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Inhaltsverzeichnis
SCHNELL GENAU UMFASSEND
Kapitel 5
zurück A. Das Rechtsgeschäft
vor C. Vertragsfreiheit und Privatautonomie
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B. Der Vertragsschluss
Im Rahmen der Rechtsfigur cic wird auf Probleme im „Vorfeld” des Vertragsschlusses eingegangen → KAPITEL 6: Cic ¿ culpa in contrahendo. – Zur Vertragsfreiheit und Privatautonomie → Vertragsfreiheit und Privatautonomie Dort wird auch die in Österreich fehlende ausdrückliche verfassungsrechtliche Absicherung des „Grundrechts” Verträge zu schließen kurz behandelt. Zu Funktion und Wandel des Vertrags → Zu Funktion und Wandel des Vertrags
I. Allgemeines zum Vertragsschluss: § 861 ff ABGB
Literaturquelle
1. Idealtypische und realistische Sicht des Vertrags
Die Vertragsparteien streben im Rechts- und Wirtschaftsleben mit rechtlichen Mitteln einen wirtschaftlichen (sie wollen zB kaufen oder verkaufen), familienrechtlichen (zB Eheschließung) oder erbrechtlichen (zB Erbschaftskauf) Erfolg / Zweck an und verfolgen dabei ihre – uU ganz verschieden gelagerten – Interessen und bedienen sich dafür des Vertrags als eines flexiblen Gestaltungsmittels. In ihren Willenserklärungen äußern sie, was ihrer Absicht nach geschehen oder nicht geschehen soll. – Die (beiden) Willenserklärungen der Vertragsparteien verdichten sich durch ihre Übereinstimmung / Korrespondenz zum Vertrag, der eine wechselseitige Selbstverpflichtung der Vertragsparteien darstellt; lex contractus.
durch VertragDer Vertrag gewährt den Parteien Raum zur rechtlich-konkreten Gestaltung ihrer Interessen innerhalb des weiten Rahmens des nach der Rechtsordnung Erlaubten und sichert den durch ihre übereinstimmenden Willenserklärungen angestrebten Erfolg rechtlich ab; Rechtssicherheit durch Vertragsschluss. – Der Vertrag gewährt also Spielraum für Selbstbestimmung (→ Vertragsfreiheit und Privatautonomie). Er schafft jene Möglichkeiten, um die konkrete Situation der Vertragsschließenden so zu gestalten, wie sie es haben wollen. Und dies unter Zuhilfenahme aller Mittel, die von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellt werden: Das beginnt bei der Möglichkeit aus den gesetzlich vorgegebenen Vertragstypen einen gewünschten Typus auszuwählen oder bestehende Typen zu modifizieren, mit anderen zu kombinieren oder neue Typen zu schaffen (→ Gemischte und atypische Verträge: Mischverträge) und setzt sich bspw darin fort, zusätzliche – dh das Gesetz ergänzende – Sicherheiten in Verträge aufzunehmen oder für besondere (Auf)Lösungsmöglichkeiten des Vertrags zu sorgen. Zu all dem reicht die Rechtsordnung „ihren starken Arm”. So wie die Parteien es selbst vereinbart haben, soll es gelten und die Rechtsordnung schützt den privat-autonom geschlossenen Vertrag.
Rechtssicherheit
Thomas Hobbes hat den Grundsatz des pacta sunt servanda im Hinblick auf den staatlichen Rechtsschutz realistisch vertieft und erweitert, wenngleich er die Bedeutung der Selbstverpflichtung der handelnden Parteien noch unterschätzt. Im „Leviathan” (XVII 131) führt er aus: „Verträge ohne das Schwert sind bloße Worte und besitzen nicht die Kraft, einen Menschen auch nur die geringste Sicherheit zu bieten.”
pacta sunt servanda
Der Vertrag ist somit ein genialer rechtlicher Transmissionsriemen, der die Interessen der am Abschluss beteiligten Parteien funktional verbindet und gestaltend festschreibt. – Ein gültiger Vertragsschluss setzt aber, was § 861 ABGB zu entnehmen ist, wenigstens zwei Parteien /Rechtssubjekte voraus, woran es im folgenden Beispiel fehlte.
Zwei Rechtssubjekte
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 17. 12. 2001, 4 Ob 204/01f, EvBl 2002/73: Die ÖBB schlossen mit dem Finanzminister eine Vereinbarung über die Benützung von Räumlichkeiten und klagten die Republik Österreich aus diesem Übereinkommen aus dem Jahre 1961 (Mietvertrag) auf Bezahlung der Heizungskosten. – OGH: Da das Übereinkommen zwischen Finanz- und Verkehrsministerium von zwei Behörden desselben Rechtsträgers (Republik Österreich) geschlossen wurde, liegt kein wirksamer bürgerlichrechtlicher Vertrag vor; dieser setzt nämlich zwei Rechtssubjekte voraus. OGH deutet aber die Möglichkeit einer relocatio tacita (stillschweigende „Vertrags”-Verlängerung) nach Ausgliederung der ÖBB an.
Es wäre aber unrealistisch, nicht auch die Schattenseiten des rechtlichen Instruments Vertrag sehen zu wollen, denn Verträge sind nicht immer nur Mittel wahrer Selbstbestimmung und Freiheit, sondern auch von Machterwerb, Machtausübung und Unterdrückung / Knebelung und zudem effizientes Mittel, den eigenen Vorteil auf Kosten anderer zu suchen. – Deshalb bedarf es immer wieder des rechtlichen Korrektivs durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung.
Schattenseiten des Instruments „Vertrag“
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2. Allgemeine Voraussetzungen gültiger Vertragsschlüsse
Das Erfüllen der formalen Vertragsschlussregeln, die idF dargestellt werden sollen, allein reicht aber nicht aus, um gültige Verträge zu schließen! Dazu braucht es mehr (vgl die Überschrift vor § 865 ABGB: „Erfordernisse eines gültigen Vertrages” und insbesondere § 869 ABGB), nämlich:
§§ 865, 869 ABGB
• die Geschäftsfähigkeit der vertragsschließenden Parteien;
• Zur Beeinträchtigung der Geschäftsfähigkeit durch Alkohol, Drogen oder andere Gebrechen → Fehlende Ernstlichkeit
• die Möglichkeit (§ 878 ABGB) und Erlaubtheit (§ 879 ABGB) des Vertragsinhalts;
• das Fehlen von Irrtum, Zwang oder Täuschung (Willensmängel: §§ 870 ff ABGB → Willensmängel – Irrtum)
• sowie das Einhalten allfälliger Formvorschriften; §§ 883 ff ABGB.


Vertragsschluss: Allgemeine Voraussetzungen
Abbildung 5.7:
Vertragsschluss: Allgemeine Voraussetzungen
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3. Konsens: Korrespondierende Willenserklärungen
Zum Abschluss eines Vertrags sind gegenseitig übereinstimmende oder – wie man sie auch nennt – korrespondierende Willenserklärungen der (Vertrags)Parteien erforderlich. Liegen diese vor, besteht Konsens und der Vertrag kommt zustande. – Die beiden einseitigen Willenserklärungen aus denen der Vertrag entsteht heißen: Antrag / Anbot / Offerte und Annahme.
Eine Partei, der Offerent, Anbot- oder Antragsteller schlägt idR vor, einen Vertrag eines bestimmten Inhalts zu schließen und der andere Teil (der Anerklärte oder Oblat) nimmt den gemachten Vorschlag (vollinhaltlich!) an. – Ein Antrag kann von beiden (potentiellen) Vertragsparteien gestellt werden.
Nicht immer läuft (in der Praxis) der Vorgang des Vertragsschlusses so einfach und „modellhaft” ab, wie hier geschildert. Nicht selten kommt es zu einem längeren hin und her – sog Vorverhandlungen (vgl § 861 Satz 2 ABGB), ehe ein endgültiger Antrag und eine endgültige Annahme erfolgen. Antrag, Antragsablehnung und Gegenantrag gehen oft nur schwer unterscheidbar ineinander über. – Schon während der Dauer der Vorverhandlungen sind die verhandelnden Parteien aber zu gegenseitiger Sorgfalt verpflichtet und haften für verschuldete Schädigung des Verhandlungspartners; mehr zum Vorfeld vertraglicher Einigung im Rahmen der Haftung für cic → KAPITEL 6: Cic ¿ culpa in contrahendo.
Vorverhandlungen
Im Wirtschaftsleben werden Anträge / Offerte häufig (unrichtig!) als „Aufträge” bezeichnet. Der „Auftrag” ist aber ein eigener Vertragstypus. Dazu und zu weiteren terminologischen Verwirrungen → KAPITEL 12: Zum Begriff. – Zu vermeiden ist auch der Begriff Angebot, weil es sich dabei um einen ökonomischen Terminus handelt. Korrekt sollte von Offerte, Anbot oder Antrag gesprochen werden. Der alte Begriff für Antrag, nämlich „Versprechen” – vgl noch § 861 ABGB und schon Martinis Entwurf (1796) und WGGB (1797) – ist heute nicht mehr üblich. – Zum Dissens → Der Dissens
Schlampige Terminologie
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4. Vertrag und Form
Verträge werden grundsätzlich formfrei – dh mündlich oder schriftlich – gültig geschlossen. Nicht selten vereinbaren aber Parteien, ohne dazu gesetzlich gezwungen zu sein, eine sog gewillkürte – dh eine sich selbst auferlegte – (Schrift)Form. Gerade bei umfangreichen, wichtigen und schwierigen Vertragswerken ist dies sinnvoll; sei es als Gedächtnisstütze, zur besseren Beweisbarkeit oder überhaupt zur Abschlussklarheit etc. Damit werden auch allfällige Unklarheiten darüber ausgeräumt, ob überhaupt (schon) ein Vertrag geschlossen wurde oder nicht, denn auch das kann strittig sein.
Mit der Unterfertigung eines schriftlichen Vertrags durch beide Vertragsparteien wird der Vertrag perfekt, also gültig geschlossen. – Dasselbe gilt natürlich für die mündliche Einigung der Parteien, die durch den Zugang der beiden korrespondierenden Willenserklärungen erfolgt.
Vom gültigen, perfekten Vertragsschluss ist – wie wir schon wissen – die Vertragserfüllung zu unterscheiden. Mehr zur Form → KAPITEL 15: Die Form (im Privatrecht).
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5. Schlüssiger und stillschweigender Vertragsschluss
Verträge können aber auch – wie wir gehört haben – schlüssig und sogar stillschweigend geschlossen werden, ohne dass auch nur ein Wort gesprochen wird: So beim Kauf im SB-Laden, wo sie ihre ausgewählten Waren auf das Kassenförderband legen und der Kassier wortlos die Preise eintippt / -scannt und sie wortlos zahlen; § 863 ABGB.
Beispiel
• Zu § 863 ABGB → Arten von Willenserklärungen: § 863 ABGB
• Zur Punktation (§ 885 ABGB) → KAPITEL 15: Punktation und → KAPITEL 6: Vorvertrag <-> Punktation.
• Zu Vertragsfreiheit und Privatautonomie → Vertragsfreiheit und Privatautonomie
• Zum Vertragsschluss unter Zugrundelegung von AGB → KAPITEL 6: Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 5. 4. 2000, 9 Ob A 40/00y, JBl 2001, 192: Gewährt der Arbeitgeber regelmäßig und vorbehaltslos bestimmte Leistungen an seine Arbeitnehmer, gilt dies als schlüssiges Anbot (§§ 863, 914 ABGB), dies auch künftig zu tun. Nehmen die Arbeitnehmer diese Zahlungen entgegen, so liegt darin eine schlüssige Annahme. So werden die Leistungen (dieser Betriebsübung) Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge.


Vertragsschluss: §§ 861 ff ABGB
Abbildung 5.8:
Vertragsschluss: §§ 861 ff ABGB
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6. Vorbild deutsches BGB
Der Bereich der Rechtsgeschäfts- und Vertragslehre wurde durch die III. TN (1916) zum Teil neu gefasst, wofür das dtBGB (von 1900) als Vorbild diente. Manches wurde zwar nicht übernommen, stellt aber dennoch eine wichtige Argumentationshilfe für die österreichische Rspr und das Schrifttum dar. Auch auf die dtRspr (BGH) wird immer wieder – offen oder verdeckt – zurückgegriffen. Vgl nur in Bezug auf den Vertragsschluss die §§ 130, 131, 147 ff dtBGB oder die Rspr: etwa EvBl 1983/12 → KAPITEL 6: Rechtsprechungsbeispiele .
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II. Antrag und Annahme
1. Voraussetzungen einer gültigen Offerte
Eine Offerte muss zwei Voraussetzungen erfüllen, um gültig zu sein. Sie muss:
inhaltlich bestimmt sein; dh, sie muss bereits die wesentlichen Vertragspunkte enthalten (beim Kauf etwa: Kaufgegenstand und Kaufpreis) und
Bestimmtheit
• einen endgültigen Bindungswillen erkennen lassen; dh die Offerte muss so gestaltet sein, dass der darin vorgeschlagene Vertrag durch ein einfaches „Einverstanden” oder „Ja” des anderen Vertragsteils zustande kommen kann. Ein endgültiger Bindungswille ist anzunehmen, wenn der Antragsteller dem Anerklärten / Oblaten das Gestaltungsrecht einräumt, den Vertrag mit dem von ihm vorgeschlagenen Inhalt (ohne weiteres eigenes Zutun) zustandezubringen. Diese Frage ist nicht immer einfach zu beantworten. – Wir merken uns: Der Bindungswille muss sich bereits in der Offerte manifestieren, wozu auch die Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB) heranzuziehen ist.
Bindungswille
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1999, 602: Angenommener Bindungswille bei Abschluss eines Mietvertrags trotz Vorbehalts eines noch zu formulierenden Räumungsvergleichs (→ KAPITEL 6: Anwendungsbereich des MRG): Die Abrede anlässlich der Verlängerung eines Mietvertrags, demnächst einen neuen Räumungsvergleich mit dem schon bisher üblichen Inhalt abzuschließen, schließt den Bindungswillen bezüglich der Vertragsverlängerung nicht notwendig aus. Kommt dann wegen Änderungswünschen des Vermieters der Räumungsvergleich nicht zustande, ist der vollstreckbare Räumungsanspruch aus dem früheren Vergleich erloschen, aber das Mietverhältnis (dennoch) verlängert.
OGH 14.9.1999, 4 Ob 238/99z, EvBl 2000/42: Zur Bestimmtheitheit einer Untermietvereinbarung.


Erfordernisse einer gültigen Offerte
Abbildung 5.9:
Erfordernisse einer gültigen Offerte
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2. Gestaltungsrecht des Anerklärten /Oblaten
Diese Kriterien einer gültigen Offerte müssen deshalb erfüllt werden, weil der Anerklärte / Oblat ab Zugang der Offerte ein einseitiges Gestaltungsrecht erlangt, den Vertrag zustande zu bringen oder nicht und der Antragsteller gar keinen Einfluss mehr darauf hat, ob ein Vertrag zustande kommt oder nicht. Daher muss die Offerte alles beinhalten, was der Offertsteller im Vertrag geregelt wissen will. – Fehlt eines der beiden (in Pkt 1 genannten) Kriterien liegt bloß eine Einladung zur Offerte vor. – Mit dem Zugang der Offerte ist – um einen Begriff des Kartenspiels zu verwenden – „ausgespielt” und ab diesem Zeitpunkt gilt: „Was liegt, das pickt!”
Beispiel
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3. An wen richtet sich eine Offerte?
Offertstellungen / Anträge richten sich üblicherweise an bestimmte Personen. Aber dies ist nicht unbedingt nötig. Offertstellungen sind nämlich heute auch an einen unbestimmten Personenkreis zulässig; zB beim Automatenkauf oder einem Versandhauskatalog → Beispiele: Automatenkauf, Kauf im SB-Laden etc
Offertstellungen der öffentlichen Hand sind mittlerweile gesetzlich geregelt und folgen eigenen Regeln. Für den Bereich des Bundes wurde ein BundesvergabeG / BVergG 1993, BGBl 462 beschlossen, womit das Vergabewesen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wurde. Daneben existieren einschlägige Landesgesetze. – Öffentliche Aufträge spielen zB im Bauwesen eine wichtige Rolle.
Offertstellungen der öffentlichen Hand: Vergaberecht
Die §§ 29 ff BVergG behandeln das „Angebot”, die §§ 32-43 leg cit das Zuschlagsverfahren und die Prüfung der „Angebote”; § 40 BVergG enthält das sog Bestbieterprinzip. – Daneben bestehen landesrechtliche Vergabevorschriften.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 28. 3. 2000, 1 Ob 201/99m, JBl 2000, 519 = EvBl 2000/166: Überträgt eine Gemeinde die Durchführung eines Bauvorhabens einem Privaten, so haftet sie dennoch selbst für die Einhaltung der Vergabenormen; va Gleichbehandlungsgebot und Diskriminierungsverbot.
Sonderregeln über die Behandlung von Offerten / Anträgen enthält auch die KO; § 26 Abs 2: Anträge, die vor der Konkurseröffnung vom Gemeinschuldner noch nicht angenommen worden sind, bleiben aufrecht, sofern nicht ein anderer Wille des Antragstellers aus den Umständen hervorgeht. – § 26 Abs 3 KO: An Anträge des Gemeinschuldners, die vor der Konkurseröffnung noch nicht angenommen worden sind, ist der Masseverwalter nicht gebunden.
Sonderregeln der KO
Literaturquelle
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4. Antrag und Annahme als zugangsbedürftige Willenserklärungen – Zugang
Antrag und Annahme sind einseitige, empfangs- oder zugangsbedürftige Willenserklärungen. – Empfangsbedürftig ist eine Willenserklärung dann, wenn sie erst mit Zugang wirksam wird. – Zugegangen ist eine Willenserklärung, wenn sie so in den Machtbereich des Geschäftspartners (Anerklärten / Adressaten) gelangt ist, dass dieser sich von ihr Kenntnis verschaffen kann (!). Es kommt also nicht darauf an, dass sich der Anerklärte tatsächlich Kenntnis verschafft hat! Es muss nur nach der Verkehrsanschauung die Möglichkeit dazu bestehen. – Gültiger Zugang setzt auch voraus, dass die jeweilige Erklärung mit Willen des Erklärenden seinen Machtbereich verlassen und den des Anerklärten (Oblaten / Adressaten) erreicht hat. Daher ist kein Zugang anzunehmen, wenn sich der Adressat selbst Kenntnis von ihrem Inhalt (zB noch im Machtbereich des Erklärenden) verschafft hat; vgl das Beispiel oben → Einteilung nach ihrer Entstehung: Zimmerkündigung.
Der wirksame Zugang einer empfangsbedürftigen Willlenserklärung setzt (zumindest dann, wenn die Erklärung für den Erklärungsempfänger nicht nur Vorteile mit sich bringt,) auch die Geschäftsfähigkeit des Erklärungsempfängers voraus; SZ 54/72, SZ 57/52; JBl 1991, 113; DRdA 1996/18 (Anm Dullinger). – Dieser Grundsatz gilt auch für die Kündigung (als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung) im Arbeitsrecht; EvBl 2000/96: Unwirksame Entlassungserklärung, weil der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Zustellung der Entlassungserklärung geschäftsunfähig war.
Geschäftsfähigkeit des Erklärungsempfängers
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1999/156: Ein/e Versicherungsantrag / -Polizze ist dem Versicherer zugegangen, wenn er/sie beim Versicherungsagenten eingelangt ist. Das Risiko unrichtiger Übermittlung des Antrags trägt der Versicherer; (vertrauenstheoretisches) Sphärendenken.
Wer sich auf den Zugang einer Willenserklärung beruft, hat dies zu beweisen, ihn trifft die Beweislast. Der Beweis des Absendens der Erklärung reicht aber nicht aus und bildet keinen Prima facie-Beweis / Anscheinsbeweis für den Zugang; vgl JBl 1984, 487.
Beweislast


Empfangsbedürftigkeit und Zugang
Abbildung 5.10:
Empfangsbedürftigkeit und Zugang
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5. Antragsbindung
Mit Zugang der Offerte beim Anerklärten / Oblaten /Erklärungsempfänger entsteht die sog Antragsbindung. Sie ist eine grossartige Schöpfung der Redaktoren des ABGB, wahrscheinlich Zeillers; § 862 letzter Satz (alt).
Literaturquelle
Das (W)GGB 1797 (III 1 § 6) kennt die Antragsbindung noch ebenso wenig wie das ALR (I 5 §§ 90 ff insbesondere 103 ff) und gewährt dem Gegner des Antragstellers bei vorzeitiger Antragsrücknahme durch den Offertsteller nur einen Entschädigungsanspruch. Unrichtig Flume (Das Rechtsgeschäft 640 [1965]), der die Entdeckung der Antragsbindung bereits dem ALR zuschreibt. Spätere Kodifikationen und Entwürfe (vgl insbesondere Art 319 ADHGB, § 145 dtBGB und Art 3 Schweizer OR) folgen der Lösung des ABGB, das demnach wichtige legistische Pionierarbeit leistete. Dem gemeinen Recht war die Antragsbindung noch fremd. – Europäisierung und Internationalisierung des Privatrechts drohen diese Errungenschaft wieder zu verlieren; vgl Wiener Kaufrecht !
Rechtsgeschichte
Antragsbindung meint, dass der Antragsteller ab Zugang seiner Offerte beim Oblaten, die Offerte nicht mehr (einseitig) zurücknehmen / widerrufen oder auch nur inhaltlich abändern / modifizieren kann; § 862 Satz 3 ABGB: „Vor Ablauf der Annahmefrist kann der Antrag nicht zurückgenommen werden”. – Dazu → Antragsbindung Vgl auch § 145 dtBGB.
Was bedeutet Antragsbindung?
Mit Zugang der Offerte (Eintritt der Antragsbindung) erlangt der Geschäftspartner / Anerklärte/Adressat ein (einseitiges) Gestaltungsrecht dahingehend, den Vertrag zustande zu bringen oder den gemachten Vorschlag abzulehnen, was auch stillschweigend erfolgen kann. Ohne weiteres Zutun des Antragstellers kommt es idF zum Vertragsschluss, wenn der Anerklärte annimmt und seine (gültige) Annahmeerklärung dem Offerenten zugeht. – Mit Vertragsschluss entstehen dann die vereinbarten Rechte und Pflichten; vor allem beidseitige Erfüllungsansprüche. Kein Vertragsteil kann nunmehr einseitig vom Vereinbarten abgehen; pacta sunt servanda: lex contractus.
Gestaltungsrecht des Anerklärten


Antragsbindung
Abbildung 5.11:
Antragsbindung
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6. Widerruf und Existentwerden der Offerte
Bis zum Zugang der Offerte, also spätestens gleichzeitig mit deren Zugang, kann die Offerte aber noch zurückgenommen / widerrufen oder inhaltlich abgeändert werden. – Eine solche Offerte gilt dann (allenfalls) als neue Offerte.
Mit Einwurf des Briefes (der die Offerte enthält) in den Postkasten (Absendung / Entäußerung der Offerte; Verlassen der Sphäre des Anstragstellers) durch den Offerenten wird die Offerte zwar noch nicht (rechts)wirksam, aber doch „existent”; dh sie zeitigt bereits gewisse rechtliche Wirkungen, führt aber noch nicht zur Antragsbindung: vgl etwa § 862 letzter Satz ABGB.
Existentwerden einer Willenserklärung meint nicht Zugang
Beispiel
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7. Anträge unter Anwesenden und Abwesenden
Grundsätzlich müssen Anträge unter Anwesenden sogleich / sofort angenommen werden (§ 862 Satz 2 ABGB), sonst erlischt der Antrag und der Antragsteller ist nicht weiter gebunden. – Es bestehen aber Ausnahmen zu diesem Grundsatz:
• Bedient sich ein Antragsteller des Telefons (telefonischer Antrag), gilt dies als Antrag unter Anwesenden und ist daher sogleich anzunehmen; § 862 Satz 2 ABGB. Vgl auch Art 4 Abs 2 SchwOR. – (Tele)Fax und e-mail sind dagegen Anträge unter Abwesenden. Ein Telefax erfüllt grundsätzlich auch nicht das Formgebot der Schriftlichkeit; JBl 1994, 119.
telefonischer Antrag
• Umgekehrt werden auf übergebene schriftliche Offertstellungen – trotz Übergabe unter Anwesenden – die Regeln der Offerte unter Abwesenden angewandt; Grund: Eine schriftliche Offerte (zB ein Vertragsentwurf) muss erst gelesen und studiert werden!
schriftliche Offerte
Für Anträge unter Abwesenden gilt nach § 862 Satz 2 ABGB ferner folgendes: Nach Zugang der Offerte steht dem Geschäftspartner / Anerklärten eine angemessene Überlegungsfrist zu, innerhalb der er annehmen oder ablehnen kann. Dazu kommt bspw der Postweg retour. Verstreicht diese Frist ungenützt, erlischt die Offerte von selbst, also ohne weiteres Zutun. Andernfalls kommt der Vertrag mit Zugang der Annahmeerklärung beim Offertsteller / Offerenten zustande.
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8. Unbefristete und befristete Anträge
Anträge können befristet oder unbefristet gestellt werden:
Sie müssen nach § 862 Satz 1 ABGB „innerhalb der vom Antragsteller bestimmten Frist angenommen werden”; dh der Zugang (!) der Annahme muss spätestens am letzten Tag der Frist erfolgen. Es genügt daher nicht, wenn die Annahmeerklärung am letzten Tag der Frist erst zur Post gegeben wird.
Befristete Anträge
In der kaufmännischen Praxis werden befristete Offertstellungen vor allem deshalb abgegeben, weil ein/e OfferentIn die gemachten Konditionen (Preis-Leistungsverhältnis) idR nur für eine bestimmte überschaubare Zeit garantieren kann und will; zB Offerte für den Druck eines Buches. – Zusätzlich wird mit einer Befristung / Terminisierung kaufmännisch ein gewisser Entscheidungsdruck ausgeübt. Etwa: Eine Druckerei wird von einem Verlag aufgefordert eine Offerte für ein bestimmtes Publikationsprojekt zu legen und bietet ihre Leistungen konkret aufgeschlüsselt nach einzelnen Positionen bis zu einem Endtermin an. Danach erlischt die Offerte ohne weiteres zutun.
Kaufmännische Praxis


Offerte: Dauer der Antragsbindung
Abbildung 5.12:
Offerte: Dauer der Antragsbindung
Unterscheide folgende – in der Graphik ausgewiesene – Stadien der Willenserklärung: Willensbildung, Willensäußerung, Übermittlung, Zugang, Kenntnisnahme (jeweils der Willenserklärung).
Für unbefristete Anträge gilt die gesetzliche Regelung; dh: dem Geschäftspartner steht eine angemessene, sich nach den jeweiligen Umständen richtende, Überlegungsfrist zur Verfügung. Dazu kommt der Postlauf für die Annahmeerklärung. – Will man die Unsicherheit in Bezug auf die konkrete Dauer der „angemessenen” Überlegungsfrist vermeiden, empfiehlt es sich, befristet zu offerieren. Denn die Dauer der Überlegungsfrist ist gesetzlich nicht festgelegt und hängt vom konkreten Geschäft ab; insbesondere von dessen Größe und Bedeutung für den Annehmenden. – Faustregel: Fax kann mit Fax, Telegramm mit Telegramm, e-mail mit e-mail rechnen. Das Beförderungsmittel der Offerte sollte daher grundsätzlich auch für die Annahme gewählt werden.
Unbefristete Anträge
Die gesetzliche Gesamtfrist bei unbefristeten Offertstellungen setzt sich daher zusammen aus: Postlauf / iSv Beförderung hin + angemessene Überlegungsfrist + Postlauf / iSv Beförderung retour.
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1977/81: § 862 ABGB (§ 862a ABGB): Die Annahmeerklärung ist eine dem Offerenten (gegenüber) zugangsbedürftige Willenserklärung. – Es trifft zu, dass die §§ 862, 862a ABGB nicht zwingendes Recht sind. Die (Sachverhalts)Feststellungen bieten aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien von der in diesen Bestimmungen getroffenen Regelung einverständlich abgegangen wären. Es ist daher nicht zielführend, wenn die Klägerin argumentiert, die Frage, ob sich die Beklagte auch nach dem 30.11.1970 an ihr Anbot gebunden erachtet hätte, müsse nach dem Inhalt ihrer Revisionsausführungen bejaht werden; hiezu komme, dass aus dem Anbotstext der Beklagten vom 11.11.1970 „nicht zwingend” abgeleitet werden könne, die schriftliche Annahmeerklärung hätte bereits am 30.11.1970 in Händen der Beklagten gewesen sein müssen. Wie schon das Berufungsgericht uH auf die Lehre zutreffend dargelegt hat, ist die Annahmeerklärung nach der aus § 862a ABGB abgeleiteten und herrschenden Zugangstheorie eine dem Offerenten zugangsbedürftige Willenserklärung. War daher, wie im vorliegenden Fall, im Anbot selbst eine Annahmefrist und eine bestimmte Form der Annahmeerklärung vorgesehen, dann konnte diese Annahmeerklärung nur dann rechtswirksam erfolgen, wenn sie in der bedungenen Form und vor Ablauf der gesetzten Annahmefrist dem Offerenten zugegangen war, so dass er sich unter normalen Verhältnissen vom Inhalt der Annahmeerklärung in der vorgesehenen Form Kenntnis verschaffen konnte; dazu Gschnitzer, AllgT1 145. Da dies nicht der Fall war, haben die Vorinstanzen mit Recht das Erlöschen des Anbots vom 11.11.1970 zufolge Ablaufs der Annahmefrist angenommen.
Beispiel


Vertragsschluss: Vorgänge und Sphären
Abbildung .12:
Vertragsschluss: Vorgänge und Sphären
Gschnitzers Skizze zeigt sehr schön die drei Sphären beim Vertragsschluss – die Sphäre des Antragstellers, die neutrale Sphäre (im Rahmen der Beförderung von Antrag und Annahme) sowie die Sphäre des Empfängers / Oblaten. – Dieses Sphärendenken ist nicht ohne Bedeutung, zumal dadurch Übermittlungsfehler rechtlich zugerechnet werden können. So ist ein Fehler in der neutralen Sphäre entweder dem Offerenten oder für die Beförderung der Annahmeerklärung dem Oblaten / Empfänger zuzurechnen, nicht dagegen dem jeweils Anerklärten. Es wäre denn etwas anderes vereinbart worden. – Ein anderer wichtiger Bereich für das Sphärendenken ist bspw der Werkvertrag → KAPITEL 12: Gefahrtragung beim Werkvertrag.
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III. Sonderfälle des Vertragsschlusses
1. Einladung zur Offerte
invitatio ad offerendumVon einer gültigen und verbindlichen Offerte zu unterscheiden ist die bloße Einladung zur Offerte / invitatio ad offerendum; zB ein Zeitungsinserat oder Waren im Schaufenster. – Für den privaten (zB: Sie wollen in ihrer Wohnung neue Jalousien montieren lassen und laden mehrere Firmen ein, verbindliche Offerten zu legen) und geschäftlichen Gebrauch dient die Einladung zur Offerte dazu, um sich über die vertragliche Leistung und insbesondere ihren Preis einen (Markt)Überblick zu verschaffen; Ermitteln des Bestbieters und des konkreten Leistungsinhalts. – Einladungen zur Offerte dienen aber auch dazu (vgl Zeitungsinserat!), um sich aus den einlangenden Offerten, das einem am besten Zusagende auszusuchen. Beim Vermieten einer Wohnung ist auch die Persönlichkeit des Mieters / der Mieterin von Bedeutung.
Zur Abgrenzung von Auslobung und Einladung zur Offerte → Die Auslobung: §§ 860, 860a, 860b ABGB
Neben der „Einladung zur Offerte“ hat sich in der Rechts- und Wirtschaftspraxis als Instrument zur Geschäftsanbahnung die Einladung zur „Abgabe einer Interessenbekundung“ entwickelt. Die Republik Österreich (vertreten durch Lehmann Brothers Bankhaus AG, Frankfurt/Main) fordert bspw im Rahmen ihrer politisch fragwürdigen Privatisierung von fünf Bundeswohnbaugesellschaften allfällige Interessenten auf, eine „Interessenbekundung abzugeben, die als Grundlage weiterer Schritte dienen soll“.


Besonderheiten beim Vertragsschluss
Abbildung 5.13:
Besonderheiten beim Vertragsschluss


Sonderfälle des Vertragsschlusses
Abbildung 5.14:
Sonderfälle des Vertragsschlusses
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2. Offerte solange der Vorrat reicht
Von der bloßen Einladung zur Offerte zu unterscheiden ist die Offerte solange der Vorrat reicht; dazu zählen zB Speisekarten und häufig Versandhauskataloge. Sie ist bereits gültige Offerte, wenngleich – und das lässt den Unterschied wiederum unsicher werden – eingeschränkt durch den begrenzten Vorrat des Offerenten, den eigentlich nur er selber kennt. Allein das Geschäftsinteresse ist im Normalfall ein hinreichendes Korrektiv. – Im Geschäftsleben ist sie für Massengeschäfte nötig; zB Bestellungen nach Versandhauskatalogen, Prospekten, Presseaussendungen udglm. Der Offerent sichert sich (für alle Fälle) gegen eine unbekannte – allenfalls zu große – Nachfrage ab. Andernfalls könnten so viele Bestellungen eingehen, dass sie nicht erfüllt werden können.
Sowohl Speisekarte, als auch Versandhauskataloge könn(t)en daher auch als bloße Einladung zur Offerte zu deuten sein. – Definitive Antworten können nur nach einer Beurteilung im konkreten Einzelfall gegeben werden.
Beispiel
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3. Beispiele: Automatenkauf, Kauf im SB-Laden etc
Zu prüfen ist jeweils: Worin liegen Antrag und Annahme ?


Worin liegen Antrag und Annahme?
Abbildung 5.15:
Worin liegen Antrag und Annahme?
Der Folie ist zu entnehmen, dass auch zwei (unterschiedliche) Lösungen möglich sind oder dass im Laufe der Zeit unterschiedliche Lösungen favorisiert wurden. – Zum Vertragsschluss durch öffentliche Verkehrsmittel ist anzumerken: Für bestimmte Verkehrsmittel – etwa die U-Bahn in Wien – sind zum Teil andere Lösungen als für Standardfälle (Bus oder Strassenbahn) angezeigt. – Etwa: Im Regelfall wird der Beförderungsvertrag am Schalter oder am Automaten geschlossen. Durch die Entwertung der Karte wird bloß der Erfüllungszeitraum der Verkehrsbetriebe festgelegt. Das Vorfahren des Zuges und Einsteigen sind bloße Vollzugsakte. Schwarzfahrer schließen den Vertrag durch die oben erwähnte Art: Vorfahren des Zuges (Antrag an einen unbestimmten Personenkreis), Einsteigen (Annahme). Die zu bezahlende „Strafe” ist wohl Konventionalstrafe; § 1336 ABGB.
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4. Veränderte Annahme – Sich kreuzende Offerte
Was ist die Konsequenz einer veränderten „Annahme”? – Es kommt zunächst (überhaupt) kein Vertrag zustande. Es fehlt am nötigen Konsens. – Jedoch: die modifizierende „Annahme” ist als neue Offerte zu deuten. – Nur eine unveränderte Annahme führt zum Vertragsschluss. Das gilt auch für Kleinigkeiten! Konsens bedeutet eben 100%ige Übereinstimmung und nicht nur 99%ige.
Vgl § 150 dtBGB: „(1) Die verspätete Annahme eines Antrags gilt als neuer Antrag.
§ 150 dtBGB
(2) Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrage.”
Beispiel
Im Geschäftsleben kann es aber vorkommen, dass Geschäftspartner unabhängig voneinander der anderen Partei eine Offerte (zB auf Verkauf und Kauf zu identen Bedingungen) zusenden; sog Kreuzofferte. Man lässt in einem solchen Fall den Vertrag mit dem Zugang beider Anträge zustande kommen.
Sog Kreuzofferte
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5. Verspätete Annahme?
Was bewirkt eine verspätet zugehende Annahme? – Gesetz lesen: § 862a Satz 1 ABGB. Überlegen Sie, warum der Gesetzgeber diese und keine andere Regelung getroffen hat. – Vgl auch gleich unten → Annahme durch Stillschweigen?: Annahme durch Stillschweigen!
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6. Die Sonderfälle des § 864 ABGB
Die Erfüllung bedeutet einen Verzicht auf eine ausdrückliche Annahmeerklärung. Man spricht hier auch von einem Vertragsschluss ohne (ausdrückliche) Annahmeerklärung oder von „stiller” Annahme, weil dem Antrag (ohne „formelle” Annahmeerklärung) bloß durch tatsächliche Ausführung entsprochen wird; vgl JBl 1969, 337. Das Gesetz trifft diese Regelung aus Gründen der Vereinfachung des Vertragsschlusses und kaufmännischer Rationalisierung. Deshalb verzichtet es auf eine mündliche oder schriftliche Annahmeerklärung der Offerte. – Das Kaufhaus sendet bspw die bestellte Ware innerhalb angemessener Frist (!) zu, ohne vorher (separat) schriftlich angenommen zu haben. Im Absenden der bestellten Ware liegt das tatsächliche Entsprechen iSd Gesetzes.
Annahme durch tatsächliches Entsprechen: § 864 Abs 1 ABGB
Um eine willkürliche Anwendung dieser gesetzlichen Ausnahmeregel auszuschalten, schränkt das Gesetz selbst ihre Anwendung durch den Hinweis auf die Natur des Geschäfts und die Verkehrssitte ein.
Beispiel
Das Gesetz stellt nunmehr (ab 1.1.1997, BGBl I 6) ausdrücklich klar, dass unbestellte Ware weder bezahlt, noch aufbewahrt oder zurückgesandt werden muss, sondern sogar weggeworfen / entsorgt werden kann. Ausnahme: Die zugesandte Sache ist – den Umständen nach erkennbar – irrtümlich an den Empfänger gelangt; zB Postbote legt Päckchen (der Nachbarin) ins falsche Hausbrieffach ein. – Das Behalten, Verwenden (zB Notizenmachen in einem Buch) oder Verbrauchen solcher Sachen gilt daher bei unbestellter Ware nicht mehr als (Real)Annahme einer (Real)Offerte!
Zusendung unbestellter Waren: § 864 Abs 2 ABGB
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7. Annahme durch Stillschweigen?
Wie steht es um die rechtsgeschäftliche Bedeutung des Stillschweigens? Gibt es auch eine Annahme durch (Still)Schweigen des Vertragspartners? – Grundsätzlich nicht! Denn Schweigen gilt rechtlich – und zwar sowohl im bürgerlichen wie im Handelsrecht (vgl HS 6227 [1968]) – als Ablehnung und nicht als Zustimmung zum Vertragsschluss. Daher keine Geltung des Satzes: Qui tacet consentire videtur; vgl etwa SZ 55/106 (1982) oder JBl 1974, 373. Nur unter besonderen Umständen kann Stillschweigen als Annahme gewertet werden, nämlich dann, wenn der sich nicht Äußernde nach Vertrag, Gesetz, nach der Verkehrssitte oder nach Treu und Glauben hätte reden/sich äussern müssen.
Stillschweigen bedeutet grundsätzlich Ablehnung
Hier geht es um die Bedeutung schlichten Stillschweigens, nicht um ein sonstiges Verhalten iSd § 863 ABGB, wo zwar auch das Stillschweigen eine Rolle spielen kann, aber häufig zusätzlich Handlungen gesetzt werden, die objektiv einen bestimmten Erklärungswert besitzen, weshalb der Rechtsgeschäftspartner Vertrauensschutz verdient.
Das Gesetz selbst macht aber wichtige Ausnahmen:
Ausnahmen
§ 862a Satz 2 ABGB: Rechtzeitige Absendung – verspäteter Zugang – „Trotz ... Verspätung [der Annahme] kommt jedoch der Vertrag zustande, wenn der Antragsteller erkennen musste [zB durch den Poststempel oder das Maildatum!], dass die Annahmeerklärung rechtzeitig abgesendet wurde, und gleichwohl seinen Rücktritt dem andern nicht unverzüglich anzeigt.” – Regeln wie diese sorgen für einen klaglosen und effizienten Ablauf des rechtsgeschäftlichen Verkehrs, was zentraler Gedanke des Vertrauensschutzes ist.
Diese Lösung des Gesetzes trägt den Interessen beider Verhandlungspartner Rechnung: Denen des Offerenten, der schon anders disponiert haben kann, und denen des Annahmenden, der korrekt gehandelt hat. Dem Offerenten gebührt aber ein vorrangiger (Verkehrs)Schutz; daher sein Rücktrittsrecht.
• Bei der Freibleibend-Offerte muss der Offerent unverzüglich nach dem Zugang der Annahmeerklärung ablehnen. Sein Stillschweigen oder zu langes Zögern gilt als (fingierte) Zustimmung → Die (allgemeine) Freibleibend-Offerte;
• § 1081 ABGB: Kauf auf Probe (Gesetz lesen) → KAPITEL 2: Nebenabreden beim Kauf, S. 66;
• § 362 HGB: sog Antrag zur Geschäftsbesorgung. Vgl damit § 1003 ABGB, dessen Rechtsfolge weniger weit geht: bloße Haftung für Vertrauensschaden → KAPITEL 6: Wofür wird bei cic gehaftet?.
Zum Auftrag als Vertragstypus der Geschäftsbesorgung → KAPITEL 12: Der Auftrag.


§ 362 HGB – § 1003 ABGB
Abbildung 5.16:
§ 362 HGB – § 1003 ABGB
• Im Mietrecht spielt das Stillschweigen bei Vertragsverlängerungen eine Rolle; vgl § 1114 ABGB: „Der Bestandvertrag kann aber nicht nur ausdrücklich; sondern auch stillschweigend erneuert werden ....” ZB dann, wenn das zeitlich befristete Bestandverhältnis nach Ablauf der Bestandzeit fortgesetzt wird, „und der Bestandgeber es dabei bewenden lässt.” – § 1115 ABGB bestimmt, dass die „stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrages ... unter den nämlichen Bedingungen [geschieht] unter welchen er vorher geschlossen war.” Dort wird auch geregelt für wie lange die stillschweigende Vertragsverlängerung gilt. – Vgl zB auch § 29 Abs 3 MRG.
Mietrecht
Schweigen wird von der Rspr auch dann rechtlich als Zustimmung gewertet, wenn eine Pflicht zur Äußerung bestanden hat. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schweigende nach Gesetz oder redlicher Verkehrsübung (Treu und Glauben → KAPITEL 11: Treu und Glauben) hätte reden müssen.
Beispiel
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8. Realofferte und Realannahme
Man versteht darunter eine Offerte mit gleichzeitiger Übersendung der angebotenen Ware; zB Bücher, Zeitschriften. Dafür trifft nunmehr § 864 Abs 2 ABGB (ab 1.1.1997, BGBl I 1997/6 → Die Sonderfälle des § 864 ABGB) eine neue Regelung für das bürgerliche Recht, während für das Handelsrecht weiterhin § 362 Abs 2 HGB (Aufbewahrungspflicht) gilt.
Realofferte
Auch Real-Annahme ist möglich; zB durch Gebrauch / Benützung: Ins Buch werden Anmerkungen geschrieben! – Oder: Sie beißen bereits im SB-Laden vor Hunger vom Brotwecken ein Stück ab oder trinken aus der Milchflasche. – Zu beachten ist aber auch hier nunmehr § 864 Abs 2 ABGB.
Real-Annahme
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9. Die (allgemeine) Freibleibend-Offerte
Bei normaler Offertstellung tritt die Antragsbindung des Offerenten mit dem Zugang seiner Offerte beim Anerklärten ein. Der Offertsteller muss ab diesem Zeitpunkt – der Partner erlangt ein einseitiges Gestaltungsrecht! – damit rechnen, dass sein Geschäftspartner die Offerte annimmt, wodurch der Vertrag zustande kommt. Der Antragsteller muss daher leistungsbereit sein – dh zB: die Ware vorrätig halten, um den (von ihm angeregten) Vertrag erfüllen zu können. Das zeitigt die Konsequenz, dass der Antragsteller nur ganz bestimmte Anbote stellen kann, wenn sein Warenvorrat begrenzt ist. – Diese oft unerwünschte Konsequenz will die Freibleibend-Offerte ausräumen. Sie ermöglicht es, auch bei einer bloß geringen Anzahl vorhandener Waren, einem viel größeren Interessentenkreis zu offerieren und dadurch die Verkaufschancen zu erhöhen. Im kaufmännischen Geschäftsleben ist die Freibleibend-Offerte deshalb beliebt, weil sie es zulässt, betriebswirtschaftlich flexibler anzubieten, ohne sich zu binden und die Entscheidung über den Vertragsschluss schon zu früh aus der Hand zu geben.
Rasche Antragsbindung soll vermieden werden
Offeriert jemand „freibleibend”, „ohne obligo”, „unverbindlich” udgl, will er als Antragsteller die übliche Antragsbindung vermeiden. – Im Zweifel gilt: Der „Antragsteller” kann hier auch noch die zugegangene „Annahme” ablehnen. Seine „Offerte” wird dadurch zur bloßen Aufforderung / Einladung einen Antrag zu stellen. Die „Annahme” ist dann eigentlich nur der Antrag, der wiederum angenommen oder abgelehnt werden kann.
Zweifelsregel
Offeriert jemand „freibleibend”, muss er aber nach Zugang der „Annahme” seitens des Geschäftspartners nach hA unverzüglich ablehnen, sonst gilt sein Stillschweigen ausnahmsweise als Annahme und der Vertrag kommt zustande; § 862a ABGB iVm § 362 Satz 1 HGB analog. Es handelt sich hier um einen jener Ausnahmefälle, bei denen Stillschweigen als Zustimmung gilt → Annahme durch Stillschweigen?
„Unverzüglich“ ablehnen
Vgl auch oben → Willenserklärung und Rechtsgeschäft – Die Deutung des Stillschweigens als Zustimmung ist rechtstechnisch eine Fiktion; und zwar aus Verkehrsschutzüberlegungen → KAPITEL 13: Erfüllungsfiktion.
Beispiel


Freibleibend-Offerte/FO
Abbildung 5.17:
Freibleibend-Offerte/FO
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10. Klausel „Preise freibleibend”, sog Zirkaklausel
Hier wird ein gültiger und unbedingter Vertrag geschlossen, freilich mit der Nebenabrede, dass der Offertsteller nicht endgültig an den im Vertrag genannten Preis gebunden sein soll, sondern diesen nachträglich auch einseitig (angemessen oder nach im Vertrag festgelegten Kriterien) noch ändern kann. Der vereinbarte Preis ist eben bloß ein vorläufiger, ein Zirkapreis. – Bspw der Verkäufer kann den vereinbarten Preis zwar einseitig, aber nicht willkürlich (!) bis zur Lieferung erhöhen.
Keine Willkür
Mit der Klausel „Preise freibleibend” überbürdet der Verkäufer die sonst von ihm zu tragende Gefahr einer allfälligen Preiserhöhung (zwischen Vertragsschluss und Lieferung) auf den Käufer.
Gefahrüberbürdung
In der Praxis wird eine Zirkaklausel vor allem beim Abschluss von Lieferverträgen (mit Lieferterminen, die zB wenigstens einige Monate nach dem Vertragsschluss liegen oder bei Dauervereinbarungen) über Güter / Waren vereinbart, die am (Welt)Markt größeren und häufigeren Preisschwankungen unterliegen und die – ohne Zusatzvereinbarung – der Verkäufer zu tragen hätte; zB bei Erdöl und seinen Derivaten, Tee, Kaffee, Kakao, Gold udgl.
Bedeutsam für mittel- bis langfristige Lieferverträge
Anders als bei der Freibleibend-Offerte geht es bei der Klausel „Preise freibleibend” nicht darum, ob überhaupt ein Vertrag geschlossen wird oder nicht, sondern nur um die Möglichkeit, auch noch nachträglich den vereinbarten Preis verändern – dh idR erhöhen – zu können. Der Verkäufer kann aber – wie angedeutet – keine Phantasiepreise verlangen. In der Praxis empfiehlt sich das Vereinbaren einer Obergrenze (zB: „maximal 10 %”) oder eines Kriteriums, wonach der Preis erhöht werden kann; zB: „ ... vorbehaltlich einer Erhöhung durch Preisänderungen im Sektor Druck und Papier.” – Oder: Praktisch häufig ist eine Koppelung an den jeweiligen Markt- oder Börsenpreis zum Lieferzeitpunkt. – Bei unbilliger einseitiger Preiserhöhung kann der Richter angerufen werden, der nachträglich korrigierend eingreifen kann. Vgl dazu → KAPITEL 2: Preisbestimmungsmodalitäten; § 1056 ABGB.
Vereinbaren einer Obergrenze ratsam – Überprüfbarkeit durch den Richter


Klausel: „Preise freibleibend”
Abbildung 5.18:
Klausel: „Preise freibleibend”
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11. Das (kaufmännische) Bestätigungsschreiben
Auch wichtige Verträge werden im Rechts- und Wirtschaftsleben oft nur mündlich ausgehandelt: „Einverstanden?” – (vielleicht mit Handschlag) „Einverstanden!” Dennoch besteht im Nachhinein oft das Bedürfnis, den Inhalt des bloß mündlich geschlossenen Vertrags auch schriftlich – wenigstens in seinen Hauptpunkten – niederzulegen.
Beachte
Das Bestätigungsschreiben kommt diesem praktischen Bedürfnis entgegen und legt eine vorangegangene mündliche Vereinbarung nachträglich einseitig schriftlich nieder. Dieses nachträgliche einseitige schriftliche Niederlegen des mündlich Vereinbarten – das jeder Vertragsteil vornehmen kann – dient vor allem der Beweissicherung, aber auch als Gedächtnisstütze. Denn oft wird mündlich keineswegs alles besprochen, Details werden – bewusst oder unbewusst – offengelassen, was Unsicherheit nach sich ziehen kann und die Gefahr birgt, das Versäumte nachzuholen.
Beweissicherung und Gedächtnisstütze
Zur Bedeutung der Form überhaupt → KAPITEL 15: Die Form (im Privatrecht).
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1970, 478: Das kaufmännische Bestätigungsschreiben verfolgt den Zweck, den Inhalt eines mündlich, telefonisch, telegraphisch oder durch Vertreter abgeschlossenen Vertrags zu wiederholen, um etwaige Missverständnisse, Unklarheiten oder sonstige Unstimmigkeiten hintanzuhalten und den Abschluss der Nachprüfung des anderen Teiles zu unterbreiten. – Sachverhalt: Bestellung von Werbeprospekten für ein InfragrillgerätIrrtum im Format: A 4 statt A 3: Ein Angestellter einer Druckerei füllt etwa eine halbe Stunde nach geschlossenem mündlichen Vertrag, um den „Auftrag” festzuhalten, ein betriebsinternes Formular aus, in das er irrtümlich ein falsches Druckformat einträgt: nämlich A 4 statt A 3. Eine Kopie des (falsch!) ausgefüllten Formulars übermittelt er dem Besteller des Druckauftrags, der den Fehler nicht bemerkt, weil er das Formular gar nicht mehr liest; er meinte ohnehin zu wissen, was es enthält. Erst bei Lieferung der gedruckten Prospekte wird der Fehler entdeckt. – Da eine gütliche Einigung misslang und der Besteller die Druckkostenzahlung verweigerte, klagte die Druckerei ihre Werklohnforderung ein. Wie würden Sie entscheiden?
Diese vor allem – aber nicht nur – im kaufmännischen Bereich vorkommende „Übung” soll also eilige, bloß mündlich getroffene Vereinbarungen schriftlich festhalten, um mögliche Unklarheiten und unterschiedliches Verständnis ebenso auszuräumen, wie ein späteres Vergessen oder Abändern des Vereinbarten verhindern. – Kein Problem entsteht, wenn das Bestätigungsschreiben vollständig mit dem mündlich Vereinbarten übereinstimmt. Probleme entstehen dagegen, wenn Bestätigungsschreiben und mündliche Vereinbarung nicht übereinstimmen – sei es unbeabsichtigt oder beabsichtigt – und dem Vertragspartner dies (zunächst vielleicht gar) nicht auffällt, weil er zB das Bestätigungsschreiben nicht mehr liest; vgl den Sachverhalt von JBl 1970, 478. – Ein Problem entsteht uU aber auch dann, wenn die Vertragsparteien zwar eine grundsätzliche Einigung erzielt haben, Details aber entweder gar nicht oder doch nur ‘grob’ erörtert haben und das ‘Fehlende’ nun von einem Vertragsteil in seinem Bestätigungsschreiben (nach seinem Verständnis) schriftlich ergänzt wird.
Worin liegt das Problem?
Zu beachten ist hier grundsätzlich, dass fehlende Parteivereinbarungen durch das Dispositivrecht zu ergänzen sind, keinesfalls aber einseitig durch eine der Vertragsparteien vorgenommen werden darf, sofern dies vom Dispositivrecht abweicht. – Zum Dispositivrecht überhaupt und zu dessen Gerechtigkeitsgewähr → KAPITEL 7: Nachgiebiges und zwingendes Recht.
Bedeutung des Dispositivrechts
Beispiel
Das (kaufmännische) Bestätigungsschreiben ist gesetzlich nicht geregelt, vielmehr ein Geschöpf der (Rechts)Praxis. – Die Rspr hat unser Problem im Laufe der Zeit unterschiedlich behandelt, was zeigt, dass sich die Judikaturmeinung von Höchstgerichten (hier des OGH) ebenso ändern kann, wie die Ansichten im Schrifttum.
Gesetzlich nicht geregelt
Nach älterer Lehre und Rspr (vgl neben JBl 1970, 478 etwa HS 6228)– etwa bis zur Mitte der 70er Jahre – galt Schweigen auf ein zugegangenes Bestätigungsschreiben, außer bei Arglist (, die aber immer schwer zu beweisen ist!), als stillschweigende Zustimmung zur Änderung. Das ist heute noch die deutsche Lösung (vgl etwa BGH NJW 1994, 1288), die jedoch nur für Kaufleute und andere geschäftsgewandte Personen des Wirtschaftsverkehrs gilt, was wohl auch für Österreich sachgerechter wäre, zumal das ABGB den Verkehrsschutz in den Vordergrund stellt → Zur Rechtsgeschäftslehre des ABGB
Heute wird weitgehend die Meinung vertreten, dass grundsätzlich – und zwar ohne Unterscheidung für das bürgerliche und Handelsrecht – am mündlich Vereinbarten festzuhalten ist und dass dem Schweigen (auf ein vom mündlich Vereinbarten abweichendes Bestätigungsschreiben) keine zustimmende Bedeutung gegenüber der mündlichen Vereinbarung zukommt. – Abweichungen davon werden nur ausnahmsweise zugelassen und dies vor allem im kaufmännischen Bereich; zB wenn Änderungen oder Ergänzungen im Bestätigungsschreiben klar als solche gekennzeichnet sind oder nach Treu und Glauben eine Äußerungspflicht desjenigen anzunehmen ist, dem das Bestätigungsschreiben zugeht → Das (kaufmännische) Bestätigungsschreiben und → Arten von Willenserklärungen: § 863 ABGB: § 863 ABGB.
Lösung – Heute
Eingehende Bestätigungsschreiben sind aufmerksam zu lesen! Und zwar von dem, der „dabei” war. Wenn nötig, muss unverzüglich richtiggestellt werden!
Faustregel für die Praxis
Der OGH änderte seine Meinung wegen grundsätzlicher Kritik seitens des Schrifttums; so Wahle in Klang2, IV/2, 37, insbesondere 39 und idF auch F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes 194 (1967), sowie derselbe, Zur Entmythologisierung des „kaufmännischen Bestätigungsschreibens” im österreichischen Recht, in: FS Flume 335 (1978); vgl auch Gschnitzer, AllgT 523 (19922).
Vgl nunmehr etwa SZ 47/83 (1974), SZ 50/112 (1977) oder SZ 55/106 (1982): Das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, das vom wirklich Vereinbarten abweicht, vermag den Vertrag also nicht nachträglich zu ändern, wenn nicht besondere Ausnahmefälle vorliegen. – Diese Position gewichtet eigentlich nur den Grundsatz des pacta sunt servanda.


Das (kaufmännische) Bestätigungsschreiben
Abbildung 5.19:
Das (kaufmännische) Bestätigungsschreiben
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12. § 867 ABGB: Vertragsschlüsse mit der öffentlichen Hand – Zur Geschäftsfähigkeit von Gemeinden
Schließt eine juristische Person des öffentlichen Rechts – die Gemeinde steht im Gesetz dafür als Beispiel – ein (privatrechtliches) Rechtsgeschäft, so ist es ihren Vertragspartnern nicht immer einsichtig, ob auch die (internen) Voraussetzungen für die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts, insbesondere die Abschlussberechtigung, Zuständigkeits- und Formvorschriften, vorliegen. Es gilt daher der Grundsatz: Sich erkundigen oder – noch besser – selbst zB in die Gemeindeordnung Einsicht nehmen, wer abschlussberechtigt ist; der Bürgermeister oder der Gemeinderat oder beide zusammen.
Gemeinde als Beispiel
„Was zur Gültigkeit eines Vertrages mit einer unter der besondern Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden Gemeinde (§ 27 ABGB), oder ihren einzelnen Gliedern und Stellvertretern erfordert werde, ist aus der Verfassung derselben und den politischen Gesetzen zu entnehmen (§ 290 ABGB).”
§ 867 ABGB
Wird daher zB mit dem Bürgermeister (allein) ein Vertrag geschlossen, der auch der Zustimmung des Gemeinderats bedarf, ist der Vertrag nach hA – für die es nachhaltig einzutreten gilt – ungültig! Man kann sich also rechtlich nicht darauf verlassen, wenn ein Gemeindeorgan behauptet, für den Abschluss zuständig zu sein. Ungültig ist das Rechtsgeschäft deshalb, weil die nötige Geschäftsfähigkeit (!) der handelnden öffentlichen Körperschaft nur dann vorliegt, wenn diese Körperschaft korrekt, also „statutengemäß”, dh unter Einhaltung bestehender Zuständigkeits- und Formvorschriften – vom richtigen Organ – vertreten wird.
Bürgermeister versprechen immer wieder zuviel
Ein den Vertrag fälschlicherweise abschließendes Organ kann aber eine Haftung der jeweiligen Körperschaft des öffentlichen Rechts – zB für cic – begründen, wobei der haftenden Körperschaft uU wiederum Rückgriffsansprüche zustehen; JBl 1995, 522.
Cic-Haftung
Beachte
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 54/11 (1981): Bestimmungen einer GemeindeO (hier: NÖ), die den Abschluss bestimmter Rechtsgeschäfte dem Gemeinderat vorbehalten, stellen nicht bloß interne Organisationsvorschriften dar, sondern beinhalten eine Beschränkung der allgemeinen Vertretungsbefugnis (richtig: der Geschäftsfähigkeit) des Bürgermeisters.
ZAS 2001, 51/5: Kollidieren die Interessen eines gutgläubigen Dritten an der Gültigkeit seiner mit der öffentlichen Hand geschlossenen Verträge mit dem Interesse der öffentlichen Hand an der Einhaltung ihrer Zuständigkeits- und Formvorschriften, ist bei der eindeutigen Vorschrift einer bestimmten Form des Abschlusses dieser der Vorrang einzuräumen.
SZ 61/241 (1988) – Errichtung eines Abwasserkanals durch eine BauGmbH für eine Salzburger Gemeinde: § 39 der Slbg Gemeindeordnung, wonach mit einer Gemeinde abgeschlossene Verträge zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen, begrenzt in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die Vollmacht der Gemeindeorgane und schließt das konkludente Zustandekommen eines Vertrags aus, nicht aber Bereicherungsansprüche; hier nach § 1042 ABGB → Verwendungsansprüche – Sachverhalt: Die beklagte Gemeinde beauftragte eine BauGmbH, einen Abwasserkanal zu errichten. Im Zuge der Bauarbeiten traten Risse in den Außenwänden des im Eigentum der Republik Österreich stehenden Flussbauhofs auf. Der Auftrag zur Errichtung des Kanals wurde entgegen den Bestimmungen der Slbg Gemeindeordnung bloß mündlich (telefonisch) erteilt. Aus den Entscheidungsgründen des OGH: „ ... Geht man also davon aus, dass jener Werkvertrag, aus dem die Klägerin in erster Linie ihren Anspruch ableitet, mangels Einhaltung der vorgeschriebenen Schriftform nicht rechtswirksam zustande gekommen ist, so scheidet ein vertraglicher Entgeltanspruch der Klägerin aus. Selbstverständlich kann dort, wo die Wirksamkeit eines Vertrages von der Einhaltung bestimmter Formvorschriften abhängig gemacht wird, das konkludente Zustandekommen eines Vertrages nach § 863 ABGB bei Verletzung der Formvorschriften nicht in Frage kommen. Wer mit einer Gemeinde einen Vertrag schließt, muss die für ihre Willensbildung geltenden öffentlichrechtlichen Bestimmungen beachten und sie auch dann gegen sich gelten lassen, wenn er sie nicht gekannt hat ( ...). Der Schutz des Vertrauens auf einen äußeren Tatbestand kommt insoweit nicht in Betracht ( ...).” – Wie die BauGmbH dennoch zu ihrem Geld kam erfahren Sie unter → Ungerechtfertigte Bereicherung
OGH 22. 2. 2000, 1 Ob 14/00s, SZ 73/34: Die Kläger erwerben eine Liegenschaft in Kärnten, zu deren Gutsbestand eine Baufläche mit Haus gehörte; dieses befand sich innerhalb der „roten Zone” des Gefahrenzonenplans, die für Siedlungszwecke ungeeignet ist. Dies war jedoch im Flächenwidmungsplan der beklagten Gemeinde nicht ersichtlich gemacht. Auch der Gemeindesekretär erklärte dem Käufer auf dessen Rückfrage, es liege „alles in der ‚gelben Zone’” und es seien keine „Auflagen zu befürchten”. Als sich der tatsächliche Sachverhalt herausstellt, klagt der Käufer die Gemeinde auf Schadenersatz. – OGH: Behördliche Auskünfte bezwecken den Schutz wirtschaftlicher Dispositionen des Auskunftswerbers (OGH bejaht somit Rechtswidrigkeitszusammenhang); dieser hat daher ein subjektives öffentliches Recht (führt zur Anwendbarkeit des § 1298 ABGB) auf Erteilung einer der Sache nach richtigen Auskunft. Bezieht sich die Auskunft auf eine hoheitlich zu vollziehende Verwaltungsmaterie, ist auch der Realakt der Auskunft selbst eine Maßnahme hoheitlicher Verwaltung; daher Anwendbarkeit des AHG. – OGH ging nicht den einfacheren Weg über die auch für den Bereich des öffentlichen Rechts anerkannte cic-Haftung der Gemeinde nach dem Muster des Golf-Hotel-Falls, der die Probleme fasslicher gelöst hätte; cic iVm § 867 ABGB.


Geschäftsfähigkeit von Gemeinden: § 867 ABGB
Abbildung 5.20:
Geschäftsfähigkeit von Gemeinden: § 867 ABGB
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13. Elektronischer Vertragsschluss – E-Commerce
Immer mehr Menschen haben Zugang zum Internet, immer mehr Verkäufer (zB Versandhäuser) bieten ihre neuen Waren/Kollektionen etc im Medium Internet an (= Einladung zur Offerte).
Die Umsetzung der E-Commerce-RL der EU erfolgte durch das E-Commerce-Gesetz /ECG 2001, BGBl I 152. Das Ziel der RL bestand darin, die kommerziellen Online Angebote und Online Dienste einer vereinheitlichten (Gemeinschafts)Regelung zuzuführen. Damit wird der Rechtsrahmen für Dienstleistungen in der Informationsgesellschaft national und EU-weit ausgebaut.
Nach der Fernabsatz-RL (1997/7/EG) über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, mit der für den Versandhandel und das Verbrauchergeschäft im Internet ein Mindeststandard geschaffen wurde – umgesetzt durch das FernabsatzG, BGBl I 185/1999 – und der Signatur-RL (1999/93/EG) über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen – umgesetzt durch das SignaturG, BGBl I 190/1999 (→ KAPITEL 15: Bundesgesetz über elektronische Signaturen) – folgte nun ein weiterer legistischer Schritt.
Näheres zum ECG und seinen Anwendungsbereich und überhaupt zu „Internet und Recht” → KAPITEL 2: Internet und Recht.
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IV. Der Dissens
Literaturquelle
1. Konsens und Dissens
Wir wissen bereits, dass der Vertragsschluss Konsens voraussetzt. Aber nicht immer gelingt er. Mitunter besteht, ohne dass es den verhandelnden Parteien oder einer von ihnen aufgefallen ist, Dissens; eine Rolle spielt das auch bei sich widersprechenden AGB. Das passiert – bspw in der Eile des Geschäftslebens – leichter als man glaubt. – Dissens, der – wie das AGB-Beispiel zeigt – auch bloß ein Teil-Dissens sein kann, ist anzunehmen, wenn sich die (Willens)Erklärungen beider Parteien – objektiv (!) – nicht decken, obwohl die Parteien (subjektiv) meinen, einig zu sein.
Beim Konsens wird zwischen natürlichem und normativem unterschieden. Jener liegt vor, wenn die Willenserklärungen inhaltlich tatsächlich übereinstimmen; dieser, wenn die Erklärung einer Partei zwar etwas anderes wollte, aber nach der bei entgeltlichen Verträgen anzuwendenden Vertrauenstheorie zugunsten der anderen Partei ausgelegt wird, weil diese nach der Verkehrsauffassung zu schützen war. In beiden Fällen kommt aber ein Vertrag zustande. – Die üblichen (Lehr)Beispiele betreffen den Währungs-”Dissens” (Franken- oder Dollar-Fälle); etwa:
Natürlicher und normativer Konsens
Der eine Teil meinte beim Vertragsschluss Schweizer Franken, der andere französische. Wird der Vertrag in der Schweiz geschlossen oder ist Schweizer Recht anzuwenden, ergibt die Auslegung nach der Verkehrsauffassung, dass Schweizer Franken als vereinbart gelten. Mag das auch nicht dem Willen der einen Partei entsprechen; normativer Konsens. Der Vertrag ist zuzuhalten.
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2. Offener und versteckter Dissens
Innerhalb des Dissenses wird zwischen offenem (er ist den Parteien bewusst und daher unproblematisch) und verstecktem Dissens unterschieden.
• Bei offenem Dissens wissen die Parteien, dass sie noch keinen Konsens erzielt haben. – Auf den offenen Dissens gelangt die gemeinrechtliche Regel: falsa demonstratio non nocet (= Falschbezeichnung schadet nicht) zur Anwendung. Das heißt: Vertragsinhalt wird (nur) das, was die Parteien wirklich wollten (und nicht das anders oder falsch Bezeichnete)! Vgl RGZ 99/147: Haakjöringsköd.
falsa demonstratio ...
Beispiel
Versteckter Dissens liegt vor, wenn beide Parteien meinen oder wenigstens eine meint, Konsens sei erzielt worden, dies aber nicht zutrifft.
Rechtssprechungsbeispiel
Berühmte RGZ-Urteile: – Einen klassischen Fall einer unbewussten Falschbezeichnung / Falsa demonstratio hatte das deutsche Reichsgericht 1920 zu entscheiden; RGZ 99/147: Haakjöringsköd (= norwegisch: Haifischfleisch). Beide Kaufvertragsparteien meinten, es handle sich dabei um Walfischfleisch. Das Reichsgericht betrachtete den Kauf über Walfischfleisch als gültig zustande gekommen.
Ein anderes berühmtes Beispiel des Reichsgerichts betrifft den Kauf von Weinsteinsäure (RGZ 104, 265): Beide Parteien wollten ver kaufen. Da die Erklärungen beider Parteien hier aber objektiv zweideutig waren, war Dissens anzunehmen und die Klage der einen Partei auf Abnahme einer bestimmten Menge wurde abgewiesen. – In diesem Fall wurde also wegen unterlaufenen (versteckten) Dissenses kein gültiger Vertragsschluss angenommen → § 869 Satz 2 ABGB als gesetzliche Dissensregel
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3. § 869 Satz 2 ABGB als gesetzliche Dissensregel
Das ABGB trifft für den (versteckten) Dissens keine detailierte Regelung. § 869 Satz 2 ABGB bestimmt aber, und damit wird der Dissens wenigstens angesprochen:
„ ... oder erfolgt die Annahme unter anderen Bestimmungen, als unter welchen das Versprechen [sc die Offerte] geschehen ist; so entsteht kein Vertrag.”
Rspr und Schrifttum nehmen auf Grund dieser unvollständigen gesetzlichen Regelung in § 869 ABGB häufig stille Anleihen beim dtBGB, das in § 154 den „offenen Einigungsmangel” und in § 155, den „versteckten Einigungsmangel” behandelt. – Die Rechtsfolgen bei unterlaufenem Dissens sind nämlich unterschiedlich und nicht nur iSv § 869 Satz 2 ABGB zu ziehen.
Offener und versteckter Einigungsmangel des dtBGB
Am brauchbarsten erscheinen die Ausführungen Gschnitzers (AllgT1 186), der für die Entstehung von verstecktem Dissens drei Gruppen unterscheidet, die vom Schrifttum gerne „stillschweigend” übernommen werden:
Gschnitzers Lösung für den versteckten Dissens
(1) Die Parteieneinigung ist unvollständig:
Betrifft die Unvollständigkeit einen Hauptpunkt des Vertrags, kommt kein Vertrag zustande; betrifft sie einen Nebenpunkt, lässt Gschnitzer den Vertrag zustande kommen; arg § 885 ABGB (Punktation) iVm mit Ergänzung durch Dispositivrecht. „War freilich die Vereinbarung über die offen gebliebenen Punkte – auch unwesentliche (!) – vorbehalten, ist der Vertrag noch nicht geschlossen”; Gschnitzer aaO.
(2) Die Erklärungen der Parteien stimmen (schon!) dem Wortlaut nach nicht überein und Auslegung vermag diese Kluft nicht zu überbrücken. – Hier besteht die Möglichkeit der Irrtumsanfechtung → Rechtsfolgen von Willensmängeln: Anfechtung, Nichtigkeit und Rückabwicklung
(3) Die Erklärungen stimmen zwar dem Wortlaut nach überein, sind aber objektiv zwei- oder mehrdeutig, und jede Partei versteht sie anders; so etwa im Weinsteinsäurefall des Reichsgerichts. – Hier liegt versteckter Dissens vor und als Rechtsfolge gelangt § 869 Satz 2 ABGB zur Anwendung: „ ...[es] entsteht kein Vertrag.”
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4. Abgrenzung von Dissens und Irrtum
Die Abgrenzung von Dissens und Irrtum bereitet immer wieder Schwierigkeiten. – Als Zusammenfassung und Faustregel mag gelten:
• Missversteht eine Partei eine objektiv (also eindeutig) in bestimmter Weise zu verstehende Erklärung, liegt Irrtum vor;
• ist eine Erklärung dagegen objektiv zweideutig, Dissens.
Dissens berechtigt jeden (!) Vertragsteil, sich iSd § 869 ABGB darauf zu berufen, der Vertrag sei nicht zustande gekommen; beim Irrtum kann nur der Irrende das Geschäft anfechten (§ 871 ABGB), der Vertrag ist aber zunächst als zustande gekommen anzusehen.
zurück A. Das Rechtsgeschäft
vor C. Vertragsfreiheit und Privatautonomie