
Dass Körperteile
nach ihrer Trennung vom Körper wiederum zu Sachen werden, gilt auch
für Plazenta / Nachgeburt, Nabelschnur und andere Körperteile. Auch
hier gilt aber – wie beim Leichnam, dass diesen früheren Körperteilen
– wo möglich und sinnvoll – mit Pietät zu begegnen ist; Skandale
haben diesbezüglich sensibilisiert. Eine andere Frage betrifft,
mittlerweile ist das von ökonomisch-medizinischer Bedeutung – den
Eigentumserwerb und damit das Verfügungsrecht darüber. Obwohl dafür
eine explizite Rechtsregel fehlt, muss gelten: Diese Teile gehen
grundsätzlich ins Eigentum der Person über von der sie stammen.
Das besitzt Bedeutung für Eizellen, Sperma, Nabelschnur, Plazenta oder
Haare. Während im Normalfall die vom Friseur geschnittenen Haare
mangels Interesse des Eigentümers (Dereliktion) dort bleiben, kann
sich bspw eine Kundin, die sich ihr schulterlanges Haar kurz schneiden
lässt, das abgeschnittene Haar mitnehmen. – Einschränkungen können
durch sanitätspolizeiliche und Hygienevorschriften bestehen. | Plazenta, Nabelschnur etc |
| |
Widerspruchserklärung
– Organtransplantation | |
 | |
Normdefinitionen
§ 62a, 62b, 62c KAKuG | |
|
§ 62a KAKuG | |
(1) Es ist zulässig, Verstorbenen
einzelne Organe oder Organteile zu entnehmen, um durch deren Transplantation
das Leben eines anderen Menschen zu retten oder dessen Gesundheit
wiederherzustellen. Die Entnahme ist unzulässig, wenn den Ärzten
eine Erklärung vorliegt, mit der der Verstorbene oder, vor dessen
Tod, sein gesetzlicher Vertreter eine Organspende ausdrücklich abgelehnt
hat. Die Entnahme darf nicht zu einer die Pietät verletzenden Verunstaltung
der Leiche führen. | |
(2) Die Entnahme darf erst durchgeführt werden,
wenn ein zur selbständigen Berufsausübung berechtigter Arzt den
eingetretenen Tod festgestellt hat. Dieser Arzt darf weder die Entnahme
noch die Transplantation durchführen. Er darf an diesen Eingriffen
auch sonst nicht beteiligt oder durch sie betroffen sein. | |
(3) Die Entnahme darf nur in Krankenanstalten
vorgenommen werden, di die Voraussetzungen des § 16 Abs 1 lit a
und c bis g erfüllen. | |
(4)
Organe oder Organteile Verstorbener dürfen nicht Gegenstand von
Rechtsgeschäften sein, die auf Gewinn gerichtet sind. | |
|
|
§ 62b | |
Angaben über die Person von Spender bzw
Empfänger sind vom Auskunftsrecht gemäß § 11 DatenschutzG,
BGBl Nr 565/1978, ausgenommen. | |
|
|
§ 62c | |
Wer dem § 62a zuwiderhandelt, begeht, sofern
nicht eine gerichtlich strafbare Tat vorliegt, eine Verwaltungsübertretung
und ist mit Geldstrafe bis 30.000 S zu bestrafen. | |
|
| |
Um große Tote rankt
sich manche Gruselgeschichte: Nicht nur Albert Einsteins Totenruhe
wurde auf ganz unglaubliche und pietätlose Weise durch die eigenmächtige
Entfernung seiner Augen durch einen Klinikpathologen gestört. –
Berühmt ist die Geschichte der „Enthauptung” und Entfernung des
Schädels von Joseph Haydn aus dem Grab durch den
Schädelsammler Nepomuk Peter und seinen Freund Rosenbaum eine Woche
nach dem Begräbnis im Juni 1809. Erst im Jahre 1954 wurde Haydns
Schädel wieder in Eisenstadt beigesetzt. | |
| |
II. Einteilung
der Sachen – Überblick | |
Das ABGB teilt die
Sachen nach verschiedenen Gesichtspunkten ein. Die §§ 286-290 ABGB betonen
den Unterschied nach der „Verschiedenheit des Subjekts, dem sie
gehören”: Überschrift vor § 286 ABGB. | |
So unterscheidet § 286 ABGB pauschal
zwischen „Staats- oder ... Privatgut”; und § 287 differenziert weiter
in „freistehende Sachen”, „öffentliches Gut” und „Staatsvermögen”.
§ 288 ABGB löst aus dem weiten Begriff des Staatsgutes, das Gemeindegut
heraus und unterscheidet davon – nach dem Vorbild des § 287 ABGB
– das Gemeindevermögen. § 290 ABGB stellt klar, dass die Vorschriften
des ABGB „über die Art, wie Sachen rechtmäßig erworben, erhalten
und auf andere übertragen werden können ... [idR] auch von den Verwaltern
der Staats- und Gemeindegüter, oder des Staats- und Gemeindevermögens
zu beobachten” sind. | Staats-
oder Privatgut |
Diese gesetzliche Anordnung ist auch insoferne
von Interesse, als der Gesetzgeber ausdrücklich anordnet, Normen des
Privatrechts auch im Bereich des öffentlichen Rechts anzuwenden;
eine Art gesetzlich statuierter Rechtsanalogie. Die Theorie des
öffentlichen Rechts hat dem bislang wenig Bedeutung beigemessen. | |
Die
§§ 291-306 ABGB teilen dagegen Sachen nach dem „Unterschied ihrer
Beschaffenheit” ein: Überschrift vor § 291 ABGB. | Einteilung
nach dem „Unterschied der Beschaffenheit“ von Sachen |
Andere Wissenschaften teilen Sachen nach
anderen Gesichtspunkten ein als das Recht. Die Philosophie etwa
unterscheidet begrifflich Substanz, Akzidenz, Individuum, Gattung
und Art und trifft diese Einteilung nach dem Verhältnis, in dem
Sachen zueinander stehen. Die Naturwissenschaften wiederum interessieren
erneut andere Sacheigenschaften: fest, weich, flüssig oder organisch
und unorganisch, das Atomgewicht oder ihre Zusammensetzung etc.
– Sie sind etwas Gedachtes und verbinden zB eine Mehrheit von Sachen
zu einer begrifflichen Einheit / Kategorie. Der Begriff „Baum” umfasst
alle Bäume, die existieren, die es gab und geben wird. Das können
Buchen, Eichen oder Pappeln sein. – So verhält es sich auch mit
den rechtlichen Sacheinteilungsbegriffen; etwa: beweglich – unbeweglich. | |
Die in § 291 ABGB vorgenommene Sacheinteilung
ist unvollständig. – Heute teilen wir die Sachen ein, in: | Sacheinteilung
ist unvollständig |
Sacheinteilung nach dem ABGB Gesichtspunkte | Bedeutung | Öffentliche – private | > Klare Trennung – Rechtssicherheit | Körperliche – unkörperliche | > Dingliche Rechte: Übertragung | Bewegliche – unbewegliche | > Eigentums- und Gutglaubenserwerb | Herrenlose – nicht herrenlose | > Gebrauchsüberlassung: Miete, Darlehen, Leihe | Vertretbare – unvertretbare | > Stück- und Gattungsschuld; unterschiedliche Gefahrtragung | Schätzbare – unschätzbare | > Insbes Schadenersatz; § 305 ABGB | Verkehrsfähige – verkehrsbeschränkte | > Schusswaffen, Medikamente, Grundverkehr etc | Teilbare – unteilbare | > § 843 ABGB; zB Miteigentum | Einfache Sachen – Sachverbindungen | > Zubehör, Gesamtsache etc |
| |
1. Freistehende
Sachen, öffentliches Gut und Staatsvermögen | |
Als „freistehend” (dh zugänglich zum allgemeinen
Eigentumserwerb!) werden jene Sachen bezeichnet, „welche allen Mitgliedern
des Staates zur Zueignung überlassen sind”; vgl dazu die
§§ 381 ff ABGB. | „…
freistehend“ |
Das ABGB wendet die Lehre von Titel
und Modus (§ 380 ABGB) auch auf den originären Eigentumserwerb
an → KAPITEL 2: Originärer und derivativer
Erwerb. – Der Titel für freistehende Sachen liegt
nach § 381 ABGB in der „angeborenen Freiheit, sie in Besitz zu nehmen”;
Modus ist die „Zueignung, wodurch man sich einer freistehenden Sache
bemächtigt, in der Absicht, sie als die seinige zu behandeln [Kriterien
des Sachbesitzes!]”. – § 382 ABGB stellt klar, dass freistehende
Sachen „von allen Mitgliedern des Staates durch die Zueignung erworben
werden, insofern diese Befugnis nicht durch politische Gesetze eingeschränkt
ist ...”. | Originärer
Erwerb |
 | |
Unter öffentlichem Gut versteht
§ 287 ABGB Sachen, die den Bürgern „nur zum Gebrauche verstattet
werden, als: Landstraßen, Ströme, Flüsse, Seehäfen und Meeresufer”. | Öffentliches
Gut |
Seit 1.11.1934 kann durch Ersitzung Eigentum
an öffentlichem Wassergut nicht mehr erworben werden.
Zuvor erworbene Rechte müssen aber voll gewahrt werden. Das gilt
bspw auch für ein Fischereirecht: OGH 16.7.1998, 6 Ob 195/98i. | |
Unter Staatsvermögen (§
287 Satz 3 ABGB) versteht das Gesetz alles, „was zur [finanziellen] Bedeckung
der Staatsbedürfnisse bestimmt ist, als: das Münz- oder Post- und
andere Regalien, Kammergüter, Berg- und Salzwerke, Steuern und Zölle”. | Staatsvermögen |
Dieser Aspekt wird bei sog Privatisierungen
von Staatseigentum iwS gerne vernachlässigt. Der schon einmal geplante
Verkauf der Österreichischen Bundesforste und von Seen spricht für
sich und ist als plumpe Ideologisierung und einfallslose Geldbeschaffungsaktion
abzulehnen. | |
2. Körperliche
und unkörperliche Sachen | |
Unsere Bestimmung bezeichnet als körperliche
Sachen diejenigen, „welche in die Sinne fallen” (also sinnlich wahrnehmbar
sind), „sonst heißen sie unkörperlich”. – Sinnlich wahrnehmbar ist
zB auch der elektrische Strom oder Computer-Software (str) die demnach
körperliche Sache sind; dazu gleich unten: Beispiele. – Auch die
Besitzregeln des ABGB nehmen immer wieder auf diese Unterscheidung
Bezug; vgl die §§ 311, 312, 314. | §
292 ABGB |
Vgl dazu die Gegenüberstellung von § 292
ABGB und II 1 § 12 WGGB sowie Martinis Entwurf II 1 § 12 → KAPITEL 1: Natur
und Vernunftrecht und ABGB.
Anschaulicher und klarer als § 292 ABGB umschreiben noch Martinis
Entwurf und das WGGB körperliche und unkörperliche Sachen. Das ABGB
ist bereits blasser und abstrakter gefasst, ohne dadurch legistisch
etwas zu gewinnen. Dahinter steht Zeillers Abgehen von Martinis
Prinzip eines Volksgesetzbuchs. | |
 | |
Die Einteilung besitzt Bedeutung,
weil sich die dinglichen Sachenrechte (also jene Rechte, welche „einer
Person über eine Sache ohne Rücksicht auf gewisse [andere] Personen”
zustehen) nach § 307 ABGB nur auf körperliche Sachen beziehen. Nur
an körperlichen Sachen gibt es – wie erwähnt – Eigentum ieS. Nur
für körperliche (bewegliche) Sachen gelten daher die Besitz- und
Eigentumsübertragungsregeln der §§ 426 ff ABGB, während Forderungen
/ Rechte – soweit sie übertragbar sind – durch Zession – eine eigene
Übertragungsart für Forderungen und Rechte – übertragen werden;
§ 1392 ff ABGB → KAPITEL 14: Zession,
Gläubigerwechsel, Forderungsübergang. | Bedeutung
der
Unterscheidung |
| |
Nach
§ 311 ABGB (Gegenstände des Besitzes) können „alle körperliche[n]
und unkörperliche[n] Sachen, welche ein Gegenstand des rechtlichen
Verkehres sind, ... in Besitz genommen werden”. – Zum Rechtsbesitz,
der danach auch an obligatorischen Rechten möglich ist, wenn diese
mit (namhafter) Sachinhabung und einem Gebrauchsrecht verbunden
sind, vgl die §§ 312, 313 ABGB und → KAPITEL 3: Rechtsbesitz. | Rechtsbesitz |
 | |
 | |
 | Abbildung 8.44: Körperliche und unkörperliche Sachen (1) |
|
 | Abbildung 8.45: Körperliche und unkörperliche Sachen (2) |
|
3. Bewegliche
und unbewegliche Sachen | |
Nach
§ 293 ABGB sind bewegliche Sachen (Fahrnis)
solche, „ welche ohne Verletzung ihrer Substanz von einer
Stelle zur andern versetzt werden können ...; im entgegengesetzten
Falle sind sie unbeweglich.” – Dieser Gesichtspunkt kennt aber Ausnahmen.
So gelten Überbauten / Superädifikate stets als bewegliche Sachen → KAPITEL 2: Superädifikate. | |
Die Einteilung in bewegliche
und unbewegliche Sachen ist für unser Sachenrecht die wichtigste.
– Auch für das alte deutsche Recht war sie grundlegend, während
dieser Einteilungsgesichtspunkt für das römische Recht von geringerer
Bedeutung war. | |
Der Erwerb
und Verlust von Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen
ist unterschiedlich geregelt. Für den derivativen / abgeleiteten
Erwerb von Fahrnis gelten die Übergabsregeln der §§ 426 ff ABGB.
Besitz an Liegenschaften kann zwar ebenfalls (außerbücherlich) übertragen
werden, Eigentum an Liegenschaften wird aber grundsätzlich nur durch
Eintragung ins Grundbuch erworben; § 431 ABGB. Wem ein bestimmtes
Grundstück „gehört”, ersieht man aus dem Grundbuch; wem eine bewegliche
Sache gehört, grundsätzlich daran, wer sie „in Händen” hält, sie
besitzt. – Einen gutgläubigen Erwerb nach § 367 ABGB gibt es nur
für bewegliche Sachen. Die §§ 430, 440 ABGB regeln aber den Eigentumserwerb
bei Doppelverkauf an beweglichen und unbeweglichen Sachen. | Bedeutung der
Unterscheidung |
Aber
auch außerhalb des Sachenrechts werden bewegliche und unbewegliche
Sachen unterschiedlich behandelt; vgl etwa die Gewährleistungsfristen des
§ 933 ABGB. Dazu das folgende instruktive Beispiel. | |
|
SZ 39/7 (1966)
Sog Dachfolienfall: Je nachdem, ob jemand die (Dichtungs)Folie
selber kauft (= bewegliche Sache) und selber verlegt, oder ob die
Folie von einem Baumeister im Rahmen von vereinbarten Bauarbeiten
verlegt wird (Errichtung eines Bauwerks = unbewegliche Sache), findet
die kurze 6-monatige oder die lange 3-jährige Gewährleistungsfrist
des § 933 ABGB Anwendung. (Verwendet wurde die Dichtungsfolie, die
sich idF als undicht erwies, im konkreten Fall vom Käufer zum Abdichten
seines Garagenflachdachs.) – Zur Gewährleistung allgemein → KAPITEL 7: Gewährleistung
als ¿Schlecht-Erfüllung¿. | |
|
Grundstücke sind
traditionell strengeren öffentlichrechtlichen, aber auch privatrechtlichen Einschränkungen
ausgesetzt als Fahrnis. Man denke an die nachbarrechtlichen Beziehungen (Immissionen)
oder Grunddienstbarkeiten oder das (Ausländer)Grundverkehrsrecht
oder die Bau- und Raumordnungsgesetze der Länder. | Liegenschaften |
| |
Fahrnis dagegen ist privatrechtlich
idR weniger beschränkt, übrigens auch öffentlichrechtlich, wenn
man von Notzeiten absieht; zB Bewirtschaftungsmaßnahmen für Lebensmittel
oder Treibstoffe. Freilich existieren auch für bestimmte bewegliche
Sachen einengende, den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit ihnen regelnde
Rechtsvorschriften; zB für Medikamente, (Sucht)Gifte, Sprengstoffe,
Waffen, gefährliches Spielzeug oder Kunstgegenstände (zB Ausfuhrverbot)
etc. Dazu → KAPITEL 8: Verkehrsfähige
und nicht verkehrsfähige Sachen: Verkehrsfähigkeit. | Fahrnis |
| Zugehör |
„Sachen, die an sich beweglich sind, werden im
rechtlichen Sinn für unbeweglich gehalten, wenn sie vermöge des Gesetzes
oder der Bestimmung [vgl etwa § 296 ABGB] des Eigentümers das Zugehör
einer unbeweglichen Sache ausmachen.” | |
Das trifft zB zu auf
Vieh oder eingebrachte Ernteerzeugnisse, aber auch Servituten, Reallasten
oder das Jagdrecht. | |
| Gesetzlich als
unbeweglich erklärt sind: |
•
das Baurecht §
6 BauRG → Das
Baurecht) und | |
•
Bergwerksberechtigungen (§ 40
MinroG); | |
•
Zur rechtlichen Behandlung
von Forderungsrechten (etwa in Bezug auf die Verjährung), wenn sie durch
eine Hypothek gesichert wurden → KAPITEL 13: Kurze
oder besondere Verjährung ¿ 3 Jahre. | |
•
Das Liegenschaftszubehör (§
293 ABGB) wurde eben erwähnt. | |
Bei den körperlichen beweglichen
Sachen nehmen die Tiere eine Sonderstellung ein.
Zu erinnern gilt es an § 285a ABGB. | Rechtliche Behandlung von
Tieren |
Eingeteilt werden die
Tiere in: | Einteilung |
• wilde, | |
• zahme und | |
• zahm gemachte. | |
Das sind nach dem ABGB
nur solche, welche sich bei uns im Zustand der natürlichen Freiheit befinden,
und die, wenn sie gefangen sind, ihre Freiheit wieder zu erlangen
streben. Keine wilden Tiere sind daher all jene, die bei uns in
Freiheit gar nicht vorkommen. Tiger und Löwe sind nach österreichischem
Privatrecht keine wilden Tiere, wohl aber Schnecke, Fliege, Wurm
oder Spatz! | |
Die wichtigste Untergruppe der wilden Tiere
bilden die jagdbaren wilden Tiere; Hase, Reh, Gams, Hirsch, Fisch
etc. Sie sind Gegenstand des Jagd- oder Fischereirechts. | Jagdbare
wilde Tiere |
Das
Jagdrecht ist untrennbar mit dem Grundeigentum verbunden. Es ist
in Landesjagdgesetzen geregelt. Das Fischereirecht kommt entweder
als selbständiges dingliches Recht an einem fremdem Gewässer vor
oder als Ausfluss des Eigentumsrechts an einem eigenen Gewässer. | |
In Bezug auf die – auch für
wilde Tiere relevante – Unterscheidung beweglich – unbeweglich vgl
die schöne und berühmte auf K. A. v. Martini zurückgehende Umschreibung
in § 295 ABGB: „Das Gras, Bäume, Früchte und alle brauchbaren Dinge,
welche die Erde auf ihrer Oberfläche hervorbringt, bleiben so lange
ein unbewegliches Vermögen, als sie nicht von Grund und Boden abgesondert
worden sind. Selbst Fische in einem Teich, und das Wild in einem
Walde werden erst dann ein bewegliches Gut, wenn der Teich gefischt,
und das Wild gefangen oder erlegt worden ist.” | |
Das sind sind die Haustiere.
Sie dürfen auch nicht, selbst wenn sie entlaufen sind, in freier Wildbahn
angeeignet werden; etwa eine entlaufene Katze oder ein Hund. Diese
Tiere stehen (noch) in jemandes Eigentum und man kann sie allenfalls
finden (§§ 388 ff ABGB → KAPITEL 2: Arten
des originären Eigentumserwerbs),
sich aber nicht aneignen. | |
Ein „Problem” stellen die vielen derelinquierten,
also von ihren Eigentümern bewusst (!) verlassenen Haustiere dar; vgl
§ 362 iVm § 386 ABGB: „.., oder unbedingt sich derselben begeben,
das ist, sie verlassen.” – Jährlich werden allein in Österreich
tausende Hunde und Katzen ausgesetzt; zB auf Autobahnraststätten.
Sie sind „herrenlos” und daher nicht Gegenstand des Fundes, sondern
der Aneignung. Dennoch erscheint es sinnvoll, auf sie gewisse Fundregeln
analog anzuwenden; zB die §§ 388, 392 ABGB. | |
Bei ihnen ist die Gattung
(noch) wild, das Einzeltier (dagegen) zahm; zB zahmes Reh. Dafür
gilt
§ 384 Satz 2 ABGB: „ ... oder, dass ein zahm gemachtes Tier durch
[42] Tage von selbst ausgeblieben ist, kann sie auf gemeinem Grunde
jedermann; auf dem seinigen der Grundeigentümer für sich nehmen,
und behalten.” Die Regeln der Landesjagdgesetze sind aber zu beachten! | |
|
SZ 57/130 = EvBl
1984/145: Waldschweine – als Kreuzung zwischen
Hausschwein und Wildschwein – brechen aus ihrem Gehege aus und einige
werden idF von Jägern (in Kenntnis der Umstände!) erlegt. – Frage:
Kann der Eigentümer und Tierhalter (§ 1320 ABGB) Ersatz verlangen?
– Die Antwort enthält
§ 384 ABGB: „Häusliche Bienenschwärme und andere zahme oder zahm
gemachte Tiere sind kein Gegenstand des freien Tierfanges [und daher
auch nicht des Jagdrechts!], vielmehr hat der [Eigentümer] das Recht,
sie auf fremdem Grunde zu verfolgen.” – Das Erlegen der Waldschweine
durch Jäger erfolgte daher widerrechtlich und führte zu Recht zur
Schadenersatzverpflichtung der Jäger an den Tierhalter. | |
|
Die Regeln über den Tierfang finden
sich in den §§ 383, 384 ABGB. | Regeln
über den Tierfang |
| Tierhalterhaftung |
Nach
§ 384 Satz 1 ABGB steht dem Eigentümer zahmer oder zahmgemachter
Tiere ein Verfolgungsrecht auch „auf fremdem Grunde”
zu, das nicht der Genehmigung des davon betroffenen Grundeigentümers
bedarf; auf Verfolgungshandlungen sind demnach weder die Besitzstörungsregeln
( → KAPITEL 3: Besitzschutz
¿ Allgemein und → KAPITEL 3: Gerichtlicher
Besitzschutz),
noch die Eigentumsfreiheitsklage des § 523 ABGB ( → Privatrechtliche
Eigentumsklagen – Übersicht)
anzuwenden. Das Gesetz ordnet aber an, dass der Verfolger „dem Grundbesitzer
den ihm … verursachten Schaden” zu ersetzen hat. Diese Haftung wird
im Einklang mit § 1320 ABGB gedeutet, weshalb eine Verschuldenshaftung
angenommen wird; freilich ohne Beweislastumkehr (?). | Verfolgungsrecht |
Meines Erachtens sind die Anspruchsgrundlagen
beider Bestimmungen nicht dieselben! Der Ersatz solcher Schäden umfasst
den gesamten Umfang des § 1293 ABGB, also Personen- und Vermögensschäden.
– Mit Ehrenzweig (SachR 2 139), Klang
(in Klang 2 II 253) und Gschnitzer (SachR 2 62)
ist durch analoge Anwendung unserer Bestimmung ein sachlich sinnvoll
begrenztes allgemeines Sachverfolgungsrecht (durch
ausgeübte Selbsthilfe) anzunehmen; vgl etwa SZ 22/48 (1949): Rückholung
von Ziegeln nach einem Bombenangriff. Inhaltlich einschränkend,
aber ohne Bezug auf § 384 ABGB, SZ 65/145 (1992): Verschlagene Tennisbälle
von einem Tennisplatz – OGH: Nachbar muss das Betreten seines Grundes
durch Spieler nicht dulden. Diese E zeigt die nötige Grenzziehung
zu § 364 ABs 2 letzter Satz ABGB auf; Immissionen: direkte Zuleitung → Unmittelbare
Zuleitung.
– Eine weitere Grenzziehung für das Sachverfolgungsrecht trifft
§ 471 ABGB: Retentionsrecht → KAPITEL 15: Das
Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB. | |
 | |
 | Abbildung 8.46: Bewegliche und unbewegliche Sachen (1) |
|
 | Abbildung 8.47: Bewegliche und unbewegliche Sachen (2) |
|
 | Abbildung 8.48: Bewegliche und unbewegliche Sachen (3) |
|
4. Verbrauchbare
und unverbrauchbare Sachen | |
„Sachen,
welche ohne ihre Zerstörung oder Verzehrung den gewöhnlichen Nutzen
nicht gewähren, heißen verbrauchbare; die von entgegengesetzter
Beschaffenheit aber unverbrauchbare Sachen.” – Kurz: Verbrauchbar ist
eine Sache, deren Gebrauch im Verbrauch liegt;
zB ein Apfel, aber auch Geld. – Das römische Recht sprach von: res,
quae usu consumuntur, also Sachen, die durch ihren Gebrauch verzehrt
werden. | § 301 ABGB: |
Ob
eine Sache verbrauchbar oder unverbrauchbar ist, bestimmt vornehmlich
die Verkehrssitte (objektiv); Papiertaschentücher
sind danach verbrauchbar, auch wenn man sich zwei oder drei Mal hineinschnäuzen
kann, Stofftaschentücher dagegen nicht. – Die Parteien könnten aber
zB ausnahmsweise eine verbrauchbare Sache auch als unverbrauchbar
behandeln; in diesem Fall weicht der Parteiwille von der Verkehrssitte
ab: etwa Lebensmittel – wie schönes Obst oder Pilze – werden zu
Ausstellungszwecken verwendet. | Verkehrssitte |
 | |
Bestimmte
Vertragstypen, nämlich Leihe, Miete und Pacht setzen unverbrauchbare
Sachen voraus, weil dieselbe Sache zurückzustellen ist. Sind dagegen
– wie beim Darlehen – Sachen derselben Art und Güte zurückzustellen,
können grundsätzlich nur verbrauchbare Sachen verwendet werden;
vgl den Text des § 983 ABGB: Darlehen. Der Kauf umschließt beide
Kategorien. | Bedeutung der
Unterscheidung |
 | |
 | Abbildung 8.49: Verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen |
|
5. Vertretbare
und unvertretbare Sachen | |
Das ABGB kennt diese Unterscheidung (noch) nicht;
es begnügte sich mit der in verbrauchbare und unverbrauchbare Sachen. | |
Das
sind jene Sachen, die im rechtsgeschäftlichen Verkehr nach Maß,
Zahl oder Gewicht bestimmt werden. Die Glossatoren sprachen
von res fungibiles et infungibiles und umschrieben erstere mit:
res, quae pondere numero, mensura constant. – Vertretbare Sachen
weisen nur generelle, der Art oder Gattung nach bestimmte Eigenschaften
auf; zB Geld, Getreide, Obst, Olivenöl. Die einzelnen Stücke oder
Mengen unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander. Es fehlen brauchbare
individuelle Kriterien der Abgrenzung. – Vertretbare Sachen sind
daher austauschbar. | |
Das spielt im Gewährleistungsrecht eine
Rolle: § 9 Z 1 KSchG bestimmt, dass sich „der Unternehmer
bei einer Gattungsschuld von den Ansprüchen auf
Aufhebung des Vertrags oder auf angemessene Preisminderung dadurch befreien
[= freizeichnen] kann, dass er in angemessener Frist die mangelhafte
Sache gegen eine mängelfreie austauscht.” | |
Umgekehrt verhält es sich bei unvertretbaren Sachen.
Sie weisen jeweils individuelle Eigenschaften,
besondere Kennzeichen (certa species) auf und sind nicht nur
gattungsmäßig umschrieben und daher nicht gegen andere austauschbar. | |
 | |
 | |
Ob etwas vertretbare
oder unvertretbare Sache ist, bestimmt grundsätzlich wiederum die Verkehrssitte / Verkehrsauffassung:
Der Parteiwille kann aber davon abweichend (im
Einzelfall) etwas anderes festlegen; dh, er kann eine nach der Verkehrssitte
vertretbare Sache als unvertretbar und umgekehrt behandeln. | Verkehrsauffassung |
 | |
Vertretbare Sachen
begründen idR – dh nach der Verkehrsauffassung – eine Gattungs-
oder Genusschuld, unvertretbare dagegen eine Stück- oder Speziesschuld.
Die Unterscheidung ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil die
Gefahrtragung für Stück- und Gattungsschulden verschieden ist; dazu
gleich mehr. | Bedeutung der
Unterscheidung |
Auf § 9 Z 1 KSchG wurde eben eingegangen: Austauschrecht
des Unternehmers bei Gattungsschulden im Rahmen der Gewährleistung.
– Zum Stück- oder Gattungskauf → KAPITEL 2: Stück-
und Gattungskauf.
– Vgl auch § 360 HGB: „Wird eine nur der Gattung nach bestimmte
Ware geschuldet, so ist Handelsgut mittlerer Art und Güte zu leisten.” | |
 | |
 | |
Von beschränkter Gattungsschuld wird
gesprochen, wenn die Gattung wiederum unterteilt werden kann, und
die vereinbarte Leistung aus einem solchen beschränkten / begrenzten
Vorrat erbracht werden soll, was im Rechtsleben praktische Bedeutung
besitzt; etwa: Bier (Gattung), hell / dunkel, Märzen / Weizen, österreichisches
/ deutsches, Marke: Fohrenburger / Weihenstephaner usw. – Je beschränkter
die Gattungsschuld, umso leichter erschöpft sie sich – zufällig
oder verschuldet – iS eines Unmöglichwerdens der Leistung. Der Schuldner
wird bei zufälligem Untergang – anders als bei normalen Gattungsschulden
– von seiner Leistungspflicht befreit; § 1447 ABGB → KAPITEL 7: Nachträgliche
Unmöglichkeit.
Es trifft ihn auch keine weitere Beschaffungspflicht; vgl Lemppenau, Gattungsschuld
und Beschaffungspflicht (1972). | Beschränkte
Gattungsschuld |
Unterschiedliche Gefahrtragungsregeln
für Stück- und Gattungsschulden: Zu unterscheiden sind
hier die Begriffe der Leistungs- und der Preisgefahr: | Gefahrtragungsregeln
für Stück- und
Gattungsschulden |
Geklärt
werden muss zunächst der hier verwendete Gefahrbegriff.
Er betrifft die rechtliche Risikoverteilung (zwischen den Parteien)
und zwar zwischen Vertragsschluss und vereinbartem Erfüllungszeitpunkt;
und zwar für den Fall des zufälligen (also des
nicht verschuldeten) Untergangs oder einer Verschlechterung des
Leistungsgegenstands. Zu verschuldeter Unmöglichkeit der Leistung → KAPITEL 7: Nachträgliche
Unmöglichkeit.
– Zu den Gefahrtragungsregeln bei Kauf und Tausch → KAPITEL 2: Gefahrtragung
bei Kauf und Tausch. | Gefahrbegriff |
•
Die Leistungsgefahr beantwortet
die Frage, ob der Schuldner bei zufälligem Untergang oder zufälliger
Verschlechterung des Leistungsgegenstands (zwischen Vertragsschluss
und vereinbarter Übergabe!) die Leistung erneut, also noch einmal
erbringen muss. | |
 | |
Bei Gattungsschulden ist also (bis zur Übergabe oder Konzentration dazu
gleich unten) grundsätzlich das mangelhafte oder zerstörte Stück
durch ein einwandfreies (zu Lasten des Schuldners) zu ersetzen.
Denn: Leistungsinhaltsind nicht bestimmte, individualisierte
(Einzel)Stücke, sondern bloß eine der Gattung nach bestimmte Ware. | |
Auf § 9 Z 1 KSchG wurde hingewiesen. | |
Die Preisgefahr beantwortet
die Frage, wer den finanziell-wirtschaftlichen Nachteil aus dem
zufälligen Untergang oder der zufälligen Verschlechterung des Leistungsgegenstands
(wiederum zwischen Vertragsschluss und vereinbarter Übergabe) zu
tragen hat. Kurz: Wer den „Preis” der zufälligen Verschlechterung
oder den wirtschaftlichen Nachteil am zufälligen Untergang des Leistungsgegenstands
trägt. Die Preis- oder Gegenleistungsgefahr trägt bei Stück- und
bei Gattungsschulden (vor vereinbarter Übergabe) jeweils der (Sach)Schuldner,
also zB der Verkäufer. | |
Zur Frage des Gefahrübergangs beim Gläubigerverzug gleich
unten: Konzentration. | |
 | Abbildung 8.50: Gefahrtragung bei Stück- und Gattungsschuld |
|
Auch
bei Gattungsschulden kommt aber einmal der Zeitpunkt der konkreten
Leistung(svorbereitung und -erbringung) und damit ihrer Einengung
auf (ein) bestimmte/s Stück/e oder eine bestimmte Menge der Gattung;
Auswahl des Geschuldeten (durch den Schuldner) aus der Gattung. Etwa:
Kohle oder Öl wird für die Erfüllung in Säcke / Kanister abgefüllt,
andere Ware in entsprechender Menge verpackt usw. Man nennt diese
(konkrete) Auswahl der geschuldeten Leistung(smenge) aus der Gattung,
um erfüllen zu können: Konzentration oder Konkretisierung
der Leistung. Die Gefahr geht aber grundsätzlich auch noch
nicht mit diesem Auswahl- oder Konzentrationsakt auf den Gläubiger
über. Schuldbefreiend und gefahrüberbürdend wirkt die Konzentration vielmehr
erst: | Konzentration
oder
Konkretisierung |
•
mit ordnungsgemäßer
Erbringung der Leistung, also korrekter Erfüllung (zB
körperliche Übergabe); | |
•
aber auch dann, wenn
der Gläubiger in Annahmeverzug gerät; zB die ihm
vom Schuldner ordnungsgemäß angebotene Leistung nicht annimmt. | |
Nur in diesen
(beiden) Fällen geht die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der
zufälligen Verschlechterung der geschuldeten Leistung auf den Gläubiger
über. Es sei denn, es wurde etwas anderes vereinbart. | |
Zu bedenken ist aber hier,
dass der rechtstechnische Akt der Übergabe – und damit häufig auch
die Gefahrtragung – auch durch Erklärung (§ 428 ABGB), also bloß
durch Vereinbarung (dh ohne reale Übergabe) erfolgen kann. Das wird
immer wieder vertraglich vereinbart. In Liegenschaftskaufverträgen
findet sich häufig die Formulierung: „Die Übergabe und Übernahme
der verkauften Liegenschaft in den Besitz und Genuss des Käufers
ist heute mit Vertragsfertigung erfolgt, womit auch die Gefahr des
Zufalls hinsichtlich der Kaufliegenschaft auf den Käufer übergegangen ist.”
– Das Eigentum an Liegenschaften wird jedoch erst durch Verbücherung
übertragen! | |
| |
 | |
 | |
Eine weitere Konsequenz
der Unterscheidung in vertretbare und unvertretbare Sachen ist die,
dass die Eigentumsklage des § 366 ABGB ( → Privatrechtliche
Eigentumsklagen – Übersicht)
grundsätzlich nur auf die Herausgabe unvertretbarer Sachen gerichtet
sein kann; vgl die §§ 370, 371 ABGB. – Eine Ausnahme bildet aber
die sog Mengenvindikation; zB Bauer X lässt 20
Tonnen seines Getreides im (Genossenschafts)Lagerhaus verwahren.
X steht ein Herausgabeanspruch im Ausmaß von 20 Tonnen (freilich nicht
„seines” Getreides) zu. Er kann dies mit der rei vindicatio begehren. | |
 | |
 | Abbildung 8.51: Vertretbare und unvertretbare Sachen |
|
 | Abbildung 8.52: Stück- oder Gattungsschuld? |
|
6. Teilbare und
unteilbare Sachen | |
Den wichtigen normativen Einteilungsgesichtspunkt
dieser Sachkategorie enthält § 843 ABGB: „Kann eine ... Sache entweder
gar nicht oder nicht ohne beträchtliche Verminderung des Wertes geteilt
werden”, so sprechen wir von unteilbaren, andernfalls von teilbaren
Sachen. – Es kommt also nicht auf die physikalisch-technische Teilbarkeit
einer Sache an, die heute nahezu immer gegeben wäre, sondern auf
eine rechtlich-wirtschaftliche Betrachtung. | §
843 ABGB |
 | |
Mitunter erklärt die
Rechtsordnung an und für sich teilbare Sachen für unteilbar. | |
So ist bestehendes Wohnungseigentum nach
§ 8 WEG 1975 (= § 12 WEG 2002) unteilbar; Ausnahme: Nach § 9 ff
WEG 1975 konnte gemeinsames Wohnungseigentum für Ehegatten begründet werden
(sog Ehegatten-Wohnungseigentum), nunmehr besteht die erweiterte
Möglichkeit, eine sog Eigentümerpartnerschaft zu schaffen: §§ 13-15
WEG 2002 → Die
Eigentümerpartnerschaft/ETü-P: §§ 13-15 WEG. – In Tirol sind geschlossene Höfe unteilbar.
– Anders als Wohnungseigentum ist schlichtes Miteigentum aber teilbar;
vgl § 830 iVm §§ 841 ff ABGB. Die Teilung von Miteigentum kann in
natura erfolgen; man spricht dann von Realteilung.
Einigen sich die Miteigentümer aber nicht auf eine Real- / Naturalteilung,
kommt es zur Zivilteilung, was Teilung des Erlöses
aus öffentlicher Feilbietung bedeutet → Schlichtes
oder ideelles Miteigentum Teilbarkeit
kann aber auch in Bezug auf die Gebrauchsmöglichkeit angenommen werden;
zB Teilung eines gemeinsamen Ferienhauses oder eines Kraftfahrzeugs
der Zeit nach: A im Juli, B im August oder das Kraftfahrzeug an
bestimmten Wochentagen. | Beispiele:
Wohnungseigentum etc |
Aber nicht nur Sachen ieS, auch (Dienst) Leistungen und Rechte können
teilbar oder unteilbar sein. | Dienstleistungen
und Rechte |
Nur bei teilbarer Leistung
bestehen die Möglichkeiten einer Teilerfüllung und
des Teilverzugs (zB Verspätung mit der dritten
Öllieferung) iSd § 918 Abs 2 ABGB oder der Teilunmöglichkeit iSd
§§ 878, 920, 1447 ABGB und als Konsequenz davon des Teilrücktritts.
Vgl auch → KAPITEL 2: ¿Teil¿-Leistungen: Teilleistungen beim Kaufvertrag. | Bedeutung der
Unterscheidung |
| |
An die gesetzlich mitunter statuierte Unteilbarkeit wird
erinnert. | |
 | Abbildung 8.53: Teilbare und unteilbare Sachen |
|
7. Schätzbare
und unschätzbare Sachen | |
„Schätzbare Sachen sind diejenigen, deren
Wert durch Vergleichung mit andern zum Verkehre bestimmt werden
kann; darunter gehören auch Dienstleistungen, Hand- und Kopfarbeiten.
Sachen hingegen, deren Wert durch keine Vergleichung mit andern
im Verkehre befindlichen Sachen bestimmt werden kann, heißen unschätzbare”;
§ 303 ABGB. | §
303 ABGB |
Zu Dienstleistungen sowie Hand-
und Kopfarbeiten vgl auch → Weiter
Sachbegriff des § 285 ABGB Dies
ist so zu verstehen: Dienstleistungen sind zwar als Teil der Person
rechtlich nicht Objekt / Ware, können aber von Arbeitnehmern dennoch
zugesagt werden. Das Ergebnis der zugesagten Leistung ist schätzbar
und kann daher entgolten werden. Zu den verschiedenen Formen von
Dienstleistungen iSd § 303 ABGB → KAPITEL 2: Kaufgegenstand. | Dienstleistungen |
 | |
Das ABGB behandelt im Rahmen der
Schätzbarkeit von Sachen die Frage von Wert und Preis einer Sache;
vgl §§ 304-306 ABGB. – § 304 ABGB: „Der bestimmte Wert einer Sache
heißt ihr Preis”. Wichtig ist vor allem der sog gemeine Wert; §
305, 1. HalbS ABGB: „Wird eine Sache nach dem Nutzen geschätzt,
den sie mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein
leistet, so fällt der ordentliche und gemeine Preis aus ....” Es
handelt sich um den Wert für jedermann; außer Betracht bleiben hier
besondere Verhältnisse (= außerordentlicher Preis). | Wert
und Preis:
gemeiner Wert |
 | |
Die rechtliche Bedeutung des
gemeinen Wertes liegt vor allem im Schadenersatzrecht.
Für den Ersatz von Vermögensschäden statuiert § 1332 ABGB: „Der
Schade, welcher aus einem mindern Grade des Versehens oder der Nachlässigkeit
verursacht worden ist, wird nach dem gemeinen Werte, den die Sache
zur Zeit der Beschädigung hatte, ersetzt.” | Bedeutung
des gemeinen Wertes |
| |
 | |
 | Abbildung 8.54: Schätzbare und unschätzbare Sachen |
|
8. Verkehrsfähige
und nicht verkehrsfähige Sachen | |
Vgl die Formulierungen: §§ 311, 653, 878,
880, 920, 1048, 1447 ABGB. | |
Der Großteil der Sachen
unterliegt hinsichtlich ihrer Verkehrsfähigkeit keinerlei rechtlichen Beschränkungen.
Über sie kann unbeschränkt rechtsgeschäftlich (unter Lebenden und
letztwillig) verfügt werden. Sie sind uneingeschränkt Objekte des
Rechtsverkehrs; sog res intra commercium. Manche Sachen stehen aber
ganz oder doch teilweise außerhalb des Rechtsverkehrs (res extra
commercium); zB – noch – die freie Luft. Einschlägige Sonderregeln
enthält die EO: zB § 250 EO (Ausschluss der Exekution auf Reliquien
oder Kirchengeräte) oder § 251 EO: „Der Exekution sind ferner entzogen:
...”. | res
intra und extra commercium |
Das Vorbild, dass nicht alles in Exekution
gezogen werden kann, vielmehr manches der Exekution entzogen ist, stammt
aus dem alten Griechenland. | |
Daneben kennt das Verwaltungsrecht manche Verkehrsbeschränkung.
So war nach dem TabakmonopolG 1996 der Kleinhandel mit Tabakerzeugnissen
den Trafikanten vorbehalten; § 40 leg cit statuierte von dieser
Regel nur eine Ausnahme zugunsten von Gaststätten. | |
| Unpfändbare Sachen – Beispiele: § 251 EO |
 | |
Beschränkt
verkehrsfähig sind: Alkohol, Drogen, bestimmte Chemikalien,
Gifte, Medikamente (Rezeptpflichtigkeit!), Waffen(bezug) nur mit
Waffenschein; Sprengstoffe, landwirtschaftlich genutzte Liegenschaften
(Grundverkehr, Ausländergrunderwerb), Sachen unter Denkmalschutz (können
zB nur mit Genehmigung des Bundesdenkmalamtes ins Ausland verkauft
werden – etwa eine berühmte Gemäldesammlung wie die Sammlung Leopold)
usw. | Beispiele |
Beschränkungen im Hinblick auf den Vertrieb
alkoholischer Getränke und Tabak an Jugendliche bis
zum vollendeten 16. Lebensjahr enthalten die Landes-JugendschutzG;
vgl § 18 Tiroler JugendschutzG, LGBl 1994/4. | |
Beschränkungen der Verkehrsfähigkeit enthalten
nicht nur Gesetze, sondern können auch durch den Richter oder rechtsgeschäftlich –
zB durch Vertrag oder Testament – erfolgen; vgl § 364c ABGB: Vertragsmäßiges
oder letztwilliges Veräußerungs- oder Belastungsverbot. | Beschränkungen
durch den Richter oder
Rechtsgeschäft |
Das Veräußerungs- oder Belastungsverbot
des § 364c ABGB kann für Sachen oder dingliche Rechte – vertraglich
oder letztwillig, aber auch gesetzlich oder richterlich – begründet
werden. Es verpflichtet nur den „ersten Eigentümer”, nicht seine
Erben oder sonstige Rechtsnachfolger. Gegen Dritte wirkt es, wenn
es innerhalb eines bestimmten Personenkreises begründet (zB zwischen
Ehegatten, Eltern und Kindern oder deren Ehegatten) und ins Grundbuch
eingetragen wird. Es verhindert dann jede vertragliche oder exekutive
Übertragung oder Belastung der Sache. Es ist ein höchstpersönliches
Recht. | Veräußerungs-
oder Belastungsverbot des
§ 364c ABGB |
Nach § 76 Abs 2 Satz 3 GmbHG sind im Gesellschaftsvertrag
Veräußerungsbeschränkungen für GmbH-Geschäftsanteile möglich. In
diesem Fall ist deren Übertragung von der Zustimmung der anderen
Gesellschafter abhängig. | |
|
SZ 69/158 (1996): Wird im Rahmen
des nachehelichen Aufteilungsverfahrens nach den §§ 81 ff EheG ( → KAPITEL 16: Die
Auflösung der Ehe)
eine (Liegenschafts)Eigentumsübertragung vereinbart, steht dem ein
einverleibtes Vorkaufsrecht (§§ 1072 ff ABGB → KAPITEL 2: Das Vorkaufsrecht)
nicht entgegen, weil es sich um keinen Liegenschaftsverkauf handelt;
wohl aber ein einverleibtes Veräußerungsverbot, weil dieses jede Übertragung
der Sache ausschließt. | |
|
 | Abbildung 8.55: Verkehrsfähige – nicht verkehrsfähige Sachen |
|
 | Abbildung 8.56: Veräußerungs- und Bealstungsverbot |
|
9. Zugehör
– Rechtliche Zusammengehörigkeit von Sachen; sog Sachverbindungen | |
Wir kommen nun zu einem schwierigen
Kapitel des Sachbegriffs, dem sog Zugehör iSd §
294 ABGB, also der in den §§ 294-297a ABGB behandelten rechtlichen
Zusammengehörigkeit von Sachen. – Das Problem der rechtlichen Zusammengehörigkeit
von Sachen wird vom ABGB vornehmlich in Zusammenhang damit gebracht,
ob eine Sache durch ihre Verbindung mit Grund und Boden unbeweglich
ist oder wird: zB ein Haus (römisches Recht: superficies solo cedit),
oder ob eine bisher mit Grund und Boden verbundene Sache (zB Gras,
Baum, Apfel am Baum) durch ihre Trennung beweglich wird. | |
| |
Der
Sacheinteilungsgesichtspunkt für körperliche Sachen in einheitliche (zB
Stein, Tier, im römischen Recht: Sklave), zusammengesetzt
verbundene (zB Haus, Fahrrad) und zusammengehörig getrennte
Sachen (zB Bibliothek, Herde; § 302 ABGB → Gesamtsachen)
stammt aus der Stoa (Chrysippos) und wirkte im ABGB und dtBGB (§
93) nach. | Rechtsgeschichte |
 | Abbildung 8.57: Einfache Sachen – Sachverbindungen |
|
Unter Zugehör
versteht
das ABGB in § 294 – weit und flexibel – alles, „was mit einer Sache
in fortdauernde Verbindung gesetzt wird.” Dahin zählt es „nicht
nur [den natürlichen] Zuwachs [zB Apfel / Birne
am Baum, Kartoffeln im Feld oder Salat im Garten etc] einer Sache
solange er von derselben nicht abgesondert ist; sondern auch die Nebensachen,
ohne welche die Hauptsache nicht gebraucht werden kann, oder die
das Gesetz, oder der Eigentümer zum fortdauernden Gebrauche der
Hauptsache bestimmt hat”. | Einteilung
des Zugehör iSd ABGB |
Die auf K. A. v. Martini zurückgehenden §§ 295,
296 und 297 ABGB bringen in schöner Sprache anschauliche Beispiele! | |
 | |
Erinnern wir uns an die
zentrale Aufgabe des Sachenrechts: Sachgüterzuordnung! Auch die
hier aufgeworfenen Fragen besitzen praktische Bedeutung für die
dingliche Zuordnung von Sachen. So stellt sich die Frage: Wem gehört
eine mit einer anderen zusammenhängende Sache? Zum Beispiel ein
eingebautes, aber noch nicht bezahltes Autoradio. Wer ist (ihr)
Eigentümer? Dieselbe Frage lässt sich für das Pfandrecht stellen!
– Oder: Gehört die (verlegte) Wasserleitung oder Zentralheizung
dem Hausherrn, das Hotel(zimmer)mobiliar dem Hotelier oder dem Lieferanten,
wenn diese „Sachen” noch nicht bezahlt wurden und daran bspw ein
Eigentumsvorbehalt begründet wurde? Dazu gleich mehr. – Wir sehen,
dass es sich dabei um praktisch wichtige Fragen handelt. | |
Die
rechtliche Zusammengehörigkeit von Sachen, ihre sachenrechtliche
Verbindung kann verschiedenartig sein; nämlich körperlich oder/und wirtschaftlich. | Unterschiedliche sachenrechtliche Verbindung |
•
Körperlich:
Feld und Kraut / Rübe / Kartoffel; Getreidefeld, Baum und Apfel;
Haus und verlegte Lichtleitungs- oder Zentralheizungsrohre; die
Seiten eines Buches; Auto und Autoradio / -telefon usw. | |
•
Wirtschaftlich: Anzug / Kostüm
oder Hose und Sakko, Jacke und Rock; Bauernhof und Vieh / Maschinen
/ Werkzeug; Unternehmen und Lkw’s / Büroeinrichtung / Warenlager. | |
•
Körperlich + wirtschaftlich:
Häufig stehen Sachen sowohl in körperlichem, als auch in wirtschaftlichem
Zusammenhang! So die Teile eines Fahrrads / Autos oder die Hardware
eines Computers, aber auch die installierte Zentralheizung oder
die fest verankerte Offsettdruckmaschine einer Druckerei. | |
Sachen
stehen zueinander aber auch im Verhältnis von Haupt- und Nebensache
( → Neuere
Einteilung des Zugehörs: Zugehör), also im Verhältnis von Über-
und Unterordnung; zB Feld und Rübe, Bauernhof und Vieh, Unternehmen
und PC / Lkw. – Oder die Sachen sind einander gleichwertig zugeordnet
= Verhältnis von Hauptsache zu Hauptsache im Rahmen einer rechtlichen
Zusammengehörigkeit von Sachen: So die Seiten eines Buchs, von Hose
und Sakko oder einem Paar Schuhe oder Schi. | Haupt- und Nebensache |
Die Unterscheidung in Haupt- und Nebensache
beschränkt sich aber nicht auf die Beziehung einer unbeweglichen Sache
zu einer beweglichen; auch bewegliche Sachen können Nebensache einer
anderen beweglichen Hauptsache sein; zB Kasten und Schlüssel, Bild
und Rahmen, Pkw und Radio, Uhr und Uhrband, PC und Programm / Diskette etc. | |
10. Neuere
Einteilung des Zugehörs | |
Das ABGB gebraucht den Terminus
„Zugehör” nicht konsequent, sondern sowohl als
Oberbegriff für Bestandteile und Zubehör (vgl §§ 294 ff ABGB), als
auch (vgl § 1047 ABGB) als Synonym für Zubehör.
– In Anlehnung an die Terminologie der §§ 93 ff dtBGB wurde daher
eine konsequentere Begrifflichkeit üblich. | |
Heute teilen wir das Zugehör ein in: | |
•
Bestandteile = mit körperlichem Zusammenhang
(a) und | |
•
Zubehör =
ohne körperlichen, dafür aber mit wirtschaftlichem Zusammenhang
(b). | |
Bestandteile werden wieder in selbständige und unselbständige unterteilt. | |
Bestandteile
sind zwar körperlich mit einer anderen Sache verbunden, aber – anders
als die selbständigen – so eng oder fest, dass sie ohne Zerstörung
ihres wirtschaftlichen Wertes nicht mehr abgetrennt werden können.
Die Sachverbindung ist so eng, dass eine Sache aufhört, rechtlich
eine selbständige Sache zu sein und – wirtschaftlich betrachtet
– in der andern Sache aufgeht. | Unselbständige Bestandteile |
 | |
Unselbständige
Bestandteile sind daher nicht sonderrechtsfähig! Sie teilen das
rechtliche „Schicksal” der Hauptsache! Dh: Wird tapeziert, werden
Zentralheizungsrohre verlegt, kann sich der Lieferant / Bauausführende
an diesen Materialien sicherungsweise zB nicht das Eigentum vorbehalten,
also einen Eigentumsvorbehalt begründen. Er muss, will er Sicherheit
erlangen, andere dingliche oder obligatorische Sicherheiten wählen! → KAPITEL 15: Überblick. | Rechtsfolge |
 | Abbildung 8.58: Zugehör = Rechtliche Zusammengehörigkeit von Sachen |
|
Sie sind ebenfalls körperlich mit einer
anderen Sache verbunden, aber ohne erheblichen wirtschaftlichen
Wertverlust wieder trennbar. | Selbständige
Bestandteile |
 | |
Selbständige Bestandteile sind sonderrechtsfähig;
dh an ihnen können, trotz körperlicher Verbindung mit anderen Sachen
(beweglichen oder unbeweglichen) dingliche Rechte begründet und erhalten
werden; sei es ein Eigentumsvorbehalt oder ein Pfandrecht. – Es
ist also möglich, dass ein Autohändler, der sog Auto’zubehör’ verkauft,
sich daran das Eigentum vorbehält, sei es am Autoradio, den neuen
Reifen oder der Batterie. Gleiches gilt für die Stereoanlage im
Wohnzimmer. | Rechtsfolge
/ Konsequenzen: |
Rechtlich gesehen handelt es sich beim umgangssprachlich
so (dh rechtsterminologisch falsch) bezeichneten Auto’zubehör’ idR
um selbständige Bestandteile! – Zum Gutglaubenserwerb (§ 367 ABGB)
bei unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren → Gutgläubiger
Eigentumserwerb Die
Rspr verlangt eine Nachforschungspflicht! | |
Das sind Sachverbindungen ohne (oder
doch nicht notwendig mit) körperlichen, aber jedenfalls mit wirtschaftlichem Zusammenhang. | Zu b) Zubehör
/ Pertinenz: |
|
§ 97 Abs 1 dtBGB | |
„Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile
der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache
zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen
Verhältnisse stehen. Eine Sache ist nicht Zubehör, wenn sie im Verkehre
nicht als Zubehör angesehen wird.” | |
|
Man kann auch sagen, dass es sich beim Zubehör
um Nebensachen handelt, ohne welche die Hauptsache nicht
– oder doch wirtschaftlich nicht so gut / effizient – gebraucht
werden kann, oder die das Gesetz oder der Eigentümer zum fortdauernden
Gebrauch der Hauptsache bestimmt (= gewidmet) haben; § 294 ABGB.
§ 297 ABGB spricht von Sachen, „die zum anhaltenden Gebrauche eines
Ganzen bestimmt sind”. Beim Zubehör handelt es sich also um körperlich
selbständige (Neben)Sachen, die zur Hauptsache in einem räumlichen
Naheverhältnis stehen und das Zubehör(stück) vom Eigentümer dazu
bestimmt / gewidmet wurde, der besseren wirtschaftlichen Nutzung
der Hauptsache zu dienen. | |
§ 296 ABGB bringt Beispiele:
Getreide, Holz, Viehfutter, eingebrachte oder geerntete Erzeugnisse,
Vieh, Werkzeuge und Gerätschaften. – Das Warenlager ist Zubehör
des Unternehmens (SZ 42/181 [1969]), die (Hotel)Einrichtung Zubehör
des Hotels; Lkw’s, (Firmen)Pkw’s, eine Büroeinrichtung (samt EDV-Anlage)
sind zB Zubehör eines Großhandelsunternehmens. | |
Zum besseren Verständnis wird auch beim Zubehör zwischen: | |
•
Haupt-
und | |
•
Nebensache unterschieden. | |
Hauptsache kann sowohl eine unbewegliche wie
eine bewegliche Sache sein; und umgekehrt kann Nebensache
eine bewegliche oder unbewegliche Sache sein. Die größte Bedeutung
in der Praxis spielen heute teure bewegliche Sachen (zB Lkw’s, Traktoren,
überhaupt Landmaschinen, EDV-Anlagen, Werkzeug, teure technische
Geräte) als Liegenschaftszubehör. Eine Liegenschaft, die als Abstell-
oder Lagerplatz eines Unternehmens verwendet wird, ist – obwohl
unbewegliche Sache – Nebensache der Gesamtsache Unternehmen. | |
Die drei
Kriterien für die Zubehöreigenschaft: | Kriterien der
Zubehöreigenschaft |
Die Zubehöreigenschaft wird nur erlangt, wenn folgende Voraussetzungen
kumulativ vorliegen: | |
•
Die (Zubehör)Sache muss
dem dauernden Gebrauch der Hauptsache bestimmt
sein; sog Widmung (sakt). | |
 | |
•
Eigentümer- oder
doch Berechtigten-Identität zwischen Haupt- und
Nebensache. Ein Eigentumsvorbehalt verhindert demnach das Entstehen
von Zubehör (zur Spezialvorschrift des § 297a ABGB → §
297a ABGB – Der „Maschinenparagraph”),
obwohl die Sache zB bereits dem Liegenschaftseigentümer wirtschaftlich dient;
zB Traktor des Bauern. Es besteht aber gleichsam eine Zubehörlatenz,
iS einer dinglichen Anwartschaft auf Erlangung des Zubehörstatus
nach Erlöschen des Eigentumsvorbehalts. | |
•
Räumliches Naheverhältnis und tatsächliche
Zweckdienlichkeit für die Hauptsache; zB Werkzeug einer
Gärtnerei, Traktor oder Mähdrescher eines Bauern, PC oder Lkw eines
Unternehmens, Hausbesorgerwohnung in einer WE-Gemeinschaft. | |
Auch Rechte (!)
können Zubehör (einer Hauptsache) sein; zB die einem Grundstück
oder Unternehmen dienende Servitut; oder die Mietrechte, Gewerbeberechtigungen,
Patente oder Urheberrechte eines Unternehmens, das als organisierte
Erwerbsgelegenheit eine Gesamtsache iSd § 302 ABGB ist → Gesamtsachen –
Auch dafür gelten die „3 Kriterien”. | |
Wie selbständige Bestandteile
ist auch Zubehör
sonderrechtsfähig;
es teilt nur im Zweifel das rechtliche Schicksal der Hauptsache. | Rechtsfolge
und Bedeutung von Zubehör |
Wie ist zu entscheiden,
wenn ein Lieferant eine Sache unter Eigentumsvorbehalt liefert,
die (wirtschaftlich) zum fortdauernden Gebrauch der Hauptsache dient?;
zB ein Möbelhaus oder Möbeltischler liefern eine komplette Caféhaus-
oder Hotel(zimmer)einrichtung? Haftet hier die Hotel- oder Gasthofeinrichtung
auch den Hypothekargläubigern der Liegenschaft? Oder kann der Möbelhändler
/ -tischler, der auf Kredit verkauft, einen Eigentumsvorbehalt (an
der gelieferten Ware) gültig begründen und später (allenfalls) auch
geltend machen, selbst wenn die Liegenschaft vorher (schon) hypothekarisch
belastet war? | „Zubehör”
als (eigene) Kreditgrundlage? |
In einem derartigen
Fall entsteht – wie wir sehen werden – keine Zubehöreigenschaft
an der Hotel- oder Gasthofeinrichtung, vorausgesetzt es wird ein
Eigentumsvorbehalt begründet. Es mangelt am Vorliegen der „3 Zubehörs-Kriterien”!
Hier fehlt die Eigentümeridentität. | |
Der OGH hat die ursprüngliche Streitfrage in
SZ 20/98 (1938) zugunsten der Vorbehaltseigentümer entschieden: „Bewegliche
Sachen, die nicht dem Eigentümer der Liegenschaft gehören, mit welcher
sie nach dem äußeren Tatbestand in jener dauernden Verbindung stehn,
in der Hilfssachen zur Hauptsache zu stehn pflegen, sind ... nicht
Liegenschaftszugehör und gelten auch gegenüber Erwerbern eines dinglichen
Rechtes an der Liegenschaft [insbesondere Hypothekargläubigern!]
nicht als Liegenschaftszugehör.” | |
Auch in dieser E
des OGH ging es um Hotelmobiliar. Dieses Verständnis
kommt kreditierenden Mobiliargläubigern – in unserem Beispiel dem
Möbeltischler – entgegen und sichert diese gegenüber allfälligen
Hypothekargläubigern ab. Diese Meinung stärkt (!) die Kreditbasis
von Hoteliers, Gasthaus- oder Kaffeehausbesitzern etc, weil auch
geliefertes Mobiliar – und nicht nur die Liegenschaft! – zu einer
weiteren von der Liegenschaft unabhängigen Kreditgrundlage wird. | Hotelmobiliar |
Konsequent ist das eigentlich nicht, aber
wirtschaftlich sinnvoll. – Nicht zu übersehen ist allerdings, dass
diese Rechtslage Unternehmen zu einer Überschuldung verleiten kann,
was die marode österreichische Tourismusbranche bestätigt. | |
Bei Überschuldung,
dh Überspannung des Kredits kommt es uU zur Kollision zwischen Liegenschafts- / Hypothekar-
und Fahrniskredit. Der Hotelier hat in unserem
Beispiel – zeitlich früher – seinen Hotelbau mit Krediten finanziert
und die Bank/en haben sich dafür Hypotheken einräumen lassen; Liegenschafts-
oder Immobiliarkredit. Aber auch die Hotelausstattung hat der Hotelier
nicht bar bezahlt, sondern Kreditkäufe oder Werkverträge auf Kredit
getätigt, die seitens der Lieferanten – so weit wie möglich – durch
Eigentumsvorbehalte abgesichert wurden; Fahrnis oder Mobiliarkredit. | |
Zunächst
ist festzuhalten, dass eine Hypothek als Pfandrecht an einer Liegenschaft
auch das Liegenschaftszubehör mitumfasst; § 457 ABGB. Liegenschaftszubehör
haftet demnach grundsätzlich nicht selbständig (als
Fahrnis), sondern mit der Liegenschaft, als deren Teil; § 293 ABGB. Es
teilt das rechtliche Schicksal der Hauptsache. Liegenschaftszubehör
kann daher nur mit der Hauptsache – also dem Bauernhof oder dem
Installateurunternehmen – gemeinsam pfandmäßig verwertet werden.
Die Verwertung verpfändeter Liegenschaften erfolgt nach der EO,
also im Regelfall durch Zwangsversteigerung. | Pfändung von
Liegenschaftszubehör? |
Zur Zwangsversteigerung kann
es nicht nur auf Betreiben eines Hypothekargläubigers kommen, sondern
auch durch andere, hypothekarisch nicht gesicherte Gläubiger des
Pfandschuldners. Der Pfandschuldner haftet all seinen Gläubigern
gegenüber mit seinem ganzen Vermögen. Die EO sieht
aber für beide Gläubigertypen ein einheitliches Verwertungsverfahren
vor. Die Rechtsstellung eines Hypothekargläubigers ist aber wesentlich
günstiger / stärker; ihm steht ein bevorzugtes Befriedigungsrecht
an der verfangenen Sache zu: sog Absonderungsrecht. | |
|
§ 252 EO: Pfändung von Zubehör | |
(1) Das auf einer Liegenschaft befindliche Zubehör
derselben darf nur mit dieser Liegenschaft selbst in Exekution gezogen
werden. | |
(2) Auf Bergwerkszubehör und Zubehör von Schiffen
und Flößen findet eine abgesonderte Exekution nicht statt. | |
|
| |
 | Abbildung 8.59: Zubehör (1) |
|
 | Abbildung 8.60: Zubehör (2) |
|
 | Abbildung 8.61: Zubehör (3) |
|
Die
Verpfändung einer Liegenschaft umfasst nach § 457 ABGB auch das
Zubehör – und nach
§ 252 EO ist eine abgesonderte eigene Exekution auf Liegenschaftszubehör
unstatthaft; dh: (Dritt)Gläubiger können den Traktor des Bauern
oder den Lkw des Unternehmers nur zusammen mit der Liegenschaft
/ dem Unternehmer als Gesamtsache in Exekution ziehen. | Verpfändung
einer
Liegenschaft |
Davon zu unterscheiden ist die Lieferung derartiger
Fahrzeuge unter Eigentumsvorbehalt, die (mangels Eigentümeridentität)
ein Entstehen der Zubehörseigenschaft von vornherein ebenso ausschließt
wie den exekutiven Zugriff Dritter; zB Exszindierungsmöglichkeit
des Vorbehaltseigentümers! Dazu → Schutz
der Verkäuferinteressen
| |
11. §
297a ABGB – Der „Maschinenparagraph” | |
Auch hier geht es
um eine Sachverbindung und die Frage, ob eine Maschine Zugehör
der Liegenschaft wird oder nicht. –§ 297a ABGB stellt eine
Art Spezialbestimmung für den Eigentumsvorbehalt an Maschinen dar.
Werden seine Regeln nicht eingehalten, wirkt ein normaler Eigentumsvorbehalt
gegenüber Hypothekargläubigern nicht, anderen Gläubigern gegenüber dagegen
schon. | |
 | |
§ 297a ABGB verwirklicht das Sachenrechtsprinzip
„Publizität”. Die Pflicht zur Verbücherung (Anmerkung im Grundbuch)
dient vornehmlich dem Gläubigerschutz; erneut geht es um die Abgrenzung
der Interessen von Mobiliar- und Hypothekargläubigern → Neuere
Einteilung des Zugehörs
| |
Von
der Rspr als Maschinen anerkannt wurden Generatoren,
Dieselmotoren, Notstromaggregate (samt Dieselmotor), eine Exzenterpresse,
eine Kühlanlage oder ein Kegelstellautomat einer vollautomatischen
Kegelbahn. – Nicht als Maschine iS unserer Bestimmung angesehen
wurden zB ein gewöhnlicher Kessel einer Zentralheizungsanlage. –
Unter Maschinen werden von der Rspr vornehmlich Produktionsmaschinen
verstanden. Nicht unter unsere Bestimmung fallen zB vom Mieter /
Pächter für die Dauer der Miete / Pacht aufgestellte Maschinen.
Sie werden – wie wir gehört haben – Zubehör des Unternehmens, nicht
der Liegenschaft. – § 297a ABGB ist auch nicht auf Maschinen anwendbar,
die (unselbständiger) Bestandteil der Liegenschaft geworden sind,
wie zB der (völlig) eingemauerte Backofen eines Bäckers. | |
 | |
 | Abbildung 8.62: ”Maschinenparagraf”: Skizze |
|
 | Abbildung 8.63: Der „Maschinenparagraf” (1) |
|
 | Abbildung 8.64: Der „Maschinenparagraf” (2) |
|
| |
Eine weitere Art
der Sachverbindung ist die Gesamtsache; römisches Recht: universitas
rerum. | |
|
§ 302 ABGB | |
Ein
Inbegriff von mehreren besonderen Sachen, die als eine Sache angesehen,
und mit einem gemeinschaftlichen Namen bezeichnet zu werden pflegen,
macht eine Gesamtsacheaus, und wird als ein Ganzes betrachtet. | |
|
 | |
Gesamtsachen können Gegenstand
eines einheitlichen Kaufvertrags sein und nach § 427 ABGB symbolisch,
also vereinfacht, durch Zeichen übergeben werden; zB ein Warenlager
durch Warenlisten, eine Bibliothek durch Übergabe der Kartei / EDV-Verzeichnis,
Register etc. Zum Sonderfall des Unternehmens gleich unten. – An
einer Gesamtsache kann auch ein Eigentumsvorbehalt (oder ein Pfandrecht)
gültig begründet werden, nur müssen die Publizitätserfordernisse
eingehalten werden; zB Bestellung eines Pfandhalters. | Bedeutung und
Rechtsfolge |
 | Abbildung 8.65: Gesamtsache – universitas rerum |
|
Der Begriff Unternehmen meint im Privatrecht
eine organisatorische Einheit aus Sachen, Rechten, Know How, Chancen
und sonstigen Werten, durch die ein Unternehmer (= natürliche oder
juristische Person) wirtschaftliche oder ideelle Ziele verfolgt.
Kurz: Es handelt sich um eine organisierte Erwerbsgelegenheit. Unternehmen
bestehen aus einem oder mehreren Betrieben. | |
Das Unternehmen
ist auch Anknüpfungspunkt für unterschiedliche Rechtsfolgen; zB
im bürgerlichen (§§ 1409 f ABGB: Haftung bei Übernahme / Übertragung)
oder Handelsrecht (§§ 17 ff HGB: Firma, insbesondere §§ 22 ff HGB:
Firmenfortführung) oder im Gesellschafts?, Steuer- oder Gewerberecht.
Das Unternehmen kann auch (selbst) Konzessionsträger sein. | Anknüpfungspunkt |
Titel und Modus beim
Unternehmenserwerb: Das Unternehmen als Gesamtsache kann zwar als Ganzes
Gegenstand eines einheitlichen Titelgeschäfts (zB eines Kaufvertrags)
sein. In Bezug auf den Modus, die Übergabe (und damit den Eigentumserwerb)
ist jedoch – aus Gründen der Publizität – eher umständlich zu unterscheiden;
vgl SZ 64/127 (1991): Unternehmen bestehen – wie wir gehört haben
– häufig aus Liegenschaften, beweglichen Sachen (Einrichtungen,
Fuhrpark, Warenlager etc die jedoch idR Zubehör sind), der (internen)
Unternehmensorganisation (Produktion, Vertrieb, Werbung – sog Unternehmens-Know
How), Rechten (zB Urheber- oder Patentrechten, insbesondere „offenen”
Forderungen, sog Außenständen) und Pflichten (Schulden), und sie
haben auch Personal. – Der Rechtsübergang, die Übereignung / Modus
der einzelnen Unternehmensbestandteile erfolgt getrennt. Das einheitliche
Titelgeschäft (idR: Kauf) kennt also keine Entsprechung im Bereich
des Modus: | Titel und
Modus beim Unternehmenserwerb |
•
Bewegliche
Sachen sind daher grundsätzlich nach den §§ 426 ff ABGB
zu übergeben (praktisch bleibt aber auch die Übergabe durch Erklärung
nach § 428 ABGB!); | |
•
unbewegliche
Sachen / Liegenschaften müssen für den Eigentumserwerb
verbüchert (§ 431 ABGB); | |
•
Forderungen zediert (§ 1392
ABGB); | |
•
Schulden mit Einverständnis des Gläubigers
vom Erwerber übernommen; | |
•
bestehende Arbeits-
oder Mietverhältnisse (vgl § 12a MRG oder Betriebsübergang
nach dem AVRAG 1993) durch Vertragsübernahme (→ KAPITEL 14: Die
Vertragsübernahme)
übergeleitet werden. | |
| |
Und
dennoch können – fast – alle diese (Modus)Fragen doch wiederum einheitlich
im Unternehmens-”Kaufvertrag” geregelt werden! Denn der Eigentumsübergang
an den beweglichen Sachen kann auch durch Erklärung – § 428 ABGB
– erfolgen und die Zession bedarf bloß der Vereinbarung von Gläubiger
und Schuldner; das Einverständnis des Gläubigers für die Schuldübernahme
kann im Voraus eingeholt werden und auch die Vertragsübernahme kann
im Übernahmsvertrag geregelt werden. Daran zeigt sich, dass der
als Kaufvertrag bezeichnete Unternehmens-Übernahmsvertrag oft mehr
ist, als bloßes Titelgeschäft. Er enthält oft auch Modusteile; modale
Verfügungen. – In Bezug auf Liegenschaften wird aber am Eintragungsprinzip
(§ 431 ABGB) festgehalten, Eigentum also nur durch Eintragung ins
Grundbuch erworben. Besitz und Gefahr lässt man jedoch auch für
Liegenschaften – in Analogie zu § 428 ABGB – durch Erklärung übergehen,
wovon in der Vertragspraxis häufig Gebrauch gemacht wird. | |
 | |
E. Dienstbarkeiten
und Reallasten |
| |
| |
TypenvielfaltDie
Servituten bilden mit dem Eigentum und dem Pfandrecht den Kernbereich
der dinglichen Rechte. – Gemeinsam mit dem Pfandrecht gehören
sie zu den beschränkten dinglichen Sachenrechten.
Die Servituten weisen eine enorme (innere) Typenvielfalt auf.
Ihre Zahl ist von vornherein nicht begrenzt, vielmehr besteht die
Möglichkeit von Neubildungen, wenn nur die für sie geltenden Grundsätze
( → Prinzipien
des Servitutenrechts) eingehalten werden; vgl etwa die Formulierung
des § 476 ABGB: „ ... Dergleichen sind: ...” Es sollten daher, ausgehend
vom Typenzwang des Sachenrechts, keine falschen und einengenden
Schlüsse gezogen werden. – Die Rspr bleibt hier aber immer noch manches
schuldig; vgl die folgende E: | |
|
OGH 28. 11. 2000, 5 Ob 291/00f, EvBl 2001/90:
Der Eigentümer der Liegenschaft räumte einem Dritten ein Baurecht ein.
Der Bauberechtigte verpflichtete sich im Baurechtsvertrag, das Gebäude
nur zeitlich befristet (bis zum Ende des Baurechts) zu vermieten:
Diese Unterlassungsverpflichtung will der Eigentümer
als Dienstbarkeit verbüchern. – Der OGH lehnte dies ab, weil sich
die fallbezogene Einschränkung des Vermietungsrechts nicht mit dem
in § 473 ABGB definierten Inhalt einer Grunddienstbarkeit vereinbaren
lasse; es fehle das Tatbestandsmerkmal einer bequemeren oder wenigstens
vorteilhafteren Benützung eines Grundstücks (?). Der Bauberechtigte
kann danach eine dem Mieter vertraglich auferlegte Einschränkung
seines Rechts nur durch eine Vertragsstrafe oder durch eine Klage
auf Vertragszuhaltung sichern. Das ist nicht nur kleinlich gedacht,
sondern auch falsch, weil die Rechtsänderung durch das BauRG zu
wenig berücksichtigt wird. | |
|
Die Brauchbarkeit und Aktualität von Servituten betrifft
ländliche und städtische Bereiche ebenso wie industriell-gewerbliche
und private Interessen. | |
Die §§ 472-530 ABGB handeln von den Servituten.
§ 472 ABGB definiert den Begriff der Dienstbarkeit: | |
„Durch das Recht der Dienstbarkeit wird
ein Eigentümer verbunden, zum Vorteile eines andern in Rücksicht
seiner Sache etwas zu dulden oder zu unterlassen. Es ist ein dingliches,
gegen jeden Besitzer der dienstbaren Sache wirksames Recht.” | |
 | Abbildung 8.66: Servituten: §§ 472 – 529 ABGB – Übersicht |
|
2. Funktion der
Servituten | |
Dienstbarkeiten
sind Privatrechte, aber sie sind dingliche und nicht nur Forderungsrechte.
Obwohl die Anzahl dinglicher Rechte gesetzlich beschränkt ist (Typenzwang
des Sachenrechts), lässt die gesetzliche Ausformung der Servituten
weiten Spielraum für Neuschöpfungen; typeninterne Diversifikation. | |
Funktional dienen: | |
• die Grunddienstbarkeiten der
Ergänzung des Liegenschaftseigentums; | |
•
bei Personalservituten steht
dagegen die Versorgung von Angehörigen häufig im Vordergrund; etwa:
Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts für die Mutter nach dem
Tod des Vaters, bei gleichzeitigem Erbschaftserwerb der Liegenschaft
durch die Kinder. – Dazu kommt: Was Miete, Pacht oder Leihe als
Nutzungsrechte im Bereich des Schuldrechts bewirken, nämlich die
Nutzung beweglicher oder unbeweglicher Sachen durch andere als den
Eigentümer, erreichen die Servituten als dingliche Rechte; und das
heißt: wesentlich sicherer (als Schuldrechte), da ihr Rechtsschutz
mit Drittwirkung / absoluter Wirkung ausgestattet ist. Vgl auch → Dingliche
Wirkung nur bei Verbücherung
| |
| |
 | Abbildung 8.67: Grunddienstbarkeiten (1) |
|
 | Abbildung 8.68: Grunddienstbarkeiten (2) |
|
3. Beispiele für
Servituten | |
Die Servituten sind altes Rechtsgut. Das ABGB stützt sich
bei ihrer Regelung stark auf das römische Recht. – Servituten spielen
eine wichtige praktische Rolle, wenngleich sie häufig Anlass für
Streit sind → Praktische
Bedeutung. | |
|
Grundsätzlich muss jede
Servitut zum Vorteil eines anderen – als des Eigentümers – oder
mehrerer anderer Personen dienen; aber auch die Servitutsberechtigung
von „Jedermann” ist nicht ausgeschlossen; SZ 60/216 (1987). | |
|
|
Gegenstand einer
Grunddienstbarkeit kann auch eine Waldabstockung gegen
jährliches Entgelt sein; GlUNF 5770 (1912). | |
|
|
Oder eine freiwillige
vertragliche Einschränkung des Abwehranspruchs nach den §§ 364 ff
ABGB (Immissionen); SZ 43/117
(1970). | |
|
|
Auch ein Verzicht
auf andere Nachbarrechte ist möglich; MietSlg
31.042 (1979). | |
|
|
Die Verpflichtung,
mit Lärm, Gerüchen oder Dünsten verbundene Gewerbebetriebe
zu unterlassen kann als Servitut begründet werden; SZ 45/26 (1972). | |
|
|
Das gilt auch für
die Verpflichtung, derartige, von einem Gasthausbetrieb auf einer
Nachbarliegenschaft ausgehende Emissionen zu dulden; NZ 1991, 203. | |
|
|
Oder eine sog Cottageservitut (dh
Unterlassung einer das städtebaulichen Bild einer Anlage störenden Bauführung); RZ 1967, 69. | |
|
|
Recht der Dienstbarkeit
an einer Quelle Wäsche zu waschen; ZBl 1932/77. | |
|
|
Das Recht, von
einem an ein Privatgewässer (See) grenzenden Grundstück
aus in diesem Gewässer zu baden; SZ 37/113 (1964). | |
|
|
Auch an öffentlichem
Gut – etwa Gemeindewegen – kann eine private Dienstbarkeit
bestehen, soweit dadurch der Gemeingebrauch nicht verhindert wird; SZ 13/185 (1931). | |
|
| |
|
Keine Dienstbarkeit iSd
§ 472 ABGB ist ...: | |
|
|
... eine Verbindlichkeit,
die nicht zum Vorteil einer bestimmten Person oder Realität dient
(Erhaltung eines Bethauses oder eine Gedenktafel); GlU 11.343 (1885). | |
|
|
... ein Benützungsrecht
mit Betriebspflicht; GlUNF
7076 (1914). | |
|
|
... die Verpflichtung,
Bier oder Branntwein nur von einem bestimmten Unternehmer zu beziehen
(Bezugspflicht); PlssB 25.2.1896
JB
133 = GlU 15.724. | |
|
|
... der Verpflichtung
des Liegenschaftseigentümers zum ausschließlichen Warenbezug beim
Eigentümer einer anderen Liegenschaft (das ist auch keine Reallast); ZBl 1930/319 = SZ 12/179. | |
|
|
... der Verpflichtung
zum Nichtbetrieb eines Kaufmannsgeschäfts auf einer
bestimmten Liegenschaft zu Gunsten der Eigentümer anderer Liegenschaften; SZ 28/27 (1955) und SZ 45/26 (1972). | |
|
|
... das Vereinbaren
von Wettbewerbsbeschränkungen betreffend die auf
der Liegenschaft entfaltete wirtschaftliche Tätigkeit; RdW 1992, 270. | |
|
 | Abbildung 8.69: Beispiel einer Grunddienstbarkeit |
|
 | |
4. Rechtserwerb:
§ 380 ABGB | |
Der Erwerb dinglicher Rechte und damit auch
der von Servituten folgt der Lehre von Titel und Modus; § 380 ABGB → KAPITEL 2: Die
Lehre von Titel und Modus.
Dh auch Servituten entstehen rechtsgrundabhängig und benötigen neben
einem gültigen Titel eines entsprechenden Modus; vgl § 480 ABGB
(Titel zur Erwerbung) und § 481 ABGB (Erwerbungsart). – Als Titel
zur Erwerbung einer Dienstbarkeit nennt § 480 ABGB: Vertrag, Testament,
Ersitzung oder ein Teilungsurteil. Und § 481 Abs 1 ABGB bestimmt
als Moduserfordernis: | Titel
und Modus |
„Das
dingliche Recht der Dienstbarkeit kann an Gegenständen, die in die
öffentlichen Bücher eingetragen sind, nur durch die Eintragung in
diese erworben werden.” | |
| Einverleibung |
| |
Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung
einer Dienstbarkeit ergibt sich aus dem Titel(geschäft); das ist
idR der Dienstbarkeitsvertrag, der entgeltlich wie unentgeltlich
geschlossen werden kann. – Es gibt allerdings seit Alters her (Griechenland)
auch Legalservituten und bei ihnen ist das Gesetz der (den Inhalt
bestimmende) Titel; zB Duldung elektrischer Leitungsanlagen nach
dem StarkstromwegeG. Wie erwähnt kann auch ein Teilungsurteil Titel
einer Servitutsbegründung sein. | Inhaltliche
Ausgestaltung |
|
SZ 44/110 (1971): Interessengegensätze
hinsichtlich der Ausübung einer Dienstbarkeit, die sich aus der Teilung
des herrschenden Gutes ergeben, sind vom Gericht im Verfahren außer
Streitsachen nach § 848a ABGB zu regeln. | |
|
Die auf die Entstehung / Begründung folgende
sachenrechtliche Nutzung einer Servitut ist jedoch vom – entstehungsmäßig
vorgelagerten – Schuldrecht unabhängig, was bei Gschnitzer (Sachenrecht
157, 19852) anschaulich beschrieben
wird: | Sachenrechtliche
Nutzung |
„Ist das Sachenrecht aber
einmal entstanden [das bedeutet für Servituten grundsätzlich ihre
Intabulation!], ruht es in sich selber, daher wird es nicht verwirkt,
wenn es missbräuchlich ausgeübt wird. Eine Dienstbarkeit kann [grundsätzlich
auch] nicht gekündigt werden.” | |
| |
In
Tirol und Vorarlberg bestand für ersessene Felddienstbarkeiten (Weg-
oder Wasserleitungsrechte, Holzriesen) keine Verbücherungspflicht,
ja in Vorarlberg ein Verbücherungsverbot; § 72 AGAG. – In Tirol
besteht diese Rechtsunsicherheit weiter, während sie für Vorarlberg
durch das 1. BRBG ausgeräumt wurde. | |
5. Prinzipien
des Servitutenrechts | |
•
Servituten sind nicht auf positives
Tun gerichtet, sondern verlangen ein Dulden oder Unterlassen;
§§ 472 und 482 ABGB. – Servitus in faciendo consistere nequit: römisches
Recht; anders die Reallast, die eine Verpflichtung zu einem Tun
oder Handeln beinhaltet → Reallasten
| Dulden
oder Unterlassen |
•
Servituten
sind möglichst schonend und einschränkend
auszuüben: servitus civiliter exercenda; § 484 ABGB. Es
darf zu keiner eigenmächtigen Erweiterung der Servitut ( → Erweiterung
von Dienstbarkeiten?) kommen;
§ 484 ABGB. | Schonend auszuüben |
•
Die Instandhaltung von
Servituten obliegt idR dem (Servituts)Berechtigten; § 483 ABGB.
– Bei Mitbenützung durch den Eigentümer sieht das Gesetz aber dessen
Kostenbeteiligung vor. Besondere Kostentragungsregeln treffen die
§§ 487 und 508 ABGB für den Gebrauch und § 513 ABGB für den Fruchtgenuss.
Regelungen im Titelgeschäft erscheinen ratsam. | Instandhaltung
von Servituten |
•
Grunddienstbarkeiten
können nur mit dem Eigentum am Grundstück – nicht gesondert davon
– übertragen werden; § 485 ABGB. | Übertragbarkeit nur mit dem Grundstück |
•
Die
Servitut bleibt auch nach einer allfälligen Liegenschaftsteilung an
den geteilten neuen Grundstücken bestehen, wenn dies für ihre Ausübung
nötig ist. Ein Grundstück kann aber mehrerein Personen zugleich
dienstbar sein; § 486 ABGB. | Unteilbarkeit |
| |
•
Das
Kriterium der Nützlichkeit von Servituten (§ 473) kommt aus dem
römischen Recht, das von praedio utilis sprach.
– Grunddienstbarkeiten dienen der besseren Nutzung
des Nachbargrundstücks; eine Personalservitut der
Person, der sie zusteht. | Nützlichkeit |
•
Die
Servitut ist ein Recht an fremder Sache. Das römische
Recht formuliert: nulli res sua servit – Niemandem dient seine eigene
Sache; § 526 Satz 1 ABGB. Daher erlischt eine Dienstbarkeit durch
Vereinigung, nicht aber bei Verbücherung: Eigentümerdienstbarkeit
als Recht an eigener Sache! Vgl damit § 469 ABGB: Pfandrecht. Dazu
mehr → KAPITEL 15: Das
Pfandrecht als Recht an fremder Sache. | Recht an fremder Sache |
•
Dienstbarkeiten können entgeltlich
oder unentgeltlich eingeräumt werden. Regelungsort einer allfällig
vereinbarten Entgeltlichkeit ist der Dienstbarkeitsvertrag. | Entgeltlich
oder unentgeltlich |
•
Keine
Voraussetzung für eine Servitutsbegründung ist es nach der Rspr,
das die (Grund)Dienstbarkeit dauernd oder auch
nur periodisch ausgeübt werden kann. Eine einmalige
Ausübbarkeit genügt vielmehr. | Einmalige Ausübbarkeit genügt |
|
OGH 21. 11. 2000, 5 Ob 281/00k, SZ 73/175 = EvBl 2001/77:
Aus einer Liegenschaft wird ein Grundstück veräußert. Die (bisherigen)
Liegenschaftseigentümer verpflichten sich im Kaufvertrag gegenüber
den Käufern, den Abbruch des auf dem veräußerten Grundstück befindlichen
Gebäudes zu dulden. Die Antragsteller begehren , auf der Liegenschaft
diese Pflicht als Dienstbarkeit einzuverleiben. – OGH: Das Recht
auf Duldung des Abbruchs von Gebäuden zugunsten
einer bestimmten Person ist eine einverleibungsfähige Dienstbarkeit.
Das Argument des Berufungsgerichts, Servituten könnten nur begründet
werden, wenn sie periodisch ausgeübt werden können, lehnt der OGH
ab. | |
|
 | Abbildung 8.70: Prinzipien des Servitutsrechts (1) |
|
 | Abbildung 8.71: Prinzipien des Servitutsrechts (2) |
|
| |
Die praktische
Bedeutung der Servituten ist groß. Eine – wenn
auch nicht repräsentative – empirische Untersuchung und Aufschlüsselung
der Ergebnisse privatrechtlicher Rechtsberatung in Tirol hat ergeben: | |
Etwa
21% aller Privatrechtsanfragen betreffen das Sachenrecht,
wobei sich fast die Hälfte davon auf Servitutenprobleme bezog. (Andere
wichtige sachenrechtliche Anfragen betrafen: Ersitzung, Besitzstörung
und Grundbuchseintragung.) Übertroffen wurde das Sachenrecht nur
vom Erbrecht, das etwa 25% aller Anfragen ausmachte;
über 95% fragten dabei nach gültiger Testamentserrichtung. Der drittgrößte
Anfragenbereich betraf das Familienrecht (ca 13%),
wobei im Vordergrund die rechtlichen Folgen von Scheidungen und
Unterhaltsleistungen waren. Etwa 11% betrafen das Vertragsrecht,
etwa gleich viel machten Fragen des Wohnrechts aus. | Rechtstatsächliches |
Servituten
führen immer wieder zu nachbarschaftlichem Streit,
wie das folgende Beispiel veranschaulichen mag: „Linz – Ein jahrelanger
Nachbarschaftsstreit endete Dienstag früh in Oberösterreich mit
tödlichen Schüssen: Ein 54jähriger Mann feuerte mit einer Schrotflinte
auf seinen 57jährigen Kontrahenten. Dieser wurde so schwer verletzt, dass
er kurze Zeit später starb. Der Todesschütze wurde festgenommen.
– Hintergrund der Tragödie ist ein seit Jahren schwelender Streit
um ein Wegerecht. Die Besitzer der benachbarten Grundstücke
... waren sich deswegen immer wieder in den Haaren gelegen; zunächst
nur verbal. Die Männer hatten auch schon die Justiz eingeschaltet.
Am Freitag der Vorwoche gab es deshalb einen Lokalaugenschein. –
Dienstag kurz vor sieben Uhr sei dann sein Nachbar erneut an der
Grundstücksgrenze gestanden, berichtete der Todesschütze der Gendarmerie:
‚Er hat hämisch gegrinst, da bin ich ausgerastet.‘ Der 54jährige
Landesbedienstete holte eine Schrotflinte, richtete sie gegen seinen
Grundstücksnachbarn und drückte ab.” (Der Standard, 22.4.1998, S.
10) – Mediationsmöglichkeiten in diesem Bereich sind sinnvoll; vgl
die Ausführungen zum Nachbarrechts-ÄnerungsG → Zum
Nachbarrecht
| Nachbarschaftsstreit |
7. Erweiterung
von Dienstbarkeiten? | |
Eben wurde ausgeführt,
dass die inhaltlich-konkrete Ausgestaltung von Servituten im Servitutsvertrag
erfolgt. Obwohl oft umfängliche Regelungen getroffen werden, taucht
in der Praxis immer wieder die Frage einer allfälligen Servitutserweiterung auf;
Schulfall: Darf ein vertraglich zugesagtes Befahren eines Weges
mit Pferdefuhrwerken auch mit einem Traktor oder Lkw erfolgen? – Die
Grundregel des § 484 ABGB lautet: | |
„Der Besitzer des herrschenden Gutes kann
zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben; doch dürfen Servituten
nicht erweitert, sie müssen vielmehr, insoweit es ihre Natur und
der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden.” | |
|
Nur eine die Belastung
des dienenden Guts erheblich erschwerende Änderung der Benützungsart des herrschenden
Guts stellt eine unzulässige Erweiterung dar; SZ
52/99 (1979): Landwirtschaftliches Fahrtrecht
umfasst auch Fuhren zur Erhaltung oder Neuafführung von Gebäuden
bei gleichbleibender Widmung. | |
|
|
Unzulässig ist
die Erweiterung der Dienstbarkeit des Fahrwegs über ein unbebautes
Feld auf das Befahren in angebautem Zustand; GlUNF 6305 (1913). | |
|
|
... oder wenn
die Beschaffenheit des Wegs (etwa dessen Breite
oder Befestigung) geändert werden muss, um seine Benützung durch
Fahrzeuge zu ermöglichen; SZ 55/125 (1982):
Eigenmächtige Verbreiterung eines Fahrweges. | |
|
|
... oder zu einem
ursprünglich bloß als Einfamilienhaus geplanten Gebäude bei Hinzukommen
einer Fremdenzimmervermietung, es sei denn, dass
dadurch keine erhebliche Mehrbelastung für das dienende Grundstück
entsteht; MietSlg 32.033 (1980). | |
|
|
Unzulässige Servitutserweiterung
durch Schaffen einer neuen Betriebseinrichtung, wenn bisher nur
ein landwirtschaftlicher Betrieb bestand und nunmehr eine Gastwirtschaft
hinzukommt; SZ 5/216 (1923). Oder
durch eine Jausenstation nach Errichtung eines
Wohnhauses; MietSlg 29.064 (1923). | |
|
| |
|
Keine unzulässige
Erweiterung einer bestehenden Servitut liegt vor: | |
|
|
…der Schiabfahrt liegt
allein in der Steigerung der Anzahl der Schifahrer; SZ 50/53 (1977). Aus heutiger Sicht
nimmt sich das schon anders aus! | |
|
|
... oder bei der
Dienstbarkeit des Gehrechts über einen zur Förderung des Fremdenverkehrs
errichteten Promenadenweg durch die wegen zunehmenden
Fremdenverkehrs intensivere Benützung des Wegs; EvBl
1978/1. | |
|
|
... durch Schneeräumung des
Fahrwegs auf die der fortgeschrittenen technischen Entwicklung entsprechende
Art; MietSlg 32.034
(1980). | |
|
|
Durch Umstellung
von Pferdefuhrwerken auf Lastkraftwagen oder
Traktor oder bei Durchführung von Wirtschaftsfuhren durch fremde
Personen; SZ 42/10 (1969). | |
|
|
... wie überhaupt
durch jegliche Anpassung der für den Geschäftsbetrieb
auf dem herrschenden Grund verwendeten Fahrzeuge an die
technische Entwicklung (EvBl 1969/118),
sofern dadurch keine unzumutbare Mehrbelastung des dienenden Guts
eintritt; MietSlg
33.041 (1981). | |
|
 | Abbildung 8.72: Erweiterung der Dienstbarkeit? (1) |
|
 | Abbildung 8.73: Erweiterung der Dienstbarkeit? (2) |
|
 | Abbildung 8.74: Erweiterung der Dienstbarkeit? (3) |
|
 | Abbildung 8.75: Erweiterung der Dienstbarkeit? (4) |
|
8. Persönliche
Dienstbarkeiten | |
Neben
den Grund dienstbarkeiten kennt das ABGB auch persönliche Dienstbarkeiten;
§§ 504 ff. Bei ihnen ist eine bestimmte Person Träger des Servitutsrechts
und nicht wie bei den Grunddienstbarkeiten der/die jeweilige Eigentümer/in
des herrschenden Grundstücks. Persönliche Dienstbarkeiten sind nicht
übertragbar, sondern erlöschen mit dem Tod ihres Trägers. – Grunddienstbarkeiten
dagegen gehen bei Veräußerung der berechtigten und belasteten Liegenschaft
auf den/die Erwerber über, denn sie haften als dingliche Rechte
„an der Sache” (!), also an der jeweiligen Liegenschaft. | |
Auch die Inhalte von „Grunddienstbarkeiten” –
etwa Geh-, Fahr- oder Leitungsrechte – können als Personalservituten
begründet werden; zB alte Frau erhält von freundlichem
Nachbar ein Gehrecht (zur Wegabkürzung). | |
|
OGH 15. 5. 2001, 5 Ob 95/01h, JBl 2002, 107: Unternehmen
erwirbt
Personalservitut, obwohl zugunsten
des Unternehmensgrundstücks bereits eine Grunddienstbarkeit besteht,
um auch im Falle einer Unternehmensveräußerung Zugang zu benötigten
Teilen des veräußerten Grundstücks zu haben. Dass eine inhaltsgleiche
Grunddienstbarkeit besteht oder beantragt wird, hindert nicht die
Eintragung einer persönlichen Dienstbarkeit, die dem Antragsteller
die entsprechende Rechtsposition auch für den Fall späterer Veräußerung
des herrschenden Grundstücks wahren soll. Hier ua Duldung von Versorgungsleitungen, Recht
des Zugangs und der Zufahrt zu diesen Energie- und Entsorgungskanälen,
Recht des Gehens und Fahrens. Insofern fehlt es der Personalservitut
nicht am Utilitätserfordernis. | |
|
Beim Fruchtgenuss handelt
es sich um das einer Person zugeordnete dingliche Recht, eine fremde Sache
mit Schonung, also Wahrung der Substanz (römisches Recht: salva
rerum substantia), wenngleich sonst „ohne alle Einschränkung” zu
gebrauchen. | Fruchtgenuss
/ Ususfructus: §§ 509 ff ABGB |
des FruchtgenussesObjekte
des Fruchtgenusses sind alle nutzbaren und unverbrauchbaren
Sachen; zB landwirtschaftliche Grundstücke, ein Mietshaus
oder Geld / Kapital. | Objekte |
|
OGH 7.8.2001, 1 Ob 161/01k, EvBl 2002/1:
Ein Fruchtnießer an einem Mietshaus schließt mehrere Mietverträge.
Nach seinem Tod will der Erbe einen dieser Mietverträge wegen laesio
enormis (§ 934 ABGB) anfechten. – OGH: Für den Ausschluss
der Anfechtung wegen laesio enormis genügt es nicht, dass dem Vermieter
bewusst ist, einen wesentlich geringeren als den tatsächlich erzielbaren
Mietzins zu verlangen, vielmehr könnte nur die positive Kenntnis
des Verkürzten vom wahren Wert die Anfechtung wegen laesio enormis
ausschließen. (§ 1487 ABGB ist zu beachten.) | |
|
Der Fruchtnießer kann
eine natürliche oder juristische Person sein, zB auch eine Gemeinde.
Der Zweck des Ususfructus liegt meist in persönlicher Versorgung;
zB auf Lebenszeit. – Nur die Ausübung, nicht das Recht selbst, ist
übertragbar. | Natürliche oder
juristische Person |
Gegenstand des Fruchtgenusses sind natürliche
und sog Zivilfrüchte. Natürliche Früchte sind bspw Feld- oder Baumfrüchte
oder Schotter; Zivilfrüchte: Zinsen, Tantiemen oder Mieteinnahmen. | |
Allfällige Lasten trägt
der Fruchtnießer; zB Instandhaltungskosten oder anfallende Gebühren
und Steuern. | Lastentragung |
Das Gebrauchsrecht an
einer Sache „bloß zu seinem [persönlichen!] Bedürfnisse” regeln
die
§§ 504-507 ABGB. | |
|
Eine Garagenbenützung
kann eine Dienstbarkeit des Gebrauchs sein; SZ 48/78 (1975). In
derselben E wird ausgeführt, dass der Vertrag über die Dienstbarkeit
des Gebrauchs eines Grundstücks nicht das bücherliche Eigentum des
das Gebrauchsrecht Einräumenden zur Voraussetzung hat. | |
Nach einzelnen Grundverkehrsgesetzen bedarf auch die Einräumung
des Gebrauchsrechts an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken
durch Rechtsgeschäft unter Lebenden der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde. | |
|
 | |
Die Dienstbarkeit der Wohnung ist ein Unterfall
des Gebrauchsrechts. Wie beim Gebrauchsrecht besteht eine enge Begrenzung
auf persönliche Bedürfnisse des/der jeweils Wohnberechtigten; Höchstpersönlichkeit. | Wohnungsrecht
/
habitatio: § 521 ABGB |
Zu dieser engen Fassung war es erst durch
Zeiller gekommen; vgl dagegen noch Martinis wesentlich weitere und funktionalere
Textierung in WGGB II 9 § 308. | |
| |
|
SZ 50/141 (1977): Die Dienstbarkeit
der Wohnung wird im Zweifel als höchstpersönliche, also für die Lebensdauer
des Berechtigten wirksame Befugnis eingeräumt; das gilt auch für
das obligatorische Wohnungsrecht. | |
|
|
NZ 1998, 306: Ein dingliches Wohnrecht
kann als Dienstbarkeit des Gebrauchs oder des Fruchtgenusses begründet
werden. | |
|
|
SZ 28/68 (1955): Die Dienstbarkeit
der Wohnung kann auch eine entgeltliche (gleichwohl mit dem Tod des
Berechtigten erlöschende) Dienstbarkeit sein und wird durch die
„Zinszahlung” nicht zur (gem § 1116a vererblichen) Miete. | |
|
|
EFSlg 78.360 (1995): Der Anspruch
auf Verbücherung des Wohnrechts kann auch ohne dahin gerichtete ausdrückliche
Vereinbarung bestehen, wenn er sich nach den Auslegungsregeln des
§ 914 aus dem Vertrag ergibt; dabei sind alle Umstände heranzuziehen,
aus denen sich Schlüsse auf die Parteienabsicht ergeben, so auch
die Entstehungsgeschichte des Vertrags. | |
|
|
SZ 5/230 (1923): Die Dienstbarkeit
des Wohnungsrechts belastet stets den ganzen Grundbuchskörper; sie kann
auf einen ideellen Teil nicht eingetragen werden. – Dies gilt für
das Wohnungsgebrauchsrecht im Unterschied zum Wohnungsfruchtgenussrecht;
NZ 1993, 19. Ein Miteigentümer (allein) kann daher ein Wohnungsrecht
an seinem ideellen Anteil nicht einräumen; EvBl 1967/275. Die beiden
Hälfteeigentümer können aber einander wechselseitig ein lebenslängliches
dingliches Wohnrecht einräumen; MietSlg 31.048 (1979; LGZ Wien). | |
|
|
EFSlg 40.022 (1981): Verspricht
jemand einem anderen, er könne zeitlebens in seinem Haus wohnen, könne
dort „bleiben”, so ist dies nicht anders zu verstehen, als dass
damit ein Wohnungsrecht eingeräumt werden soll. – Es ist Sache des
Verpflichteten, zu behaupten und unter Beweis zu stellen, dass die
Absicht der Parteien auf die Begründung eines bloß obligatorischen
Rechts für den Berechtigten gerichtet war; MietSlg 35.045. | |
|
|
EvBl 1968/88: Dient ein solches
(wenn auch nur obligatorisches) Wohnungsrecht (neben einer Geldalimentation)
der Versorgung (der geschiedenen Gattin und der ehelichen Kinder
des Eigentümers der dienstbaren Sache), so muss der Eigentümer die
Instandhaltungskosten ohne Einschränkung (vgl §§ 508, 513) so weit
tragen, wie dies zur Erreichung des Versorgungszweckes notwendig
ist. | |
|
|
SZ 28/30 (1955): Die Dienstbarkeit
der Wohnung umfasst niemals das Recht des Gebrauchs der zu einem Wohnhaus
gehörigen oder mit diesem durch eine einheitliche Grundbuchseinlage
verbundenen Acker- und Waldgrundstücke (dieses Gebrauchsrecht könnte
Inhalt einer Fruchtnießung sein). | |
|
|
MietSlg 25.039 (1973): Das Wohnungsrecht
kann grundsätzlich als höchstpersönliches Recht auf andere Personen
nicht übertragen werden. | |
|
|
EFSlg 45.948 (1984): Ob der Wohnungsberechtigte
befugt ist, eine dritte Person bei sich aufzunehmen, ist nach den
Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen. | |
|
|
GlU 3002 (1868): Das einem Ehepaar
eingeräumte Wohnungsrecht geht auf den überlebenden Teil über; dieser
darf seinen zweiten Gatten (und die Kinder aus dieser Ehe) aufnehmen. | |
|
|
GlU 12.842 (1889): Ebenso gibt
das einer verwitweten Person eingeräumte Wohnungsrecht ihr auch
das Recht, ihren späteren zweiten Gatten aufzunehmen. | |
|
|
SZ 22/189 (1949): Auch nicht intabulierte
Wohnungsberechtigte genießen petitorisch Rechtsschutz. | |
|
|
SZ 57/155 (1984): Ob ein Gebrauchsrecht
oder eine Fruchtnießung der Wohnung vorliegt, ist eine Frage der
Auslegung des Erwerbstitels. | |
|
|
SZ 60/86 (1987): Die Wohnungsfruchtnießung
umfasst anders als das Wohnungsgebrauchsrecht das Recht, die Wohnung
auch durch dritte Personen bewohnen zu lassen. | |
|
 | Abbildung 8.76: Persönliche Dienstbarkeiten |
|
9. Dingliche
Wirkung nur bei Verbücherung | |
Der
dingliche Charakter der Servituten, dh ihre Wirkung
über unmittelbare Vertragspartner hinaus (sog Drittwirkung) entsteht
nur dann, wenn die Servitut verbüchert, dh ins Grundbuch eingetragen wird;
vgl § 481 Abs 1 ABGB. Andernfalls wirken Servituten bloß inter partes,
dh bloß zwischen den sie vereinbarenden Parteien, nicht aber – wie
der folgende Fall zeigt – gerade auch im Falle ihrer „Verletzung”
(hier durch den Vertragspartner, der die Liegenschaft ohne Überbürdung
der Servitutsverpflichtung veräußert) gegen dritte Personen. Eine
Abhilfe verschafft allenfalls der Umstand, dass fremde Forderungsrechte
verletzt wurden → KAPITEL 11: Verletzung
fremder Forderungsrechte. – Hier ist also kautelarjuristisch Vorsorge
zu treffen. | Drittwirkung |
|
SZ 7/301 (1925): Nicht
verbücherte Personalservitut. Wohnrecht
| |
Klägerin = Ursprüngliche Verkäuferin und idF Inhaberin eines
nicht verbücherten lebenslangen und unentgeltlichen Wohn(ungs)rechts.
Beklagter = Zunächst Käufer und idF wiederum Verkäufer des gegenständlichen
Hauses. Leitsatz: Wer beim Verkauf eines Hauses das mit seinem Wissen
darauf lastende, wenngleich nicht verbücherte Wohn(ungs)recht auf
den Käufer nicht überträgt, dh überbürdet, haftet dem Wohnberechtigten
für Ersatz. | |
Wird dagegen ein Wohnrecht
verbüchert, ist der Wohnberechtigte nicht nur gegenüber einem allfälligen Käufer,
sondern auch im Falle einer Zivilteilung gegenüber Miteigentümern
geschützt. Das Wohnrecht wäre in einem solchen Fall vom Ersteher
zu übernehmen; § 352 EO und § 277 Abs 2 AußStrG. | |
|
|
Vgl aber OGH 3. 4. 2001, 4 Ob 75/01k, JBl 2002, 106 = EvBl 2001/162:
79-jährige Mutter übergibt Haus mit Liegenschaft an zwei Töchter
und lässt sich ein Wohnrecht an einer Wohnung im
ersten Stock einräumen. Eine andere Tochter, die die Mutter pflegt,
lässt sie bei sich wohnen. Nach 20 Jahren klagen die beiden anderen
Schwestern/Miteigentümerinnen die dritte Tochter auf Räumung. –
OGH: Nach der gegenwärtigen Rspr hat ein Liegenschaftseigentümer
keinen Räumungsanspruch gegen einen Dritten (hier: dritte Tochter),
dem der Vertragspartner des Eigentümers (hier: Mutter) die Sache
überlassen durfte. OGH entscheidet iS stRspr, lässt aber offen,
ob die Kritik der Lehre in Zukunft zu einer Rspr-Änderung führen
wird; vgl zuletzt Spielbüchler in Rummel, ABGB I3,
§ 366 Rz 4. (Für Konstellationen wie diese, erscheint aber ein Beibehalten
der Rspr ratsam.) | |
|
Allgemein zu dieser
Frage JB 186 (1908): Solange das Erwerbungsgeschäft nicht in die
öffentlichen Bücher eingetragen wurde (§§ 431, 451 und 481 ABGB),
gewährt der auf den Erwerb eines dinglichen Rechtes gerichtete Vertrag
bloß einen Titel. – Eine vor bücherlicher Eintragung des vertragsmäßig
erworbenen Rechtes gegen den bisherigen bücherlich Berechtigten
auf das Buchobjekt geführte Exekution wird daher durch den späteren
Bucheintrag des Erwerbers nicht berührt, mag dieser schon vor der
Einleitung der Exekution den Titel zum Erwerbe erlangt haben. | JB 186 (1908) |
| |
10. Offenkundige
Dienstbarkeiten | |
Obwohl
das dingliche Recht der Dienstbarkeit nach dem Gesetz (§ 481 ABGB)
nur durch Eintragung ins Grundbuch erworben werden kann, haben praktische
Bedürfnisse zur Anerkennung sog offenkundiger
Dienstbarkeiten geführt. Danach werden – contra legem –
Servituten auch ohne Verbücherung durch Ersitzung erworben. Dadurch
wird unbillige Stringenz gemildert. | |
Offenkundige Dienstbarkeiten
sind nach hA solche, die sich bei einiger Aufmerksamkeit bei Besichtigung
des dienenden Grundstücks wahrnehmen lassen; auch nur saisonal:
zB Schiabfahrt, Langlaufloipe, Weide. – Offenkundige Dienstbarkeiten
wirken nach Rspr und hA gegenüber dem Erwerber auch ohne im Grundbuch
eingetragen zu sein. | Kriterien |
|
SZ 23/86 (19..): Zum Begriff der
offenkundigen oder offenbaren Dienstbarkeit. | |
|
| Entstehung |
Im Zweifel
wird aber eine Nachforschungspflicht angenommen;
vgl SZ 55/46 (1982) oder SZ 57/38 (1984). – Offenkundige Servituten
können nicht nur bei Grund-, sondern auch bei persönlichen Dienstbarkeiten
– etwa einem Wohnrecht – bestehen; vgl Rubin, ecolex 1998, 545.
Die Grundsätze für offenkundige Dienstbarkeiten werden auch auf
Servitutserweiterungen und -einschränkungen angewandt. | Nachforschungspflicht |
11. Klagerecht in
Rücksicht auf Servituten | |
§ 523 ABGB gewährt
ein „doppeltes Klagerecht”: | § 523 ABGB:
a. confessoria und a. negatoria |
•
Behauptung, dh Durchsetzung
der Servitut gegen den Eigentümer; Satz 2, 1. HalbS: sog Servitutsklage
/ actio confessoria oder | |
•
der Eigentümer kann sich
– vice versa – gegen die Anmaßung einer Servitut beschweren; Satz
2, 2. HalbS: sog Eigentumsfreiheitsklage / actio negatoria → Privatrechtliche
Eigentumsklagen – Übersicht
| |
Satz
3 unserer Bestimmung regelt die Beweislast für
beide Klagen, nämlich: | Beweislast |
•
Bei der Servituts(durchsetzungs)klage muss
der Kläger den Erwerb der Servitut oder wenigstens seinen (Rechts)Besitz
beweisen; | |
•
bei der Eigentumsfreiheitsklage”muss
er [sc der Eigentümer] die Anmaßung der Servitut in seiner Sache
beweisen”. | |
 | |
 | Abbildung 8.77: Klagerecht in Rücksicht der Servituten |
|
12. Beendigung
von Servituten | |
Ist
das Sachenrecht durch Verbücherung einmal entstanden, kann es als
dingliche Dauerrechtsbeziehung nicht ohne weiteres – zB durch Kündigung
wie bei normalen Dauerschuldverhältnissen – aufgelöst werden. | |
| |
 | |
13. Erlöschen
von Dienstbarkeiten | |
§
524 verweist auf die §§ 1411 und 1451 ff ABGB: | |
•
Durch Untergang der
dienstbaren Sache oder des herrschenden Guts; § 525 ABGB. | |
•
Durch Vereinigung (confusio);
§ 526 ABGB. | |
•
Durch Zeitablauf;
§§ 527 f ABGB. | |
•
PersönlicheServituten erlöschen
mit dem Tod der berechtigten Person; ein Erstrecken
auf Erben und die Familie ist aber nach § 529 ABGB möglich. | |
• Servituten zu Gunsten juristischer
Personen dauern so lange, als die moralische Person besteht;
§ 529 Satz 3 ABGB. | |
| |
|
Der Grundeigentümer
muss die Instandhaltung einer ersessenen Schiabfahrt durch
Pistengeräte dulden, es wäre denn die Nutzung des Grundeigentums
außerhalb der Schisaison dadurch beeinträchtigt oder ein anderer
Nachteil zu besorgen; SZ 45/39 (1972). | |
|
|
Zulässig ist es,
dass der Berechtigte einen Fahrweg beschottert,
der zum Befahren mit Motorfahrzeugen für das herrschende Gut dient; EvBl 1968, 230. | |
|
|
Zulässig ist auch
das Asphaltieren eines bereits befestigten Schotterwegs
zur Staubfreimachung, sofern damit nicht eine Verbreiterung oder
verstärkte Nutzung des Wegs einhergeht; SZ
60/160 (1987). | |
|
|
Unzulässig ist
aber das Pflastern und Beschottern eines Wiesen- oder Waldwegs; GlU 14.217 (1892) und JBl 1955, 403. | |
|
|
Zulässig ist es
für den Belasteten, den bisher benützten Weg im Rahmen der Herstellung
eines neuen zu sperren, wenn der neue für den Berechtigten günstiger
ist; GlU 1634 (1863). | |
|
|
Auch das Verlegen
eines Servitutswegs ohne Zustimmung des Berechtigten auf
eine andere Stelle der belasteten Liegenschaft (aber nicht auf eine
andere Liegenschaft des Verpflichteten) ist zulässig, wenn der neue
Weg dem Zweck der Dienstbarkeit vollkommen entspricht; SZ 59/50 (1986). | |
|
|
Unzulässig ist
aber das Absperren eines Wegs zu einem Wohnhaus
durch das Versperren eines Gattertores, selbst wenn dem Berechtigten
der Schlüssel dazu übergeben wird; JBl 1958,
505. | |
|
| |
Das NotwegeG 1896, RGBl 140 sieht unter bestimmten Voraussetzungen
die gerichtliche Einräumung eines Notwegs über fremde Liegenschaften
vor: | |
| Wegverbindung fehlt |
• Das setzt voraus,
dass eine Wegverbindung mit dem öffentlichen Wegnetz
fehlt oder unzulänglich ist. | |
• Die Einräumung eines Notwegs ist nach § 2 Abs
1 leg cit aber bspw unzulässig, wenn die fehlende Wegverbindung
auf eine „auffallende Sorglosigkeit des Grundeigentümers zurückzuführen
ist”. Nach § 2 Abs 2 NotwegeG wird ein Notweg auch nicht zur „Erzielung
einer kürzeren als der bestehenden Wegeverbindung” gewährt. | |
• Nach § 3 leg cit besteht der Notweg in der Einräumung
einer Servitut, insbesondere auch in der Mitbenützung eines
vorhandenen Privatwegs. Nach § 8 leg cit unterliegt der Anspruch
auf Einräumung eines Notwegs nicht der Verjährung. | |
•
Zuständig (für das Einräumen
eines Notwegerechts) ist das Bezirksgericht, in
dessen Sprengel sich die notleidende Liegenschaft befindet; § 9
Abs 2 NotwegeG. Das Verfahren ist außerstreitig; § 9 Abs 3 leg cit.
– Die Verfahrenskosten trägt der „bedürftige Grundeigentümer”;
§ 25 Abs 1 NotwegeG. | |
• Mit dem Außerstreit-BegleitG wurden die §§ 9-29 neu gefasst.
Wesentliche Änderungen sind damit nicht verbunden. Insbesondere
die Kostenregelung des § 25 Abs 1 trägt nach wie vor der Eigentümer
des „notleidenden Grundstücks“. Klargestellt wurde nur, dass dies
auch die „Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung“ umfasst. | |
 | Abbildung 8.78: Dienstbarkeit: Rechte und Pflichten (1) |
|
 | Abbildung 8.79: Dienstbarkeit: Rechte und Pflichten (2) |
|
| |
1. Dingliche Lasten
– Herkunft | |
Die Reallasten – im ABGB nicht
allgemein geregelt – sind neben den Servituten und Hypotheken dingliche
Lasten von Liegenschaften. Dient die Hypothek dem
Real- oder Immobiliarkredit und liegt der Ursprung der Servituten im
Nachbarschaftsverhältnis, so leiten sich die deutschrechtlichen Reallasten aus
ursprünglichen Herrschaftsverhältnissen ab; vgl Kasten. | |
Dennoch
gibt es zwischen diesen Rechtsinstituten Überschneidungen.
– So dienen auch Reallasten dem Nachbarschaftsverhältnis (zB der
Instandhaltung gemeinsamer Trennwände) und neben den persönlichen
Servituten auch der persönlichen Versorgung (insbesondere von Angehörigen), was
vor allem für das bäuerliche Ausgedinge gilt → Das
Ausgedinge
| Überschneidungen |
Grundentlastung
| |
Die
sog Grundentlastung wurde in Österreich ua mit
Patent vom 7.9.1848, JGS 1180 durchgeführt; dort wird unter „Drittens”
bestimmt: „Alle aus dem Unterthänigkeits-Verhältnisse entspringenden,
dem unterthänigen Grunde anklebenden Lasten, Dienstleistungen und
Giebigkeiten jeder Art, sowie alle aus dem grundherrlichen Obereigenthume,
aus der Zehent-, Schutz-, Vogt- und (Wein-) Bergherrlichkeit und
aus der Dorfobrigkeit herrührenden, von Grundbesitzungen oder von Personen
bisher zu entrichten gewesenen Natural-, Arbeits- und Geldleistungen,
mit Einschluss der bei Besitzveränderungen unter Lebenden und auf
den Todesfall zu zahlenden Gebühren, sind von nun an aufgehoben.” |
Die Reallasten
sind in Entwicklung und Inhalt Reste solch’ ursprünglicher Herrschaftsverhältnisse, die
als Privatrechte erhalten blieben. |
| |
Reallasten
kennt nicht nur das österreichische Privatrecht,
sondern auch das dtBGB (§§ 1105-1112) und das Schweizerische ZGB
(Art 782-792); letzteres spricht von Grundlasten. – Die rechtliche
Einordnung der Reallasten in den genannten Rechtsordnungen erfolgte
aber unterschiedlich: Während das österreichische und deutsche Privatrecht
sie zu den beschränkten dinglichen Rechten zählen,
versteht sie das Schweizer ZGB durchaus konsequent als Realobligationen. Inhaltlich
stecken nämlich in den Reallasten sowohl dingliche (absolute Wirkung)
wie schuldrechtliche Elemente; Leistungspflicht. – Man kann sie
daher auch als verdinglichte oder verdinglichbare Leistungsverpflichtungen
ansehen. | Rechtsvergleich |
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Das Ausgedinge ist vor allem im bäuerlichen Bereich von
Bedeutung, kommt aber auch im gewerblichen vor. Mittels Übergabsvertrag überträgt
der bisherige Unternehmer – Altbauer oder Gewerbeinhaber – sein
lebendes Unternehmen, zB einen Bauernhof oder eine Werkstätte, auf
eine/n Nachfolger/in; idR ein Kind (und dessen Gatten/in). Die vom
Übernehmer übernommenen Lasten, die oft vielgestaltig sind, werden
(zur Sicherheit für den Übergeber) als Reallasten verbüchert. –
Früher besass das Ausgedinge für den Übergeber geradezu eine Art
Sozialversicherungscharakter. | |
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Das Ausgedinge führt immer wieder zu rechtlichen Problemen
zwischen „Alt” und „Jung”. Einerseits kann es zum sog Unvergleichsfall durch
Streit zwischen den Generationen kommen und andrerseits – damit
im Zusammenhang – zu Vertragsüberbürdungsproblemen
→ KAPITEL 5: Vertragsverbindung
oder -koppelung. | |
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SZ 64/106 (1991)
→ KAPITEL 4: Recht
eine (nichteheliche) Lebensgemeinschaft einzugehen:
Recht der Mutter nach dem Tod des Unternehmers ein Lebensgemeinschaft einzugehen. | |
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SZ 27/160 (1954): Der Ausgedingsberechtigte
darf eine Pflegeperson in die Ausgedingswohnung
aufnehmen; Beachte den Unterschied zum Wohnunsrecht → Persönliche
Dienstbarkeiten
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3. Was ist eine
Reallast? – Inhalt und Abgrenzungen | |
„Reallast
im technischen Sinn ist die Belastung eines Grundstückes mit
der Haftung für Leistungen des jeweiligen Eigentümers.
Es müssen Leistungen des jeweiligen Eigentümers sein, im Gegensatz
zur Hypothek, die das Grundstück mit der Haftung für Leistungen
einer bestimmten Person beschwert. [Wie die Hypothek begründet auch die
Reallast idR neben der Sachhaftung (der Liegenschaft), eine persönliche
Haftung des Verpflichteten.] Es sollen [idR] wiederkehrende,
wenn auch nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen sein, und zwar
selbständige Einzelleistungen ...”; Ehrenzweig, Sachenrecht 360
(19572). | Ehrenzweig |
Inhalt von Reallasten
können nur positive Leistungen sein; etwa Arbeiten,
das Erbringen von Naturalien oder Geld. Der Reallastverpflichtete
hat sie zu erbringen oder erbringen zu lassen; Leistungspflicht.
– Darin liegt der Unterschied zu den Servituten, die keine (positive)
Leistungsverpflichtung, sondern nur ein negatives Dulden / Unterlassen
beinhalten können. | Inhalt |
Reallasten können wie Dienstbarkeiten auf
Dauer oder zeitlich begrenzt vereinbart
werden. – Wie Dienstbarkeiten können auch Reallasten als Personal-
oder Prädial- / Grundreallasten
begründet werden. | Parallele
zu den Servituten |
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JBl 1999,
380: Auslegung einer Reallast des Wasserbezugs. | |
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Wie für Dienstbarkeiten gilt auch für den Erwerb
von Reallasten die Lehre von Titel und Modus; §
380 ABGB. Auch Reallasten müssen daher, um dinglichen Charakter
zu erlangen, verbüchert werden. Sie sind bücherliche Rechte iSd
§ 9 GBG → KAPITEL 2: Bücherliche Rechte. | |
5. Weitere typische
Beispiele | |
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Neben dem (immer noch weit
verbreiteten) bäuerlichen Ausgedinge im Rahmen
der Gutsübergabe – vgl etwa SVSlg 38.979,
zu nennen: | |
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NZ 1992, 61: Einmalige Verpflichtung
zur Errichtung eines Wohnhauses sowie Holz- oder Wasserbezugsrechte oder Arbeitsleistungen:
zB die Erhaltung von Gebäuden oder Wegen, Lieferung von Schotter oder
von Elektrizität; | |
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aber auch Kinderbetreuung; JBl 1992, 44. | |
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Bier-, Branntwein-
oder sonstige Bezugsverpflichtungen können nach der Rspr weder als
Reallast, noch als Servitut intabuliert werden; JB 133 (1886) und
SZ 12/179 (1930): Lebensmittelbezugsverpflichtung für ein Geschäft.
– Diese Rspr-Position sollte überdacht werden. | |
 | Abbildung 8.80: Reallast |
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 | Abbildung 8.81: Baurecht |
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I. Ausgestaltung
und Wirkung | |
Das Baurecht zählt mit dem Wohnungseigentum
( →
Wohnungseigentum:
WEG 2002), dem Veräußerungs- und Belastungsverbot
des § 364c ABGB ( → Beschränkungen
durch den Richter oder
Rechtsgeschäft) und dem Treuhandeigentum zu den sog eigentumsähnlichen Rechten.
Es durchbricht auf originelle Weise den alten römischrechtlichen
Grundsatz: superficies solo cedit (= das Bauwerk fällt in das Eigentum
des Liegenschaftseigentümers). | Eigentumsähnliche
Rechte |
Dem österreichischen BaurechtsG von 1912
¿ Schöpfer war Franz Klein ¿ dienten die Vorschriften des dtBGB
über das Erbbaurecht als Vorbild. Das Baurecht sollte vornehmlich
der kommunalen Wohnbaupolitik (der öffentlichen Hand) dienen. Auf
Baurechtsbasis wurde im Wien der Zwischenkriegszeit auf vorbildliche
Weise Wohnraum geschaffen; Siedlerbewegung, Kleingenossenschaften. | |
1. Rechtsgrundlage
und Umschreibung | |
Rechtsgrundlage ist das BaurechtsG 1912;
wichtige Nov: BGBl 1990/258. | |
Baurecht
ist ¿ ... das dingliche, veräußerliche und vererbliche Recht,
auf oder unter [zB Tiefgarage] der Bodenfläche eines fremden Grundstücks
ein Bauwerk zu haben¿; § 1 BaurechtsG. | Definition |
2. Wer kann Baurecht
einräumen? | |
Seit der Nov
1990 kann jeder Liegenschaftseigentümer Baurecht
einräumen; früher konnten das nur die öffentliche Hand und Kirchen
etc ¿ daher nur geringere Bedeutung. | |
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Der Eigentümer
kann die Liegenschaft verwerten, ohne sein Eigentum aufgeben zu
müssen: | |
• rares Bauland kann
daher zu günstigen Bedingungen genützt werden; | |
• Bauberechtigte ersparen sich den Kaufpreis
für die Liegenschaft, denn sie zahlen bloß den Bauzins. | |
4. Rechtliche Ausgestaltung | |
Das
Baurecht (selbst) ist eine unbewegliche Sache. Das errichtete Bauwerk
gilt als Zugehör (und zwar Bestandteil) des Baurechts und ist wie
dieses unbeweglich. ¿ Eigentümer des Bauwerks ist der Bauberechtigte.
Das Baurecht entsteht durch Verbücherung (§ 5 BaurechtsG) im C-Blatt
der belasteten Liegenschaft. Für das Baurecht wird eine eigene Baurechtseinlage
eröffnet. Das Baurecht lastet auf dem ganzen Grundbuchskörper; vgl
die graphische Darstellung des Baurechts. | § 6 Abs 1 BaurechtsG |
Das Baurecht
schafft eine Art Eigentum auf Zeit, das auch sonst
in Österreich anerkannt wird → Eigentumsformen Der
Bauberechtigte kann seine Rechtsposition ¿ freilich nicht mehr!
(nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet) ¿ veräussern
und das Baurecht (als unbewegliche Sache!) auch belasten; bspw eine
Hypothek aufnehmen. Das ist etwa für angesiedelte Betriebe interessant,
die das Baurecht dadurch auch als Kreditbeschaffungs- und Sicherungsmittel
verwenden können; vgl das Eingangsbeispiel. | Eigentum
auf Zeit ¿ Was kann ein Bauberechtigter? |
§ 6a BaurechtsG stellt klar: Am
Baurecht kann auch Wohnungseigentum begründet werden. | Begründung
von Wohnungseigentum |
Baurecht
wird idR entgeltlich vergeben; Bauzins (bei
wiederkehrenden Leistungen. § 3 Abs 2 BaurechtsG; aber es könnte
auch eine einmalige Abschlagszahlung vereinbart werden): Wertsicherung ist
zulässig. ¿ Hier bestehen interessante Gestaltungsmöglichkeiten. | Wertgesicherter Bauzins |
Dauer: | Dauer |
Nach § 3 Abs 1 BaurechtsG kann Baurecht für ¿nicht weniger
als [10 ] und nicht mehr als [100 ] Jahre¿
geschaffen werden. ¿ Damit wird wie erwähnt ¿Eigentum auf Zeit¿
geschaffen! | |
Das
Bauwerk fällt nach Ablauf der Zeit zurück an den Grundeigentümer;
§ 9 Abs 1 BaurechtsG. ¿ Ohne andere Vereinbarung erhält der Bauberechtigte
eine Entschädigung von 1/4 ¿des vorhandenen Bauwertes¿; § 9 Abs
2 BaurechtsG. ¿ Das Liegenschaftseigentum lebt dann wieder als dingliches
Vollrecht auf. | Erlöschen |
 | Abbildung 8.82: Baurecht, Superficies, Superädifikat (1) |
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 | Abbildung 8.83: Baurecht, Superficies, Superädifikat (2) |
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II. Abgrenzungen
des Baurechts | |
Das Baurecht muss einerseits unterschieden werden von: | |
•
§ 297 ABGB (Superficies)
und andrerseits von | |
•
§
435 ABGB (Superädifikat). | |
• § 434 ABGB iVm § 1 Abs 2 UHG: Eigentumserwerb an Liegenschaften,
die nicht im Grundbuch eingetragen sind. | |
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JBl 2002, 311:
Paralleles Einräumen eines Baurechts und eines Superädifikats → KAPITEL 2: Allgemeines
¿ Geschichtliches. | |
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 | Abbildung 8.84: Baurecht (1) |
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 | Abbildung 8.85: Baurecht (2) |
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 | Abbildung 8.86: Baurecht (3) |
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