Das rote Schatz der Alpen: Die ostalpine Halbedelsteingewinnung vom Ende des 18. bis ins 20. Jahrhundert – mit speziellem Fokus auf den Zillertaler Granat.

Roland Köchl, Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie

 

Hochgebirge waren seit je her veritable Ungunstlagen, vordergründig in wirtschaftlicher, erschließungstechnischer und klimatischer Hinsicht, welche den dort ansässigen Menschen oftmals  ihre existenziellen Grenzen aufzeigten. Hinsichtlich Natur- und Kulturvielfalt sind diese vermeintlich unwirtlichen Gebiete, aufgrund ihrer hypsometrischen Verteilung, jedoch sehr divers. Ebenso ist ihr Rohstoffreichtum aufgrund der aktiven Geomorphodynamik beachtlich. Dieser Tatsache sind eine Vielzahl von Bergbauen geschuldet, die sich von prähistorischer Zeit bis in die heutige Postmoderne ziehen. Besagter Reichtum schaffte für manche Gebirgsbewohnenden ein wirtschaftliches Dasein. Im ostalpinen Raum ist der Metallbergbau (Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Wolfram etc.) vordergründig, aber in kleinerem Maße auch der Mineralbergebau (Salz, Magnesit, Kies, Ton, Asbest etc.). Eine Kuriosität allerdings ist der Mineralbergbau mit dem Ziel der Schmucksteinerzeugung. Am Zillertaler Hauptkamm (Zemmgrundtal am Rossrücken u. a.) wurde vom späten 18. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert Granat als Halbedelstein abgebaut und zu Rohsteinen für den Edelsteinmarkt verarbeitet. Dieser vorraffinierte Rohstoff namentlich „Tiroller Granat“ wurde dann hauptsächlich nach Böhmen – zu den dortigen Zentren des Edelsteinschleifgewerbes der Habsburgermonarchie und Europas insgesamt – geliefert. Von dort aus wurden die Schmucksteine als „Böhmischer Granat“ verkauft.
Konkret stellen sich die Fragen nach der Distribution, den genauen Zielregionen inklusive der dort agierenden Personen, dem mengenmäßigen Absatz, ebenso wie den Bepreisungen und den persönlichen sozioökonomischen Lebenswelten der Granatarbeiter „Stoanklauber“. Weiters von Interesse ist die mit dem Bergbau koexistierende hiesige Bevölkerung im Talboden, im Sinne der Zuarbeit, Infrastrukturleistungen, Distribution und Zulieferketten. In weiterer Folge wirkten sich diese Kollaborationen auch auf die dort vorherrschenden Traditionen und Volkskunst aus.
Die Rezeption dieses Bergbaus wirkt bis heute nach. Anfänglich wurde dem Zillertaler Granatbergbau wenig Beachtung geschenkt. Gebirgsforschungsunternehmungen am Beginn des 18. Jahrhunderts waren noch eher selten. Erst die Entdeckung der sich in der Industrialisierung befindlichen adeligen und bürgerlichen „Städter“ schaffte eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den alpinen Hochregionen. Vor allem im 19. Jahrhundert durch das Aufkommen der wissenschaftlichen Institutionalisierung ließen die Aufmerksamkeit auf die inneralpinen Lebenswelten und damit auch auf den Granatbergbau erwachsen. Die Gründung alpiner Vereine in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts beschleunigte diese Entwicklungen zusätzlich. Genau in diese Zeit fällt auch die Phase der Blütezeit dieses Bergbaus. Im frühen 20. Jahrhundert wurde der Bergbau schließlich aufgegeben. Somit sank auch das wissenschaftliche Interesse an dem Thema. Der Granathandel hat jedoch rudimentär noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts bestanden, wiewohl der Granatschmuck auf Zillertaler Trachten die Erinnerung an das Granatgeschäft nie ganz vergessen ließ. Ab den 1970er Jahren kam es aufgrund von privaten Initiativen von Personen, deren Vorfahren Granatarbeiter waren, wieder zu einer Reaktivierung der Thematik. Über den aufkommenden Tourismus und im Sinne der „Great Acceleration“ wurde der Granatbergbau touristisch vermarktet. Mittlerweile gibt es im Zillertal am Penkenjoch eine Granatalm, eine Granatkapelle, ein „Granat-Bier“ von der Zillertal Bier- Brauerei und einen Granatkäse von der Erlebnissennerei Zillertal. Granatschmuck erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass der Zillertaler Granat jemals wieder abgebaut werden wird, da er nur mit sehr viel Aufwand gewonnen werden kann, rezente Substitute aus anderen Teilen der Welt einfacher zu heben und wesentlich billiger sind. Eine Gesamtzusammenschau der Thematik gibt es jedoch bis heute nicht. Dieses historische Forschungsvorhaben versucht einen zeitlichen Rundumblick zum Zillertaler Granat zu schaffen. Andere Fragestellungen zu archäologischen Artefakten oder mineralogische Hinweise zur lokalen Provenienz und Mineralgenese kann die Geschichtswissenschaft nicht beantworten bzw. leisten. Abhilfe schafft die Tatsache, dass das Projekt interdisziplinär angelegt ist, um sich dem Thema auch mit mineralogisch-archäologischen Methoden zu nähern. Diese Professionen helfen, gemeinsam mit den historischen Erkenntnissen das immer noch wirkende Faszinosum des Zillertaler Granats synergetisch aufzuarbeiten.

 

BetreuerInnen: ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Gunda Barth Scalmani, Univ.-Prof. Mag. Dr. Scharr Kurt, Assoz.-Prof. Dr. Gert Goldenberg

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