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SCHNELL GENAU UMFASSEND
Kapitel 15
Gläubiger und Schuldner benötigen für ihre Zwecke immer wieder zusätzliche rechtliche Sicherheit(en), denen daher größte praktische Bedeutung zukommt. Sie wurden – in einem weiten Sinne verstanden – in diesem Kapitel zusammengfasst: Vertragliche und gesetzliche, dingliche (B: Pfandrecht, Retentionsrecht, BTVG und Treuhand) und obligatorische Sicherheiten (A: Angeld, Konventionalstrafe, Bürgschaft etc). – Behandelt werden hier auch kurz öffentliche Register wie das Firmenbuch (A.II.). – Pkt C. fasst die Gruppe mittelbarer Sicherungsmittel zusammen: nämlich die Anweisung (I.) und deren spezifische Ausformungen Wechsel und Scheck (II. und III.) sowie den Garantievertrag (IV.) und das Dokumentenakkreditiv (V.) und – unabhängig davon – die Aufrechnung (VI.). Pkt E. bezieht die Form ein, die auf verschiedene Weise ebenfalls der Sicherheit von Rechtsgeschäften und Verträgen und der daran beteiligten Parteien dient. – Pkt D. schließlich erörtert im Kontext der bei den rechtlichen Sicherungsmitteln häufig anzutreffenden dreipersonalen Schuldverhältnisse -zB Bürgschaft, Garantievertrag - den Vertrag zugunsten Dritter.
Überblick
A. (Privat)Rechtliche Sicherungsmittel
I. Überblick
1. Wer braucht Sicherheit/en
Das Rechts- und Wirtschaftsleben verlangt in vielfacher Hinsicht nach Sicherheit/en, konkreter: nach größerer als der üblichen Sicherheit; etwa im Rahmen der Rechtsstellung des Gläubigers gegenüber seinem Schuldner. Der Gläubiger ist mit seinem Forderungsrecht auf die Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Schuldners angewiesen und daher zufälligen Änderungen derselben ohne zusätzliche Sicherheit/en weitgehend ausgeliefert; mögen das Tod oder Krankheit des Schuldners oder eine nachteilige wirtschaftliche Veränderung seines Vermögens sein, die Exekutionen oder seine Insolvenz (→ KAPITEL 19: Insolvenzrecht) bewirken können. – Sich dagegen zu schützen, ist das gute Recht eines jeden Gläubigers. – Umgekehrt benötigt auch der Schuldner Schutz bei seiner Leistungserbringung, zumal diese ohne Zug um Zug-Leistung des Gläubigers ebenso gefährdet sein kann. Das haben jene (Anlass)Fälle drastisch vor Augen geführt, die zur Erlassung des BTVG geführt haben; RA Itzlinger und Maculan-Pleite.
Was meint „Sicherheit”?
Das erinnert uns an die große Bedeutung der Zug um Zug-Leistung für die rechtliche Sicherheit beider (!) Vertragsteile → KAPITEL 2: Zug um Zug-Leistung. Es ist daher kein Zufall, dass das Zug um Zug-Leistungsprinzip in der Frühzeit des Rechtsdenkens, etwa von den Griechen, besonders betont wurde.
Rechtssicherheit ist ein hoher Rechtswert. Das Rechtssystem wird ihm – wie uns dieses Kapitel zeigt – in ganz unterschiedlicher Weise gerecht. Der Formenreichtum ist groß. Dadurch werden mittels rechtlicher „Zuschaltung” Verhaltenserwartungen der einen oder der anderen, aber auch beider Vertragsteile gefördert und stabilisiert.
Rechtssicherheit
Das „Erste Hauptstück” des „Dritten Teiles” des ABGB (§§ 1342 ff) trägt die Überschrift „Von Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten”. § 1342 ABGB zieht den Rahmen:
”Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten”
”Sowohl Personenrechte als Sachenrechte, und daraus entspringende Verbindlichkeiten können gleichförmig befestigt, umgeändert und aufgehoben werden.”
Und § 1343 ABGB nennt die „Arten der Befestigung eines Rechtes”:
”Arten der Befestigung“
”Die rechtlichen Arten der Sicherstellung einer Verbindlichkeit und der Befestigung eines Rechtes, durch welche dem Berechtigten ein neues Recht eingeräumt wird, sind: die Verpflichtung eines Dritten für den Schuldner, und die Verpfändung.”
Diese Aufzählung ist – wie wir sehen werden – unvollständig. – Rechtliche Vorsorge sollte immer auch rechtzeitig getroffen werden. Dafür vorzusorgen gehört zu den Aufgaben der Kautelarjurisprudenz.
Kautelarjurisprudenz
Beispiel
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2. Vertragliche und gesetzliche Sicherheiten
Wird von Sicherungsmitteln gesprochen, meint man idR vertragliche, also von den Vertragsparteien im konkreten Fall erst noch zu vereinbarende Sicherheiten; sei es ein Eigentumsvorbehalt, eine Wertsicherungsklausel, eine Konventionalstrafe (§ 1336 ABGB) oder ein Vertragspfand (§ 1368 ABGB).
Neben den vertraglichen oder rechtsgeschäflichen Sicherheiten gibt es aber auch eine Reihe schon gesetzlich vorgesehener Sicherheiten, die auch ohne Vereinbarung wirken; etwa das gesetzliche Vermieterpfandrecht des § 1101 ABGB, das Zurückbehaltungs- oder Retentionsrecht (§ 471 ABGB und §§ 369, 370 HGB) oder die wichtigen gesetzlichen Pfandrechte des Handelsrechts zugunsten von Kommissionär (§ 397 HGB), Spediteur (§ 410 HGB), Lagerhalter (§ 421 HGB) und Frachtführer (§ 440 HGB).
Gesetzliche Sicherheiten
Daneben ist nicht zu übersehen, dass ganze Gesetze oder Rechtsbereiche als Schutz- oder Sicherungsgesetze konzipiert sind. – Zu nennen sind hier das Arbeitsrecht (→ KAPITEL 12: Das Arbeitsrecht) und das KSchG (→ KAPITEL 2: Verbraucherrecht ¿ Konsumentenschutz), aber auch MRG (→ KAPITEL 6: Anwendungsbereich des MRG) und – wenigstens teilweise auch das – WEG 2002 → KAPITEL 8: Wohnungseigentum: WEG 2002. Auch das PHG gehört hierher → KAPITEL 7: Produkthaftung ¿ PHG 1988. Ein anderes wichtiges SicherungsG der jüngsten Vergangenheit ist das BauträgervertragsG / BTVG 1997, das – vergröbert gesagt – Wohnungskäufer insoferne schützen will, als es ihre Anzahlungen bis zum Erlangen einer dinglichen Rechtsposition sichert; dazu in diesem Kapitel → Das Bauträgervertragsgesetz / BTVG
Schutz- oder Sicherungsgesetze
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3. Dingliche und obligatorische Sicherheiten
Bevor auf wichtige Sicherungsmittel eingegangen wird, soll über das reiche Instrumentarium dinglicher und obligatorischer Sicherungsmittel ein – wenn auch unvollständiger – erster Überblick geboten werden, zumal deren nominelle Kenntnis für die künftige (Berufs)Praxis, aber auch den privaten Bedarf von Vorteil ist.
Zu den Vorzügen dinglicher Rechtspositionen vgl insbesondere auch → Persönliche, dingliche und beschränkte Haftung sowie → KAPITEL 8: Was bedeutet dingliche Sicherheit?.
So wie die Sachenrechte insgesamt (durch den Typenzwang! → KAPITEL 8: Typenzwang) überschaubar sind, gibt es bislang auch nur wenige dingliche Sicherheiten:
Dingliche Sicherheiten
• Der Eigentumsvorbehalt, ist das am weitesten verbreitete dingliche Warensicherungsmittel (samt Exszindierung und Aussonderung) → KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel;
• das Pfandrecht: als Faustpfand oder Hypothek → Das Pfandrecht; zum Lombardkredit (Wertpapier- oder Warenlombard) → Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Pfandrechts;
• die Sicherungsübereignung → KAPITEL 8: Die Sicherungsübereignung;
• das (kaufmännische) Zurückbehaltungs- oder Retentionsrecht → Das Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB
Zu verschiedenen (nicht nur dinglichen) Sicherungsmöglichkeiten beim Liegenschaftskauf → KAPITEL 2: Besonderheiten des Liegenschaftskaufs;
zum (allgemeinen) Zug um Zug-Prinzip → KAPITEL 2: Zug um Zug-Leistung. (§ 1052 ABGB).
Die im Schuldrecht geltende Vertragsfreiheit (→ KAPITEL 5: Vertragsfreiheit und Privatautonomie) hat auch zu einer ansehnlichen Zahl obligatorischer Sicherheiten geführt:
Obligatorische Sicherheiten iwS
Garantievertrag / Bankgarantie → Garantievertrag und Bankgarantie;
Bürgschaft: §§ 1346 ff ABGB → Die Bürgschaft: §§ 1346 ff ABGB;
Dokumentenakkreditiv → Das Dokumentenakkreditiv;
Angeld: § 908 ABGB → Angeld: § 908 ABGB;
Reugeld: §§ 909 ff ABGB, § 7 KSchG + Storno → Reugeld: §§ 909 ff ABGB und § 7 KSchG;
Konventionalstrafe: § 1336 ABGB und § 348 HGB iVm Art 8 Nr 3 der 4. EVHGB → Die Konventionalstrafe des § 1336 ABGB;
Schuldbeitritt und Schuldnerwechsel → KAPITEL 14: Der Schuldnerwechsel;
Sicherungszession → KAPITEL 14: Sicherungszession + Factoring → KAPITEL 14: Das Factoring;
Terminsverlust: § 13 KSchG → KAPITEL 2: Terminsverlust (§ 13);
Wechsel / Scheck → Der Wechsel und → Der Scheck;
• (gegenseitige) Aufrechnungsmöglichkeiten: §§ 1438 ff ABGB → Aufrechnung / Kompensation;
Vorkaufs- → KAPITEL 2: Das Vorkaufsrecht (§§ 1072 ff ABGB) und Wiederkaufsrecht → KAPITEL 2: Nebenabreden beim Kauf ¿ Übersicht (§§ 1068 ff ABGB);
Vorvertrag: § 936 ABGB → KAPITEL 6: Der Vorvertrag: § 936 ABGB;
Fixgeschäft: § 919 ABGB → KAPITEL 7: Das Fixgeschäft: § 919 ABGB und § 376 HGB;
Wertsicherung (sklauseln) → Wertsicherung;
Kaution/en → Kaution/en
Beachte
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II. Öffentliche Register
Im Rahmen der Sicherungsmittel iwS zu erwähnen sind aber auch noch andere (Rechts)Einrichtungen, wie bestimmte öffentliche Bücher oder Register, die ebenfalls der (Rechts)Sicherheit dienen; vor allem das Grundbuch (→ KAPITEL 2: Das Grundbuch) und das Firmenbuch. Letzters wird im Anschluss kurz behandelt → Das Firmenbuch / FB Zum Patent-, Marken- und Musterrechtsregister ebenfalls gleich unten → Marken-, Muster- und Patentregister
[Punkt] Zu erinnern ist hier auch an die wichtigen Registrierungsaufgaben im Rahmen des Personenstandswesens: Geburten-, Heirats- und Sterbebuch → KAPITEL 17: Das Personenstandsrecht.
Rechtsgeschichtlich ist das rechtlich-administrative Registrierungswesen griechischen Ursprungs, wie überhaupt auch der hier so bedeutende Publizitätsgedanke des Sachenrechts sowie das Archiv- und Urkundenwesen eine bedeutende Leistung des antiken griechischen Rechtsdenkens darstellt.
Literaturquelle
Bislang werden die Möglichkeiten der EDV/ADV für rechtliche Registrierungsaufgaben noch zu wenig genützt. Manches Publizitätsproblem könnte dadurch aber effizienter gelöst werden.
1. Das Firmenbuch / FB
Das FB ist Nachfolgerin des alten Handelsregisters; Rechtsquellen: FBG, BGBl 1991/10 und die §§ 8-16 HGB. Es dient der Transparenz des Handelsverkehrs. Insbesondere Vollkaufleute sind verpflichtet bestimmte sie betreffende Daten / Tatsachen in dieses öffentliche Register (Publizität!) eintragen zu lassen.
Hauptbuch und Urkundensammlung
Das FB ist in seinem Aufbau dem Grundbuch nachgebildet und besteht wie dieses aus einem Hauptbuch und einer Urkundensammlung; § 1 Abs 1 FBG. Es dient nach § 1 Abs 2 FBG der Verzeichnung und Offenlegung von Tatsachen die nach dem FBG oder sonstigen Rechtsvorschriften einzutragen sind. Das FB wurde auf automationsunterstützte Datenverarbeitung (ADV) umgestellt, was ein bequemes Abrufen dieser Daten ermöglicht; vgl §§ 28 ff FBG. Zur FB-Abfrage ist nach § 34 FBG grundsätzlich „jedermann” befugt; vgl auch § 9 Abs 1 HGB. Notare (§ 35 FBG) und Rechtsanwälte (§ 35a FBG) haben die Voraussetzungen für FB-Abfragen zu schaffen. Seit 1999 können FB und Grundbuch auch über das Internet abgefragt werden.
Für aus der Führung des FB verursachte Fehler haftet der Bund; § 37 FBG. – Das DSG 2000 (BGBl 165/1999) ist auf das FB nicht anzuwenden; § 38 FBG.
Haftung für Fehler
FB-Sachen sind Angelegenheiten des außerstreitigen Verfahrens. Sachlichzuständigsind die Gerichtshöfe I. Instanz, sofern sie mit Handelssachen betraut sind; örtlich zuständig ist das Gericht in dem ein Unternehmen seine Hauptniederlassung oder seinen Sitz hat; § 120 Abs 1 JN. In FB-Sachen entscheiden Einzelrichter und Rechtspfleger.
Zuständigkeit
Ins FB (Hauptbuch) eingetragen werden nach § 2 FBG bspw: Einzelkaufleute, Personengesellschaften (OHG und KG), Erwerbsgesellschaften, Kapitalgesellschaften, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Sparkassen, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und Privatstiftungen sowie EWIV.
Was wird eingetragen?
Bei allen Rechtsträgern sind nach § 3 FBG einzutragen (sog allgemeine Eintragungen): Die FB-Nummer, die Firma, die Rechtsform des Unternehmens, Sitz- und Zustellungsanschrift, (nach eigener Angabe) eine kurze Bezeichnung des Geschäftszweigs, Zweigniederlassungen, Tag des Gesellschaftsvertragsabschlusses etc, Name und Geburtsdatum des Einzelkaufmanns (bei anderen Rechtsträgern ihre vertretungsbefugten Personen samt Beginn und Art ihrer Vertretungsbefugnis), bei Prokuristen (Name, Geburtsdatum sowie Beginn und Art ihrer Vertretungsbefugnis), laufende Exekutionen oder Insolvenzverfahren, laufende Liquidationen / Abwicklungen, Vereinbarungen nach den §§ 25 Abs 2 oder 28 Abs 2 HGB etc.
allgemeine Eintragungen
Bei Einzelkaufleuten, Personengesellschaften und Erwerbsgesellschaften sind nach § 4 FBG zB ferner einzutragen (sog besondere Eintragungen): Bestellung eines Sachwalters oder Name und Geburtsdatum der Kommanditisten samt Höhe ihrer Einlage etc. § 5 FBG (Aktiengesellschaften und GmbHs) und § 6 (Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften) treffen Sondervorschriften für diese Rechtsträger.
besondere Eintragungen
Allfällige Änderungen eingetragener Tatsachen sind unverzüglich anzuzeigen; § 10 FBG. § 12 FBG trifft Vorsorge hinsichtlich der Urkundensammlung, § 13 FBG regelt Mitteilungspflichten an die Gerichte, zumal das FB-Gericht Anmeldungen auf ihre Zulässigkeit und Richtigkeit zu prüfen hat. – Die §§ 15 ff FBG regeln das FB-Verfahren.
Änderungen
Sie wird in Form eines Auszugs / Ausdrucks gewährt. In die Urkundensammlung kann über den Bildschirm oder durch einen Ausdruck Einsicht genommen werden. Die Einsichtnahme ist gebührenpflichtig; derzeit beträgt sie für je 850 angefangene Zeilen und je Bilanz 8 ı.
Einsicht ins Hauptbuch
Eintragungen ins FB (positive wie negative) wirken unterschiedlich; nämlich konstitutiv / rechtsbegründend oder bloß deklarativ / rechtsbekundend.
Wie wirkt die FB-Eintragung?
Beispiel
Nach § 5 HGB (sog Scheinkaufmann) begründet die Eintragung ins FB die unwiderlegbare Rechtsvermutung, dass die eingetragene Firma ein Vollhandelsgewerbe betreibt. Abgesehen von dieser besonderen Wirkung des § 5 HGB bewirken FB-Eintragungen aber bloß widerlegbare (Rechts)Vermutungen bezüglich Richtigkeit und Gesetzmäßigkeit der jeweiligen Eintragung. – Zur Rechtsvermutung → KAPITEL 3: Redlichkeitsvermutung.
Publizität bedeutet hier, dass das FB sog öffentlichen Glauben besitzt, also den guten Glauben Dritter im Geschäftsverkehr schützt. – Zu unterscheiden sind negative und positive Publizität (§ 15 HGB):
Publizität des FB
Negative Publizität (§ 15 Abs 1 HGB): Eine nicht eingetragene Tatsache kann Dritten nicht als bekannt entgegengesetzt werden; zB Erlöschen der Prokura ohne Berichtigung im FB.
Positive Publizität (§ 15 Abs 2 HGB): Eingetragene Tatsachen müssen Dritte gegen sich gelten lassen; eine Ausnahme statuiert § 15 Abs 2 Satz 2 HGB.
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2. Marken-, Muster- und Patentregister
Rechtsquelle ist das MarkenschutzG 1970 (MarkSchG). „Marken” sind nach § 1 MarkSchG besondere Zeichen, deren Aufgabe es ist, Waren und Dienstleistungen bestimmter Unternehmen von gleichartigen Waren- und Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden. – Zur Marke wird ein (Kenn)Zeichen durch Eintragung ins Markenregister. Die Registrierung einer Marke begründet Markenausschließlichkeit für den Markeninhaber. Die Schutzdauer beträgt zunächst 10 Jahre und kann wiederholt auf weitere 10 Jahre verlängert werden. – Eine Registrierung in Österreich schafft nur innerhalb der nationalen Grenzen Schutz. Daneben besteht die Möglichkeit eines europaweiten Schutzes; Europamarke: EG-VO 40/94.
Markenrecht
Rechtsquelle ist das MusterschutzG 1990 (MuSchG), das sich inhaltlich am Marken- und Patentrecht orientiert. Auch das MuSchG schafft Ausschließlichkeitsrechte für das jeweilige Muster. Muster iSd § 1 MuSchG ist ein Vorbild für das Aussehen eines gewerblichen Erzeugnisses. Geschützt werden Material, Farbe und Form, nicht aber Konstruktion und Funktion eines Produkts. – Zur Entstehung des Musterrechts ist die Anmeldung beim Patentamt oder bei der örtlich zuständigen Wirtschaftskammer (§ 11 MuSchG) und zusätzlich die Registrierung des Musters erforderlich. Das Musterregister wird vom Patentamt geführt. Es ist öffentlich; § 18 Abs 3 MuSchG.
Musterrecht
Rechtsquelle ist das PatentG 1970 (PatG). Der Schutz von Patenten bezweckt den Schutz geistigen Eigentums und damit den Schutz von Erfindungen. Das Patent wird vom Patentamt verliehen und in das Patentregister eingetragen und im Patentblatt kundgemacht. – Auch das Patentrecht schafft ein Ausschließlichkeitsrecht für den Patentinhaber. Patentverletzungen werden als Verletzungen absoluter Rechte geahndet; § 147 ff PatG. – Das Patentrecht als Ganzes kann vererbt oder rechtsgeschäftlich übertragen und auch verpfändet oder gepfändet werden. Neben der Übertragung des Patentrechts als Ganzem besteht auch die Möglichkeit der Übertragung des bloßen Nutzungsrechts eines Patents. Dies geschieht durch Lizenz (vertrag) → KAPITEL 5: Lizenzvertrag. – Die Schutzfrist von Patenten beträgt 20 Jahre, berechnet ab dem Anmeldetag; §§ 28, 46 PatG.
Patentrecht
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III. „Kleinere” schuldrechtliche Sicherheiten
1. Angeld: § 908 ABGB
„Was bei Abschließung eines Vertrages [im] voraus gegeben wird, ist ... nur als Zeichen der Abschließung, oder als eine Sicherstellung für die Erfüllung des Vertrages zu betrachten ...”; § 908 ABGB.
Das Angeld hat danach Beweis- und Sicherungsfunktion. Das zeigt sich auch an den Rechtsfolgen:
Beweis- und Sicherungsfunktion
„Wird [nämlich] der Vertrag durch Schuld einer Partei nicht erfüllt, so kann die schuldlose Partei [entweder]
• das ... empfangene Angeld behalten oder
• den doppelten Betrag des von ihr gegebenen Angeldes zurückfordern”.
Die schuldlose Partei muss sich aber nicht mit dem Angeldverfall begnügen, sondern kann auf Vertragserfüllung bestehen; oder bei verschuldeter Unmöglichkeit Schadenersatz (wegen Nichterfüllung) verlangen → KAPITEL 7: Nachträgliche Unmöglichkeit.
Das Angeld ist von der Anzahlung zu unterscheiden, was bei Kaufverträgen eine praktische Rolle spielt. Denn nicht jede bei Vertragsabschluss erbrachte Leistung ist Angeld! Das gilt bspw für die Anzahlung nach § 20 KSchG beim Abzahlungsgeschäft. → KAPITEL 2: Das Abzahlungsgeschäft.
Anzahlung
Die Rspr hat deshalb Auslegungs- iSv Abgrenzungskriterien entwickelt:
Abgrenzungskriterien
• Angeld wird nur bei kleineren Beträgen angenommen;
im Zweifel wird das „Angeld” auf die zu erbringende Gesamtleistung / das Entgelt angerechnet, was nichts anderes bedeutet, als dass das Angeld im Zweifel als Anzahlung behandelt wird.
Zur Kombination von Angeld und Reugeld vgl § 910 ABGB. – Zum richterlichen Mäßigungsrecht bei Verbrauchergeschäften (§ 7 KSchG) → KAPITEL 2: Angeld und Reugeld (§ 7).


Angeld: § 908 ABGB (1)
Abbildung 15.1:
Angeld: § 908 ABGB (1)


Angeld: § 908 ABGB (2)
Abbildung 15.2:
Angeld: § 908 ABGB (2)
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2. Reugeld: §§ 909 ff ABGB und § 7 KSchG
Reugeld wird das Entgelt für die Einräumung eines vertraglichen (!) Rücktrittsrechts genannt. – Reugeld wird statt (!) der Vertragserfüllung entrichtet; es gewährt ein Wahlrecht.
Vertragliches Rücktrittsrecht
Dieses vertraglich eingeräumte Rücktrittsrecht ist von den Voraussetzungen des gesetzlichen Rücktrittsrechts ( → KAPITEL 7: Zum gesetzlichen Rücktrittsrecht des § 918 ABGB) unabhängig!
Nach § 909 Satz 3 ABGB nimmt bereits Teil-Erfüllung oder Teil-Annahme der Leistung das Reurecht. – Auch bei verschuldeter Nichterfüllung eines Vertrags ist Reugeld zu bezahlen.
Damit ist idR Reugeldvereinbarung gemeint; praktisch wichtig sind Stornovereinbarungen zB bei Reiseverträgen.
Storno/Stornierung
Er ist nunmehr in den §§ 31b-31f KSchG geregelt: → KAPITEL 12: Der (Pauschal)Reiseveranstaltungsvertrag. – Im Zusammenhang mit Reis(veranstaltungs)verträgen spielen Reugeld und Storno eine wichtige Rolle. Während Pauschalbuchungen über Reisebüros meist schon eine Stornoversicherung beinhalten (20% Selbstbehalt), muss der Individualreisende für kurzfristige „Stornos” (Rücktritte) im eigenen Interesse selbst vorsorgen. Reisestornoversicherungen bieten hier Abhilfe. – Die österreichische Hotelier-Vereinigung (ÖHV) empfiehlt ihren Mitgliedern im Rücktrittsfall bis spätestens 1 Monat vor dem Ankunftstag eine Stornogebühr im Ausmaß des Zimmerpreises für 3 Tage zu berechnen. Wird das vereinbarte Zimmer hingegen kurzfristig nicht in Anspruch genommen, bleibt der Gast dennoch verpflichtet, das vereinbarte Entgelt, abzüglich ca 30% für Verpflegung oder des durch anderweitige Vermietung der bestellten Räume erlangten Betrages, zu bezahlen. In der Praxis agieren Hoteliers meist aber zurückhaltender, wenn es sich um Stornoforderungen gegenüber Einzelreisenden handelt, denn der Gast soll für die Zukunft nicht verloren gehen.
(Pauschal)Reiseveranstaltungsvertrag
§ 7 KSchG: Es handelt sich um ein richterliches Mäßigungsrecht” in sinngemäßer Anwendung des § 1336 Abs 2 ABGB”, wenn ein Verbraucher dem Unternehmer ein Reugeld zu entrichten hätte. – Das gilt nach hA auch für das Angeld.
Mäßigungsrecht


Reugeld-Storno: §§ 909-911 ABGB
Abbildung 15.3:
Reugeld-Storno: §§ 909-911 ABGB
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3. Die Konventionalstrafe des § 1336 ABGB
Beispiel
Es existieren einige Synonyma –Vertrags- oder Konventionalstrafe, Pauschale oder Pönale.
Terminologie
Das ABGB spricht – korrekt – von Vergütungsvertrag, in welchem ein Vergütungsbetrag festgesetzt wird. Es handelt sich daher nicht, wie immer wieder behauptet, um ein Redaktionsversehen!
Literaturquelle
Die Konventionalstrafe wird vom Schuldner dem Gläubiger für den Fall des:
Wer verspricht was?
• „entweder gar nicht oder
nicht auf gehörige Art oder zu spät erfüllten” Vertrags versprochen;
• und zwar als bestimmter Geldbetrag „anstatt des zu vergütenden Nachteils”; sog pauschalierter Schadenersatz. Der im Vergütungsvertrag vereinbarte Vergütungsbetrag tritt also an die Stelle des zu entrichtenden Schadenersatzes wegen Nicht- oder Schlechterfüllung, nicht aber an die Stelle der geschuldeten Leistung. – Vgl den folgenden Punkt.
Auch der Gesetzgeber bedient sich unserer Rechtsfigur; etwa in § 29 Abs 2 KSchG: Danach kann ein Unternehmer die Klage einer Verbraucherschutzorganisation abwenden, wenn er eine durch Konventionalstrafe abgesicherte Unterlassungserklärung abgibt → KAPITEL 6: Zur Inhaltskontrolle.
Die Entrichtung der Konventionalstrafe befreit den Schuldner aber nicht von der Vertragserfüllung; es wäre denn anders vereinbart. Vielmehr kann die Konventionalstrafe, insbesondere wenn sie für die Nichteinhaltung der Erfüllungszeit (Verzug) versprochen wurde, neben der (nachzuholenden) korrekten Erfüllung gefordert werden.
Was ist zu leisten?
Das darf also nicht mit der pauschalierten Schadenersatzleistung verwechselt werden! Die Pauschalierung erspart aber uU schwierige, (zeit)aufwendige und kostenintensive Schadensberechnungen. Man denke an ein Groß(bau)projekt.
Der in der Konventionalstrafvereinbarung (= Vergütungsvertrag) bestimmte Vergütungsbetrag kann auch höher sein, als der eingetretene Schaden! – Und ein Schadensnachweis ist keine Voraussetzung für einen Anspruch nach § 1336 ABGB. Nur die (verschuldete) Verspätung ist zu beweisen. Das Fehlen eines Schadens ist aber im Rahmen des richterlichen Mäßigungsrechts zu berücksichtigen; bbl 1999/268. Die Konventionalstrafe soll nämlich auch die teure und zeitaufwendige Schadensfeststellung ersparen! – Ist der eingetretene Schaden größer, als die vereinbarte Konventionalstrafe, kann nur die Konventionalstrafe gefordert werden; arg: „anstatt des zu vergütenden Nachteils ...” – Anders wiederum das Handelsrecht: Art 8 Nr 3 EVHGB.
Höhe des Ersatzes
Die Konventionalstrafe setzt nach nunmehr gesicherter hA Verschulden voraus. Verschuldensfreiheit müsste vereinbart werden. Vgl dazu → Die Konventionalstrafe des § 1336 ABGB: Systematische Interpretation! – Mitverschulden (§ 1304 ABGB) des Geschädigten mindert die Konventionalstrafe.
Verschulden?
§ 1336 Abs 2 ABGB kennt ein richterliches Mäßigungsrecht, „wenn [sie] vom Schuldner als übermäßig erwiesen wird [= Beweislast!]”. – Keiner richterlichen Mäßigung unterliegt die Konventionalstrafe, die ein Vollkaufmann versprochen hat (§§ 348, 351 HGB); aber auch hier erfolgt eine Überprüfung auf Sittenwidrigkeit: § 879 ABGB. Die Konventionalstrafe soll nämlich nicht existenzzerstörend, sondern bloß erfüllungssichernd wirken. Die von einem Minderkaufmann versprochene Konventionalstrafe kann jedoch gemäßigt werden; SZ 54/186 (1981): Die Beweislast trifft aber den Minderkaufmann.
Richterliches Mäßigungsrecht
Nach § 38 AngG unterliegen zwischen Arbeitgebern und Angestellten vereinbarte Konventionalstrafen – ohne weitere Einschränkung – dem richterlichen Mäßigungsrecht.
Sicherungsrechte wie die Konventionalstrafe erlöschen nach § 1378 ABGB im Falle einer Novation (→ KAPITEL 7: Novation oder Neuerungsvertrag), „wenn die Teilnehmer nicht durch ein besonderes Einverständnis hierüber etwas anderes festgesetzt haben”.
Novation
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1977/83 (Zum Wesen der Konventionalstrafe): Unter einer Vertrags- oder Konventionalstrafe iSd § 1336 ABGB ist eine Leistung zu verstehen, die der Schuldner dem Gläubiger für den Fall der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung verspricht. Sie hat den Zweck, Nachteile auszugleichen, die dem Gläubiger aus der Vertragsverletzung entstehen (können). Die Vertragsstrafe ist pauschalierter Schadenersatz, welcher an die Stelle des Schadenersatzes wegen Nichterfüllung oder Schlechterfüllung tritt.
JBl 1950, 241 und 7 Ob 591/76: Eine Konventionalstrafe ist im Zweifel – also dann, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben – nur bei verschuldeter Nichterfüllung oder bei verschuldeter Schlechterfüllung zu bezahlen.
bbl 1999/268: Der Käufer (Bkl) eines Dachbodens hatte sich 1989 dem Verkäufer (Kl) gegenüber zur Zahlung einer verschuldensunabhängigen Konventionalstrafe von täglich 1.000 S verpflichtet, wenn der von ihm geplante Dachbodenausbau nicht bis 31.10.1991 fertiggestellt sei. Die Fertigstellung erfolgte am 31.3.1994. Der OGH sprach dem Kläger – unter Anwendung des richterlichen Mäßigungsrechts – zwei Drittel des vereinbarten Pönalebetrags zu, wenngleich durch die Verzögerung der Bauführung niemandem ein materieller Schaden entstanden war. Nach dem OGH soll die Konventionalstrafe nicht nur den schwierigen Schadensnachweis ersetzen, sondern auch für den nötigen Erfüllungsdruck sorgen. Der OGH hält es auch für gerechtfertigt, durch eine Komventionalstrafe ständigem Ärger und Verdruss durch die Bauführung entgegenzuwirken.
Literaturquelle


Konventionalstrafe (1)
Abbildung 15.4:
Konventionalstrafe (1)


Konventionalstrafe (2)
Abbildung 15.5:
Konventionalstrafe (2)


Konventionalstrafe (3)
Abbildung 15.6:
Konventionalstrafe (3)
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4. Wertsicherung
Wertsicherungen sind ein altes und bewährtes Sicherungsmittel, mögen sich auch ihre Formen im Laufe der Zeit stark verändert haben. Heute stehen verschiedene Indexsicherungen im Vordergrund, während früher auf verschiedene preislich stabile (Grund)Nahrungsmittel – wie den Brot-, Mehl- oder Getreidepreis – Bezug genommen wurde. – Ein Wertsicherungsbedürfnis besteht bei lang- oder doch längerfristig angelegten Rechtsbeziehungen insbesondere Dauerrechts- und Dauerschuldverhältnissen wie Bestandverträgen, Darlehen, Krediten, Factoring, Franchising oder Leasing, Gutsübergabs- oder Leibrentenverträgen.
Wertsicherungsbedürfnis
Den Leibrentenvertrag → KAPITEL 2: Leibrentenvertrag zählt § 1269 ABGB zu den Glücksverträgen → KAPITEL 12: Glücksverträge ¿ Gewagte Geschäfte; die §§ 1284-1286 ABGB regeln ihn inhaltlich..
Wertsicherungen spielen also insbesondere bei immer wieder zu entrichtenden – zB Miet- oder Pachtzins – oder erst mittel- bis langfristig zurückzuzahlenden Geldschulden eine Rolle.
Geldschulden
Zur wichtigen Unterscheidung in Geldbetrags- und Geldwertschulden → KAPITEL 7: Geldbetrags- und Geldwertschulden . Zu erinnern ist daran, dass „normale” Geld(betrags)schulden nicht aufzuwerten, also zum Nennbetrag zu erfüllen sind.
Der Zweck der (Wertsicherungs)Vereinbarung liegt darin, den vereinbarten inneren (Geld)Wert auch für die Zukunft zu erhalten. Wertsicherungsklauseln werden in Verträge aufgenommen, um gegen Geldwertschwund / Kaufkraftverlust (Inflation) vorzusorgen. – Dadurch wird das Inflationsrisiko vom Gläubiger auf den Schuldner verlagert.
Zweck
Üblich sind heute Indexklauseln; zB werden häufig der Verbraucherpreis- oder Lebenshaltungskostenindex vereinbart; aber auch der Großhandels- oder Baukostenindex. Ihre Verlautbarung erfolgt in Zeitungen, Fachzeitschriften und diversen Homepages.
Indexklauseln
Tabelle: Beispiel einer Wertsicherungsberechnung
Beispiel einer Wertsicherungsberechnung
MonatJahrIndexzahlErhöhung in ProzentWertgesichterter Betrag
Jänner1973134,10,0 %8000.0
November1973142,36,1 %8488.0
Juni1974151,06,1 %9005.8
Februar1975160,06,0 %9546.1
Jänner1976169,96,2 %10138.0
November1976178,55,1 %10655.0
Jänner1978188,85,8 %11273.0
Juli1979199,75,8 %11926.8
Mai1980209,75,0 %12523.1
Februar1981221,05,4 %13199.3
Jänner1982233,25,5 %13925.3
Juli1983245,95,4 %14677.3
März1984258,55,1 %15425.8
Jänner1986272,75,5 %16274.2
März1989286,45,0 %17087.9
Juli1990300,95,1 %17959.4
Februar1992317,55,5 %18947.2
Juli1993335,85,8 %20046.1
Juli1995353,05,1 %21068.5
Februar2000372,05,4 %22206.2
Verbraucherpreisindex 66 (1966 = 100) – Ausgangsbasis: Jänner 1973: 134.1 Punkte – Basiswert (des Mietzinses): 8000 Schilling – 5.0 Prozent Klausel: Erhöhung gegenüber jeweiliger Ausgangsbasis
Wertsicherungsklauseln müssen bestimmt oder doch bestimmbar vereinbart werden. Die Rspr lehnt nach wie vor das Verbüchern von Wertsicherungsklauseln uH auf § 14 Abs 1 Satz 1 GBG (Spezialitätsgrundsatz) ab. (?) Hypothekarforderungen können daher bis heute nicht wertgesichert werden, eine Meinung, die nicht überzeugt; eine Ausnahme besteht nur für Höchstbetragshypotheken → KAPITEL 2: Ausnahmen vom Spezialitätsgrundsatz.
Bestimmtheitserfordernis
Rechtssprechungsbeispiel
Vgl EvBl 2000/53: OGH lässt offen, ob nicht in derartigen Fällen eine Höchstbetragshypothek begründet werden kann.
Zur konkreten Berechnung und möglichen Zweifelsfällen vgl die folgenden Folien:


Wertsicherung (1)
Abbildung 15.7:
Wertsicherung (1)


Wertsicherung (2) – Berechnung
Abbildung 15.8:
Wertsicherung (2) – Berechnung


Schwellwertklausel – Rspr-Beispiel (1)
Abbildung 15.9:
Schwellwertklausel – Rspr-Beispiel (1)
Definition: Nichtberücksichtigung von Indexschwankungen bis zu einer bestimmten Höhe; zB bis 5 %.
Schwellwertklausel: Vertragsauslegung
Beispiel
Streitpunkt: Ist der monatliche Leibrentenbetrag ab erstmaliger Überschreitung der 5 %- Schwelle ständig der jeweiligen Indexbewegung anzupassen oder bleibt er solange gleich, bis die Indexerhöhung neuerlich 5 % übersteigt?
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt: Weil sich „schon aus dem Wortlaut ergebe, daß die Wertsicherung voll zum Zuge kommen solle, wenn die Wertschwankung 5 % ... überschreite”.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab: Weil der Vertragstext „nur dahin verstanden werden [könne], daß auch wiederholte Schwankungen unterhalb der 5 %-Schwelle unberücksichtigt bleiben sollen”.
Der OGH schloß sich der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts an – Argumente: „Die praktische Bedeutung der sog Schwellwertklausel liegt ... darin, daß sie die Vertragspartner von der Notwendigkeit ständiger Werterhöhungsberechnungen befreit ...” – Eine „fortlaufend wirkende Sprungklausel” entspricht durchaus dem Parteiwillen, wenn bei Vertragsschluss ohnehin mit der Erhöhung der Indexzahlen zu rechnen war.
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5. Kaution/en
Kautionen dienen der Sicherstellung eines Vertragsteils – zB des Vermieters im Mietrecht, der dadurch gegen Mietzinsrückstände oder Sachschäden am Bestandobjekt, die durch den Mieter verursacht wurden, gesichert werden soll. Der Mieter hat den vereinbarten Betrag – idR schon bei Vertragsabschluss – beim Vermieter zu hinterlegen.
Praktisch wichtig ist es, sich nicht nur die Leistung des Kautionsbetrags bestätigen zu lassen, sondern für sich auch den Zustand der Wohnung bei Bezug und Auszug – zB durch Fotos, Notizen, Zeugen – zu dokumentieren. Dadurch kann bei Auflösung des Vertrags Streit um die Kaution vermieden werden; denn dies verhindert, dass ihnen als Mieter Schäden zugerechnet werden, die bereits beim Bezug der Wohnung existierten. Ratsam erscheint es ferner den Zeitpunkt / -raum der Rückzahlung vertraglich festzulegen; zB: „binnen 1 Monats” oder noch besser „Zug um Zug bei Schlüsselübergabe”. – Mit Kautionen wird nämlich häufig Schindluder getrieben!
Streitig war lange, ob die Kaution vom Vermieter angemessen zu verzinsen ist, was die Rspr nunmehr verlangt; vgl JBl 1987, 248: Verzinsung + jährliche Rechnungslegung und OGH 8 Ob 622/89.
Verzinsung
Von Bedeutung ist die Kaution auch im Arbeitsrecht, wo sie der Sicherung des Arbeitgebers gegen allfällige, ihm aus dem Arbeitsverhältnis zustehende, Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer dient. Missbräuchen will das KautionsschutzG, BGBl 1937/229 idgF begegnen: Danach bleibt die Kaution im Eigentum des Arbeitnehmers und ist zu verzinsen; Schriftform ist vorgeschrieben; Rückstellung binnen 4 Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn kein Ersatzanspruch erhoben wird; dem Gesetz widersprechende Vereinbarungen sind nichtig usw.
KautionsschutzG
Literaturquelle
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IV. Die Bürgschaft: §§ 1346 ff ABGB
1. Bürgschaft <-> Pfand
Vgl dazu das diesem Kapitel vorangestellte Motto des § 1373 ABGB. Daraus ist – nach Meinung der ABGB-Redaktoren – die Nachrangigkeit der Bürgschaft als Sicherungsmittel gegenüber dem Pfand zu entnehmen.
Während durch Pfandbestellung dingliche Sicherheit erlangt wird – zB ein Ring oder eine Liegenschaft werden verpfändet, gewährt die Bürgschaft bloß eine persönliche Sicherheit. Dies dadurch, dass der Bürge dem Gläubiger persönlich dafür einsteht, dass dieser die ihm vom Schuldner versprochene Leistung erhält: Wenn schon nicht vom Schuldner selbst, dann wenigstens vom Bürgen. – Das Rechtsband zwischen Gläubiger und Bürgen – sie schließen den Bürgschaftsvertrag (!) – ist zwar nur ein schuldrechtliches; es schafft aber dennoch hohe Sicherheit. Denn Bürge oder Bürgin haften mit ihrem gesamten Vermögen; persönliche Haftung. (Nach dem ABGB haftet aber auch der Pfandschuldner, der das Pfand bestellt, neben dem Pfand persönlich → Persönliche, dingliche und beschränkte Haftung: Persönliche und dingliche Haftung.) Und als Bürge/in werden idR Personen herangezogen, die über ein entsprechendes Vermögen verfügen, sonst hätte es wenig Sinn, einen Bürgschaftsvertrag zu schließen.
Manche Gläubiger setzen sich aber darüber hinweg: Zur Sittenwidrigkeit von Angehörigenbürgschaften und überhaupt riskanten Bürgschaften → Riskante Bürgschaften – Angehörigenbürgschaften
Im Mittelalter entstand daher das Rechtssprichwort: Bürgschaft ist besser als Pfand. – Vgl allerdings die im Gegensatz zu dieser Wertung stehende Aussage des § 1373 ABGB. – Der Volksmund meint aber auch: Wer borgt – dies iSv: kreditiert – ohne Bürgen und Pfand, dem sitzt ein Wurm im Verstand.
Der Gläubiger erlangt bei der Bürgschaft Sicherheit dadurch, dass ein – bisher am Schuldverhältnis nicht beteiligter – Dritter sich für den Schuldner verpflichtet; § 1343 ABGB. § 1344 ABGB ist zu entnehmen, dass die Bürgschaft nur eine von mehreren persönlichen Sicherstellungsmöglichkeiten durch Dritte ist; daneben nennt das Gesetz die privative Schuldübernahme und den Schuldbeitritt; beide → KAPITEL 14: Der Schuldnerwechsel.
Sicherheit des Gläubigers
§ 1346 Abs 1 ABGB umschreibt die Bürgschaft: „Wer sich zur Befriedigung des Gläubigers auf den Fall verpflichtet, dass der erste Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle, wird ein Bürge, und das zwischen ihm und dem Gläubiger getroffene Übereinkommen ein Bürgschaftsvertrag genannt. Hier bleibt der erste Schuldner noch immer der Hauptschuldner, und der Bürge kommt nur als Nachschuldner hinzu.”
§ 1346 Abs 2 ABGB regelt die Bürgschaftsform, die insoferne eine Besonderheit aufweist, als es sich bei ihr um eine einseitige Formpflicht handelt; nur die Verpflichtungserklärung des Bürgen unterliegt ihr. Das soll den Bürgen vor Übereilung schützen und dient beiden Vertragsteilen als Beweismittel und damit auch ihrer Rechtssicherheit. – Im Vergleich dazu ist die Pfandrechtsbegründung nicht formpflichtig, aber der Pfandvertrag ist ein Realvertrag: § 1368 ABGB.
Bürgschaftsform
Die Bürgschaft war schon dem griechischen und römischen Recht bekannt; Stipulationsbürgschaft; sponsio, fidepromissio, fideiussio. Das Eintreten eines Dritten in das Schuldverhältnis war im römischen Recht aber noch nicht so einfach wie heute. Während § 1349 ABGB bestimmt: „Fremde Verbindlichkeiten kann ohne Unterschied des Geschlechtes jedermann auf sich nehmen, dem die freie Verwaltung seines Vermögens zusteht”, war das römische Recht solchen Interzessionen gegenüber – insbesondere solchen von Frauen – zurückhaltender. Das Senatusconsultum Vellaeanum (~ 46 n.C.) untersagte Frauen die Interzession, worunter neben der Übernahme einer Bürgschaft auch noch die Bestellung eines Pfandes, der Schuldbeitritt, die Schuldübernahme und Geschäftsabschlüsse im eigenen Namen aber im Interesse eines andern – sog Strohmanngeschäfte – verstanden wurden. Das römische Recht gewährte der in Anspruch genommenen Frau die exceptio Senatus Consulti Vellaeani. – Der Sinn des Passus in § 1349 ABGB „ohne Unterschied des Geschlechtes” ist heute nur verständlich, wenn der aufgezeigte rechtsgeschichtliche Zusammenhang bekannt ist.
Zum Begriff Interzession: I. oder interzedieren, lat intercedere, meint – dazwischentreten, vermitteln. Intercedere bedeutet für jemanden eintreten, für ihn einspringen, rechtlich, sich für ihn verbürgen. – Das bürgerliche Recht meint damit das Eingehen rechtlicher Verbindlichkeiten für jemand anderen, also in fremdem Interesse. Wobei dieses Eintreten dem Gläubiger größeren Schutz gewähren, ihn also rechtssichern soll.
Eine Bürgschaft zu übernehmen, will gut überlegt sein! Denn daraus kann viel Unglück entstehen. Manche Freundschaft, Ehe und Beziehung sind daran zerbrochen. Die Bitte, zB für einen Kredit zu bürgen, setzt immer wieder vor allem im Kreis der Verwandtschaft nahestehende Personen unter Druck. Eine unüberlegte Unterschrift hat aber schon viele Bürgen in den finanziellen Ruin geführt. Schon die alten Griechen warnten davor, Bürgschaften zu übernehmen; „Übernimm eine Bürgschaft und du bist ruiniert“. – Dazu kommt: Schon die einfache Bürgschaft ist nach unserem Privatrecht streng ausgestaltet; der Schutz des Bürgen nach dem Gesetz ist minimal. Der Gläubiger muss den Schuldner nur erfolglos gemahnt, ihn also nicht etwa geklagt oder gar gegen ihn Exekution geführt haben, um auf den Bürgen greifen zu können! Die Subsidiarität der Bürgenhaftung besitzt also keine nennenswerten praktischen Konsequenzen und bietet insbesondere keinen wirklichen Schutz!
Vorsicht: Bürgschaft!
Milder, nämlich unserer Ausfalls- oder Schadlosbürgschaft entsprechend, ist die einfache Bürgschaft nach dem dtBGB ausgestaltet → Arten der Bürgschaft
Dazu kommt, dass ein Bürge beim Eintritt von Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners nur begehren kann, dass der Schuldner dem Gläubiger Sicherheit leiste, nicht aber, dass ihm (dem Bürgen) der Schuldner eine Sicherstellung für seinen Rückgriffsanspruch einräume; SZ 27/125 (1954): Bürgschaft in Form einer Wechselunterfertigung.
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2. Riskante Bürgschaften – Angehörigenbürgschaften
Zur Frage unter welchen Voraussetzungen sog Angehörigenbürgschaften oder überhaupt riskante Bürgschaften sittenwidrig sind vgl JBl 1998, 778 (Angehörigenbürgschaft mwH) und SZ 68/64 (1995) = JBl 1995, 651 (Mader): riskante Bürgschaft.
Zur Angehörigenbürgschaft führte der OGH aus, dass Sittenwidrigkeit dann anzunehmen sei, wenn folgende Voraussetzungen (kumulativ) vorliegen:
Voraussetzungen
Inhaltliche Missbilligung des Interzessionsvertrags,
• Missbilligung der Umstände seines Zustandekommens infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit des Interzedenten (= Bürgen), und schließlich
• die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis dieser Kriterien durch den Kreditgeber.
Die Sittenwidrigkeitsprüfung einer Angehörigenbürgschaft orientiert sich wertungsmäßig zutreffend am Wucherverbot des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB (→ KAPITEL 11: Die Beispiele des § 879 Abs 2 ABGB), von dessen cleverer und handhabbarer Regelung bislang zu wenig Gebrauch gemacht wurde. Der OGH betont daher auch, dass die die Inhaltskontrolle auslösenden Umstände stets ein krasses Missverhältnis (Gschnitzer) des Haftungsumfangs und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Interzedenten zur Voraussetzung hätten. Bei der Sittenwidrigkeitsprüfung solcher Bürgschaften übernahm der OGH weitgehend die Grundsätze der dtRspr; vgl die Hinweise in SZ 68/64 (1995).
Sittenwidrigkeitsprüfung
Die Hereinnahme von Willburgs beweglichem Systemdenken in die Rspr erscheint dagegen als überflüssige captatio benevolentiae und der Sache nicht dienlich.
Abweichend von den für die allgemeine Angehörigenbürgschaft gehandhabten Grundsätzen behandelt der OGH Bürgschaften zugunsten von erwachsenen Geschwistern:
Geschwisterbürgschaft
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 11. 5. 2000, 8 Ob 253/99k, SZ 73/79 = EvBl 2000/197: Der Bruder des Hauptschuldners wird von Gläubigerbank zu Bürgschaft überredet. – OGH nimmt (noch vor Inkrafttreten des § 25 d KSchG) erstmals zur Frage der Teilnichtigkeit solcher Bürgschaftsverträge bei Sittenwidrigkeit wegen krassem Missverhältnis zwischen Haftungsumfang und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Bürgen Stellung. Er bejaht diese, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass die reduzierte Bürgschaft für den Gläubiger nicht sinnlos ist. OGH wies zurück an die Vorinstanz.
Literaturquelle
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3. Die Bürgschaft als Sicherungsgeschäft
Die Bürgschaft ist Sicherungsgeschäft. Als Rechtsinstitut dient sie der Sicherung fremder Forderungen. Die Bürgschaft entsteht durch Bürgschaftsvertrag zwischen Gläubiger und Bürgen. Der Bürge verpflichtet sich darin nach § 1346 Abs 1 ABGB „zur Befriedigung des Gläubigers auf den Fall, daß der Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle”.


Bürgschaft: §§ 1346 ff ABGB
Abbildung 15.10:
Bürgschaft: §§ 1346 ff ABGB


Bürgschaft als 3-Parteien-Verhältnis
Abbildung 15.11:
Bürgschaft als 3-Parteien-Verhältnis
Der Bürge haftet persönlich; dh mit seinem ganzen Vermögen. Es könnte aber vereinbart werden, dass nur bis zu einem Höchstbetrag, also betragsbeschränkt gehaftet wird; zB bis 100.000 ı.
Haftung des Bürgen: persönlich + subsidiär + akzessorisch
Der Bürge haftet subsidiär, also nachrangig. Gemeint ist damit: nach dem Schuldner. Allein diese Nachrangigkeit ist im ABGB – wie erwähnt – nur schwach ausgebildet. Nach § 1355 ABGB kann nämlich der Bürge schon „dann belangt werden, wenn der Hauptschuldner auf des Gläubigers gerichtliche oder außergerichtliche Einmahnung seine Verbindlichkeit nicht erfüllt hat”. – Dh nichts anderes als: Der Gläubiger braucht den Schuldner nur zu mahnen und kann dann umgehend – dh: wenn er nicht am Tag nach dem Zugang der Mahnung gezahlt hat – auf den Bürgen greifen. Der Gläubiger muss also nach ABGB (auch bei der einfachen Bürgschaft) den Schuldner weder klagen oder gar Exekution geführt haben!
Anders das dtBGB, das in § 771 dem Bürgen die Einrede der Vorausklage gewährt, also einen stärkeren Schutz des Bürgen kennt.
Der Bürge haftet akzessorisch: Dh, dass die Bürgschaftsschuld vom Bestand der Hauptschuld abhängig ist. Erlischt die Hauptschuld, erlischt – auf Grund der dann nicht mehr bestehenden Akzessorietät – auch die Bürgschaftsschuld.
Zur Abgrenzung von Bürgschaft und Garantie(vertrag) → Unterschied zur Bürgschaft
Was geschieht, wenn der Bürge, vom Gläubiger in Anspruch genommen, zahlt? Die Antwort enthält § 1358 ABGB, dessen Satz 1 bestimmt:
Legalzession des § 1358 ABGB
”Wer eine fremde [!] Schuld bezahlt, für die er persönlich oder mit bestimmten Vermögensstücken haftet, tritt in die Rechte des Gläubigers und ist befugt, von dem Schuldner den Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern.”
Das bedeutet den Eintritt des Bürgen in die Gläubigerposition von Gesetzes wegen, also automatisch.
Man vergleiche damit § 1422 ABGB:
§ 1358 <-> § 1422 ABGB
”Wer die Schuld eines anderen, für die er nicht haftet..., bezahlt, kann ... vom Gläubiger die Abtretung seiner Rechte verlangen.”
Hier erhält man also die Gläubigerstellung nicht wie in § 1358 ABGB automatisch! Die Abtretung muss verlangt werden ! – Nach § 1358 Satz 2 ABGB muss der befriedigte Gläubiger den zahlenden Bürgen „alle vorhandenen Rechtsbehelfe und Sicherungsmittel” herausgeben; zB Rechnungen, Verträge oder sonstige Aufzeichnungen.
Graphisch sieht der geschilderte Vorgang der Legalzession folgendermaßen aus:


Legalzession: § 1358 ABGB
Abbildung .11:
Legalzession: § 1358 ABGB
(1) Grundverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner; zB auf Grund eines gegebenen Darlehns.
(2) Zwischen Gläubiger und Bürgen wird ein Bürgschaftsvertrag geschlossen.
(3) In der Folge zahlt der Schuldner nicht. Die Haftung des Bürgen wird ausgelöst / fällig.
(4) Aus dem Bürgschaftsvertrag heraus resultiert die Verpflichtung des Bürgen, im Bedarfsfall an den Gläubiger zu zahlen.
(5) Die Rechte des (Alt)Gläubigers gehen kraft Gesetzes, also automatisch auf den Bürgen über. Der Bürge wird neuer Gläubiger des Schuldners.
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 2000/105: Zum Rückgriffsanspruch des Interzedenten – Der Anspruch aus § 1358 ABGB besteht unabhängig davon, ob die Interzession mit Willen des Schuldners erfolgt ist oder nicht. Der Bürgschaftsvertrag wird zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger geschlossen.
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4. Arten der Bürgschaft
Gesetz und Praxis kennen ganz unterschiedliche Bürgschaftsarten, die spezifischen Zwecken dienen:
• Einfache / normale Bürgschaft
• Bürge und Zahler
• Handelsbürgschaft
• Ausfalls- oder Schadlosbürgschaft
• Mitbürgschaft
• Bürgesbürgschaft, Nach- oder Afterbürgschaft
• Entschädigungsbürgschaft
• Zeitbürgschaft
• Ausgleichsbürgschaft
• Wechsel- und Scheckbürgschaft.
„Bürge und Zahler”-Haftung: § 1357 ABGB
„Bürge und Zahler”
In der Praxis ist diese Form der Bürgen(haftung) die übliche und von größter Wichtigkeit. Sie spielt eine bedeutendere Rolle als die einfache Bürgschaft. – Hier haftet der Bürge:
primär, also nicht bloß subsidiär. Und dies nach Wahl des Gläubigers; § 1357 ABGB:
„Es hängt von der Willkür des Gläubigers ab, ob er zuerst den Hauptschuldner oder den Bürgen oder beide zugleich belangen wolle.”
• ... aber auch akzessorisch, was meint: Auch diese Form der Bürgschaft ist vom Weiterbestand der gesicherten Forderung (also des Grundverhältnisses zwischen Gläubiger und Schuldner) abhängig.
§ 349 HGB bestimmt, dass ein Bürge, „für den die Bürgschaft ein Handelsgeschäft ist, ... als Bürge und Zahler nach § 1357 [ABGB]” haftet. – § 350 HGB ergänzt:
Handelsbürgschaft
„Auf eine Bürgschaft, die auf der Seite des Bürgen ein Handelsgeschäft ist, sind die Formvorschriften des § 1346 Abs 2 [ABGB] nicht anzuwenden.”
Die Verpflichtungserklärung des kaufmännischen Bürgen wird daher auch mündlich gültig abgegeben. – § 351 HGB stellt klar, dass die Regeln der Handelsbürgschaft nur für Vollkaufleute gelten.
Die Haftung nach bürgerlichem Recht ist dagegen grundsätzlich, also wenn nichts anderes vereinbart wurde, eine anteilige.
Nach § 1356 ABGB verbürgt sich der Bürge „ausdrücklich nur für den Fall ..., daß der Hauptschuldner zu zahlen unvermögend sei”. – Hier muss der Gläubiger seinen Schuldner zuerst geklagt und (!) zusätzlich (vergeblich) Exekution geführt haben, ehe er auf den Bürgen greifen kann. Nur was auch dann vom Schuldner nicht hereinzubringen ist, kann vom Bürgen verlangt werden! Bei dieser Bürgschaftsform ist der Schutz des Bürgen wesentlich größer.
Ausfalls- oder Schadlosbürgschaft
Eine Ausnahme statuiert das Gesetz im Falle des Konkurses oder des unbekannten Aufenthalts des Schuldners. – Diese Form der ABGB-Bürgschaft entspricht § 771 dtBGB: Die deutsche Normal-Bürgschaft entspricht also nach österreichischem Verständnis der Ausfallsbürgschaft!
Zur Haftung von Ehegatten für Kredite (§ 98 EheG iVm §§ 25a – 25d und § 32 Abs 1 lit c KSchG) → KAPITEL 2: Kreditgeschäfte von Ehegatten (§ 25).
Sie haften nach § 1359 Satz 1 ABGB nebeneinander; und zwar solidarisch. Dh jeder Mitbürge haftet für die ganze Schuld; Motto: „Alle für einen, einer für alle.” Diese gängige und knappe Formulierung stammt aus dem ALR! – Ein Rückgriffsrecht des in Anspruch genommenen Mitbürgen besteht nach § 1358 ABGB sowohl gegen den Schuldner, als auch gegen nicht in Anspruch genommene Mitbürgen.
Mitbürgen
Dabei übernimmt der Bürge die Haftung bloß für einen im Vorhinein bestimmten Zeitraum. Nur innerhalb dieses Zeitraums kann ihn der Gläubiger in Anspruch nehmen. Diese Bürgschaftsform kommt in der Praxis zB zur Sicherung von Kontokorrentkrediten vor.
Zeitbürgschaft
Die Bürgesbürgschaft wird auch Nach- oder Afterbürgschaft genannt. Bei ihr verbürgt sich der Bürge dem Gläubiger gegenüber für den Hauptbürgen.
Vgl damit die Rückversicherung im Vertragsversicherungsrecht!
Von der Bürgesbürgschaft ist die Entschädigungsbürgschaft zu unterscheiden. Der Entschädigungsbürge verspricht dem Bürgen, ihn schadlos zu halten, falls dieser von Gläubiger auf Grund seiner Bürgschaft in Anspruch genommen wird.
Bürgesbürgschaft und Entschädigungsbürgschaft
Sie dient der Verbürgung für im Ausgleich oder in einer Zwangsvollstreckung übernommene Verbindlichkeiten des Ausgleichsschuldners; vgl § 156a KO und § 54 AO.
Ausgleichsbürgschaft
Die Art 30 ff WG kennen eine selbständige wechselrechtliche Bürgschaftsverpflichtung. Nach ihr haftet der Wechselbürge als Bürge und Zahler, also nicht nur subsidiär. Diese Bürgschaftsform setzt nur eine formgültige Erklärung des (Wechsel)Hauptschuldners voraus; ansonsten ist die Wechselbürgschaft nicht akzessorisch.
Wechselbürgschaft / Aval
Inhaltlich dient diese Bürgschaftsform der zusätzlichen Sicherung der Wechselschuld über den Aussteller, den Akzeptanten oder allfällige Indossanten hinaus. Sie erfolgt durch eine schriftliche Bürgschaftserklärung („per Aval”) auf der Wechselurkunde; Art 31 Abs 1 und 2 WG. Eine Unterschrift auf d er Vorderseite des Wechsels, die nicht die des Ausstellers oder des Bezogenen ist, gilt als Aval; Art 31 Abs 3 WG.


Bürgschaft (1)
Abbildung 15.12:
Bürgschaft (1)


Bürgschaft (2)
Abbildung 15.13:
Bürgschaft (2)


Bürgschaft (3)
Abbildung 15.14:
Bürgschaft (3)


Bürgschaft (4)
Abbildung 15.15:
Bürgschaft (4)


Bürgschaft (5)
Abbildung 15.16:
Bürgschaft (5)


Bürgschaft (6)
Abbildung 15.17:
Bürgschaft (6)


Bürgschaft (7)
Abbildung 15.18:
Bürgschaft (7)


Bürgschaft (8)
Abbildung 15.19:
Bürgschaft (8)


Bürgschaft (9)
Abbildung 15.20:
Bürgschaft (9)


Bürgschaft (10)
Abbildung 15.21:
Bürgschaft (10)


Bürgschaft (11)
Abbildung 15.22:
Bürgschaft (11)
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B. Dingliche Sicherheiten
I. Das Pfandrecht
Allgemein zu den Vorzügen dinglicher Rechtspositionen → KAPITEL 8: Was bedeutet dingliche Sicherheit?.
1. Allgemeines zum Pfandrecht
Das Pfandrecht ist ein altes, aber immer noch verlässliches und beliebtes Sicherungsmittel, das einfach zu handhaben ist, was zu seiner weiten Verbreitung beigetragen hat. Freilich müssen – strenger als beim Eigentumserwerb – gewisse Übergabsformen eingehalten werden: Das Pfandrecht legt besonderen Wert auf Publizität; sei es bei beweglichen Sachen (Übergabe → KAPITEL 2: Übergabsarten für bewegliche Sachen Faustpfandprinzip), sei es bei Liegenschaften (Grundbuch). Das ist aber kein Selbstzweck, sondern geschieht insbesondere aus Gründen des Gläubigerschutzes, einem Gesichtspunkt, dem im Pfandrecht besondere Bedeutung zukommt.
Publizität
Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Pfandrechts → Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Pfandrechts, zum „Forderungspfand” → Verpfändung und Pfändung von Forderungen oder Rechten, zur Sicherungszession → KAPITEL 14: Sicherungszession.


Dingliche Rechte
Abbildung 15.23:
Dingliche Rechte
Die Grundlagen unseres Pfandrechts stammen aus dem alten Griechenland, das nicht nur Hypotheken und Mehrfachbelastungen von Liegenschaften kannte, sondern auch schon entwickelte Grundbücher geschaffen hatte. – Der Publizitätsgedanke war im antiken Griechenland hoch entwickelt. – Das Urkunden-, Register- und Archivwesen stammt ebenso von den Hellenen wie das Notariat und die Anfänge der Advokatur. Vorbilder und Anregungen hatte Ägypten geliefert.
Auch die Pfandrechtsbegründung folgt der Lehre von Titel und Modus → KAPITEL 2: Die Lehre von Titel und Modus. Der Titel rechtsgeschäftlicher Pfandrechtsbegründung ist der Pfandvertrag (§§ 1368 ff ABGB), Modus – je nach Art des zu begründenden Pfandrechts – entweder eine der Übergabsarten der §§ 426 ff ABGB (ausgenommen das Besitzkonstitut: Faustpfandprinzip!) oder beim Liegenschaftspfand / der Hypothek, die Eintragung ins Grundbuch; vgl auch § 451 ABGB.
Pfandvertrag als Realvertrag
§ 1368 ABGB bringt zum Ausdruck, dass der Pfandvertrag Realvertrag ist. Das führt – wie in → KAPITEL 3: Das Darlehen als Realvertrag, erwähnt – dazu, dass Titel und Modus stärker als sonst verzahnt sind. Vgl nur den Wortlaut des § 1368 ABGB: „ ... wirklich einräumt, folglich ...”!
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2. Persönliche, dingliche und beschränkte Haftung
Beim Pfandrecht lässt sich didaktisch anschaulich der Unterschied zwischen persönlicher und dinglicher oder Sachhaftung aufzeigen.
Zur Frage: Was bedeutet dingliche Sicherheit? Vgl auch → KAPITEL 8: Was bedeutet dingliche Sicherheit?.
Was meint dingliche Haftung?: Wird bspw die Forderung eines Gläubigers durch eine Hypothek gesichert, ist zu unterscheiden:
Was meint dingliche Haftung?:
• Zwischen der gesicherten Forderung (= zugrundeliegende vertragliche Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner: zB aus einem Darlehens- oder Liegenschaftskaufvertrag) sowie deren Geltendmachung / Durchsetzung und
• dem Liegenschaftspfand / der Hypothek und der dadurch – gesondert – begründeten Sach- oder Realhaftung der belasteten Liegenschaft.
Für die gesicherte Forderung und ihre Durchsetzung gelten die allgemeinen Rechtsvorschriften des Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrechts. Erlangte der Gläubiger für seine persönliche Forderung (gegen seinen Schuldner) einen Exekutionstitel auf Zahlung – zB durch Urteil oder gerichtlichen Vergleich; vgl § 1 EO, so berechtigt ihn dieser je nach gewählter Exekutionsart zur Exekution in das gesamte Vermögen des Schuldners → KAPITEL 19: Exekutionsverfahren.


Übersicht: „Exekutionsarten”


• Exekution auf das unbewegliche Vermögen: §§ 87–248 EO
• Exekution auf das bewegliche Vermögen: §§ 249–345 EO
Was meint persönliche Haftung heute? – Der Schuldner haftet mit seinem ganzen – auch seinem künftigem – Vermögen.
Persönliche Haftung meint heute
Historisch hatte das Nichtbezahlen einer Schuld lange Zeit Folgen für Leib und Leben oder doch die Freiheit des Schuldners – Tötung, Schuldknechtschaft/ Versklavung, Schuldturm; Reste bestanden noch bis ins 19. Jhd. Den entscheidenden Schritt hatte aber schon Solon in Athen (594/3 v.C.) gesetzt, als er den historisch nötigen Ausgleich der Stände (zwischen Adel und Volk) dadurch herbeiführte, dass er die Bürgerschaft, das betraf vornehmlich Bauern, entschuldete (sog Lastenabschüttelung / Seisáchtheia) und dabei auch das „Leihen auf den Körper” für alle Zunkunft verbot. Da er seinem Gesetze rückwirkende Kraft verlieh, gelang es ihm, die in Attika weit verbreitete Schuldknechtschaft, als Quelle zahlreicher sozialer Missstände, zu beseitigen. Solon führte für Attika also ua eine Art „Bauernbefreiung” durch, bei der er dem Grundsatz folgte: „Gemeinnutz geht vor Eigennutz” (H. Bengtson).
Bei reiner Sachhaftung für eine Schuld / Forderung haftet nur – also ausschließlich! – eine bewegliche oder unbewegliche Sache, nicht aber das sonstige Vermögen des Schuldners.
Sachhaftung
Beispiel
Das österreichische Privatrecht kennt aber grundsätzlich keine reine Sachhaftung. Neben der verfangenen Sache – bspw dem bestellten Pfand – haftet daher immer auch noch der Schuldner weiterhin persönlich. – Anders das SchwZGB: Gült (Art 847 ff) und das dtBGB: Grundschuld (§§ 1191 ff). Hier haftet der Liegenschaftseigentümer nur mit der Sache, aber nicht mehr persönlich, dh nicht mit seinem restlichen Vermögen. – Es wäre bedenkenswert, auch in Österreich (wenigstens für bestimmte Fälle) eine reine Sachhaftung zu ermöglichen.
Gült, Grundschuld
Eine (zusätzlich) begründete Sach- oder Realhaftung gewährt vorrangige Vollstreckung in die Pfandsache. Andernfalls läuft ein Gläubiger nämlich Gefahr, dass ihm andere Gläubiger zuvorkommen oder dass er im Falle einer Insolvenz des Schuldners mit allen anderen Gläubigern „teilen” muss.
„Sinn” zusätzlicher Sachhaftung
Das Geltendmachen der dinglichen Sachhaftung durch den Gläubiger setzt aber Pfandreife voraus, worunter zB Fälligkeit der Hypothek(arforderung) zu verstehen ist. Nunmehr kann sich der Gläubiger zB aus der Liegenschaft befriedigen. Voraussetzung dafür ist aber wiederum, wie bei der persönlichen Haftung, ein Vollstreckungstitel; zur Pfand(rechts)verwertung → Pfandverwertung – Die Begründung der Sachhaftung allein reicht also noch nicht hin, um sich aus der Pfandsache befriedigen zu können; keine Privatvollstreckung (wie in alter Zeit). Antike Rechte (etwa das griechische) kannten sie aber. – Wiederum muss der Gläubiger den Schuldner (oder den Eigentümer der Pfandsache als Pfandbesteller) klagen und damit die Duldung der Exekution in das Grundstück erwirken. Das Urteil stellt den Exekutionstitel dar. Erwächst dieses Urteil in Rechtskraft, kann sich der Gläubiger die Exekution bewilligen lassen; §§ 3 ff EO. Vgl auch → Pfandverwertung
Pfandreife
Manche Wirtschaftsbranchen sind hoch verschuldet. Die Sicherung der Kredite / Darlehen erfolgt häufig durch Hypotheken. Das trifft etwa auf Österreichs Hoteliers zu, die mit 10 Mrd ı (bei einem Substanzwert von ca 15 Mrd ı) bei den Banken „in der Kreide” stehen. – Man nimmt an, dass ein Viertel der Hoteliers ihre Verbindlichkeiten nie mehr zurückzahlen kann. Der Volksmund sagt daher nicht unzutreffend, dass viele dieser Betriebe schon den „Banken gehören”. Bei schlechter Saison drohen zahlreiche Insolvenzen.
Der Schuldner muss hier – nach bestimmten Rechtsvorschriften – für seine Verbindlichkeiten doch nur mit einem Teil seines Vermögens aufkommen. Wir unterscheiden zwei Systeme:
Beschränkte Haftung
• Das System der Exekutionsbeschränkung: sog ”cum-viribus”-Haftung; der Gläubiger kann nicht in das ganze Vermögen des Schuldners, sondern nur in eine bestimmte Vermögensmasse Exekution führen; zB: Minderjährige haften für persönlich eingegangene Verpflichtungen nur mit dem Teil ihres Vermögens, das ihnen zur Verfügung überlassen wurde (§ 39 Abs 1 Z 3 EO).
• Das System der Betragsbeschränkung: sog ”pro-viribus”?Haftung; der Schuldner haftet mit seinem ganzen Vermögen, aber nur bis zu einem bestimmten Betrag; zB: der Übernehmer eines Vermögens haftet bis zu dessen Wert; § 1409 ABGB → KAPITEL 14: Vermögens- oder Unternehmensübernahme. – Vgl auch die Haftungs-Höchstbeträge bei abgeschlossenen (Haftpflicht)Versicherungen (EKHG) → KAPITEL 9: §§ 15, 16 EKHG: Haftungshöchstbeträge.


Persönliche und Sachhaftung
Abbildung 15.24:
Persönliche und Sachhaftung


Beschränkte Haftung
Abbildung 15.25:
Beschränkte Haftung
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3. Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Pfandrechts
Pfandrecht ist Sicherungsrecht. Ein ganzer Wirtschaftssektor – der Bankenbereich – bedient sich der Möglichkeit der dinglichen Besicherung für vielfältige Geldgeschäfte und Wirtschaftstransaktionen. Die Wirtschaft nützt dieses Rechtsinstitut zur Geldbeschaffung und Finanzierung. Aber auch der normale Bürger greift zu den vom Pfandrecht gebotenen Möglichkeiten, wenn größere Ausgaben zu tätigen sind; sei es ein Hausbau, Renovierungsarbeiten oder der Kauf teurer Konsumgüter. Das Pfandrecht – in all seinen Formen – fördert die Kreditgewährung. Gläubiger wären andernfalls auf persönliche Sicherheiten oder das bloße Vertrauen in ihre Schuldner angewiesen.
Sicherungsrecht
Zur weiten Verbreitung des Pfandrechts hat auch beigetragen, dass es an beweglichen und unbeweglichen Sachen, aber auch an Forderungen begründet werden kann.
Wir unterscheiden folgende Arten der Kreditgewährung:
Arten der Kreditgewährung
Personal- und Realkredit: Beim Personalkredit vertraut der Gläubiger auf die persönliche Leistungsfähigkeit und –willigkeit seines Schuldners; beim Realkredit dagegen auf den Wert von Sachen (bewegliche, unbewegliche oder Forderungen), an denen ihm ein Pfandrecht eingeräumt werden soll.
Mobiliarkredit: Hier werden bewegliche Sachen als Pfand für gewährte Kredite gegeben.
DorotheumsG 1978, BGBl 66/1979
Pfandleihanstalt:
Nach dem DorotheumsG 1978 umfassen die Aufgaben des Dorotheums:
1. „die Gewährung von Darlehen gegen Übergabe beweglicher Sachen (Pfandleihgeschäft);
2. die Veranstaltung von Versteigerungen und den Betrieb des Verwahrungsgeschäftes;
3. nach Maßgabe der Erlaubnis den Betrieb von Bankgeschäften aller Art (ausgenommen die Ausgabe von Schuldverschreibungen).
Dabei gewähren Kreditinstitute Kredite oder Darlehen gegen gleichzeitige Verpfändung von Waren, Wertpapieren oder Edelmetallen (insbesondere Gold).
Lombardgeschäft
Immobiliarkredit: Liegenschafts- oder Hypothekarkredit. Das Hypothekenrecht besitzt nach wie vor größte wirtschaftliche Bedeutung.
Unterschieden werden verschiedene Arten von Hypotheken:
Arten von Hypotheken
- Höchstbetragshypothek → KAPITEL 2: Ausnahmen vom Spezialitätsgrundsatz: § 14 Abs 2 GBG gewährt sie in den beiden Formen der Sicherungshypothek (für Forderungen aus einem Krediteröffnungsvertrag) und der Kautionshypothek (für eine übernommene Geschäftsführung oder aus dem Titel der Gewährleistung oder des Schadeneresatzes etc).
- Unbekannt ist dem österreichischen Recht (im Gegensatz zum römischen Recht) die General hypothek am gesamten Vermögen → Prinzipien des Pfandrechts
- Simultanhypothek: Dazu § 15 GBG → KAPITEL 2: Ausnahmen vom Spezialitätsgrundsatz.
- Baurechtshypothek: Dazu → KAPITEL 8: Das Baurecht.
- Ertragspfand oder Revenuenhypothek: Hier stehen dem Pfandgläubiger nur die abreifenden Erträge / Früchte der pfandverfangenen Sache zur Verfügung, nicht dagegen die (belastete) Sache selbst → Unerlaubte Pfandabreden Es kommt hier zur Zwangsverwaltung oder Zwangsverpachtung.
- Zur forderungsentkleideten und forderungsbekleideten Eigentümerhypothek → Das Pfandrecht als Recht an fremder Sache
Zur Hypothekenübernahme des § 1408 ABGB → KAPITEL 14: Die Hypothekenübernahme.
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4. Mehr zum Pfandrecht
Rechtsgrundlagen: §§ 447-470 und §§ 1368-1374 (Pfandvertrag) ABGB. – Das HGB kennt die gesetzlichen Pfandrechte des Handelsrechts: Kommissionär (§ 397 HGB), Spediteur (§ 410 HGB), Lagerhalter (§ 421 HGB), Frachtführer (§ 440 HGB). – Die EO regelt die Pfandverwertung im bürgerlichen Recht; für die handelsrechtliche gilt nach Art 8 Nr 14 der 4. EVHGB das dtBGB. – Eine Vereinfachung ist überfällig!
„Das Pfandrecht ist das dingliche Recht, welches dem Gläubiger eingeräumt wird, aus einer Sache (Pfand), wenn die Verbindlichkeit ... nicht erfüllt wird, ... Befriedigung zu erlangen”; § 447 ABGB.
Das Pfandrecht dient zur Sicherung einer Forderung, in dem es dem Gläubiger zur Befriedigung aus dem Pfand bei Nichtbezahlung der Forderung verhilft; sog Pfandverwertung → Pfandverwertung Das Pfandrecht ist nämlich ein Wertrecht. Daher kann als Pfand nur dienen, was vermögensrechtlichen Wert besitzt und daher ver-wert-bar ist; daher stellen Urkunden, Reispässe oder Geburtsurkunden keine tauglichen Pfandobjekte dar.
Sicherung und Befriedigung
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 55/112 (1982): Verpfändung eines Motorradtypenscheins ? – Der für ein Kfz ausgestellte Typenschein steht nicht „im Verkehr” und kann daher nicht Gegenstand einer Verpfändung sein. Wohl aber kann daran ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht ( → Das Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB) begründet werden. In der E übergab der Kläger sein Motorrad, eine „Laverda 1000” samt Typenschein dem Motorradhändler zur Vermittlung eines Verkaufs. Der Händler übergab den Typenschein (des Klägers) samt einem gefälschten Kaufvertrag seiner Bank zur Sicherstellung für einen von ihm aufgenommenen Kredit. Das Motorrad gab er dem Kläger nach erfolgloser Vermittlung zurück. Der Kläger forderte nun von der Bank seinen Typenschein heraus und die beklagte Bank wendete ein, sie habe durch die Übernahme des Typenscheins gutgläubig Pfandrecht am Motorrad erworben, da sie an der Verfügungsberechtigung des Händlers nicht zweifeln musste. – Fragen: Wurde das Motorrad nach den §§ 426-428 ABGB gültig verpfändet? Kann ein Typenschein verpfändet werden? (§ 448 ABGB) Erfolgte ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb nach § 456 ABGB? (Dazu → KAPITEL 8: Gutgläubiger Pfandrechtserwerb) Kann ein Zurückbehaltungsrecht gutgläubig nach § 471 ABGB oder § 369 HGB erworben werden?
Gesichert werden können schon bestehende, das ist der Normalfall, oder auch künftige Forderungen; letztere aber nur bei entsprechender Konkretisierung (der Forderung): dh die Parteien, der Rechtsgrund und die Forderungshöhe müssen bekannt sein. – Zur Sicherung sog Nebengebühren gleich unten → Prinzipien des Pfandrechts: Prinzipien des Pfandrechts.
Abgrenzung des Pfandrechts von anderen dinglichen Rechten:
• Das Pfandrecht gewährt, anders als die Servituten (→ KAPITEL 8: Die Servituten), aber kein Nutzungs- oder Gebrauchsrecht;
• es verpflichtet aber dazu, letztlich die Befriedigung aus der Pfandsache zu dulden und nicht wie die Reallast (→ KAPITEL 8: Reallasten) zu einem positiven Tun;
• es gewährt – anders als das Retentionsrecht → Das Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB – schließlich Befriedigung aus der Pfandsache. Das handelsrechtliche Retentionsrecht der §§ 369 ff HGB gewährt aber – neben dem Zurückbehaltungsrecht – auch ein Befriedigungsrecht, und entspricht dadurch funktional dem Pfandrecht.
• der Eigentumsvorbehalt (→ KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel) sichert ebenfalls die Forderung des Verkäufers und begründet ein (effizient ausgestaltetes) dingliches Anwartschaftsrecht auf das Vollrecht; überdies wird – anders als beim Pfandrecht – dem Käufer bereits ein Gebrauchsrecht eingeräumt;
• die Sicherungsübereignung (Sicherungseigentum → KAPITEL 8: Die Sicherungsübereignung) überträgt dingliches Vollrecht zu Sicherungszwecken, das aber im Innenverhältnis treuhändisch beschränkt ist und nach hA nur nach den Regeln des Pfandrechts begründet werden kann; dem Überträger verbleibt aber ein gewisses Gebrauchsrecht.
Wir unterscheiden:
Arten und Gegenstände des Pfandrechts
• Das Faust- oder Handpfand wird an beweglichen körperlichen Sachen begründet (Faustpfandprinzip);
• beim Forderungspfand ist das Forderungsrecht, also eine unkörperliche Sache iSd § 292 ABGB, Gegenstand des Pfandrechts;
• die Hypothek oder das Grundpfand wird an unbeweglichen Sachen / Liegenschaften oder an einem Baurecht begründet.


Formen der Übergabe
Abbildung 15.26:
Formen der Übergabe
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5. Begründung und Erwerb des Pfandrechts
Der Pfandrechtserwerb folgt der Lehre von Titel und Modus; § 380 ABGB → KAPITEL 2: Die Lehre von Titel und Modus. Wie bei anderen dinglichen Rechten ist auch zum Erwerb eines gültigen Pfandrechts sowohl ein Titel, wie die nötige Übergabs- oder Erwerbungsart (Modus) erforderlich.
Gültiger Titel des Pfandrechtserwerbs ist entweder:
Titel
• ein Pfandbestellungsvertrag = Ver-pfändung (§ 1368 ABGB: Realkontrakt). Man spricht in diesem Fall von Vertragspfand.
Heute wird auch ein bloß auf Konsens beruhender Pfandbestellungsvertrag als zulässig erachtet. – Vgl damit: Darlehen <-> Kreditvertrag.
• Oder eine Pfandrechtsbegründung durch Richterspruch = Pfändung; und schließlich
gibt es auch das gesetzliche Pfandrecht; zB das des Vermieters (§ 1101 ABGB) oder von Rechtsanwälten nach § 19 Abs 4 und § 19a RAO. – Hier ist das Gesetz Titel des dinglichen Rechtserwerbs.
Eine Übersicht der gesetzlichen Pfand- und Vorzugsrechte sowie zum richterlichen Pfandrecht findet sich bei Dittrich / Tades, ABGB34, S. 488 f bei § 450 ABGB.
Als Modus oder taugliche Erwerbungsart für eine Pfandrechtsbegründung dient:
Modus
bei beweglichen Sachen die Übergabe (§§ 426-428 ABGB → KAPITEL 2: Übergabsarten für bewegliche Sachen); sog Faustpfandprinzip: aber keine Begründung durch Besitzkonstitut!;
bei Liegenschaften die Intabulation;
Modus für das Pfändungspfandrecht (bei Exekutionen) ist die Eintragung ins Pfändungsprotokoll (bewegliche Sachen) oder ins Grundbuch (für Liegenschaften).
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 26. 2. 2002, 1 Ob 32/02s, JBl 2002, 523 = EvBl 2002/119: Die Betreiberin einer Pfandleihanstalt nimmt als Sicherheit für einen Kredit an einen Kunden den Typenschein seines Pkw entgegen. Dieser meldet den Typenschein bei der Bundespolizeidirektion als verloren und lässt sich einen neuen ausstellen. Die Behörde ließ sich entgegen § 30 Abs 5 KFG den Verlust des alten Typenscheins nicht bescheinigen. Die Klägerin klagt nach AHG auf Schadenersatz. – OGH verneint Rechtswidrigkeitszusammenhang: § 30 Abs 5 KFG sei zwar eine Schutznorm iSd § 1311 ABGB, sie bezwecke aber nicht den Schutz zivilrechtlicher Ansprüche eines Darlehensgebers, der zur Sicherung der Rückzahlungsverpflichtung den Typenschein in seine Gewahrsame nimmt. Vielmehr soll die Bestimmung im öffentlichen Interesse ganz allgemein den Gefahren vorbeugen, die durch den Betrieb nicht typengerechter Fahrzeuge im Straßenverkehr hervorgerufen werden.
OGH 25.8.1999, 3 Ob 308/97h, JBl 2000, 32 (Austausch eines Porsche Carrera 911 gegen einen Audi 100 Quatro als Pfandobjekt): Soll an die Stelle einer im vorbehaltenen Eigentum des Verkäufers und idF des Finanzierers (Bank) stehenden Sache (Porsche) eine andere treten (Audi), die dem Käufer gehört, so bedarf es neben dem entsprechenden Vertrag, der insofern einen tauglichen Titel bildet, für die Begründung von Sicherungseigentum der körperlichen Übergabe des Austauschobjekts und nicht nur der Übergabe des Typenscheins. Im Falle des Konkurses des Käufers steht daher der Bank kein Herausgabeanspruch nach der KO zu, weil nach hA Sicherungseigentum nur nach den Regeln der gültigen Pfandrechtsbegründung erworben werden kann.
Pfändung körperlicher Sachen – § 253 EO
(1) Die Pfändung ... körperlicher Sachen wird dadurch bewirkt, daß das Vollstreckungsorgan dieselben in einem Protokolle verzeichnet und beschreibt; Pfändungsprotokoll
(2) Die Pfändung kann nur für eine ziffernmäßig bestimmte Geldsumme stattfinden.
(3) Behaupten dritte Personen bei der Pfändung an den im Protokolle verzeichneten Sachen solche Rechte, welche die Vornahme der Exekution unzulässig machen würden [zB Eigentum: Exszindierung ], so sind diese Ansprüche im Pfändungsprotokoll anzumerken.
(4) Der Beschluß, durch welchen die Pfändung bewilligt wurde, ist dem Verpflichteten bei Vornahme der Pfändung zuzustellen.
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6. Das Pfandrecht als Zwei- oder Dreipersonenverhältnis
Der persönliche Schuldner kann eine eigene Sache verpfänden, wodurch er sowohl Pfandbesteller, als auch Pfandschuldner wird. In diesem Fall ist das Pfandrecht ein:
Zwei-Personen-Verhältnis
• Dingliche Sicherheit in Form eines Pfandrechts kann dem persönlichen Gläubiger aber auch dadurch eingeräumt werden, dass ein Dritter für den Schuldner eine Sache als Pfand bestellt. Dann stehen dem persönlichen Gläubiger, der zugleich Pfandgläubiger ist, auf der einen Seite nach wie vor der persönliche Schuldner gegenüber und andererseits ein Dritter als Pfandbesteller und Pfandschuldner.


Pfandrecht als 2-Personenverhältnis
Abbildung 15.27:
Pfandrecht als 2-Personenverhältnis


Pfandrecht als 3-Personenverhältnis
Abbildung 15.28:
Pfandrecht als 3-Personenverhältnis
Beachte
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7. Verpfändung und Pfändung von Forderungen oder Rechten
Nach § 448 ABGB kann als Pfand „jede [!] Sache dienen, die im Verkehr steht”. Sie muss nur als Vermögensobjekt verwertbar sein → Mehr zum Pfandrecht Zum Sachbegriff des ABGB zählen auch Rechte und Forderungen. Sie sind unkörperliche Sachen → KAPITEL 8: Körperliche und unkörperliche Sachen und ebendort , S.. Auf unkörperliche Sachen finden aber die Regeln des Sachenrechts grundsätzlich keine Anwendung. Die Übertragung des Vollrechts an einer Forderung erfolgt daher nicht nach den §§ 426 ff ABGB, sondern nach den Zessionsregeln der §§ 1392 ff ABGB.
Dennoch lässt man, mag das auch einen Systembruch darstellen, die Pfandrechtsbegründung sowohl an
Systembruch
Forderungsrechten (also schuldrechtlichen Ansprüchen), wie
dinglichen Rechten (zB Fruchgenuss, Pfandrecht: Pfandrecht am Pfandrecht = Afterpfandrecht – §§ 454 f ABGB) und
absoluten Rechten (zB Patentrechten) zu.
Dabei sind weiters zu unterscheiden (wobei die Regeln von Titel und Modus auch hier zu beachten sind):
Weiters zu unterscheiden
• Forderungen, die in Inhaber- oder Orderpapieren verbrieft sind, werden durch die Übergabe des jeweiligen (Wert)Papiers verpfändet;
• (offene) Buchforderungen können auch durch einen deutlichen Vermerk in den Geschäftsbüchern des Pfandbestellers verpfändet werden; und
• die Verpfändung sonstiger Forderungsrechte erfolgt iSd § 424 ABGB (symbolische Übergabe, Übergabe durch Zeichen), zumal eine körperliche Übergabe von Forderungen ausscheidet. Zur formlosen (Titel)Vereinbarung zwischen Pfandgläubiger und Pfandschuldner iSd § 1368 ABGB hat aber hier noch die Drittschuldnerverständigung zu erfolgen, die zu enthalten hat, welche Forderung, an wen verpfändet wurde.
Von der Begründung eines Pfandrechts an einer Forderung ist die Sicherungszession (→ KAPITEL 14: Sicherungszession) zu unterscheiden, die allerdings vergleichbaren Regeln folgt. – Der Unterschied liegt aber darin, dass die Sicherungszession (nur) das obligatorische Vollrecht an einer Forderung überträgt; wenngleich unter der treuhändischen Einschränkung, über die Forderung nur im Sicherungsfall zu verfügen, also sich daraus zu befriedigen. – Das Pfandrecht dagegen überträgt immer nur ein beschränktes und kein Vollrecht, allerdings ein (quasi)dingliches Recht.
Unterscheide: Sicherungszession


Pfändung einer Forderung (s. Zession!)
Abbildung .28:
Pfändung einer Forderung (s. Zession!)
Wird eine Forderung gepfändet (zB Sparbuch, Gehalt) kommt noch der sog Drittschuldner (= Schuldner der gepfändeten Forderung) hinzu.


A pfändet Forderung des B gegen C
Abbildung 15.29:
A pfändet Forderung des B gegen C


Pfändung von Geldforderungen
Abbildung 15.30:
Pfändung von Geldforderungen
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8. Prinzipien des Pfandrechts
Wie das Sachenrecht und das Grundbuchsrecht kennt auch das Pfandrecht Prinzipien, dh Grundsätze, um seine Ziele und Funktionen klarzustellen und – auch in Zweifelsfällen – sicherzustellen. – Die Pfandrechtsprinzipien decken sich zum Teil mit den allgemeinen Prinzipien des Sachen- (→ KAPITEL 8: Rechtsprinzipien des Sachenrechts) und des Grundbuchrechts → KAPITEL 2: Die Grundbuchsprinzipien.
Auch das Pfandrecht ist ein dingliches Recht, das an der Sache haftet und das mit absoluter Wirkung ausgestattet ist. – Es zählt zu den beschränkten dinglichen Rechten.
Dingliches Recht
Entstehung und Weiterbestand des Pfandrechts hängen vom Bestand der gesicherten Forderung ab, dessen Nebenrecht das Pfandrecht ist; Akzessorietät. Erlischt die gesicherte Forderung, erlischt auch das Pfandrecht.
Akzessorietät
Das Pfandrecht muss für Dritte (insbesondere andere Gläubiger) erkennbar sein. Dafür sorgen das Faustpfand- und das bücherliche Intabulationsprinzip. Beim Forderungspfand sorgen andere Akte für seine Publizität; Drittschuldnerverständigung oder Buchvermerk.
Publizität
Dabei sind zwei Aspekte (der Spezialität) zu unterscheiden:
Spezialität
• Einerseits kann ein Pfandrecht nur an bestimmten Sachen begründet werden und in der Folge bestehen. Es gibt also bei uns keine Generalpfandrechte! Weder am gesamten Vermögen (etwa in Form einer Generalhypothek), noch in der Form der Verpfändung eines ganzen Unternehmens oder einer sonstigen Gesamtsache → KAPITEL 8: Gesamtsachen. Pfandrechtsbegründung und Veräußerung – zB eines Unternehmens – gehen unterschiedliche Wege.
War eine Liegenschaft mit einer Hypothek belastet und brennt das darauf stehende Haus ab, erfasst das Pfandrecht nunmehr die (Feuer)Versicherungssumme; bei Enteignungen erfasst das Pfandrecht die Entschädigungssumme und bei Verarbeitung der Pfandsache belastet das Pfandrecht künftig die neue Sache. Man spricht hier von einer Wandlung des Pfandrechts oder Pfandrechtsmodifikation. – Der Gedanke der Spezialität wird dadurch kaum beeinträchtigt.
• Andrerseits kann nach § 14 Abs 1 GBG ein Pfandrecht nur für ziffernmäßig bestimmte Geldforderungen eingetragen werden; eine Ausnahme bildet aber die Höchstbetragshypothek nach § 14 Abs 2 GBG → KAPITEL 2: Ausnahmen vom Spezialitätsgrundsatz.
Zum Spezialitätsgrundsatz vgl auch → KAPITEL 8: Spezialität; zur Wertsicherung → Wertsicherung
Werden an einem Pfandgegenstand mehrere Pfandrechte begründet, was für Liegenschaften praktische Bedeutung besitzt, richtet sich ihr Rang – und damit die Reihenfolge der Befriedigung aus dem Pfand – nach der Reihenfolge ihrer Begründung; vgl auch → Priorität oder Rangprinzip Das jeweils ältere Recht geht vor; Priorität.
Priorität oder Rangprinzip
Vgl die Rechtssprichwörter: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst”; oder: römisches Recht: „prior tempore potior iure”.
Eine Änderung erfährt der Grundbuchsrang dadurch, wenn bei mehrfacher hypothekarischer Belastung die Forderung eines Hypothekargläubigers – etwa des dritten von fünf Rängen – getilgt und die Hypothek gelöscht wird; vgl § 469 ABGB. In diesem Fall rücken – wenn der Liegenschaftseigentümer nicht von seinem Verfügungsrecht nach § 469 ABGB Gebrauch macht, und kein Rangvorbehalt (§ 58 GBG) begründet wird und es zu keiner bedingten Pfandrechtseintragung (§ 59 GBG) kommt – die Nachhypothekare jeweils eine Stelle vor: der vierte wird dritter und der fünfte vierter usw. Man nennt dies Vorrückungsprinzip.
Vorrückungsprinzip
Zu diesen Bestimmungen gleich unten.
Zu den weiteren Pfandrechtsgrundsätzen, nämlich dem Pfandrecht als einem Recht an fremder Sache (→ Das Pfandrecht als Recht an fremder Sache) und dem Grundsatz der ungeteilten Pfandhaftung → Grundsatz der ungeteilten Pfandhaftung
”Recht an fremder Sache” und „Grundsatz der ungeteilten Pfandhaftung”
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9. Das Pfandrecht als Recht an fremder Sache
Das Pfandrecht teilt dieses Kriterium mit den Servituten. Die Rspr lehnt Pfandrechte an eigener Sache grundsätzlich ab; zu den Ausnahmen gleich mehr. Das Pfandobjekt darf nicht dem Pfandgläubiger, sondern muss dem Schuldner der (Gläubiger)Forderung oder einem Dritten als Pfandbesteller gehören.
Das Grundbuchsrecht kennt aber wichtige Ausnahmen, wobei zu beachten ist, dass in diesen Fällen auch von einem Wiederaufleben des Eigentums als dinglichem Vollrecht gesprochen werden kann:
Ausnahmen
Eine Verbindlichkeit wird nach § 1412 ABGB grundsätzlich durch Zahlung, das ist die Leistung dessen, was man zu zahlen schuldig ist, erfüllt. Das gilt nach § 469 ABGB auch für das Pfandrecht. Für Hypotheken statuiert jedoch § 469 Satz 3 ABGB:
§ 469 ABGB: Verfügungsrecht des Liegenschaftseigentümers
„Zur Aufhebung einer Hypothek ist die Tilgung der Schuld allein nicht hinreichend. Ein Hypothekargut bleibt so lange verhaftet, bis die Schuld aus den öffentlichen Büchern gelöscht ist.”
Bis dorthin besteht das Pfandrecht fort. Man spricht vom Verfügungsrecht des Liegenschaftseigentümers nach Tilgung der Schuld ohne grundbücherliche Löschung des Pfandrechts; sog forderungsentkleidete Eigentümerhypothek. – Die Hypothek steht daher, genauer: das Verfügungsrecht über den Hypothekenrang der getilgten Schuld, dem Liegenschaftseigentümer als vormaligem Schuldner und Pfandbesteller zu.
Forderungsentkleidete Eigentümerhypothek
Nach JB 188 (1909) hat § 469 ABGB für den exekutiven Pfandrechtserwerb auf ein Buchobjekt keine Geltung. – Allgemein zum Erlöschen der Schuld, zu Zahlung und anderen Endigungsgründen → KAPITEL 7: Erlöschen der Schuld: Zahlung / Erfüllung und andere Endigungsgründe.
• Auch beim Rangvorbehalt des § 58 GBG besteht die Möglichkeit, dass der pfandbestellende Schuldner über den Rang der ursprünglich für den Gläubiger begründeten Hypothek nachträglich erneut verfügen kann.
Abs 1: „Im Falle der Löschung des Pfandrechts kann der Eigentümer zugleich die Anmerkung im Grundbuch erwirken, das die Eintragung eines neuen [!] Pfandrechtes im Rang und bis zur Höhe des gelöschten Pfandrechtes binnen drei Jahren nach der Bewilligung der Anmerkung vorbehalten bleibt ....”
• Vgl § 470 Satz 2 (Erlöschen des Pfandrechts) iVm § 1446 (Vereinigung) ABGB: Von echter Eigentümerhypothek wird deshalb gesprochen, weil die Stellung des Pfandgläubigers und jene des Pfandschuldners (in einer Person) zusammenfallen; etwa dadurch, dass der (Pfand)Gläubiger, die ihm als Pfand dienende Liegenschaft kauft. Die gesicherte Forderung besteht auch dann weiter; als Pfandobjekt dient nunmehr aber die eigene Liegenschaft. Vgl den Text des § 470 ABGB.
Echte oder forderungsbekleidete Eigentümerhypothek
• Bedingte Pfandrechtseintragung
Vgl insbesondere Abs 1: „Der Eigentümer einer Liegenschaft kann begehren, dass im Rang und bis zur Höhe eines auf der Liegenschaft [bereits] haftenden Pfandrechtes das Pfandrecht für eine neue [!] Forderung mit der Beschränkung eingetragen werde, dass es Rechtswirksamkeit erlangt, wenn binnen einem Jahr nach der Bewilligung der Eintragung des neuen Pfandrechtes die Löschung des älteren Pfandrechtes einverleibt wird.” Nach Abs 2 ist der Eintritt dieser Bedingung im Grundbuch anzumerken.
Diese Möglichkeit dient in der Praxis der Umschuldung. – So, wenn ein gewährter teurer Kredit oder ein solches Darlehen gegen günstigere Kredite oder Darlehen „ausgetauscht” werden soll. Das geht allerdings nur mit Zustimmung des Hypothekargläubigers. An die Stelle der Hypothek für das alte Darlehen, soll der gleiche Rang künftig das günstigere neue Darlehen sichern. Ist der alte Hypothekargläubiger einverstanden, zahlt der Liegenschaftseigentümer, der zugleich Pfandbesteller ist, Zug um Zug gegen Aushändigung einer Löschungsquittung den Darlehensbetrag an den Altgläubiger zurück. Würde die Althypothek gelöscht und nicht von der Möglichkeit einer bedingten Pfandrechtseintragung Gebrauch gemacht, würden allfällige Nachhypothekare rangmäßig nachrücken und die hypothekarische Sicherung des günstigeren Kredits könnte nur im Rang nach den bereits eingetragenen Pfandrechten, also im letzten Rang, erfolgen. Das hätte wiederum Auswirkungen auf die Kreditkonditionen.
Umschuldung§ 59 GBG: Bedingte Pfandrechtseintragung
• Vgl in diesem Zusammenhang auch das gesetzliche Pfandrecht des Kommissionärs nach den §§ 397 ff HGB: Nach § 398 HGB kann sich der Kommissionär, „auch wenn er Eigentümer des Kommissionsguts ist, für die in § 397 bezeichneten Ansprüche ... aus dem Gute befriedigen.”
Pfandrecht des Kommissionärs
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10. Grundsatz der ungeteilten Pfandhaftung
Das bestellte Pfand(recht) haftet für die gesamte Forderung; und zwar für die Hauptforderung – zB die Darlehnssumme – samt Nebengebühren; etwa Zinsen, seien es gesetzliche oder vertragliche, aber auch Verfahrenskosten iwS, also Prozess- und Exekutionskosten (§ 16 GBG) etc. Nach § 14 Abs 1 GBG muss bei einer verzinslichen Forderung auch die Höhe der Zinsen eingetragen werden. Dreijährige Zinsenrückstände genießen nach § 17 GBG „gleichen Rang mit dem Kapital”. Das Pfand haftet auch für allfällige Schadenersatzansprüche oder eine Konventionalstrafe.
Hauptforderung und Nebengebühren
Zur (Rang)Sicherung von Nebengebühren bedient sich die Praxis der Nebengebührensicherstellung, die im Rang der Hauptforderung verbüchert wird. Man spricht auch von Nebengebührenkaution.
Nebengebührensicherstellung
Vgl hinsichtlich unseres Grundsatzes auch die Regelung des § 13 Abs 1 GBG: Bei Alleineigentum belastet die Hypothek den ganzen Grundbuchskörper, bei Miteigentum den ganzen Miteigentumsanteil. Eine kleine Ausnahme gestattet § 13 Abs 2 GBG.
Alleineigentum und Miteigentum
Tilgt zB der Pfandschuldner / -besteller die durch Pfandrecht gesicherte Forderung bloß teilweise, verpflichtet das den Pfandgläubiger nicht zur Teilrückstellung des Pfandes, was meist auch praktisch nicht möglich wäre. Anders aber beim Geldpfand. – Wurde eine Liegenschaft hypothekarisch belastet und wird an ihr später Miteigentum begründet, bleibt die ursprüngliche Pfandbelastung der ganzen Liegenschaft grundsätzlich (an allen Teilen) aufrecht.
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11. Unerlaubte Pfandabreden
§ 1371 ABGB erklärt eingangs in einer Generalklausel alle der Natur des Pfand- und Darlehnsvertrags entgegenstehenden Bedingungen und Nebenverträge für ungültig. – Danach ist bspw die Sicherungsübereignung durch Besitzkonstitut unerlaubt, weil dies dem Faustpfandprinzip widerspricht.
Generalklausel
Als Beispiele nennt § 1371 ABGB:
Beispiele
• Sog Verfallsklauseln (lex commissoria), also Abreden, „daß nach der Verfallszeit der Schuldforderung das Pfandstück dem Gläubiger zufalle”;
• oder, „daß er es [sc das Pfandstück] nach Willkür, oder in einem schon im voraus bestimmten Preise veräußern, oder für sich behalten könne;” [Warum verbietet das Gesetz das wohl?]
• oder, „daß der Schuldner das Pfand niemals einlösen”,
• oder „ein liegendes Gut keinem andern verschreiben”,
• oder „daß der Gläubiger nach der Verfallszeit die Veräußerung des Pfandes nicht verlangen dürfe”.
Was unterscheidet das letzte Beispiel von den vorangehenden? – Beachtet werden sollte die vorbildliche legistische Kombination von Generalklausel (Satz 1) und in der Folge aufgezählten Beispielen, die das zunächst allgemein Angeordnete anschaulich und die Rechtsanwendung zusätzlich flexibel machen.
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 2000/85 (§ 1371 ABGB, § 24 UrhG) – Fehlende Rückübertragungspflicht als Verfallsabrede: Eine der Sicherung des Werknutzungsberechtigten dienende Vereinbarung, die dessen Pflicht, das Werknutzungsrecht bei Auflösung des Vertrags (über die Einräumung des Werknutzungsrechts) dem Vertragspartner rückzuübertragen, auf einen bestimmten Sachverhalt einschränkt und damit dazu führt, dass das Werknutzungsrecht dem Werknutzungsberechtigten endgültig verbleibt, wenn sein Vertragspartner die durch die Vereinbarung gesicherten Zahlungsverpflichtungen nicht ordnungsgemäß erfüllt, ist eine unzulässige Verfallsabrede.
§ 1372 ABGB verbietet es dem Gläubiger, sich die Fruchtnießung der verpfändeten Sache auszubedingen; das ist das alte pactum antichreticum. Hier besteht nämlich die Gefahr verdeckten Wuchers. Satz 2 unserer Bestimmung gestattet dem Gläubiger aber den „bloße[n] Gebrauch eines beweglichen Pfandstückes”, wenn dieser ihm vom Pfandbesteller gestattet wurde; vgl auch § 459 ABGB. Bei Hypotheken ist das aber nicht gestattet, wenngleich die Praxis es zulässt, dass eine verpfändete Liegenschaft dem Pfandgläubiger in Bestand gegeben wird; GlU 11.289 (1886): Verpfändung von Zimmern eines Hauses und Einräumung ihrer Bewohnung an Stelle von Darlehenszinsen.
pactum antichreticum
§ 85 Abs 3 Satz 2 GBG gestattet aber das sog Ertragspfand / Revenuenhypothek (→ Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Pfandrechts) bei dem Befriedigung in Form von Fruchtgenuss gewährt wird.
Ertragspfand
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12. Pfandverwertung
Das Pfandrecht ist – wie wir gehört haben – Sicherungsrecht, aber es gewährt auch ein Befriedigungsrecht. Das bedeutet letztlich, dass sich der Pfandgläubiger aus dem Pfand – wenn auch nicht eigenmächtig und unmittelbar – befriedigen kann, wenn der Schuldner die geschuldete und durch das Pfand gesicherte Forderung/Leistung nicht erbringt.
Der Pfandgläubiger darf aber nach bürgerlichem Recht das Pfand nicht eigenmächtig veräußern: Das Verfahren der „Umänderung” des Pfandrechts von einem bloß abstrakten Sicherungs-, in ein konkretes Recht zur Befriedigung aus der Pfandsache, heißt Pfandverwertung. Sie erfolgt unter Einbeziehung des Gerichts. (Die Rechtsgeschichte lehrt uns nämlich, dass es hier leicht zu Übergriffen des Gläubigers kommen kann.) Das Verfahren ist relativ kompliziert und nur für Kaufleute – genauer: wenn der Pfandgläubiger Kaufmann ist – einfacher. In diesem Fall steht dem Kaufmann zur rascheren Verwertung die Möglichkeit des außergerichtlichen Verkaufs zu; Art 8 Nr 14 der 4. EVHGB. – Über angemessene Vereinfachungen sollte nachgedacht werden.
Was heisst Pfandverwertung?
Die (normale) Pfandverwertung erfolgt im Exekutionsverfahren, also durch Zwangsvollstreckung; §§ 461 ff ABGB und 81 ff EO. – Die §§ 465, 466 ABGB stellen klar, dass sich der Pfandgläubiger entweder an das Pfand, oder „anderes Vermögen des Schuldners” oder beides halten kann! Daran zeigt sich das Zusammenspiel von persönlicher und Sachhaftung.
Zwangsvollstreckung
Zur Unterscheidung zwischen persönlicher und dinglicher Haftung → Persönliche, dingliche und beschränkte Haftung
Bezahlt der Schuldner aber seine Schuld bei Fälligkeit, hat ihm der Pfandgläubiger Zug um Zug (§ 1052 iVm § 469 Satz 2 ABGB) das Faustpfand zurückzugeben und der Hypothekargläubiger hat eine Löschungserklärung auszustellen; § 1369 Satz 2 und 3. – Ein allfälliger Schaden, den das Pfand genommen hat, ist vom Pfandgläubiger zu ersetzen.
Erfüllung der Pfandschuld
Umgekehrt steht aber dem Pfandgläubiger nach § 458 ABGB „bei Entdeckung eines unzureichenden Pfandes” (Marginalrubrik) das Recht zu, vom „Pfandgeber ein anderes angemessenes Pfand zu fordern.” Aus § 458 ABGB wird der sog Devastationsanspruch des Pfandgläubigers abgeleitet. Danach kann der Pfandgläubiger den Pfandbesteller auch auf Unterlassung schuldhaft (§ 458 ABGB fordert „Verschulden des Pfandgebers“!) schädigender Einwirkungen klagen. Es ist dies eine dingliche Unterlassungsklage (auch) wegen drohender Verschlimmerung des Pfandes oder nach bereits erfolgterVerschlechterung auf Wiedergutmachung.
Devastationsanspruch
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1962/56: Bäume fällen;
EvBl 1984/119: Abschluss von Mietverträgen nach Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens.
OGH 24. 2. 2000, 8 Ob 254/99g, SZ 73/40: Hochverschuldeter (über 20 Mio S) Wohnungseigentümer belastet seine Zweitwohnung mit einer Hypothek. Kurz darauf vermietet er sie zu unüblichen Bedingungen: Bestanddauer von 15 Jahren, Mietzins von 20.000 S jährlich, Mietzins-Vorauszahlung von 300.000/der Mietzinse der ersten 5 Jahre. Dem Beseitigungsanspruch auf Grund der Devastationsklage (§ 458 ABGB) hält der Mieter seine Unkenntnis von der wirtschaftlichen Situation des Vermieters entgegen; fehlendes Verschulden. – OGH verlangt vom Mieter unter bestimmten Voraussetzungen (hier: gravierende Abweichungen von den üblichen Konditionen) Grundbuchseinsicht; um in seinem Vertrauen geschützt zu sein, mit dem Abschluss des Mietvertrags nicht in absolut geschützte Rechte Dritter einzugreifen. – Die Linie des OGH überzeugt nicht, zumal bspw nichtberücksichtigt wird, dass das Mietobjekt in der Heizungsperiode nicht benutzbar war, was den Mietpreis ja bereits verdoppelt hätte. Einfachheit sollte auch heute ein Ziel zivilistischer Praxis bleiben.
OGH 20. 12. 2001, 6 Ob 261/01b, EvBl 2002/94: Nach Anmerkung der Zwangsversteigerung einer hypothekarisch belasteten Liegenschaft im Grundbuch vermietet der Hypothekarschuldner das Wohnhaus samt Tischlereiwerkstätte um die Hälfte des angemessenen erzielbaren Mietzinses mit der Zusatzvereinbarung, der Mieter müsse die desolaten Räumlichkeiten in Stand setzen. Der Hypothekargläubiger erhebt die Devastationsklage (§ 458 ABGB). – OGH: Eine Räumung des Mieters kommt nur in Frage, wenn rechtswidrig und schuldhaft gehandelt wurde. OGH verneint eine Verletzung der Erkundungspflicht/Schuldhaftigkeit (Einsicht ins Grundbuch) aus zwei Gründen: Weder sei der Mietvertrag ein solcher über ein üblicherweise nicht vermietetes Objekt, noch sei er zu unüblichen Konditionen geschlossen worden (Berücksichtigung der Instandsetzungskosten von fast 1 Mio S).
OGH 24. 4. 2001, 1 Ob 286/00s, EvBl 2001/174: Gattin wird im Rahmen einer Ehescheidung richterlich nach § 87 EheG ein unbefristetes Mietrecht (8.000 S monatlich) an vormaliger Ehewohnung eingeräumt. Hypothekargläubiger (Bank) wendet Pfandverschlechterung /Devastation ein und argumentiert mit „materieller Enteignung”. – OGH: Ein Pfandgläubiger, der dadurch eine Pfandverschlechterung erfährt, dass die Ehewohnung an einen früheren Ehepartner vermietet wird, kann eine gerichtlich angeordnete Vermietung zu üblichen Konditionen nicht verhindern. OGH weist überdies verfassungsrechtliche Bedenken zurück; keine willkürliche Verletzung eines dinglichen Rechts.
Wird der Pfandgläubiger „nach Verlauf der bestimmten Zeit [= Fälligkeit] nicht befriedigt; so ist er befugt, die Feilbietung des Pfandes gerichtlich zu verlangen”; § 461 Satz 1 ABGB.
Fälligkeit der Pfandschuld
Nach hA kann ein Hypothekargläubiger seine (gesicherte) Forderung nur durch Klage (!) geltend machen. Die Realisierung des Pfandrechts erfolgt mittels Pfandrechts- oder Hypothekarklage. Das erwirkte Urteil bringt dem Pfandgläubiger den nötigen Exekutionstitel, der schließlich die Befriedigung durch Zwangsvollstreckung gestattet. – Die hA verlangt aber dieses umständliche Verfahren, das für Liegenschaften zu billigen ist, auch für das Fahrnispfand, was problematisch erscheint.
Hypothekarklage


Pfandverwertung
Abbildung 15.31:
Pfandverwertung
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13. Erlöschen des Pfandrechts
Grundsätzlich erlischt ein bestehendes Pfandrecht (an beweglichen Sachen) durch Erfüllung der (durch das Pfand gesicherten) Schuldforderung; wurde es an einer Liegenschaft bestellt, bedarf es darüber hinaus der Löschung im Grundbuch: § 469 ABGB → Das Pfandrecht als Recht an fremder Sache
Weitere Erlöschensgründe:
• Sonstiger Untergang der Forderung,
• Verzicht (auf das Pfandrecht),
• Untergang (der Pfandsache, § 467 ABGB),
• Vereinigung (der Pfandgläubiger- und Pfandbestellerstellung, § 467 ABGB),
• bedingungslose Rückstellung (der Pfandsache),
• allenfalls durch Zeitablauf (Verjährung: § 1499 und § 1483 ABGB) und schließlich
• gutgläubigen lastenfreien Pfandrechtserwerb; § 456 ABGB.
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14. Verwandte Sicherungsrechte
Das Pfandrecht begründet ein Sicherungs-, kein Nutzungsrecht. – Daher werden anstelle der Pfandrechtsbegründung immer wieder andere Sicherungsmittel verwendet; etwa:
Kein Nutzungsrecht
• das Sicherungseigentum → KAPITEL 8: Die Sicherungsübereignung;
• die Sicherungsabtretung → KAPITEL 14: Sicherungszession;
• der Eigentumsvorbehalt → KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel.
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II. Das Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB
Das ABGB von 1811 kannte das Zurückbehaltungsrecht noch nicht. Das von Zeiller in den Ur-Entwurf eingefügte Retentionsrecht wurde in der Revision des ABGB wieder gestrichen. Pratobevera hatte auf dessen missbräuchliche Verwendung in Galizien hingewiesen. – So gelangte das Zurückbehaltungsrecht erst durch die III. TN (Vorbild: § 273 Abs 2 dtBGB) ins ABGB, wo es nunmehr in § 471 geregelt ist.
1. Rechtsnatur
Mit Gschnitzer ist das Zurückbehaltungsrecht als dingliches Recht anzusehen; Sachenrecht 235 (19852): Es haftet an der Sache!
Dingliches Recht
In der Rechts- und Wirtschaftspraxis spielt das Zurückbehaltungs- oder Retentionsrecht keine allzu große Rolle. Allein es ist für manche Konstellation praktisch. – Beim Zurückbehaltungsrecht spielt das (Rechts)Prinzip der Gegenseitigkeit, das wir in Kapitel 2 (→ KAPITEL 2: Zug um Zug-Leistung) kennen gelernt haben, eine funktional wichtige Rolle → Druckmittel
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2. Gesetzliche oder vertragliche Begründung
Das Zurückbehaltungsrecht besteht schon kraft Gesetzes. Es kann aber auch vertraglich begründet werden; vgl SZ 55/112 (1982) → Mehr zum Pfandrecht Nach dem Gesetz dient es – dem Pfandrecht vergleichbar – der Sicherung einer (fälligen) Forderung. – Neben der gesetzlichen Regelung in § 471 kennt das ABGB noch weitere Anordnungen; vgl § 970c ABGB → KAPITEL 3: Zurückbehaltungsrecht ¿ § 970c ABGB.
§ 471 ABGB Abs 1 bestimmt: „Wer zur Herausgabe einer Sache verpflichtet ist, ... kann sie zur Sicherung seiner fälligen Forderung wegen des für die Sache gemachten Aufwandes oder des durch die Sache ihn verursachten Schadens mit der Wirkung zurückhalten, daß er zur Herausgabe nur gegen die Zug um Zug zu bewirkende Gegenleistung verurteilt werden kann.”
Abs 2 unserer Bestimmung legt fest, dass ein „Zurückbehaltungsrecht ... durch Sicherheitsleistung abgewendet werden” kann.
Beispiel
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3. Anwendung auf bewegliche und unbewegliche Sachen
Die weite Formulierung des Gesetzestextes – „… Herausgabe einer Sache …” – gestattet es, das Zurückbehaltungsrecht auf bewegliche und unbewegliche Sachen anzuwenden. Das tut die Praxis auch; vgl SZ 48/9 (1975): Liegenschaftsschenkung der Ehegattin an ihren Gatten im Rahmen der Eheschließung → KAPITEL 5: Ungerechtfertigte Bereicherung. Nach dem HHB 80 (III. TN) ist es aber auf körperliche Sachen beschränkt. Dafür spricht auch der Regelungsort im Sachenrecht; systematische Interpretation.
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4. Druckmittel
Das Zurückbehaltungsrecht des ABGB dient als Druckmittel, darüber hinaus aber auch zur Beweissicherung; es gewährt aber kein Befriedigungsrecht wie das Pfandrecht. – Anders das handelsrechtliche Retentionsrecht der §§ 369 ff HGB; nach § 370 HGB kann dieses auch wegen nicht fälliger Forderungen geltend gemacht werden kann.


Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB
Abbildung 15.32:
Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB


Kaufmännisches ZurückbehaltungsR
Abbildung 15.33:
Kaufmännisches ZurückbehaltungsR
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III. Das Bauträgervertragsgesetz / BTVG
Von Wiltrud Priglinger
Ein wichtiges SicherungsG der jüngsten Vergangenheit ist das BauträgervertragsG / BTVG 1997, BGBl I 7. – Das BTVG findet auf den Kauf von zu errichtenden oder durchgreifend zu erneuernden Eigentumswohnungen und Reihenhäusern Anwendung. – Bauträger ist, wer sich verpflichtet, einem Erwerber die angeführten Rechte einzuräumen. Bauträger kann jede natürliche oder juristische Person sein, wobei es auf eine Gewerbsmäßigkeit nicht ankommt. – Die Anwendbarkeit des BTVG ist zusätzlich daran geknüpft, dass der Erwerber vor der Fertigstellung vereinbarungsgemäß Zahlungen von mehr als 145 /m² Nutzfläche zu leisten hat. – Ziel des BTVG ist der Schutz der Käufer vor dem Verlust ihrer Vorleistungen im Fall der Insolvenz des Bauträgers. Wesentlich ist, dass die Bestimmungen des Bauträgervertragsgesetzes nicht zum Nachteil des Erwerbers abbedungen werden können, wenn dieser Verbraucher (§ 1 Abs 1 Z 2 KSchG) ist; zwingendes Recht.
Voraussetzungen und Ziele
Die Nichteinhaltung des BTVG wird mehrfach sanktioniert. So ist der Bauträgervertrag gemäß § 4 Abs 1 Z 5 BTVG relativ nichtig, wenn er nicht eines der im BTVG vorgeschriebenen Sicherungsmodelle oder eine gleichwertige Sicherung beinhaltet; dazu gleich mehr. Der Erwerber kann gemäß § 14 Abs 1 BTVG sämtliche Leistungen hoch verzinst zurückfordern, die er entgegen den Bestimmungen des BTVG erbracht hat. Überdies begeht der Bauträger, der Zahlungen entgegen dem BTVG vereinbart, fordert oder entgegennimmt, eine Verwaltungsübertretung und es drohen ihm Geldstrafen bis zu 28.000 ı; §§ 17 BTVG.
Sanktionen
Trotz dieser Sanktionen werden laut Auskunft des Vereines für Konsumenteninformation die Bestimmungen des BTVG häufig nicht eingehalten, oder es wird versucht, das BTVG zu umgehen → KAPITEL 11: Die (Gesetzes)Umgehung.
1. Der Bauträgervertrag
Der Bauträgervertrag bedarf nach § 3 BTVG der Schriftform.
In § 4 BTVG wird der Mindestinhalt eines Bauträgervertrags vorgeschrieben; danach müssen geregelt sein:
Mindestinhalt
• der bestimmt bezeichnete Vertragsgegenstand samt Plänen und Ausstattungsbeschreibung,
• das vom Erwerber zu zahlende Entgelt und dessen Fälligkeit,
• der späteste Übergabetermin,
• die vom Erwerber allenfalls zu übernehmenden Lasten,
• die Art der Sicherung des Erwerbers (dazu sogleich) und
• die Person des beim grundbücherlichen (§§ 9, 10) und pfandrechtlichen Sicherungsmodell (§ 11) zu bestellenden Treuhänders. – Es kann dies nur ein Notar oder Rechtsanwalt (und eine Rechtsanwalts-Partnerschaft) sein.
Werden die angeführten Punkte nicht in den Bauträgervertrag aufgenommen, so steht dem Erwerber gemäß § 5 BTVG die Möglichkeit des Rücktritts von seiner Vertragserklärung zu, die innerhalb einer Woche ab Erhalt einer Kopie des Vertrags und der Belehrung über das Rücktrittsrecht ausgeübt werden kann.
Rücktrittsrecht
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2. Die Sicherheiten
§ 7 BTVG sieht vor, dass die Sicherung entweder:
§ 7 BTVG
• durch schuldrechtliche Sicherung (§ 8 BTVG),
• durch grundbücherliche Sicherstellung des Rechtserwerbs auf der zu bebauenden Liegenschaft iVm der Zahlung nach Ratenplan (§§ 9 und 10 BTVG) oder
• durch pfandrechtliche Sicherung (§ 11 BTVG) erfolgen kann.
Die Bestimmungen über die Sicherungspflicht gelten aber auch dann als erfüllt:
• wenn eine inländische Gebietskörperschaft Bauträger ist oder dem Erwerber für seine allfälligen Rückforderungsansprüche unmittelbar haftet (§ 7 Abs 6 Z 1 und 2 BTVG); oder
• wenn eine inländischen Gebietskörperschaft eine den §§ 7 ff BTVG gleichwertige Sicherheit leistet, die insbesondere in Förderungsregelungen vorgesehen ist, deren Einhaltung von der Gebietskörperschaft überwacht wird (§ 7 Abs 6 Z 3 BTVG); oder
• bei Einrichtung eines Treuhand-Baukontos (§ 7 Abs 6 Z 4 BTVG).
Diese Aufzählung ist demonstrativ. – Entscheidend ist, dass der Sicherungszweck erfüllt ist.
Demonstrative Aufzählung
Vor Vorliegen einer tauglichen Sicherung werden Ansprüche des Erwerbers nicht fällig. – Die Sicherungspflicht des Bauträgers endet mit der tatsächlichen Übergabe des fertiggestellten Vertragsobjekts und der Sicherung der Erlangung der vereinbarten Rechtsstellung des Erwerbers.
Fälligkeit
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3. Das schuldrechtliche Sicherungsmodell des § 8 BTVG
Das schuldrechtliche Sicherungsmodell ist in erster Linie darauf ausgerichtet, dass der Erwerber im Insolvenzfall des Bauträgers seine Investitionen rasch und zur Gänze zurückbekommt; „Geld-zurück-Garantie”. – Die Bankgarantie ist die in der Praxis häufigste Sicherungsvariante. Die Bankgarantie ist ihrem Wesen nach materiell abstrakt; dazu → Garantievertrag und Bankgarantie Wichtig ist, dass die Sicherstellung auch die rückständigen Zinsen für drei Jahre in Höhe von 6 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz umfassen muss.
„Geld-zurück-Garantie”
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4. Das grundbücherliche Sicherungsmodell des § 9 BTVG
Das grundbücherliche Sicherungsmodell kommt nur in Betracht, wenn der Bauträgervertrag auf den Erwerb des Eigentums, Wohnungseigentums oder des Baurechts gerichtet ist.
Mit der bücherlichen Sicherstellung gemäß § 9 BTVG ist das nach Bauabschnitten prozentual festgelegte Zahlungsschema, der Ratenplan gemäß § 10 BTVG, untrennbar verbunden. Der Ratenplan sieht die einzelnen Bauabschnitte, bei denen eine Rate fällig gestellt werden kann, zwingend vor. Die Ratio der grundbücherlichen Sicherung liegt darin, dem Erwerber durch eine rangwahrende Anmerkung im Grundbuch (zB § 40 Abs 2 WEG- Anmerkung) die Verschaffung der vertraglich vereinbarten Rechte an der Liegenschaft zu sichern. Die bezahlten Beträge sollen dem Erwerber als Wertzuwachs seines Grundstücks letztlich wirtschaftlich zugute kommen und seine Rückforderungsansprüche – sollte das Bauwerk nicht fertiggestellt werden können – sollen im Fall der Versteigerung der Liegenschaft zum größten Teil Deckung finden.
§ 9 BTVG
§ 40 Abs 2 WEG regelt, dass der WE-Organisator vor der Anmerkung der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum Zahlungen weder fordern noch annehmen darf. Das Verbot wird durch einen Anspruch auf Rückforderung und spürbare Verzinsung des Kapitals effektuiert und geht insofern seit dem WEG 2002 mit dem BTVG konform.
Es ist bei dieser Sicherung verpflichtend, einen Treuhänder zu bestellen, der über die wesentlichen Vertragsinhalte, vor allem über die Belastungen und die Art der Sicherung in rechtlicher Hinsicht zu belehren hat und die Einhaltung des Ratenplans überwachen soll; Belehrungs- und Überwachungstreuhänder, nicht Abwicklungstreuhänder.
Treuhänderbestellung
Das grundbücherliche Modell stellt jedoch keineswegs sicher, dass der Käufer im Fall der Insolvenz des Bauträgers mit vertretbarem Kostenaufwand die Fertigstellung „seiner Wohnung” durchsetzen können wird. Sollte eine Fertigstellung scheitern, muss der Käufer zur Rückgewinnung seiner eingezahlten Beträge seine Liegenschaftsanteile verwerten, was im Regelfall zu weiteren Kosten führen wird.
Insolvenz des Bauträgers
Das pfandrechtliche Sicherungsmodell und das Baukontomodell sind aus praktischer Sicht nicht zu empfehlen und werden in der Praxis auch nie vereinbart.
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IV. Die Treuhand
Von Viktor Thurnher
Die Treuhand ist ein uraltes Rechtsinstitut, das seit Jahrtausenden in der Rechtspraxis Anwendung findet. Auch heute erfüllt die Treuhand außerordentlich wichtige Funktionen im täglichen Rechts- und Wirtschaftsleben. In zahlreichen Anwendungsfällen wurde die Treuhand gesetzlich verankert: zB § 225a Abs 2 AktG: Treuhändige Abwicklung der Anteilsübertragung bei einer Verschmelzung, vgl auch § 2 UmwG oder § 114 Abs 4 AktG: Ermächtigung der Bank, die Stimmrechte aus den in ihren Depots liegenden Aktien wahrzunehmen. – In anderen Fällen hat sich die Kautelarpraxis des Instituts der Treuhand bedient und überaus nützliche Konstruktionen entwickelt.
1. Weiter Anwendungsbereich
So wird etwa ein Großteil der Liegenschaftstransaktionen, insbesondere bei Fremdfinanzierung, unter Einschaltung eines Treuhänders abgewickelt; zum Liegenschaftskauf → KAPITEL 2: Besonderheiten des Liegenschaftskaufs. Da aufgrund der für den Eigentumsübergang erforderlichen Eintragung in das Grundbuch das Zug-um-Zug-Prinzip nicht (so einfach) eingehalten werden kann, soll der Treuhänder den für alle Beteiligten mit Unsicherheiten behafteten Zeitraum überbrücken, indem er zB den Kaufpreis treuhändig übernimmt, die für die grundbücherliche Durchführung erforderlichen Urkunden und Erklärungen einholt und nach Eintragung der Rechtsänderungen den Kaufpreis an den Verkäufer aushändigt.
Liegenschaftstransaktionen
Beispiel
Beispiel
Judikaturbeispiele belegen aber auch, dass auch „untreue” Treuhänder tätig werden.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 7.9.2000, 8 Ob 13/99s, JBl 2001, 175: A wendet sich an die Bank B und begehrt einen Kredit zur Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung. B räumt den gewünschten Hypothekarkredit ein. Im Gegenzug soll ein Höchstbetragspfandrecht im ersten Rang auf der zu erwerbenden Liegenschaft einverleibt werden. Der vom Verkäufer (V) der Liegenschaft bestellte Treuhänder T übernahm die Kreditvaluta mit dem Auftrag, diese für Rechnung des A an den V zu zahlen, sobald die für die grundbücherliche Durchführung der Eigentumsübertragung und der Pfandrechtsbestellung erforderlichen Urkunden vorliegen. Nach Unterzeichnung des Kaufvertrags und der Kreditvereinbarung überwies B die Kreditvaluta an T. „In der Folge ist der Treuhänder mit dem von [B] an ihn überwiesenen Betrag verschwunden, ohne die genannten Aufträge ausgeführt zu haben”. Entgegen seiner früheren Rspr nimmt der OGH nunmehr – zutreffend – eine gleichmäßige Risikoverteilung unter den beteiligten Parteien vor. Eine eindeutige Zuordnung des Vermögens während der Abwicklung der Treuhandschaft sei ausgeschlossen, die treuhändige Abwicklung erfolge im Interesse aller Beteiligten, daher haben sie auch gemeinsam das Risiko zu tragen.
Auch bei gesellschaftsrechtlichen Abwicklungen werden häufig Treuhänder eingeschaltet, sei es zur Vermeidung unerwünschter Steuernachteile, sei es um die wahren wirtschaftlichen Berechtigten (Handelnden) nicht offen zu legen, sei es aus Vereinfachungsgründen (etwa zur Bündelung von Unterbeteiligungen an Mitunternehmeranteilen).
Gesellschaftsrecht
Neben diesen zahlreichen legalen und durchaus zweckmäßigen Anwendungsfällen der Treuhand, wird dieses Institut jedoch auch zur Gesetzesumgehung eingesetzt; dazu → KAPITEL 12: Geschäftsbesorgung. Die vertraglichen Regelungen sind in solchen Fällen zumeist mit Nichtigkeitssanktion bedroht: zB Erwerb einer Liegenschaft durch einen Treuhänder, um die grundverkehrsrechtliche Genehmigung zu erlangen; Übernahme eines Gesellschaftsanteils durch einen Treuhänder, weil der Treugeber bei einer direkten Beteiligung gegen ein Wettbewerbs- oder Konkurrenzverbot verstoßen würde; Erwerb einer geförderten Eigentumswohnung durch einen „förderungswürdigen” Treuhänder für Rechnung eines „förderungsunwürdigen” Treugebers.
Gesetzesumgehung
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2. Anwendungsfall der Geschäftsbesorgung
Die Treuhand ist ein Anwendungsfall der Geschäftsbesorgung (→ KAPITEL 12: Der Auftrag). Ihr liegt also ein Auftrag des Treugebers an den Treuhänder zu Grunde, Rechte des Treugebers im eigenen Namen aber auf der Grundlage der vertraglichen Bindung ( Treuhandabrede) auf bestimmte Weise auszuüben. – Werden dabei die Rechte auf den Treuhänder übertragen spricht man von einer Vollrechtstreuhand (Fiduzia). Wird der Treuhänder hingegen nur ermächtigt, liegt sog Ermächtigungstreuhand vor. Im Rechtsleben überwiegt die Fiduzia.
Arten der Treuhand -Treuhandabrede
Der Treuhänder hat im Hinblick auf das ihm anvertraute Treuhandgut eine Rechtsposition, die über den mit der Treuhandabrede verfolgten Zweck hinaus reicht. Er hat also überschießende Rechtsmacht: „Er kann mehr, als er darf.” Dieses „fiduziarische Element” findet sich aber auch in anderen Rechtsinstituten; etwa bei der Verwahrung, der Kommission, der Leihe etc. Bei manchen Geschäften tritt dieses Element so stark in den Vordergrund, dass man von Anwendungsfällen der Treuhand spricht; etwa bei der Sicherungsübereignung (→ KAPITEL 8: Die Sicherungsübereignung) und der Sicherungsabtretung (Sicherungszession → KAPITEL 14: Sicherungszession).
Überschießende Rechtsmacht
Da bei diesen Geschäften die Sicherungsfunktion im Vordergrund steht, die auch (oder vielleicht überwiegend) im Interesse des Sicherungsnehmers (Treuhänders) steht, spricht man in diesem Zusammenhang auch von eigennütziger Treuhand im Gegensatz zur herkömmlichen fremdnützigen Treuhand, bei der die Wahrnehmung der Interessen des Treugebers durch den Treuhänder im Vordergrund steht.
Eigennützige und fremdnützige Treuhand
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3. Unterscheidung von „formeller” und „materieller” Berechtigung
Charakteristisch bei der Treuhand ist das Auseinanderfallen von Rechtszuständigkeiten zwischen dem „formal” berechtigten Treuhänder und dem „materiell” oder „wirtschaftlich” berechtigten Treugeber. Augenscheinlich wird das Problem im Fall der Insolvenz des Treuhänders. Das nach außenhin dem Treuhänder zustehende Vermögen zählt nicht zur Befriedigungsmasse seiner Gläubiger. Der Treugeber hat Anspruch auf Aussonderung (im Fall der Exekutionsführung gegen den Treuhänder: Exzindierung → Die Treuhand) seines Eigentums und zwar unabhängig davon, ob für die Gläubiger erkennbar war, dass es sich um „Eigentum” des Treugebers handelte (offene Treuhand) oder nicht (verdeckte Treuhand; Durchbrechnung des sachenrechtlichen Publizitätsgrundsatzes).
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4. Abgrenzung der Treuhand von anderen Rechtsinstituten
Die Abgrenzung der Treuhand von anderen Rechtsinstituten (Stellvertretung, Verwahrung) bereitet im Allgemeinen keine Schwierigkeiten. Eine Abgrenzung von der mittelbaren Stellvertretung (→ KAPITEL 13: Die indirekte Stellvertretung) kann in Wahrheit nicht gelingen, weil idente Sachverhalte vorliegen: Auch der mittelbare Stellvertreter nimmt fremde Rechte im eigenen Namen wahr; er „unterscheidet” sich vom Treuhänder nur durch eine andere Bezeichnung. Auch der Strohmann ist typischer Treuhänder.
Unerfindlich ist daher, warum ein Aussonderungs- und Exszindierungsanspruch des (mittelbar) Vertretenen gegen die Gläubiger des mittelbaren Stellvertreters von der Rspr verwehrt wird, während die Ansprüche auch des verdeckten Treugebers gegenüber den Gläubigern des Treuhänders gewahrt werden. Diese Diskrepanz in der Judikatur blieb bislang unbegründet.
Ungereimtheiten in der Rspr
Rechtssprechungsbeispiel
GesRZ 1978, 30: Eine Bank gewährte Autoreparaturkredite. Die Forderungen gegen die Kreditnehmer wurden zu 100 % als Forderungen der Bank gegen die jeweiligen Kreditnehmer verbucht. Die Kreditmittel stammten aber nur zu 50 % von der Bank, die restlichen 50 % kamen von der A-KG. Die Kredite wurden ausnahmslos im Namen der Bank gewährt, die A-KG schien den Kreditnehmern gegenüber nicht auf. Die Bank verfiel in Konkurs, die A-KG begehrte die Aussonderung von 50 % der von der Bank (Gemeinschuldnerin) eingezogenen Kreditforderungen. Der OGH ging vom Bestand einer Innengesellschaft aus und meinte, eine solche könne sich nicht durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Daher komme nur indirekte Stellvertretung in Frage. Der indirekte Stellvertreter erwerbe aber nur für sich, nur er würde persönlich berechtigt und verpflichtet. Die an die Bank rückfließenden Beträge seien daher in ihr Alleineigentum gelangt und nicht aussonderungsfähig.
RdW 1990, 911: Eine Liegenschaft wurde exekutionsweise versteigert. A ging mit Exzindierungsklage gegen das Exekutionsverfahren vor und machte geltend, dass der Liegenschaftseigentümer S diese aufgrund der vor einigen Jahren abgeschlossenen Treuhandvereinbarung nur als Treuhänder des A erstanden habe. Der OGH gesteht dem Treugeber den Exzindierungsanspruch zu, stellt allerdings Anforderungen an den Nachweis des Bestands des Treuhandverhältnisses.
BGH, ZIP 1993, 1185: Die Ehegattin hat ein Widerspruchsrecht gegen die Zwangsvollstreckung in ein Bankkonto ihres Ehemannes, wenn der Mann das Konto als Treuhandkonto für Rechnung seiner Gattin führt: „Für das Widerspruchsrecht des Treugebers nach § 771d ZPO (= § 37 EO) ist die Publizität des Treuhandkontos … nicht zwingend erforderlich”. Dem BGH genügt bereits, wenn an den Nachweis des Treuhandverhältnisses „nicht nur verbal, sondern tatsächlich strenge Anforderungen gestellt werden”.
Literaturquelle
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C. Sicherungsmittel iwS
I. Die Anweisung: §§ 1400 ff ABGB
Die bürgerlichrechtliche Anweisung oder Assignation hat als Rechtsinstitut ua auch deshalb Bedeutung erlangt, weil sie in Spezialbereichen – insbesondere dem Wertpapier- und Bankrecht – sondergesetzlich geregelt wurde (gezogener Wechsel und Scheck → Der Wechsel und §§ 363 ff HGB: Kaufmännische Anweisung) oder neugeschaffenen Rechtsinstituten zugrunde liegt: Dokumentenakkreditiv (→ Das Dokumentenakkreditiv) und Bankgarantie (→ Garantievertrag und Bankgarantie) sind nach österreichischem Privatecht nämlich Anweisungen und dienen der Sicherheit des Rechtsgeschäftsverkehrs. Dazu kommen – ebenfalls aus dem Bankbereich – Giro- und Postanweisungen → Die Giroüberweisung Schließlich sind hier noch Streckengeschäft → KAPITEL 7: Das Streckengeschäft als Sonderfall des § 1423 ABGB und Besitzanweisung (→ KAPITEL 2: Übergabsarten für bewegliche Sachen) zu nennen.
Zum Verständnis des Streckengeschäfts als Anweisung → KAPITEL 7: Das Streckengeschäft als Sonderfall des § 1423 ABGB. – Anders als bei der Besitzanweisung, bei welcher der Anweisende bereits Eigentümer und Besitzer der zu veräußernden Sache ist, muss sich beim Streckengeschäft der Verkäufer die Ware selbst erst „besorgen”, um seine Vertragspflichten erfüllen zu können. Er bedient sich dabei eines Dritten.
Streckengeschäft
Rechtsgeschichtlich stammt die Anweisung aus dem alten Griechenland. Wir besitzen Inschriften / Urkunden (Delphi) darüber, dass zB Tempelverwaltungen (Delphi) sich der Anweisung bedienten, um ihre Schulden an Handwerker oder Baumeister im Rahmen getätigter Bauführungen etc zu begleichen. Griechenland besaß bereits ein entwickeltes Bankwesen und einschlägige Rechtsberufe (Trapizites) und übermittelte dieses Wissen früh an die Römer.
Rechtsgeschichte
Literaturquelle
Beispiel
§ 1400 ABGB
Durch die Anweisung auf eine Leistung eines Dritten wird der Empfänger der Anweisung (Assignatar) zur Einhebung der Leistung bei dem Angewiesenen (Assignat) und der letztere zur Leistung an ersteren für Rechnung des Anweisenden (Assignant) ermächtigt. Einen unmittelbaren Anspruch erlangt der Anweisungsempfänger gegen den Angewiesenen erst, wenn die Erklärung des Angewiesenen über die Annahme der Anweisung ihm zugekommen ist.
1. Die Anweisung als „Dreiecks”-Beziehung
Das schuldrechtliche Grundmuster der Anweisung ist – wie jenes der Zession oder der Bürgschaft – ein dreipersonales Schuldverhältnis (Dreiecksbeziehung → Die Parteien der Anweisung), mag auch die jeweilige innere Ausgestaltung dieser Rechtsinstitute unterschiedlich erfolgt sein. – Bei der Zession zahlt der Zedent seine Schuld gegenüber dem Zessionar dadurch, dass er diesem seine Forderung gegen den Zessus abtritt, also überträgt. Bei der Anweisung tilgt der Assignant seine Schuld dadurch, dass er den Assignaten, der ihm etwas schuldet, anweist, an den Assignatar – er ist Gläubiger des Assignanten – zu leisten. Durch die Leistung des Assignaten an den Assignatar erfüllt sowohl der Assignat seine Schuld gegenüber dem Assignanten, wie dieser die seine gegenüber dem Assignatar.
Eine beliebte Prüfungsfrage Franz Gschnitzers lautete: Der Dritte oder Dreiecksbeziehungen im Privatrecht. – Was fällt Ihnen über die hier genannten Rechtsinstitute hinaus noch ein?
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2. Die Parteien der Anweisung
Parteien der Anweisung sind:
Anweisender / Assignant,
Angewiesener / Assignat und
Anweisungsempfänger / Assignatar.
Daraus erhellt: Die Anweisung ist ein dreipersonales Schuldverhältnis.


Beispiel einer Anweisung
Abbildung 15.34:
Beispiel einer Anweisung
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3. Die Anweisung als Doppelermächtigung
Die Anweisung enthält eine doppelte Ermächtigung:
Einerseits ermächtigt der Anweisende den Angewiesenen für seine, also des Anweisenden Rechnung, an den Anweisungsempfänger zu leisten; und
andrerseits ermächtigt der Anweisende den Anweisungsempfänger, vom Angewiesenen die Leistung zu verlangen; vgl § 1400 ABGB.
Die Ermächtigung beinhaltet keine Pflicht, sondern bloß die Befugnis auf Rechnung des Ermächtigenden – hier des Anweisenden – zu handeln. Die Ermächtigung wirkt bloß im Innen-, nicht im Außenverhältnis. Der Ermächtigte handelt im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung. – Zur Erinnerung: Ermächtigung bedeutet, dass der Ermächtigende das (künftige) Handeln des Ermächtigten rechtlich gegen sich gelten lässt.
Typisches Beispiel der Praxis ist die Einziehungsermächtigung: Sie ermächtigen zB als MieterIn ihren Vermieter, die jeweilige Monatsmiete von ihrer Bank „einzuziehen”. – Grundsätzlich sollte mit Einziehungsermächtigungen sparsam umgegangen werden. Kontrolle erscheint nämlich stets nötig. Unzulässig ist es bspw alte Menschen (im Alters- oder Pflegeheim) dazu zu zwingen.
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4. Die drei Rechts-Verhältnisse der Anweisung
Bei der Anweisung sind drei Rechtsverhältnisse zu unterscheiden: das Deckungsverhältnis, das Valutaverhältnis und das Abwicklungsverhältnis.


Anweisung §§ 1400 ff ABGB
Abbildung 15.35:
Anweisung §§ 1400 ff ABGB
• Die Gründe für eine Anweisung können verschiedene sein. Sie liegen – auch im vorhin erwähnten Beispiel – der Rechtsbeziehung zwischen A und B zugrunde: sog Deckungsverhältnis. Das Dekkungsverhältnis kann sein:
Anweisung auf Schuld; A besitzt bspw ein Kontoguthaben bei B. Hier ist B (vertraglich) verpflichtet der Anweisung Folge zu leisten, denn B ist Schuldner von A; daher: Anweisung auf „Schuld”!
Anweisung auf Kredit; Angewiesener (B) räumt dem Anweisenden (A) Kredit ein, indem er zustimmt an C zu leisten. Hier liegt der Fall umgekehrt. B muss zustimmen.
Ist der Anweisung ein Rechtsgrund zu entnehmen, spricht man von titulierter (= mit Titel „versehener”) oder kausaler (causa = Rechtsgrund) Anweisung, sonst von abstrakter.
Die Rechtsbeziehung im Valutaverhältnis ist entweder eine:
Valutaverhältnis
Anweisung zur Zahlung; A will seine Schuld C gegenüber durch Anweisung an B begleichen. – Oder eine
Anweisung zur Kreditgewährung; A räumt C über B Kredit ein.
Das Abwicklungs-, Einlösungs-, Annahme- oder Honorierungsverhältnis: Wie die Offerte wird die Anweisung mit Zugang wirksam und unwiderruflich. Weist A den B an, an C zu leisten, so entsteht daraus aber noch kein Recht des C von B die Leistung zu verlangen. Erst wenn B die Anweisung annimmt (Akzept), entsteht ein Anspruch des C gegen B auf Leistung, wobei zu beachten ist, dass auch C wiederum die Annahme des B zugehen muss; § 1400 ABGB. Leistet B in der Folge an C, erfüllt er für A.
Abwicklungsverhältnis
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5. Die Giroüberweisung
Sie beruht – wie die Postanweisung – auf einem Girovertrag (= Dauerschuldverhältnis), dessen Inhalt insbesondere in Kontoeröffnung und Kontoführung besteht. Die Verfügung des Kontoberechtigten über sein Konto erfolgt mittels Weisung.
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6. Sonderfälle
Sonderfälle der Anweisung sind Wechsel und Scheck. Dazu gleich mehr. Hier heißen die Parteien der Anweisung:
• Anweisender = Aussteller
• Angewiesener = Bezogener (beim Scheck immer ein Kreditinstitut)
• Anweisungsempfänger = Begünstigter oder Remittent.
Wechsel und Scheck sind – wie Aktie oder Schuldverschreibung – Wertpapiere; dh es handelt sich um Urkunden, die ein Privatrecht verbriefen, wobei das Recht aus der Urkunde von der Inhabung der Urkunde abhängt. Oder kurz: Das Recht aus dem Papier, folgt dem Recht am Papier. – Zur Unterscheidung der Wertpapiere von bloßen Beweispapieren / -urkunden wie einem Schuldschein, der etwa einen Darlehensempfang beweisen soll → KAPITEL 3: Schuldschein und Quittung.
Wertpapiere
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II. Der Wechsel
Rechtsgrundlage: WechselG 1955, BGBl 49 (Vorläufer: WechselO 1850, RGBl 51).
Literaturquelle
Der Wechsel ist ein formgebundenes Orderpapier. Er muss ausdrücklich als Wechsel bezeichnet werden; Art 1 WG für den gezogenen Wechsel. Er ist ein schuldrechtliches Wertpapier und enthält als:
gezogener Wechsel oder Tratte die unbedingte Anweisung, eine bestimmte Geldsumme (=Wechselsumme) zu bezahlen oder als
eigener oder Sola-Wechsel (Aussteller = Bezogener) ein unbedingtes Zahlungsversprechen.
Die Tratte ist dreipersonales, der Solawechsel ein zweipersonales Schuldverhältnis.
Vgl dazu die folgenden Muster.
1. Gültigkeitsvoraussetzungen
Erforderlich sind nach Art 1 Z 3 ff WG auch:
• Die Nennung dessen, der zahlen soll (= Bezogener),
• die Angabe der Verfallszeit (also der Fälligkeit),
• des Zahlungsorts,
• des Tages und Ortes der Ausstellung sowie
• der Name dessen, an den oder dessen Order zu zahlen ist (= Begünstigter / Remittent),
• schließlich die Unterschrift des Ausstellers.


Sola-Wechsel
Abbildung 15.36:
Sola-Wechsel
Ordre (fr), deutsch „Order” bedeutet: Auftrag, Anweisung, Befehl, Verfügung. – Durch die Orderklausel macht der Aussteller ein sog gekorenes Wertpapier zum Orderpapier; positive Order: „Zahlen Sie an Frau Y oder an Ihre Order”; die negative Order nimmt einem geborenen Orderpapier seinen Charakter: „ ... nicht an Order”. Vgl Art 11 Abs 1 WG: „Jeder Wechsel kann durch Indossament übertragen werden, auch wenn er nicht ausdrücklich an Order lautet” (geborenes Orderpapier); – Abs 2: „Hat der Aussteller in den Wechsel die Worte „nicht an Order„ ... aufgenommen, so kann der Wechsel nur in der Form und mit den Wirkungen einer gewöhnlichen Abtretung [= Zession: §§ 1392 ff ABGB] übertragen werden.”
„Order”
Das Orderpapier ist – neben den Inhaber- und Rektapapieren – ein weiterer Typus des Wertpapiers. Darin verspricht der Aussteller des Wertpapiers an eine bestimmte Person (den Berechtigten) oder eine vom Berechtigten durch Indossament bezeichnete Person zu leisten. Es werden die geborenen (Wechsel oder Namensaktie) von den gekorenen (kaufmännische Anweisung, Lade- und Lagerschein, Konossement) Orderpapieren unterschieden; letztere werden nur dadurch zu Orderpapieren, dass die positive Orderklausel in das Wertpapier aufgenommen wird. Für geborene Orderpapiere ist das nicht nötig, vielmehr müsste ihnen durch die negative Orderklausel der Charakter des geborenen Orderpapiers genommen werden.
Orderpapier
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2. Gezogener Wechsel und Sola-Wechsel
Als gezogener Wechsel / Tratte ist der Wechsel eine Anweisung, als eigener oder Sola-Wechsel, stellt er ein besonderes Schuldversprechen des Ausstellers dar.
Der Wechsel enthält eine abstrakte Verpflichtung / Forderung; dh: der Wechselverpflichtung ist kein bestimmter Rechtsgrund / Titel zu entnehmen. Der Wechsel begründet vielmehr eine eigenständige, vom ursprünglichen (Grund)Geschäft losgelöste Verpflichtung.
Abstrakte Verpflichtung
Dennoch liegt der Wechselverbindlichkeit regelmäßig ein bestimmtes Rechtsverhältnis zugrunde; sei es Kauf, Darlehen oder ein Sicherungsgeschäft. – Die Änderung einer Kauf-, in eine Wechselschuld ist Novation / Neuerungsvertrag. Geändert wird dabei der Rechtsgrund → KAPITEL 7: Novation oder Neuerungsvertrag.
Wer ist Hauptschuldner des Wechsels? – Beim gezogenen Wechsel der Bezogene; er heißt nach Annahme / Akzept; Akzeptant. – Beim eigenen Wechsel ist es der Aussteller selbst, da Aussteller und Bezogener identisch sind. – Darüber hinaus haften allfällige Indossanten oder Wechselbürgen.
Hauptschuldner
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3. Materielle und formelle Wechselstrenge
Einwendungen aus dem Grundgeschäft (zB Verzug, Gewährleistung oder Schadenersatz, aber auch die bereits erfolgte Erfüllung der Schuld oder ihre Verjährung) können nach Begebung des Wechsels – also seiner Weitergabe durch Indossament – nicht mehr erhoben werden; sog materielle Wechselstrenge.
Materielle Wechselstrenge
Dieser Gefahr versucht § 11 KSchG vorzubeugen, indem er verbietet, bei Verbrauchergeschäften Orderwechsel auszustellen. Aber dieser Schutz ist ein unvollkommener, weil ein Verstoß nur eine Verwaltungsstrafe nach sich zieht, nicht aber die Ungültigkeit des verbotswidrig ausgestellten Orderwechsels zu Folge hat. Das führt in der Verbraucherpraxis immer wieder zu Problemen, weil Verbraucher die Gefahren des Wechselrechts nicht kennen oder unterschätzen und daher etwa eine Kauf- oder Werkvertragsschuld, zu deren Sicherung sie einen Wechsel blanko unterfertigt haben, bezahlen ohne den Wechsel Zug um Zug zurückzufordern. Im Falle der – wenn auch rechtswidrigen – Begebung des Wechsels durch den Aussteller (= Verkäufer/Indossant) erwirbt der Indossatar (zB eine Bank) daher eine gültige Wechselforderung. Das kann bedeuten, dass der Wechselschuldner (= Käufer) erneut, also ein zweites Mal leisten muß, was im Konkurs des Verkäufers eine Rolle spielt.
Verbot der Ausstellung von Orderwechseln
Unter formeller Wechselstrenge versteht man:
Formelle Wechselstrenge
einerseits, dass der Text der Wechselurkunde klar und zweifelsfrei den Inhalt der Wechselverpflichtung zum Ausdruck bringen muss, weil nicht auf Umstände außerhalb der Wechselurkunde zurückgegriffen werden darf. – Die Formstrenge des Wechsels dient der Rechtssicherheit und Verkehrsfähigkeit des Wechsels; daher kennt der Wechsel – wie der Scheck – zwingende Gültigkeitsvoraussetzungen (s. oben), ohne deren Erfüllung kein Wechsel vorliegt.
Zur formellen Wechselstrenge gehört aber andererseits auch die erleichterte und rasche Durchsetzbarkeit wechselmäßiger Ansprüche gegen den Akzeptanten oder sonstige Haftende in einem eigenen (Sonder)Verfahren; dazu unten: Wechselmandatsverfahren.


Gezogener Wechsel/Tratte
Abbildung 15.37:
Gezogener Wechsel/Tratte
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4. Wechselarten / -typen
Wir unterscheiden – im Hinblick auf das abgeschlossene / zugrunde liegende (Grund)Geschäft (!) – folgende Wechseltypen:
• den Warenwechsel, dem ein Kaufvertrag zugrunde liegt. Der Verkäufer stellt dabei über die Kaufpreissumme einen Wechsel aus und lässt diesen vom Käufer (als Bezogenen) akzeptieren.In dieser häufig vereinbarten Zahlungsart liegt für beide Seiten ein Vorteil; der Käufer braucht nicht bar zu zahlen, da ihm der geschuldete Betrag bis zur Fälligkeit des Wechsels kreditiert wird. Und für den Verkäufer bedeutet der Wechsel, den er diskontieren kann (→ Wechseldiskont) praktisch Bargeld.
• der Finanz(ierungs)wechsel dient der Geldbeschaffung. Eine Bank akzeptiert als Kreditgeber einen von ihrer Kundschaft (als Kreditnehmer) auf sie gezogenen Wechsel; auch als sog Akzeptkredit bezeichnet;
• und den Kautionswechsel, welcher der Sicherstellung (idR eines Kredits) dient; und zwar so, dass der Kreditnehmer, seinem Kreditgeber ein Blankoakzept aushändigt, das vorerst (unausgefüllt) den Kreditunterlagen beigefügt und erst ausgefüllt wird, wenn der Kreditnehmer mit seiner (Kredit)Rückzahlung in Verzug gerät. Der Wechsel dient der Bank als (zusätzliches) Sicherungsmittel im Ernstfall.
Für diese Kreditform sprechen in der Praxis die rasche Erledigungsmöglichkeit und ihre Kostengünstigkeit. Auf diese Weise kann ein nötiger Kredit noch „am selben Tag” gegeben und damit rasch geholfen werden.
Die Forderung aus dem Grund- oder Kausalgeschäft – zB einem Warenkauf – und die Wechselforderung bestehen solange parallel nebeneinander, bis die Wechselschuld bezahlt wird. Da die Fälligkeit eines Wechsels idR deutlich später vereinbart wird, als die Fälligkeit des Grundgeschäfts – sonst könnte gleich bar bezahlt werden! – gilt die Forderung aus dem Grundgeschäft bis zur Wechselfälligkeit als gestundet; wenn nicht ausdrücklich, so doch schlüssig (§ 863 ABGB).
Grundgeschäft und Wechselforderung
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5. Praktische Handhabung – Das Indossament als Übertragungsakt
Im Normalfall (eines gezogenen Wechsels) wird ein Wechsel vom Aussteller ausgestellt und an den Begünstigten / Remittenten „begeben”. Die Annahme des Wechsels durch den Bezogenen (Akzept) kann demnach vor oder nach Begebung des Wechsels durch den Aussteller an den Begünstigten erfolgen. Der Begünstigte wiederum kann den Wechsel selbst behalten (und zB diskontieren → Wechseldiskont) oder (an einen Gläuber von ihm mittels Indossament) weitergeben.
Die Übertragung des Wechsels erfolgt durch seine Übergabe + Indossament (= Übertragungsvermerk eines Wechsels auf dessen Rückseite). Damit werden alle Rechte aus dem Wechsel übertragen. Mittels Indossament überträgt der bisherige Wechselgläubiger (Altgläubiger = Indossant) die Wechselforderung an den Indossatar (= Neugläubiger).
Übertragung des Wechsels
Jeder, der einen Wechsel in Händen hält, gilt nach Art 16 WG als sein rechtmäßiger Inhaber, sofern er sein Recht durch eine ununterbrochene Reihe von Indossamenten nachweisen kann. – Bezahlt der Akzeptant bei Fälligkeit den Wechsel, erlöschen alle Wechselverbindlichkeiten.


Beispiel eines Indossaments
Abbildung 15.38:
Beispiel eines Indossaments
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6. „Notleidender” Wechsel
Zahlt der Akzeptant (als Hauptschuldner des Wechsels) aber nicht oder verweigert der Bezogene schon die Annahme, kann der Wechselinhaber Rückgriff nehmen; Wechselregress. Dazu braucht es (als Voraussetzung) den Wechselprotest: Der Protestvermerk erfolgt üblicherweise auf der Rückseite des Wechsels oder einem Anhang / Allonge. Er wird von einem Notar oder Gerichtsbeamten durchgeführt, dem dazu Inkassobefugnis übertragen wird.
Wechselregress
„Protestiert” wird entweder:
Wechselprotest
• mangels Zahlung oder
• mangels Annahme.
Die Protesturkunde ist eine öffentliche Urkunde, zumal sie von einer Amtsperson errichtet wird. In ihr wird bescheinigt, dass die gewünschte wechselmäßige Leistung (Zahlung oder Annahme / Akzept) verweigert wurde. Die Daten des Wechselprotests und sein Urkundencharakter erleichtern ein sich allenfalls anschließendes Wechselmandatsverfahren.
Beim Rückgriff nimmt der jeweilige Wechselinhaber zB seinen Vormann oder auch alle Vorberechtigten in Anspruch. – Der Rückgriff endet letztlich beim Aussteller, der wiederum den Akzeptanten in Anspruch nehmen kann.
Rückgriff
Beispiel
Beachte: Wechselhaupt schuldner ist der Akzeptant, der ohne weitere Voraussetzungen (zB Wechselprotest) 3 Jahre ab Verfallstag haftet; weitere Rückgriffsschuldner sind der Aussteller und die Indossanten sowie allfällige Wechselbürgen oder Ehrenannehmer, deren Haftung aber einen rechtzeitigen Wechselprotest voraussetzt. – Der Rückgriff ist entweder: Erstrückgriff (von jedem beliebigen einzelnen Rückgriffsschuldner, von mehreren oder allen solidarisch) oder Einlösungs- oder Remboursregress (ein zahlender Rückgriffsschuldner – vgl § 1358 ABGB – nimmt seine Vormänner einzeln oder als Solidarschuldner in Anspruch).
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7. Das Wechselmandatsverfahren
Wechselansprüche können effektiv und schnell in einem Sonderverfahren, dem Wechselmandatsverfahren (§§ 556-559 ZPO), durchgesetzt werden. Es ist Teil der sog formellen Wechselstrenge. Das Wechselmandatsverfahren ist ein reiner Urkundenprozess. Das Erlassen eines Wechselzahlungsauftrags setzt – zusammen mit dem Antrag – die Vorlage eines formgültigen und unbedenklichen Wechsels (Art 1 WG) im Original voraus; vgl EvBl 1999/158: Verfahren bei Vorliegen eines formungültigen Wechsels. Das Gericht erlässt im Normalfall (ohne Anhörung des Beklagten) einen Wechselzahlungsauftrag = Auftrag an den Beklagten / Wechselverpflichteten entweder zu bezahlen oder Einwendungen zu erheben. Nur in letzterem Fall kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, die mit Urteil endet. Der Beklagte hat dann binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Sonderverfahren
Die Ansprüche des Klägers können – zusätzlich – schon während des Wechselverfahrens durch eine Exekution zur Sicherstellung gesichert werden, die in der Folge in eine Exekution zur Befriedigung übergeleitet werden kann → KAPITEL 19: Exekution zur Sicherstellung.
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8. Wechseldiskont
Der Wechsel ist wahrscheinlich erst eine Erfindung der oberitalienischen Städte (Lombardei) des 12. Jhd. Das Wechselgeschäft ist auch für Banken wichtig und einträglich. – Unter Wechseldiskont versteht man den Erwerb / Verkauf eines noch nicht fälligen Wechsels unter Abzug der Diskont- oder Zwischenzinsen (+ Provision und Unkosten) an/von ein/em Kreditinstitut. – Banken können Wechsel wiederum an die Österreichische Nationalbank rediskontieren: Rediskont- oder Eskontgeschäft.
Voraussetzungen für die Diskontierbarkeit eines Wechsels:
Voraussetzungen
• Warenwechsel (→ Wechselarten / -typen),
• lautend auf Euro,
• Fälligkeit innerhalb von 3 Monaten vom Ankaufstag an gerechnet (sog Dreimonatsakzept),
• Haftung (aus dem Wechsel) von wenigstens zwei zahlungsfähigen Personen; zB Aussteller und Bezogener.
Worin liegt die Attraktivität des Wechseldiskontgeschäfts, das zu den Bankgeschäften zählt? – Beide Parteien des Grundgeschäfts und das beteiligte Kreditinstitut können Vorteile buchen. Der Käufer profitiert vor allem von der Kreditierung des Kaufpreises und von der damit einhergehenden Möglichkeit, bargeldlos zahlen zu können. Das dadurch eingegangene – höhere – Risiko des Verkäufers hält sich in Grenzen, zumal das Kreditinstitut nicht jeden Wechsel diskontiert, vielmehr Voraussetzungen gestellt werden, und zudem die formelle und materielle Wechselstrenge seiner Sicherheit dienen. Durch die Diskontierbarkeit des Wechsels bedeutet dieser für den Verkäufer fast soviel wie Bargeld. Der Verkäufer muss also nicht bis zum Verfallstag des Wechsels (seine Fälligkeit) warten, bis er zu seinem Geld kommt. Das Kreditinstitut schließlich macht ein Geschäft – § 1 Abs 1 Z 4 BWG. – und kann seinerseits an die Österreichische Nationalbank rediskontieren.
Attraktivität
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III. Der Scheck
Rechtsgrundlage: ScheckG 1955, BGBl 50.
Der Scheck ist wie der Wechsel ein formgebundenes schuldrechtliches Wertpapier (Orderpapier), das ausdrücklich als Scheck bezeichnet werden muss und auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme zu lauten hat. Auch der Scheck ist bürgerlichrechtliche Anweisung. – Die wirtschaftliche Bedeutung des Schecks liegt in seiner Eigenschaft als bargeldloses Zahlungsmittel. Obwohl der Scheck ein Orderpapier ist, kommt er praktisch nur als Inhaberpapier vor. Auch der Scheck enthält / verbrieft eine abstrakte Verbindlichkeit, die vom Grundgeschäft losgelöst ist, das aber – wie beim Wechsel – idR die Scheckverbindlichkeit begleitet.
1. Verschiedenes
Nach Art 3 SchG darf ein Scheck nur auf einen ”Bankier gezogen werden, bei dem der [Scheck]Aussteller ein Guthaben hat, und gemäß einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung, wonach der Aussteller das Recht hat, über dieses Guthaben mittels Scheck zu verfügen.”
Art 3 SchG
Anders als der Wechsel kann ein Scheck nicht angenommen werden; Art 4 SchG. Schecks sind zwingend bei Sicht (= Vorlage) zahlbar; Art 28 Abs 1 SchG: Dadurch soll vermieden werden, dass der Scheck, der ausschließlich dem Zahlungsverkehr dienen soll, als Kreditmittel verwendet wird.
Nach Art 12 SchG haftet der Scheckaussteller für die (Aus)Zahlung des Schecks. Die Zahlung mit Scheck erfolgt nicht an Zahlungsstatt, sondern nur zahlungshalber → KAPITEL 7: Leistung zahlungshalber .
Haftung des Scheckausstellers
Die Übertragung des Schecks erfolgt (wie bei einer Sache) durch Titel + Übergabe (sog Begebungsvertrag) oder Indossament; Art 14 ff SchG. Da der Scheck aber – wie erwähnt – hauptsächlich als Inhaberscheck vorkommt, spielt das Indossament, weil zu umständlich, keine Rolle.
Übertragung
Schecks, die im Inland zahlbar sind, müssen binnen 8 Tagen zur Zahlung vorgelegt werden; Auslandsschecks binnen 20 Tagen und binnen 70 Tagen, wenn Ausstellungs- und Zahlungsort sich in verschiedenen Erdteilen befinden; Art 29 SchG.
Vorlegungsfristen
Schecks können vom Aussteller – jederzeit – widerrufen werden! Der Widerruf richtet sich an den Bezogenen / die Bank und wird „erst nach Ablauf der Vorlegungsfrist wirksam”; Art 32 SchG. Der Bezogene kann daher einen vorzeitigen Widerruf (= vor Ablauf der Vorlegungsfrist) beachten, muss es aber nicht. Wurde ein Scheck nicht widerrufen, kann der Bezogene nach Art 32 Abs 2 SchG auch nach Ablauf der Vorlegungsfrist zahlen.
Scheckwiderruf
Der Aussteller sowie jeder Inhaber eines Schecks kann durch den quer über die Vorderseite gesetzten Vermerk „(Nur) Zur Verrechnung” oder durch einen gleichbedeutenden Vermerk untersagen, dass der Scheck bar ausbezahlt wird; Art 38 Abs 1 SchG. – „Der Bezogene darf in diesem Fall den Scheck nur im Weg der [Konto-]Gutschrift einlösen .... Die Gutschrift gilt als Zahlung”; Abs 2. – „Die Streichung des Vermerks ‘nur zur Verrechnung’ gilt als nicht erfolgt”; Abs 3: Warum? – Fiktion! „Der Bezogene, der [diesen] Vorschriften zuwiderhandelt, haftet für den entstandenen Schaden, jedoch nur bis zur Höhe der Schecksumme”; Abs 4.
Verrechnungsscheck
Eine Strafbestimmung für ungedeckte Schecks enthält Art 67 SchG. Danach ist eine Ordnungsstrafe in der Höhe von 20 Prozent des nicht gedeckten Scheckbetrags zu verhängen. Daran kann sich eine strafgerichtliche Verfolgung wegen Betrugs anschließen. – Der Aussteller haftet natürlich weiter für seine Schuld und kann geklagt werden.
Ungedeckte Schecks
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2. Sonderformen des Schecks
Der Traveller- oder Reisescheck ist eine im internationalen Reiseverkehr entwickelte Anweisung. Seine Verbreitung und Beliebtheit rührte daher, dass er gegen Diebstahl und Verlust von inländischem oder ausländischem Geld sichert. – Ein Reisender kauft bei seiner Inlandsbank für eine bestimmte Summe Travellerschecks in einer ausländischen Währung; zB Dollar. Er kann nun im jeweiligen Ausland gegen Vorlage seines Reisepasses und der entsprechenden Menge Travellerschecks (verschiedene Stückelung, zB 50 oder 100 Dollar) Zahlung von der angewiesenen Bank verlangen.
Traveller- oder Reisescheck
Euro und Kreditkarte haben den Anwendungsbereich von Travellerschecks stark eingeschränkt, er ist heute ein Auslaufprodukt.


Travellers Scheck
Abbildung 15.39:
Travellers Scheck
Der Eurocheque war ein international vereinheitlichter Scheck. Zusätzlich zum normalen Scheck erhielt der Kontoinhaber eine Scheckkarte. Mit ihr konnte er auch gegenüber ausländischen /europäischen Kreditinstituten verfügen. Die Scheckkarte wurde von einer (Haus)Bank ausgestellt und damit die (Aussteller)Verpflichtung seitens der Bank übernommen, Schecks bis zur Höhe von 2.500 S (Deutschland: 400 DM) einzulösen; Einlösungsgarantie.
Eurocheque
Die Scheckkarte war mit oder ohne Bankomatfunktion ausgestattet. War sie das, konnte Geld nicht nur am Schalter, sondern bei allen Bankomaten (des gesamten Netzes) im In- und Ausland in der jeweiligen Landeswährung abgehoben werden. Die Abhebung war – um Missbrauch zu erschweren – auf einen bestimmten täglichen Betrag (zB 5.000 S) beschränkt. Bei Geldbehebung war eine Codenummer einzutippen, die daher nicht mit der Scheckkarte gemeinsam aufbewahrt werden sollte.


Euroscheck-Vorderseite
Abbildung 15.40:
Euroscheck-Vorderseite


Euroscheck-Rückseite
Abbildung 15.41:
Euroscheck-Rückseite
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3. Die Kreditkarte
Die Kreditkarte dient dem bargeldlosen Zahlungsverkehr. Sie ist Legitimationspapier und berechtigt den Kreditkarteninhaber, bargeldlos „einzukaufen”; Finanzierung von Käufen + Dienstleistungen.


Die Kreditkarte
Abbildung 15.42:
Die Kreditkarte
Die Kreditkarte wird von einer bestimmten Kreditkartenorganisation (KK-O), zB Visa, Mastercard, American Express oder Diners Club, ausgestellt und berechtigt den Kreditkarteninhaber (KK-I), mit allen Kreditkartenunternehmen (KK-U) der jeweiligen Kreditkartenorganisation Verträge zu schließen. Die Kreditkartenorganisation schließt mit möglichst vielen Unternehmen Verträge, dass diese „ihre” Karte akzeptieren. Die Kreditkartenorganisation erhält vom jeweiligen Rechnungsbetrag des von ihrem Vertragspartner mit dem Kunden geschlossenen Geschäfts für ihre Dienstleistung eine Provision (zB 3%), um deren Höhe immer wieder gerungen wird. Die Vertragspartner der Kreditkartenorganisation, d. s. die KK-U (= Kaufleute), die mit ihrer Kundschaft Geschäfte schließen, erwarten sich durch ihre Akzeptanz einer bestimmten Kreditkarte Umsatzsteigerungen.
KK-O, KK-U und KK-I
Die Kreditkarte hat durch den Euro und die von Kreditinstituten ausgegebenen vor allem im Inland verwendeten Bankomatkarten, mit denen aber auch im Ausland Geld behoben werden kann, an Attraktivität verloren. – Bei Geschäftsleuten war Sie ohnehin nie sonderlich beliebt.
Der Vorteil für Kunden liegt in bequemer Zahlungsmöglichkeit, da nur noch zu unterschreiben ist; es ist nicht einmal mehr ein Scheck auszustellen. Die Musterunterschrift auf der Rückseite der Kreditkarte kann bei Zahlung durch die Kundschaft vom Geschäftspartner geprüft werden. – Mitunter besteht auch die Möglichkeit (zB bei telefonischer Bestellung von Theaterkarten), durch bloße Bekanntgabe der Kartennummer zu zahlen. In einem solchen Fall ist eine genaue Überprüfung der Monatsabrechnung ratsam. – Mit der Kreditkarte kann uU auch Bargeld an Bankomaten behoben werden; Bankomatfunktion der Kreditkarte. Das kostet aber 3% vom behobenen Betrag. Im Ausland kommt noch die Devisenumrechnungsprovision dazu.
Vorteil für Kunden


Das Kreditkarten- als Anweisungsverhältnis
Abbildung 15.43:
Das Kreditkarten- als Anweisungsverhältnis
Der Kreditkarteninhaber schließt mit einer Kreditkartenorganisation einen Kreditkartenvertrag ab, in dem die gegenseitigen Rechte und Pflichten näher geregelt werden; insbesondere unverzüglicher Ausgleich von Negativsalden und Zahlung eines jährlichen Entgelts (zB 55 ı). – Die Abrechnung zwischen Kreditkarteninhaber und Kreditkartenorganisation erfolgt periodisch, zB monatlich und beinhaltet dadurch eine gewisse Kreditierung.
Kreditkartenvertrag
Mit der Kreditkarte, die häufig – freilich unterschiedlich je nach Kreditkartenorganisation – weltweit gilt, wurde ein internationales Zahlungsmittel geschaffen.


Kreditkarte – Vorderseite
Abbildung 15.44:
Kreditkarte – Vorderseite


Kreditkarte – Rückseite
Abbildung 15.45:
Kreditkarte – Rückseite
Was tun bei Verlust, Diebstahl oder Betrug ? – Im Verlust-, Diebstahls- oder Betrugsfall ist auch bei der Kreditkarte unverzüglich ihre Sperre zu veranlassen: Bei Auslandsreisen sollte daher die sog Notfallnummer für die Sperre der Karten getrennt von der Kreditkarte mitgeführt werden!
Verlust, Diebstahl oder Betrug
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IV. Garantievertrag und Bankgarantie
Das österreichische Privatrecht – und zwar das bürgerliche wie das Handelsrecht – kennt keine Regelung des Garantievertrags (die III. TN fügte allerdings § 880a, 2. HalbS ABGB ein), was nicht verwundern sollte, weil es sich um eine rechtliche Neuschöpfung handelt, einen sog atypischen Vertrag → KAPITEL 5: Gemischte und atypische Verträge. – Mittlerweile spielt die (Bank)Garantie im Rechts- und Wirtschaftsleben eine bedeutende Rolle, und zwar national, wie international. Das hat seinen Grund in der Einfachheit, Raschheit, Kostengünstigkeit (2 Prozent / Anno Avalprovision + 1 Promille Ausfertigungsgebühr vom Haftungsbetrag) und Effektivität dieses Sicherungsmittels.
Der Garantievertrag beinhaltet ein Sicherungsgeschäft und erfüllt keine Zahlungsfunktion. Abgeschlossen wird er bspw zwischen Käufer und Garant (Bank), wobei der Garant verspricht, an den Begünstigten (zB den Verkäufer), als Dritten des Garantievertrags, unter bestimmten Voraussetzungen zu leisten. Die Gründe für den Abschluss eines Garantievertrags sind sehr unterschiedlich, weshalb es viele Arten der Garantie gibt → Inhalt des Garantievertrags
Sicherungsgeschäft
1. Inhalt des Garantievertrags
Im Garantievertrag übernimmt der Garant (idR eine Bank) gegenüber einem Dritten (= Begünstigter) die vom Kausalverhältnis oder Grundgeschäft losgelöste (sog Abstraktheit der Garantieverpflichtung) Haftung für einen noch ungewissen Erfolg (eines Unternehmens) oder für den durch ein Unternehmen möglicherweise entstehenden Schaden einzustehen. Der Garant leistet Gewähr, dass der Begünstigte „seine” ihm rechtlich zustehende Leistung erhält; und zwar wenn schon nicht vom ursprünglichen Vertragspartner, dann eben von ihm.
Die Bankgarantie ist – als einseitig verpflichtender Schuldvertrag – ein Sonderfall des allgemeinen Garantievertrags; zur Rechtsnatur etwa EvBl 1999/96 mwH.
Sonderfall des allgemeinen Garantievertrags


Garantievertrag – Bankgarantie – GewährV
Abbildung .45:
Garantievertrag – Bankgarantie – GewährV
Der Garantievertrag ist Sicherungsgeschäft.
Abgeschlossen wird er zB zwischen Käufer und Garant (zB Bank).
Geleistet wird an den Begünstigten (= zB an den Verkäufer); der Begünstigte ist Dritter des Garantievertrags.
Die Garantie ist unabhängig vom Grundgeschäft; sog Abstraktheit der Garantieverpflichtung.
Es gibt viele verschiedene Garantie-Arten.
Beispiel
„Die garantierende Bank hat typischerweise nicht den erwarteten Erfolg selbst herbeizuführen, also etwa Waren zu liefern, sondern nur das wirtschaftliche Interesse des Begünstigten in Geld abzudecken ..., wobei die Verpflichtungen der Banken regelmäßig durch Höchstbeträge begrenzt sind”; Koziol, in: Avancini / Iro / Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II 246 (1993).
Beispiel
Der Garantievertrag zielt darauf ab, jemandem eine Leistung zu garantieren oder einen Erfolg (durch einen zusätzlichen Garanten) zusichern. – Dieser „Erfolg” kann etwas sehr Verschiedenes sein, nämlich:
Was wird garantiert?
• die korrekte Geldzahlung einer vertraglichen Schuld;
• eine Warenlieferung oder Dienstleistung;
• der vertraglich zugesagte Gewinn aus einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung;
• oder ein bestimmter Ertrag eines Unternehmens usw.
Man unterscheidet – Zahlungs-, – Liefer-, – Bietungs- oder Ausschreibungsgarantien, – Anzahlungs-, – Erfüllungs-, – Gewährleistungs-, – Haftrücklassgarantien (im Baugeschäft), – Konossementgarantien, – direkte und indirekte Garantien. – Eine praktische Standardvariante der Bankgarantie ist die sog „Garantie auf erste Anforderung”, was soviel bedeutet wie: Der Garant hat unabhängig von anderen, vielleicht noch nicht geklärten (Rechts)Fragen, unverzüglich zu leisten.
Arten von Bankgarantien


Die (Bank)Garantie als Anweisung
Abbildung 15.46:
Die (Bank)Garantie als Anweisung
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2. Zur Abstraktheit der Bankgarantie
Man meint damit, dass die Leistungspflicht des Garanten – zB der Bank – auf einer eigenen Rechtsgrundlage (eben der im Garantievertrag enthaltenen Garantiezusage) beruht, die unabhängig und losgelöst vom Grundgeschäft (dem Kausal- oder Valutaverhältnis) besteht. Die abstrakte Leistungspflicht des Garanten ist auch vom Deckungsverhältnis unabhängig. Diese – abstrakte – Losgelöstheit der Garantiezusage von allen anderen Rechtsbeziehungen macht sie so effektiv; denn im Garantiefall müssen nicht erst andere (zeitaufwendige) Rechtsfragen (zB Gewährleistung, Verzug, Schadenersatz oder Deckung) vor der Leistungserbringung durch den Garanten geklärt werden.
Missbrauch wird dadurch aber nicht gedeckt! – Zu unrecht abgerufene Bankgarantien können nach § 1431 ABGB zurückgefordert / kondiziert werden; und zwar innerhalb von 30 Jahren (§ 1479 ABGB): vgl EvBl 1999/96.
Missbrauch
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1999/104: Voraussetzungen für den wirksamen Abruf einer Bankgarantie – Wer behauptet, aus einer Bankgarantie begünstigt zu sein, hat die dafür sprechenden Umstände auf eine (auch von der Warte der Garantiebank aus) völlig unbedenkliche Weise darzutun. Dem entspricht ein die Garantie Abrufender nicht, der sich von der Bezeichnung des Begünstigten in der Garantieerklärung deutlich unterscheidet.
OGH 18. 1. 2000, 4 Ob 348/99a, SZ 73/10 = EvBl 2000/120: Zur Absicherung der bedingten Forderung aus einem Kooperationsvertrag zwischen A u B bestellt B eine Bankgarantie. A zediert den Zahlungsanspruch aus dieser Bankgarantie an seine Hausbank zur Absicherung eines Kredites. Diese ruft die Garantiesumme ab, obwohl die Bedingung aus dem Kooperationsvertrag nicht eingetreten ist. Kurz darauf geht A in Konkurs. B will daher gegen A’s Hausbank als Zessionar bereicherungsrechtlich vorgehen. – OGH: Die besondere Vertrauenssituation bei abstrakten Garantien verlangt, dass trotz erfolgter Abtretung des Zahlungsanspruchs der Bereicherungsanspruch des Garantieauftraggebers weiterhin nur gegen den ursprünglich Begünstigten (A als Vertragspartner des Grundgeschäftes und Zedent) besteht. (?)
OGH 3. 2. 2000, 2 Ob 339/99p, SZ 73/24: Die Klägerin und die Beklagte schließen einen Garantievertrag, der zeitlich begrenzt ist, Schriftlichkeit der Abruferklärung und eine Bezugnahme auf das kausale Grundverhältnis in dieser vorsieht. Am letzten Tag der Frist ruft der Begünstigte den Garantievertrag schriftlich ab, ohne jedoch auf das Grundverhältnis Bezug zu nehmen. Erst nach Hinweis auf diesen Mangel am nächsten Morgen faxt der Begünstigte diese Behauptung nach. – OGH: Der Garant habe vor Erbringung der Garantieleistung die Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen „präzise, ja nachgerade pedantisch genau” zu überprüfen. Zwar sei der Garant verpflichtet, dem Begünstigten unverzüglich die Beanstandung einer fehlerhaften Inanspruchnahme mitzuteilen, wenn dieser dadurch noch die Möglichkeit hätte, die Garantie formgerecht und rechtzeitig in Anspruch zu nehmen. Dies zu beweisen sei jedoch Aufgabe des Begünstigten und in diesem Fall nicht gelungen. Aufgrund des Grundsatzes der Garantiestrenge sei die Bank zur Gewährung einer Nachfrist nicht verpflichtet. (?: Blinder Formalismus wird der Sache nicht immer gerecht!)
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3. Unterschied zur Bürgschaft
Abzugrenzen ist der Garantievertrag von der Bürgschaft, die ähnliche Zwecke verfolgt; denn beide Rechtsinstitute sichern die Erfüllung einer fremden Schuld.
Die Bankgarantie ist aber auch insoferne abstrakt – und nicht akkzessorisch wie die Bürgschaft, weil ihr Bestand nicht vom Bestand einer anderenForderung abhängt. Darin liegt der charakteristische Unterschied beider Rechtsinstitute. In der Praxis verwenden die Parteien aber oft falsche Begriffe – zB das Wort Garantie im Rahmen einer Bürgschaftsvereinbarung und umgekehrt, sodass Vereinbarungen in Bezug auf ihren wahren Charakter mitunter auslegungsbedürftig sind; § 914 ABGB → KAPITEL 11: Auslegung von Rechtsgeschäften und Verträgen: §§ 914, 915 ABGB.
Verpflichtet sich ein „Garant” unter Verzicht auf Einreden und Einwendungen zu zahlen, liegt Garantie vor; Loslösung vom Grundgeschäft. – Sonst ist (eher) Bürgschaft anzunehmen.
Auslegungsregel
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 24. 10. 2000, 1 Ob 163/00b, JBl 2001, 380: Hat die Haftungserklärung erkennbar die Sicherung des Begünstigten gegen allfällige Einwendungen aus dem Valutaverhältnis oder eine sonstige Verstärkung seiner Rechtsstellung im Vergleich zur bloßen Bürgschaft zum Ziel, so spricht das für die Annahme einer Garantie. Es ist dann keine Bürgschaft oder eine bloße Verwendungszusage anzunehmen.
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V. Das Dokumentenakkreditiv
Das Dokumentenakkreditiv wird – wie erwähnt – in Österreich als Anweisung verstanden, nach deutschem Recht liegt dagegen Auftrag vor! Seine praktische Bedeutung liegt darin, dass es im internationalen Warenverkehr als Sicherungsmittel dient. Das Dokumentenakkreditiv soll das bei Distanzkäufen – typisch: Import- / Exportgeschäften – nicht streng durchführbare Zug-um-Zug-Prinzip (§ 1052 ABGB) wenigstens annäherungsweise nachbilden, indem eine Zahlung des importierenden Käufers erst dann erfolgt, wenn der (exportierende) Verkäufer seine (Liefer)Dokumente der Akkreditivbank vorlegt, die wenigstens die Absendung der Ware, wenn auch nicht deren Mangelfreiheit!, beweisen.
1. Die Parteien des Dokumentenakkreditivs
Auch das Dokumentenakkreditiv ist ein dreipersonales Schuldverhältnis. Zu unterscheiden sind:
• Der Auftraggeber des Dokumentenakkreditivs = Akkreditiversteller (Importeur);
• die Bank = Akkreditiv(eröffnungs)bank + allenfalls Korrespondenzbank und
• der Begünstigte = Akkreditivempfänger (Exporteur).


Dokumentenakkreditiv – Einfache Form
Abbildung 15.47:
Dokumentenakkreditiv – Einfache Form
Letter of Credit: „Das Akkreditiv im weitesten Sinn ist die von einer Bank im Auftrag eines Kunden einem Dritten (dem „Begünstigten”) gegenüber rechtsgeschäftlich eingegangene Verpflichtung, ihm auf Rechnung ihres Auftraggebers unter bestimmten Voraussetzungen eine Leistung zu erbringen. Das heute praktisch allein gebräuchliche Dokumentenakkreditiv zeichnet sich dadurch aus, dass die Leistung der Bank an den Begünstigten von der Übergabe bestimmter Dokumente und der Erfüllung sonst im Akkreditiv noch vorgesehener Bedingungen abhängig gemacht ist .... Unserem Akkreditiv entspricht im anglo-amerikanischen Rechtsbereich weitgehend der Letter of Credit.” – Avancini, in: Avancini / Iro / Kozil, Österreichisches Bankvertragsrecht II 357.
Definition des Dokumentenakkreditivs
”Bei den vor allem in den USA gebräuchlichen Standby Letters of Credit (einer besonderen Ausprägung des vorgenannten Letter of Credit) handelt es sich um Haftungsübernahmen, deren Einkleidung in die Form des Akkreditivs deshalb erfolgt, weil den amerikanischen Banken das eigentliche Bürgschafts- und Garantiegeschäft grundsätzlich untersagt ist. Der Ausweg, sich zur Haftungsübernahme der Akkreditivform zu bedienen, wurde als zulässig anerkannt. Wie bei einem Akkreditiv wird die Zahlungspflicht der Bank von einer fristgerechten Vorlage bestimmter Dokumente abhängig gemacht. Dementsprechend erfolgt die Abwicklung eines Standby Letter of Credit im Prinzip wie beim Akkreditiv.” (Avancini aaO).
USA
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2. ERA 1983 – Funktionen und Abgrenzung
Die Abwicklung des Akkreditivgeschäfts richtet sich heute vornehmlich nach den „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumenten-Akkreditive”; sog ERA 1983.
Beim Dokumentenakkreditiv lassen sich verschiedene Funktionen unterscheiden (Avancini, aaO 363):
Funktionen
• Zahlungsfunktion
• Sicherungsfunktion
• allenfalls noch eine Kreditfunktion.


Dokumentenakkreditiv – Erweiterte Form
Abbildung 15.48:
Dokumentenakkreditiv – Erweiterte Form
Das Dokumentenakkreditiv erfüllt idR primär eine Zahlungsfunktion und unterscheidet sich dadurch von der Bankgarantie, deren primärer Zweck (immer) die Sicherung eines Erfolgs ist.
Abgrenzung von der Bankgarantie
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VI. Aufrechnung / Kompensation
1. Eingangsbeispiel
Max hat den alten Pkw von Hans um 5.000 ı gekauft und – obwohl ihm das Fahrzeug schon übereignet wurde – noch nicht bezahlt. Hans hat sich für seine Australienreise von Max 4.000 ı „ausgeliehen”, die er ihm noch schuldet. Um die jeweiligen Geldbeträge nicht umständlich hin- und herschieben zu müssen, vereinbaren sie, dass Max an Hans die Differenz von 1.000 ı bezahlt und sie damit „quitt” sind. – Die Aufrechnung rationalisiert und vereinfacht das gegenseitige Schuldenzahlen.
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2. Aufrechnung vermittelt auch Sicherheit
Die Aufrechnung – geregelt in den §§ 1438 ff ABGB – im Rahmen der Sicherungsmittel zu behandeln, mag unüblich sein. Dafür spricht jedoch der auch in ihr steckende Sicherungszweck und ihre praktische Verwendung im Geschäftsleben. – Meine Forderung gegen meinen Schuldner kann nämlich auch dadurch gesichert werden, dass ich ihm selbst etwas schulde, er also (wenigstens hinsichtlich eines Teilbetrags) mein Gläubiger wird. Und ein solches Herstellen einer Aufrechnungslage kann bewusst geschehen! Ich kann dann – zur Sicherung meiner Forderung – (gegenüber meinem Geschäftspartner) – meine Schuld mit meiner Forderung aufrechnen; vgl → Kriterien der einseitigen Aufrechnung: Gegenseitigkeit.
§ 1438 ff ABGB
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3. Forderung und Gegenforderung
Die Aufrechnung spielt im praktischen Rechts- und Wirtschaftsleben (insbesondere für Geldforderungen) eine wichtige Rolle und bewirkt das Erlöschen / die Aufhebung einer Schuld durch das Geltendmachen einer Gegenforderung. – Kurz: Kompensation bedeutet das Aufheben einer Forderung durch das Geltendmachen einer Gegenforderung.
Klar auseinanderzuhalten sind aber die beiden Forderungen die einander (bei der Aufrechnung) gegenübertreten: Der eine (erste) Gläubiger macht seine Forderung geltend, der andere (zweite), ebenfalls Gläubiger des anderen, rechnet mit seiner Gegenforderung auf. Dazu gleich mehr.
§ 1438 ABGB formuliert: „Wenn Forderungen gegenseitig zusammentreffen, die richtig, gleichartig, und so beschaffen sind, dass eine Sache, die dem Einen als Gläubiger gebührt, von diesem auch als Schuldner dem andern entrichtet werden kann; so entsteht, insoweit die Forderungen sich gegeneinander ausgleichen, eine gegenseitige Aufhebung der Verbindlichkeiten (Kompensation), welche schon für sich die gegenseitige Zahlung bewirkt.”
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4. Terminologie
ien der AufrechnungWir unterscheiden den:
Parte
• (aktiv) Aufrechnenden und
• den Aufrechnungsgegner, der die Aufrechnung (passiv) dulden soll.
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5. Zwecke oder Funktionen der Aufrechnung
• Die Aufrechnung erfüllt nicht nur einen Zweck, sondern deren mehrere; nämlich:
Aufrechnungszwecke
Befreiung = Aufrechnung befreit von eigener Schuld;
Befriedigung = durch die Aufrechnung wird die eigene Forderung vom Schuldner erfüllt;
Verrechnung = kein unnötiges Hin- und Herschieben von Geldbeträgen;
Sicherung = die eigene Schuld sichert die eigene Forderung: Im Ausmaß der eigenen Schuld wird die eigene Forderung einbringlich und von der Bonität des Schuldners unabhängig.
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6. Arten oder Formen der Aufrechnung
vertragliche und einseitige AufrechnungEs werden unterschieden:
• Die einvernehmliche Kompensation wird vertraglich von den Beteiligten vereinbart;
• die einseitige Kompensation erfolgt einseitig, dh auch gegen den Willen des Aufrechnungsgegners und muss uU im Prozess durchgesetzt werden; vgl die unten angeführte E JBl 2003, 180. – Soll einseitig aufgerechnet werden, muss die Forderung des (aktiv) Aufrechnenden bestimmte Voraussetzungen erfüllen → Voraussetzungen für beide Forderungen
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7. Voraussetzungen für beide Forderungen
Während bei der einvernehmlichen Aufrechnung nur die Gegenseitigkeit vorliegen muss, verlangt die einseitige Aufrechnung darüber hinaus weitere Kriterien, nämlich neben:
Kriterien der einvernehmlichen Aufrechnung
• der Gegenseitigkeit, noch
Fälligkeit,
Gültigkeit und
Gleichartigkeit, der sich gegenüberstehenden Forderungen.
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8. Kriterien der einseitigen Aufrechnung
Gegenseitigkeit (der Forderungen) meint, dass Aufrechnender und Aufrechnungsgegner jeweils Gläubiger und Schuldner des anderen ist. – Mit einer Forderung gegen einen Dritten kann man nicht gegenüber dem Aufrechnungsgegner (= Zweiter) aufrechnen. Man kann sich aber die Forderung eines Dritten gegen den Aufrechnungsgegner abtreten lassen, was in der Folge die eigene Aufrechnung gegen den Aufrechnungsgegner ermöglicht.
Kriterien der einseitigen Aufrechnung
Fälligkeit bedeutet: Beide (!) Forderungen, die gegeneinander aufgerechnet werden sollen, müssen im Aufrechnungszeitpunkt fällig sein.
Gültigkeit: Die Forderungen müssen gültig entstanden und – zudem – im Zeitpunkt der Aufrechnung noch (erfolgreich) einklagbar sein.
Grundsätzlich besteht daher keine Aufrechnungsmöglichkeit mit verjährten Forderungen; Naturalobligationen → KAPITEL 7: Naturalobligationen. Manche halten dies aber für möglich.
Gleichartigkeit: Beiden Forderungen müssen Schulden gleicher Art zugrunde liegen; also zB Geldschulden. Hier geht es um Inhalt und Art der Leistungspflicht. – Nicht gleichartig wären eine Geldschuld und eine Dienst- oder Sachleistung. Mangels Gleichartigkeit können auch nicht privatrechtliche mit öffentlichrechtlichen Ansprüchen aufgerechnet werden; zB gewisse Ansprüche zwischen Ärzten und Gebietskrankenkassen. – Die Gleichartigkeit von Forderungen wird aber nicht dadurch beeinträchtigt, dass die eine Forderung aus einem Vertrag stammt, die andere eine unmittelbar gesetzliche ist; zB aus deliktischem Schadenersatz.
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9. Vollzug der Aufrechnung
Er geschieht durch Aufrechnungserklärung gegenüber dem Aufrechnungsgegner, wobei diese Erklärung von jedem Beteiligten (aktiv) ausgehen kann. – Eine Aufrechnung wirkt aber nach hA nicht „ipso iure”, dh automatisch / von selbst, obwohl der Gesetzeswortlaut des § 1438 ABGB dafür spricht; arg: „ ... schon für sich ... bewirkt.” Allenfalls muss die Berechtigung zur Aufrechnung prozessual geklärt werden.
Ipso iure?
Literaturquelle
Ein gesetzliches oder vertragliches Aufrechnungsverbot verhindert die Aufrechnung. – § 1440 ABGB nimmt „eigenmächtig oder listig entzogene, entlehnte, in Verwahrung oder in Bestand genommene Stücke” von der Aufrechnung aus.
Aufrechnungsverbot
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 30. 4. 2002, 1 Ob 64/02x, JBl 2003, 121 = EvBl 2002/167: Das Betreiben einer Tiefgarage (Pacht) wird für 600.000 S im Jahr der beklagten Partei übertragen. Die Betreiberin muss ua die Einnahmen regelmäßig auf das Konto der Eigentümerin überweisen. Bei Beendigung der Vertragsbeziehung klagt die Eigentümerin auf Überweisung ausständiger Einnahmen. Die Betreiberin will mit einer Gegenforderung aufrechnen. – OGH lässt Aufrechung trotz § 1440 ABGB zu und begründet dies damit, dass der Sinn des Zurückbehaltungs- und Aufrechungsverbotes dieser Norm für in Verwahrung genommene Sachen nur darin gefunden werden kann, dass in den vom Gesetz genannten Fällen der Rückforderungsgläubiger typischerweise nicht mit Gegenansprüchen rechnet, was hier aber nicht angenommen werden kann. – Deshalb bleibt § 1440 ABGB überall dort außer Betracht, wo von vornherein Ansprüche des Schuldners aus diesem Rechtsverhältnis zu erwarten sind; hier aus dem Tragen des laufenden Aufwands für die Erhaltung der Sache.
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10. Wirkung der Aufrechnung
Die Aufrechnung wirkt auf jenen Zeitpunkt zurück, zu dem sich beide Forderungen erstmals kompensabel, also aufrechenbar, gegenüber gestanden sind; Aufrechnungslage. Sie hebt die gegenseitigen Verbindlichkeiten – seien es vertragliche oder gesetzliche – auf. Welche Probleme dabei auftreten können, zeigt das folgende Urteil.
Aufrechnungslage
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 6. 5. 2002, 2 Ob 95/02p, JBl 2003, 180: Eine GmbH geht am 26. 11. 1997 in Konkurs. Auf ihrem Konto, das am 25. 11. 1997 ein Minus von 75.000 S aufweist, werden am 26. 11. 1997 mit Valuta 27. 11. 230.000 S gutgeschrieben. Die Bank rechnet am 26. 11. mit einer Gegenforderung auf und überweist nur den Restbetrag an den Masseverwalter. Dieser klagt idF auf Zahlung der restlichen 75.000 S, da die Wertstellung gleichzeitig mit der Konkurseröffnung erfolgt sei. – OGH: Mit der Gutschrift gibt die Bank ein abstraktes Schuldversprechen gegenüber dem Kontoinhaber ab. Schon allein daraus ergibt sich, dass bereits zu diesem Zeitpunkt die Forderung gegenüber der Bank entsteht und nicht erst bei Wertstellung; letztere ist grundsätzlich nur für den Beginn des Zinsenlaufs maßgeblich. Die Aufrechnung der Bank erfolgte daher zu recht. – Beachte: Die materielle Aufrechnungslage war bereits am 26. 11. gegeben, die Wirkungen des Konkurses dagegen erst am 27. 11., da die Konkurswirkungen erst am Tag nach der Konkurseröffnung eintreten.
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11. Kontokorrent
Zum Kontokorrent als wirtschaftlich wichtiger Sonderform der Aufrechnung nach § 355 HGB → KAPITEL 3: Der Kontokorrentkredit.
Sonderform der Aufrechnung
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 17. 8. 2001, 1 Ob 83/01i, EvBl 2001/14: Hausverwalter eines Mietwohnhauses klagt den Dritteleigentümer auf Zahlung der von ihm vorgestreckten Auslagen, wogegen der Miteigentümer Verjährung einwendet. – OGH wendet § 355 HGB (Kontokorrent) analog an, obwohl eine Kaufmannseigenschaft des Hausverwalters nicht festgestellt wurde. Ein solches „uneigentliches” Kontokorrentverhältnis kann auch schlüssig zustande kommen. Die Verjährung beginnt in diesem Fall erst mit Beendigung der Kontokorrentperiode.
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D. Verträge zugunsten Dritter
Nach Besprechung von Bürgschaft, Anweisung, Wechsel und Scheck, Garantievertrag und Dokumentenakkreditiv, allesamt grundsätzlich dreipersonale Schuldverhältnisse, sollen hier noch kurz die Verträge zugunsten und zu Lasten Dritter behandelt werden, mögen diese auch keinen unmittelbaren Bezug zu den Sicherungsmitteln aufweisen.
I. Der Vertrag zugunsten Dritter: §§ 881, 882 ABGB
Üblicherweise treten die Rechtsfolgen eines Vertrags inter partes, also zwischen den an seinem Abschluss beteiligten Parteien selbst ein. Sie werden aus dem Vertrag unmittelbar berechtigt und verpflichtet. – Aber das muss nicht so sein. Beim Vertrag zugunsten Dritter wird vereinbart, dass der im Vertrag versprochene Vorteil (nicht nur der Vertragsparteien, sondern) einer dritten Person (Dritte/r, Begünstigte/r, Destinatär) zukommen soll.
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
GlU 7355 (1879): Der Versprechensempfänger kann Erfüllung zugunsten des (begünstigten) Dritten fordern, dh sie einklagen;
OGH 11.9.1974, 1 Ob 130/74[Dittrich / Tades, MGA ABGB34, § 881 E 8]: Für die Form eines Vertrags zugunsten Dritter ist das zwischen den vertragschließenden Parteien bestehende Rechtsverhältnis maßgebend und nicht das zum Dritten. Daher ist im obigen Beispiele (Abo) nicht Schenkungs-, sondern Kaufvertragsrecht anzuwenden.
SZ 29/53 (1956): Der bäuerliche Übergabsvertrag ist ein echter Vertrag zugunsten Dritter. Er stellt als lebzeitige Vermögensabhandlung eine verfrühte Erbfolge – sog successio antecipata – dar und enthält zahlreiche erb- und familienrechtliche Bestandteile. Er ist ein Vertrag eigener Art, häufig ein Mischvertrag jedoch ein einheitliches Rechtsgeschäft, das nicht in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden darf! – Vgl die Erwähnung des Gutsübergabevertrags in § 881 Abs 3 ABGB.


Vertrag zugunsten Dritter
Abbildung .48:
Vertrag zugunsten Dritter
C als Dritter, erlangt ein eigenes Forderungsrecht gegen A, wenn er das ihm aus der Vereinbarung zwischen B und A erwachsende Recht nicht zurückweist, dh es annimmt; § 882 ABGB: Die Schenkung bedarf als Vertrag der Annahme!
Unterscheide die Verpflichtung des Schuldners zur Leistung – auf Grund des abgeschlossenen Grundgeschäfts – und das Recht des Gläubigers auf Leistung an den Dritten von dessen eigenem Forderungsrecht auf Vertragserfüllung (gegen den Versprechenden). – Der Vertrag zwischen A und B wird unter der Bedingung der Annahme des C geschlossen.
Es gibt zwar Verträge zugunsten, nicht aber zulasten Dritter. – § 880a ABGB regelt nur den Fall, dass „jemand einem anderen eine Leistung eines Dritten” verspricht und fügt hinzu, dass dies „als Zusage seiner Verwendung bei dem Dritten” zu verstehen ist; sog Verwendungszusage: § 880a 1. HalbS ABGB. – Ist der Zusagende „für den Erfolg [des Dritten aber] eingestanden, so haftet er für volle Genugtuung, wenn die Leistung des Dritten ausbleibt”; § 880a 2. HalbS ABGB. Hier liegt ein Fall der Garantie(übernahme) vor. Eine Erfolgszusage macht den Garanten ersatzpflichtig, wenn der Dritte die Leistung nicht erbringt; NZ 1978, 158.
Keine Verträge zulasten Dritter
Rechtssprechungsbeispiel
GlUNF 2512 (1903): Die ”Verbürgung” eines Bürgermeisters für die Erlangung einer Gewerbekonzession bedeutet nur die Verwendung innerhalb seiner Amtsbefugnisse iSd § 880a 1. HalbS ABGB.
GlUNF 3281 = ZBl 1906/94: Als Erfolgszusage gilt dagegen die Verpflichtung des Verkäufers zur Beschaffung eines Darlehens an den Käufer zur Bezahlung des Kaufpreises. Zum drittfinanzierten Ratenkauf → KAPITEL 2: Drittfinanzierter Abzahlungskauf: §§ 18, 19, 22 KSchG.
Zur Rolle des Vertrags zugunsten Dritter beim Streckengeschäft → KAPITEL 7: Das Streckengeschäft als Sonderfall des § 1423 ABGB.
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II. Verträge zu Lasten Dritter?
Wie eben bemerkt, gibt es zwar Verträge zugunsten, nicht aber zulasten Dritter. Letztere widersprechen dem Wesen der Privatautonomie und hier besonders dem Gedanken der Selbstverpflichtung und sind daher (ohne Ausnahme) unzulässig; vgl SZ 69/176 (1996): Sponsorvertrag – Carreras, Domingo und Pavarotti im Wiener Stadion.
Zur Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht / Falsus → KAPITEL 13: Vertreter ohne Vertretungsmacht .
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E. Die Form (im Privatrecht)
Da Form (vorschriften) ganz wesentlich auch der Sicherheit von Rechtsakten (der Vertragsparteien oder Dritter) dient, werden Fragen der Form hier im Rahmen privatrechtlicher Sicherungsmittel behandelt. – Die Bedeutung der Form beschränkt sich aber nicht auf das Privatrecht (ABGB, HGB, VersVG etc), sondern besitzt auch Bedeutung für andere Rechtsgebiete; etwa das Arbeits- und Sozialrecht, das Verfassungs-, Straf- und Verwaltungsrecht.
Literaturquelle
I. Die Form und ihre Entwicklung
1. Öffentlichkeit und Form – Frühes Rechtsdenken
Die Förmlichkeit frühen Rechts hat auch damit zu tun, dass wichtige Lebensstationen auch rechtlich von Bedeutung waren; so Geburt, Heirat, Tod, Mündigkeit und Ehefähigkeit. – Sitte, Brauch und Religion kleiden diese Ereignisse feierlich-rituell ein und erfüllen für das Recht eine wichtige Publizitätsfunktion. Um die großen Lebensstationen rankt sich wiederum ein Kranz rechtlicher Fragen unter denen meist auch solche der Form sind: Etwa um den Tod (Weitergabe des Vermögens an die Überlebenden; Erbrecht → KAPITEL 17: Allgemeines) oder bei der Heirat, die aus verschiedenen Gründen (zB Kinder, Erwerb des status familiae und des Bürgerrechts) der Form bedarf. Denn im Falle des Todes muss das Weiterreichen des Vermögens „geordnet” erfolgen, sollen nicht Zwist und Gewalt die Folge sein.
Das hat bei uns in vorbildlicher Weise dazu geführt, dass der Staat, als Wahrer und Garant der gesellschaftlichen Ordnung, die Erben durch seine Gerichte ins Erbe einweist (eine Einrichtung für die das antike griechische, nicht aber das römische Recht Vorbilder geliefert hat); aber auch dazu, dass ’förmliche’ Testamente geschaffen wurden, die der Tatsache Rechnung tragen, dass der (letztwillig) Anordnende später nicht mehr gefragt werden kann, weil er tot ist. – Der gemeinsame Nenner in beiden Fällen ist Rechtssicherheit, der Formvorschriften in hohem Maße dienen. – Ähnliche Publizitätsbedürfnisse gelten für Heirat, Geburt, Tod und die Vornahme bedeutender Rechtsakte wie das Errichten von Gesellschaftsverträgen.
Rechtssicherheit
Der starke Zusammenhang des frühen römischen Rechts mit der Religion zeigt sich ua in Rom im Zusammenhang von Recht und Augurentum (Sakral-Augurenrecht!) und darin, dass große Juristen auch hohe religiöse Funktionen inne hatten; so der berühmte Rechtsgelehrte und Augur Quintus Mucius Scaevola, der Cicero für dessen Anwaltslaufbahn die nötigen Rechtskenntnisse vermittelte. – Für Griechenland vgl den Beginn des platonischen Dialogs „Nomoi”; dort wird die Herkunft der Gesetze von Göttern abgeleitet.
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2. Entwicklung zur Formfreiheit
Entgegen dem äußeren Anschein ist das Kapitel „Form” keineswegs so langweilig und eintönig wie man meinen könnte. Das hängt damit zusammen, dass Fragen der Form, mögen sie auch im modernen Recht nicht mehr jene tragende Rolle spielen wie in frühen Rechtsordnungen, immer noch von praktischer Relevanz sind; mag es auch da und dort Überraschungen geben. So würde man erwarten, dass der Liegenschaftskauf, seiner Bedeutung entsprechend, auch in Österreich formpflichtig ist. Dass dies nicht der Fall ist, haben wir bereits gehört → KAPITEL 2: Besonderheiten des Liegenschaftskaufs.
Das dtBGB bestimmt bspw in § 311 b Abs 1: „Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf der notariellen Beurkundung. Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen.”
Das moderne Privatrecht hat vor allem das Schuldrecht ‚entformalisiert’. Im Schuldrecht gilt heute der Grundsatz der Formfreiheit, während in anderen Bereichen des Privatrechts – dem Familien-, Erb- oder Sachenrecht – Fragen der Form nach wie vor einen höheren Stellenwert bewahrt haben, was insbesondere damit zusammenhängt, dass in diesen Bereichen der Gedanke der Publizität / Offenkundigkeit eines Rechtsakts / Rechtsgeschäfts eine besondere Rolle spielt. Es geht hier nämlich häufig nicht nur um die Sicherung des konkreten Rechtsaktes selbst, sondern auch um seine Bedeutung für andere; vgl Pfandrecht, ETV etc.
Schuldrecht ‚entformalisiert
Hier wird ganz allgemein bestimmt:
§ 883 ABGB
„Ein Vertrag kann mündlich oder schriftlich; vor Gericht oder außerhalb desselben; mit oder ohne Zeugen errichtet werden. Diese Verschiedenheit der Form macht, außer den im Gesetz bestimmten Fällen, in Ansehung der Verbindlichkeit keinen Unterschied.”
Damit wird grundsätzlich Formfreiheit angeordnet.
Das Kapitel Form lehrt uns aber auch, wie vielfältig und differenziert rechtliche Regelungen (über scheinbar einfachste Sachverhalte) sein können; sie dienen unterschiedlichen Interessenlagen. Wer würde schon so viele praktisch wichtige Fragen und Möglichkeiten im Bereich der Schriftform erwarten? → Formzwecke – Formfunktionen Die Praxis ist erfindungsreich und vielgestaltig!
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3. Äußere und innere Form von Rechtsgeschäften
Spricht man von der Form eines Rechtsgeschäfts, ist damit meist die äußere Form gemeint. Sie besteht darin, dass zum (inneren) rechtsgeschäftlichen Konsens auch ein nach außen hin wahrnehmbarer (Form)Akt hinzutritt, der idR den inneren-inhaltlichen Teil des Rechtsgeschäfts uU gar nicht berührt, aber den Geschäftsabschluss publik / öffentlich und damit beweisbar macht; oft soll dadurch aber auch die Ernsthaftigkeit des Abschlusses unter Beweis gestellt werden. Hierher zählt das heute weitverbreitete Schriftformgebot oder die Beglaubigungs- oder Notariatsaktspflicht. Vgl auch → Formzwecke – Formfunktionen
Die Sanktion im Falle einer Formverletzung weist die große Bandbreite von angeordneter Nichtigkeit, über Gültigkeit und Verwaltungsstrafe, bis zur Unbeachtlichkeit von Formverletzungen auf → Die Schriftform
Sanktion
Von der äußeren ist die innere Form von Rechtsgeschäften zu unterscheiden, die den inhaltlichen Teil des jeweiligen Rechtsgeschäfts berührt, also nicht nur äußerlich bleibt, mag auch hier die Sanktion im Verletzungsfall variieren.
Innere Form
Beispiel ist die ins Vertragsinnere gelegte Form bei den Realverträgen, bei denen die Übergabsverpflichtung als eine Art Moduselement einen integralen Bestandteil des Rechtsgeschäfts selbst darstellt.
Diese innere Form will – sie stammt aus alter Rechtskultur – auf einfache Weise Streit vermeiden und der Rechtssicherheit dienen, indem das gemachte Versprechen ohne reale Entsprechung, also Übergabe, keinen einklagbaren (Haupt)Vertrag entstehen lässt, sondern zB nur einen abgeschwächten Vorvertrag; vgl § 983 ABGB. Hier dient, die in den Typus integrierte Verbindung von Titel und Modus dem Zweck, das Rechtsgeschäft möglichst in einem Akt zu schließen und zu erfüllen; und nicht nur dem formalen Zweck, es in ein besonderes „Kleid” zu stecken. Diese „Koppelung” von Titel und Modus dient auch der Rechtssicherheit und Streitvermeidung.
Frühe antike griechische Rechte gingen noch weiter und versagten bspw (Kredit)Kaufverträgen, die nicht Zug um Zug erfüllt wurden, überhaupt die Rechtsdurchsetzung. – § 983 ABGB ist hier mit seiner „Vorvertragssanktion” schon deutlich moderater.
Das ABGB von 1811 setzte die äußere Form(pflicht) nur sehr moderat ein. Das von Martini dem bürgerlichen Recht zugrunde gelegte Freiheitsdenken setzte sich auch nach seinem Tode durch. Formpflichtig nach dem ABGB war nur der Ehevertrag, der nach § 75 ABGB aF vor Zeugen geschlossen werden musste, und Schenkungen ohne wirkliche Übergabe bedurften nach § 943 der einfachen Schriftform und die Annahme an Kindes Statt und die Übernahme in Pflege mussten gerichtlich bestätigt werden; §§ 181, 186 ABGB aF. – Wette und Spiel (§§ 1271 und 1272) gewährten nach dem Vorbild der Realkontrakte nur dann ein Klagerecht, wenn der „bedungene Preis nicht bloß versprochen; sondern wirklich entrichtet, oder hinterlegt worden ist”; zu den Glücksverträgen → KAPITEL 12: Glücksverträge ¿ Gewagte Geschäfte. Die Sanktion einer Verletzung der äußeren (Übergabs)Form bestand hier im Versagen der Einklagbarkeit; bei den Realkontrakten schwächte das ABGB dies zum bloßen Zustandekommen eines Vorvertrags und § 936 ABGB ab. – Im Gegensatz zum ABGB – das weder für Ehepakte, Gütergemeinschaft, Gesellschaftsverträge und Liegenschaftskaufverträge eine Form verlangte – kannten ALR und frCC umfassende Schriftform- und Beurkundungsgebote.
Äußere Form
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4. Bundesgesetz über elektronische Signaturen
Von H. Ortner
Vgl insbesondere die Ausführungen unter → KAPITEL 2: Internet und Recht.
Den vorläufig letzten Schritt zur Formsicherheit stellt das SignaturG / SigG, BGBl I 1999 / 190 dar. Es regelt die Form beim Abschluss von Rechtsgeschäften unter Heranziehung von Computern.
§ 4 Abs 1 SigG
Danach erfüllt eine „sichere elektronische Signatur [Legaldefinition in § 2 Z 3 leg cit] ... das rechtliche Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift, insbesondere der Schriftlichkeit iSd § 886 ABGB, sofern durch Gesetz oder Parteivereinbarung nicht anderes bestimmt ist.”
Hier werden Ausnahmen statuiert:
§ 4 Abs 2 SigG
• für Rechtsgeschäfte des Familien- und Erbrechts,
• andere Willenserklärungen oder Rechtsgeschäfte, die zu ihrer Wirksamkeit an die Form einer öffentlichen Beglaubigung, einer gerichtlichen oder notariellen Beurkundung oder eines Notariatsakts bedürfen;
• für Formerfordernisse zur Eintragung ins Grundbuch oder Firmenbuch (→ Das Firmenbuch / FB) etc, und schließlich
• für die Verpflichtungserklärung des Bürgen nach § 1346 Abs 2 ABGB.
Privatrechtlich interessant sind ferner bspw: – § 21 SigG (Pflicht des Signators die Signaturerstellungsdaten sorgfältig zu verwahren etc); – § 22 SigG (Datenschutz); – § 23 SigG (Haftung der Zertifizierungsstellen).
Literaturquelle
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II. Die Form im modernen Privatrecht
1. Die Schriftform
Der Schriftform unterliegen vor allem praktisch bedeutsame Vertragsabschlüsse, wobei die Verletzung gesetzlich vorgeschriebener Formpflicht ganz verschieden sanktioniert wird: Die Bandbreite der Sanktionen reicht – wie erwähnt – von schlichter Ungültigkeit bis zu verbleibender Gültigkeit des Rechtsgeschäfts, mag auch den Verletzer (wie beim Ratenbrief) eine Verwaltungsstrafe treffen → KAPITEL 2: Gesetzliche Voraussetzungen.
Sanktionen – Beispiele
Beispiel
Form wird heute idR als Publizitätsform (Öffentlichkeit des Rechtsakts) und Schutzform (für schwächere Partner) eingesetzt. – Unterschieden wird ferner zwischen:
Publizitätsform
gesetzlicher (§ 883 ABGB) oder
• sog gewillkürter Form (§ 884 ABGB), die von den Parteien eines Rechtsgeschäfts freiwillig übernommen wird.
Die Entwicklung verläuft von starrer Formpflicht / Rechtsformalismus, zu Formfreiheit. Allerdings kommt es immer wieder auch zu neuen Formvorschriften. – Das ABGB von 1811 ist weniger formabhängig als die Parallelkodifikationen in Europa: ALR 1794 und frCC 1804.
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2. Formzwecke – Formfunktionen
Die Form dient sowohl den Parteien eines Rechtsgeschäfts (sog innere Form), als auch anderen insbesondere öffentlichen Zwecken (sog äußere Form); zB Abschlussklarheit für die Parteien selbst und Übergabsform, die auch für dritte Personen (zB Gläubiger) eine Rechtsänderung erkenntlich macht. Man denke etwa an das Verbücherungsgebot des § 297a ABGB (Maschinenparagraph → KAPITEL 8: § 297a ABGB ¿ Der ¿Maschinenparagraph¿). – Daneben existieren weitere Formzwecke, die idF dargestellt werden sollen:
Und zwar für die Parteien selbst: Dadurch soll das verbindliche, weil gültig geschlossene Rechtsgeschäft vom Nicht-Rechtsgeschäft abgegrenzt werden!
Abschlussklarheit
Frage: Wurde der Vertrag schon geschlossen? Das ist nicht immer so selbstverständlich zu beantworten wie man meint. So können dem Vertragsschluss lange Korrespondenzen und andere Kontakte vorausgehen.
Was ist bspw Inhalt der testamentarischen Anordnung, was Gegenstand eines sonstigen Vertrags oder Rechtsgeschäfts. – Die Form dient hier auch als Gedächtnisstütze und Klarstellung des jeweiligen Geschäftsinhalts; vgl die einseitige Schriftlichkeit beim kaufmännischen Bestätigungsschreiben.
Inhaltsklarheit
Inhalts- und Abschlussklarheit dienen vornehmlich der Rechtssicherheit der am Rechtsgeschäft beteiligten Parteien. In diesem Zusammenhang wird auch vom Garantiewert der Form gesprochen.
Typisch für diesen Formzweck ist die Regelung des § 1346 Abs 2 ABGB; Bürgschaft: Einseitige Schriftform für die Verpflichtungserklärung des Bürgen.
Schutz vor Übereilung
Typisch kommt dieser Formzweck im Arbeitsrecht vor; zB Schriftform für den Abschluss eines Lehrvertrags nach § 12 Abs 1 BAG gekoppelt mit Inhaltsvorschriften: Abs 3 – „Der Lehrvertrag hat zu enthalten …”.
Schutzform für sozial Schwächere
Die Form erleichtert einen nachträglichen Beweis des Vereinbarten, denn sie stellt nicht nur klar, dass, sondern auch wie und wofür ein Rechtsgeschäft abgeschlossen wird.
Beweiserleichterung
Publizität dient der Offenkundigkeit von Rechtsakten. Dieser schon mehrfach angesprochene Formzweck wird bspw vorbildlich vom Grundbuch (Übergabsform) erfüllt; vgl aber auch die Eheschließungsform und die Übergabsmodalitäten der §§ 426 ff ABGB für bewegliche Sachen.
Publizität
Dafür dient zB die Notariatsaktpflicht nach § 1 NotZwG für Ehepakte und für zwischen Ehegatten abgeschlossene Kauf-, Tausch-, Renten- und Darlehensverträge sowie Schuldbekenntnisse und ganz allgemein für Schenkungen ohne wirkliche Übergabe; § 943 ABGB.
Gläubigerschutz
Die Formpflicht kann auch als Anlass für Rechtsberatung dienen. Das trifft etwa auf das notarielle oder gerichtliche Testament zu. Vgl auch § 55a EheG: einvernehmliche Scheidung.
Rechtsberatung
Vgl auch die immer wieder geführte Diskussion um eine Formpflicht für das Eingehen nichtehelicher Lebensgemeinschaften.
Rechtliche Form erschwert auch Fälschungen, Umgehungen und Scheingeschäfte.
Fälschungen, Umgehungen, Scheingeschäfte
Und schließlich war die Form und ist noch heute Anknüpfungspunkt des Fiskus für Steuern und Abgaben; vgl die beim Liegenschaftskauf vom Finanzamt einzuholende Unbedenklichkeitsbescheinigung (Grundbuch).
Fiskus
Arten von Formvorschriften – Überblick
Mündlich
Das bedeutet Formfreiheit!
<->
Schriftlich
Einfache und qualifizierte
Gesetzlich
<->
Gewillkürt / Kraft Parteiwillens; § 884 ABGB
Öffentlich
Mitwirkung von: Gericht oder Notar
<->
Privat
Einseitig ZB § 1346 Abs 2 ABGB
<->
Zweiseitig: Normale Unterschriftsform
Mit Zeugen: Zeugentestament<->
Ohne Zeugen
Formwirkung kann sein: deklarativ: Form berührt Gültigkeit nicht; zB Ratenbrief
<->
konstitutiv
Form ist Gültigkeitserfordernis; zB § 884 ABGB: gewillkürte Form
Die Einhaltung von Formvorschriften spielt auch im öffentlichen Recht eine wichtige Rolle: Zu § 867 ABGB → KAPITEL 4: Geschäftsfähigkeit von Gemeinden; zu den Arten von Willenserklärungen im Rahmen des § 863 ABGB → KAPITEL 5: Arten von Willenserklärungen: § 863 ABGB, wo ua auch auf den Ausschluss von Konkludenz bei bestehenden Formvorschriften eingegangen wird.
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3. Verschiedene Fragen der Schriftform
Wir unterscheiden – wie im Kasten dargestellt – zwischen einfacher und qualifizierter Schriftform. – Die einfache Schriftform meint die schlichte eigenhändige Unterschriftsform. Sie berührt den „Inhalt / Text” eines Rechtsgeschäfts nicht, weshalb dieser beliebig abgefasst werden kann.
Einfache und qualifizierte Schriftform
Eine Steigerung kennt aber bereits § 578 ABGB (eigenhändiges oder holographes Testament → KAPITEL 17: Eigenhändiges schriftliches Testament): „ ... eigenhändig schreiben, und [!] eigenhändig mit seinem Namen unterfertigen”. – Dies ist schon eine qualifizierte Schriftform.
Sie soll identifizieren und perfektionieren. – Die Unterschriftsform deckt nur, was oberhalb der Unterschrift steht; allfällige Nachträge müssen erneut (unterhalb des neuen Textes) unterfertigt werden.
Eigenhändige Unterschrift
Mitunter ordnet das Gesetz an, dass für die Unterschriftsform auch eine Nachbildung der eigenen Unterschrift ausreicht; sog Faksimile: zB § 39 Abs 1 VersVG.
Faksimile
Sie erfüllen das Erfordernis der Unterschriftsform nicht. Die Parteien können diese Möglichkeiten aber als gewillkürte Schriftform anerkennen. – Zur elektronischen Signatur → Bundesgesetz über elektronische Signaturen
Telegramme, Kopien, Telefax oder e-mail
Beispiele für qualifizierte Schriftform: – Eingeschriebener Brief: zB für Kündigung oder Mängelrüge; – gerichtliche oder notarielle Beurkundung: zB für den Abschluss von Gesellschaftsverträgen; – gerichtliche oder notarielle Beglaubigung: zB Unterschriften der Kaufvertragsparteien für das Grundbuchsgesuch.
Was bedeutet eine Blankounterschrift ? – Unterschriften auf einem leeren Zettel, einer nicht vollständigen Urkunde oder einem Formular bedeuten rechtlich eine Ausfüllungsermächtigung. Der Rechtsakt ist gültig und Missbrauch – dh nicht vereinbarungs- oder erwartungsgemäßes Ausfüllen zB der Urkunde – berechtigt zur Anfechtung nach den §§ 870 und 871 ff ABGB. Nach diesen Vorschriften haftet der seine Ermächtigung Missbrauchende demjenigen, der das Dokument blanko unterfertigt hat.
Blankounterschrift
Zum Blankoscheck → Der Scheck; zur Ermächtigung → KAPITEL 13: Erteilung der Vollmacht.
Korrekt haben der Vertreter oder der Bote mit eigenem Namen zu unterschreiben und einen Zusatz anzufügen, der auf ihre Vertreter- oder Botenrolle hinweist.
Unterfertigung durch Stellvertreter oder Boten
Beispiel
Verträge müssen immer von beiden Vertragsparteien unterfertigt werden; vgl § 886 ABGB: „Ein Vertrag ... kommt durch die Unterschrift der Parteien ... zustande.“ Das bedeutet aber nicht, dass sich beide Unterschriften auf der selben Vertragsurkunde befinden müssen; vielmehr besteht die Möglichkeit von Brief und Gegenbrief, Schluss und Gegenschluss, Versicherungsvertrag und Versicherungspolizze. – Die Urkunden müssen dabei deckungsgleich sein.
Unterfertigung durch beide Vertragsparteien
Wenn Sie als Käuferin oder Käufer einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung unterschreiben, ohne dass die Verkäuferseite gegenzeichnet, ist der Vertrag noch nicht geschlossen. Daher sollte sicherheitshalber Zug um Zug-Unterfertigung vereinbart oder doch eine Unterfertigungs(end)frist oder -datum für die Verkäuferseite oder allenfalls ein Datum für das Ende der eigenen Bindung festgelegt werden.
Üblicherweise trifft die Schriftform beide Vertragsparteien. In manchen Fällen verlangt das Gesetz die Einhaltung der Schriftform aber nur von einem Vertragsteil.
Einseitige Schriftform
Beispiel
Beim Notariatsakt wird das Rechtsgeschäft selbst vor dem – nicht vom! – Notar geschlossen oder ein bereits abgeschlossenes Rechtsgeschäft erneuert und vom Notar beurkundet; §§ 52 ff NO. – Der Notariatsakt stellt eine öffentliche Urkunde dar.
Notariatsakt und notarielle Beglaubigung
Nach dem NZwG 1871 besteht für bestimmte Rechtsgeschäfte / Verträge bei sonstiger Nichtigkeit Notariatsaktpflicht.
Mit der notariellen Beglaubigung wird nur die Identität der Unterschrift eines bereits in einer privaten Urkunde dokumentierten Rechtsgeschäfts bezeugt, indem vor Gericht oder vor dem Notar erneut unterschrieben wird und die beiden Unterschriften miteinander verglichen werden; §§ 76 ff NO. – Die Beglaubigung kann auch der Richtigkeit einer Abschrift oder einer Übersetzung gelten.
Bis 1916 galt § 887 aF ABGB. Danach war auf mündliche Nebenabreden bei schriftlichen Verträgen „kein Bedacht zu nehmen”. Diese Bestimmung wurde durch die III. TN aufgehoben, was Rechtsunsicherheit zur Folge hatte. – Auch heute gilt jedoch grundsätzlich: Nicht in den Vertrag oder eine Urkunde aufgenommene Vereinbarungen gelten auch nicht. Das Gegenteil müsste (von dem, der dies behauptet) bewiesen werden! Formlose Nebenabreden sind aber heute nach geltender Rechtslage nicht auf jeden Fall ohne Bedeutung!
Formlose Nebenabreden
In Verträgen und Formularen wird immer wieder versucht mündliche Nebenabreden auszuschließen. Vgl aber § 10 Abs 3 KSchG, wonach die Rechtswirksamkeit formloser Erklärungen eines Unternehmers oder seines Vertreters zum Nachteil eines Verbrauchers vertraglich nicht ausgeschlossen werden können.
Die Punktation des § 885 ABGB ist ein von den Parteien unterfertigter „Aufsatz über die Hauptpunkte” eines Vertrags. Sie ist bereits perfekter Hauptvertrag und nicht nur Vorvertrag iSd § 936 ABGB → KAPITEL 6: Vorvertrag <-> Punktation. Die Punktation gewährt bereits einen Erfüllungsanspruch.
Punktation
Funktional soll sie einen gültigen förmlichen Vertragsschluss erleichtern, zumal das Rechts- und Wirtschaftsleben flexible Rechtsinstrumente braucht. Die Punktation ist ein solches. Lange und oft schwierige Verhandlungen sollen, vielleicht zu später Stunde, noch erfolgreich abgeschlossen werden können. Es gilt dabei sehr oft die Gunst der Stunde (die Griechen nannten sie: Kairós) zu nützen. Wer weiß, ob der Vertrag am nächsten Tag noch zustande käme? – Die Punktation hilft hier weiter. Bei ihr fehlt nur noch die Reinschrift des Vertrags, also die Errichtung der (förmlichen) Urkunde. – Zu achten ist bei der Ausfertigung der Urkunde aber darauf, dass keine neuen Zusätze, die nicht vereinbart worden sind, aufgenommen werden.
Eine allenfalls notwendige Auslegung oder Lückenschließung der vielleicht nur stichwortartig verfassten Punktation hat durch die Vertragsauslegungsnorm des § 914 ABGB zu erfolgen; danach ist „die Absicht der [!] Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht“.
Zur Bedeutung der Formpflicht eines Hauptvertrags für vertragliche oder rechtsgeschäftliche Vorakte gilt: Ist der Hauptvertrag formpflichtig, gilt das auch für seine Vorakte, insbesondere Antrag und Annahme, aber auch den Vorvertrag. Es ist aber möglich, Gegenteiliges zu vereinbaren.
Form für Offerte und Vorvertrag?
Ein Aspekt der Vertragsfreiheit ist die Formfreiheit. Von zwingenden gesetzlichen Formvorstufen abgesehen entscheiden also die Parteien unter welchen Formvoraussetzungen sie an den Vertrag gebunden sein sollen.
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4. Die Heilung von Formmängeln: § 1432 ABGB
Unterlaufene Formverstöße können durch nachträgliche Erfüllung des Rechtsgeschäfts geheilt werden, mag das auch nicht immer gelten; sog Heilung/Sanierung, sanatio (ex radice). – Darin gelangt der Gedanke zum Ausdruck, dass es vorrangiges Ziel ist, den Vertrag oder das Rechtsgeschäft aufrechtzuerhalten; sog favor contractus.
sanatio ex radice
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
Auch das (häufige) Nichteinhalten der gesetzlichen Formvorschrift für ein bloßes Schenkungsversprechen wird durch nachträgliche Erfüllung desselben geheilt; vgl dazu SZ 45/35 (1972): „Wirkliche Übergabe” einer Liegenschaft iSd § 943 ABGB und § 1 Abs 1 lit d NZwG: Ist das eine Liegenschaft betreffende formlose Schenkungsversprechen (→ KAPITEL 3: Form der Schenkung?) durch bücherliche Einverleibung des Beschenkten erfüllt, dann kann nicht mehr auf Rückübertragung des Eigentumsrechts wegen fehlender Notariatsaktform geklagt werden.
Vgl auch JBl 1975, 161: Vorvertrag der „Tiroler Tageszeitung” mit Redakteur (Dr. N.) der dadurch Chefredakteur werden soll, wird nicht schriftlich abgeschlossen, obwohl das vereinbart war, wird in der Folge aber zum Teil erfüllt. – OGH deutet Teilerfüllung als Aufgeben der gewillkürten Form für den Vertragsrest!
OGH 16. 5. 2001, 6 Ob 66/01a, JBl 2002, 242: Erblasser hinterlässt formungültiges Testament (Erben unterschrieben als Zeugen des fremdhändigen Testaments). Nur zwei der drei gesetzlichen Erben anerkennen das Testament. – OGH lehnt eine Sanierung ab, weil dafür alle in Betracht kommenden gesetzlichen Erben das formungültige Testament vor Entscheidung des Abhandlungsgerichtes vorbehaltlos anerkennen müssen.


Formzwecke (1)
Abbildung 15.49:
Formzwecke (1)


Formzwecke (2)
Abbildung 15.50:
Formzwecke (2)


Schriftform (1)
Abbildung 15.51:
Schriftform (1)


Schriftform (2)
Abbildung 15.52:
Schriftform (2)


Schriftform (3)
Abbildung 15.53:
Schriftform (3)


Schriftform (4)
Abbildung 15.54:
Schriftform (4)


Schriftform (5)
Abbildung 15.55:
Schriftform (5)


Schriftform (6)
Abbildung 15.56:
Schriftform (6)


Schriftform (7)
Abbildung 15.57:
Schriftform (7)


Schriftform (8)
Abbildung 15.58:
Schriftform (8)


Schriftform (9)
Abbildung 15.59:
Schriftform (9)
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III. Die Umdeutung oder Konversion
1. Zur Funktion der Konversion
Literaturquelle
Die Umdeutung ist ein rechtstechnisches Mittel, um Rechtsgeschäften und Verträgen (doch noch) Gültigkeit zu vermitteln, obwohl das konkrete Rechtsgeschäft oder der Vertrag in der vorgenommenen Form ungültig sind. – Die Konversion – ein Interpretationsakt – deutet ein fehlerhaftes Rechtsgeschäft in ein zulässiges um. Das ist nur möglich, wenn der Parteiwille (iSd § 914 ABGB) eine solche Umdeutung duldet und auch der Gesetzeszweck dies zulässt; vgl unten § 140 dtBGB. Es geht dabei um ein größtmögliches Aufrechterhalten des rechtsgeschäftlichen Inhalts, wenngleich in einem neuen, rechtlich zulässigen Gewande.
fehlerhaftes RG wird in zulässiges umgedeutet
Beispiel
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2. Vorbild: § 140 dtBGB
Das ABGB kennt keine Regelung der Umdeutung, wohl aber das dtBGB in § 140:
„Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das Letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.”
Rspr und Lehre haben diese deutsche Regelung gleichsam als Analogiebasis verstanden, was sich iVm § 7 ABGB gewohnheitsrechtlich verfestigt hat. – Rechtshistorisch ergänzt werden kann dieses Ergebnis durch einen Hinweis auf § 914 aF ABGB, der durch die III. TN beseitigt wurde. Sein zweiter Satz lautete:
”„nsbesondere soll ein zweifelhafter Vertrag so erklärt werden, daß er keinen Widerspruch enthalte, und [!] von Wirkung sei.“
Nicht zu verwechseln ist die Konversion mit der Heilung iSd § 1432 ABGB → Die Heilung von Formmängeln: § 1432 ABGB
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