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Erstmals Gammablitze bei höchster Energie vom Boden aus beobachtet

Etwa 50 Jahre nach der Entdeckung von Gamma­strahlen­blitzen konnten diese nun erstmals mit bodengestützten Gamma­strahlungs­teles­kopen beobachtet werden. Sowohl mit den H.E.S.S.-Teleskopen in Namibia als auch mit den MAGIC-Teleskopen auf La Palma konnte erstmals das Aufleuchten bzw. Nachglühen solcher Gammablitze bei höchsten Energien detektiert werden.

Extrem energiereiche kosmische Explosionen produzieren Gammastrahlenausbrüche (GRB), die meist nur wenige Sekunden dauern. Darauf folgt ein länger andauerndes Nachglühen im optischen und im Röntgen-Bereich, dessen Helligkeit rasch abklingt. „Die Gammastrahlen des unmittelbaren Ausbruchs sind überwiegend einige tausend bis Millionen Mal energiereicher als sichtbares Licht und waren bisher nur von Satelliten aus beobachtbar“, erklärt Prof. Olaf Reimer vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck, an dem er Leiter der H.E.S.S.-Arbeitsgruppe ist. Bis zu welchen Energien GRBs Strahlung emittieren und ob auch höchstenergetische Gammastrahlung (mindestens 100 Milliarden Mal energiereicher als sichtbares Licht) dabei ist, blieb bis jetzt offen.

Einzigartige Beobachtungen

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GRB 180720B im höchstenergetischen Gammalicht, 10 bis 12 Stunden nach dem Ausbruch gesehen mit dem großen H.E.S.S.-Teleskop. Das rote Kreuz zeigt die im optischen Bereich bestimmte Position von GRB 180720B.

Am 20. Juli 2018 meldeten der Fermi Gamma-Ray Burst Monitor (GBM) und das Burst Alert Telescope des Neil Gehrels Swift Observatory (BAT) kurz nacheinander einen Gammastrahlenausbruch, genannt GRB 180720B. Diese Stelle am Himmel wurde sogleich von weiteren astronomischen Observatorien beobachtet. Obwohl sich die Intensität dieser Phänomene („Blitze“) innerhalb von Sekunden stark verringert und die Himmelsregion erst 10 Stunden später ins Gesichtsfeld von H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System) in Namibia kam, richteten Wissenschaftler der H.E.S.S.-Kollaboration ihr größtes Teleskop dennoch dorthin. Überraschend konnte noch 10 bis 12 Stunden nach dem Ausbruch eine neue Gammastrahlenquelle an der Position von GRB 180720B nachgewiesen werden.

Ein ähnliches Szenario ereignete sich am 14. Januar 2019. Wiederum vermeldeten Fermi-GBM und SWIFT-BAT einen Gammastrahlenausbruch, diesmal GRB 190114C bezeichnet. Innerhalb von 22 Sekunden wurden die Koordinaten am die weltweit vernetzen astronomischen Observatorien verteilt und diesmal hatte MAGIC (Major Atmospheric Gamma-Ray Imaging Cherenkov Telescopes) bereits 28 Sekunden nach der Alarmierung seine Teleskope ausrichten können. Dieses kosmische Ereignis war für wenige Sekunden die hellste Quelle, die jemals im Lichte von TeV-Gammastrahlen gesehen werden konnte. Ihr Abklingen konnte noch weitere 30 Minuten nachgewiesen werden.

Diese Beobachtungen zeigen, dass, mehr als 50 Jahre nach ihrer Entdeckung, offenbar noch immer fundamentale Aspekte von Gammastrahlenblitzen neu bewertet werden müssen. Die jetzt entdeckte höchstenergetische Gammastrahlung demonstriert nicht nur die Anwesenheit von extrem beschleunigten Teilchen, sondern auch, dass diese relativ lange nach der Explosion noch existieren bzw. erzeugt werden. Als kosmischer Beschleuniger wirkt hier sehr wahrscheinlich die von der Explosion nach dem Kollaps eines massereichen Sterns ausgehende Schockwelle.

Entdeckungen eröffnen neue Perspektiven

Obwohl theoretische Vorhersagen für Detektionen von GRBs im Teraelektronenvolt-Energiebereich bereits vor den Beobachtungen vom Juli 2018 bzw. Januar 2019 existierten und schon viele Versuche mit verschiedenen Instrumenten, darunter auch schon H.E.S.S. und MAGIC, unternommen wurden, waren diese bisher noch nicht von Erfolg gekrönt. Nun aber ist den Wissenschaftlern ein Durchbruch gelungen: Erstmals wurden Gammastrahlenblitze bis hinauf zu Teraelektronenvolt-Energien gemessen. Erstmals wurde die Detektion von Gammastrahlungsausbrüchen mit bodengestützten Teleskopen realisiert, die über Teilchenkaskaden in Luftschauern den Gammaphotonen nachspüren können. Erstmals müssen Modellierungen der Breitbandemission von Gammastrahlungsausbrüchen die extrem hohe Energie kurz nach dem Blitz als auch noch Stunden nach dem Ausbruch erklären können. Beides stellt sich jedoch noch problematisch dar. „Während man bisher durch Synchrotronstrahlung, verursacht durch die Bewegung von Elektronen in magnetischen Feldern, die hochenergetischen Satellitenbeobachtungen noch erklären konnte, muss nun ein weiterer Strahlungsprozess bemüht werden“, erklärt Dr. Paolo Da Vela, Mitglied der MAGIC-Kollaboration und Mitarbeiter am Institut für Astro- und Teilchenphysik an der Universität Innsbruck. „Der sogenannte Inverse Compton-Effekt liegt hier nahe“, ergänzt Prof. Olaf Reimer. „Dabei werden Photonen bei Wechselwirkungen mit Elektronen von niedrigen Frequenzen zu höheren Energien gestreut, ein Mechanismus, der schon bei anderen Objekten extreme Gammastrahlenemission erklären hilft“, so Reimer weiter.

Darüber hinaus eröffnen die Entdeckungen auch neue Perspektiven für das Nachfolgeinstrument von H.E.S.S. und MAGIC, das CTA-Observatorium (Cherenkov Telescope Array). Die nun bestätigten Vermutungen der Existenz von Höchstenergie und die ausgeklügelten Beobachtungsstrategien, die schnelle und präzise Reaktionen auf Alarmierungen von anderen Wellenlängenbereichen erlauben, gestatten noch genauere Untersuchungen mit CTA und werden sicherlich weitere Überraschungen am höchstenergetischen Ende des elektromagnetischen Spektrums bereithalten.

 

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