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Inhaltsverzeichnis
SCHNELL GENAU UMFASSEND
Kapitel 6
In Kapitel 5 wurden die Rechtsgeschäftslehre und der Vertragsschluss samt der Rechtsgeschäftspathologie (Willensmängel etc) behandelt. Kapitel 6 geht – darauf aufbauend – auf einige verwandte Sonderfragen ein: – den Vertragsschluss unter Zugrundelegung von AGB (A.); – die cic, also das Entstehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses und einer gesetzlichen Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen und darüber hinaus im Rahmen der sogenannten Verkehrssicherungspflichten (B.); – die den (Haupt)Vertrag vorbereitende und oft absichernde Rechtsfigur des Vorvertrags (C.); – und schließlich die für Schuldverhältnisse und ihre Beendigung wichtige Unterscheidung zwischen Ziel- und Dauerschuldverhältnissen, wobei in dieser Auflage das (durch politische Unsensibiltät bedrohte) soziale Mietrecht neu bearbeitet wurde. – Alle diese Problemkreise zählen zum Allgemeinen Teil des Schuldrechts, dem SchRAT; vgl die „Stoffübersicht” und „Stoffzuordnung” in → KAPITEL 1: Stoffüberblick nach dem Pandektensystem.
Überblick
A. Allgemeine Geschäftsbedingungen
I. Allgemeines
1. Vom Individualvertrag zum Massengeschäft
Verträge wurden früher einzeln ausgehandelt. Heute dominiert das Massengeschäft. – Typische Branchen, die AGB verwenden, sind daher bspw: Versicherungen, kommunale Versorgungsbetriebe (Strom, Wasser, Gas, Verkehr), Banken, Vermögensberatungen, Speditionen, der Auto-, Elektro(geräte)- und Möbelhandel, Versandhäuser, Realitätenvermittler, Wäschereien, Putzereien, Reisebüros, Theater, Kinos usw; aber auch Post, Bahn und Schilifte. – Zu Funktion und Wandel des Vertrags → KAPITEL 5: Zu Funktion und Wandel des Vertrags.
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2. Was spricht für die Verwendung von AGB?
AGB dienen als Mittel einer rechtlich-wirtschaftlichen Rationalisierung: Wenn im Geschäftsleben immer wieder inhaltlich weitgehend idente Verträge geschlossen werden, ist es naheliegend, den Vertragsinhalt zu standardisieren und damit Zeit zu sparen; denn Zeit ist für den Kaufmann Geld. AGB, als vorformulierte und typisierte Vertragsinhalte, stellen demnach einen Akt kaufmännisch-rechtlicher Rationalisierung dar.
Rationalisierung
AGB stellen eine Hilfe beim Vertragsschluss dar, denn:
Hilfe beim Vertragsschluss
• der Geschäftsabschluss wird durch sie vereinfacht,
• sie ersparen Zeit und Geld, und
• erlauben es, berechtigte eigene Interessen zu berücksichtigen und
• sind in der Lage Kunden gleichmäßig zu behandeln.
Während die Abschlussfreiheit auch bei der Verwendung von AGB gewahrt wird, besteht die Gefahr, dass bei typisierten Vertragsschlüssen unter Zugrundelegung von AGB die Inhaltsfreiheit (zu Lasten des schwächeren Teils) auf der Strecke bleibt. Dazu gleich mehr.
Gefahren der AGB-Verwendung
Zur Vertragsfreiheit allgemein und zu ihren „Vier Freiheiten” → KAPITEL 5: Die ¿vier Freiheiten¿.
Gefahren der AGB-Verwendung: Aber auch andere Beweggründe spielen mitunter beim Erstellen von AGB eine Rolle; zB das Bestreben, für sich selbst rechtlich möglichst vorteilhafte Verträge zu formulieren, ohne gleichzeitig ebenso berechtigte Interessen der „anderen Seite” zu berücksichtigen; denn durch AGB wird oft das (sonst geltende) nachgiebige Gesetzesrecht (sog Dispositivrecht → KAPITEL 1: Die Staats- und Rechtsfunktionen und → KAPITEL 7: Nachgiebiges und zwingendes Recht), das sich durch ausgewogene Lösungen für beide Seiten auszeichnet (Gerechtigkeitsgewähr), verdrängt. – Unternehmer versuchen daher immer wieder, ihre wirtschaftlich stärkere Stellung auch dazu einzusetzen, um zB Verbraucher rechtlich (durch AGB) zu benachteiligen; etwa Gewährleistungsansprüche einzuschränken oder auszuschließen, drastische Verzugsfolgen zu statuieren oder fragwürdige Verfallsklauseln durchzusetzen; vgl das idF wiedergegebene Beispiel von SZ 2/11 (1920).
Mit der Verwendung von AGB besitzen Unternehmen ein Mittel, ihr Geschäftsrisiko auf Vertragspartner zu überwälzen. Häufig geschah dies auf der Rückseite von Formularen in extremem Kleindruck („das ominöse Kleingedruckte”!) und/oder es wurde bei der (Druck)Farbe gespart (hellblau)! – Dies alles hat in den 60er und frühen 70er Jahren – nicht nur bei uns – dazu geführt, den Problemkreis „AGB” intensiv zu diskutieren.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 2/11 (1920): Die in dem Übernahmsschein (Marke) einer Wäscherei (Putzerei, Färberei) enthaltene Bestimmung, dass die übergebenen Gegenstände bei Nichtabholung binnen 3 Monaten zugunsten der Unternehmung verfallen, ist gemäß § 879 ABGB ungültig / sittenwidrig und als nicht beigesetzt anzusehen.
OGH 27. 4. 2001, 1 Ob 27/01d (verst Senat), JBl 2001, 593: Verbraucher erhebt keine Einsprüche gegen vierteljährliche Kontoauszüge samt Rechtsbelehrung. – OGH: Das Saldoanerkenntnis nach AGBKr hat im Regelfall nur deklarative Wirkung. Konstitutiv wirkt es nur bei konkreter Streitbereinigungsabsicht, dh wenn im konkreten Fall ein ernstlicher Streit oder Zweifel beigelegt werden soll.
Das Ergebnis in Österreich sind die Regelungen der §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB – eingeführt parallel zum KSchG 1979 – sowie einige weitere Bestimmungen im Rahmen des KSchG; insbesondere § 6 KSchG (unzulässige Vertragsbestandteile), aber auch § 8 KSchG (Gewährleistung) oder § 14 KSchG (Gerichtsstand) uam. Dazu kommen die §§ 28 und 29 KSchG: sog Verbandsklage etc. Das KSchG als Ganzes verdankt seine Entstehung diesen neuen bewussteren Strömungen im Rechtsdenken, das in seinen Ursprüngen aus den USA (Ralph Nader) nach Europa kam.
Reaktionen des Gesetzgebers auf Missstände
Anhand der AGB-Problematik kam in Österreich der Konsumentenschutz in Diskussion und das KSchG 1979 ist das Ergebnis → KAPITEL 2: Verbraucherrecht ¿ Konsumentenschutz. In Deutschland wurde 1976 ein eigenes AGB-G(esetz) beschlossen, das 2001 im Rahmen der Schuldrechtsreform in das dtBGB integriert wurde; §§ 305 ff dtBGB.
AGB werden im Normalfall von (Einzel)Unternehmern erstellt und gelten dann auch nur für Vertragsschlüsse dieser Unternehmen; und zwar im Verhältnis von Unternehmer und Verbraucher wie zwischen Unternehmern (→ Voraussetzungen und Verwendung von AGB?). – Aber es gibt auch Branchen-AGB; zB für den Kreditsektor (.........), Spediteure (AöSp), (Privat)Versicherungen oder die Allgemeinen Reisebedingungen; dazu → KAPITEL 12: Der (Pauschal)Reiseveranstaltungsvertrag: PauschalreiseveranstaltungsV.
Wer verwendet AGB?
Zu den Rahmenverträgen → Vorvertrag <-> Rahmenverträge Zu Vertragsschlüssen im Fernabsatz SIEHE ...
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3. Was wird in AGB geregelt?
Typische Regelungen in AGB betreffen: – Erfüllungszeit und -ort, – Fälligkeit und Mahnung, – Lieferfristen und vor allem auch – Zahlungsmodalitäten wie Zahlungsziele oder Skonti, – Gläubiger- und Schuldnerverzug (zB bankmäßige, also höhere vertragliche als die niederen gesetzlichen Verzugszinsen, erweiterte vertragliche Rücktrittsrechte / Storno etc), – Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzansprüche (insbesondere auch konkrete Regeln zur Handhabung der Mängelrüge nach § 377 HGB → KAPITEL 7: Kaufmännische Rügepflicht), – den Eigentumsvorbehalt, – Konventionalstrafen (§ 1336 ABGB), – Kostenvoranschläge (§ 1170a ABGB) oder – sog Freizeichnungsklauseln (→ KAPITEL 9: Verschulden (culpa)), – Zurückbehaltungsrechte (§ 471 ABGB) und – Aufrechnung- (sverbote).
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4. Voraussetzungen und Verwendung von AGB?
Die Verwendung von AGB braucht in Österreich grundsätzlich – weder im Voraus (ex ante) noch im Nachhinein (ex post) – eine staatliche Genehmigung; Ausnahme: AGB von Versicherungen mussten lange von der Versicherungsaufsichtsbehörde (= BMfF) genehmigt werden. Nunmehr gilt dafür eine EU-Richtlinie. Die AGB der Kreditunternehmungen müssen dem BMfF angezeigt und im Kassenraum ausgehängt werden; § 35 Abs 1 Z 2 BWG.
AGB finden nicht nur zwischen Unternehmern und Verbrauchern Anwendung, sondern auch unter Kaufleuten; zB Ein- und Verkaufsbedingungen. – AGB werden häufig unter Beiziehung von Rechtsberatern formuliert. Leider nicht immer auf hohem Niveau und rechtlich einwandfrei, also zB KSchG-konform; vgl → AGB-Muster: Link. Es ist kein Qualitätszeichen für einen Rechtsanwalt (und natürlich auch nicht für den jeweiligen Unternehmer), wenn AGB scharf und einseitig formuliert werden. Kaufmännische Überlegungen erfordern vielmehr ein angemessenes Berücksichtigen von Kundeninteressen. AGB haben zu beachten, dass sie auf (nicht immer geschäftsgewandte) „Kunden” Anwendung finden sollen.
AGB finden auch „unter“ Kaufleuten Anwendung
Beispiel
Sinnvoll für die geplante längerfristige Zusammenarbeit von Unternehmern ist es, einen Rahmenvertrag zu schließen. Er vermag auch das eben aufgezeigte Problem (→ Vorvertrag <-> Rahmenverträge) eines Dissenses zwischen Geschäftspartnern auszuschließen.
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II. Geltungsgrund und Inhaltskontrolle
1. Zwei grundsätzliche Fragestellungen
Die AGB-Problematik wird gerne auf zwei Problemkreise verteilt: Die Frage nach dem „Geltungsgrund” von AGB und die nach ihrer „Inhaltskontrolle”.
• Wie werden AGB gültig vereinbart, dh wie werden sie Vertragsinhalt? – Das ist die Frage nach dem sog Geltungsgrund.
• Und: Können bereits vereinbarte – also Vertragsinhalt gewordene – AGB, die einen Teil benachteiligen, worauf man uU erst später kommt, nachträglich noch kontrolliert und korrigiert werden, und von wem? – Das ist die Frage nach der sog Inhaltskontrolle von AGB.
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2. Der Geltungsgrund von AGB
Mit Nachdruck muss darauf hingewiesen werden, dass AGB von beiden Vertragsteilen vereinbart werden müssen und nicht etwa von einem Vertragsteil dem andern einseitig diktiert, also aufgezwungen werden können. – Alles was Vertragsinhalt werden soll, bedarf der Zustimmung beider Vertragspartner; Konsensprinzip. Konsens benötigt übereinstimmende Willenserklärungen.
Konsensprinzip
Nicht damit zu verwechseln ist die – häufig anzutreffende – unterschiedliche Wirtschafts- oder Marktmacht der Verhandlungspartner. Natürlich ist die wirtschaftliche Machtstellung eines Weltkonzerns und eines Verbrauchers sehr verschieden. Aber auch für solche Fälle gilt, dass ein Verbraucher den AGB seines Vertragspartners zustimmen muss und grundsätzlich im konkreten Fall die – wenigstens theoretische – Chance besitzt, bestehende AGB abzuändern. Nur das entspricht der Vertragsfreiheit und der damit einhergehenden Rechtsgleichheit. – Häufig besteht aber bei ungleicher wirtschaftlicher Machtstellung der Vertragspartner die Möglichkeit von Verbrauchern bloß darin, einen Vertrag – unter Zugrundelegung der vom Unternehmer erstellten AGB – abzuschließen oder darauf zu verzichten.
Unterschiedliche Wirtschafts- oder Marktmacht
Auch die Vereinbarung von AGB zwischen den Parteien kann ausdrücklich oder schlüssig (iSd § 863 ABGB) erfolgen; zB Offertstellung mit beigelegten AGB. – Für Kaufleute ist auch § 346 HGB zu beachten: Unter Kaufleuten gelten danach AGB stillschweigend auch dann als vereinbart, wenn ein diesbezüglicher Handelsbrauch besteht, selbst wenn ein Vertragsteil ihn nicht kennt; zB AÖSp.
§ 863 ABGB + § 346 HGB
Vertragspartnern muss schon im Rahmen des Vertragsschlusses – also bei der Konsensbildung – Gelegenheit geboten werden, in AGB, die Vertragsbestandteil werden sollen, Einsicht zu nehmen. Das kann auf verschiedene Weise geschehen; zB dadurch, dass ein Vertragspartner den andern auf das Bestehen von AGB – mündlich oder schriftlich – aufmerksam macht oder sie zusendet. Der Hinweis muss aber deutlich sein.
Möglichkeit der Einsichtsichtnahme
Hinweise auf der Rückseite eines Bestellscheins reichen ebenso wenig aus, wie schwer lesbare Hinweise im Kleinstdruck, wenn auch auf der Vorderseite.
Nachträgliches Verweisen auf AGB, zB auf einem Lieferschein oder gar erst auf einer Rechnung, reicht nicht aus, weil die vertragliche Vereinbarung schon vorher getroffen wurde und ein nachträglich einseitiges Abgehen davon unzulässig ist; pacta sunt servanda. – Freilich kommt diese Unsitte in der Praxis nicht selten vor; sei es aus Unwissen, Schlamperei oder Absicht.
Lieferschein oder Rechnung
Rechtssprechungsbeispiel
RdW 1985, 244: Hinweis auf AGB im Lieferschein wirkungslos – Ohne Vorliegen besonderer Umstände kann der Hinweis auf AGB des Ausstellers in Lieferscheinen, Rechnungen oder Gegenscheinen nicht als Anbot zur Abänderung des bereits abgeschlossenen Vertrags angesehen werden, da diese ihrer kaufmännischen Funktion nach nicht dazu bestimmt sind: OGH 9.10.1984, 2 Ob 606/84.
Zur Frage, wann AGB Vertragsinhalt werden: HS X/XI 26 mwH (1980) – Urlaubsbuchung beim Club Mediterranée.
Vgl auch das Beispiel in → KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel: SZ 55/134 (1982) – Eigentumsvorbehalt.
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3. Zur Inhaltskontrolle
Auch dann, wenn ein Vertrag unter Zugrundelegen von AGB geschlossen wurde und die konkreten AGB einen Vertragsteil – zB einen Verbraucher – (gröblich) benachteiligen, ist noch nicht „aller Tage Abend”. Es besteht die Möglichkeit einer nachgeschalteten, also einer ex post-Kontrolle durch die Gerichte.
Möglichkeit der ex post-Kontrolle
Die Gerichte prüfen, ob:
• eine konkrete AGB-Klausel gegen ein ausdrückliches Gesetzesgebot verstößt: zB gegen § 864a ABGB (Ungewöhnlichkeits-Klausel), § 879 Abs 3 ABGB (gröbliche Benachteiligung) oder gegen Bestimmungen des KSchG; etwa § 6.
• oder allgemein gegen die guten Sitten (§ 879 Abs 1 ABGB).
Kurz: AGB dürfen weder gesetz-, noch sittenwidrig sein; vgl die Rspr-Beispiele → AGB – Judikaturbeispiele – Zum Akzeptieren problematischer AGB durch Verbraucher, aber auch Kaufleute kommt es vor allem dann, wenn diese von der Möglichkeit der Einsichtnahme in AGB, obwohl sie bestanden hätte, nicht Gebrauch gemacht haben. Es wird „blindlings” unterschrieben.
AGB dürfen weder gesetz-, noch sittenwidrig sein
„Für den Verbraucher sind besonders solche Vertragsbestimmungen [iSd § 879 ABGB] jedenfalls nicht verbindlich, ...”:
Unzulässige Vertragsbestandteile: § 6 Abs 1 KSchG
• Etwa unbestimmte oder überlange Antragsbindung des Verbrauchers
• Überstrenge Zugangserfordernisse
• Ausschluß von Schadenersatz für vorsätzliche und grob fahrlässige Schädigung
• Beweislastverträge
• Unangemessen kurze Verfallszeiten für überlassene Sachen
• § 6 Abs 2 KSchG: „sofern ... sie [nicht] im einzelnen ausgehandelt” [Als nicht im einzelnen „ausgehandelt” iSd § 6 Abs 2 KSchG gelten Klauseln /Vertragsbestimmungen vor allem dann, wenn sie nur in AGB oder Vertragsformblätter aufgenommen und nicht im einzelnen erörtert wurden.] wurden, gilt das gleiche auch für folgende Klauseln:
• Ungerechtfertigtes Rücktrittsrecht des Unternehmers
• Vertragsüberbürdung an ungenannte Dritte
• Einseitige Leistungsänderungen
• Ausschluß von Schadenersatz für Schäden an übernommenen Sachen
Wird eine Klausel oder ein Vertragspassus für gesetz- oder sittenwidrig erklärt, ist dieser ungültig und wird aus dem Vertrag entfernt. Der Rest des Vertrags bleibt aber bestehen; sog Teilnichtigkeit oder Restgültigkeit.
Teilnichtigkeit
Die gerichtliche ex post-Kontrolle erfolgt entweder als:
Arten der Kontrolle
Individualkontrolle durch (Unterlassungs)Klage des Betroffenen nach § 28 Abs 1 KSchG, oder
• Kollektivkontrolle durch Verbandsklage nach den §§ 28a, 29 KSchG.
Klagslegitimiert für eine Verbandsklage sind nach § 29 KSchG bspw: der Verein für Konsumenteninformation, der ÖGB, die Bundesarbeitskammer, der Österreichische Seniorenrat oder die Wirtschaftskammer Österreich.
• Neu geschaffen wurde 1997 (BGBl I 6) die Möglichkeit der Abmahnung durch eine gemäß § 29 KSchG klageberechtigte Institution. – Dadurch kann ein Prozess vermieden werden, wenn der abgemahnte Unternehmer „binnen angemessener Frist eine mit angemessener Konventionalstrafe (§ 1336 ABGB) besicherte Unterlassungserklärung abgibt”.
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 29. 5. 2000, 2 Ob 133/99v, SZ 73/107: Vom Konto eines Lehrlings werden via Bankomat zweimal 5.000 S abgehoben. Er behauptet, es liege ein Missbrauch vor und verlangt Gutschrift in der entsprechenden Höhe. Die Bank hält dem ihre AGB entgegen, die einen Haftungsausschluss normieren. Es kommt zu einer Verbandsklage; § 29 KSchG. – OGH: Der Haftungsausschluss von Banken für technischen Missbrauch von Bankomatkarten (ohne Verschulden des Kunden) ist im Gegensatz zum Haftungsausschluss für Missbrauch wegen Verlustes gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig. Sofern der richtige PIN-Code verwendet wurde, spricht der Beweis des ersten Anscheins (prima facie Beweis) für eine Nutzung der Karte durch den Karteninhaber selbst oder für eine Verletzung der Geheimhaltungspflicht; dieser Anscheinsbeweis kann jedoch durch den Karteninhaber dadurch erschüttert werden, dass er die ernsthafte Möglichkeit eines atypichen Geschehensablaufs beweist (was dem Lehrling im konkreten Fall gelungen ist).
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III. Verschiedenes zu AGB
1. Wie sind AGB auszulegen?
AGB sind wie Verträge auszulegen und nicht wie Gesetze; also nach den §§ 914, 915 iVm § 869 ABGB und nicht nach den §§ 6, 7 ABGB → KAPITEL 11: Gesetzesauslegung: §§ 6, 7 ABGB. – Streitig war das insbesondere bei Versicherungsbedingungen, was kein Zufall war. Denn Versicherungsbedingungen zeichnen sich seit jeher nicht durch allzu große Verständlichkeit aus. Daher besitzt die Unklarheitenregel des § 915 ABGB Bedeutung → KAPITEL 11: Die Unklarheitenregeln der §§ 915, 869 ABGB. Da die Unklarheitenregel aber nur im Rahmen der Vertragsauslegung zur Anwendung gelangt, kam diesem Streit Bedeutung zu; denn die Vorschriften zur Gesetzesauslegung kennen diese Regel nicht!
AGB sind wie Verträge auszulegen
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2. Abgehen von AGB im Einzelvertrag?
Der Einzelvertrag kann wiederum von (erstellten) AGB abgehen. Wie erwähnt, ist das aus tatsächlichen Gründen (Marktmacht etc) aber oft nicht möglich, weil der „stärkereVertragspartner dazu nicht bereit ist. Konsumenten stehen daher immer wieder vor der Alternative, einen Vertragsschluss zu den vorgegebenen Bedingungen zu akzeptieren oder darauf zu verzichten. – Aber man kann und sollte es durchaus „versuchen” und das Argument, dass das nicht geht, ist falsch. Es kommt nur auf das Wollen an!
Recht des Stärkeren?
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3. Rahmenverträge
In einem Rahmenvertrag regeln beide Vertragspartner die „Geschäftsbedingungen” für künftige Vertragsschlüsse zwischen ihnen; zB zwischen Generalimporteur und seinen Abnehmern, zwischen Groß- und Einzelhändler oder einem Zulieferbetrieb – etwa in der Kfz-Branche – und einem Produktionsbetrieb; zB Autohersteller.
Der Rahmenvertrag verpflichtet selbst noch zu keiner Leistung oder Abnahme und ist auch nicht Vorvertrag (iSd § 936 ABGB): Zur Abgrenzung → Vorvertrag <-> Rahmenverträge Wenn aber künftig Verträge zwischen beiden Parteien geschlossen werden, sollen sie zu den im Rahmenvertrag niedergelegten Bedingungen geschehen. Das privatautonome Vereinbaren eines Rahmenvertrags eröffnet bei den Parteien die Möglichkeit optimaler Berücksichtigung der eigenen Interessen und wirtschaftlicher Bedürfnisse bei gleichzeitiger Rationalisierung für künftige Vertragsschlüsse. Geregelt werden kann darin alles, was auch sonst in AGB oder Verträgen geregelt werden kann.
Gemeinsam erstellte AGB für künftige Vertragsschlüsse
Man kann also sagen: Im Rahmenvertrag formulieren die Vertragsparteien gemeinsame AGB für die gemeinsame geschäftliche Zukunft. – Anders als im Normalfall werden hier also AGB nicht nur von einem, sondern von beiden Vertragsteilen gemeinsam erstellt. Daher kann von einem vereinbarten Rahmenvertrag auch nicht einseitig abgegangen werden.
Kein einseitiges Abgehen
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4. AGB und Önormen
Eine den AGB (und den Rahmenverträgen) vergleichbare Rationalisierungs- und Vereinheitlichungsfunktion üben auch die sog Önormen aus, die besonders für Werkverträge und hier wiederum für das Bauvertragsrecht von praktischer Bedeutung sind. Näheres → KAPITEL 12: ÖNormen und Haftrücklass.
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5. AGB-Richtlinie der EU
Die EU hat eine „RL” des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verträgen (AGB-RL) verabschiedet; Ratsdokument 8406/92. Zweck der „RL” war die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern (Art 1). Vgl → KAPITEL 1: Rechtsakte zum Privat, Handels- und Verbraucherschutzrecht (Auswahl).
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IV. AGB – Judikaturbeispiele
Zu § 864a ABGB: „Bestimmungen ungewöhnlichen Inhaltes“
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 62/99 (1989) – Kreditvertrag: „Die in ein umfangreiches Vertragsformular aufgenommene Klausel, ein Bürge, der die Haftung für einen zeitlich und der Höhe nach begrenzten Kredit übernimmt, hafte auch aus allen darüber hinaus mit dem Kreditgeber abgeschlossenen oder künftig abzuschließenden Kreditverträgen, ist ungewöhnlich iSd § 864 a ABGB und wird daher nicht Vertragsbestandteil.”
Oder: EvBl 1985/148 (VISA-Kreditkarte: Eine Frau tätigt mit einer Zusatzkarte Einkäufe gegen den Willen des Hauptkarteninhabers / Ehemann): „Enthalten Geschäftsbedingungen über Kreditkarten eine Bestimmung, wonach die Wirksamkeit der jederzeit möglichen Kündigung des Vertrages bezüglich der Zusatzkarte von der Rücksendung dieser Karte abhängt, so gilt der Vertrag ohne die die Rücksendung der Karte betreffende Bestimmung, wenn der Kreditkartennehmer bei Vertragsabschluss [ungenau] dahin informiert worden ist, dass die Zusatzkarte mit der Zeichnungsberechtigung für ein Konto vergleichbar sei. Die Bank ist in einem solchen Fall verpflichtet, dem Begehren ‘auf Sperrung der Kreditberechtigung für die Zusatzkarte’ im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren sogleich Rechnung zu tragen.” (Lesenswert)
SZ 56/62 (1983) (Kraftfahrzeug-Leasingvertrag): Die Bestimmung, dass der Leasinggeber den Vertrag fristlos aufkündigen kann, wenn der Leasingnehmer länger als 30 Tage mit zwei aufeinanderfolgenden Mieten ganz oder teilweise in Rückstand gerät und der Leasingnehmer in diesem Fall 50% des noch aushaftenden Restmietzinses als Konventionalstrafe zu bezahlen hat, ist nicht ungewöhnlich iSd § 864a ABGB.
SZ 60/52 (1987) – Welser Messe: Lässt sich der Verwender von AGB (hier erlässt ein Messeveranstalter eine Messeordnung) eine den Umständen nach zu erwartende Dispositionsfreiheit über die von ihm zu erbringende Leistung (hier Zuweisung der Ausstellungsplätze) einräumen, kann darin allein noch nicht eine ungewöhnliche Bestimmung gesehen werden.
EvBl 1992/109: „Die Vereinbarung einer Stornogebühr als Gegenleistung für die Einräumung des Rechtes auf Rücktritt vom Vertrag durch den Vertragspartner ist bei Kauf- und Werkverträgen erfahrungsgemäß durchaus üblich. Eine solche Klausel in den Verkaufs- und Lieferbedingungen des Vertragspartners ist daher grundsätzlich selbst für unerfahrene Vertragspartner nicht überraschend. Die Vereinbarung einer Stornogebühr in der Höhe des Schadens, den der Vertragspartner tatsächlich erlitten hat, ist jedenfalls in diesem Umfang [auch] keine gröblich benachteiligende Vertragsbestimmung iSd § 879 Abs 3 ABGB.” – Zum Storno → KAPITEL 15: Reugeld: §§ 909 ff ABGB und § 7 KSchG.
Vgl neben der eben erwähnten E EvBl 1992/109 noch folgende En.
SZ 57/41 (1984): „Eine gröblich benachteiligende Klausel in einem Vertragsformblatt über einen Leasingvertrag liegt darin, dass der Leasinggeber bei schuldhafter Zerstörung des Leasinggutes durch einen Dritten den vom Dritten ihm geleisteten bzw den zu erwartenden Schadenersatzbetrag bei Berechnung der restlichen Leasingraten nicht berücksichtigen muss.”
SZ 63/187 (1990): „Punkt 13 Abs 1 dritter Satz der AGB der österreichischen Kreditunternehmungen, wonach die Kreditunternehmung berechtigt ist, Aufträge auf Grund der Kontonummer durchzuführen, und der Verpflichtung enthoben ist, die Übereinstimmung zwischen Kontonummer und Empfängernamen zu prüfen, benachteiligt den im Überweisungsauftrag ausgewiesenen Zahlungsempfänger gröblich und ist deshalb nichtig. Da dem Überweisungsempfänger die Hauptleistung zugute kommen soll, ist er in den Schutzbereich der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Überweisenden und der Bank einbezogen.”
1. AGB-Muster
Lesen Sie dieses Dokument aufmerksam durch. Sie wissen dann, wie AGB aussehen. Viel bessere Qualität ist auch sonst kaum zu erwarten. Die Formulierung dieser – unveränderten! – AGB ist mitunter nicht nur sprachlich unschön, sondern auch unklar und mancher Passus verstößt gegen gesetzliche Vorschriften, insbesondere das KSchG. Nicht alle AGB-Punkte sind also unproblematisch. Lesen Sie daher dieses AGB-Muster mit kritischen Augen!
Der Kauf- bzw Liefervertrag kommt erst durch die schriftliche Auftragsbestätigung unsererseits zustande. Mündliche Nebenabsprachen sind unverbindlich. Mit der Erteilung des Auftrages anerkennt der Käufer die nachstehenden Geschäftsbedingungen als Vertragsbestandteile an. Vertragsbestandteile des Bestellers bzw des Käufers haben nur Gültigkeit, wenn sie von uns ausdrücklich oder schriftlich anerkannt werden.
Unsere Angebote sind freibleibend. Die dem Angebot beigefügten Unterlagen, Zeichnungen usw sind für spätere Ausführungen nicht verbindlich. [?]
Der Besteller bzw Käufer anerkennt die von uns vorgeschriebenen Zahlungskonditionen als verbindlich. Die Aufrechnung oder Zurückbehaltung wegen irgendwelcher Gegenforderungen, insbesondere Gewährleistungsansprüche, ist unzulässig. [?]
Wir sind stets bestrebt, die vereinbarten Lieferzeiten nach bestem Wissen und Gewissen pünktlich einzuhalten. Wird die Lieferung durch Umstände, die wir nicht verschuldet haben, insbesondere durch Nichteinhaltung der Termine seitens unserer Vorlieferanten, durch Ereignisse höherer Gewalt, Verkehrsstörungen usw ganz oder teilweise verzögert, so verlängert sich unsere Lieferzeit um die Zeit der Behinderung.
Schadenersatzansprüche wegen verzögerter Lieferung sind bei leichter Fahrlässigkeit unsererseits ausgeschlossen.
Der von uns zeitgerecht angekündigte Liefertermin gilt als vereinbart, wenn der Kunde diesem Termin nicht bis acht Tage davor schriftlich widersprochen hat. Ist der Besteller zum Lieferzeitpunkt nicht anwesend oder hat er für die Durchführung der Lieferung nicht die entsprechenden Maßnahmen getroffen, gilt die Leistung bzw das Werk als vom Besteller übernommen bzw angenommen. Mit diesem Zeitpunkt gehen alle Risiken und Kosten, wie zB Bankspesen, Lagerkosten, zu den angemessenen Preisen (Speditionstarif) zu Lasten des Bestellers. Dies gilt auch bei Teillieferung.
Durch Handelsvertreter oder Bevollmächtigte unserer Unternehmung vermittelte Geschäfte gelten vorbehaltlich der Genehmigung durch unser Unternehmen. Wir behalten uns vor, Aufträge ganz oder teilweise ohne Begründung abzulehnen.
Alle Liefer-, Zahlungs- oder sonstigen Vereinbarungen müssen auf dem Auftrag festgehalten werden. Mündliche Vereinbarungen, die auf dem Auftrag nicht festgehalten sind, haben keine Gültigkeit.
Sofort erkennbare Mängel müssen unverzüglich angezeigt werden. [!] Es gelten die gesetzlichen Gewährleistungsfristen.
Handelsüblich oder technisch nicht vermeidbare, geringfügige Abweichungen berechtigen nicht zur Mängelrüge. Bei berechtigten Beanstandungen steht es uns zu, innerhalb angemessener Frist durch unseren Servicedienst den Mangel zu beheben. Geringfügige Abweichungen bei Naturmaterialien wie Holz und Leder und Abweichungen bei Farbtönen stellen keinen Mangel dar. Eine erhobene Mängelrüge berechtigt den Besteller nicht zur Zurückbehaltung des Entgeltes; der Besteller verzichtet ausdrücklich auf dieses Recht.
Schadenersatzansprüche jedweder Art sind ausgeschlossen. [?]
Bei Zahlungsverzug ist der Käufer bzw Abnehmer verpflichtet, bankmäßige Verzugszinsen zu bezahlen und die durch die Betreibung der überfälligen Schuld, direkt oder im Wege einer hiezu in Anspruch genommenen Stelle, entstandenen Kosten zu ersetzen. [?]
Die gelieferten Waren bleiben bis zur vollständigen Zahlung unserer sämtl aus dem Kaufvertrag bestehenden Forderungen unser alleiniges Eigentum.
Für die Dauer unseres Eigentumsvorbehaltes verpflichtet sich der Käufer, die gelieferte Ware pflegl und schonend zu behandeln und uns von einem allfälligen Zugriff Dritter unverzüglich per Einschreiben zu verständigen.
Gerät der Besteller bzw Käufer in Zahlungsverzug bzw verschlechtert sich seine Kreditwürdigkeit erheblich, oder macht er von der gelieferten Ware einen erheblich nachteiligen Gebrauch, sind wir berechtigt, die bei uns in Vorbehaltseigentum stehenden Waren zurückzunehmen, ohne daß dies einem Rücktritt vom Vertrag gleichzusetzen ist.
Der Besteller verpflichtet sich, bei Auftragserteilung eine Anzahlung in Höhe von 30% des Auftragsvolumens zu leisten; der Restbetrag ist spätestens bei Übernahme der Ware zur Zahlung fällig.
Alle Lieferungen erfolgen jeweils nur zu Tagespreisen. Abzüge laut Konditionen im Auftrag werden nur bei fristgerechter Zahlungsabfertigung anerkannt. Soweit Wechsel in Zahlung genommen werden, trägt der Käufer sämtl Bank-, Diskont- und Einziehungsspesen. Die Gutschrift erfolgt unter Vorbehalt des Einganges.
Verpackungskosten werden branchenüblich verrechnet.
Auch formlose Bestellungen bzw Nachlieferungen unterliegen diesen Lieferbedingungen, die nur durch eventuell umseitig angeführte Sondervereinbarungen abgeändert werden können.
Bei Lieferung von Möbeln und Einbauküchen sind im Preis jeweils nur die Normkosten enthalten. Alle Arbeiten und Leistungen, die über das Aufstellen und Montieren der Möbel hinausgehen, wie zB Abbauen des alten Bestandes, Änderungen, zusätzliches Einbauen und ähnliche Arbeiten mehr, müssen von uns separat verrechnet werden. Lieferungen, bei denen man nicht bis nach Hause fahren kann sowie alle Arbeiten, die über das normale Arbeitsmaß beim Aufstellen der Möbel hinausgehen, werden nach der anfallenden Stundenleistung separat in Rechnung gestellt.
Der Käufer bestätigt uns gegenüber durch Unterfertigung des Montagenachweises die ordnungsgemäße Durchführung der Einbauarbeiten und die endgültige Übernahme der Ware.
Kostenvoranschläge sind grundsätzlich unverbindlich. Die Erstellung eines Kostenvoranschlages verpflichtet den Auftragnehmer nicht zur Annahme eines Auftrages auf Durchführung der im Kostenvoranschlag verzeichneten Leistungen. Kostenvoranschläge sind grundsätzlich entgeltlich, jedoch wird bei Erzielung eines Auftrages im Umfang des Kostenvoranschlages bezahltes Entgelt gutgeschrieben. [?]
Entwürfe, Skizzen, Zeichnungen, Planungen und sonstige Unterlagen stellen unser geistiges Eigentum dar. Sie dürfen ohne unsere schriftliche Ermächtigung weder kopiert, noch dritten Personen zugänglich gemacht werden. Diese Unterlagen sind auf unser Verlangen unverzüglich zurückzugeben.
Tritt der Besteller vom Vertrag zurück, so wird unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Bestellers eine Stornogebühr in der Höhe von 25% des Einzelauftragsvolumens vereinbart. Darüber hinaus haftet der Besteller dem Lieferanten für sämtl Kosten, insbesondere der Vorbereitungsarbeiten, Kosten der Anbotserteilung und dergleichen mehr. [?]
Sobald einzelne Produkte der Bestellung sich in Produktion befinden, ist ein Rücktrittsrecht oder Recht auf Änderung seitens des Bestellers, aus welchen Gründen auch immer, ausgeschlossen, und verpflichtet sich der Besteller zur Abnahme und Bezahlung dieser Werkstücke. [?]
Wird Nichtigkeit oder Rechtsungültigkeit einzelner Bestimmungen festgestellt, so wird dadurch die Rechtswirksamkeit der übrigen Liefer- und Zahlungsbedingungen nicht berührt.
Erfüllungsort für Lieferung und Zahlung sowie Gerichtsstand ist – sofern das Gesetz nichts anderes zwingend vorsieht – Innsbruck.


Zur Wiederholung: AGB (1)
Abbildung 6.1:
Zur Wiederholung: AGB (1)


Zur Wiederholung: AGB (2)
Abbildung 6.2:
Zur Wiederholung: AGB (2)


Zur Wiederholung: AGB (3)
Abbildung 6.3:
Zur Wiederholung: AGB (3)


Zur Wiederholung: AGB (4)
Abbildung 6.4:
Zur Wiederholung: AGB (4)


Zur Wiederholung: AGB (5)
Abbildung 6.5:
Zur Wiederholung: AGB (5)


Zur Wiederholung: AGB (6)
Abbildung 6.6:
Zur Wiederholung: AGB (6)


Zur Wiederholung: AGB (7)
Abbildung 6.7:
Zur Wiederholung: AGB (7)


Zur Wiederholung: AGB (8)
Abbildung 6.8:
Zur Wiederholung: AGB (8)
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B. Cic – culpa in contrahendo
I. Die Ausgangssituation
1. Keine Wildwestmethoden vor Vertragsschluss
Es wäre ein grober Fehler zu meinen, verhandelnde Parteien könnten vor geschlossenem Vertrag tun und lassen was sie wollen. Die Rechtsordnung toleriert keine Wildwestmethoden, auch nicht in der Zeit vor Vertragsschluss. – Das hier zu behandelnde Rechtsinstitut regelt, welche Sorgfaltspflichten bereits verhandelnde oder einen rechtsgeschäftlichen Kontakt eröffnende Parteien treffen.
Grundsätzlich braucht es zur rechtsgeschäftlichen Begründung eines Schuldverhältnisses sowie zur Änderung seines Inhalts einen Vertrag zwischen den Beteiligten. Davon macht unser Rechtsinstitut aber eine Ausnahme, wenn es vertragsähnliche Pflichten auch schon ohne Rechtsgeschäft/Vertrag durch bloße Aufnahme eines rechtsgeschäftlichen Kontakts entstehen lässt.
Vertragsähnliche Pflichten schon vor (!) Vertragsschluss
Gerade im Verhandlungsstadium sind die Parteien auf ihre VerhandlungspartnerInnen angewiesen, weil:
Sensibles Verhandlungsstadium
• sie sich auf ihn / sie verlassen können müssen;
• sie insbesondere auf die Richtigkeit und Vollständigkeit gegebener Informationen angewiesen sind;
• weil ihre Dispositionen und Entscheidungen, die Zeit und Geld kosten, davon (schon in dieser Phase) abhängen.
Cic meint – Haftung für Verschulden im Rahmen, also beim oder vor Vertragsschluss. Daher – und nur in diesem Sinne – wird von vor-vertraglichen Sorgfaltspflichten und einem vor-vertraglichen Schuldverhältnis gesprochen.
Vor-vertragliches Schuldverhältnis
Wenn hier von vor-vertraglichen (Schutz)Pflichten etc gesprochen wird, ist dies daher nicht zu verwechseln mit dem Vorvertrag iSd § 936 ABGB auf den idF (→ Der Vorvertrag: § 936 ABGB) eingegangen wird. Gemeint sind hier vielmehr nur die schon „vor” Vertragsschluss bestehenden Schutz-, Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten der Parteien gegeneinander. Mit dem Vorvertrag im technischen Sinne hat das nichts zu tun!
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2. Der Linoleumrollenfall
Anlass zur breiten Anerkennung dieses Rechtsinstituts war der sog „Linoleumrollenfall”, den das dtRG entschieden hat:
RGZ 78, 239 (1911)
Eine Frau (= Klägerin) hatte im Warenhaus der Beklagten bereits verschiedene Einkäufe getätigt und sich idF in das Linoleumlager begeben um einen Linoleumteppich zu kaufen. Sie wandte sich an einen dort tätigen Verkäufer und suchte aus den vorgelegten Mustern, das für sie Passende aus. Als der Verkäufer, die von der Klägerin ausgewählte Rolle hervorholen wollte, stieß er unvorsichtigerweise zwei andere Rollen um, und diese trafen die Klägerin und ihr Kind, die näher getreten waren, und rissen beide zu Boden. – Der Kauf des Teppichs ist nicht zustande gekommen, weil die Klägerin durch den Sturz verletzt worden war.
Rechtlich stellten sich folgende Fragen:
• Haftet der Frau für ihre Verletzungen der Inhaber des Warenhauses, also der Geschäftsherr (dessen Gehilfe der Angestellte war) oder nur der Angestellte (= Verkäufer) selbst, auf dessen unmittelbares Verschulden die Verletzung zurückzuführen war?
• Gelangt hier Vertragshaftung (= Haftung des Warenhauses) oder bloß – die schwächere und für die Verletzte ungünstigere – Deliktshaftung (= Haftung des angestellten Verkäufers für die Missachtung allgemeiner Sorgfaltspflichten) zur Anwendung? – Zur näheren Unterscheidung zwischen Vertrags- und Deliktshaftung → KAPITEL 9: Vertrags- und Deliktshaftung.
Die unterschiedliche Beantwortung dieser Fragen macht – wie wir sehen werden – einen großen Unterschied aus! Es leuchtet ein, dass die Chance, die eigenen Ansprüche durchzusetzen größer ist, wenn die Verletzte das Warenhaus belangen kann und nicht nur den (angestellten) Verkäufer, der vielleicht nur über ein kleines Einkommen verfügt und kaum nennenswertes Vermögen besitzt. Dies ist gleichsam bei der Erörterung der rechtlichen Fragen mitzubedenken.
Kurz: Zur vertragsähnlichen Haftung des Warenhauses – genauer: zur Anwendung der §§ 1313a und 1298 ABGB auf diese Konstellation – gelangte die Rspr über die damals und idF weiter entwickelte Rechtsfigur der cic. Näheres → Unterschied: Vertrags- und Deliktshaftung
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3. Rechtsgeschichtliche Entwicklung
Der Gedanke eines gesetzlichen, vor-vertraglichen Schuldverhältnisses ist wesentlich älter als die Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1911. R. v. Ihering, Culpa in contrahendo oder Schadenersatz bei nichtigen oder nicht zur Perfection gelangten Verträgen setzte sich in IherJB 4 (1861) 1 ff bereits mit unserer Rechtsfigur auseinander und kann als Schöpfer des Be­griffs „cic” betrachtet werden. F. C. v. Savigny (System des heutigen Römischen Rechts [1840-1849] III 295 Note a) dagegen lehnte als erklärter Gegner des ALR eine Schadenersatzpflicht des culposen Teils, noch ab. Ausdrücklich geregelt war nämlich unsere Rechtsfigur schon im ALR (von 1794):
ALR erfand unsere Rechtsfigur
„ALR I 5 §. 284. Was wegen des bey Erfüllung des Vertrages zu vertretenden Grades der Schuld Rechtens ist, gilt auch auf den Fall, wenn einer der Contrahenten bey Abschließung des Vertrags die ihm obliegenden Pflichten vernachlässig hat.
§. 285. Wer bey Abschließung oder Erfüllung des Vertrags seine Pflichten vorsetzlich oder aus grobem Versehen verletzt hat, muß dem Andern sein ganzes Interesse vergüten.”
Nach dem ALR war demnach – anders als nach unserem heutigen Verständnis – das “ganze Interesse”, also der Erfüllungsschaden, zu ersetzen; zudem griff die Rechtsfigur erst ab grober Fahrlässigkeit. Vgl Barta, in: Barta/ Palme/ Ingenhaeff (Hg), Naturrecht und Privatrechtskodifikation 361f, Anm 42.
Dem ABGB ist der Begriff des Interesses – id quod inter est – fremd. (Zeiller hatte ihn, wie den ganzen § 1293 ABGB, dem ALR entlehnt, schließlich aber wieder gestrichen.) Das ALR (I 5 §§ 285 ff) kannte ihn und er wird auch in der Dogmatik des dtBGB verwendet. Gebraucht wird er iS eines Oberbegriffs, der den wirklichen Schaden (damnum emergens) und den entgangenen Gewinn (lucrum cessans) umfasst; so auch I 5 §§ 286, 287 ALR. – Vgl aber § 273 ZPO: „… Ersatz eines Schadens oder des Interesses…”. (Im Gegensatz zu ABGB und AGO 1781 ist die ZPO nicht mehr homogen mit dem materiellen Privatrecht abgestimmt.)
Begriff des Interesses
”ALR I 5 §. Aller Nachtheil welcher für jemand daraus entstanden ist, daß der Andere seinen Pflichten gegen ihn nicht nachgekommen, wird unter dem Interesse begriffen.
§. 287. Es wird also bey Bestimmung des Interesse nicht bloß auf den wirklichen Schaden, sondern auch auf den durch Nichterfüllung des Contracts entgangenen Vortheil Rücksicht genommen. (Tit. VI. §. 5. 6.)”
Im Privatrecht entwickelt, hat die Rechtsfigur der cic mittlerweile auch im öffentlichen Recht ihren Platz. – Dies erfolgte, wie die folgenden Beispiele zeigen, mittels Analogie → KAPITEL 11: § 7 ABGB: Die Lückenschließung.
Anwendung auch im öffentlichen Recht
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 60/36 (1987): Die für die Rechtsgeschäftslehre des Privatrechts entwickelten Grundsätze über das vorvertragliche Schuldverhältnis sind sinngemäß im öffentlichen Recht (hier: bei Aufnahme von Kontakten zur allfälligen Begründung eines öffentlichrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses) anzuwenden.
Vgl auch JBl 1991, 586: Verkehrssicherungspflichten bei öffentlichen Gebäuden – Sturz. Anwendung des § 1313a ABGB bei Vorliegen einer öffentlichrechtlichen Sonderbeziehung.
OGH 16. 5. 2001, 2 Ob 47/01b, JBl 2002, 250: Eine Gemeinde errichtete in den Jahren 1910/1911 ein sog Rückhaltebecken, woraus 1992-1994 durch Schotterentnahmen ein kleiner Stausee entstand. Auf dem losen Schotteruntergrund rutschte ein Mädchen beim Baden in den Stausee. Sowohl das Kind als auch die zu Hilfe kommende Mutter und der Großvater ertrinken, weil sie nicht schwimmen können. – OGH nimmt Verletzung einer öffentlichrechtlichen Verkehrssicherungspflicht an, zumal jeder Hinweis auf die bestehende Gefahrenquelle fehlte. (Mitverschulden: § 1304 ABGB ?) Dazu auch → Ausdehnung auf Verkehrssicherungspflichten: Verkehrssicherungspflichten.
Von praktischer Bedeutung ist unsere Rechtsfigur auch bei privaten Ausschreibungen und im öffentlichen Vergaberecht. Zu beachten sind insbesondere das BVergG 1997 (BGBl I 56) und die VergabeGe der Länder. Unklare Ausschreibungstexte oder Ungleichbehandlung können eine cic-Haftung begründen. Das BVergG gesteht in § 122 Abs 1 zu Unrecht übergangenen Bewerbern und Bietern (nur) einen Kostenersatz zu. Schadenersatzansprüche sind nach § 125 Abs 2 BVergG eingeschränkt. (?)
Vergaberecht
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4. § 311 dtBGB neu
In Deutschland war das Rechtsinstitut der cic, wie in Österreich, bislang gesetzlich nicht geregelt. Im Rahmen der sog Schuldrechtsreform trat am 1.1.2002 eine neue, nunmehr gesetzliche, Regelung unseres Rechtsinstituts in Kraft. – § 311 Abs 2 dtBGB bestimmt, dass ein (gesetzliches) Schuldverhältnis auch entsteht durch:
Schuldrechtsreform
„1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2. die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3. ähnliche geschäftliche Kontakte.”
Die neue dt Regelung bezieht in den Kreis gesetzlicher Schuldverhältnisse auch Personen ein, „die nicht selbst Vertragspartei werden sollen.” – Damit werden auch Verträge mit Schutzwirkung für Dritte erfasst → KAPITEL 9: Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
Es erscheint überlegenswert, die cic auch in Österreich gesetzlich zu regeln. Als Regelungsort kämen ein § 859 Abs 2 oder ein § 859 a ABGB oder ein neuer § 864 b ABGB in Frage. – Darin lägen auch eine Aufwertung des ABGB und mehr Rechtssicherheit für Laien. Sicherzustellen wäre dabei, dass keine Sonderinteressen der „Theorie” Eingang finden; etwa ein weiterer Kniefall vor dem „beweglichen System” etc. Anzustreben wäre eine kurz gehaltene Regelung, die den Status quo festschreibt.
gesetzliche Regelung auch in Österreich?
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II. Rechtliche Lösung
1. Unterschied: Vertrags- und Deliktshaftung
Vertragliche Rechtsbeziehungen werden von der Rechtsordnung stärker geschützt, als Rechtsbeziehungen ohne vertragliche (also bloß deliktische) Grundlage → KAPITEL 9: Vertrags- und Deliktshaftung.
Ein abgeschlossener Vertrag erzeugt dagegen zwischen den Parteien ein enges Rechtsband, nämlich:
Für Verträge gelten:
• die Erfüllungsgehilfenhaftung des § 1313a ABGB und
• die Beweislastumkehr (für das Verschulden) des § 1298 ABGB: Danach obliegt dem, der „vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen ... Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden sei, der Beweis”.
Für nichtvertragliche, insbesondere deliktische Rechtsbeziehungen gelten dagegen:
Für deliktische Rechtsbeziehungen gelten:
• § 1315 ABGB, die sog Besorgungsgehilfenhaftung (die eine eingeschränkte Geschäftsherrenhaftung statuiert) und
• § 1296 ABGB, als normale Beweislastregel, wonach – vereinfacht gesagt – der Geschädigte das Verschulden des Schädigers zu beweisen hat, also ihn selbst (und nicht den Schädiger) die Beweislast trifft.
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2. Anwendung „dieser“ Vertragsregeln schon „vor” Vertragsschluss?
Im „Linoleumrollenfall” stellte sich die Frage, ob hier bereits gewisse, sonst nur für Verträge geltende Regeln, insbesondere die §§ 1313a und 1298 ABGB, zur Anwendung gelangen sollten, obwohl in concreto noch gar kein Vertrag (hier: über den Ankauf eines Linoleumteppichs) geschlossen worden war, einer Partei aber dennoch – knapp vor Vertragsschluss – also im Stadium vertraglicher Vorverhandlungen vom Gehilfen des Unternehmers Schaden zugefügt worden war? – Diese Frage wurde vom dtRG, das den Fall zu entscheiden hatte, bejaht, was idF zur breiten Entwicklung des Rechtsinstituts der „cic” als vertragsähnliche Haftung in Deutschland und Österreich führte. Zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung vgl schon → Rechtsgeschichtliche Entwicklung
Ein Verständnis der cic als vertragsähnliche, wenngleich gesetzliche Haftung ist von praktischer Bedeutung, zumal vereinzelt versucht wird (Reischauer → Cic als gesetzliches Schuldverhältnis), die cic-Haftung als bloße Deliktshaftung und zusätzlich beschränkt auf den Ersatz bloßer Vermögensschäden” zu verstehen. Eine solche Beschränkung (zB auf Vermögensschäden) würde jedoch den Schutzcharakter von cic-Beziehungen schwer beeinträchtigen und ist daher abzulehnen. – Mit der Regelung der cic durch den dt Gesetzgeber erscheint ein solches Verständnis auch unhaltbar geworden → § 311 dtBGB neu
Keine Theorieexperimente
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3. Cic: Geschöpf der Rechtsanalogie
Das Rechtsinstitut der cic ist im ABGB gesetzlich nicht geregelt. Es ist ein Geschöpf von früher Legistik, Judikatur und Schrifttum. Geschaffen wurde es zuletzt im Wege der Rechtsanalogie; § 7 ABGB → KAPITEL 11: § 7 ABGB: Die Lückenschließung. Heute ist es bereits Gewohnheitsrecht geworden, was zur Folge hat, dass es nicht mehr die Judikatur – auch nicht der OGH, sondern nur der Gesetzgeber beseitigen könnte → KAPITEL 11: Das Gewohnheitsrecht.
Die öRspr stützte sich bei der Entwicklung mittels Rechtsanalogie auf verschiedene gesetzliche Tatbestände, die jene Gedanken und Regelungen enthielten, welche für die Entwicklung der cic geeignet erschienen. Aus diesen einschlägigen – dh durch gegenseitige Sorgfaltspflichten charakterisierten – Normen wurde von der Rspr ein neuer Rechtssatz, bestehend aus Tatbestand und Rechtsfolge, gebildet. Als Analogiebasis dienten:
Als Analogiebasis dien(t)en
• Etwa: § 878 Satz 3 ABGB: „Wer bei Abschließung des Vertrages die Unmöglichkeit kannte oder kennen musste, hat dem anderen Teile, .., den Schaden zu ersetzen”;
• § 871 ABGB: Irrtum → KAPITEL 5: Willensmängel ¿ Irrtum; vgl JBl 1987, 521: Matrose schließt Fernlehrvertrag);
• § 874 ABGB: List, ungerechte Furcht;
• § 869 Satz 3 ABGB: Scheinhandlung → KAPITEL 5: Geheimer Vorbehalt oder Mentalreservation;
• § 866 aF iVm § 153 ABGB: Vorspiegelung der Geschäftsfähigkeit → KAPITEL 4: § 866 ABGB aF: Vortäuschung der Volljährigkeit;
• Art 8 Nr 11 Abs 2 und 3 EVHGB § 1009 ABGB (sog falsus procurator → KAPITEL 13: Vertreter ohne Vertretungsmacht ) sowie § 1003 ABGB.
Ein Vorbild für die zu wählende Rechtsfolge enthält schon Martinis Entwurf (III 1 § 6) von 1796: „Wer vor Verlauf dieser Zeit [gemeint ist vor Ablauf der Antragsfrist] von dem Versprechen zurücktritt, und den Gegentheil [sc den Vertragspartner] zu Auslagen verleitet, der ist verbunden, diesem eine angemessene Entschädigung zu leisten [damit ist der Ersatz des Vertrauensschadens vorweggenommen!]; die Entschädigungspflicht hat auch [dann] statt, wenn eine andere Zeit der Annahme besonders verabredet, und solche nicht abgewartet worden ist.” – Diese Regelung hatte Martini vorgesehen, weil die Antragsbindung des Offerenten damals noch unbekannt war. Sie ist wahrscheinlich erst eine Schöpfung Zeillers.
Literaturquelle
Aus verstreuten gesetzlichen (Grund)Gedanken, die alle das „Wohl” des Vertrags- und Verhandlungspartners zum Ziel haben, wurde schließlich das moderne Rechtsinstitut der cic mit seiner Verantwortung und Haftung bei Vorverhandlungen wegen schuldhafter Verletzung von Aufklärungs-, Erhaltungs-, Sorgfalts- und Schutzpflichten schon vor Vertragsschluss geformt. – Und zwar gerade auch dann, wenn der Vertrag entweder:
„Wohl” des Vertrags- und Verhandlungspartners
• überhaupt nicht zustande kommt
• oder doch (letztlich) nicht gültig.
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4. Cic als gesetzliches Schuldverhältnis
Die hA lässt heute mit Aufnahme des rechtsgeschäftlichen Kontaktes – also ohne weiteres Zutun oder Wollen der verhandelnden Parteien – ein gesetzliches Schuldverhältnis entstehen, das schon den verhandelnden Parteien die erwähnten Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten auferlegt. – Man spricht daher auch von einem vor-vertraglichen Schuldverhältnis.
Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten
Formulierungen – wie die hier verwendeten – tauchen immer wieder in En auf; vgl etwa SZ 51/111: Kaufhaus Tyrol-Fall → Entscheidungsbeispiele – Fallgruppen – Gegen die Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses durch die hM: Reischauer (ohne überzeugende Argumente); vgl schon VR 1990, 46.
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5. Wofür wird bei cic gehaftet?
Zu ersetzen ist der Vertrauensschaden, der – wenig glücklich – auch als negatives Vertragsinteresse bezeichnet wird; dh der Vertrag ist danach zwar nicht wie ein gültiger zu erfüllen (das wäre der Ersatz des Erfüllungsschadens), ist nicht – wie man das auch nennt – zuzuhalten, aber der Verhandlungspartner ist so zu stellen, wie er finanziell und wirtschaftlich stünde, wenn er sich auf die (fehlgeschlagenen) Verhandlungen gar nicht eingelassen hätte.
Ersatz des Vertrauensschadens
Zur anderen Lösung des ALR → Rechtsgeschichtliche Entwicklung
Der Vertrauensschaden ersetzt vorzüglich Auslagen / Spesen (Reise-, Versendungs- oder Vertragserrichtungskosten, Stempel und Gebühren, Beratungskosten udgl), aber auch die Ersatzleistungen der §§ 1325 oder 1327 ABGB, die insbesondere bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten von Bedeutung sind. Ersetzt werden also Personen- und Vermögensschäden → KAPITEL 9: §§ 1293, 1295 ABGB: wichtige Weichenstellungen.
Was ersetzt der Vertrauensschaden?
Vgl zum Ersatz von Körperverletzungen neben dem Linoleumrollenfall etwa auch den Bäckerladenfall, zum Ersatz eines Vermögensschadens, den Golddukaten- und den Golfhotelfall → Entscheidungsbeispiele – Fallgruppen
Häufig ist der Vertrauensschaden geringer als der Erfüllungsschaden, aber das muss nicht sein. Auch Vertrauensschäden können hoch ausfallen, wie die Sachverhalte des „Golddukaten-” und „Golfhotelfalls” deutlich machen.
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6. Grenzen der cic – Keine Pflicht zum Vertragsschluss!
Die Haftung für cic bedeutet aber nicht, dass man begonnene (Vertrags)Verhandlungen stets zu (einem guten) Ende – dh zum Abschluss – bringen muss; vgl SZ 49/94 (Golddukatenfall), SZ 52/90 (Golfhotel) sowie JBl 1992, 118 (Bauprojekt → Entscheidungsbeispiele – Fallgruppen). – In diesen Fällen spricht der OGH diese Frage ausdrücklich an.
Ein Abbruch der Vertragsverhandlungen ist vielmehr immer möglich, wenn sich herausstellt, dass eine Einigung nicht zustande kommt. Andernfalls würde die Abschlussfreiheit negiert! → KAPITEL 5: Abschlussfreiheit <-> Kontrahierungszwang. Das kann früher oder später geschehen. Nur ist im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren darauf zu achten, dass dem Vertragspartner daraus kein Schaden entsteht. Insbesondere gilt es keine falschen „Hoffnungen” zu wecken („Golfhotelfall” → Entscheidungsbeispiele – Fallgruppen) oder falsche Angaben zu machen wie in SZ 48/102: Datenverarbeitungsanlage für medizinisch-diagnostisches Labor → Entscheidungsbeispiele – Fallgruppen
Abbruch von Vertragsverhandlungen
Rechtssprechungsbeispiel
Diesen Grundgedanken bringt schon SZ 27/120 (1954) zum Ausdruck: Wegen Abbruchs von Vertragsverhandlungen (Pachtvertrag) kann Schadenersatz nur begehrt werden, wenn das Verhalten desjenigen, der die Verhandlungen abbricht, den Regeln des redlichen Verkehrs widerspricht.
Hier zu nennen ist auch die sog Prospekthaftung im Rahmen von Vermögensanlagen (Wertpapierverkauf); vgl RdW 1992,12: Hausanteilsschein. Sonderhaftungen für Wertpapieranlagen kennen § 11 KMG und § 80 BörseG. Dazu Thurnher → KAPITEL 14: Bankgeschäfte: Bankgeschäfte.
Prospekthaftung
Literaturquelle
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7. Cic ist eine Verschuldenshaftung
Die cic-Haftung ist eine normale Verschuldenshaftung. Verschulden ist daher Haftungsvoraussetzung, wobei – wie auch sonst – leichte Fahrlässigkeit genügt! – Zur Grenzziehung zum Zufall (§ 1311 ABGB) vgl den „Weinbeerenfall”.
leichte Fahrlässigkeit genügt
Je nach Verschuldensgrad erstreckt sich im bürgerlichen Recht die Ersatzpflicht für Vermögensschäden auf die eigentliche Schadloshaltung (= wirklicher oder positiver Schaden) oder bei grob fahrlässiger Schadenszufügung auch auf den entgangenen Gewinn. – Im Handelsrecht ist ohne Unterschied des Verschuldensgrades immer – also auch schon bei leicht fahrlässiger Schadenszufügung – der entgangene Gewinn zu ersetzen; Art 8 Nr 2 EVHGB (abgedruckt nach § 346 HGB). Näheres → KAPITEL 9: Arten des Ersatzes: §§ 1323 ff ABGB. Dies gilt auch für die cic.
Dass es sich bei der cic-Haftung – inklusive der Haftung für Verkehrssicherungspflichten (→ Ausdehnung auf Verkehrssicherungspflichten) – um eine Verschuldenshaftung handelt, zeigt der „Weinbeerenfall” (RZ 1982/50), der auch deutlich macht, dass Verkehrssicherungspflichten nicht überspannt werden dürfen:
Der „Weinbeerenfall“
Rechtssprechungsbeispiel
RZ 1982/50: Sachverhalt: Eine Kundin (= Klägerin) rutschte in einem Selbstbedienungsgeschäft auf einer Weinbeere aus, stürzte und zog sich Verletzungen zu. Ihre Schadenersatzklage gegen den Geschäftsinhaber (= Beklagter) wurde vom OGH mangels Verschulden mit folgender Begründung abgewiesen: Die aus der Verkehrssicherungspflicht erfließende Verpflichtung des Geschäftsinhabers zur Gefahrenabwehr setzt voraus, dass ihm eine Gefahrenquelle bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar ist (JBl 1967, 34; EvBl 1974/109; JBl 1975, 544 ua). Nach stRspr dürfen aber die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht nicht überspannt werden und die Verkehrssicherungspflicht findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit (ZVR 1973/155, ZVR 1980/342 ua). Im vorliegenden Fall ist auszugehen von der Feststellung, dass eine einzige Weinbeere auf dem Boden des Geschäftes lag und dass nicht festgestellt werden konnte, wann diese dahin gelangte. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Weinbeere unmittelbar, bevor die Klägerin auf ihr ausglitt, zu Boden fiel und solchermaßen weder von der Beklagten noch von einer bediensteten Person bemerkt und beseitigt werden konnte. Die Beklagte unter den festgestellten Umständen für die Folgen des Unfalls der Klägerin haftbar zu machen, hieße somit iSd Vorgesagten, die Verkehrssicherungspflicht zu überspannen. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht ein Verschulden der Klägerin oder eines ihrer Betriebsgehilfen verneint. – Das Berufungsgericht hatte schon festgestellt: „Mit der Verkehrssicherungspflicht verbinde sich keine Erfolgshaftung, sondern es bleibe bei einer Verschuldenshaftung, bei der das Verschulden vom Geschädigten [?] bewiesen werden müsse.”
Näheres zu den Begriffen: Erfolgshaftung (→ KAPITEL 9: Erfolgs- oder Kausalhaftung ) und Beweislast im Schadenersatzrecht → KAPITEL 9: Beweislast und Anspruchsdurchsetzung.
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8. Nach-vertragliche Sorgfaltspflichten
BeziehungenDie Rspr anerkennt mittlerweile auch nachvertragliche Sorgfaltspflichten. Sie sind praktisch wichtig für Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Hausverwalter, Wirtschaftstreuhänder, Psychotheapeuten, Ärzte udgl. Diese und andere Berufsgruppen müssen ihre Klientel zB im Rahmen der Beendigung bestehender vertraglicher Beziehungen auf gefährliche (Fall)Fristen, eine drohende Verjährung, überhaupt auf Nachteile (auch für die Gesundheit!), Gefahren und möglichen Rechtsverlust hinweisen. – Die Rechtsfolgen sind wie für vorvertragliche Beziehungen zu bestimmen.
Rechtsfolgen wie für vor-vertragliche
Eine gesetzlich normierte nachvertragliche (Sorgfalts)Pflicht kennt § 16 Abs 3 WEG 1975 = § 31 Abs 3 WEG 2002: Bei Beendigung einer (Haus)Verwaltung hat der Verwalter „ohne Verzug über die Rücklage Rechnung zu legen und den Überschuss an den neuen Verwalter herauszugeben ...” - Die Verletzung dieser Pflicht stellt eine Schutzgesetzverletzung dar und zeitigt alle damit einhergehenden Konsequenzen.
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III. Ausdehnung auf Verkehrssicherungspflichten
1. Was sind Verkehrssicherungspflichten?
Das Rechtsinstitut der cic mit seinen vor-vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten (im Vorfeld von Vertragsschlüssen) wurde von der Rspr auf sog „geschäftsähnliche Kontakte” ausgedehnt. Das war naheliegend, zumal schon der Linoleumrollenfall so beschaffen war.
Ausdehnung der cic auf „geschäftsähnliche Kontakte“
Inhaltlich betreffen die Verkehrssicherungspflichten idR technisch-faktische wie organisatorische Maßnahmen. Das Ausmaß von Verkehrssicherungpflichten ist immer konkret, also von Fall zu Fall zu bestimmen und findet seine Grenze in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen zur Gefahrenabwehr. Dabei ist stets zu beachten, ob und in welchem Maße „Verkehrs“-Teilnehmer selbst bestehende Gefahren erkennen und ihnen begegnen können; vgl etwa die unten wiedergegebene E des OGH, EvBl 2001/67: Klimmzüge an mobilem Fussballtor.
Ausmaß ist konkret zu bestimmen
Gefordert wird danach die Sicherheit von Zugangswegen, Stiegen, Fluren, Rolltreppen, Geschäftslokalen, Lifttrassen oder Pisten – sei es von Gasthöfen, Hotels, Cafés, Kaufhäusern, Krankenhäusern, Flughäfen, Bahnhöfen, Seilbahnen udgl. Und zwar auch bloß für potentielle Kunden. Die Sicherheit muss also auch dann gewährleistet werden, wenn es nicht zum Vertragsschluss kommt. – Man spricht in diesem Zusammenhang von Verkehrssicherungspflichten.
Praktische Anwendung
Der Grundgedanke dabei ist folgender: Wer einen geschäftlichen Verkehr eröffnet und daran verdient, hat auch für die Sicherheit seiner Kundschaft zu sorgen. Vgl schon den alten Rechtsgrundsatz: Guter Tropfen, böser Tropfen. – Vor-vertragliche Verkehrssicherungspflichten bewirken demnach eine Steigerung der allgemeinen deliktischen Verkehrssicherungspflichten. Daran zeigt sich, dass es sinnvoll ist, die Haftung aus cic als „vertragsähnliche” und nicht nur als herkömmliche Deliktshaftung zu verstehen.
Grundgedanke
Zu den unterschiedlichen Gruppen von Verkehrssicherungpflichten → Unterschiedliche Entstehungsarten
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2. Das Ingerenzprinzip
Wichtig für den Gedanken der Verkehrssicherungspflichten ist das sog Ingerenzprinzip. – Man versteht darunter, dass derjenige, der im rechtsgeschäftlichen oder überhaupt im zwischenmenschlichen Verkehr eine Gefahrenquelle schafft oder in seiner Sphäre bestehen lässt, andere Verkehrsteilnehmer im Rahmen des Zumutbaren vor Gefahren zu schützen hat. Dh er hat jene zumutbaren Handlungen zu setzen und Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, Schädigungen anderer tunlichst zu vermeiden. – Dabei dürfen aber keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden, wie EvBl 2001/67 zeigt:
Gefahrenabwehr
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 14. 11. 2000, 4 Ob 280/00f, EvBl 2001/67: Auf dem Grundstück eines Sporthotels befindet sich neben dem Tennisplatz eine Wiese, auf der Kinder Fußball spielen. Der Betreiber des Hotels hat darauf nicht im Boden verankerte (Fußball)Tore aufstellen lassen. Ein Tennisspieler macht auf dieser Wiese Aufwärmübungen und Klimmzüge an der Querstange eines mobilen Tores, das dabei umfällt und ihn verletzt. – OGH: Die Verkehrssicherungspflicht entfällt bei Schaffung oder Duldung einer besonderen Gefahrenquelle nicht schon dann, wenn jemand ohne Gestattung in einen fremden Bereich eingedrungen ist. Sie entfällt aber jedenfalls dann, wenn sich jeder selbst schützen kann, weil die Gefahr leicht, also ohne genauere Betrachtung, erkennbar ist, was der OGH hier annimmt, weshalb er den Anspruch verneint.
Zur Bedeutung von Ingerenz im Rahmen der Haftung aus einer Garantenstellung → KAPITEL 10: Zur Haftung aus einer Garantenstellung.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1990, 113: Kinderspielplatz: Der OGH betont in dieser E, dass es zur Annahme einer Haftung aus einer Verkehrssicherungspflicht ausreicht, dass jemand über die schädigende Anlage rechtliche Verfügungsmacht besitzt. – Auch ein unentgeltliches Eröffnen eines Verkehrs entbindet nicht von der Verkehrssicherungspflicht. Das Handhaben der Verkehrssicherungspflichten hat strenger zu erfolgen, wenn spielende Kinder in den Gefahrenbereich kommen. Der OGH geht hier soweit, dass er betont, dass sich die Verkehrssicherungspflicht auch auf Gefahren beziehe, die erst durch einen unerlaubten und vorsätzlichen Eingriff eines Dritten geschaffen werden, wenn nur die Möglichkeit einer Rechtsgüterverletzung bei objektiver Betrachtung erkennbar ist. Hier wurde der Kläger auf einem Kinderspielplatz in Graz, während dieser mit anderen Kindern Fußball spielte, durch ein umfallendes Fußballtor am Kopf schwer verletzt.
In SZ 60/105 = JBl 1987, 785 = ZVR 1988/67 wendet der OGH das Ingerenzprinzip auch auf die an einem Polizeiauto entstandenen Schäden im Rahmen einer Verfolgungsjagd wegen Fahrerflucht des Schädigers an; vgl auch SZ 69/214 → KAPITEL 9: Lehre vom Schutzzweck der (verletzten) Norm ¿ Rechtmäßiges Alternativverhalten. (Mit Verkehrssicherungspflichten hat das aber nichts mehr zu tun!)
JBl 2002, 250: Gemeinde verletzt allgemeine-deliktische Verkehrssicherungspflichten indem sie eine von ihr geschaffene Gefahrenquelle nicht sichert oder auch nur davor warnt – Tochter, Mutter und Großvater ertrinken in sog Rückhaltebecken, in welchem sich ein kleiner See gebildet hatte, weil sie nicht schwimmen können. – Beispiel der Anwendung der cic-Regeln im öffentlichen Recht → Rechtsgeschichtliche Entwicklung
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3. Unterschiedliche Entstehungsarten
Im weiten Bereich der Verkehrssicherungs- und Ingerenzpflichten lassen sich verschiedene Typen / Fallgruppen unterscheiden:
Typen der cic-Anwendung
• Solche aus bestehendem Vertrag heraus: Hier ist die Verkehrssicherungspflicht eine Nebenpflicht des abgeschlossenen Vertrags; zB Sessellift-, Eishokeymatch-, Concord-Landung-, Garagenkipptorfall oder: Psychiatriepatient springt aus Klinikfenster. Vgl dazu die E-Beispiele → Entscheidungsbeispiele – Fallgruppen
Haftung aus Vertrag
Literaturquelle
• Solche, die aus vor-vertraglicher Verpflichtung (cic) abgeleitet werden: zB Bäckerladen-, Linoleumrollen-, Kaufhaus-Tyrol- oder Golfhotelfall.
Haftung aus cic
• Solche, die aus einem Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter (→ KAPITEL 9: Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) abgeleitet werden.
Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung Dritter
Bei Verträgen mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter besteht nur zwischen einer nicht am Unfallgeschehen beteiligten Person (zB PatientIn) und dem Verkehrssicherungspflichtigen (zB Krankenhaus) eine vertragliche Beziehung, aus der heraus Schutz- und Sorgfaltspflichten auch für dritte Personen (zB Besucher) abgeleitet werden, die mit dieser vertraglichen Beziehung in Berührung kommen; zB die immer noch unbefriedigend gelöste Fallgruppe der Krankenhausbesuchsfälle: Besucher/in wird von herabfallendem Dachziegel verletzt oder stürzt, weil der Boden frisch gewachst (str) oder das Stiegenhaus nicht beleuchtet war. Vgl dazu die Rspr-Hinweise in → KAPITEL 9: Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Ein richtiges (Gesamt)Verständnis des nötigen Schutzes durch Verkehrssicherungspflichten hätte die vertragliche Komponente dieser Rechtsfigur mit jener der durch Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und der deliktischen Verkehrssicherungpflichten integrativ zu verknüpfen. Daran fehlt es bislang.
• Schließlich gibt es auch die Gruppe rein deliktischer Verkehrssicherungspflichten: Hier handelt es sich um eine Verletzung allgemeiner gesetzlicher Verhaltenspflichten und von Schutznormen iSd § 1311 Satz 2 ABGB ohne eine vertragliche, vorvertragliche oder aus einem Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter stammende rechtliche (Nah)Beziehung. Dazu → KAPITEL 10: Die Wegehalterhaftung des § 1319a ABGB.
Haftung aus Delikt


Fallgruppen von Verkehrssicherungspflichten
Abbildung 6.9:
Fallgruppen von Verkehrssicherungspflichten
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IV. Entscheidungsbeispiele – Fallgruppen
IdF werden zunächst einige berühmte cic-En angeführt, danach nach Fallgruppen gegliedert (ausgenommen jene aus einem Vertrag zugunsten Dritter) Beispiele dargeboten. – Dabei ist zu bedenken, dass es zu Überschneidungen kommen kann.
1. Berühmte Fälle der cic-Haftung: Zur Frage, ob Aufklärungs- sowie Schutz- oder Sorgfaltspflichten im Rahmen von Vertragsverhandlungen (also noch vor Vertragsschluss) verletzt wurden? – Zu beachten ist dabei, dass diese Pflichten für beide verhandelnden Parteien gelten und sowohl die körperliche Unversehrtheit betreffen, wie das Vermögen verhandelnder Parteien.
Berühmte Fälle - Vertragsverhandlungen
Rechtssprechungsbeispiel
Golddukatenfall; SZ 49/94 (1976) = JBl 1977, 315: §§ 861 ff und 1295 ABGB; culpa in contrahendo: Inhalt und Umfang der vorvertraglichen Sorgfalts- und Aufklärungspflichten, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht. – Ein Offert, das nicht vollinhaltlich angenommen wird, erlischt, so dass der Oblat es auch später nicht mehr annehmen kann; der Offerent ist berechtigt, nunmehr den Vertragsschluss zu den vordem von ihm offerierten Bedingungen auch willkürlich und ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Der Offerent ist auch nicht aus cic schadenersatzpflichtig, wenn der Gegner im Vertrauen, es werde doch zum Vertragsschluss zu den vormals offerierten Bedingungen kommen, Vermögensdispositionen trifft. Das gilt nur dann nicht, wenn der Partner von diesen Dispositionen weiß und eine Warnung angebracht ist. Die bloße Mitteilung, den erwarteten Kauf durch Veräußerung von (jederzeit verkäuflichen) Goldstücken finanzieren zu wollen, genügt hiezu noch nicht. – Vgl auch SZ 53/13 und SZ 58/69.
Golfhotelfall; JBl 1980, 33 = SZ 52/90: Klägerin ist eine Bank, Beklagter ein Hotelier, der das „Golfhotel” gekauft hat und dafür bei der Klägerin einen Kredit aufgenommen hat. IdF bot sich dem Hotelier die Möglichkeit weitere benachbarte Gründe zu kaufen, was ihm eine Erweiterung des Golfplatzes, weiterer Freizeiteinrichtungen und die Errichtung eines Spielcasinos ermöglicht hätte. Zur Finanzierung dieser weiteren Grundkäufe nahm der Hotelier Kontakt mit seiner Bank auf und sprach mit deren Prokuristen und Leiter der Kreditabteilung Dr. Dietmar F. Dieser machte jene Äußerungen, aus denen der Hotelier entnehmen konnte, dass einer weiteren Kreditgewährung nichts im Weg stand. – SZ-Leitsatz: „Bei Nichtzustandekommen eines Kreditvertrages kann die Bank aus cic schadenersatzpflichtig werden, wenn ihr Prokurist beim Kunden das Vertrauen weckte, der Kreditvertrag werde mit Sicherheit zustande kommen. – Fahrlässigkeit bei Nichtkenntnis einer Beschränkung des Umfanges der gesetzlichen Vertretungsmacht eines Prokuristen muss ein Dritter höchstens dann verantworten, wenn er ein bewusstes Handeln des Prokuristen zum Nachteil des Inhabers des Handelsgewerbes erkennen konnte.” – JBl-Leitsatz (Auszug): Vorvertragliche Warn- und Aufklärungspflichten erfordern uU deutliche Hinweise, dass man noch keine Bindung eingehen wolle, zB wenn bei Kreditverhandlungen sonst im Kunden das Vertrauen begründet wird, der Vertrag würde mit Sicherheit zustande kommen und wenn erkennbar ist, dass der Kunde in diesem Vertrauen im Begriffe ist, selbst Verbindlichkeiten einzugehen.
Anschaffung einer Datenverarbeitungsanlage für ein medizinisch-diagnostisches Laboratorium – Anbietende Firma informiert nicht sachgerecht; SZ 48/102 (1975): Mögliche Geschäftspartner treten schon mit der Kontaktaufnahme in ein beiderseitiges vorvertragliches Schuldverhältnis, das sie insbesondere verpflichtet, einander über die Beschaffenheit der in Aussicht genommenen Leistungsgegenstände aufzuklären und Umstände mitzuteilen, die einem gültigen Vertragsabschluss entgegenstehen; eine Verletzung dieser Verpflichtungen macht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1295 ABGB schadenersatzpflichtig. – Wer den Irrtum eines anderen schuldhaft und rechtswidrig, wenn auch bloß fahrlässig, veranlasste, ist diesem gegenüber schadenersatzpflichtig.
JBl 1992, 118 (Bauprojekt): Voraussetzungen der Haftung wegen cic bei Abbruch der Vertragsverhandlungen – „Das Erwecken des Vertrauens auf einen sicheren Abschluss des Vertrages und die Ablehnung, den Vertrag zu schließen, sind zwar grundsätzlich nicht rechtswidrig. Das ‚In-Sicherheit-Wiegen‘ des anderen Teils macht aber dann ersatzpflichtig, wenn der Schutzpflichtige selbst noch gar nicht fest zum Vertragsschluss entschlossen war, aber erkennen kann, dass der Partner im Vertrauen auf seinen ernstlichen Abschlusswillen Aufwendungen tätigt. Ein triftiger, die Haftung für den Nichtabschluss beseitigender Grund liegt insbesondere dann vor, wenn Gründe auftreten, die nach Vertragsschluss zur Auflösung des Vertrages führen können, aber auch bei Wegfall einer bloß bei einer Partei bestehenden Zweckvorstellung iSd § 936 ABGB. Ein triftiger Grund für den Nichtabschluss ist aber auch schon dann zu bejahen, wenn der Vertragsschluss nicht aus sachfremden Überlegungen gescheitert ist, sondern die neu aufgetretenen Umstände den Vertragsabschluss unzumutbar erscheinen lassen. Nur Umstände, die allein aus der Sphäre der Schutzpflichtigen stammen (von ihm geschaffen worden sind), können dabei nicht berücksichtigt werden.”
Haftung einer Gemeinde für cic – §§ 867, 1002 ABGB (JBl 1995, 522): „Eine durch einen erforderlichen Gemeinderatsbeschluss nicht gedeckte Willenserklärung des Bürgermeisters bindet mangels der hiefür notwendigen Vertretungsbefugnis grundsätzlich die Gemeinde nicht. – Zum Beginn diesbezüglicher Sorgfaltspflichten.
Zu beachten ist einerseits, dass der Vertrag mit der Gemeinde nicht (!) zustande, andrerseits aber eine cic-Haftung der Gemeinde zum Tragen kommt. Dazu tritt, wenn die Tätigkeit eines Organs hoheitlich erfolgt, eine Amtshaftung, deren Ersatz sich aber nach cic-Regeln bestimmt.
2. Fälle der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten (noch) vor Vertrags(ab)schluss, jedoch im Zusammenhang mit einer Vertragsanbahnung:
Verkehrssicherungspflichten
Rechtssprechungsbeispiel
Linoleumrollenfall → Der Linoleumrollenfall
Frau stürzt auf den vereisten Stufen vor einem Bäckerladen; EvBl 1958/19: frühe Entscheidung zu unserer Problematik; OGH kennt und benennt cic-Haftung damals noch nicht im heutigen Sinn.
Unfall im Kaufhaus Tyrol – Käufer stürzt in Rolltreppenschacht; EvBl 1979/23 = SZ 51/111: Der Inhaber eines Geschäftes trifft gegenüber Personen, die das Geschäft in Kaufabsicht betreten, die vorvertragliche Pflicht, für die Sicherheit des Geschäftslokals zu sorgen. Geschäftsführer haftet für das Fehlverhalten von Gehilfen nach § 1313a ABGB.
Kippfensterfall; JBl 1979, 654: §§ 1295, 1298, 1313a ABGB: Geschäftsinhaber trifft gegenüber Personen, die sein Geschäft im Zuge geschäftlicher Besprechungen und Tätigkeiten betreten, die Pflicht, für die Sicherheit des Geschäftslokales zu sorgen; er trägt auch die Beweislast für die eigene Schuldlosigkeit und jene seiner Erfüllungsgehilfen. Mangels eines solchen Beweises haftet er für die Verletzung des Kunden durch ein abstürzendes, mangelhaft montiertes Kippfenster.
Unfall beim „Schunkeln” im Festzelt (70jähriges Bestehen des Musikvereins Feldkirch); EvBl 1976/63 = SZ 48/100 Am 5. August 1973 gegen 20 Uhr begab sich die Klägerin in das Festzelt und nahm auf einer Bank, auf der, ohne dass sie voll besetzt gewesen wäre, noch mehrere Bekannte saßen, Platz. Die Garnitur wackelte, wie dies bei Festen so üblich ist, ein wenig. Als die Musik Schunkellieder zu spielen begann, wurde auch am Tisch, an dem die Klägerin saß, geschunkelt. Beim zweiten Lied brachen die beiden Bänke und der Tisch, an dem die Klägerin saß, zusammen. Die Klägerin hatte bis dahin nichts bestellt, sondern von einem Bekannten ein Bier geschenkt erhalten. Die Klägerin klemmte sich beim Zusammenbruch der Garnituren ihren linken Fuß unter der Bank ein und erlitt Verletzungen.
Würstelstand; ArbSlg 10.193 (LGZ Wien 1982): I. Schon im vorvertraglichen Stadium trifft einen Verhandlungspartner gegenüber dem anderen die Verpflichtung, ihn über die Beschaffenheit des in Aussicht genommenen Leistungsgegenstandes aufzuklären und Umstände mitzuteilen, die einem gültigen Vertragsabschluss entgegenstehen. II. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung liegt im Verschweigen des zweifelhaften Eigentums an einer Verkaufseinrichtung für einen Würstelstand und der erforderlichen Genehmigungen zum Betrieb eines solchen.
Bananenschalen- und Bleistiftabsatzunfälle: zB NJW 1962, 31
3 . Verkehrssicherungspflichten als vertragliche Nebenpflichten; also aus bereits bestehendem Vertrag heraus:
vertragliche Nebenpflichten
Rechtssprechungsbeispiel
Eishockeymatch; EvBl 1984/81: § 1295 ff ABGB – Art und Umfang der vom Veranstalter eines sportlichen Wettkampfes – hier: Eishockeymatch – zu treffenden Vorkehrungen zum Schutz der (zahlenden) Zuschauer. – Zuschauer wird von Puck am Mund getroffen und verliert Schneidezahn.
Langjährige Klientin eines Rechtsanwalts stürzt auf wegrutschendem Kokosläufer; SZ 46/116 (1973) = JBl 1975, 205 = EvBl 1974/13: „Ein Rechtsanwalt, in dessen Kanzlei eine Klientin stürzt, ist beweispflichtig, dass sie keiner Gefährdung in den Kanzleiräumen ausgesetzt war; Kokosläufer ohne Gleitschutz (20.000,– S Schmerzengeld für eine Schulterprellung).
Verletzung durch Betonsockel eines Sesselliftes; SZ 34/173 (1961): Zur Haftung der Sesselliftunternehmung für den Unfall eines über den mit Schnee überdeckten, nicht gekennzeichneten Betonsockel einer früheren Liftanlage gestürzten Skiläufers. – OGH löst Fall noch nicht nach cic und sieht insbesondere auch noch nicht die konkrete Verkehrssicherungspflicht als Nebenpflicht des abgeschlossenen Liftbeförderungsvertrages. – Vgl dagegen die folgende Entscheidung EvBl 1982/59!
Verkehrssicherungspflicht des Pistenhalters (hier: Skiliftunternehmer); EvBl 1982/59: Richtig haben die UnterG erkannt, dass ein Vertragsverhältnis zwischen Skifahrer und Seilbahnunternehmer für Pisten besteht, die der Seilbahnunternehmer als gepflegt, präpariert und gesichert angepriesen hat (JBl 1979, 433). Zur Verkehrssicherungspflicht eines Liftunternehmers gehört jedoch auch das Ergreifen der nach der Verkehrsauffassung erforderlichen und zumutbaren Schutzmaßnahmen bezüglich einer künstlichen oder natürlichen Gefahrenquelle im unmittelbaren Bereich des von ihm eröffneten oder unterhaltenen Skiverkehrs (EvBl 1973/198 ua). Demnach wird der Liftunternehmer im allgemeinen für die Folgen der Benützung einer außerhalb der von ihm deutlich markierten Skipiste gelegenen Piste nicht haften. Anders ist die Rechtslage jedoch, wenn die Piste infolge mangelhafter Markierung von den Benützern nicht hinreichend erkannt wird oder die Markierung trotz gehöriger Aufmerksamkeit missverstanden werden kann. – Vgl auch EvBl 1994/1: Zur Pistensicherungspflicht bei Anbringen eines Fangzaunes; Holzpflöcke waren nicht abgepolstert.
Beachte
Rechtssprechungsbeispiel
Kreuzung von Lifttrasse und Abfahrt: JBl 1970, 36 (Axamer Lizum – Pleissenlift): Pflicht des Schleppliftunternehmers zur Sicherung von kreuzenden Schifahrern an häufig befahrenen, besonders gefährliche Stellen der Lifttrasse. – Auf Grund dieses Urteils wurden idF Pistenverkehrszeichen – analog zur StVO – geschaffen.
JBl 1988, 318 = SZ 60/256: Concordelandung am Flughafen Linz-Hörsching; (Zahlende!) Zuschauer dringen in Baustelle ein, erklettern noch nicht fertige Dächer und richten beträchtlichen Schaden an. – Mangelnder Ordnerdienst als Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (dem Eigentümer gegenüber!). (Vgl die Vorfälle bei einer Snowbordveranstaltung am Ibker- Bergisel.)
ZVR 1988, 88: Schispringen – Schier lösen sich vom Springer und verletzen Zuschauer (OLG Ibk).
wobl 1992, 223/Nr 147: Garagenkipptor – Vertragliche Verkehrssicherungspflicht des Vermieters gegenüber Angehörigen eines Mieters; hier: minderjähriger Bub (einer Mieterin) wird durch automatisches, aber nicht den Vorschriften entsprechendes Garagentor schwer verletzt.
ZVR 1978, 209: Rallyeveranstaltung – Ausweichmanöver.
Patient der Innsbrucker psychiatrischen Klinik springt durch ein Fenster, das nicht bruchsicher war: OGH 24.10.1996, 8 Ob 2293-96 f. Dieser Fall zeigt, dass sich die jeweilige Verkehrssicherungspflicht als Schutzmaßnahme für den schwächeren Partner nach den Bedürfnissen des jeweiligen Vertrags richtet.
OGH 28. 4. 2000, 1 Ob 75/00m, JBl 2001, 104: Schifahrer kommt bei schlechter Sicht von Piste ab und verletzt sich – OGH zur Verkehrssicherungspflicht bei Schipisten: Beweislast nach Vertragshaftung (§ 1298 ABGB) aus dem Beförderungsvertrag unter Anwendung des Ingerenzprinzips.
4. Bloß deliktische Verkehrssicherungspflichten (dh ohne vertragliche oder vor-vertragliche Beziehung), vielmehr Verletzung allgemeiner Verhaltenspflichten und Schutznormen; diese Pflichten gelten auch für Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts, zB Gemeinden. – Eine Verletzung allgemeiner Verkehrs- und Verhaltenspflichten (also der Allgemeinheit gegenüber) statuiert zB § 93 StVO: Gehsteigreinigung, Streupflicht, Dachlawinenabsicherung. – Oder: Absicherung von Baustellen udgl.
deliktische Pflichten
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1983/90 – Langlaufloipenfall → KAPITEL 11: Der ¿erste¿ Fall: Verletzung einer Langläuferin wegen unsachgemäßer Loipeninstandhaltung – Pflicht des Loipenhalters (= Fremdenverkehrsverein) zur Entfernung oder Kennzeichnung von Gefahren(stellen)
JBl 2002, 250: Sohn, Mutter und Großvater ertrinken in Gemeinde-Rückhaltebecken → Das Ingerenzprinzip: Ingerenz.
OGH 20. 12. 2000, 7 Ob 271/00d, JBl 2001, 525: Im Zuge von Bauarbeiten an einer Volksschule lehnt die Baufirma ein abmontiertes Fenstergitter an einen Altpapiercontainer, wodurch ein Benützer des Containers verletzt wird (§ 1304 ABGB). – OGH: Ein Bauunternehmer haftet für die Verletzung der ihn treffenden Verkehrssicherungspflichten gegenüber der Allgemeinheit deliktisch, nicht aus dem Vertrag mit dem Auftraggeber mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. – Zur Repräsentantenhaftung juristischer Personen (obiter dictum).


Zur Wiederholung: cic (1)
Abbildung 6.10:
Zur Wiederholung: cic (1)


Zur Wiederholung: cic (2)
Abbildung 6.11:
Zur Wiederholung: cic (2)


Zur Wiederholung: cic (3)
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Zur Wiederholung: cic (4)
Abbildung 6.13:
Zur Wiederholung: cic (4)


Zur Wiederholung: cic (5)
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Zur Wiederholung: cic (5)


Zur Wiederholung: cic (6)
Abbildung 6.15:
Zur Wiederholung: cic (6)


Zur Wiederholung: cic (7)
Abbildung 6.16:
Zur Wiederholung: cic (7)
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C. Der Vorvertrag: § 936 ABGB
I. Was spricht für den Vorvertrag?
1. Der Vorvertrag ist beliebt, weil ...
Als Hauptgrund einen Vorvertrag abzuschließen ist zu nennen, dass dem beabsichtigten Hauptvertrag noch rechtliche und/oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen; etwa der Abschlussreife des Hauptvertrags längere Vorbereitungsarbeiten vorausgehen können oder ganz einfach die Zeit für den Abschluss des Hauptvertrags (aus anderen Gründen) noch nicht reif ist, weil zB die „Entwicklung” noch zu sehr im Fluss ist.
• Der Vorvertrag ermöglicht demnach eine rechtliche Regelung, obwohl die Umstände für den Abschluss eines Hauptvertrags noch nicht reif sind; freilich ohne endgültige / absolute Verpflichtung. – Wurde ein Vorvertrag geschlossen, kann die künftige Entwicklung in größerer Ruhe abgewartet werden. Dies durch eine ausdrückliche oder auch nur die in § 936 ABGB gesetzlich vorgesehene Bedachtnahme auf geänderte Umstände: Umstandsklausel / clausula rebus sic stantibus → Vorvertrag und Umstandsklausel. Entwickeln sich die „Umstände” (= die Rahmenbdingungen für den Hauptvertrag) nicht wie erwartet, besteht keine Verpflichtung zum Abschluss eines Hauptvertrags.
• Auch steuer- und gebührenrechtliche Überlegungen können eine Rolle spielen; Vorverträge über Liegenschaften lösen nämlich nach § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG keine Grunderwerbssteuerpflicht aus und Vorverträge sind allgemein nicht gebührenpflichtig.
• Darüber hinaus kommt der Vorvertrag angeblich einem „Volksbedürfnis nach [vorläufiger] rechtlicher Regelung” (Gschnitzer, SchRAT2) entgegen, schafft aber gleichzeitig noch keine endgültigen Pflichten für den Fall, dass sich die künftige Entwicklung unerwartet oder ungünstig entwickelt.
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2. Typische Vorvertragskonstellationen
Gemeinsam haben alle idF angeführten praktischen Beispiele, dass sie eine noch unsichere / unklare tatsächliche oder rechtliche Situation vorläufig absichern wollen. – Der Vorvertrag schafft demnach ein rechtliches Provisorium, das dennoch nicht im Unverbindlichen verbleibt.
Rechtliches Provisorium
Mineralölfirma plant die Errichtung einer Tankstelle an einer erst projektierten Umfahrungsstraße: Deshalb schließen eine Liegenschaftseigentümerin und die Mineralölfirma einen Vorvertrag über einen Liegenschaftskauf und über die Errichtung und den Betrieb der Tankstelle an der projektierten Umfahrungsstraße. Würde die Mineralölfirma die Liegenschaft endgültig, dh bereits mit Hauptvertrag, kaufen, bliebe sie auf der Liegenschaft ‘sitzen’, wenn die Umfahrungsstraße nicht gebaut wird. Das bedeutete für sie uU einen beachtlichen finanziellen Verlust. Daher erscheint es klug, in einer solchen Situation keinen Hauptvertrag, sondern nur einen Vorvertrag zu schließen, weil dadurch zwar eine rechtliche Bindung, aber keine endgültige rechtliche Verpflichtung geschaffen wird.
Beispiele
• Ein/e Filmregisseur/in will sich eine berühmte Darstellerin für die Verfilmung eines interessanten Drehbuchs sichern, obwohl die Projektfinanzierung noch nicht gesichert ist.
• Mehrere Personen wollen eine Gesellschaft gründen und schließen dazu einen Vorvertrag in Form eines Vor(gründungs)vertrags ab. Ihre Aufgabe ist es, die Gesellschaftsgründung vorzubereiten; rechtlich wie wirtschaftlich. Soll eine GmbH gegründet werden, bedarf schon der Vorgründungsvertrag eines Notariatsakts; DRdA 1980, 314 = HS X/XI 18.
• Ein Fußballverein (ehemals Wacker Innsbruck) und der Spieler eines anderen Vereins (B. Pezzey, als er noch bei Werder Bremen spielte) schließen einen Vorvertrag betreffend den „Erwerb” dieses Spielers, weil die Freigabe des deutschen Clubs, bei dem Pezzey zur Zeit des Vorvertragsabschlusses spielte, noch fehlte. Für den Fall der Freigabe verpflichtet der Vorvertrag Bruno Pezzey mit Wacker Innsbruck einen Hauptvertrag (Spielervertrag) zu schließen.
• Auch die rechtliche Unsicherheit darüber, ob für ein Bauprojekt überhaupt eine Baugenehmigung erteilt oder eine bestimmte Bauweise gestattet wird oder die Wohnbauförderung genehmigt wird, spricht uU für den Abschluss eines Vorvertrags.
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3. Vorvertrag und Realkontrakte
Das ABGB kennt noch Realkontrakte (→ KAPITEL 3: Das Darlehen als Realvertrag: Folie 3.12), was den Vorverträgen größere Bedeutung beimisst. Denn: Fehlt beim beabsichtigten Abschluss eines Realvertrags die wirkliche Übergabe, kommt zwar kein Real-Hauptvertrag – zB ein Darlehensvertrag (vgl § 983 ABGB Schlusssatz) – zustande, wohl aber ein Darlehens-Vorvertrag → KAPITEL 3: Darlehensvorvertrag.
Andere Privatrechtsordnungen kennen die Realverträge nicht mehr. So das dtBGB, dessen § 488 den Darlehensvertrag bereits als Konsensualvertrag umschreibt: „Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag. (1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuerstatten.” – Die Unterscheidung zwischen Darlehens- und Kredit(eröffnungs)vertrag (→ KAPITEL 3: Der Kredit(eröffnungs)vertrag) erübrigt sich daher nach deutschem Recht. – Art 312 SchwOR folgt dem Vorbild des dtBGB. – Ein künftiges europäisches ZGB wird wohl auf die Realverträge verzichten.
Rechtvergleichung und Rechtsgeschichte
Frühes Rechtsdenken – etwa das altgriechische – legt Wert auf einen Zug um Zug-Leistungsaustausch und untersagt alles andere. Ein Zuwiderhandeln wird mit rechtlicher Undurchsetzbarkeit solcher (Leistungs)Ansprüche sanktioniert. Das hängt vornehmlich damit zusammen, dass frühe Rechtsordnungen den Schwierigkeiten, die mit einer Kreditierung des Kaufpreises oder einer Vorauszahlung verbunden sind, nicht gewachsen erscheinen. Vor allem die exekutive Rechtsdurchsetzung benötigt eine lange Entwicklung. Nur langsam erzwingt der rechtsgeschäftliche Verkehr ein Umdenken.
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II. Vertragsinhalt des Vorvertrags
1. Was ist das Ziel des Vorvertrags?
Der Vorvertrag ist „die Verabredung, künftig erst einen Vertrag schließen zu wollen”; § 936 ABGB. – Die Verpflichtung aus dem Vorvertrag beinhaltet demnach den Abschluss eines Hauptvertrags. Es kann also aus dem Vorvertrag heraus noch nicht auf Erfüllung (der Leistung!) geklagt werden. Dazu muss erst noch der Hauptvertrag geschlossen werden. Erst der geschlossene Hauptvertrag begründet die Leistungspflicht! – Die Erfüllung des Vorvertrags besteht im Abschluss des Hauptvertrags! Und diese Pflicht zum Abschluss des Hauptvertrags ist – wie erwähnt – keine absolute. Sie steht vielmehr unter der gesetzlichen Bedingung der „Umstandsklausel”, die freilich kautelarjuristisch präzisiert werden kann → Vorvertrag und Umstandsklausel
Rechtssprechungsbeispiel
Zentrales Begriffsmerkmal des Vorvertrags ist der korrespondierende Wille der Parteien, nicht schon den Hauptvertrag abzuschließen, sondern seinen Abschluss erst zu vereinbaren, ein Hinausschieben der endgültigen Verpflichtung, da die Zeit noch nicht reif ist. OGH 25.6.1976: NZ 1978, 29 = JBl 1978, 153. (Dittrich / Tades, MGA-ABGB 35, § 936 E 3)
Die Zulässigkeit zum Abschluss von Vorverträgen ergibt sich schon aus der Vertragsfreiheit. – Das dtBGB kennt bspw keine Regelung des Vorvertrags, dennoch ist er aus diesem Grund anerkannt; vgl dagegen Art 22 SchwOR. – Der Vorvertrag richtet sich auf den Abschluss eines Titel- oder Verplichtungsgeschäfts. Die Verfügung ist kein Gegenstand des Vorvertrags.
Vertragsfreiheit
Zur Unterscheidung Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft → KAPITEL 2: Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft.
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2. Arten des Vorvertrags
Vorverträge können einseitig oder zweiseitig verbindlich / verpflichtend sein, je nachdem ob nur ein oder beide Vertragspartner einen Anspruch auf Abschluss des Hauptvertrags haben; GH 1918, 449.
Einseitig oder zweiseitig verpflichtend
Beispiel
Wurde diesbezüglich nichts vereinbart, sind im Zweifel beide Vorvertragsparteien zum Abschluss eines Hauptvertrags – unter den vereinbarten Bedingungen – verpflichtet.
Zweifelsregel
Vorverträge werden entgeltlich oder unentgeltlich geschlossen. Dies in dem Sinne, dass sich – in unserem Beispiel der Mineralölfirma – die Liegenschaftseigentümerin dafür etwas zahlen ließ, dass nur sie die Vorvertragsverpflichtung, dh konkret: die Verpflichtung zum Abschluss eines Hauptvertrags, auf sich nimmt!
Entgeltlich oder unentgeltlich
Beispiel
Vorverträge sind hinsichtlich der Frage der Entgeltlichkeit wie die entsprechenden Hauptverträge zu behandeln; SZ 42/136 (1969). Ist der Vorvertrag auf den Abschluss eines Bestandvertrags gerichtet, ist er daher als entgeltlicher Vertrag zu behandeln; MietSlg 24.097 (1972). Das ist nicht damit zu verwechseln, dass ein Entgelt (für den Vertragsschluss) zu entrichten ist.
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III. Gültigkeitsvoraussetzungen – Sanktionen
1. „Zwei” Kriterien
Um einen gültigen Vorvertrag zu schließen, müssen zwei gesetzliche Kriterien erfüllt werden, nämlich:
Inhaltliche Bestimmtheit: Auch beim Vorvertrag müssen „die wesentlichen Stücke des Vertrages bestimmt sein”. – Vorvertrag und Hauptvertrag unterscheiden sich daher nicht in ihrer inhaltlichen Bestimmtheit! Man sagt, der Vorvertrag müsse so bestimmt sein, dass er auch als Hauptvertrag verbindlich wäre.
Inhaltliche Bestimmtheit
Beispiel
Zeitbestimmung: Das Gesetz verlangt ferner, dass die „Zeit der Abschließung” des Hauptvertrags von den Parteien bereits im Vorvertrag bestimmt wird; auch hier muss wenigstens Bestimmbarkeit vorliegen. – Der Abschlusszeitpunkt des Hauptvertrags kann aber (im Vorvertrag) beliebig weit in die Zukunft verlegt werden.
Zeitbestimmung
Rechtssprechungsbeispiel
GlUNF 1216 (1900): Die Bestimmung der Zeit des Hauptvertragsabschlusses durch eine Bedingung (ungewisses Ereignis → KAPITEL 13: Die Bedingung) genügt.
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2. Vorgehen bei Nichterfüllung des Vorvertrags?
Wie ist vorzugehen, wenn die aus dem Vorvertrag heraus bestehende Verpflichtung, einen Hauptvertrag zu schließen, nicht erfüllt wird?
Zunächst: Was meint das Gesetz in § 936 Satz 2 ABGB, wenn es davon spricht, dass „auf die Vollziehung solcher Zusagen ... längstens in einem Jahre nach dem bedungenen Zeitpunkte gedrungen werden” muss? – Das ist iSv Klage, Klagseinbringung zu verstehen! Und worauf ist zu klagen? Auf Abschluss des Hauptvertrags!
Der Anspruch, einen Hauptvertrag abzuschließen, muss demnach innerhalb 1 Jahres – ab dem vereinbarten Hauptvertragsabschlusszeitpunkt – durchgesetzt werden.
Fraglich bleibt, ob in einem solchen Fall der Richter die säumige Partei dazu verurteilen soll, eine dem Vorvertrag gemäße Willenserklärung abzugeben (und bei Fehlen / Verweigerung derselben, diese Partei zur Leistung von Schadenersatz zu verurteilen) oder ob die vertragstreue Partei – wie bei der Weigerung, eine verbücherungsfähige Urkunde auszustellen – ein Urteil erlangen kann, das schon die Wirkungen des nicht abgeschlossenen Hauptvertrags erzeugt? – Die Diktion des Gesetzes spricht eher für die erste Variante. Der dtBGH lässt es zu, mit der Klage auf den Abschluss des Hauptvertrags bereits die auf Leistung nach dem Hauptvertrag zu verbinden; in die Urteilsformel ist aber uU der Vorbehalt aufzunehmen, dass das Zustandekommen des Hauptvertrags Voraussetzung für die Leistung ist.
„Wozu“ ist zu verurteilen?
Rechtssprechungsbeispiel
MietSlg 7828 (1960): Wird der Abschluss des Hauptvertrags unbegründet verweigert, liegt Erfüllungsverzug vor, der bei Verschulden auch zu Schadenersatz verpflichtet.
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3. Rücktritt vom Vorvertrag? – Anfechtung
Wird die Pflicht zum Abschluss eines Hauptvertrags von einer Partei nicht erfüllt, gerät diese in (Schuldner)Verzug und die andere Partei kann vom Vorvertrag zurückzutreten !
Hinsichtlich seiner Anfechtbarkeit ist der Vorvertrag wie ein anderes Rechtsgeschäft zu beurteilen. Es wäre unsinnig, dazu auf den Hauptvertrag warten zu müssen.
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4. Form?
Ist der Hauptvertrag formpflichtig, gilt dies auch für den Abschluss des Vorvertrags; etwa in folgenden Fällen:
• § 1346 Abs 2 ABGB: Schriftform für die Verpflichtungserklärung des Bürgen.
• § 2 Z 1 WEG 1975 = § 3 Abs 1 Z 1 iVm § 6 Abs 1 Z 1 WEG 2002: Nur schriftliche Ersteinräumung von Wohnungseigentum.
• § 24 KSchG: Errichtung eines schriftlichen Ratenbriefs.
• Vgl im übrigen die Formbeispiele in → KAPITEL 15: Die Form (im Privatrecht).
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5. Reugeld und Konventionalstrafe
Auch Vorverträge können durch Reugeld (→ KAPITEL 15: Reugeld: §§ 909 ff ABGB und § 7 KSchG) und Konventionalstrafe (→ KAPITEL 15: Die Konventionalstrafe des § 1336 ABGB) gesichert werden.
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IV. Vorvertrag und Umstandsklausel
Die Verpflichtung, aus dem Vorvertrag heraus einen Hauptvertrag abzuschließen, besteht nur dann, wenn „die Umstände inzwischen nicht dergestalt verändert worden sind, dass dadurch der ausdrücklich bestimmte, oder aus den Umständen hervorleuchtende Zweck vereitelt oder das Zutrauen des einen oder andern Teiles verloren wird”.
Diese gesetzliche Formulierung heißt Umstandsklausel oder clausula rebus sic stantibus. – Die Abschlusspflicht für den Hauptvertrag steht also unter der gesetzlichen Bedingung der Umstandsklausel und ist daher keine absolute. Dadurch können die Parteien ihre Interessen optimal und vorausplanend wahrnehmen und die Rspr findet Raum, sachgerechte Entscheidungen zu treffen. – Wichtig dafür ist es, dass die am Abschluss des Hauptvertrags vor allem interessierte Partei ihre Interessen und Intentionen schon im Vorvertrag möglichst klar zum Ausdruck bringt; kautelarjuristische Vorsorge! Die Parteien wissen dann, dass sie nur im Falle einer bestimmten und von ihnen erwarteten Entwicklung zum (Haupt)Vertragsabschluss verpflichtet sind. Vorausdenken verhindert demnach auch hier Streit.
clausula rebus sic stantibus
Rechtssprechungsbeispiel
MietSlg 31.118 (1979): Wer einen Vorvertrag über einen Liegenschaftskauf in Kenntnis eines verbücherten Veräußerungs- und Belastungsverbotes abschließt, ohne sich vorher der Zustimmung des Verbotsberechtigten zu versichern oder wenigstens auf einer Zusage des Verkäufers zu bestehen, kann nicht „geänderte Verhältnisse” geltend machen.
Ein Berücksichtigen geänderter Umstände kennen auch:
• § 1052 ABGB: Zug-um-Zug-Prinzip und sog Vorausleistungspflicht einer Partei (vgl auch § 1062 ABGB);
• die Lehre vom Wegfall / der Störung der Geschäftsgrundlage → KAPITEL 5: Störung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage;
• allgemein Dauerschuldverhältnisse, die deshalb (einseitig) gekündigt werden können → Bedeutung der Unterscheidung;
• das Eherecht ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Auflösung der Ehe (Scheidung) → KAPITEL 16: Die Auflösung der Ehe;
Unterhaltsvergleichen (etwa im Rahmen einer Scheidung) wohnt die Umstandsklausel inne; EvBl 2000/68.
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V. Zur Abgrenzung des Vorvertrags
Der Vorvertrag muß von ähnlichen Rechtsfiguren abgegrenzt werden, zumal die Praxis eine ganze Reihe leicht verwechselbarer Rechtsinstitute entwickelt hat:
1. Vorvertrag <-> Option
Vom (einseitigen) Vorvertrag zu unterscheiden ist die Option: Option bedeutet Einräumung eines einseitigen Gestaltungsrechts zugunsten eines Vertragspartners. Eingeräumt wird die Option aber vertraglich, also unter Mitwirkung des anderen Vertragsteils oder ausnahmsweise direkt durch Gesetz. Der einseitig verpflichtende Vorvertrag berechtigt/verpflichtet dagegen nur zum Abschluss des Hauptvertrags, während die einseitige Ausübung des Optionsrechts schon den Hauptvertrag zustande bringt, weshalb danach schon Erfüllungsansprüche bestehen.
• Übt der Optionsberechtigte sein Optionsrecht aus, bewirkt schon seine einseitige Gestaltungserklärung (ohne weiteres Zutun des anderen Vertragspartners) mit ihrem Zugang die gewünschte Vertragsänderung, etwa die Verlängerung eines Mietvertrags um weitere 5 Jahre oder auf unbestimmte Zeit (sog Verlängerungsoption) oder überhaupt erst den Vertragsabschluss; zB bei Einräumung einer sog Kauf- oder Abschlussoption.
• Optionen spielen im privaten wie im kaufmännischen oder Unternehmensbereich eine wichtige Rolle. Für das Einräumen einer Option wird häufig etwas bezahlt; die Einräumung erfolgt dann entgeltlich; vgl das unten angeführte Rspr-Beispiel.
• Zeitlich kann ein Optionsrecht befristet oder unbefristet eingeräumt werden; im letzteren Fall unterliegt es dann auch nicht der kurzen, sondern der langen Verjährung; vgl das anschliessende Rspr-Beispiel in dem ein Optionsrecht erst nach 20 Jahren ausgeübt wird.
Beispiel
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 12. 9. 2001, 4 Ob 159/01p, JBl 2002, 243 = EvBl 2002/42: Eine Option zum Kauf einer Liegenschaft wird erst nach mehr als 20 Jahren ausgeübt. Das ursprünglich landwirtschaftlich genutzte Grundstück war inzwischen ein Vielfaches Wert (Umwidmung in Bauland). – OGH: Für die Bewertung der beiden Leistungen iSd § 934 ABGB (laesio enormis) ist auf den objektiven Wert im Zeitpunkt der Ausübung des Optionsrechts abzustellen (und nicht auf den Abschluss des Optionsvertrags?). – Natürlich könnte auf jeden Fall etwas anderes vereinbart werden.
Literaturquelle
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2. Vorvertrag <-> Punktation
§ 885 ABGB: „Ist zwar noch nicht die förmliche Urkunde, aber doch ein Aufsatz über die Hauptpunkte errichtet und von den Parteien unterfertigt worden (Punktation), so gründet auch schon ein solcher Aufsatz diejenigen Rechte und Verbindlichkeiten, welche darin ausgedrückt sind.”
Die Punktation des § 885 ABGB (→ KAPITEL 15: Punktation) ist bereits Hauptvertrag und unterscheidet sich dadurch sowohl von der Option, weil diese erst durch den Zugang der Optionserklärung den Hauptvertrag zustande bringt, als auch vom Vorvertrag. – Bei der Punktation fehlt nach dem Parteiwillen nur noch die Ausfertigung / Errichtung der förmlichen Vertragsurkunde. – Kurz: Der Vorvertrag verpflichtet zum Abschluss des Hauptvertrags, die Punktation (nach „Abgabe” der Erklärung) bereits zu seiner Erfüllung.
Punktation ist Hauptvertrag
Die Punktation ist in hervorragender Weise geeignet, Verhandlungsergebnisse – auch noch zu später Stunde – rasch unter Dach und Fach zu bringen, was wichtig sein kann, wenn es darum geht, die Gunst der Stunde zu nützen!
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3. Vorvertrag <-> Rahmenverträge
Von den Vorverträgen abzugrenzen sind auch sog Rahmenverträge → Vorvertrag <-> Rahmenverträge Man kann – wie im Rahmen der AGB erwähnt – auch davon sprechen, dass es sich beim Rahmenvertrag um von beiden Vertragspartnern gemeinsam gestaltete und ausgehandelte AGB für künftige Vertragsschlüsse dieser Parteien handelt.
Rahmenverträge verpflichten aber rechtlich noch zu keinerlei Leistung; insbesondere auch zu keinem (künftigen) Vertragsschluss. Sie stecken nur den „Rahmen”, also die Konditionen, für allfällige künftige Verträge ab. – Sinnvoll ist ihr „Abschluss” dann, wenn eine längere vertragliche Beziehung bevorsteht, die es zu gestalten gilt.
Rahmenverträge werden zB abgeschlossen zwischen einem Großhändler (etwa einer Handelskette: ADEG, Spar etc) und Einzelhändlern oder zwischen Produzenten und Generalimporteuren sowie insbesondere zwischen Produktions- und Zulieferbetrieben. – Hier gilt es die Vertragsfreiheit zu nutzen und die Geschäftsbeziehung rechtlich „optimal” einzukleiden. – Zur Gefahr des Dissenses beim Verwenden von Einkaufs- und Verkaufsbedingungen durch die Vertragspartner → Voraussetzungen und Verwendung von AGB?
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4. Vorvertrag <-> Bezugsverträge
Bezugsverträge sind keine Vorverträge, sondern bereits (voll)gültige Hauptverträge. Dazu → Ziel- und Dauerschuldverhältnisse
Früher erblickte die Rspr allerdings in Bezugsverträgen irrtümlicherweise Vorverträge; vgl noch den Leitsatz von SZ 39/35 (1966): „Bezugsverträge sind als Vorverträge zu behandeln“. – Es konnte daher nur auf Abschluss eines (Haupt)Vertrags geklagt werden, nicht schon auf Zahlung des Kaufpreises!
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5. Vorvertrag <-> Anwartschaftsverträge
Einem Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag können ein Vorvertrag oder eine Punktation vorausgehen. Ob zB der Anwartschaftsvertrag über den Erwerb eines Liegenschaftsanteils als Vorvertrag oder als Punktation zu einem Kaufvertrag anzusehen ist, hängt davon ab, ob er bereits auf die Begründung eines Übereignungsanspruchs (im Grundbuch) ohne weitere rechtsgeschäftliche Abmachung gerichtet ist, die unmittelbar klagsmäßig durchgesetzt werden kann (Punktation) oder nicht (Vorvertrag). Aber auch ein solcher Vorvertrag ist inhaltlich (insbesondere die essentialia negatii betreffend) deckungsgleich mit dem Hauptvertrag. – In der Praxis wird aber immer wieder versucht einseitig Abänderungen vorzunehmen.
Anwartschaftsrechte sind Erwerbsberechtigungen, wobei der Erwerb auch vom Willen des Berechtigten abhängen kann (Gschnitzer). – Die Anwartschaft kann eine dingliche (zB Vorbehaltskäufer) oder eine schuldrechtliche sein: Der Erbanwärter erlangt durch Erbfall das Recht, die Erbschaft durch Erbserklärung und Einantwortung zu erwerben; vor dem Erbfall besteht nur eine unbestimmte Aussicht auf die Erbschaft.
Dingliche oder schuldrechtliche Anwartschaft
Anwartschaftsrechte sind bereits rechtlich geschützt; vgl die Rechtsstellung des Vorbehaltskäufers → KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel. – Oder: Der Vorerbe darf das Anwartschaftsrecht des Nacherben (→ KAPITEL 17: Die Nacherbschaft oder fideikommissarische Substitution) nicht verletzen; bspw durch Beeinträchtigung des Nachlasses. Bei bedingten Anwartschaften (wie der Vor- und Nacherbschaft) darf der Bedingungseintritt nicht vereitelt werden → KAPITEL 13: Erfüllungsfiktion.
Anwartschaftsrechte sind geschützt
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6. Bedingter Hauptvertrag <-> Vorvertrag
Zu prüfen ist auch, ob nicht schon ein bedingter Hauptvertrag und nicht nur ein Vorvertrag von den Parteien gewollt war. Im Zweifel ist eine aufschiebende Bedingung anzunehmen. – Der Unterschied zum Vorvertrag liegt darin, dass beim bedingten Hauptvertrag der Vertrag bereits, wenn auch nur bedingt, geschlossen ist und kein weiterer (Haupt)Vertragsabschluss nötig ist. Aber der Bedingungseintritt entscheidet über das Wirksamwerden der Vereinbarung.
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7. Vorvertrag <-> Vorkaufrecht
Der Unterschied zum Vorvertrag liegt darin, dass mit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Vorkaufsberechtigen zwischen ihm und dem damit Belasteten / Verpflichteten bereits ein Kaufvertrag zustande kommt und sich ein Hauptvertragsschluss erübrigt; vgl SZ 64/24 (1991). – Anders als im Fall eines bedingten Hauptvertragsschlusses ist beim Vorkaufsrecht noch kein Hauptvertrag geschlossen, sondern dem Vorkaufsberechtigten steht bloß das ihm vertraglich eingeräumte Gestaltungsrecht zu.


Zur Wiederholung: Vorvertrag (1)
Abbildung 6.17:
Zur Wiederholung: Vorvertrag (1)


Zur Wiederholung: Vorvertrag (2)
Abbildung 6.18:
Zur Wiederholung: Vorvertrag (2)


Zur Wiederholung: Vorvertrag (3)
Abbildung 6.19:
Zur Wiederholung: Vorvertrag (3)


Zur Wiederholung: Vorvertrag (4)
Abbildung 6.20:
Zur Wiederholung: Vorvertrag (4)


Zur Wiederholung: Vorvertrag (5)
Abbildung 6.21:
Zur Wiederholung: Vorvertrag (5)


Zur Wiederholung: Vorvertrag (6)
Abbildung 6.22:
Zur Wiederholung: Vorvertrag (6)
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D. Ziel- und Dauerschuldverhältnisse
I. Die „zeitliche” Ausgestaltung der Leistung
Worin liegt der Unterschied zwischen einem Zeitungskauf am Kiosk oder vom Kolporteur und einem Zeitungsabonnement ?
1. Zum Unterschied
Manche Schuldverhältnisse kommen nur oder doch vornehmlich als vorübergehende Schuldverhältnisse – kurz: als Zielschuldverhältnis vor; etwa der Kaufvertrag. Ziel des Kaufes ist im Normalfall (zB Kauf im SB-Laden) der einmalige (Leistungs)Austausch von Kaufgegenstand und Kaufpreis. Mit seiner ordnungsgemäßen Erfüllung endet die Rechtsbeziehung (zwischen Verkäufer und Käufer). – Anders ist das bei Dauerschuldverhältnissen, die auf Dauer angelegt sind, sich also nicht in einem einmaligen Leistungsaustausch erschöpfen. Hier besteht vielmehr „die” Leistung in einem oft- oder doch mehrmaligen, ja uU sich immer wieder wiederholenden Leistungsaustausch; maW, in einem – mehr oder weniger ausgeprägten – Dauerverhalten. Typische Dauerschuldverhältnisse sind zB der Arbeits- oder Dienstvertrag und die Bestandverträge (also Miete und Pacht), aber etwa auch: Versicherungsverträge, Verlagsverträge oder Leasing-, Franchising- oder Factoringverträge. Und – wie erwähnt – auch typische Zielschuldverhältnisse wie Kauf und Werkvertrag kommen als Dauerschuldverhältnisse vor.


ZSchV – 	DSchV
Abbildung 6.23:
ZSchV – DSchV
Beispiel
Ein Zielschuldverhältnis liegt also vor, wenn der Leistungsinhalt schon bei Vertragsschluss (vollständig) feststeht, also zumindest bestimmbar ist; zB Kauf eines Autos, aber auch ein Lexikonkauf oder die Errichtung eines Bauwerks, mag dessen Errichtung auch Jahre in Anspruch nehmen. – Beim Dauerschuldverhältnis dagegen richtet sich der Leistungsinhalt nach der Dauer der rechtlichen Beziehung, also der Zeit; der Leistungsumfang ist bei Vertragsschluss entweder noch gar nicht bestimmt oder steht doch – verglichen mit dem Faktor Zeit – im Hintergrund; zB Gesellschaftsvertrag, kommunale Bezugsverträge über Strom, Wasser, Gas. Vgl auch → Vorvertrag <-> Bezugsverträge
Kriterien des ZSchV und DSchV
Ein Dauerschuldverhältnis wird aber auch dann angenommen, wenn es sich um ein Dauerschuldverhältnis auf bestimmte Zeit handelt, obwohl hier der Leistungsinhalt oft mittelbar durch die vereinbarte Zeitdauer bestimmbar wird. Dennoch wird auch hier der Leistungsinhalt wesentlich durch die Zeit bestimmt.
DSchV auf bestimmte Zeit
Es gibt also Dauerschuldverhältnisse, bei denen der Leistungsumfang schon bei Vertragsschluss „berechenbar” ist; zB die Lieferung von wöchentlich / monatlich 10 Tonnen Schotter durch ein ganzes Jahr. – In solchen Fällen ist durch Auslegung festzustellen, ob ein Zielschuldverhältnis (mit sukzessiver Leistungserbringung) oder ein Dauerschuldverhältnis gewollt war. Ein wesentliches Kriterium dafür ist es, ob die erbrachten Leistungsteile unselbständige Teile einer Gesamtleistung sind oder die einzelnen Leistungen nicht Teil eines gesamten Ganzen, sondern selbständig und nur zeitlich gestaffelt zu erbringen sind. Im ersten Fall (zB auch Lieferung einer Loseblattsammlung) ist ein Zielschuldverhältnis, im letzten (zB Strombezug) ein Dauerschuldverhältnis anzunehmen.


Untypische ZSchV & DSchV
Abbildung 6.24:
Untypische ZSchV & DSchV
„Die Grenze [zwischen Ziel? und Dauerschuldverhältnis] ist nach Ehrenzweigs Formulierung danach zu ziehen, ob sich die Leistungen nach der Dauer des Verhältnisses richten, dh dass so lange Leistungen erbracht werden müssen, als das Verhältnis währt [Dauerschuldverhältnis]; oder ob umgekehrt die Dauer des Verhältnisses sich nach den Leistungen richtet, dh dass das Verhältnis so lange dauert, als noch Leistungen ausständig sind (vorübergehendes Schuldverhältnis [Zielschuldverhältnis]). Ein Schuldverhältnis wird also nicht schon dadurch zu einem dauernden, dass die Erfüllung für den Schuldner zeitraubend ist, wenn nur ein bestimmter Moment feststellbar bleibt, in welchem der Enderfolg eintritt. Deshalb ist ein Werkvertrag, auch wenn er den Unternehmer jahrelang in Anspruch nimmt [zB Baumeister errichtet Großwohnanlage], kein Dauerschuldverhältnis”; Gschnitzer in Klang2, IV/1, 26.
Faustregel zur Abgrenzung
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2. Zwitterschuldverhältnisse kommen als ZSchV und DSchV vor
Aber auch typische Zielschuldverhältnisse – wie Kauf- und Werkvertrag – treten als Dauerschuldverhältnisse auf: Der Kauf etwa beim Zeitungs- und Zeitschriftenabovertrag oder die kommunalen Bezugsverträge, der Werkvertrag als Service- oder Reinigungsvertrag (für Lifte, EDV-Anlagen, Unternehmensreinigung etc. Auch Bewachungsverträge (zB von öffentlichen Gebäuden) durch Wachdienste sind Werkverträge als Dauerschuldverhältnis. Es geht dann eben nicht nur um einen einmaligen Leistungsaustausch oder das einmalige Erbringen eines werkvertraglichen Erfolgs, sondern um einen sich wiederholenden Vorgang, solange die vertragliche (Dauer)Beziehung besteht; zB das tägliche Reinigen der Universitätsgebäude.
Kauf und WerkV können ZSchV oder DSchV sein
Die Abgrenzung von Ziel- und Dauerschuldverhältnis ist nicht immer einfach, zumal auch die Erfüllung von Zielschuldverhältnissen uU längere Zeit in Anspruch nehmen kann; zB die Lieferung eines 20-bändigen Konversationslexikons, wobei vierteljährlich ein Band geliefert wird. – Oder: Die jahrelange Ausführung / Erfüllung eines Werkvertrags bei Errichtung eines großen Gebäudekomplexes. In beiden Fällen liegt aber eindeutig ein Zielschuldverhältnis vor. – Der Lexikonkauf ist zudem ein sog Sukzessivlieferungsvertrag, denn die Gesamtleistung wird sukzessiv, nach und nach in unselbständigen (!) Teil-Leistungen erbracht, die grundsätzlich wiederum Zug um Zug zu bezahlen sind → KAPITEL 2: Zug um Zug-Leistung.
Abgrenzung mitunter schwierig
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II. Bedeutung der Unterscheidung
Bedeutsam ist die Unterscheidung in Ziel- und Dauerschuldverhältnisse vor allem für die Beendigung des Schuldverhältnisses und – damit im Zusammenhang stehend – für die sog Rückabwicklung → Rückabwicklung bei Ziel- und Dauerschuldverhältnissen
1. Wozu dient die Kündigung?
Zielschuldverhältnisse tragen ihr Ende gleichsam in sich und erlöschen mit (ordnungsgemäßer) Erfüllung. Für Dauerschuldverhältnisse gilt dies nicht, das Ende muss ihnen vielmehr gesetzt werden. – Das kann von vornherein durch Zeitbestimmung geschehen; zB Mietvertrag auf sechs Monate oder Schilehrer für eine Woche. Oft werden aber Schuldverhältnisse auf unbestimmte Zeit eingegangen; zB Zimmermiete ohne zeitliche Beschränkung. In diesen Fällen braucht es die Möglichkeit, das Dauerschuldverhältnis durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, das ist die Kündigung, zu beenden.
Diese charakteristische einseitige Beendigungsmöglichkeit der oft auf unbestimmte Zeit eingegangenen Dauerschuldverhältnisse braucht es va deshalb:
Was rechtfertigt die einseitige Beendigung vertraglicher Beziehungen?
• weil niemand die Zukunft kennt; und
• auf Dauer angelegte Rechtsverhältnisse in besonderem Maße empfindlich für Veränderungen der für den Vertrag maßgebenden Verhältnisse sind (zur Umstandsklausel → Vorvertrag und Umstandsklausel);
• und schließlich auch die sorgfältigsten Parteien nicht sicher sein können, dass das bestehende Vertrauen zwischen den Vertragspartnern auch in Zukunft gewahrt bleibt.
Diese und weitere Überlegungen haben dazu geführt, ein einseitiges Beendigungsinstrumentarium für Dauerschuldverhältnisse zu schaffen, weil andernfalls nur zu leicht das Fortsetzenmüssen von Dauerschuldverhältnissen unzumutbar würde; dazu EvBl 1983/12 → Rechtsprechungsbeispiele
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2. Was ist und wie wirkt die Kündigung?
Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung (zu diesen Begriffen → KAPITEL 5: Ein-, zwei- und mehrseitige Willenserklärungen und → KAPITEL 5: Antrag und Annahme als zugangsbedürftige Willenserklärungen ¿ Zugang) zur Beendigung von Dauerschuldverhältnissen. Sie wird mit Zugang wirksam, was nicht mit der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses verwechselt werden darf. Vielmehr kann es so sein, muss aber nicht so sein. Die ordentliche Kündigung löst das Dauerschuldverhältnis nämlich erst nach Ablauf der vertraglich vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsfrist auf, nicht schon mit ihrem Zugang. Diese Frist beginnt mit Zugang der Kündigungserklärung zu laufen. – Anders die außerordentliche Kündigung, bei der Wirksamkeit der Kündigungserklärung und Auflösung des Dauerschuldverhältnisses mit dem Zugang der Erklärung eintreten; freilich nur dann, wenn ihre Voraussetzungen vorliegen.
o. und ao. Kündigung
Die Kündigung setzt aktiv wie passiv Geschäftsfähigkeit voraus. Ist bspw der Adressat der Kündigung nicht geschäftsfähig, muss die Kündigung an seinen gesetzlichen oder richterlich bestellten Vertreter (Sachwalter, Patientenanwalt etc) gerichtet werden, um gültig zu sein; vgl die folgende E.
Geschäftsfähigkeit nötig
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 1. 12. 1999, 9 Ob A 284/99a, EvBl 2000/96: Ein wegen paranoider Psychose Geschäftsunfähiger wird schriftlich gekündigt. – OGH hält die Kündigung zurecht für rechtsunwirksam; eine Heilung oder rückwirkende Bestätigung der einseitig empfangsbedürftigen Willenserklärung kommt nicht in Frage. (Aber auch die Handlungen des kranken Arbeitnehmers, die als wichtiger Kündigungsgrund bewertet wurden, stellten wohl kein zurechenbares Verhalten dar!)
Der OGH betrachtet die (gerichtliche) Kündigung als bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft. Verstösse dagegen machen die Kündigung rechtsunwirksam. – In dieser Allgemeinheit erscheint diese Position aber fragwürdig.
Kündigung bedingungsfeindlich?
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 14. 1. 2000, 1 Ob 284/99t, SZ 73/6: Der Wortlaut der gerichtlichen Aufkündigung des Vermieters eines Geschäftslokals lautet auszugsweise wie folgt: „Wir kündigen der Gegenseite das im Hause in … gemietete Lokal Nr … gegen vierteljährliche Kündigung für den letzten Tag des Monats Juni 1997; für den Fall der nicht rechtzeitigen Zustellung jedoch für den 30. 9. 1997”. Die beklagten Mieter wendeten Unwirksamkeit der Kündigung ein, weil die Formulierung eine Bedingung bedeutet. – OGH gibt dieser Ansicht recht: Die gerichtliche Aufkündigung ist bedingungsfeindlich; sie sei daher bei Angabe alternativer Kündigungstermine, deren Wirksamkeit durch einen bestimmten Zustellzeitpunkt bedingt ist, insgesamt – somit auch hinsichtlich des ersten Kündigungstermins – rechtsunwirksam. (?)
Für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen – etwa wegen eines Mangels in der Wurzel (zB Irrtum) – haben Lehre und Praxis die Regel entwickelt, dass Gründe, die
Rückabwichlung von Dauerschuldverhältnissen?
• bei Zielschuldverhältnissen eine Auflösung ex tunc (also rückwirkend) rechtfertigen,
• bei Dauerschuldverhältnissen (nach ihrem tatsächlichen Beginn) nur dazu berechtigen, diese vorzeitig mit Wirkung ex nunc (also nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft wirkend, also „ab jetzt”!) aufzulösen; dazu Gschnitzer in Klang2 IV/1, 446.
Der Grund dafür liegt in der faktischen Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit einen zeitlich zurückliegenden Leistungsaustausch wieder rückgängig zu machen; sog Rückabwicklung → Rückabwicklung bei Ziel- und Dauerschuldverhältnissen – Wie soll bspw bei einem erfolgreich wegen Irrtums angefochtenen Arbeitsvertrag der bisher erfolgte Leistungsaustausch rückabwickelt werden? Die Arbeit ist geleistet und kann nicht mehr zurückgestellt werden. Gleiches gilt idR für das erhaltene Entgelt, das im Normalfall verbraucht wird; für Unterhalt, Kleidung, Miete etc.
Auch in anderen Rechtsgebieten außerhalb des Schuldrechts haben diese und ähnliche Gedanken zur Auflösbarkeit von Dauerrechtsbeziehungen geführt; vgl etwa das Recht der Ehescheidung in den §§ 46 ff EheG.
Auch bei Dauerschuldverhältnissen ist eine einvernehmliche Auflösung (durch contrarius actus) möglich; vgl im übrigen wiederum § 55a EheG: einvernehmliche Scheidung.
Einvernehmliche Auflösung
Bei rechtlichen Dauerbeziehungen spricht man, wenn es sich um schuldrechtliche Beziehungen handelt, von Dauerschuldverhältnissen; handelt es sich dagegen um andere – etwa dingliche oder familienrechtliche – Rechtsverhältnisse, spricht man von Dauerrechtsverhältnissen oder -beziehungen. Neben der schon genannten Ehe sind hier vor allem sachenrechtlich-dingliche Dauerrechtsbeziehungen wie Servituten, Reallasten oder ein Baurecht zu erwähnen, die freilich nicht ohne weiteres gekündigt werden können.
Beendigung rechtlicher Dauerbeziehungen
Dazu Gschnitzer, Sachenrecht 157 und insbesondere 171 f mwH (1985 2) in Ablehnung von JBl 1974, 618 (Dienstbarkeit der Wohnung kann wie ein Dauerschuldverhältnis einseitig aufgekündigt werden) und in Auseinandersetzung mit H. Mayrhofer, Abstehen vom Vertrag aus wichtigem Grund bei Dienstbarkeiten: Besprechung der E des OGH 25.9.1973, 3 Ob 127/73, JBl 1974, 593 ff mwH.
Literaturquelle
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III. Arten der Kündigung
Wir wissen bereits, dass die Kündigung das Instrument ist, um Dauerschuldverhältnisse zu beenden.
Es sind dabei zwei Arten der Kündigung zu unterscheiden:
o. und ao. Kündigung
• die ordentliche und
• die außerordentliche Kündigung.
Unbefristete Dauerschuldverhältnisse werden im Normalfall durch ordentliche Kündigung beendet. Das Instrument der außerordentlichen Kündigung dient dazu, um „notleidend” – dh unzumutbar – gewordene Dauerschuldverhältnisse vorzeitig aus wichtigem Grund rasch beenden zu können.
Auch diese Form der Beendigung von Schuldverhältnissen dient der Friedenssicherung. Es ist besser, dass sich die Parteien eines Schuldverhältnisses trennen können, als dass sie in einer Rechtsbeziehung festgehalten werden, die sie nicht mehr wollen. Das würde nur zu Unfrieden, vielleicht sogar Gewalt(akten) führen. – Wohl oder übel ist daher in solchen Fällen auch der fundamentale Rechtsgrundsatz „pacta sunt servanda” etwas zu relativieren.
1. Die ordentliche Kündigung
Die ordentliche Kündigung erfolgt stets befristet, muss dafür aber nicht begründet werden. – Bei dieser Art der Kündigung erfährt man daher uU gar nicht den Grund der Kündigung und hat auch keinen Anspruch darauf.
Bei Dauerschuldverhältnissen auf bestimmte Zeit erübrigt sich die ordentliche Kündigung. – Aber auch Dauerschuldverhältnisse auf bestimmte Zeit brauchen uU die außerordentliche Kündigung (aus wichtigem Grund).
In Bezug auf die ordentliche Kündigung spielen Kündigungstermine eine wichtige Rolle; so, wenn ein Vertrag die Regelung enthält, dass er auf das Viertel- oder Halbjahr hin unter Einhaltung einer ein-, zwei-, dreimonatigen oder halbjährlichen Frist gekündigt werden kann. Das heißt: Ist bspw der 1. Oktober Kündigungstermin, muss bei einmonatlicher Kündigungsfrist spätestens einen Monat vorher, also zum 31. August gekündigt werden; dh die Kündigung muss an diesem Datum bereits der anderen Partei zugegangen(!) sein: vgl § 560 ZPO. – Die Kündigung (als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung) wird mit Zugang wirksam. Der Zugang (= die rechtliche Wirksamkeit der Kündigung) ist aber – wie erwähnt – nicht zu verwechseln mit der Beendigung des Dauerschuldverhältnisses, die im Fall der ordentlichen Kündigung erst mit Ablauf der Kündigungsfrist – also zB nach 1 Monat – eintritt!
Kündigungstermine und Kündigungsfristen
Formulierung aus einem Mietvertrag
Beispiel
„Der Mietvertrag wird auf unbestimmte Dauer abgeschlossen und kann von jeder Vertragsseite unter Einhaltung einer dreimonatigen Frist auf den letzten eines jeden Quartals aufgekündigt werden. Die Vermieter verzichten jedoch auf die Dauer von 10 (zehn) Jahren, gerechnet ab Wirksamkeitsbeginn des Vertrags, darauf, von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Die Mieter verzichten ihrerseits auf die Dauer von 5 (fünf) Jahren, gerechnet ab Wirksamkeitsbeginn des Vertrags auf das Geltendmachen eines Kündigungsrechts, während sie nach Ablauf dieser Zeit keiner Bindung unterliegen. – Die Kündigung hat mittels eingeschriebenen Briefes zu erfolgen.”


Die ordentliche Kündigung
Abbildung 6.25:
Die ordentliche Kündigung
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2. Die außerordentliche Kündigung
Die außerordentliche Kündigungdagegen wirkt grundsätzlich fristlos, beendet also ein Dauerschuldverhältnis schon mit ihrem Zugang; dh uU etwa bei Anwesenden sofort. Wirksamkeit durch Zugang und Beendigung des Dauerschuldverhältnisses fallen hier (in einem Zeitpunkt) zusammen. Diese Art der Kündigung benötigt dafür aber das Vorliegen eines wichtigen Grundes, weshalb sie auch Kündigung aus wichtigem Grund genannt wird.
Wichtige Gründe stammen idR aus aufgetretenen Problemen im Dauerschuldverhältnis: zB unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit, Tätlichkeiten des Arbeitgebers, Diebstahl; also einer Leistungsstörung, aber auch aus einem Mangel in der Wurzel → KAPITEL 7: Mängel von Rechtsgeschäften. – Der wichtige Grund kann auch aus der eigenen Sphäre des Kündigenden herrühren; zB: schwere Krankheit, familiäre Änderungen.
Wichtige Gründe
Die außerordentliche Kündigung hat demnach eine Ventilfunktion, um untragbar gewordene Dauerschuldverhältnisse beenden zu können und unzumutbare Rechtsbeziehungen möglichst gar nicht entstehen zu lassen. – Auf das außerordentliche Kündigungsrecht kann nicht (gültig) verzichtet werden. Als „Notventil” muss es vielmehr immer zur Verfügung stehen und besteht selbst dann, wenn es vertraglich ausgeschlossen wurde.
Ventilfunktion
Wichtige (Auflösungs)Gründe müssen nach der Rspr aber grundsätzlich unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern – geltend gemacht werden; so etwa EvBl 1999/169 (zu § 22 Abs 1 HVertrG):
Unverzügliches Geltendmachen
Sowohl Unternehmer als auch Handelsvertreter müssen unverzüglich nach Kenntnisnahme vom Bestehen eines wichtigen Grundes die vorzeitige Auflösung des Vertretungsvertrages erklären. Ein sachlich nicht gerechtfertigtes Zuwarten muss objektiv dahin gedeutet werden, dass der Auflösungsberechtigte die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses trotz des Auflösungsgrundes im konkreten Fall nicht als unzumutbar empfindet, weshalb eine „Verwirkung” eintritt.
Die Verwirkung wird vom Schrifttum mitunter abgelehnt. Nicht immer überzeugend; vgl etwa P. Bydlinski, Bürgerliches Recht I: AllgT 68 (2000). Konstellationen wie die eben angeführte zeigen aber, dass wir dieser Rechtsfigur, maßvoll angewandt, nicht entraten können. Es handelt sich dabei um eine Rechtsausübung nach Treu und Glauben iSd § 914 ABGB: Verkehrssitte. Die Verwirkung gestattet eine brauchbare Mittellösung zwischen dem Verzicht iSd § 863 ABGB und der viel zu lange dauernden Verjährung. – Das österreichische (Privat)Recht kennt zwar kein allgemeines Rechtsinstitut der Verwirkung iS eines schlüssigen oder stillschweigenden Anspruchsverzichts durch bloßen Zeitablauf → KAPITEL 5: Arten von Willenserklärungen: § 863 ABGB. Treten aber besondere Umstände hinzu, die bspw ein späteres Geltendmachen als Verstoß gegen Treu und Glabuen erscheinen lassen, ist Verwirkung anzunehmen.
Die Judikatur nimmt nicht ohne weiteres das Vorliegen eines wichtigen Grundes an. Besonders von Geschäftsleuten wird, wie die folgende E zeigt, „viel” verlangt:
Strenge Judikatur Verwirkung
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1982, 143 (Tankstellenpacht): „Wer sich in einem Staat mit freier Marktwirtschaft am Konkurrenzkampf beteiligt, kann sohin auch bei Vertragsabschluss nicht voll abschätzbare Auswirkungen dieses Konkurrenzkampfes nicht zum Anlass für eine vorzeitige Vertragsauflösung nehmen. Die Beteiligung am Geschäftsleben beinhaltet eben unter solchen Umständen ein gewisses spekulatives Moment, dessen Folgen nicht auf den Vertragspartner abgewälzt werden können.” (Im konkreten Fall wurde in den Vertragsverhandlungen gerade jener Fall ausdrücklich ausgeschlossen, auf den sich der Kündigende idF berief.)
Vgl auch EvBl 1983/12 (Bierbezugsvertrag → Rechtsprechungsbeispiele ): „Eine außerordentliche Kündigung von Dauerschuldverhältnissen auf bestimmte Zeit ist nur dann möglich, wenn ein Ereignis eintritt, das die Fortführung des Dauerschuldverhältnisses unzumutbar macht”.
EvBl 1987/176: Pauschalpreisvereinbarung → KAPITEL 12: Zur (häufigen) Pauschalpreisvereinbarung.
Auf der andern Seite setzt die Annahme eines wichtigen Grundes kein Verschulden voraus; JBl 1999, 322: Auflösung eines Kfz-Händlervertrags aus wichtigem Grund nach § 22 Abs 2 Z 5 HVertrG 1993 wegen Konkurseröffnung.
OGH 16. 2. 2000, 7 Ob 321/99b, SZ 73/29: Klägerin (Gemeinde) schließt als Pächterin eines Grundstücks mit der Beklagten einen Mietvertrag betreffend eine Abstellfläche für einen Sammelcontainer zur Erfassung von Altkleidern und –schuhen. Die Gemeinde fordert die Beklagte idF auf, den Behälter wieder zu entfernen, da sie Kenntnis erlangt habe, dass das Sammeln von Alttextilien dem nöAWG widerspreche. Daraufhin kündigt die Klägerin der Beklagten und fordert sie auf, den Sammelbehälter zu entfernen. Diese leistet der Aufforderung jedoch nicht Folge, worauf die Klägerin Räumungsklage erhebt. – OGH: Auch bei Vermietung einer Grundfläche zu einem bestimmten Zweck kann eine dem Gesetz widersprechende Verwendung (hier: Sammeln von Altkleidern und -schuhen) vorliegen; setzt sie den Bestandgeber (Gemeinde) auch der Gefahr einer Verwaltungsstrafe aus, stellt dies (nach Kenntniserlangung der Rechtslage!) einen erheblich nachteiligen Gebrauch nach § 1118 erster Fall ABGB dar und rechtfertigt daher eine Kündigung aus wichtigem Grund.
Im Arbeitsrecht hat sich eine eigene Terminologie der außerordentlichen Kündigung herausgebildet. Man spricht von (fristloser) Entlassung, wenn von Arbeitgeberseite oder von (vorzeitigem) Austritt, wenn von Arbeitnehmerseite gekündigt wird.
Terminologie im „Arbeitsrecht“
Rechtssprechungsbeispiel
9 Ob A 166/90: Der Kläger, ein junger Angestellter, arbeitete in einer Schmuck- und Juwelenhandlung. An einem Mittwoch vor Weihnachten meldete er sich telefonisch krank (Grippe). Der Hausarzt verordnete fiebersenkende Mittel. Trotz seiner Krankheit besuchte der Kläger noch am gleichen Abend eine Diskothek und hielt sich dort bis etwa Mitternacht auf. Bekannte seiner Chefin sahen ihn. Seine Chefin entlässt ihn am nächsten Tag fristlos, was der junge Mann nicht versteht und seinerseits beim Arbeitsgericht klagt. Der OGH entscheidet jedoch, dass die Entlassung zu Recht erfolgt war, weil durch das Verhalten des Klägers das Vertrauen iSd § 27 AngG (→ KAPITEL 12: Endigung von Arbeitsverträgen) verwirkt worden war.
SZ 65/134: Tonbandaufzeichnung eines Vieraugengesprächs durch einen Angestellten begründet Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1, 3. Fall AngG → KAPITEL 4: Recht auf das eigene Bild: § 78 UrhG.
Die sog Fälligkeitskündigung – zB eines Darlehens – ist genau genommen gar keine Kündigung, sondern eine Fälligstellung, also Mahnung (Gschnitzer); dazu auch → KAPITEL 7: Fälligkeit, Mahnung, Stundung, Kreditierung.
Fälligkeitskündigung
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3. Form und besondere Voraussetzungen der Kündigung?
Die Kündigung ist grundsätzlich an keine Form gebunden und kann daher gültig sowohl mündlich wie schriftlich erfolgen. – Die Parteien können aber eine Form vereinbaren (§ 884 ABGB), was oft geschieht; zB schriftliche Kündigung oder mittels eingeschriebenen Briefs. – Schutzgesetze verlangen schriftliche oder gerichtliche (§ 33 MRG) Kündigung.
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4. Probleme nach der Kündigung?
Hat jemand sein Arbeitsverhältnis gekündigt oder wurde vom Arbeitgeber gekündigt, entstehen in der Praxis immer wieder Probleme. Etwa dadurch, dass zugleich mit der Kündigung, was bei ordentlicher Kündigung – wie wir wissen – nicht mit der Beendigung der vertraglichen Beziehung gleichzusetzen ist, auch die Suspendierung vom Dienst ausgesprochen wird.
Rechtssprechungsbeispiel
Einen derartigen Fall hatte der OGH (ZAS 1997, 10) zu entscheiden: Ein Primararzt war gekündigt und suspendiert worden. Der OGH sprach dem Gekündigten das Recht zu, bis zum Ende der einjährigen Kündigungsfrist weiterzuarbeiten, weil bei einem Chirurgen, der untätig ist, die Qualifikation leide. Gründe, die eine Weiterbeschäftigung objektiv für den Arbeitgeber unzumutbar gemacht hätten, lagen nicht vor.
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5. Ausnahmen von der Endigungsfreiheit bei Dauerschuldverhältnissen
• Mitunter können Dauerschuldverhältnisse nicht frei gekündigt werden. Der Grund liegt häufig im Schutz typisch sozial Schwacher. Das gilt für den Mieterschutz nach dem MRG; § 33: Gerichtliche Kündigung + Zins- und Kündigungsschutz; dazu → Ausnahmen von der Endigungsfreiheit bei Dauerschuldverhältnissen
• Im Arbeitsrecht besteht nach dem ArbVG 1973 ein Kündigungs- und Entlassungsschutz; vgl §§ 105 (Anfechtung von Kündigungen), 106 (Anfechtung von Entlassungen), 107 (Anfechtung durch den Arbeitnehmer), 130 ArbVG. Das Arbeitsrecht unterscheidet einen:
Der Arbeitgeber hat im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes den Betriebsrat vor jeder Kündigung zu verständigen, und dieser kann innerhalb von fünf Tagen Stellung nehmen oder Beratung mit dem Arbeitgeber verlangen. Kündigungen vor Ablauf der Fünf-Tage-Frist sind unwirksam. Eine individuelle Anfechtung der Kündigung durch Arbeitnehmer beim Arbeits- und Sozialgericht ist möglich. Freilich nur dann, wenn der Betriebsrat der Kündigung nicht ausdrücklich zugestimmt hat, was kaum vorkommt. Eine Anfechtung ist aus folgenden Gründen zulässig:
• Beschränkt ist das Kündigungsrecht auch in Alten-, Behinderten- und Pflegeheimen. Grundsätzlich sind auch diese Verträge für beide Seiten, also für Heimbewohner und Heimträger kündbar. Der Schutzgesetzcharakter verlangt aber nach Beschränkungen für Heimträger. Die Rspr gestattet Heimträgern nur die Kündigung aus wichtigem Grund.
Literaturquelle
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IV. Rückabwicklung bei Ziel- und Dauerschuldverhältnissen
1. Fehlerhafte Zielschuldverhältnisse
Fehlerhafte Zielschuldverhältnisse können auf verschiedene Weise beseitigt oder korrigiert werden, zumal es – wie wir gehört haben – im Regelfall um einen einmaligen Leistungsaustausch (nämlich: Ware / Leistung gegen Geld) geht, der eine Rückabwicklung grundsätzlich möglich macht; zB beim Kauf eines CD-Players: Zug um Zug Rückstellung von Sach- und Geldleistung. – Solche rechtsgeschäftlichen Mängel/Fehler können sein: Mängel in der Wurzel, also schon beim Zustandekommen des Vertrags (zB fehlende Geschäftsfähigkeit, Formmangel, Irrtum, Täuschung) oder ein Mangel in der Abwicklung / Leistungsstörungen; zB Verzug oder Gewährleistung → KAPITEL 7: Die Leistungsstörungen.
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2. Keine Rückabwicklung bei Dauerschuldverhältnissen
Die bei Zielschuldverhältnissen mögliche Rückabwicklung scheidet jedoch bei Dauerschuldverhältnissen grundsätzlich aus. Hat das Dauerschuldverhältnis erst einmal seinen Anfang genommen oder gar schon länger gedauert – zB ein Arbeitsvertrag, lassen sich seine Wirkungen sehr schwer oder meist gar nicht mehr rückgängig machen, selbst wenn sich nachträglich Mängel des Grundgeschäfts erweisen sollten; zB ein Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber über seine Fähigkeiten getäuscht oder dieser den Arbeitnehmer über dessen künftige Arbeitsbedingungen oder Aufstiegsmöglichkeiten. – Die Arbeit ist geleistet und lässt sich nicht mehr rückgängig machen; der Lohn wurde gezahlt und wurde idR für den Lebensunterhalt verbraucht. Daher lässt man bei Dauerschuldverhältnissen anstelle der rückwirkenden Vernichtung – sog Auflösung ex-tunc, die Aufhebung ex-nunc treten; dh das Dauerschuldverhältnis bleibt für die Vergangenheit bestehen und wird nicht rückabgewickelt, kann aber mittels Kündigung – genauer: mit deren Fristablauf oder Zugang! – für die Zukunft (auf)gelöst werden.
Aufhebung ex-nunc
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3. Sonderregelung des § 15 KSchG
Eine Sonderregelung trifft § 15 KSchG, insbesondere dessen Abs 2. Danach können auch länger dauernde Zielschuldverhältnissegekündigt” werden. Diese Terminologie ist an und für sich systemwidrig, wenngleich funktional aus Verbraucherschutzgründen vertretbar. Beendigungsmittel für Zielschuldverhältnisse sind nämlich zB der Rücktritt vom Vertrag (§§ 918, 920 ABGB) oder die Wandlung (§ 932 ABGB) – nicht aber die Kündigung. Terminologisch korrekter wäre es gewesen, von einem Rücktritt mit ex-nunc-Wirkung zu sprechen. Für den Begriff der Kündigung spricht freilich deren größere Bekanntheit. Die Kündigung nach § 15 Abs 2 KSchG ermöglicht damit einen Abbruch eines noch nicht vollständig erfüllten (Ziel)Schuldverhältnisses ohne Angabe eines Grundes, dafür aber auch ohne Rückabwicklung. Das ist funktional die Wirkung der ordentlichen Kündigung.
Beispiel


Beendigung von Dauerschuldverhältnissen
Abbildung 6.26:
Beendigung von Dauerschuldverhältnissen


Die „außerordentliche” Kündigung
Abbildung 6.27:
Die „außerordentliche” Kündigung


Endigungsfreiheit bei DSchV: Ausnahmen
Abbildung 6.28:
Endigungsfreiheit bei DSchV: Ausnahmen


Kündigungs- und Entlassungsschutz im AR
Abbildung 6.29:
Kündigungs- und Entlassungsschutz im AR


Allgemeiner Kündigungsschutz im AR (1)
Abbildung 6.30:
Allgemeiner Kündigungsschutz im AR (1)


Allgemeiner Kündigungsschutz im AR (2)
Abbildung 6.31:
Allgemeiner Kündigungsschutz im AR (2)


Kündigung von Heimverträgen
Abbildung 6.32:
Kündigung von Heimverträgen
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V. Rechtsprechungsbeispiele
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1983/12: Bierbezugsvertrag Vertrag zwischen Brauerei und Gastwirt / Hotelier / Cafetier etc. § 879 Abs 1 ABGB: Kriterien für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Bierbezugsvertrags; Einschränkung der zeitlichen Bindung durch den Richter; Voraussetzungen einer außerordentlichen Aufkündigung. – Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, verstoßen Bierbezugsverträge weder gegen ein gesetzliches Verbot, noch sind sie unabhängig von ihrer inhaltlichen Gestaltung schon an sich sittenwidrig ( ...). Das Bemühen der Brauereien, durch möglichst langfristige Absatzverträge die Investitionsplanung zu schaffen, eröffnet den Gastwirten die Möglichkeit, sich durch den Abschluss von Bierlieferungsverträgen von den Brauereien Kredite oder sonstige Zuwendungen für die Ausstattung, die Renovierung und den Ausbau ihrer Betriebe zu verschaffen ( ...). Eine Sittenwidrigkeit langfristiger Bierbezugsverträge wird nur dann angenommen, wenn durch die Ausschließlichkeitsbindung und ihre Ausgestaltung im Einzelfall die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit des Gastwirtes in unvertretbarer Weise eingeengt wird, so dass er in eine mit den Anschauungen des redlichen Geschäftsverkehres nicht mehr zu vereinbarende Abhängigkeit zur Brauerei gerät ( ...). Ob ein langfristiger Bierbezugsvertrag sittenwidrig ist, hängt nicht nur von der zeitlichen Dauer der vertraglichen Bindung, sondern ganz allgemein vom Inhalt, vom Motiv und vom Zweck des Vertrages ab. Bei der Beurteilung, ob ein solcher Vertrag sittenwidrig ist, sind die beiderseitigen, schutzwürdigen Interessen gegeneinander abzuwägen. Das schutzwürdige Interesse der Brauerei wird umso höher zu veranschlagen sein, je größer das von ihr zur Verfügung gestellte Äquivalent und je geringer die Beschränkung der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit des Gastwirtes ist ( ...). In der deutschen Rechtsprechung wurde wiederholt ausgesprochen, dass die ausschließliche Bezugsbindung 20 Jahre nicht überschreiten dürfe; das sei idR die äußerste Grenze einer noch nicht sittenwidrigen Bindung ( ...). Schlägt die Interessenabwägung eher zugunsten des Gastwirtes aus, dann sollte die ausschließliche Bezugsbindung 15 Jahre nicht übersteigen ( ...). Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß die sich bis in das Jahr 2004 erstreckenden Bezugsverpflichtungen des Beklagten, welche auf Vereinbarungen aus den Jahren 1967 bis 1971 zurückgehen, wegen der langen zeitlichen Bindung und der damit verbundenen Einschränkung der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit als sittenwidrig angesehen werden könnten. Daraus folgt aber noch nicht die Abweisung des Unterlassungsbegehrens. Ist eine einzelne Vertragsbestimmung nur infolge ihrer zeitlichen, räumlichen oder umfänglichen Ausdehnung sittenwidrig, dann führt das noch nicht dazu, daß der gesamte Vertrag nichtig ist; der Richter hat, wenn zwingende Parteieninteressen dem nicht entgegenstehen, die sittenwidrige Vertragsklausel inhaltlich auf ein billiges und daher nicht zu beanstandendes Ausmaß zu reduzieren ( ...). Der Richter hat daher auch bei Bezugsverträgen unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteieninteressen den Vertrag mit der kürzeren angemessenen und daher noch nicht sittenwidrigen Laufzeit aufrechtzuerhalten ( ...). Selbst bei einer Reduzierung der zeitlichen Bezugsverpflichtungen des Beklagten würde aber derzeit auch bei Berücksichtigung der Relation der beiderseitigen Leistungen seine Bezugsverpflichtung und in deren Folge auch die Verpflichtung zur Unterlassung ( ...) des Bezuges eines anderen Bieres noch bestehen. Unter diesen Umständen kann aber auch die darauf gestützte außerordentliche Kündigung nicht berechtigt sein. Lehre und Judikatur haben allerdings in analoger Anwendung des § 1118 ABGB grundsätzlich die Möglichkeit einer vorzeitigen Auflösung jeglicher Dauerschuldverhältnisse bejaht ( ...): zu den Dauerschuldverhältnissen sind auch Unterlassungspflichten zu zählen ( ...). Die Möglichkeit einer außerordentlichen Aufkündigung wird damit begründet, daß auf Dauer angelegte Rechtsverhältnisse in besonderem Maß empfindl für die Veränderungen der für den Vertrag maßgebenden Verhältnisse sind, da es auch den sorgfältigsten Parteien nicht möglich ist, für alle Wechselfälle der undurchschaubaren Zukunft vorzusorgen, so daß sie in besonderem Maß des Schutzes der Rechtsordnung bedürfen ( ...). Die Auflösung ist möglich, wenn ein Ereignis eintritt, das die Fortführung des Dauerschuldverhältnisses unzumutbar macht ( ...). Ein solcher wichtiger Grund wurde etwa in einer nachträglichen Erschwerung der geschuldeten Leistung – selbst wenn die Erschwernis nicht so weit ging, daß die Leistung rechtlich als unmöglich angesehen werden mußte – erblickt ( ...). Diese Möglichkeit einer außerordentlichen Aufkündigung hat auch für Bierbezugsverträge zu gelten ( ...), wenn die Einhaltung eines Vertrages durch außerhalb der Verantwortung des Verpflichteten liegende Umstände erheblich gefährdet wurde und ihm deshalb nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist ( ...). Ein Verhalten der Klägerin, das den Beklagten zur sofortigen Aufkündigung berechtigt, wurde von ihm aber nicht einmal behauptet: der Umstand allein, daß nach seinen Behauptungen derzeit ein Trend zu einem anderen als den Bieren der Klägerin besteht, berechtigt ihn nicht, die Bierbezugsverträge mit sofortiger Wirkung aufzukündigen.
Beachte
Rechtssprechungsbeispiel
MR 1987, 173: Verlagsverträge können als Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen vorzeitig aufgelöst werden. – Der Verlagsvertrag begründet ein besonderes Vertrauensverhältnis [zwischen AutorIn und VerlegerIn]. Als wichtiger Grund einer Vertragsauflösung kommen deshalb insbesondere Umstände in Frage, die das Vertrauen in die Vertragstreue und Redlichkeit des Partners erschüttern. Dabei sind insbesondere die Interessenslage sowie Art und Maß der Störung zu prüfen. – Eine vorzeitige Auflösung kommt nur dann in Betracht, wenn eine Bereinigung auf anderem Weg nicht möglich und zumutbar ist. IdR muß der Vertragspartner (notfalls gerichtlich) zur Erfüllung angehalten werden. – Ein wichtiger Grund liegt [zB] vor, wenn der Verleger es verabsäumt, wegen Verletzung des Titelschutzes gerichtlich vorzugehen. Titelschutz gewährt § 80 Abs 1 UrhG: Damit ist gemeint, daß im vorliegenden Fall der Verleger nichts dagegen unternommen hat, daß der Titel des ihm vom Urheber in Verlag gegebenen Werkes von einem anderen Autor ebenfalls verwendet wurde. – Den Verlagsvertrag, als Sonderform des Werkvertrags, regeln die §§ 1172 f ABGB. Zum Werkvertrag → KAPITEL 12: Der Werkvertrag.
JBl 1982, 143: Tankstellenpachtvertrag.
EvBl 1987/176: § 1170 – Pauschalpreisvereinbarung: Der vereinbarte Pauschalpreis ist verbindlich, auch wenn sich herausstellt, daß die übernommenen Arbeiten die veranschlagten Mengen erheblich (hier: um 33 %) über- od unterschreiten .... Kl = Wäscherei / Werkunternehmer Bekl = Kurbetriebsgesellschaft / Werkbesteller Eine Vertragsanpassung gem § 1118 setzt die Unzumutbarkeit der Zuhaltung des Vertrages voraus, welche nur bejaht werden kann, wenn das Festhalten am Vertrag mit Recht u Gerechtigkeit schlechthin unvereinbare Folgen hätte .... Mit Vertrag v 8.1.1976 übernahm der Kläger die Reinigung der „gesamten in den derzeitigen Betrieben der Auftraggeberin (Beklagte) anfallenden Wäsche um den hiemit vereinbarten jährlichen Pauschalbetrag von 550.000 S” wobei die Vertragsdauer mit 10 Jahre ... festgesetzt wurde. Der Klägerstellte das Begehren auf Feststellung, der zwischen ihm u der bekl Kurbetriebsgesellschaft 1976 geschlossene Werkvertrag sei mit sofortiger Wirkung aufgelöst bzw aufgehoben; hilfsweise beantragte er a) die Feststellung, der vorgenannte Werkvertrag sei auf Grund seiner Aufhebungserklärung aufgehoben; b) die Verurteilung der beklagten Partei, ihm an Stelle des bisher im genannten Werkvertrag vereinbarten jährlichen Pauschalbetrages von 555.000 S einen solchen von 800.000 S zu zahlen. Das ErstG wies sowohl das Haupt- als auch die Eventualbegehren ab. Das BerG bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteige. Die Revision des Klägers ist nicht gerechtfertigt: ... Bei Werkverträgen mit Pauschalpreisvereinbarung darf der Unternehmer grundsätzlich keine Preiserhöhung verlangen, auch wenn das Werk mehr Arbeit od größere Auslagen erfordert, als er vorgesehen hatte. Der Pauschalpreisvertrag ist darauf angelegt, die Mengenermittlung durch Abrechnung zu ersparen, Mengenschwankungen ändern die Pauschalsumme nicht. Der Pauschalpreisvertrag enthält für beide Teile ein besonderes Wagnis, denn der Pauschalpreis ist verbindlich, auch wenn sich herausstellt, daß die übernommenen Arbeiten die veranschlagten Mengen erheblich über- od unterschritten haben .... Eine Auflösung von Dauerschuldverhältnissen ... aus wichtigen Gründen ist nach der Rspr auch dann zulässig, wenn die Unkündbarkeit dieses Vertragsverhältnisses vereinbart wurde. Solche wichtige Gründe sind auch Umstände, die es einer Partei billigerweise nicht mehr zumutbar erscheinen lassen, das Vertragsverhältnis aufrecht zu erhalten. ... Die Auflösungserklärung wurde hier spätestens mit der Klagezustellung (29.2.1980) abgegeben. Nach dem zur Rechtfertigung des Klagebegehrens in der Kläger geltend gemachten Klagegrund wird der behauptete wichtige Grund in der zwischenzeitigen Steigerung des Wäscheanfalles um ein Drittel, nämlich von ca 90.000 kg auf ca 120.000 kg, gesehen. Auch mit einer derartigen Schwankung u Zunahme des Wäscheanfalls um ca 33 % während einer längeren Vertragsdauer mußte aber bei einem Kurbetrieb mit wechselnden Kurgästezahlen durchaus gerechnet werden ....
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VI. Der Bestandvertrag: Miete und Pacht
Von Nadja Horvath
Literaturquelle
Rechtsquellen: – §§ 1090 ff ABGB; – MietrechtsG (MRG) 1981, BGBl 520 idgF BGBl I 2002/71; – LandpachtG (LPG, BGBl 1969/451); – KleingartenG 1959, BGBl 6; – WohnungsgemeinnützigkeitsG (WGG 1979), BGBl 139 (samt DurchführungsVO, zB EntgeltrichtlinienVO / ERVO 1994, BGBl 924); – HeizkostenabrechnungsG / HeizKG 1992, BGBl 827; – BauträgervertragsG (BTVG 1997), BGBl I 7; – StudentenheimG 1986, BGBl 291.
Ein Bestandvertrag beinhaltet die Überlassung des Gebrauchs einer (bestimmten) unverbrauchbaren Sache oder deren Teile gegen ein bestimmtes/bestimmbares Entgelt.
Er kommt in unserem Alltag häufig vor, da alles Mögliche ge- oder vermietet wird: Autos, Fahrräder, Faschingskostüme, Bücher, Wohnungen, Geschäftsräumlichkeiten oder Filme. Von besonderer Bedeutung ist die Inbestandnahme von Liegenschaften und hier wiederum von Räumen/ Wohnungen, zumal wir alle ein Dach über dem Kopf brauchen. Da jeder Mensch auf eine Unterkunft angewiesen ist, haben gesetzliche Regelungen über das Wohnen einen maßgebenden Einfluss auf die Gestaltung der Lebensplanung jedes Einzelnen. Gerade in Krisenzeiten hat daher der Gesetzgeber mitunter in den unterschiedlichsten Formen in das freie Kräftespiel zwischen Angebot und Nachfrage am Wohnungs’markt’, eingegriffen. Da Grund und Boden begrenzte Güter und somit nicht beliebig vermehrbar sind, Wohnraum dennoch für alle Einkommensschichten erschwinglich sein sollte, wurde im Jahre 1922 nach dem 1. Weltkrieg neben dem Bestandsrecht des ABGB (§§ 1090 ff), das seit der III. TN nur zwei zwingende Vorschriften im Bestandsrecht kennt (§ 1096 Abs 1 letzter Satz, § 1117 letzter Satz) das Mietengesetz (MG) erlassen. Damit wurden erstmals Mietzinsobergrenzen eingeführt. Im Jahre 1982 wurde das MG durch das Mietrechtsgesetz (MRG) abgelöst, das seither neben einer Vielzahl kleiner Novellen achtmal in größerem Ausmaß novelliert wurde. Im Gegensatz dazu gab es seit der III. TN (1916) im Bestandrecht des ABGB praktisch keine Veränderungen, obwohl eine immer größer werdende Anzahl von Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten dem Vollanwendungsbereich des MRG nicht mehr unterliegten Haben die Vertragsparteien keine Regelung vorgesehen, so erkennen sie oft zu spät, dass die subsidiär geltenden Bestimmungen der §§ 1090 ff ABGB kaum Abhilfe schaffen. Hier besteht Handlungsbedarf des Gesetzgebers, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für jene Immobilien, die dem ABGB unterliegen, heutigen gesellschaftlichen Anforderungen anzupassen. – Sinnvollerweise sollten sämtliche Mietverträge, die der grundsätzlichen Wohnversorgung dienen (also idR der Hauptwohnsitz), dem Regime des MRG unterstellt werden.
1. Terminologie – Rechtsstellung – Rechtsschutz
Der Bestandvertrag ist ein typisches Dauerschuldverhältnis. Der Terminus dient in Österreich als Oberbegriff für Miete und Pacht.
Der Bestandvertrag gehört – gemeinsam mit Darlehen, Leihe und Verwahrung – zu den Verträgen auf zeitweilige Güterüberlassung; sog Gebrauchsüberlassungsverträge. Gegensatz: Güterübertragungsverträge: Kauf, Tausch und Schenkung → KAPITEL 2: Kauf: entgeltlicher Veräußerungsvertrag. Während bei der Miete der Gebrauch in der reinen Verwendung der Sache besteht, beinhaltet die Pacht auch die Fruchtziehung.
Zwischen Bestandgeber und Bestandnehmer besteht eine schuldrechtliche Beziehung. Bestandnehmer sind jedoch Rechtsbesitzer ihres Bestandrechts, was ihnen Besitzschutz – auch ohne rechtliche Vermittlung des Bestandgebers – gewährt; und zwar sowohl gegenüber dem Bestandgeber selbst, wie gegenüber Dritten, etwa anderen dinglich oder obligatorisch Berechtigten. Bestandnehmern stehen dabei nicht nur possesorische, sondern auch petitorische Rechtsmittel zu; zu dieser Unterscheidung → KAPITEL 3: Possessorium und Petitorium.
Rechtsstellung des Bestandnehmers
Rechtssprechungsbeispiel
Vgl JBl 1990, 447 = EvBl 1990/73 = SZ 62/204 (7 Ob 654/89) Störung der Ausübung des Mietrechts durch einen anderen Mieter: Immissionsschutz → KAPITEL 8: Die Immissionen ¿ Überblick.
EvBl 1999/103: Nächtlicher Motorradlärm durch Gasthausbesucher – Der Gattin des Mieters, die nicht Mitmieterin ist, stehen aber keine direkten Abwehransprüche zu..
JBl 1991, 110: Schädigung eines gepachteten Fischereirechts – Nach langer Zurückhaltung gewährt die Rspr dem Bestandnehmer nunmehr auch selbständige Schadenersatzansprüche bei Beeinträchtigung des Bestandrechts.
6 Ob 293/00g („ Schanigarten-Fall”), JBl 2001, 522: Die Mieterin der Räumlichkeiten im Erdgeschoß eines dreistöckigen Hauses betreibt darin ein Cafe-Restaurant mit Schanigarten, der mit einer Markise überdacht ist. An der Markise wurden durch aus den oberen Stockwerken geworfene Zigarettenstummel Brandlöcher verursacht. – OGH: Die Mieterin kann direkt gegen den Störer vorgehen und verliert deswegen nicht ihren Anspruch gegen den Vermieter. Schon aus der Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 1096 ABGB ist abzuleiten, dass es Sache des Vermieters ist, einen noch unbekannten Störer zu identifizieren.
OGH 21. 12. 1999, 1 Ob 6/99k – „Die Klavierspielerin”, SZ 72/205 = EvBl 2000/115: Eine Nachbarin klagt eine Klavierstudentin nach § 364 Abs 2 ABGB auf Unterlassung der Geräuschimmissionen durch langes Üben – täglich bis zu 9 Stunden, da dieses zu psychischen und physischen Gesundheitsproblemen geführt habe. – OGH hält 4 Stunden tägliches Üben außerhalb der Ruhezeiten für angemessen. Meinung des OGH erscheint noch nicht ausgereift; insbesondere die Unterscheidung, dass auf jemanden Rücksicht zu nehmen sei, der schon krank ist, nicht aber auf jemanden, der durch den Lärm krank werden kann, stellt eine Ungereimtheit dar.
Eine sachenrechtliche Beziehung zwischen Bestandgeber und Bestandnehmer schafft § 1101 ABGB, der dem Bestandgeber zur Sicherstellung des Bestandzinses ein gesetzliches Pfandrecht einräumt → Bestandrecht des ABGB: §§ 1090-1121
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2. Historische Entwicklung
Das römische Recht fasste – offenbar nach griechischem Vorbild – unter dem Oberbegriff der locatio conductio (rei) noch mehrere – heute selbständig ausdifferenzierte und unterschiedlich geregelte – Vertragstypen zusammen, nämlich: Miete, Werkvertrag und Dienstvertrag. Im Mittelalter äußert sich aber schon die – bereits römischrechtlich angelegte – typusmäßige Unterscheidung auch begrifflich: Es wird zwischen locatio conductio rei (Miete), locatio conductio operis (Werkvertrag) und locatio conductio operarum (Dienstvertrag) unterschieden.
Locator war der Vermieter, conductor der Mieter. Der Arbeitgeber = conductor, der Arbeitnehmer = locator; Werkunternehmer = conductor, Werkbesteller = locator.
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3. Der Bestandvertrag als entgeltlicher Konsensualvertrag
Das ABGB regelt den Bestandvertrag als entgeltlichen Konsensualvertrag und umschreibt ihn in § 1090 ABGB als Vertrag, „wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis [Entgelt / zB Mietzins] erhält”.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 14. 9. 1999, 4 Ob 238/99z, EvBl 2000/42: Zur „ Bestimmtheitdes (Unter)Mietzinses: Das MRG normiert nur Obergrenzen; die Bestimmung des konkreten Mietzinses steht den Vertragsparteien zu. Ist die Höhe des Mietzinses vertraglich nicht geregelt, ist der Mietvertrag mangels Bestimmbarkeit eines der essentialia negotii nicht zustande gekommen. Verfehlt erschiene es dem OGH, über den sog hypothetischen Parteiwillen der unbestimmten Vereinbarung doch noch Inhalt zu verleihen u sich am ortsüblichen Mietzins zu orientieren. (?) Es bedarf der Festlegung eines jedem erschließbaren objektiven Kriteriums durch die Vertragsparteien zur Bestimmung des (Unter)Bestandzinses der Höhe nach zu bestimmen wäre.
Zu unterscheiden ist der Bestandvertrag von einer ganzen Reihe anderer (geregelter) Vertragstypen; etwa Leihe und Prekarium, dem Verwahrungsvertrag, Raumbenützung durch Miteigentümer im Rahmen getroffener Benützungsregelungen, familiären Benützungsverhältnissen, dinglichen Benützungsrechten (zB Wohnrecht), dem Beherbergungsvertrag, dem Timesharing und vielen Mischverträgen.
Abgrenzungen
Der Bestandvertrag ist häufig auch Teil gesetzlich nicht geregelter Mischverträge → KAPITEL 5: Gemischte und atypische Verträge. So enthält der Tankstellenvertrag regelmäßig Elemente des Bestandvertrags, eines freien Dienstvertrags und oft weitere Typenelemente; JBl 1986, 721. – Der Leasingvertrag besteht aus Elementen von Miete und Kauf; vgl EvBl 1982/68 oder ÖBA 1992, 838. – Mit dem Franchisevertrag verbindet sich immer wieder auch eine Unternehmens- und Rechtspacht; SZ 67/72. – Auch bei familiären Benützungsverhältnissen spielt der Bestandvertrag eine Rolle; dazu Binder, in: Schwimann, ABGB 2 § 1090 Rz 20 ff.
Bestandvertrag als Element von Mischverträgen
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4. Abgrenzung: Miete <-> Pacht
Das ABGB trifft die Unterscheidung zwischen Miete und Pacht in § 1091:
§ 1091 ABGB
Miete liegt danach vor, „wenn sich die in Bestand gegebene Sache ohne weitere Bearbeitung gebrauchen lässt”;
Pacht, „wenn sie nur durch Fleiß und Mühe benützt werden kann”. Die Pacht beinhaltet daher, im Gegensatz zur Miete, nicht nur ein Gebrauchsrecht, sondern auch das Recht zur Fruchtziehung.
In der Praxis besonders schwierig ist die Abgrenzung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht. Nach der Rspr kommt es hier immer auf die Umstände des Einzelfalls an: SZ 58/8 = MietSlg 37.125/7; 38.135; 39.100; 44.141; 48.110; wobl 1997/57. – Ein Indiz für das Vorliegen eines Pachtvertrags ist es, wenn seitens des Bestandgebers die Betriebsmittel zur Verfügung gestellt werden oder ein Kundenstock, Warenlager oder eine Gewerbeberechtigung überlassen werden. Oft wird daher in Pachtverträgen eine Betriebspflicht (!) vereinbart. Vgl EvBl 1955/152: „Handlungsgeschäft“ oder JBl 1993, 590: Tankstelle; MietSlg 49.105: Zum Kriterium der Betriebspflicht.
Geschäftsraummiete oder Unternehmenspacht?
Maßgebend für die Abgrenzung ist daher nicht die in Bestand gegebene Sache sondern der vereinbarte Vertragszweck.
Rechtssprechungsbeispiel
Bei einem in Bestand gegebenen Unternehmen ist grundsätzlich Pacht anzunehmen; EvBl 1998/23 = immolex 1998/56.
Ein Fahrrad, Auto, eine Garage oder Wohnung werden gemietet; ein betriebenes Caféhaus, ein Hotel, ein Gewerbetrieb (zB Bäckerei) oder eine Jagd gepachtet.
Bei der Pacht handelt es sich demnach nicht nur um den bloßen Gebrauch der Bestandsache (Miete), sondern um ihre wirtschaftliche, also auf finanziellen Ertrag gerichtete, Nutzung.
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5. Soziales Miet- und Pachtrecht
Auf die historische Entwicklung wurde schon kurz eingegangen. Sie ist nicht unwichtig, um die soziale Bedeutung dieses Rechtsgebietes für viele Menschen zu verstehen.
Die Bestimmungen des ABGB über den Bestandvertrag werden sowohl für den Bereich der Wohnungs- und Geschäftsmiete, als auch den der Pacht, schutzgesetzlich überlagert. – Wohnen ist ein existentielles Grundbedürfnis, das noch heute für viele Menschen nach rechtlichem Schutz verlangt. (Miet)Wohnungen sollen daher nicht als Ware wie jede andere angesehen werden, zumal es einen echten Markt aufgrund der Begrenztheit von Grund und Boden nie geben kann. Der österreichische Gesetzgeber trug diesem Gedanken lange Rechnung, doch gehen die gesetzlichen Entwicklungen der letzten Jahre eindeutig in die Richtung einer Aufhebung der wichtigsten Grundsätze des MRG – nämlich des Preis- und Kündigungsschutzes. Gerade diese Prinzipien des Mieterschutzes garantierten jedoch eine ausgewogene leistbare Wohnversorgung der Menschen in Österreich und zusammen mit dem System der Wohnbauförderung entwickelten sich Österreich und seine Städte zu einem Gebiet mit hoher Wohn- und Lebensqualität und einer gut erhaltenen Gebäudesubstanz. Im Vergleich zu anderen europäischen Städten sind daher in Österreich Slums oder Ghettos nahezu unbekannt.
Preis- und Kündigungsschutz im Dienste einer ausgewogenen Wohnversorgung
Seit dem Jahr 2000 ist eine Trendwende zu beobachten. Nunmehr verfolgt die Wohnungspolitik in erster Linie Einzelinteressen von Immobilieninvestoren, die langfristig gesehen der österreichischen Wohnbevölkerung, aber auch der Volkswirtschaft, Schaden zufügen können.
Miete und Gesamtwirtschaft
Derzeit wenden die ÖsterreicherInnen statistisch gesehen rund ein Fünftel bis Viertel ihres Nettoeinkommens für das Wohnen, inklusive Strom und Heizung auf. In diesen Zahlen sind jedoch auch jene Wohnungsnutzer enthalten, die in Ein- und Zweifamilienhäusern oder in der eigenen Eigentumswohnung leben. Da diese Angaben nur statistische Durchschnittswerte darstellen, müssen sie näher beleuchtet werden. Wie aus der folgenden Tabelle unschwer erkannt werden kann, beansprucht die derzeit gesetzlich zulässige Mietzinsobergrenze in Form des sog Richtwerts (Kaltmiete) bei einem Mietvertragsabschluß im Jahr 2003 zwischen 25 und 40% des mittleren (!) Einkommens von unselbständig Erwerbstätigen. Aufgrund der großen Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern sind Frauen hier aber stärker belastet. Da bei der Berechnung das mittlere Nettoeinkommen herangezogen wurde, muss betont werden, dass bei jedem zweiten Mann die Kaltmiete mehr als 25% seines Nettoeinkommens beansprucht, während es bei jeder zweiten Frau bereits mehr als 40% sind.
Mit Blick auf die österreichische Gesamtwirtschaft ist es daher nicht sinnvoll, vom System der Mietzinsobergrenzen abzugehen, da die eingenommenen Mieten idR dem volkswirtschaftlich relevanten Geldkreislauf entzogen werden und nicht mehr dem allgemeinen Wachstum der Wirtschaft dienen.
Literaturquelle
Die nachstehenden Zahlen und Fakten rund ums Wohnen zeigen daher deutlich, welche volkswirtschaftliche Bedeutung Mietzinsobergrenzen haben, aber auch in welchem Ausmaß die BewohnerInnen Österreichs von rechtlichen Veränderungen in diesem Bereich in ihrer persönlichen Lebensplanung betroffen sind.
Mittleres Personennettoeinkommen 2001 versus Mietbelastung
Mietzinsberechnung für 50 m2
A - Richtwert für 5/ 2003 in Euro
WienWienTirol
Nettomiete / m2
4,324,325,27
BK / m2
1,601,601,60
Lagezuschlag
1,170,000,00
Summe netto
7,095,926,87
UST
0,710,590,69
7,806,517,56
für 50m2 Bruttokaltmiete
389,95325,60377,85
Mittleres Personennettoeinkommen 2001: D.h. 50% der Personen haben ein geringeres, 50% ein höheres Einkommen
Daten aus Statistik Austria
Wohnkostenbelastung in %
Nettoeinkommenpro Jahrpro Monatin %in %in %
Unselbständige15.420,001.285,0030,3525,3429,40
Frauen11.964,00997,0039,1132,6637,90
Männer18.258,001.521,5025,6321,4124,84
Lehrlinge5.416,00451,3386,4072,1483,72
Pensionisten12.344,001.028,6737,9131,6536,73
Frauen9.798,00816,5047,7639,8846,28
Männer15.834,001.319,5029,5524,6928,65
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6. Anwendungsbereich des MRG
Im Jahr 2001 lebten in Österreich 8.032.926 Millionen Menschen (davon 3.889.189 Männer) in 3,366.311 Haushalten. Im Durchschnitt leben somit ca.2, 38 Personen pro Haushalt. Deutlich angestiegen sind die Einpersonen-Haushalte, die 1,137.525 Mio Menschen zählen. Das sind immerhin ca 33,8% aller Haushalte.
Rechtstatsächliches
Nach den letzten Erhebungen der Statistik Austria in Form eines Mikrozensus für 2001 gab es im Juni 2001 ca. 3.284.400 Mio. Wohnungen mit Hauptwohnsitz (Volkszählung, Mikroszensus; Wohnbaustatistik – die Daten der Häuser- und Wohnungszählung 2001 sind bis dato leider noch nicht veröffentlicht) Diese Wohnungen befinden sich zu rund 1.732.000 Mio. und 52,7 % in Mehrfamiliengebäuden ab 3 Wohnobjekten. Das bedeutet wiederum, dass der Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser von ca 47,3 % fast die Hälfte des österreichischen Wohnungsbestandes ausmacht.
Von der Gesamtzahl der oben genannten Wohnungen wurden rund 907.800 oder 28 % vor 1945 errichtet und rund 1.700.000 Mio oder 52% aller Objekte in irgendeiner Form vermietet. Weiters wurden vom Gesamtbestand rund 360.000 (= 11%) als Eigentumswohnungen gezählt, wobei gerade diese Zahl besonders zu hinterfragen ist, da bereits bei der Häuser- und Wohnungszählung 1991 rund 310.000 Wohnungseigentümer gezählt wurden und die Eigentumswohnungen in den letzten Jahren verhältnismäßig stark in der Errichtung gefördert wurden und verstärkt durch Althausparifizierungen entstanden sind.
Da das MRG für Gebäude, die nach dem 8.5.1945 baubewilligt errichtet wurden, nur unter gewissen Voraussetzungen voll anwendbar ist – vgl v.a. § 1 Abs 4 MRG, reduziert sich demnach sein Anwendungsbereich laufend, sodass es im Grunde nur dort Bedeutung besitzt, wo es einen großen Altbestand von vor dem 8.5.1945 errichteten Bauten oder gefördert errichtete Mietwohnungen gibt. Inwiefern es sinnvoll ist zwei Klassen von Mietern zu schaffen, muss aber angesichts der dürftigen Regelungen im ABGB mehr als bezweifelt werden.
Mietrechtsgesetz (MRG 1981, BGBl 520): Der Mieterschutz beginnt während des Ersten Weltkriegs; drei MieterschutzVO 1917 und 1918. 1922 wird das MietenG (MG) beschlossen; BGBl 872. Mit dem MRG 1981, BGBl 520, kam es zu einer Neufassung, die seither mehrfach geändert wurde. – Das Mietrecht ist eine komplexe und nicht leicht verständliche Materie; vgl auch den „Kasten”: Beratung in Mietangelegenheiten.
Der Grundgedanke des Mieterschutzes, dass Wohnen „leistbar” sowie „sicher” sein soll und dass die Wohnung mehr ist als eine Ware, nämlich sozialer Lebensmittelpunkt, ist nach wie vor aktuell. Das Unverständnis von Politikern und Wissenschaftlern für diese existentiellen Fragen ist bedauerlich.
Schutzgesetze im Bestandrecht: Überblick


Beratung in Mietangelegenheiten


Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, Tel: 01/40185-0, Fax: 01/40185-33, e-mail: zentrale@mietervereinigung.at; internet: http://www.mietervereinigung.at Publikationsorgan: Der Mieter; erscheint vierteljährlich. In den Bundesländern gibt es Zweigstellen.
Mieterschutzverband Österreichs, 1070 Wien, Döblergasse 2, Tel: 01/5232315, Fax: 01/52304139. Publikationsorgan: Die Mieterzeitung; erscheint vierteljährlich.
Österreichischer Mieter- und Wohnungseigentümerbund, 1010 Wien, Biberstraße 7, Tel: 01/5125360, Fax: 01/5125360-10
Literaturquelle
Landpachtgesetz: LPG 1969, BGBl 451.
Kleingartengesetz 1959, BGBl 6.
Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz: WGG 1979, BGBl 139
Das WGG enthält Regelungen, die Gemeinnützige Bauvereinigungen (GBV; 2001 waren es 210) selbst betreffen (zB ihre Organisation), aber auch Bestimmungen, die das Verhältnis zu ihren Kunden regeln; zB § 21 WGG. – Das WGG findet auf Gebäude Anwendung, die von einer GBV in eigenem Namen errichtet wurden oder in ihrem Eigentum stehen oder doch standen: Das WGG ist mit seinen Mietzinsbegrenzungen daher auch dann anzuwenden, wenn das Gebäude an eine Privatperson verkauft wird. Erwirbt eine GBV ein privates Miethaus, gilt das WGG nur bei Neuvermietungen.
Bauvereinigungen, die als gemeinnützig anerkannt sind, haben ihre Tätigkeit nach § 1 Abs 2 WGG unmittelbar auf die Erfüllung von dem Gemeinwohl dienenden Aufgaben des Wohnungs- und Siedlungswesens zu richten und ihr Vermögen der Erfüllung solcher Aufgaben zu widmen und ihren Geschäftsbetrieb regelmäßig überprüfen zu lassen.
Gemeinnützige Bauvereinigungen schließen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Miet-, Nutzungs- oder Kaufverträge (diese zur Begründung von Mit- oder Wohnungseigentum) ab; § 13 WGG. Für den Abschluss derartiger Verträge formuliert § 21 WGG (nach dem Vorbild des § 6 KSchG) Beispiele für „rechtsunwirksame Vereinbarungen”; zB Unkündbarkeit abgeschlossener Verwaltungsverträge. Auch andere Bestimmungen enthalten Schutzvorschriften für Vertragspartner GBV; zB § 18 WGG: zwingende Vertragsbestimmungen.
Zum Verhältnis von MRG und WGG ist – als Faustregel – folgendes zu sagen; vgl insbesondere § 1 Abs 3 MRG sowie § 20 WGG (Anwendung mietrechtlicher Bestimmungen auf das WGG): Der Kündigungsschutz des MRG gilt auch für das WGG, nicht aber die Zins- oder Preisschutzregeln des MRG. Dafür kennt das WGG eigene Bestimmungen.
StudentenheimG 1986, BGBl 291.
Es regelt die Rechtsverhältnisse, die sich aus der Vergabe von Heimplätzen durch Heimträger an Studierende (Heimbewohner) ergeben; § 1. § 5 regelt den Benützungsvertrag, § 12 die Kündigung.
Der österreichische Mieterschutz wird von drei Säulen getragen:
Charakteristika des Mieterschutzes
• dem Zinsschutz als Schutz gegen Zinserhöhungen: Der Zinsschutz ist mittlerweile stark gelockert; vgl § 16 MRG und das RichtwertG 1993, BGBl 900.
dem Kündigungsschutz: Dem Vermieter steht kein freies Kündigungsrecht zu. Er kann nur aus bestimmten, gesetzlich angeführten – nunmehr in § 30 MRG (früher § 19 MG) geregelten – wichtigen Gründen kündigen. Allerdings wurde mit der Wohnrechtsnovelle 2000 der Kündigungsschutz aufgrund der vollkommenen Öffnung der Befristungsmöglichkeiten (abgesehen von einer Mindestbefristung von 3 Jahren, Kettenmietverträge sind jedoch zulässig) stark aufgeweicht.
Kündigungsgeschützt waren bisher nicht nur Wohnungen, sondern auch Geschäftslokale. Zum gespaltenen Mietverhältnis → KAPITEL 7: Schuldvertrag und Schuldverhältnis. Zum Räumungsvergleich vgl unten.
• und der gerichtlichen Kündigung; § 33 MRG: Danach können dem MRG unterliegende Mietverträge von beiden Seiten „nur gerichtlich gekündigt werden”. Der Vermieter hat in der Kündigung die Kündigungsgründe kurz anzuführen. Den Vermieter trifft nach § 33 Abs 1 Satz 3 MRG die Beweislast dafür, dass der von ihm geltend gemachte Kündigungsgrund vorliegt.
• Die Vorschriften des Schutzgesetzes MRG beinhalten zudem vorwiegend zwingendes Recht.
Politisch zu bedenken ist, dass der Mieterschutz über seine soziale Wirkung hinaus auch wichtige städtebauliche Funktionen erfüllt, indem er für eine soziale Durchmischung der Stadtviertel sorgt, dadurch die Kriminalität senkt und Slumbildungen vorbeugt.
Literaturquelle
- § 1 MRG unterscheidet zwischen Voll- und Teil anwendungsbereich. Daneben gibt es noch eine Vielzahl von Objekten , die dem MRG gar nicht unterliegen. Trotzdem geht es in seinem § 1 Abs 1 mittels einer Generalklausel grundsätzlich vom Vollanwendungsbereich aus. Wer das MRG voll oder teilweise ausschließen will, ist beweispflichtig, dass ein Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 – 5 vorliegt. Vollanwendung bedeutet vor allem Kündigungsschutz + Mietzinsobergrenzen; im Teilanwendungsbereich hingegen gilt nur der Kündigungsschutz; vgl § 1 Abs 4 MRG: aber etwa auch die Vorschriften über den Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag sowie das Eintrittsrecht naher Angehöriger im Todesfall. – Subsidiär gilt das ABGB.
Anwendungsbereich
Mit der Wohnrechtsnovelle 2001 (BGBl I 2001/161) wurde unter dem Titel Harmonisierung des MRG erstmals der Anwendungsbereich des MRG in einem Gebäude aufgesplittet. So gilt für Dachgeschossausbauten in Gebäuden, die an sich dem MRG voll unterliegen, nur der Kündigungsschutz sowie das Eintrittsrecht im Todesfall, wenn sie mit einer Baubewilligung errichtet werden, deren Rechtskraft nach dem 31.12.2001 liegt.
- In § 2 MRG wird geregelt, wann eine Haupt- und wann eine Untermiete vorliegt. Nach jüngerer Rspr des OGH gilt zumindest § 2 Abs 1 auch für jene Objekte, für die das MRG gar nicht oder nur teilweise Anwendung findet; MietSlg 49.217. Generalklauselartig wird in § 2 Abs 2 festgestellt, dass eine Untermiete dann vorliegt, „wenn der Mietvertrag mit einer Person geschlossen wird, die in Abs 1 nicht genannt ist.” Es kommt, somit nicht auf die Vertragsbezeichnung an. Der (Wohnungs)Eigentümer der Liegenschaft, der Mieter oder Pächter eines ganzen Hauses oder der Fruchtnießer einer Liegenschaft oder Eigentumswohnung begründet immer ein Hauptmietverhältnis. – Da die Untermiete bis 2000 gerne als Umgehungsfigur verwendet wurde, um den Preis- oder Kündigungsschutz das MRG auszuschließen, bestimmt § 2 Abs 3 Satz 1:
Haupt- und Untermiete
„Besteht bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln, dass ein Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach diesem Bundesgesetz zustehenden Rechte geschlossen wurde, so kann der Mieter, mit dem der Untermietvertrag geschlossen wurde, begehren, als Hauptmieter ... anerkannt zu werden.”
Aufgrund des Öffnung der Mietzinsobergrenzen durch den Richtwert sowie die völlige Liberalisierung der Befristungsmöglichkeiten spielt die Scheinuntermiete heute im Gegensatz zu früher nur mehr eine geringe Rolle.
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 71/18 (1998): Zur Umgehungsabsicht iSd § 2 Abs 3 MRG.
OGH 8 Ob 122/00z, JBl 2001, 527: Eine Barkaution in der Höhe von ca 11 Monatsmieten muss noch keine ungewöhnliche Nebenabrede iSv § 2 Abs 1 MRG sein – Im Bereich von MRG-Objekten ist festzuhalten, dass aufgrund des Kündigungsschutzes der Kauf die Miete nicht bricht (vgl dagegen § 1120 ABGB), sondern der neue Eigentümer in sämtliche Vertragsbestimmungen, die keinen ungewöhnlichen Inhalt haben, eintritt. Zuletzt hat hier der OGH festgehalten, dass weder ein Kündigungsverzicht nach § 30 Abs 2 Z 4 und 6 MRG noch ein eingeräumtes Weitergaberecht eine ungewöhnliche Nebenabrede darstellt. Nunmehr kommt er zum Schluss, dass auch eine Barkaution von 11 Monatsmieten keineswegs außergewöhnlich ist.
- §§ 3, 4, 5, 6, 7, 8 Abs 2 MRG
Erhaltung, Wiederherstellung und Verbesserung
Grundsätzlich werden die Erhaltungspflichten dahingehend getrennt, dass für allgemeine Teile des Hauses (Dach, Fassade Außenfenster, Stiegenhaus, allgemeine Leitungen etc.) der Vermieter (Liegenschaftseigentümer) zuständig ist und auch die Kosten dafür tragen muss, während den Mieter eine Instandhaltungspflicht ab Übernahme für den Innenteil des Mietgegenstands trifft (§ 8 Abs 1 MRG). Bis vor kurzem ging die Rspr des OGH davon aus, dass sowohl vor als auch nacharbeiten im Zuge solcher Erhaltungsarbeiten das Schicksal der „Hauptarbeiten” teilen, d.h. jener die Kosten zu tragen hat, der nach MRG für den enstprechenden Gebäudeteil zuständig ist. Aufgrund einer jüngeren Entscheidung (1 Ob 228/00m) gehen die unteren Instanzen derzeit von dieser stimmigen Betrachtungsweise ab. So wird im Zuge der Behebung eines Wasserschadens zwar sämtliche Kosten die mit der Instandsetzung des Schadens an der Mauer inklusive Verputz kostenmäßig dem Vermieter aufgebürdet, nicht dagegen das neue Ausmalen, Tapezieren oder Verfließen. Hier müsste sich demnach der Mieter in Hinkunft im streitigen Verfahren um die Wiederherstellung des vorigen Zustands bemühen. Dieser bislang vereinzelten E kann nicht gefolgt werden, erging sie noch dazu gar nicht im Rahmen eines Antrags nach § 3, 6 MRG, sondern im Zuge eines Schadenersatzverfahrens. 1 Ob 228/00m, EvB 2001/79: Der Eigentümer eines Hauses ließ an diesem Bauarbeiten durchführen, wodurch Risse und Setzungen am Nachbarhaus (Miethaus) entstanden. Ein Mieter erhebt gegen den Bauführer eine Schadenersatzklage. – OGH: Soweit Behebungskosten Schäden an der Bausubstanz betreffen, sind diese im Vermögen des Vermieters (Hauseigentümers) aufgetreten; ihm obliegen die Erhaltungsarbeiten bezüglich ernster Schäden. Der Mieter kann diese nicht im eigenen Namen geltend machen. Die reine Oberflächengestaltung im Inneren eines Mietobjekts durch Malerei, Tapeten etc fällt hingegen (selbst bei größtem Kostenaufwand) nicht in die gesetzliche Erhaltungspflicht des Vermieters. Zur Geltendmachung dieser Schäden ist somit der Mieter selbst aktivlegitimiert.
- § 8 MRG – Geregelt wird der Umfang des Benutzungsrechts, aber auch die Duldungspflichten bei Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten, die bis zur Abtretung von Wohnungsteilen zB bei einem Lifteinbau gehen können; 5 Ob 151/02w. Jedoch steht dem Mieter nach § 8 Abs 3 MRG ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch für alle Beeinträchtigungen zu, die er aufgrund zu duldender Arbeiten erlitten hat.
Umfang des Benutzungsrechts
Grundsätzlich darf der Mieter keinerlei Veränderungen am Mietgegenstand ohne vorherige Zustimmung durch den Vermieter vornehmen. Nach § 9 MRG: Veränderung / Verbesserung des Mietgegenstandes – werden jene Rahmenbedingungen aufgezählt, die der Mieter einhalten muss, wenn er die Zustimmung seines Vermieters durch jene des Gerichts ersetzen will. In § 9 Abs 2 MRG werden all jene Veränderungen aufgezählt, die seitens des Vermieters jedenfalls nicht verhindert werden können.
- § 10, § 27 MRG – Verbotene Vereinbarungen und Strafbestimmungen (zB Abs 1 Z 1: verbotene Ablösen)
Verbotene Vereinbarungen
Unter einer legalen Ablöse nach § 10 MRG oder einem sog Investitionsersatz versteht man Ausgaben und Verbesserungen, die der Mieter bzw. seit März 1997 auch der Vormieter in die Wohnung investiert hat, wie etwa den Einbau von Klosett, Bad, Dusche oder Installationen. Diese Ausgaben können vor Auszug gegenüber dem Vermieter unter Vorlage der Rechnungen geltendgemacht und anteilig zurückverlangt werden. – Hier sind allerdings beachtliche Formvorschriften einzuhalten, will der Mieter nicht seiner Ansprüche verlustig gehen. Daneben sind Ersatzansprüche auch über § 1097 ABGB möglich.
Möbelablöse: Oft werden aber auch hohe Geldbeträge für zurückgelassene Möbel verlangt. Hier ist der Nachmieter nicht verpflichtet, diese zu übernehmen. Kauft er sie jedoch dem Vormieter ab, so darf dieser nur den Zeitwert oder den Verkehrswert verlangen (das ist jener Betrag, den der Verkäufer erhalten würde, wenn er die Möbel zB in einer Zeitschrift zum Verkauf anbietet). Jeder Betrag der diesen Wert übersteigt, kann binnen 10 Jahren zurückgefordert werden; § 27 Abs 1 MRG.
Ablösen für Kündigungsverzicht: Der Vermieter kann vom Wohnungssuchenden nur in dem Fall Geld für den Mietvertragsabschluß verlangen, wenn er auf folgende Punkte verzichtet: 1. Kündigung wegen gänzlicher Untervermietung der Wohnung nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG und 2. Kündigung wegen Nichtbenützung der Wohnung gemäß § 30 (2) Z 6 MRG. Für diesen Verzicht kann der Vermieter bis zu 120 Nettomonatsmieten verlangen. Dieser Verzicht darf aber nicht befristet werden und muss auf ausdrücklichen Wunsch des Mieters vereinbart worden sein.
Vertragserrichtungskosten: In machen Fällen wird versucht die Kosten der Vertragserrichtung auf die Mieter zu überwälzen. Ein derartiger Versuch ist dann illegal, wenn das Mietobjekt dem Vollanwendungsbereich insbesondere den Mietzinsobergrenzen unterliegt und der Vertrag durch den Vermieter aufgesetzt wurde.
Überhöhte Kaution: Nach der Rspr des OGH kann eine Kaution, die mehr als 6 Bruttomonatsmieten umfasst, überhöht sein, da idR kein Sicherungsbedürfnis in diesem Ausmaß vorliegt. Dann kann der darüber hinausgehende Betrag nach § 27 Abs 1 MRG zurückgefordert werden.
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 69/243 II (1996.): Eine vom Mieter zu leistende Barkaution verstößt gegen das Ablöseverbot des § 27 Abs 1 MRG, wenn ein adäquates Verhältnis zwischen dem Sicherstellungsinteresse des Vermieters und der Höhe der Kaution fehlt, was anzunehmen ist, wenn die Barkaution 70 Bruttomonatesmieten beträgt; angemessen wären maximal 6.
- § 11 MRG: Untermietverbote
- § 12 (Abtretung des Mietrechts), § 12 a (Veräußerung und Verpachtung eines Unternehmens), § 14 MRG (Mietrecht im Todesfall)
Es gibt für die Weitergabe der Wohnung (Weitergabe des bestehenden Mietvertrags) vier gesetzliche und eine vertragliche Möglichkeit. – Die gesetzlichen Möglichkeiten, die Wohnung des bisherigen Hauptmieters zu übernehmen sind:
- § 14 MRG: Der Tod des Hauptmieters beendet den Vertrag nicht, denn es können die im gemeinsamen Haushalt lebenden Verwandten, die Mietrechte ex lege übernehmen. Nur eine Verständigung des Vermieters binnen 14 Tagen ab dem Ableben verhindert diesen Eintritt – die volle Anwendung des MRG ist nicht Bedingung. Voraussetzungen sind ein gemeinsamer Haushalt im Zeitpunkt des Todes und ein dringendes Wohnbedürfnis (zB kein anderes Mietverhältnis). Eintrittsberechtigt sind der Ehegatte, der Lebensgefährte, Verwandte in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder, die Geschwister des bisherigen Mieters. Lebensgefährte iSd Bestimmung ist, wer mit dem bisherigen Mieter bis zu dessen Tod durch mindestens drei Jahre hindurch in der Wohnung in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft gelebt hat; einem dreijährigen Aufenthalt des Lebensgefährten in der Wohnung ist es gleichzuhalten, wenn er die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat. – Bislang galt dies nicht für gleichgeschlechtliche Lebensgefährten, doch hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kürzlich Österreich diesbezüglich verurteilt. Nach der Rspr des OGH muss jedenfalls neben der Wirtschaftsgemeinschaft auch eine sexuelle Beziehung bestanden haben.
- § 12 MRG – Gilt nur im Vollanwendungsbereich des MRG. Hier ist Voraussetzung ein gemeinsamer Haushalt für die Dauer von 2 Jahren , bei Geschwistern 5 Jahre. Dem mehrjährigen Aufenthalt in der Wohnung ist es gleichzuhalten, wenn der Angehörige die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat, beim Ehegatten auch, wenn er seit der Verehelichung, und bei Kindern auch, wenn sie seit ihrer Geburt in der Wohnung gewohnt haben, mag auch ihr Aufenthalt in der Wohnung noch nicht die vorgeschriebene Zeit gedauert haben. Der Eintritt in das Hauptmietrecht nach den §§ 87 und 88 EheG (bei Scheidung) ist daneben außerdem möglich. Die bisherige Hauptmieter muss selbstverständlich ausziehen, allerdings müssen Abtretungserklärung und Auszug zeitlich nicht zusammenfallen; MietSlg 31.448. Der ausziehende Hauptmieter kann die Mietrechte an seinen Ehegatten oder Verwandten in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder (nicht Pflegekinder) oder Geschwister abtreten. – An Lebensgefährten kann derzeit nicht abgetreten werden.
- § 12a MRG gilt nur im Vollanwendungsbereich des MRG: Bei einer Veräußerung des Unternehmens, gehen die Mietrechte auf den Erwerber automatisch über. Unter den Unternehmensbegriff dieser Gesetzesstelle fallen auch ohne Gewinnabsicht vorgenommene Tätigkeiten im öffentlichen Interesse bei Verfolgung humanitärer, geistiger oder kultureller Ziele oder zur Erreichung eines statutengemäßen Vereinsziels; SZ 71/17 (1998): Studienreisen für Vereinsmitglieder. Der Vermieter hat allerdings dann das Recht, binnen 6 Monaten ab Bekanntgabe der Veräußerung den Mietzins anzuheben, sofern der bisherige Mietzins unter der Angemessenheitsgrenze lag. OGH 7. 4. 2000, 5 Ob 267/98w (verst Senat), SZ 73/66 = JBl 2000, 643 Einzelunternehmen wird GmbH – Mietzinserhöhung? – OGH erblickt darin Grund für Anhebung des Mietzinses gem § 12a MRG, obwohl keine Veränderung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse vorliegt.
In allen Fällen ist die Vertragsübernahme des neuen Hauptmieters gesetzlich vorgesehen, der Vermieter muss daher nicht (!) zustimmen, er muss aber vom Wechsel verständigt werden, da sich der Mietzins ändern kann (§§ 46, 46a). Wird die Meldung, die auf den Übergang der Mietrechte keine rechtliche Auswirkungen hat, erst viel später gemacht, wird der neue Mieter uU schadenersatzpflichtig, wenn der Vermieter aufgrund des Mieterwechsels den Mietzins hätte anheben können.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 5 Ob 57/02x, JBl 2003, 53: Mieterin überträgt 1990 ihre Mietrechte an ihre Tochter und ihre minderjährige Enkelin, was der Hausverwaltung mitgeteilt wird. Die pflegschaftsbehördliche Genehmigung wird aber erst 10 Jahre später eingeholt. Der Vermieter verlangt für die Zeit bis zur Genehmigung trotz § 46 Abs 1 MRG einen höheren Mietzins, da für diesen Zeitraum nur die Tochter allein in das Mietverhältnis eingetreten sei. – OGH verneint dies, da die pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Eintritts von Minderjährigen in ein Mietverhältnis jedenfalls dann zurückwirke, wenn dadurch die Rechtsposition des Vermieters nicht verschlechtert werde.
Auch im Rahmen einer Scheidung können die Mietrechte gemäß § 87 und § 88 EheG durch Richterspruch übertragen werden, ohne dass der Vermieter darauf Einfluss nehmen kann.
Übertragung durch Richterspruch
Vertraglich vereinbartes Weitergaberecht: Hier bestimmt der Hauptmieter seinen Nachmieter selbst – allerdings nur im Falle eines echten Weitergaberechts. In der Regel erhalten die Mieter aber bloß Präsentationsrechte. Nur wenn ein echtes Weitergaberecht vorliegt, hat der Mieterwechsel keine Auswirkungen auf die Miethöhe und dann können auch nichtverwandte Dritte die Mietrechte übernehmen.
- § 13 MRG: Wohnungstausch
- § 15, § 15a, § 16, § 16a, § 25, § 26, § 28 MRG: Mietzinsbildung
Mietzinsbildung
- § 15 MRG: Mietzins für Hauptmiete: Der (Gesamt)Mietzins besteht aus: Hauptmietzins, Betriebskosten (samt öffentlichen Abgaben), allfälligen besonderen Aufwendungen (anteilig), einem allfälligen angemessenen Entgelt für mitvermietete Einrichtungsgegenstände oder sonstigen Leistungen. Der Vermieter ist berechtigt (§ 15 Abs 2 MRG) vom Mieter die Umsatzsteuer zu verlangen.
- § 15a MRG: Ausstattungskategorien und Kategorienbeträge
Ausstattungskategorien
- § 16 MRG: Zulässige Vereinbarungen über die Höhe des Hauptmietzinses
Die Höhe des Mietzinses ist ua abhängig von der Ausstattung und Lage der Wohnung. Folgende Arten von Wohnungen werden unterschieden:
• Kategorie A-Wohnung Diese muss sich in einem brauchbaren Zustand befinden, mindestens 30m 2 groß sein und aus einem Vorraum, einem Zimmer, einer Küche oder Kochnische, einem Klosett, einer modernen Badegelegenheit, einer Warmwasseraufbereitung sowie einer Zentralheizung bestehen.
• Kategorie B-Wohnung Diese muß sich in einem brauchbaren Zustand befinden, und aus mindestens einem Vorraum, einem Zimmer, einer Küche oder Kochnische, einem Klosett, sowie einer modernen Badegelegenheit bestehen.
• Kategorie C-Wohnung Diese muß sich in einem brauchbaren Zustand befinden, und über eine Wasserentnahmestelle und einem Klosett im Inneren der Wohnung verfügen.
• Kategorie D-Wohnung Diese liegt dann vor, wenn sich entweder keine Wasserentnahmestelle oder kein Klosett im Inneren der Wohnung befindet oder eine dieser beiden Einrichtungen nicht funktioniert.
Befindet sich Ihre Wohnung in keinem brauchbaren Zustand, müssen Sie nach der Übergabe der Wohnung diese Mängel dem Vermieter (am besten schriftlich, eingeschrieben und Kopie behalten) mitteilen, sonst verlieren Sie Ihr Recht, den Mietzins nachträglich herabsetzen zulassen. Auf keinen Fall sollten Sie die Schäden selbst beheben lassen. Unterliegt die Mietzinsbildung dem RichtwertG, dann lässt sich die Höhe des Mietzinses wie folgt berechnen. Ausgehend von einer Kategorie A beträgt der Richtwert (April 2003): je nach Bundesland zwischen 3,94 und 6,63 ı pro m2. Für B- und C-Wohnungen gelten Abschläge, wobei in Wien für Kategorie B nur 75% und für C nur 50% vom Richtwert verlangt werden darf. Für Kategorie D existiert eine gesetzlich fixierte Obergrenze von derzeit: 1,32 und 0,66 ı. Je nach Lage des Hauses kann der Vermieter zudem noch einen sog Lagezuschlag verlangen. Dieser muss jedoch im Mietvertrag ausdrücklich erwähnt werden, sonst kann er nicht verrechnet werden.
- § 17, §§ 21 – 24 MRG: Betriebskosten und laufenden öffentlichen Abgaben
Betriebskosten
Außer der eigentlichen Miete muss jeder Mieter noch den seiner Wohnungsgröße entsprechenden Anteil an den Hausbetriebskosten zahlen. Solche Betriebskosten sind: Müllabfuhr, Wasser und Abwassergebühren, Rauchfangkehrer, Hausbesorger- und Reinigungskosten, Beleuchtung des Stiegenhauses, Schädlingsbekämpfung, Steuern und Abgaben, Verwaltungshonorar und die Versicherung für das ganze Haus. Sie werden nach der Wohnnutzfläche des Hauses auf alle Mieter aufgeteilt. Seit 1999 gibt es die Möglichkeit hier abweichende Verteilungsschlüssel bei verbrauchsabhängigen Kosten zu vereinbaren. Bei einer Gemeinschaftsheizung die mit Verbrauchsaufteilungsgeräten ausgestattet ist, kommt zwingend das HeizkostenabrechnungsG (BGBl 827/1992 idF BGBL I 71/2002) zur Anwendung.
Mehrwertsteuer (MWSt): Zusätzlich zum Hauptmietzins und den Betriebskosten werden für Wohnungen noch 10% MWSt eingehoben, im Falle einer Geschäftsanmietung beträgt der Steuersatz 0 % oder 20%.
Untermietzins (§ 26 MRG): Die Untermiete berechnet sich gemäß § 26 MRG mit 150% des Hauptmietzinses plus allfälliger Investitionskosten des Untervermieters bzw einer Möbelmiete
Beispiel
Fristen für die Überprüfung der Mietzinsobergrenzen: Mit dem 3. WÄG wurde § 16 Abs 8 MRG (bzw § 26 Abs 3) eingeführt, der für die Überprüfung der Mietzinshöhe eine Präklusivfrist vorsieht, wobei im Zuge der Rspr es nicht ausreichend ist Mietzinsperioden feststellen zu lassen, sondern insbesondere die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung mittels Feststellungsentscheidung geltend zu machen ist; 5 Ob 170/99g, 5Ob85/01p; 5Ob197/01h; 5Ob32/02w; 5Ob106/02b; 5Ob208/02b.
Überprüfung der Mietzinsobergrenzen
Die Rspr hat diese Überprüfungsfrist auf alle Mietzinsbestandteile die vertraglich vereinbart werden, ausgedehnt, insbesondere auch auf die Möbelmiete (§ 25); vgl 5 Ob 52/02m.
Bei unbefristeten Verträgen muß der Mieter innerhalb der ersten 3 Jahre ab Abschluss der Mietzinsvereinbarung seine Miete gerichtlich überprüfen lassen, sonst verwirkt er dieses Recht. Die 3-Jahresfrist ist eine Präklusivfrist und damit kann eine ungerechtfertigte Mietzinsvereinbarung danach nicht mehr überprüft werden. Es ist allenfalls eine Überprüfung der Höhe der nachfolgend geltend gemachten Wertsicherung möglich.
Bei befristeten Verträgen kann bis 6 Monate nach Ablauf der Befristung oder Auflösung des Mietverhältnisses, ein Antrag auf Überprüfung der Mietzinshöhe eingebracht werden. Die absolute Verjährungsfrist beträgt 10 Jahre.
- §§ 18-20, 45: Einseitige Anhebung des Mietzinses wegen Erhaltungsarbeiten
- § 18 MRG: Voraussetzungen der Zulässigkeit der Erhöhung der Hauptmietzinse
Erhöhung der Hauptmietzinse
Die Miete kann nur wegen notwendiger Erhaltungsarbeiten (und geförderten nützlichen Verbesserungsarbeiten) erhöht werden! Die Erhöhung ist nur dann zulässig, wenn die Arbeiten nicht aus der Mietzinsreserve der vergangenen und der zukünftigen 10 Jahre (= 20 Jahre) finanziert werden können. Es muss die für den Mieter kostengünstigste Variante ausgewählt werden – dh: Bei Sanierungsarbeiten (zB Sockelsanierung = Generalsanierung), die durch öffentliche Förderungen gefördert werden, muss der Hauseigentümer sich um diese bemühen. Verbesserungsarbeiten dürfen nur dann durchgeführt werden, wenn dadurch die öffentliche Förderung die Miete nicht höher wird, als wenn nur Erhaltungsarbeiten durchgeführt werden würden.
Es gilt die Formel: Kosten der Erhaltungsarbeiten + Kosten der Verbesserungsarbeiten – öffentliche Förderung = Mietzinserhöhung wie bei Erhaltungsarbeiten.
Die Erhöhung muss durch ein Verfahren vor der Schlichtungsstelle/dem Gericht bewilligt werden – Ausnahme § 16 Abs 10 MRG (kommt sehr selten vor) Die Mieter haben im Verfahren Parteienstellung und können Einwendungen machen. Die Mietzinserhöhung für Erhaltungsarbeiten kann sich über einen Zeitraum von 10 Jahren erstrecken, bei geförderten Sanierungsarbeiten können die landesgesetzlichen Fördergesetze diesen Zeitraum erhöhen; zB in Wien bis 15 Jahre.
- § 20 MRG: Hauptmietzinsabrechnung
Hauptmietzinsabrechnung
Dieser regelt wie die Einnahmen seitens des Hauseigentümers zu berechnen sind insbesondere bei Leerstehung oder Eigennutzung sowie welche Ausgaben geltend gemacht werden können.
- § 29 MRG: Auflösung und Erneuerung des Mietvertrags; Zurückstellung des Mietgegenstandes.
Bestandverträge werden auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geschlossen und dementsprechend unterscheidet sich die Art ihrer Beendigung. Bestandverträge auf bestimmte Zeit enden grundsätzlich durch Zeitablauf, wobei auch eine wiederholte Verlängerung des Bestandverhältnisses auf bestimmte Zeit möglich ist; vgl die §§ 1114, 1115 ABGB aber auch § 29 Abs 3 etc MRG. Für Zeitmietverhältnisse, die ohne Kündigung durch Zeitablauf erlöschen.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 6 Ob 59/00w, SZ 73/180: Ein österreichweit tätiges Unternehmen nimmt in einem Einkaufszentrum eine Geschäftsräumlichkeit auf bestimmte Zeit (5 Jahre) in Bestand. Nach einigen Jahren kündigt es aus wichtigem Grund, da fast alle dort angesiedelten Unternehmen abgewandert waren. – OGH: Bei der Geschäftsraummiete in einem Einkaufszentrum können umfangreiche „Leerstehungen” anderer Mietobjekte eine Mietzinsminderung gemäß § 1096 Abs 1 ABGB oder auch eine vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses gemäß § 1117 ABGB rechtfertigen. Im konkreten Fall allerdings nimmt der OGH aber einen Verzicht auf die Kündigungsmöglichkeit an und verneint somit die Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund vor Ablauf der vereinbarten Zeit.
Die Rspr betrachtet eine (besondere) vertragliche Verpflichtung zur Räumung des Bestandobjekts am Ende des Bestandverhältnisses als wirksam; vgl JBl 1987, 448. Damit wird das Problem des sog Räumungsvergleichs angesprochen; dazu gleich mehr. – Bestandverhältnisse auf unbestimmte Zeit werden vornehmlich durch Kündigung beendet, wobei diese Beendigungsart vom MRG her stark eingeschränkt wird. § 30 MRG gestattet nur die Kündigung aus wichtigem Grund, wobei die Generalklausel des § 30 Abs 1 MRG keine praktische Bedeutung besitzt; auf der andern Seite hat sich die beispielhafte Aufzählung des § 30 Abs 2 MRG in eine taxative gewandelt: Z 1 bis 16.
Räumungsvergleich
Zum Räumungsvergleich (RV): Diese nicht unproblematische Rechtsfigur der Praxis hat folgende Hintergründe: Zeitlich befristete Mietverhältnisse wandeln sich – wie erwähnt – unter gewissen Voraussetzungen nach ABGB und MRG in solche auf weiterhin bestimmte oder gar unbestimmte (MRG) Zeit um. Die Vertragspraxis zum MRG war daher seit langem bemüht, insbesondere die Umwandlung befristeter Mietverhältnisse in solche auf unbestimmte Zeit zu verhindern. Das rechtliche Mittel dazu war der RV. Dazu kommt, dass durch den RV ein bestimmter, gerichtlich unmittelbar erzwingbarer Auszugstermin sichergestellt werden soll. Wurde nämlich ein RV vereinbart, kann der Vermieter sofort nach Ablauf des vereinbarten Räumungstermins die gerichtliche Zwangsräumung ( Delogierung) des Mieters beantragen. Wurde in den RV auch noch der Verzicht auf einen Räumungsaufschub aufgenommen, kann das Gericht dem Mieter (selbst bei drohender Obdachlosigkeit) keinen Räumungsaufschub gewähren. Wurde dagegen auf einen Räumungsaufschub nicht verzichtet, kann das Gericht, auch gegen den Willen des Vermieters, bis zu dreimal drei Monate Aufschub für die Räumung gewähren. Der Aufschub muss allerdings dem Vermieter zumutbar sein, was bei Mietzinsrückständen nicht angenommen wird.
Zu beachten ist, dass ein RV vom Mieter bei Vertragsschluss nicht unterschrieben werden muss, was allerdings zur Folge haben kann, dass der Mieter die gewünschte Wohnung nicht erhält. Nach der Rspr ist ein RV unwirksam, wenn durch ihn Druck auf den Mieter ausgeübt wird. RV sind daher insbesondere nur gültig, wenn sie nicht vor oder bei Abschluss des Mietvertrags geschlossen werden oder wenn die Wohnungsübergabe an den Mieter von der Unterfertigung des RV abhängig gemacht wird. Ein nach Übergabe des Mietgegenstands innerhalb der befristeten Vertragsdauer abgeschlossener RV ist aber nach der Rspr wirksam.
Eine etwas mildere Variante zum RV stellt der sog Übergabsauftrag dar: Befürchtet der Vermieter, dass der Mieter zum vereinbarten Endtermin die Wohnung nicht geräumt übergibt, kann er frühestens ein halbes Jahr vor Ablauf des Mietvertrags, einen Übergabsauftrag beim Bezirksgericht einbringen. Das Gericht trägt dann dem Mieter auf, die Wohnung zum vereinbarten Endtermin zu übergeben. Übergibt der Mieter die Wohnung trotzdem nicht, kann der Vermieter nach Ablauf der Mietvertragsdauer die zwangsweise Räumung durchsetzen. – Allgemein zum Vergleich → KAPITEL 7: Der Vergleich: §§ 1380-1390 ABGB.
Übergabsauftrag
Literaturquelle
– § 30 MRG: Kündigungsbeschränkungen; Abs 1: „Der Vermieter kann nur aus wichtigen Gründen den Mietvertrag kündigen” (Generalklausel); Abs 2 enthält eine beispielhafte Aufzählung wichtiger Kündigungsgründe; Z 1 (Nichtzahlung des Mietzinses), Z 3 (nachteiliger Gebrauch des Mietgegenstands), Z 4 (gänzliche Weitergabe des Mietrechtes), Z 6 (Nichtbenützung)
Kündigungsbeschränkungen
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 1 Ob 177/00m, EvBl 2001/175: Eine Steuerberaterin und Buchprüferin nutzte ihre Mietwohnung (160 m2) deutlich überwiegend für Geschäftszwecke. Ihre Tochter, die selbst in einer Eigentumswohnung lebt, betreibt in der Wohnung ihrer Mutter nach deren Tod eine Tätigkeit als Buchhalterin. Der Aufkündigung des Mietvertrags durch die Eigentümer hält sie entgegen, dass sie das Unternehmen der Mutter in deren Räumlichkeiten fortführe und daher § 30 Abs 2 Z 5 MRG (fehlendes dringendes Wohnbedürfnis) nicht zur Anwendung komme. – OGH beurteilt die Kündigung jedoch mit folgendem Argument als wirksam: Ist ein gemischt genutztes Objekt die einzige Wohnung des Mieters – dies war bei der Mutter der Fall –, so stellt sich die Frage nach dem Überwiegen von Wohn- oder Geschäftszweck nicht, weil selbst bei weitestgehender räumlicher Beschränkung die Verwendung als Wohnung im Vordergrund steht).
Z 8 und 9 (sog Eigenbedarf des Vermieters):
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 26. 8. 1999, 2 Ob 202/99s, EvBl 2000/13: Mehrheitseigentümer eines im Miteigentum stehenden Mietshauses begründet an einer Wohnung für sich Wohnungseigentum, übernimmt den Mieter und kündigt ihn in der Folge. Der Mieter wendet 10jähriges Kündigungsverbot nach § 30 Abs 3 Satz 2 MRG ein. – OGH bejaht uH auf den Normzweck die Kündigungsmöglichkeit; dieser liege in der Verhinderung von Spekulationskäufen und treffe nicht zu, wenn der Vermieter vor der Begründung des Wohnungseigentums am Bestandobjekt Mehrheitseigentümer der Liegenschaft war und bereits als solcher zur Aufkündigung wegen Eigenbedarfs berechtigt gewesen wäre.; Z 15 „Abbruchskündigung”…… usw. – Zum Missbrauch der alten Generalklausel des § 19 MG in der Nazizeit → KAPITEL 11: Zur Funktion von Generalklauseln und unbestimmten Gesetzesbegriffen.
– § 33 MRG: Gerichtliche Kündigung
Gerichtliche Kündigung
Der Vermieter muss hier jene Kündigungsgründe auf die er sich bezieht ausdrücklich anführen, im Verfahren ist eine Ausdehnung an sich nicht zulässig. Auch können Kündigungen nicht zu alternativen Terminen eingebracht werden.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 14. 1. 2000, 1 Ob 284/99t, SZ 73/6: Der Wortlaut der gerichtlichen Aufkündigung des Vermieters eines Geschäftslokals lautet auszugsweise wie folgt: „Wir kündigen der Gegenseite das im Hause in … gemietete Lokal Nr … gegen vierteljährliche Kündigung für den letzten Tag des Monats Juni 1997; für den Fall der nicht rechtzeitigen Zustellung jedoch für den 30. 9. 1997”. Die beklagten Mieter wendeten Unwirksamkeit der Kündigung ein, weil die Formulierung eine Bedingung bedeutet. – OGH gibt dieser Ansicht recht: Die gerichtliche Aufkündigung ist bedingungsfeindlich; sie sei daher bei Angabe alternativer Kündigungstermine, deren Wirksamkeit durch einen bestimmten Zustellzeitpunkt bedingt ist, insgesamt – somit auch hinsichtlich des ersten Kündigungstermins – rechtsunwirksam.
– § 37 MRG: Entscheidungen im Außerstreitverfahren
Entscheidungen im Außerstreitverfahren
Als mit kaiserlichem Patent vom 9. August 1854, RGBl Nr. 208, das Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (AußStrG) in Kraft trat, wurde in dessen § 1 festgehalten: „In nichtstreitigen Angelegenheiten hat das Gericht von Amts wegen oder auf Ansuchen der Parteien nur insofern vorzugehen, als es die Gesetze anordnen.” Mit dieser Generalklausel wurde von Anfang an festgelegt, dass der Gesetzgeber nach seiner (politischen) Überzeugung bestimmte Rechtsmaterien diesem besonderen Verfahrensweg unterstellten konnte. Im Unterschied zum streitigen Verfahren sollten hier andere Spielregeln gelten. Der Schwerpunkt der Konfliktbewältigung wurde damit de facto auf die rasche Bereinigung und die einvernehmliche Beendigung von Rechtsstreitigkeiten gelegt. Derzeit ist das AußerstreitG von nachstehenden Grundsätzen geprägt:
Ursprünglich als Instrument der Rechtsfürsorge des Staates gegenüber seinen Bürgern gedacht, wurde der Anwendungsbereich des Außerstreitverfahrens und damit auch seiner verfahrensrechtlichen Besonderheiten auf viele an sich typisch streitige Themenbereiche ausgedehnt.
Eine besondere Stellung nimmt aufgrund seiner speziellen Bedeutung für alle – seien es Mieter, Pächter, Wärmeabnehmer oder Eigentümer – der Wohnrechtsbereich ein. Schon seit 1922 – also vor mehr als 80 Jahren – wurden das Mietrecht und idF auch das WGG und das WEG den Grundsätzen des Außerstreitverfahrens unterstellt. Dadurch wurde der Rechtszugang zu einer so sensiblen Materie für alle Bevölkerungs- und Einkommensschichten – va ohne ein unberechenbares Kostenrisiko – offen und einfach gestaltet werden. Diese Form der Verfahrensbeendigung entlastet dadurch sowohl den Staat, als auch die Geldbörsen der Rechtsuchenden. Derzeit (August 2003) liegt aber ein neuer Entwurf des Außerstreitverfahrens im Justizministerium, dass hier sowohl im allgemeinen sowie dem wohnrechtlichen Außerstreitverfahren gravierende Veränderungen plant. In Hinkunft sollen die Rechtssuchenden nur mehr in der ersten Instanz sich selbst oder durch eine beliebige Person vertreten lassen können, ab der zweiten gilt bereits ein relativer, ab der dritten absoluter Anwaltszwang, wobei im Wohnrechtsbereich auch ein Interessenvertreter (zB Mietervereinigung) beauftragt werden kann. Als besonders einschneidende Veränderung muss jedoch der vorgesehene Kostenersatz beurteilt werden. Damit fällt auch die Formlosigkeit und letztlich auch die klare Abgrenzung des AußerstreitG zur ZPO. Die erläuternden Bemerkungen zum vorliegenden Entwurf begründen diese 180° Wende nicht. Die Beschränkung des Vertretungsrechts, aber besonders die Einführung einer Kostenersatzpflicht sowohl im allgemeinen insbesondere aber im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren muss daher als enormer Rückschritt im Bereich der Rechtspflege und als grobe Benachteiligung der Rechtssuchenden bewertet werden.
Die WR-Nov 1999 brachte wenige substantielle Änderungen des MRG; geändert wurde bspw: – Möglichkeit unter gewissen Voraussetzungen eine verbrauchsabhängige Berechnung der Betriebskosten vorzunehmen (zB Wasserverbrauch eines Hauses); – Vermieter kann nunmehr seine Belege (Abrechnung der Betriebskosten sowie der Einnahmen und Ausgaben des Hauses während des vergangenen Jahres) auf Datenträgern speichern, hat aber auf Verlangen einen (Computer)Ausdruck zu machen; – Eine Überprüfung von Mietverträgen ist nunmehr auch für Verträge möglich, die vor dem 1.3.1994 geschlossen wurden; – Ändert sich durch eine Baumaßnahme die Nutzfläche (zB Balkonverglasung) ändern sich nunmehr dadurch die Betriebskosten nicht; erst für den Folgemieter erfolgt eine Neuberechnung.
Die WR-Nov 2000 betrifft bspw: – Aufhebung des HausbesorgerG (Hausbesorger unterliegen künftig dem allgemeinen Arbeitsrecht); – Mietverträge für Wohnungen und Geschäftslokale können ab 1.7. 2000 schriftlich auf wenigstens drei Jahre und nach oben hin offen (bisher maximal 10 Jahre) mit einem einheitlichen Mietabschlag von 25 Prozent befristet werden; – an geförderten (Miet)Wohnungen kann, sofern ein Grund- und Baukostenanteil von bestimmter Höhe bezahlt wurde, nach zehnjähriger Laufzeit Eigentum erworben werden (Eigentumsoption); – GBV werden Contracting-Modelle und das Anbieten wohnungsbezogener Dienstleistungen (Kinder-, Alten- / Senioren-, Behindertenbetreuung) ermöglicht.
WR-Nov 2000
• Kein Anwaltszwang – weder relativ noch absolut bis zur obersten Instanz
• Formlosigkeit
• (Beschränkter) Untersuchungsgrundsatz
• Kein Prozesskostenersatz.
Die MRG-Nov 2001 hat ua „Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als 2 selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten”, wobei nachträgliche Dachbodenausbauten nicht zählen, aus dem Anwendungsbereich des MRG herausgenommen; § 1 Abs 2 Z 5 MRG. Daneben wurden Dachbodenausbauten insoferne begünstigt, als auf sie zwar die Kündigungschutzbestimmungen, nicht aber jene des Zinsschutzes Anwendung finden; § 1 Abs 4 Z 2 MRG.
MRG-Nov 2001
Die MRG Nov 2002 trat im Zuge des neuen WEG 2002 in Kraft und brachte formell nur geringe Veränderungen in § 2 MRG. In der Praxis jedoch zeigt sich, dass mit der Begründung von Wohnungseigentum in Mietrechtshäusern eine Vielzahl von Mieterrechten (§§ 3, 4, 6, § 9, §§ 20 – 24), die Rechte und Pflichten an allgemeinen Teilen der Liegenschaft beinhalten, verfahrensrechtlich für den sog Neumieter (= Anmietungszeitpunkt erfolgt nach Wohnungseigentumsbegründung) kaum durchzusetzen sind, während für den sog Altmieter mit § 4 WEG 2002 ein Weg gefunden wurde, gegen sämtliche Liegenschaftseigentümer vorzugehen. Inwieweit diese Unterscheidung unter dem Gesichtpunkt des Gleichheitssatzes (Art 7 B-VG) sachlich gerechtfertigt ist , bleibt abzuwarten.
MRG-Nov 2002
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7. Bestandrecht des ABGB: §§ 1090-1121
Literaturquelle
Vor Inkrafttreten des MG im Jahre 1922 war das ABGB die einzige Rechtsgrundlage für (alle) Mietverhältnisse. Da es weder einen nennenswerten Kündigungs-, noch einen Zinsschutz kannte, war es den gesellschaftlichen Herausforderungen am Ende des Ersten Weltkriegs nicht gewachsen und musste durch ein Schutzgesetz – das MG – ersetzt werden. – Die Bestimmungen des ABGB sind aber bis heute in Kraft geblieben:
• § 1090 ABGB: Definition des Bestandvertrags
• § 1091 ABGB: Unterscheidung von Miete und Pacht
• §§ 1092, 1093 ABGB: Gegenstand und Entgelt beim Bestandvertrag; interessant § 1093 ABGB wonach Gegenstand des Bestandvertrags bewegliche und unbewegliche Sachen, aber auch Rechte sind: zB Rechtspacht. (Zum Franchising → KAPITEL 5: Franchising) Möglich ist danach auch die Inbestandnahme eigener Sachen; zu den Rechten an eigener Sache und Rechten an Rechten, Gschnitzer, Sachenrecht 235 (19852).
• §§ 1094, 1095 ABGB: Bestandvertrag als Konsensualvertrag und Möglichkeit, Bestandverträge durch Eintragung ins Grundbuch zu verdinglichen. Vgl § 9 GBG (→ KAPITEL 2: Bücherliche Rechte) und § 1102: Bestandzinsvorauszahlungen; Gesetz lesen!
• §§ 1096-1121 ABGB: Wechselseitige Rechte und Pflichten der Bestandvertragsparteien.
§ 1096 ABGB: Da im Bereich des Bestandrechts des ABGB nur zwei Bestimmungen (§ 1096 Abs 1 letzter Satz, § 1117 letzter Satz) nicht abdingbar sind, haben diese besondere Bedeutung. Hier ist zunächst § 1096 ABGB letzter Satz zu erwähnen, der dem Mieter ein Mietzinsminderungsrecht ex lege im Anlassfall zugesteht, sofern der vertraglich bedungene Gebrauch des Bestandssache nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Der Mieter muss hier sogar, will er seines Minderungsrechtes nicht verlustig gehen, sofort im Ausmaß der Beeinträchtigung die Miete reduzieren. Leider gibt es keine sonstigen gesetzlichen Vorgaben wie die Mietzinsminderung zu berechnen ist, sodass es hier zu einem sehr kasuistischem Richterecht gekommen ist, da nach der Rspr des OGH auf den Einzelfall abzustellen ist. Eine Mietzinsminderung bedeutet damit aber auch immer die Gefahr sich als Mieter einer Räumungsklage bzw einer Kündigung auszusetzen, da das Ausmaß der zulässigen Minderung immer strittig sein wird.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 6 Ob 59/00w, SZ 73/180: Ein österreichweit tätiges Unternehmen nimmt in einem Einkaufszentrum eine Geschäftsräumlichkeit auf bestimmte Zeit (5 Jahre) in Bestand. Nach einigen Jahren kündigt es aus wichtigem Grund, da fast alle dort angesiedelten Unternehmen abgewandert waren. – OGH: Bei der Geschäftsraummiete in einem Einkaufszentrum können umfangreiche „Leerstehungen” anderer Mietobjekte eine Mietzinsminderung gemäß § 1096 Abs 1 ABGB oder auch eine vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses gemäß § 1117 ABGB rechtfertigen.
• §§ 1096-1098 ABGB: In Hinsicht auf Überlassung, Erhaltung, Benützung (Gesetz lesen). Wichtige Regeln für die Praxis; zB Erhaltungspflicht des Bestandgebers; § 1098 kennt die Möglichkeit des Afterbestands, also der erneuten Vermietung oder Verpachtung durch Mieter oder Pächter; zB Untermiete.
• § 1099 ABGB: Lasten und Abgaben
• §§ 1109-1111 ABGB: Rückstellung des Bestandobjekts – § 1109 ABGB: Bestandnehmer hat kein Zurückbehaltungsrecht (§ 471 ABGB); – § 1110 ABGB enthält – uH auf § 518 ABGB (Fruchtnießung) – eine Rechtsvermutung; – § 1111 ABGB: Verschuldenshaftung bei Beschädigung des Bestandgegenstands (keine Zufallshaftung!). Der Bestandgeber hat eine allfällige Ersatzforderung „binnen 1 Jahre nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich [zu] fordern, sonst ist das Recht erloschen”: Präklusivfrist → KAPITEL 13: Ausschluss-, Fall- oder Präklusivfristen.
§§ 1112-1121 ABGB: Auflösung des Bestandvertrags – a) durch Untergang der Sache (§ 1112 ABGB); b) Verlauf der Zeit (§ 1113 ABGB); ausdrückliche und stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrags (§§ 1114, 1115 ABGB).
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 30. 8. 2002, 3 Ob 308/01t, JBl 2003, 182: Die besachwaltete Eigentümerin und Vermieterin eines Hauses stirbt. Der auf 1 Jahr befristete Mietvertrag war noch zu ihren Lebzeiten abgelaufen, der Mieter wohnte jedoch weiter darin, wodurch sich der Mietvertrag nach § 1114 ABGB iVm § 569 ZPO stillschweigend verlängerte; relocatio tacita. Die Erben klagen auf Räumung. – OGH nimmt auf Grund der fehlenden pflegschaftsgerichtlichen Zustimmung zur relocatio tacita einen Schwebezustand an und lässt diesen durch den Tod der Mieterin beendet sein, womit eine titellose Benützung vorliege und der Räumungsklage stattgegeben werden konnte); c) Aufkündigung (§§ 1116-1119 ABGB): vgl nunmehr auch § 560 ZPO; d) Veräußerung des Bestandgegenstands (§§ 1120, 1121): Das ABGB entschärft den Grundsatz „Kauf bricht Miete” nur geringfügig dadurch, dass der Mieter erst „nach der gehörigen Aufkündigung” und nicht schon mit Abschluss des Kaufvertrags dem Erwerber weichen muss; anders wenn das Bestandrecht des „Bestandinhabers” in die öffentlichen Bücher eingetragen ist (§ 1095 ABGB). Bei Verschulden des Bestandgebers stehen dem Bestandnehmer nach § 1120 Satz 2 ABGB Schadenersatzansprüche zu. – § 1121 ABGB regelt die Behandlung von Bestandrechten bei „zwangsweiser gerichtlicher Veräußerung”.
- § 1118 ABGB: Die Räumungsklage – also die vorzeitige Auflösung eines (befristeten) Mietvertrags kann an sich unter drei Voraussetzungen eingebracht werden (Der letzte Fall wurde im Bereich des MRG durch § 30 Abs 2 Z 14 und 15 MRG materiell derogiert). Einerseits wegen titelloser Benützung, andererseits wegen Mietzinsrückstand oder erheblich nachteiligem Gebrauch. Im Unterschied zur Kündigungsklage wird sofort ein Verfahren eingeleitet, während bei der Kündigung -ähnlich dem Mahnverfahren der Einspruch des Kündigungsgegners notwendig ist.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 16. 2. 2000, 7 Ob 321/99b, SZ 73/29: Klägerin (Gemeinde) schließt als Pächterin eines Grundstücks mit der Beklagten einen Mietvertrag betreffend eine Abstellfläche für einen Sammelcontainer zur Erfassung von Altkleidern und –schuhen. Die Gemeinde fordert die Beklagte idF auf, den Behälter wieder zu entfernen, da sie Kenntnis erlangt habe, dass das Sammeln von Alttextilien dem nöAWG widerspreche. Daraufhin kündigt die Klägerin der Beklagten und fordert sie auf, den Sammelbehälter zu entfernen. Diese leistet der Aufforderung jedoch nicht Folge, worauf die Klägerin Räumungsklage erhebt. – OGH: Auch bei Vermietung einer Grundfläche zu einem bestimmten Zweck kann eine dem Gesetz widersprechende Verwendung (hier: Sammeln von Altkleidern und -schuhen) vorliegen; setzt sie den Bestandgeber (Gemeinde) auch der Gefahr einer Verwaltungsstrafe aus, stellt dies (nach Kenntnis der Rechtslage!) einen erheblich nachteiligen Gebrauch nach § 1118 erster Fall ABGB dar und rechtfertigt daher eine Kündigung aus wichtigem Grund.
- § 1120 ABGB: Im Bereich von MRG–Objekten ist festzuhalten, dass aufgrund des Kündigungsschutzes der Kauf die Miete nicht bricht, sondern der neue Eigentümer in sämtliche Vertragsbestimmungen, die keinen ungewöhnlichen Inhalt haben, eintritt. Zuletzt hat hier der OGH festgehalten, dass weder ein Kündigungsverzicht nach § 30 Abs 2 Z 4 und 6 noch ein eingeräumtes Weitergaberecht eine ungewöhnliche Nebenabrede darstellt. Nunmehr kommt er zu dem Schluss dass auch eine Barkaution von 11 Monatsmieten keineswegs außergewöhnlich ist.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 8 Ob 122/00z, JBl 2001, 527: Eine Barkaution in der Höhe von ca 11 Monatsmieten muss noch keine ungewöhnliche Nebenabrede iSv § 2 Abs 1 MRG sein.
EvBl 1999/124 – § 1120 ABGB, § 1 Abs 1 WEG 1975, § 2 Abs 1 MRG: Kündigungsrecht des Wohnungseigentümers – Der Wohnungseigentümer hat auf Grund seines ausschließlichen Nutzungs- und Verfügungsrechts das Recht zur Kündigung auch dann, wenn er den Mietvertrag nicht selbst abgeschlossen hat, sondern gemäß § 1120 ABGB oder § 2 Abs 1 MRG in diesen Vertrag eingetreten ist. In der Überlassung des ausschließlichen Nutzungsrechts an den Wohnungseigentümer liegt auch die Abtretung der damit verbundenen Rechte, sodass der Wohnungseigentümer zur Kündigung des Bestandvertrags legitimiert ist.
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