Kapitel
15 | |
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Gläubiger und Schuldner
benötigen für ihre Zwecke immer wieder zusätzliche rechtliche Sicherheit(en),
denen daher größte praktische Bedeutung zukommt. Sie wurden – in
einem weiten Sinne verstanden – in diesem Kapitel zusammengfasst:
Vertragliche und gesetzliche, dingliche (B: Pfandrecht, Retentionsrecht,
BTVG und Treuhand) und obligatorische Sicherheiten (A: Angeld, Konventionalstrafe,
Bürgschaft etc). – Behandelt werden hier auch kurz öffentliche Register
wie das Firmenbuch (A.II.). – Pkt C. fasst die Gruppe mittelbarer
Sicherungsmittel zusammen: nämlich die Anweisung (I.) und deren
spezifische Ausformungen Wechsel und Scheck (II. und III.) sowie den
Garantievertrag (IV.) und das Dokumentenakkreditiv (V.) und – unabhängig
davon – die Aufrechnung (VI.). Pkt E. bezieht die Form ein, die
auf verschiedene Weise ebenfalls der Sicherheit von Rechtsgeschäften
und Verträgen und der daran beteiligten Parteien dient. – Pkt D. schließlich
erörtert im Kontext der bei den rechtlichen Sicherungsmitteln häufig
anzutreffenden dreipersonalen Schuldverhältnisse -zB Bürgschaft,
Garantievertrag - den Vertrag zugunsten Dritter. | Überblick |
A. (Privat)Rechtliche Sicherungsmittel |
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1. Wer braucht
Sicherheit/en | |
Das Rechts- und Wirtschaftsleben
verlangt in vielfacher Hinsicht nach Sicherheit/en, konkreter: nach
größerer als der üblichen Sicherheit; etwa im Rahmen der Rechtsstellung
des Gläubigers gegenüber seinem Schuldner. Der Gläubiger ist mit
seinem Forderungsrecht auf die Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit
des Schuldners angewiesen und daher zufälligen Änderungen derselben
ohne zusätzliche Sicherheit/en weitgehend ausgeliefert; mögen das
Tod oder Krankheit des Schuldners oder eine nachteilige wirtschaftliche
Veränderung seines Vermögens sein, die Exekutionen oder seine Insolvenz
( → KAPITEL 19: Insolvenzrecht) bewirken können. – Sich dagegen zu schützen,
ist das gute Recht eines jeden Gläubigers. – Umgekehrt benötigt
auch der Schuldner Schutz bei seiner Leistungserbringung, zumal
diese ohne Zug um Zug-Leistung des Gläubigers ebenso gefährdet sein
kann. Das haben jene (Anlass)Fälle drastisch vor Augen geführt,
die zur Erlassung des BTVG geführt haben; RA Itzlinger und Maculan-Pleite. | Was
meint „Sicherheit”? |
Das erinnert uns an die große Bedeutung
der Zug um Zug-Leistung für die rechtliche Sicherheit beider (!)
Vertragsteile → KAPITEL 2: Zug
um Zug-Leistung. Es ist daher kein Zufall, dass das Zug
um Zug-Leistungsprinzip in der Frühzeit des Rechtsdenkens, etwa
von den Griechen, besonders betont wurde. | |
Rechtssicherheit
ist ein hoher Rechtswert. Das Rechtssystem wird ihm – wie uns dieses
Kapitel zeigt – in ganz unterschiedlicher Weise gerecht. Der Formenreichtum
ist groß. Dadurch werden mittels rechtlicher „Zuschaltung” Verhaltenserwartungen
der einen oder der anderen, aber auch beider Vertragsteile gefördert
und stabilisiert. |
Rechtssicherheit |
Das „Erste Hauptstück”
des „Dritten Teiles” des ABGB (§§ 1342 ff) trägt die Überschrift
„Von Befestigung der Rechte und Verbindlichkeiten”. § 1342 ABGB
zieht den Rahmen: | ”Befestigung
der Rechte und Verbindlichkeiten” |
”Sowohl Personenrechte als Sachenrechte,
und daraus entspringende Verbindlichkeiten können gleichförmig befestigt,
umgeändert und aufgehoben werden.” | |
Und § 1343 ABGB nennt die „Arten der
Befestigung eines Rechtes”: | ”Arten
der Befestigung“ |
”Die rechtlichen Arten der Sicherstellung
einer Verbindlichkeit und der Befestigung eines Rechtes, durch welche dem
Berechtigten ein neues Recht eingeräumt wird, sind: die Verpflichtung
eines Dritten für den Schuldner, und die Verpfändung.” | |
Diese
Aufzählung ist – wie wir sehen werden – unvollständig. – Rechtliche
Vorsorge sollte immer auch rechtzeitig getroffen werden. Dafür vorzusorgen
gehört zu den Aufgaben der Kautelarjurisprudenz. | Kautelarjurisprudenz |
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2. Vertragliche
und gesetzliche Sicherheiten | |
Wird von Sicherungsmitteln
gesprochen, meint man idR vertragliche, also von den Vertragsparteien
im konkreten Fall erst noch zu vereinbarende Sicherheiten; sei es
ein Eigentumsvorbehalt, eine Wertsicherungsklausel, eine Konventionalstrafe
(§ 1336 ABGB) oder ein Vertragspfand (§ 1368 ABGB). | |
Neben den vertraglichen oder rechtsgeschäflichen
Sicherheiten gibt es aber auch eine Reihe schon gesetzlich vorgesehener
Sicherheiten, die auch ohne Vereinbarung wirken; etwa das gesetzliche
Vermieterpfandrecht des § 1101 ABGB, das Zurückbehaltungs- oder
Retentionsrecht (§ 471 ABGB und §§ 369, 370 HGB) oder die wichtigen
gesetzlichen Pfandrechte des Handelsrechts zugunsten von Kommissionär
(§ 397 HGB), Spediteur (§ 410 HGB), Lagerhalter (§ 421 HGB) und Frachtführer
(§ 440 HGB). | Gesetzliche
Sicherheiten |
| Schutz- oder
Sicherungsgesetze |
3. Dingliche
und obligatorische Sicherheiten | |
Bevor auf
wichtige Sicherungsmittel eingegangen wird, soll über das reiche
Instrumentarium dinglicher und obligatorischer Sicherungsmittel
ein – wenn auch unvollständiger – erster Überblick geboten werden,
zumal deren nominelle Kenntnis für die künftige (Berufs)Praxis,
aber auch den privaten Bedarf von Vorteil ist. | |
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So
wie die Sachenrechte insgesamt (durch den Typenzwang! → KAPITEL 8: Typenzwang)
überschaubar sind, gibt es bislang auch nur wenige dingliche Sicherheiten: | |
•
Der Eigentumsvorbehalt,
ist das am weitesten verbreitete dingliche Warensicherungsmittel (samt
Exszindierung und Aussonderung) → KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt
als Warensicherungsmittel; | |
•
das Pfandrecht:
als Faustpfand oder Hypothek → Das
Pfandrecht;
zum Lombardkredit (Wertpapier- oder Warenlombard) → Zur wirtschaftlichen
Bedeutung des Pfandrechts; | |
•
die Sicherungsübereignung
→ KAPITEL 8: Die
Sicherungsübereignung; | |
•
das (kaufmännische)
Zurückbehaltungs- oder Retentionsrecht
→ Das
Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB
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| Obligatorische
Sicherheiten iwS |
•
Garantievertrag
/ Bankgarantie
→ Garantievertrag
und Bankgarantie; | |
•
Bürgschaft:
§§ 1346 ff ABGB → Die
Bürgschaft: §§ 1346 ff ABGB; | |
•
Dokumentenakkreditiv
→ Das
Dokumentenakkreditiv; | |
•
Angeld:
§ 908 ABGB → Angeld:
§ 908 ABGB; | |
•
Reugeld:
§§ 909 ff ABGB, § 7 KSchG + Storno → Reugeld:
§§ 909 ff ABGB und § 7 KSchG; | |
•
Konventionalstrafe:
§ 1336 ABGB und § 348 HGB iVm Art 8 Nr 3 der 4. EVHGB → Die
Konventionalstrafe des § 1336 ABGB; | |
•
Schuldbeitritt und Schuldnerwechsel
→ KAPITEL 14: Der
Schuldnerwechsel; | |
•
Sicherungszession
→ KAPITEL 14: Sicherungszession + Factoring
→ KAPITEL 14: Das
Factoring; | |
•
Terminsverlust:
§ 13 KSchG → KAPITEL 2: Terminsverlust (§ 13); | |
•
Wechsel / Scheck
→ Der
Wechsel und → Der
Scheck; | |
•
(gegenseitige) Aufrechnungsmöglichkeiten:
§§ 1438 ff ABGB → Aufrechnung
/ Kompensation; | |
•
Vorkaufs-
→ KAPITEL 2: Das Vorkaufsrecht (§§
1072 ff ABGB) und Wiederkaufsrecht
→ KAPITEL 2: Nebenabreden
beim Kauf ¿ Übersicht (§§
1068 ff ABGB); | |
•
Vorvertrag:
§ 936 ABGB → KAPITEL 6: Der
Vorvertrag: § 936 ABGB; | |
•
Fixgeschäft:
§ 919 ABGB → KAPITEL 7: Das
Fixgeschäft: § 919 ABGB und § 376 HGB; | |
•
Wertsicherung (sklauseln) → Wertsicherung; | |
•
Kaution/en
→ Kaution/en
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Im Rahmen der
Sicherungsmittel iwS zu erwähnen sind aber auch noch andere (Rechts)Einrichtungen,
wie bestimmte öffentliche Bücher oder Register, die ebenfalls der
(Rechts)Sicherheit dienen; vor allem das Grundbuch ( → KAPITEL 2: Das
Grundbuch)
und das Firmenbuch. Letzters wird im Anschluss
kurz behandelt → Das
Firmenbuch / FB Zum Patent-, Marken-
und Musterrechtsregister ebenfalls gleich unten →
Marken-, Muster- und Patentregister
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Rechtsgeschichtlich ist das rechtlich-administrative Registrierungswesen griechischen
Ursprungs, wie überhaupt auch der hier so bedeutende Publizitätsgedanke des
Sachenrechts sowie das Archiv- und Urkundenwesen eine bedeutende
Leistung des antiken griechischen Rechtsdenkens darstellt. | |
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Bislang werden die Möglichkeiten der EDV/ADV für rechtliche
Registrierungsaufgaben noch zu wenig genützt. Manches Publizitätsproblem
könnte dadurch aber effizienter gelöst werden. | |
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Das FB ist Nachfolgerin
des alten Handelsregisters; Rechtsquellen: FBG, BGBl 1991/10
und die §§ 8-16 HGB. Es dient der
Transparenz
des Handelsverkehrs. Insbesondere Vollkaufleute sind verpflichtet
bestimmte sie betreffende Daten / Tatsachen in dieses öffentliche
Register (Publizität!) eintragen zu lassen. | |
Hauptbuch und Urkundensammlung | |
Das FB ist
in seinem Aufbau dem Grundbuch nachgebildet und besteht wie dieses
aus einem
Hauptbuch und
einer
Urkundensammlung;
§ 1 Abs 1 FBG. Es dient nach § 1 Abs 2 FBG der Verzeichnung und
Offenlegung von Tatsachen die nach dem FBG oder sonstigen Rechtsvorschriften
einzutragen sind. Das FB wurde auf automationsunterstützte Datenverarbeitung
(ADV) umgestellt, was ein bequemes Abrufen dieser Daten ermöglicht;
vgl §§ 28 ff FBG. Zur FB-Abfrage ist nach § 34 FBG grundsätzlich
„jedermann” befugt; vgl auch § 9 Abs 1 HGB. Notare (§ 35 FBG) und
Rechtsanwälte (§ 35a FBG) haben die Voraussetzungen für FB-Abfragen
zu schaffen. Seit 1999 können FB und Grundbuch auch über das Internet
abgefragt werden. | |
Für aus der Führung des FB verursachte Fehler haftet
der Bund; § 37 FBG. – Das DSG 2000 (BGBl 165/1999) ist auf das FB
nicht anzuwenden; § 38 FBG. | Haftung
für Fehler |
FB-Sachen
sind Angelegenheiten des außerstreitigen Verfahrens. Sachlichzuständigsind
die Gerichtshöfe I. Instanz, sofern sie mit Handelssachen
betraut sind; örtlich zuständig ist das Gericht in dem ein Unternehmen
seine Hauptniederlassung oder seinen Sitz hat; § 120 Abs 1 JN. In
FB-Sachen entscheiden Einzelrichter und Rechtspfleger. | Zuständigkeit |
Ins FB (Hauptbuch) eingetragen
werden nach § 2 FBG bspw: Einzelkaufleute, Personengesellschaften
(OHG und KG), Erwerbsgesellschaften, Kapitalgesellschaften, Erwerbs-
und Wirtschaftsgenossenschaften, Sparkassen, Versicherungsvereine
auf Gegenseitigkeit und Privatstiftungen sowie EWIV. | Was
wird eingetragen? |
Bei allen Rechtsträgern sind nach § 3 FBG
einzutragen (sog allgemeine Eintragungen): Die
FB-Nummer, die Firma, die Rechtsform des Unternehmens, Sitz- und
Zustellungsanschrift, (nach eigener Angabe) eine kurze Bezeichnung
des Geschäftszweigs, Zweigniederlassungen, Tag des Gesellschaftsvertragsabschlusses
etc, Name und Geburtsdatum des Einzelkaufmanns (bei anderen Rechtsträgern
ihre vertretungsbefugten Personen samt Beginn und Art ihrer Vertretungsbefugnis),
bei Prokuristen (Name, Geburtsdatum sowie Beginn und Art ihrer Vertretungsbefugnis),
laufende Exekutionen oder Insolvenzverfahren, laufende Liquidationen
/ Abwicklungen, Vereinbarungen nach den §§ 25 Abs 2 oder 28 Abs
2 HGB etc. | allgemeine
Eintragungen |
Bei Einzelkaufleuten, Personengesellschaften
und Erwerbsgesellschaften sind nach § 4 FBG zB ferner einzutragen (sog besondere
Eintragungen): Bestellung eines Sachwalters oder Name und
Geburtsdatum der Kommanditisten samt Höhe ihrer Einlage etc. § 5
FBG (Aktiengesellschaften und GmbHs) und § 6 (Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften)
treffen Sondervorschriften für diese Rechtsträger. | besondere
Eintragungen |
Allfällige Änderungen
eingetragener Tatsachen sind unverzüglich anzuzeigen; §
10 FBG. § 12 FBG trifft Vorsorge hinsichtlich der Urkundensammlung,
§ 13 FBG regelt Mitteilungspflichten an die Gerichte, zumal das
FB-Gericht Anmeldungen auf ihre Zulässigkeit und Richtigkeit zu
prüfen hat. – Die §§ 15 ff FBG regeln das FB-Verfahren. | Änderungen |
Sie wird
in Form eines Auszugs / Ausdrucks gewährt. In die Urkundensammlung
kann über den Bildschirm oder durch einen Ausdruck Einsicht genommen
werden. Die Einsichtnahme ist gebührenpflichtig; derzeit beträgt
sie für je 850 angefangene Zeilen und je Bilanz 8 ı. | Einsicht ins Hauptbuch |
Eintragungen ins FB (positive wie negative)
wirken unterschiedlich; nämlich konstitutiv / rechtsbegründend oder
bloß deklarativ / rechtsbekundend. | Wie wirkt die
FB-Eintragung? |
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Nach § 5 HGB (sog Scheinkaufmann)
begründet die Eintragung ins FB die unwiderlegbare
Rechtsvermutung, dass die eingetragene Firma ein Vollhandelsgewerbe
betreibt. Abgesehen von dieser besonderen Wirkung des § 5 HGB bewirken
FB-Eintragungen aber bloß widerlegbare (Rechts)Vermutungen bezüglich
Richtigkeit und Gesetzmäßigkeit der jeweiligen Eintragung. – Zur
Rechtsvermutung → KAPITEL 3: Redlichkeitsvermutung. | |
Publizität bedeutet hier, dass das FB sog öffentlichen
Glauben besitzt, also den guten Glauben Dritter im Geschäftsverkehr
schützt. – Zu unterscheiden sind negative und positive Publizität
(§ 15 HGB): | Publizität
des FB |
Negative Publizität
(§ 15 Abs 1 HGB): Eine nicht eingetragene Tatsache kann Dritten
nicht als bekannt entgegengesetzt werden; zB Erlöschen der Prokura
ohne Berichtigung im FB. | |
Positive Publizität (§ 15 Abs
2 HGB): Eingetragene Tatsachen müssen Dritte gegen sich gelten lassen;
eine Ausnahme statuiert § 15 Abs 2 Satz 2 HGB. | |
2.
Marken-, Muster- und Patentregister | |
Rechtsquelle
ist das MarkenschutzG 1970 (MarkSchG). „Marken”
sind nach § 1 MarkSchG besondere Zeichen, deren Aufgabe es ist,
Waren und Dienstleistungen bestimmter Unternehmen von gleichartigen
Waren- und Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
– Zur Marke wird ein (Kenn)Zeichen durch Eintragung ins
Markenregister. Die Registrierung einer Marke begründet Markenausschließlichkeit für
den Markeninhaber. Die Schutzdauer beträgt zunächst 10
Jahre und kann wiederholt auf weitere 10 Jahre verlängert
werden. – Eine Registrierung in Österreich schafft nur innerhalb
der nationalen Grenzen Schutz. Daneben besteht die Möglichkeit eines
europaweiten Schutzes;
Europamarke: EG-VO 40/94. | Markenrecht |
Rechtsquelle
ist das MusterschutzG 1990 (MuSchG), das sich inhaltlich
am Marken- und Patentrecht orientiert. Auch das MuSchG schafft Ausschließlichkeitsrechte
für das jeweilige Muster. Muster iSd § 1 MuSchG
ist ein Vorbild für das Aussehen eines gewerblichen Erzeugnisses. Geschützt
werden Material, Farbe und Form, nicht aber Konstruktion und Funktion
eines Produkts. – Zur Entstehung des Musterrechts ist die Anmeldung
beim Patentamt oder
bei der örtlich zuständigen Wirtschaftskammer (§
11 MuSchG) und zusätzlich die Registrierung des Musters erforderlich.
Das Musterregister wird vom Patentamt geführt.
Es ist öffentlich; § 18 Abs 3 MuSchG. | Musterrecht |
Rechtsquelle
ist das PatentG 1970 (PatG). Der Schutz von Patenten
bezweckt den Schutz geistigen Eigentums und damit
den Schutz von Erfindungen. Das Patent wird vom Patentamt verliehen
und in das Patentregister eingetragen und im Patentblatt
kundgemacht. – Auch das Patentrecht schafft ein Ausschließlichkeitsrecht
für den Patentinhaber. Patentverletzungen werden als Verletzungen
absoluter Rechte geahndet; § 147 ff PatG. – Das Patentrecht als
Ganzes kann vererbt oder rechtsgeschäftlich
übertragen und auch verpfändet oder gepfändet werden.
Neben der Übertragung des Patentrechts als Ganzem besteht auch die
Möglichkeit der Übertragung des bloßen Nutzungsrechts eines
Patents. Dies geschieht durch Lizenz ( vertrag) → KAPITEL 5: Lizenzvertrag.
– Die Schutzfrist von Patenten beträgt 20 Jahre,
berechnet ab dem Anmeldetag; §§ 28, 46 PatG. | Patentrecht |
III. „Kleinere” schuldrechtliche
Sicherheiten | |
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„Was bei Abschließung eines Vertrages [im] voraus
gegeben wird, ist ... nur als Zeichen der Abschließung, oder als eine
Sicherstellung für die Erfüllung des Vertrages zu betrachten ...”;
§ 908 ABGB. | |
Das Angeld hat danach Beweis-
und Sicherungsfunktion. Das zeigt sich auch an
den Rechtsfolgen: | Beweis- und
Sicherungsfunktion |
„Wird [nämlich] der Vertrag durch Schuld einer Partei nicht
erfüllt, so kann die schuldlose Partei [entweder] | |
• das ... empfangene
Angeld behalten oder | |
• den doppelten Betrag des von ihr gegebenen
Angeldes zurückfordern”. | |
Die schuldlose Partei muss sich aber nicht mit dem Angeldverfall
begnügen, sondern kann auf Vertragserfüllung bestehen; oder bei
verschuldeter Unmöglichkeit Schadenersatz (wegen Nichterfüllung)
verlangen → KAPITEL 7: Nachträgliche
Unmöglichkeit. | |
Das Angeld ist von der Anzahlung zu
unterscheiden, was bei Kaufverträgen eine praktische Rolle spielt.
Denn nicht jede bei Vertragsabschluss erbrachte Leistung ist Angeld!
Das gilt bspw für die Anzahlung nach § 20 KSchG beim Abzahlungsgeschäft. → KAPITEL 2: Das Abzahlungsgeschäft. | |
Die Rspr hat deshalb Auslegungs- iSv Abgrenzungskriterien entwickelt: | |
• Angeld wird nur bei kleineren
Beträgen angenommen; | |
•
im Zweifel wird das „Angeld”
auf die zu erbringende Gesamtleistung / das Entgelt angerechnet, was
nichts anderes bedeutet, als dass das Angeld im Zweifel als Anzahlung
behandelt wird. | |
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 | Abbildung 15.1: Angeld: § 908 ABGB (1) |
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 | Abbildung 15.2: Angeld: § 908 ABGB (2) |
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2. Reugeld:
§§ 909 ff ABGB und § 7 KSchG | |
Reugeld wird das Entgelt für die Einräumung
eines vertraglichen (!) Rücktrittsrechts genannt. – Reugeld
wird statt (!) der Vertragserfüllung entrichtet;
es gewährt ein Wahlrecht. | Vertragliches
Rücktrittsrecht |
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Nach § 909 Satz 3 ABGB nimmt bereits Teil-Erfüllung oder Teil-Annahme der
Leistung das Reurecht. – Auch bei verschuldeter Nichterfüllung eines
Vertrags ist Reugeld zu bezahlen. | |
Damit ist idR
Reugeldvereinbarung gemeint; praktisch wichtig sind Stornovereinbarungen
zB bei Reiseverträgen. | Storno/Stornierung |
Er
ist nunmehr in den §§ 31b-31f KSchG geregelt: → KAPITEL 12: Der
(Pauschal)Reiseveranstaltungsvertrag.
– Im Zusammenhang mit Reis(veranstaltungs)verträgen spielen Reugeld
und Storno eine wichtige Rolle. Während Pauschalbuchungen über Reisebüros
meist schon eine Stornoversicherung beinhalten (20% Selbstbehalt),
muss der Individualreisende für kurzfristige „Stornos” (Rücktritte)
im eigenen Interesse selbst vorsorgen. Reisestornoversicherungen bieten
hier Abhilfe. – Die österreichische Hotelier-Vereinigung (ÖHV) empfiehlt
ihren Mitgliedern im Rücktrittsfall bis spätestens 1 Monat vor dem
Ankunftstag eine Stornogebühr im Ausmaß des Zimmerpreises für 3
Tage zu berechnen. Wird das vereinbarte Zimmer hingegen kurzfristig
nicht in Anspruch genommen, bleibt der Gast dennoch verpflichtet,
das vereinbarte Entgelt, abzüglich ca 30% für Verpflegung oder des
durch anderweitige Vermietung der bestellten Räume erlangten Betrages,
zu bezahlen. In der Praxis agieren Hoteliers meist aber zurückhaltender,
wenn es sich um Stornoforderungen gegenüber Einzelreisenden handelt,
denn der Gast soll für die Zukunft nicht verloren gehen. | (Pauschal)Reiseveranstaltungsvertrag |
§ 7 KSchG: Es handelt sich um ein
richterliches
Mäßigungsrecht” in sinngemäßer Anwendung des § 1336 Abs
2 ABGB”, wenn ein Verbraucher dem Unternehmer ein Reugeld zu entrichten hätte.
– Das gilt nach hA auch für das Angeld. | |
 | Abbildung 15.3: Reugeld-Storno: §§ 909-911 ABGB |
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3. Die
Konventionalstrafe des § 1336 ABGB | |
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Es
existieren einige Synonyma –Vertrags- oder Konventionalstrafe, Pauschale oder Pönale. | Terminologie |
Das ABGB spricht – korrekt – von Vergütungsvertrag,
in welchem ein Vergütungsbetrag festgesetzt wird.
Es handelt sich daher nicht, wie immer wieder behauptet, um ein
Redaktionsversehen! | |
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Die Konventionalstrafe wird vom Schuldner dem Gläubiger
für den Fall des: | |
• „entweder gar
nicht oder | |
•
nicht auf gehörige Art oder zu
spät erfüllten” Vertrags versprochen; | |
• und zwar als bestimmter Geldbetrag „anstatt
des zu vergütenden Nachteils”; sog pauschalierter Schadenersatz.
Der im Vergütungsvertrag vereinbarte Vergütungsbetrag
tritt also an die Stelle des zu entrichtenden Schadenersatzes wegen
Nicht- oder Schlechterfüllung, nicht aber an die Stelle der geschuldeten
Leistung. – Vgl den folgenden Punkt. | |
Auch der Gesetzgeber bedient sich unserer
Rechtsfigur; etwa in § 29 Abs 2 KSchG: Danach kann ein Unternehmer die
Klage einer Verbraucherschutzorganisation abwenden, wenn er eine
durch Konventionalstrafe abgesicherte Unterlassungserklärung abgibt → KAPITEL 6: Zur
Inhaltskontrolle. | |
Die Entrichtung der Konventionalstrafe befreit den Schuldner
aber nicht von der Vertragserfüllung; es wäre denn anders vereinbart.
Vielmehr kann die Konventionalstrafe, insbesondere wenn sie für die
Nichteinhaltung der Erfüllungszeit (Verzug) versprochen wurde, neben der
(nachzuholenden) korrekten Erfüllung gefordert
werden. | |
Das darf also nicht mit der pauschalierten
Schadenersatzleistung verwechselt werden! Die Pauschalierung erspart aber
uU schwierige, (zeit)aufwendige und kostenintensive Schadensberechnungen.
Man denke an ein Groß(bau)projekt. | |
Der
in der Konventionalstrafvereinbarung (= Vergütungsvertrag) bestimmte Vergütungsbetrag kann
auch höher sein, als der eingetretene Schaden!
– Und ein Schadensnachweis ist keine Voraussetzung
für einen Anspruch nach § 1336 ABGB. Nur die (verschuldete) Verspätung
ist zu beweisen. Das Fehlen eines Schadens ist aber im Rahmen des
richterlichen Mäßigungsrechts zu berücksichtigen; bbl 1999/268.
Die Konventionalstrafe soll nämlich auch die teure und zeitaufwendige
Schadensfeststellung ersparen! – Ist der eingetretene Schaden größer,
als die vereinbarte Konventionalstrafe, kann nur die
Konventionalstrafe gefordert werden; arg: „anstatt des zu vergütenden
Nachteils ...” – Anders wiederum das Handelsrecht: Art 8 Nr 3 EVHGB. | |
Die
Konventionalstrafe setzt nach nunmehr gesicherter hA Verschulden voraus.
Verschuldensfreiheit müsste vereinbart werden. Vgl dazu → Die
Konventionalstrafe des § 1336 ABGB:
Systematische Interpretation! – Mitverschulden (§
1304 ABGB) des Geschädigten mindert die Konventionalstrafe. | |
§ 1336
Abs 2 ABGB kennt ein richterliches Mäßigungsrecht,
„wenn [sie] vom Schuldner als übermäßig erwiesen wird [= Beweislast!]”.
– Keiner richterlichen Mäßigung unterliegt die Konventionalstrafe,
die ein Vollkaufmann versprochen hat (§§ 348, 351
HGB); aber auch hier erfolgt eine Überprüfung auf Sittenwidrigkeit:
§ 879 ABGB. Die Konventionalstrafe soll nämlich nicht existenzzerstörend,
sondern bloß erfüllungssichernd wirken. Die von einem Minderkaufmann versprochene
Konventionalstrafe kann jedoch gemäßigt werden; SZ 54/186 (1981):
Die Beweislast trifft aber den Minderkaufmann. | Richterliches
Mäßigungsrecht |
Nach § 38 AngG unterliegen zwischen Arbeitgebern
und Angestellten vereinbarte Konventionalstrafen – ohne weitere
Einschränkung – dem richterlichen Mäßigungsrecht. | |
Sicherungsrechte
wie die Konventionalstrafe erlöschen nach § 1378 ABGB im Falle einer Novation ( → KAPITEL 7: Novation
oder Neuerungsvertrag),
„wenn die Teilnehmer nicht durch ein besonderes Einverständnis hierüber
etwas anderes festgesetzt haben”. | |
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EvBl
1977/83 (Zum Wesen der Konventionalstrafe):
Unter einer Vertrags- oder Konventionalstrafe iSd § 1336 ABGB ist
eine Leistung zu verstehen, die der Schuldner dem Gläubiger für
den Fall der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung verspricht.
Sie hat den Zweck, Nachteile auszugleichen, die dem Gläubiger aus
der Vertragsverletzung entstehen (können). Die Vertragsstrafe ist
pauschalierter Schadenersatz, welcher an die Stelle des Schadenersatzes
wegen Nichterfüllung oder Schlechterfüllung tritt. | |
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JBl 1950, 241 und 7 Ob 591/76:
Eine Konventionalstrafe ist im Zweifel – also dann,
wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben – nur
bei verschuldeter Nichterfüllung oder bei verschuldeter Schlechterfüllung zu
bezahlen. | |
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bbl 1999/268: Der Käufer (Bkl)
eines Dachbodens hatte sich 1989 dem Verkäufer (Kl) gegenüber zur
Zahlung einer verschuldensunabhängigen Konventionalstrafe von täglich
1.000 S verpflichtet, wenn der von ihm geplante Dachbodenausbau nicht
bis 31.10.1991 fertiggestellt sei. Die Fertigstellung erfolgte am 31.3.1994.
Der OGH sprach dem Kläger – unter Anwendung des richterlichen Mäßigungsrechts
– zwei Drittel des vereinbarten Pönalebetrags zu, wenngleich durch
die Verzögerung der Bauführung niemandem ein materieller Schaden
entstanden war. Nach dem OGH soll die Konventionalstrafe nicht nur
den schwierigen Schadensnachweis ersetzen, sondern auch für den
nötigen Erfüllungsdruck sorgen. Der OGH hält es auch für gerechtfertigt,
durch eine Komventionalstrafe ständigem Ärger und Verdruss durch
die Bauführung entgegenzuwirken. | |
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 | Abbildung 15.4: Konventionalstrafe (1) |
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 | Abbildung 15.5: Konventionalstrafe (2) |
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 | Abbildung 15.6: Konventionalstrafe (3) |
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Wertsicherungen
sind ein altes und bewährtes Sicherungsmittel, mögen sich auch ihre
Formen im Laufe der Zeit stark verändert haben. Heute stehen verschiedene
Indexsicherungen im
Vordergrund, während früher auf verschiedene preislich stabile (Grund)Nahrungsmittel
– wie den Brot-, Mehl- oder Getreidepreis – Bezug genommen wurde.
– Ein Wertsicherungsbedürfnis besteht bei lang-
oder doch längerfristig angelegten Rechtsbeziehungen insbesondere
Dauerrechts- und Dauerschuldverhältnissen wie Bestandverträgen,
Darlehen, Krediten, Factoring, Franchising oder Leasing, Gutsübergabs-
oder Leibrentenverträgen. | Wertsicherungsbedürfnis |
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Wertsicherungen
spielen also insbesondere bei immer wieder zu entrichtenden – zB
Miet- oder Pachtzins – oder erst mittel- bis langfristig zurückzuzahlenden Geldschulden eine
Rolle. | Geldschulden |
Zur wichtigen Unterscheidung in
Geldbetrags-
und
Geldwertschulden
→ KAPITEL 7: Geldbetrags-
und
Geldwertschulden .
Zu erinnern ist daran, dass „normale” Geld(betrags)schulden nicht
aufzuwerten, also zum Nennbetrag zu erfüllen sind. | |
Der Zweck der (Wertsicherungs)Vereinbarung liegt
darin, den vereinbarten inneren (Geld)Wert auch für die Zukunft
zu erhalten. Wertsicherungsklauseln werden in Verträge aufgenommen,
um gegen Geldwertschwund / Kaufkraftverlust (Inflation) vorzusorgen.
– Dadurch wird das Inflationsrisiko vom Gläubiger auf den Schuldner verlagert. | Zweck |
Üblich
sind heute Indexklauseln; zB werden häufig der
Verbraucherpreis- oder Lebenshaltungskostenindex vereinbart; aber
auch der Großhandels- oder Baukostenindex. Ihre Verlautbarung erfolgt
in Zeitungen, Fachzeitschriften und diversen Homepages. |
Indexklauseln |
Tabelle: Beispiel
einer Wertsicherungsberechnung | |
Beispiel einer Wertsicherungsberechnung Monat | Jahr | Indexzahl | Erhöhung in Prozent | Wertgesichterter Betrag | Jänner | 1973 | 134,1 | 0,0 % | 8000.0 | November | 1973 | 142,3 | 6,1 % | 8488.0 | Juni | 1974 | 151,0 | 6,1 % | 9005.8 | Februar | 1975 | 160,0 | 6,0 % | 9546.1 | Jänner | 1976 | 169,9 | 6,2 % | 10138.0 | November | 1976 | 178,5 | 5,1 % | 10655.0 | Jänner | 1978 | 188,8 | 5,8 % | 11273.0 | Juli | 1979 | 199,7 | 5,8 % | 11926.8 | Mai | 1980 | 209,7 | 5,0 % | 12523.1 | Februar | 1981 | 221,0 | 5,4 % | 13199.3 | Jänner | 1982 | 233,2 | 5,5 % | 13925.3 | Juli | 1983 | 245,9 | 5,4 % | 14677.3 | März | 1984 | 258,5 | 5,1 % | 15425.8 | Jänner | 1986 | 272,7 | 5,5 % | 16274.2 | März | 1989 | 286,4 | 5,0 % | 17087.9 | Juli | 1990 | 300,9 | 5,1 % | 17959.4 | Februar | 1992 | 317,5 | 5,5 % | 18947.2 | Juli | 1993 | 335,8 | 5,8 % | 20046.1 | Juli | 1995 | 353,0 | 5,1 % | 21068.5 | Februar | 2000 | 372,0 | 5,4 % | 22206.2 |
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Verbraucherpreisindex 66 (1966 = 100) – Ausgangsbasis:
Jänner 1973: 134.1 Punkte – Basiswert (des Mietzinses): 8000 Schilling
– 5.0 Prozent Klausel: Erhöhung gegenüber jeweiliger Ausgangsbasis | |
Wertsicherungsklauseln
müssen bestimmt oder doch bestimmbar vereinbart
werden. Die Rspr lehnt nach wie vor das Verbüchern von Wertsicherungsklauseln
uH auf § 14 Abs 1 Satz 1 GBG (Spezialitätsgrundsatz) ab. (?) Hypothekarforderungen
können daher bis heute nicht wertgesichert werden, eine Meinung,
die nicht überzeugt; eine Ausnahme besteht nur für Höchstbetragshypotheken → KAPITEL 2: Ausnahmen
vom Spezialitätsgrundsatz. | Bestimmtheitserfordernis |
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Vgl EvBl 2000/53: OGH lässt offen,
ob nicht in derartigen Fällen eine Höchstbetragshypothek begründet werden
kann. | |
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Zur konkreten Berechnung und möglichen Zweifelsfällen
vgl die folgenden Folien: | |
 | Abbildung 15.7: Wertsicherung (1) |
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 | Abbildung 15.8: Wertsicherung (2) – Berechnung |
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 | Abbildung 15.9: Schwellwertklausel – Rspr-Beispiel (1) |
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Definition: Nichtberücksichtigung
von Indexschwankungen bis zu einer bestimmten Höhe; zB bis 5 %. |
Schwellwertklausel: Vertragsauslegung |
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Streitpunkt: Ist der monatliche
Leibrentenbetrag ab erstmaliger Überschreitung der 5 %- Schwelle
ständig der jeweiligen Indexbewegung anzupassen oder bleibt er solange
gleich, bis die Indexerhöhung neuerlich 5 % übersteigt? | |
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt:
Weil sich „schon aus dem Wortlaut ergebe, daß die Wertsicherung voll
zum Zuge kommen solle, wenn die Wertschwankung 5 % ... überschreite”. | |
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren
ab: Weil der Vertragstext „nur dahin verstanden werden [könne], daß
auch wiederholte Schwankungen unterhalb der 5 %-Schwelle unberücksichtigt
bleiben sollen”. | |
Der OGH schloß sich der Rechtsmeinung des
Berufungsgerichts an – Argumente: „Die praktische Bedeutung der sog
Schwellwertklausel liegt ... darin, daß sie die Vertragspartner
von der Notwendigkeit ständiger Werterhöhungsberechnungen befreit
...” – Eine „fortlaufend wirkende Sprungklausel”
entspricht durchaus dem Parteiwillen, wenn bei Vertragsschluss ohnehin
mit der Erhöhung der Indexzahlen zu rechnen war. | |
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Kautionen dienen
der Sicherstellung eines Vertragsteils – zB des
Vermieters im Mietrecht, der dadurch gegen Mietzinsrückstände oder
Sachschäden am Bestandobjekt, die durch den Mieter verursacht wurden,
gesichert werden soll. Der Mieter hat den vereinbarten Betrag –
idR schon bei Vertragsabschluss – beim Vermieter zu hinterlegen. | |
Praktisch wichtig ist es, sich nicht nur
die Leistung des Kautionsbetrags bestätigen zu lassen, sondern für
sich auch den Zustand der Wohnung bei Bezug und Auszug – zB durch
Fotos, Notizen, Zeugen – zu dokumentieren. Dadurch kann bei Auflösung
des Vertrags Streit um die Kaution vermieden werden; denn dies verhindert,
dass ihnen als Mieter Schäden zugerechnet werden, die bereits beim
Bezug der Wohnung existierten. Ratsam erscheint es ferner den Zeitpunkt
/ -raum der Rückzahlung vertraglich festzulegen; zB: „binnen 1 Monats”
oder noch besser „Zug um Zug bei Schlüsselübergabe”. – Mit Kautionen
wird nämlich häufig Schindluder getrieben! | |
Streitig war lange, ob
die Kaution vom Vermieter angemessen zu
verzinsen ist, was die Rspr nunmehr verlangt; vgl JBl 1987,
248: Verzinsung + jährliche Rechnungslegung und OGH 8 Ob 622/89. | Verzinsung |
Von Bedeutung ist
die Kaution auch im Arbeitsrecht, wo sie der Sicherung
des Arbeitgebers gegen allfällige, ihm aus dem Arbeitsverhältnis
zustehende, Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer dient.
Missbräuchen will das
KautionsschutzG, BGBl 1937/229 idgF
begegnen: Danach bleibt die Kaution im Eigentum des Arbeitnehmers
und ist zu verzinsen; Schriftform ist vorgeschrieben; Rückstellung
binnen 4 Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn kein Ersatzanspruch
erhoben wird; dem Gesetz widersprechende Vereinbarungen sind nichtig
usw. | KautionsschutzG |
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IV. Die
Bürgschaft: §§ 1346 ff ABGB | |
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Vgl dazu das diesem Kapitel vorangestellte Motto
des § 1373 ABGB. Daraus ist – nach Meinung der ABGB-Redaktoren –
die Nachrangigkeit der Bürgschaft als Sicherungsmittel gegenüber
dem Pfand zu entnehmen. | |
Während durch Pfandbestellung dingliche
Sicherheit erlangt wird – zB ein Ring oder eine Liegenschaft werden
verpfändet, gewährt die Bürgschaft bloß eine persönliche
Sicherheit. Dies dadurch, dass der Bürge dem Gläubiger persönlich
dafür einsteht, dass dieser die ihm vom Schuldner versprochene Leistung
erhält: Wenn schon nicht vom Schuldner selbst, dann wenigstens vom
Bürgen. – Das Rechtsband zwischen Gläubiger und Bürgen – sie schließen
den Bürgschaftsvertrag (!) – ist zwar nur ein schuldrechtliches;
es schafft aber dennoch hohe Sicherheit. Denn Bürge oder Bürgin
haften mit ihrem gesamten Vermögen; persönliche Haftung. (Nach dem
ABGB haftet aber auch der Pfandschuldner, der das Pfand bestellt,
neben dem Pfand persönlich → Persönliche,
dingliche und beschränkte Haftung:
Persönliche und dingliche Haftung.) Und als Bürge/in werden idR
Personen herangezogen, die über ein entsprechendes Vermögen verfügen,
sonst hätte es wenig Sinn, einen Bürgschaftsvertrag zu schließen. | |
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Im
Mittelalter entstand daher das Rechtssprichwort:
Bürgschaft ist besser als Pfand.
– Vgl allerdings die im Gegensatz zu dieser Wertung stehende Aussage
des § 1373 ABGB. – Der Volksmund meint aber auch:
Wer borgt – dies iSv: kreditiert
– ohne Bürgen und Pfand, dem sitzt ein Wurm im
Verstand. | |
Der Gläubiger
erlangt bei der Bürgschaft Sicherheit dadurch, dass ein – bisher
am Schuldverhältnis nicht beteiligter – Dritter sich für den Schuldner
verpflichtet; § 1343 ABGB. § 1344 ABGB ist zu entnehmen, dass die
Bürgschaft nur eine von mehreren persönlichen Sicherstellungsmöglichkeiten durch
Dritte ist; daneben nennt das Gesetz die privative Schuldübernahme
und den Schuldbeitritt; beide → KAPITEL 14: Der
Schuldnerwechsel. | Sicherheit des
Gläubigers |
§ 1346 Abs 1 ABGB umschreibt die Bürgschaft:
„Wer sich zur Befriedigung des Gläubigers auf den Fall verpflichtet, dass
der erste Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle,
wird ein Bürge, und das zwischen ihm und dem Gläubiger getroffene
Übereinkommen ein Bürgschaftsvertrag genannt. Hier
bleibt der erste Schuldner noch immer der Hauptschuldner, und der
Bürge kommt nur als Nachschuldner hinzu.” | |
§ 1346
Abs 2 ABGB regelt die Bürgschaftsform, die insoferne
eine Besonderheit aufweist, als es sich bei ihr um eine einseitige
Formpflicht handelt; nur die Verpflichtungserklärung des Bürgen unterliegt
ihr. Das soll den Bürgen vor Übereilung schützen und dient beiden
Vertragsteilen als Beweismittel und damit auch ihrer Rechtssicherheit.
– Im Vergleich dazu ist die Pfandrechtsbegründung nicht formpflichtig,
aber der Pfandvertrag ist ein Realvertrag: § 1368 ABGB. | |
Die
Bürgschaft war schon dem griechischen und römischen Recht bekannt;
Stipulationsbürgschaft; sponsio, fidepromissio, fideiussio. Das
Eintreten eines Dritten in das Schuldverhältnis war im römischen
Recht aber noch nicht so einfach wie heute. Während § 1349 ABGB
bestimmt: „Fremde Verbindlichkeiten kann ohne Unterschied des Geschlechtes
jedermann auf sich nehmen, dem die freie Verwaltung seines Vermögens
zusteht”, war das römische Recht solchen Interzessionen gegenüber
– insbesondere solchen von Frauen – zurückhaltender. Das Senatusconsultum
Vellaeanum (~ 46 n.C.) untersagte Frauen die Interzession,
worunter neben der Übernahme einer Bürgschaft auch noch die Bestellung
eines Pfandes, der Schuldbeitritt, die Schuldübernahme und Geschäftsabschlüsse
im eigenen Namen aber im Interesse eines andern – sog Strohmanngeschäfte
– verstanden wurden. Das römische Recht gewährte der in Anspruch
genommenen Frau die exceptio Senatus Consulti Vellaeani. – Der Sinn
des Passus in
§ 1349 ABGB „ohne Unterschied des Geschlechtes”
ist heute nur verständlich, wenn der aufgezeigte rechtsgeschichtliche
Zusammenhang bekannt ist. | |
Zum Begriff Interzession: I. oder interzedieren,
lat intercedere, meint – dazwischentreten, vermitteln. Intercedere bedeutet
für jemanden eintreten, für ihn einspringen, rechtlich, sich für
ihn verbürgen. – Das bürgerliche Recht meint damit das Eingehen
rechtlicher Verbindlichkeiten für jemand anderen, also in fremdem
Interesse. Wobei dieses Eintreten dem Gläubiger größeren Schutz
gewähren, ihn also rechtssichern soll. | |
Eine Bürgschaft zu übernehmen, will gut überlegt sein! Denn
daraus kann viel Unglück entstehen. Manche Freundschaft, Ehe und
Beziehung sind daran zerbrochen. Die Bitte, zB für einen Kredit
zu bürgen, setzt immer wieder vor allem im Kreis der Verwandtschaft
nahestehende Personen unter Druck. Eine unüberlegte Unterschrift
hat aber schon viele Bürgen in den finanziellen Ruin geführt. Schon
die alten Griechen warnten davor, Bürgschaften zu übernehmen; „Übernimm
eine Bürgschaft und du bist ruiniert“. – Dazu kommt: Schon die einfache Bürgschaft ist
nach unserem Privatrecht streng ausgestaltet; der Schutz
des Bürgen nach dem Gesetz ist minimal.
Der Gläubiger muss den Schuldner nur erfolglos gemahnt, ihn also
nicht etwa geklagt oder gar gegen ihn Exekution geführt haben, um
auf den Bürgen greifen zu können! Die Subsidiarität der Bürgenhaftung besitzt
also keine nennenswerten praktischen Konsequenzen und bietet insbesondere
keinen wirklichen Schutz! | |
Milder, nämlich unserer Ausfalls- oder Schadlosbürgschaft
entsprechend, ist die einfache Bürgschaft nach dem dtBGB ausgestaltet → Arten
der Bürgschaft
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Dazu kommt, dass ein Bürge beim Eintritt von Zahlungsschwierigkeiten
des Schuldners nur begehren kann, dass der Schuldner dem Gläubiger
Sicherheit leiste, nicht aber, dass ihm (dem Bürgen) der Schuldner
eine Sicherstellung für seinen Rückgriffsanspruch einräume; SZ 27/125 (1954):
Bürgschaft in Form einer Wechselunterfertigung. | |
2. Riskante
Bürgschaften – Angehörigenbürgschaften | |
Zur
Frage unter welchen Voraussetzungen sog Angehörigenbürgschaften
oder überhaupt riskante Bürgschaften sittenwidrig sind vgl JBl 1998,
778 (Angehörigenbürgschaft mwH) und SZ 68/64 (1995) = JBl 1995,
651 (Mader): riskante Bürgschaft. | |
Zur
Angehörigenbürgschaft führte der OGH aus, dass Sittenwidrigkeit dann
anzunehmen sei, wenn folgende Voraussetzungen (kumulativ) vorliegen: | |
•
Inhaltliche Missbilligung
des Interzessionsvertrags, | |
• Missbilligung der Umstände seines Zustandekommens infolge
verdünnter Entscheidungsfreiheit des Interzedenten (= Bürgen), und
schließlich | |
• die Kenntnis oder fahrlässige
Unkenntnis dieser Kriterien durch den Kreditgeber. | |
Die Sittenwidrigkeitsprüfung
einer Angehörigenbürgschaft orientiert sich wertungsmäßig zutreffend
am Wucherverbot des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB ( → KAPITEL 11: Die
Beispiele des § 879 Abs 2 ABGB),
von dessen cleverer und handhabbarer Regelung bislang zu wenig Gebrauch
gemacht wurde. Der OGH betont daher auch, dass die die Inhaltskontrolle
auslösenden Umstände stets ein krasses Missverhältnis (Gschnitzer)
des Haftungsumfangs und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
des Interzedenten zur Voraussetzung hätten. Bei der Sittenwidrigkeitsprüfung
solcher Bürgschaften übernahm der OGH weitgehend die Grundsätze
der dtRspr; vgl die Hinweise in SZ 68/64 (1995). | |
Die Hereinnahme von Willburgs beweglichem
Systemdenken in die Rspr erscheint dagegen als überflüssige captatio benevolentiae
und der Sache nicht dienlich. | |
Abweichend von den für die allgemeine Angehörigenbürgschaft
gehandhabten Grundsätzen behandelt der OGH Bürgschaften zugunsten
von erwachsenen Geschwistern: | |
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OGH 11. 5. 2000, 8 Ob 253/99k, SZ 73/79 = EvBl 2000/197:
Der Bruder des Hauptschuldners wird von Gläubigerbank zu Bürgschaft
überredet. – OGH nimmt (noch vor Inkrafttreten des § 25 d KSchG)
erstmals zur Frage der Teilnichtigkeit solcher Bürgschaftsverträge bei
Sittenwidrigkeit wegen krassem Missverhältnis zwischen Haftungsumfang
und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Bürgen Stellung. Er bejaht
diese, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass die reduzierte
Bürgschaft für den Gläubiger nicht sinnlos ist. OGH wies zurück
an die Vorinstanz. | |
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3. Die
Bürgschaft als Sicherungsgeschäft | |
Die
Bürgschaft ist Sicherungsgeschäft. Als Rechtsinstitut dient sie
der Sicherung fremder Forderungen. Die Bürgschaft entsteht durch
Bürgschaftsvertrag zwischen Gläubiger und Bürgen. Der Bürge verpflichtet
sich darin nach § 1346 Abs 1 ABGB „zur Befriedigung des Gläubigers
auf den Fall, daß der Schuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle”. | |
 | Abbildung 15.10: Bürgschaft: §§ 1346 ff ABGB |
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 | Abbildung 15.11: Bürgschaft als 3-Parteien-Verhältnis |
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Der Bürge haftet persönlich; dh mit seinem
ganzen Vermögen. Es könnte aber vereinbart werden, dass nur bis
zu einem Höchstbetrag, also betragsbeschränkt gehaftet wird; zB
bis 100.000 ı. | Haftung des
Bürgen: persönlich + subsidiär + akzessorisch |
Der
Bürge haftet subsidiär, also nachrangig. Gemeint
ist damit: nach dem Schuldner. Allein diese Nachrangigkeit ist im
ABGB – wie erwähnt – nur schwach ausgebildet. Nach § 1355 ABGB kann nämlich
der Bürge schon „dann belangt werden, wenn der Hauptschuldner auf
des Gläubigers gerichtliche oder außergerichtliche Einmahnung seine
Verbindlichkeit nicht erfüllt hat”. – Dh nichts anderes als: Der
Gläubiger braucht den Schuldner nur zu mahnen und kann dann umgehend –
dh: wenn er nicht am Tag nach dem Zugang der Mahnung gezahlt hat
– auf den Bürgen greifen. Der Gläubiger muss also nach ABGB (auch
bei der einfachen Bürgschaft) den Schuldner weder klagen oder gar
Exekution geführt haben! | |
Anders
das dtBGB, das in § 771 dem Bürgen die Einrede
der Vorausklage gewährt, also einen stärkeren Schutz des
Bürgen kennt. | |
Der Bürge haftet akzessorisch: Dh, dass
die Bürgschaftsschuld vom Bestand der Hauptschuld abhängig ist.
Erlischt die Hauptschuld, erlischt – auf Grund der dann nicht mehr
bestehenden Akzessorietät – auch die Bürgschaftsschuld. | |
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Was
geschieht, wenn der Bürge, vom Gläubiger in Anspruch genommen, zahlt?
Die Antwort enthält § 1358 ABGB, dessen Satz 1 bestimmt: |
Legalzession
des
§ 1358 ABGB |
”Wer eine fremde [!] Schuld bezahlt, für
die er persönlich oder mit bestimmten Vermögensstücken haftet, tritt
in die Rechte des Gläubigers und ist befugt, von dem Schuldner den
Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern.” | |
Das bedeutet den Eintritt des Bürgen in die Gläubigerposition
von Gesetzes wegen, also automatisch. | |
Man vergleiche damit § 1422
ABGB: | §
1358 <-> § 1422 ABGB |
”Wer die Schuld eines anderen, für die er nicht
haftet..., bezahlt, kann ... vom Gläubiger die Abtretung
seiner Rechte verlangen.” | |
Hier
erhält man also die Gläubigerstellung nicht wie in § 1358 ABGB automatisch!
Die Abtretung muss verlangt werden ! – Nach § 1358
Satz 2 ABGB muss der befriedigte Gläubiger den zahlenden Bürgen
„alle vorhandenen Rechtsbehelfe und Sicherungsmittel” herausgeben;
zB Rechnungen, Verträge oder sonstige Aufzeichnungen. | |
Graphisch sieht der geschilderte Vorgang der Legalzession
folgendermaßen aus: | |
 | Abbildung .11: Legalzession: § 1358 ABGB |
(1) Grundverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner;
zB auf Grund eines gegebenen Darlehns. |
(2) Zwischen Gläubiger und Bürgen wird ein Bürgschaftsvertrag
geschlossen. |
(3) In der Folge zahlt der Schuldner nicht. Die Haftung
des Bürgen wird ausgelöst / fällig. |
(4) Aus dem Bürgschaftsvertrag heraus resultiert die Verpflichtung
des Bürgen, im Bedarfsfall an den Gläubiger zu zahlen. |
(5) Die Rechte des (Alt)Gläubigers gehen kraft Gesetzes,
also automatisch auf den Bürgen über. Der Bürge wird neuer Gläubiger
des Schuldners. |
|
|
EvBl 2000/105: Zum Rückgriffsanspruch
des Interzedenten – Der Anspruch aus § 1358 ABGB besteht unabhängig
davon, ob die Interzession mit Willen des Schuldners erfolgt ist
oder nicht. Der Bürgschaftsvertrag wird zwischen dem Bürgen und
dem Gläubiger geschlossen. | |
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Gesetz
und Praxis kennen ganz unterschiedliche Bürgschaftsarten, die spezifischen
Zwecken dienen: | |
• Einfache / normale
Bürgschaft | |
• Bürge und Zahler | |
• Handelsbürgschaft | |
• Ausfalls- oder Schadlosbürgschaft | |
• Mitbürgschaft | |
• Bürgesbürgschaft, Nach- oder Afterbürgschaft | |
• Entschädigungsbürgschaft | |
• Zeitbürgschaft | |
• Ausgleichsbürgschaft | |
• Wechsel- und Scheckbürgschaft. | |
„Bürge und
Zahler”-Haftung: § 1357 ABGB | |
In der Praxis ist diese Form der Bürgen(haftung) die übliche
und von größter Wichtigkeit. Sie spielt eine bedeutendere Rolle
als die einfache Bürgschaft. – Hier haftet der Bürge: | |
•
primär,
also nicht bloß subsidiär. Und dies nach Wahl des Gläubigers; §
1357 ABGB: | |
„Es hängt von der Willkür des Gläubigers
ab, ob er zuerst den Hauptschuldner oder den Bürgen oder beide zugleich belangen
wolle.” | |
• ... aber auch akzessorisch,
was meint: Auch diese Form der Bürgschaft ist vom Weiterbestand der
gesicherten Forderung (also des Grundverhältnisses zwischen Gläubiger
und Schuldner) abhängig. | |
§ 349 HGB bestimmt,
dass ein Bürge, „für den die Bürgschaft ein Handelsgeschäft ist,
... als Bürge und Zahler nach § 1357 [ABGB]” haftet. – § 350 HGB
ergänzt: | |
„Auf eine Bürgschaft, die auf der Seite
des Bürgen ein Handelsgeschäft ist, sind die Formvorschriften des
§ 1346 Abs 2 [ABGB] nicht anzuwenden.” | |
Die
Verpflichtungserklärung des kaufmännischen Bürgen wird daher auch
mündlich gültig abgegeben. – § 351 HGB stellt klar, dass die Regeln
der Handelsbürgschaft nur für Vollkaufleute gelten. | |
Die Haftung nach bürgerlichem Recht ist
dagegen grundsätzlich, also wenn nichts anderes vereinbart wurde,
eine anteilige. | |
Nach § 1356 ABGB
verbürgt sich der Bürge „ausdrücklich nur für den Fall ..., daß
der Hauptschuldner zu zahlen unvermögend sei”. – Hier muss der Gläubiger
seinen Schuldner zuerst geklagt und (!) zusätzlich (vergeblich)
Exekution geführt haben, ehe er auf den Bürgen greifen kann. Nur was
auch dann vom Schuldner nicht hereinzubringen ist, kann vom Bürgen
verlangt werden! Bei dieser Bürgschaftsform ist der Schutz des Bürgen
wesentlich größer. | Ausfalls- oder
Schadlosbürgschaft |
Eine Ausnahme statuiert das Gesetz im Falle
des Konkurses oder des unbekannten Aufenthalts des Schuldners. – Diese
Form der ABGB-Bürgschaft entspricht § 771 dtBGB: Die deutsche Normal-Bürgschaft
entspricht also nach österreichischem Verständnis der Ausfallsbürgschaft! | |
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Sie haften
nach § 1359 Satz 1 ABGB nebeneinander; und zwar solidarisch. Dh
jeder Mitbürge haftet für die ganze Schuld; Motto: „Alle für einen,
einer für alle.” Diese gängige und knappe Formulierung stammt aus
dem ALR! – Ein Rückgriffsrecht des in Anspruch genommenen Mitbürgen besteht
nach § 1358 ABGB sowohl gegen den Schuldner, als auch gegen nicht
in Anspruch genommene Mitbürgen. | |
Dabei
übernimmt der Bürge die Haftung bloß für einen im Vorhinein bestimmten
Zeitraum. Nur innerhalb dieses Zeitraums kann ihn der Gläubiger
in Anspruch nehmen. Diese Bürgschaftsform kommt in der Praxis zB
zur Sicherung von Kontokorrentkrediten vor. | |
Die Bürgesbürgschaft wird
auch Nach- oder Afterbürgschaft genannt. Bei ihr verbürgt sich der Bürge
dem Gläubiger gegenüber für den Hauptbürgen. | |
Vgl damit die Rückversicherung im Vertragsversicherungsrecht! | |
Von der Bürgesbürgschaft ist die
Entschädigungsbürgschaft zu
unterscheiden. Der Entschädigungsbürge verspricht dem Bürgen, ihn
schadlos zu halten, falls dieser von Gläubiger auf Grund seiner
Bürgschaft in Anspruch genommen wird. | Bürgesbürgschaft
und Entschädigungsbürgschaft |
Sie dient der
Verbürgung für im Ausgleich oder in einer Zwangsvollstreckung übernommene
Verbindlichkeiten des Ausgleichsschuldners; vgl § 156a KO und §
54 AO. | |
Die
Art 30 ff WG kennen eine selbständige wechselrechtliche Bürgschaftsverpflichtung.
Nach ihr haftet der Wechselbürge als Bürge und Zahler, also nicht
nur subsidiär. Diese Bürgschaftsform setzt nur eine formgültige
Erklärung des (Wechsel)Hauptschuldners voraus; ansonsten ist die
Wechselbürgschaft nicht akzessorisch. | |
Inhaltlich dient diese Bürgschaftsform der
zusätzlichen Sicherung der Wechselschuld über den Aussteller, den Akzeptanten
oder allfällige Indossanten hinaus. Sie erfolgt durch eine schriftliche
Bürgschaftserklärung („per Aval”) auf der Wechselurkunde; Art 31
Abs 1 und 2 WG. Eine Unterschrift auf d er Vorderseite des Wechsels,
die nicht die des Ausstellers oder des Bezogenen ist, gilt als Aval;
Art 31 Abs 3 WG. | |
 | Abbildung 15.12: Bürgschaft (1) |
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 | Abbildung 15.13: Bürgschaft (2) |
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 | Abbildung 15.14: Bürgschaft (3) |
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 | Abbildung 15.15: Bürgschaft (4) |
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 | Abbildung 15.16: Bürgschaft (5) |
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 | Abbildung 15.17: Bürgschaft (6) |
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 | Abbildung 15.18: Bürgschaft (7) |
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 | Abbildung 15.19: Bürgschaft (8) |
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 | Abbildung 15.20: Bürgschaft (9) |
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 | Abbildung 15.21: Bürgschaft (10) |
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 | Abbildung 15.22: Bürgschaft (11) |
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B. Dingliche Sicherheiten |
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1. Allgemeines
zum Pfandrecht | |
Das Pfandrecht ist ein
altes, aber immer noch verlässliches und beliebtes Sicherungsmittel,
das einfach zu handhaben ist, was zu seiner weiten Verbreitung beigetragen
hat. Freilich müssen – strenger als beim Eigentumserwerb – gewisse Übergabsformen eingehalten
werden: Das Pfandrecht legt besonderen Wert auf Publizität;
sei es bei beweglichen Sachen (Übergabe → KAPITEL 2: Übergabsarten
für bewegliche Sachen Faustpfandprinzip),
sei es bei Liegenschaften (Grundbuch). Das ist aber kein Selbstzweck,
sondern geschieht insbesondere aus Gründen des Gläubigerschutzes,
einem Gesichtspunkt, dem im Pfandrecht besondere Bedeutung zukommt. | |
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 | Abbildung 15.23: Dingliche Rechte |
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Die Grundlagen unseres Pfandrechts stammen
aus dem alten
Griechenland,
das nicht nur Hypotheken und Mehrfachbelastungen von Liegenschaften
kannte, sondern auch schon entwickelte Grundbücher geschaffen hatte.
– Der Publizitätsgedanke war im antiken Griechenland hoch entwickelt.
– Das Urkunden-, Register- und Archivwesen stammt ebenso von den
Hellenen wie das Notariat und die Anfänge der Advokatur. Vorbilder
und Anregungen hatte Ägypten geliefert. | |
Auch die Pfandrechtsbegründung
folgt der Lehre von Titel und Modus → KAPITEL 2: Die
Lehre von Titel und Modus.
Der Titel rechtsgeschäftlicher Pfandrechtsbegründung ist der Pfandvertrag (§§
1368 ff ABGB), Modus – je nach Art des zu begründenden Pfandrechts
– entweder eine der Übergabsarten der
§§ 426 ff ABGB (ausgenommen das Besitzkonstitut: Faustpfandprinzip!)
oder beim Liegenschaftspfand / der Hypothek, die Eintragung ins
Grundbuch; vgl auch § 451 ABGB. | Pfandvertrag
als
Realvertrag |
§ 1368 ABGB bringt zum Ausdruck, dass der Pfandvertrag Realvertrag ist.
Das führt – wie in → KAPITEL 3: Das
Darlehen als Realvertrag,
erwähnt – dazu, dass Titel und Modus stärker als sonst verzahnt
sind. Vgl nur den Wortlaut des § 1368 ABGB: „ ... wirklich einräumt,
folglich ...”! | |
2. Persönliche,
dingliche und beschränkte Haftung | |
Beim Pfandrecht
lässt sich didaktisch anschaulich der Unterschied zwischen persönlicher
und dinglicher oder Sachhaftung aufzeigen. | |
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Was meint dingliche Haftung?: Wird bspw die Forderung eines
Gläubigers durch eine Hypothek gesichert, ist zu
unterscheiden: | Was meint dingliche Haftung?: |
• Zwischen der gesicherten
Forderung (= zugrundeliegende vertragliche Beziehung zwischen Gläubiger
und Schuldner: zB aus einem Darlehens- oder Liegenschaftskaufvertrag)
sowie deren Geltendmachung / Durchsetzung und | |
•
dem Liegenschaftspfand / der Hypothek und
der dadurch – gesondert – begründeten Sach- oder Realhaftung der
belasteten Liegenschaft. | |
Für die gesicherte Forderung
und ihre Durchsetzung gelten die allgemeinen Rechtsvorschriften
des Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrechts. Erlangte der Gläubiger
für seine persönliche Forderung (gegen seinen Schuldner) einen Exekutionstitel
auf Zahlung – zB durch Urteil oder gerichtlichen Vergleich; vgl
§ 1 EO, so berechtigt ihn dieser je nach gewählter Exekutionsart
zur Exekution in das gesamte Vermögen des Schuldners → KAPITEL 19: Exekutionsverfahren. | |
Übersicht: „Exekutionsarten”
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• Exekution auf das unbewegliche
Vermögen: §§ 87–248 EO | | • Exekution auf das bewegliche Vermögen:
§§ 249–345 EO | |
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Was
meint persönliche Haftung heute? – Der Schuldner
haftet mit seinem ganzen – auch seinem künftigem – Vermögen. | Persönliche
Haftung meint heute |
Historisch hatte das Nichtbezahlen einer
Schuld lange Zeit Folgen für Leib und Leben oder doch die Freiheit
des Schuldners – Tötung, Schuldknechtschaft/ Versklavung, Schuldturm;
Reste bestanden noch bis ins 19. Jhd. Den entscheidenden Schritt
hatte aber schon
Solon in
Athen (594/3 v.C.) gesetzt, als er den historisch nötigen Ausgleich der
Stände (zwischen Adel und Volk) dadurch herbeiführte, dass er die
Bürgerschaft, das betraf vornehmlich Bauern, entschuldete (sog Lastenabschüttelung
/ Seisáchtheia) und dabei auch das „Leihen auf den Körper” für alle
Zunkunft verbot. Da er seinem Gesetze rückwirkende Kraft verlieh,
gelang es ihm, die in Attika weit verbreitete Schuldknechtschaft,
als Quelle zahlreicher sozialer Missstände, zu beseitigen. Solon
führte für Attika also ua eine Art „Bauernbefreiung” durch, bei
der er dem Grundsatz folgte: „Gemeinnutz geht vor Eigennutz” (H.
Bengtson). | |
Bei reiner Sachhaftung für
eine Schuld / Forderung haftet nur – also ausschließlich! – eine
bewegliche oder unbewegliche Sache, nicht aber das sonstige Vermögen
des Schuldners. | |
 | |
Das österreichische
Privatrecht kennt aber grundsätzlich keine reine Sachhaftung. Neben
der verfangenen Sache – bspw dem bestellten Pfand – haftet daher
immer auch noch der Schuldner weiterhin persönlich. – Anders das
SchwZGB:
Gült (Art
847 ff) und das dtBGB:
Grundschuld
(§§ 1191 ff). Hier haftet der Liegenschaftseigentümer nur mit
der Sache, aber nicht mehr persönlich, dh nicht mit seinem restlichen
Vermögen. – Es wäre bedenkenswert, auch in Österreich (wenigstens
für bestimmte Fälle) eine reine Sachhaftung zu ermöglichen. | Gült, Grundschuld |
Eine
(zusätzlich) begründete Sach- oder Realhaftung gewährt vorrangige
Vollstreckung in die Pfandsache. Andernfalls läuft ein
Gläubiger nämlich Gefahr, dass ihm andere Gläubiger zuvorkommen
oder dass er im Falle einer Insolvenz des Schuldners mit allen anderen
Gläubigern „teilen” muss. | „Sinn” zusätzlicher Sachhaftung |
Das
Geltendmachen der dinglichen Sachhaftung durch den Gläubiger setzt
aber Pfandreife voraus, worunter zB Fälligkeit
der Hypothek(arforderung) zu verstehen ist. Nunmehr kann sich der
Gläubiger zB aus der Liegenschaft befriedigen. Voraussetzung dafür
ist aber wiederum, wie bei der persönlichen Haftung, ein Vollstreckungstitel;
zur Pfand(rechts)verwertung → Pfandverwertung –
Die Begründung der Sachhaftung allein reicht also noch nicht hin,
um sich aus der Pfandsache befriedigen zu können; keine Privatvollstreckung (wie
in alter Zeit). Antike Rechte (etwa das griechische) kannten sie
aber. – Wiederum muss der Gläubiger den Schuldner (oder den Eigentümer der
Pfandsache als Pfandbesteller) klagen und damit die Duldung der
Exekution in das Grundstück erwirken. Das Urteil stellt den Exekutionstitel
dar. Erwächst dieses Urteil in Rechtskraft, kann sich der Gläubiger
die Exekution bewilligen lassen; §§ 3 ff EO. Vgl auch → Pfandverwertung
| Pfandreife |
Manche Wirtschaftsbranchen sind hoch verschuldet.
Die Sicherung der Kredite / Darlehen erfolgt häufig durch Hypotheken.
Das trifft etwa auf Österreichs Hoteliers zu, die
mit 10 Mrd ı (bei einem Substanzwert von ca 15 Mrd ı) bei den Banken
„in der Kreide” stehen. – Man nimmt an, dass ein Viertel der Hoteliers
ihre Verbindlichkeiten nie mehr zurückzahlen kann. Der Volksmund
sagt daher nicht unzutreffend, dass viele dieser Betriebe schon
den „Banken gehören”. Bei schlechter Saison drohen zahlreiche Insolvenzen. | |
Der Schuldner muss hier – nach bestimmten Rechtsvorschriften
– für seine Verbindlichkeiten doch nur mit einem Teil seines Vermögens
aufkommen. Wir unterscheiden zwei Systeme: | |
•
Das System
der Exekutionsbeschränkung: sog ”cum-viribus”-Haftung;
der Gläubiger kann nicht in das ganze Vermögen des Schuldners, sondern
nur in eine bestimmte Vermögensmasse Exekution führen; zB: Minderjährige
haften für persönlich eingegangene Verpflichtungen nur mit dem Teil
ihres Vermögens, das ihnen zur Verfügung überlassen wurde (§ 39
Abs 1 Z 3 EO). | |
•
Das System der Betragsbeschränkung:
sog ”pro-viribus”?Haftung; der Schuldner haftet
mit seinem ganzen Vermögen, aber nur bis zu einem bestimmten Betrag;
zB: der Übernehmer eines Vermögens haftet bis zu dessen Wert; §
1409 ABGB → KAPITEL 14: Vermögens-
oder Unternehmensübernahme. – Vgl auch die Haftungs-Höchstbeträge
bei abgeschlossenen (Haftpflicht)Versicherungen (EKHG) → KAPITEL 9: §§
15, 16 EKHG: Haftungshöchstbeträge. | |
 | Abbildung 15.24: Persönliche und Sachhaftung |
|
 | Abbildung 15.25: Beschränkte Haftung |
|
3. Zur wirtschaftlichen
Bedeutung des Pfandrechts | |
Pfandrecht
ist Sicherungsrecht. Ein ganzer Wirtschaftssektor – der Bankenbereich
– bedient sich der Möglichkeit der dinglichen Besicherung für vielfältige
Geldgeschäfte und Wirtschaftstransaktionen. Die Wirtschaft nützt
dieses Rechtsinstitut zur Geldbeschaffung und Finanzierung. Aber
auch der normale Bürger greift zu den vom Pfandrecht gebotenen Möglichkeiten,
wenn größere Ausgaben zu tätigen sind; sei es ein Hausbau, Renovierungsarbeiten
oder der Kauf teurer Konsumgüter. Das Pfandrecht – in all seinen
Formen – fördert die Kreditgewährung. Gläubiger wären
andernfalls auf persönliche Sicherheiten oder das bloße Vertrauen
in ihre Schuldner angewiesen. | Sicherungsrecht |
Zur weiten Verbreitung des Pfandrechts hat
auch beigetragen, dass es an beweglichen und unbeweglichen Sachen,
aber auch an Forderungen begründet werden kann. | |
Wir unterscheiden folgende Arten der Kreditgewährung: | Arten der
Kreditgewährung |
•
Personal-
und Realkredit: Beim Personalkredit vertraut der
Gläubiger auf die persönliche Leistungsfähigkeit und –willigkeit
seines Schuldners; beim Realkredit dagegen auf den Wert von Sachen
(bewegliche, unbewegliche oder Forderungen), an denen ihm ein Pfandrecht
eingeräumt werden soll. | |
•
Mobiliarkredit:
Hier werden bewegliche Sachen als Pfand für gewährte Kredite gegeben. | |
DorotheumsG
1978, BGBl 66/1979 | Pfandleihanstalt: |
Nach dem DorotheumsG 1978 umfassen die Aufgaben
des Dorotheums: | |
1. „die Gewährung von Darlehen gegen Übergabe beweglicher
Sachen (Pfandleihgeschäft); | |
2. die Veranstaltung von Versteigerungen und den Betrieb
des Verwahrungsgeschäftes; | |
3. nach Maßgabe der Erlaubnis den Betrieb von Bankgeschäften
aller Art (ausgenommen die Ausgabe von Schuldverschreibungen). | |
Dabei
gewähren Kreditinstitute Kredite oder Darlehen gegen gleichzeitige
Verpfändung von Waren, Wertpapieren oder Edelmetallen (insbesondere
Gold). | Lombardgeschäft |
•
Immobiliarkredit:
Liegenschafts- oder Hypothekarkredit. Das Hypothekenrecht besitzt
nach wie vor größte wirtschaftliche Bedeutung. | |
Unterschieden
werden verschiedene Arten von Hypotheken: | Arten von Hypotheken |
| |
-
Höchstbetragshypothek
→ KAPITEL 2: Ausnahmen
vom Spezialitätsgrundsatz:
§ 14 Abs 2 GBG gewährt sie in den beiden Formen der
Sicherungshypothek
(für Forderungen aus einem Krediteröffnungsvertrag) und der
Kautionshypothek
(für eine übernommene Geschäftsführung oder aus dem Titel der Gewährleistung
oder des Schadeneresatzes etc). | |
- Unbekannt ist dem österreichischen Recht (im Gegensatz
zum römischen Recht) die
General
hypothek am
gesamten Vermögen → Prinzipien
des Pfandrechts
| |
| |
| |
- Ertragspfand
oder
Revenuenhypothek:
Hier stehen dem Pfandgläubiger nur die abreifenden Erträge / Früchte
der pfandverfangenen Sache zur Verfügung, nicht dagegen die (belastete)
Sache selbst → Unerlaubte
Pfandabreden Es kommt hier zur Zwangsverwaltung oder
Zwangsverpachtung. | |
| |
| |
| |
Rechtsgrundlagen: §§ 447-470 und §§ 1368-1374
(Pfandvertrag) ABGB. – Das HGB kennt die gesetzlichen Pfandrechte
des Handelsrechts: Kommissionär (§ 397 HGB), Spediteur (§ 410 HGB),
Lagerhalter (§ 421 HGB), Frachtführer (§ 440 HGB). – Die EO regelt
die Pfandverwertung im bürgerlichen Recht; für die handelsrechtliche
gilt nach Art 8 Nr 14 der 4. EVHGB das dtBGB. – Eine Vereinfachung
ist überfällig! | |
„Das Pfandrecht ist das dingliche Recht, welches
dem Gläubiger eingeräumt wird, aus einer Sache (Pfand), wenn die
Verbindlichkeit ... nicht erfüllt wird, ... Befriedigung zu erlangen”;
§ 447 ABGB. | |
Das Pfandrecht dient zur Sicherung einer
Forderung, in dem es dem Gläubiger zur Befriedigung aus
dem Pfand bei Nichtbezahlung der Forderung verhilft; sog Pfandverwertung → Pfandverwertung Das Pfandrecht
ist nämlich ein Wertrecht. Daher kann als Pfand
nur dienen, was vermögensrechtlichen Wert besitzt und daher ver-wert-bar
ist; daher stellen Urkunden, Reispässe oder Geburtsurkunden keine
tauglichen Pfandobjekte dar. | Sicherung und
Befriedigung |
|
SZ
55/112 (1982): Verpfändung eines
Motorradtypenscheins ? – Der für ein Kfz ausgestellte Typenschein
steht nicht „im Verkehr” und kann daher nicht Gegenstand einer Verpfändung
sein. Wohl aber kann daran ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht
( → Das
Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB) begründet werden. In der E übergab der
Kläger sein Motorrad, eine „Laverda 1000” samt Typenschein dem Motorradhändler
zur Vermittlung eines Verkaufs. Der Händler übergab den Typenschein
(des Klägers) samt einem gefälschten Kaufvertrag seiner Bank zur
Sicherstellung für einen von ihm aufgenommenen Kredit. Das Motorrad
gab er dem Kläger nach erfolgloser Vermittlung zurück. Der Kläger
forderte nun von der Bank seinen Typenschein heraus und die beklagte
Bank wendete ein, sie habe durch die Übernahme des Typenscheins
gutgläubig Pfandrecht am Motorrad erworben, da sie an der Verfügungsberechtigung
des Händlers nicht zweifeln musste. – Fragen: Wurde das Motorrad
nach den §§ 426-428 ABGB gültig verpfändet? Kann ein Typenschein
verpfändet werden? (§ 448 ABGB) Erfolgte ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb
nach § 456 ABGB? (Dazu → KAPITEL 8: Gutgläubiger
Pfandrechtserwerb)
Kann ein Zurückbehaltungsrecht gutgläubig nach § 471 ABGB oder §
369 HGB erworben werden? | |
|
Gesichert werden können schon bestehende,
das ist der Normalfall, oder auch künftige Forderungen;
letztere aber nur bei entsprechender Konkretisierung (der Forderung):
dh die Parteien, der Rechtsgrund und die Forderungshöhe müssen bekannt
sein. – Zur Sicherung
sog Nebengebühren gleich unten → Prinzipien
des Pfandrechts:
Prinzipien des Pfandrechts. | |
| Abgrenzung des Pfandrechts von anderen dinglichen
Rechten: |
• Das
Pfandrecht gewährt, anders als die Servituten (→ KAPITEL 8: Die
Servituten),
aber kein Nutzungs- oder Gebrauchsrecht; | |
• es verpflichtet aber dazu, letztlich die Befriedigung
aus der Pfandsache zu dulden und nicht wie die Reallast
(→ KAPITEL 8: Reallasten) zu einem positiven Tun; | |
• es gewährt – anders als das Retentionsrecht
→ Das
Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB –
schließlich Befriedigung aus der Pfandsache. Das handelsrechtliche
Retentionsrecht der §§ 369 ff HGB gewährt aber – neben dem Zurückbehaltungsrecht
– auch ein Befriedigungsrecht, und entspricht dadurch funktional
dem Pfandrecht. | |
• der Eigentumsvorbehalt (→ KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt
als Warensicherungsmittel)
sichert ebenfalls die Forderung des Verkäufers und begründet ein
(effizient ausgestaltetes) dingliches Anwartschaftsrecht auf das
Vollrecht; überdies wird – anders als beim Pfandrecht – dem Käufer
bereits ein Gebrauchsrecht eingeräumt; | |
• die Sicherungsübereignung (Sicherungseigentum → KAPITEL 8: Die
Sicherungsübereignung)
überträgt dingliches Vollrecht zu Sicherungszwecken, das aber im
Innenverhältnis treuhändisch beschränkt ist und nach hA nur nach
den Regeln des Pfandrechts begründet werden kann; dem Überträger
verbleibt aber ein gewisses Gebrauchsrecht. | |
| |
Wir
unterscheiden: | Arten und Gegenstände des Pfandrechts |
• Das
Faust- oder
Handpfand wird an
beweglichen körperlichen Sachen begründet (Faustpfandprinzip); | |
•
beim
Forderungspfand ist das Forderungsrecht,
also eine unkörperliche Sache iSd § 292 ABGB, Gegenstand des Pfandrechts; | |
• die
Hypothek oder das
Grundpfand wird
an unbeweglichen Sachen / Liegenschaften oder an einem Baurecht
begründet. | |
 | Abbildung 15.26: Formen der Übergabe |
|
5. Begründung
und Erwerb des Pfandrechts | |
Der
Pfandrechtserwerb folgt der Lehre von Titel und Modus; § 380 ABGB → KAPITEL 2: Die
Lehre von Titel und Modus. Wie
bei anderen dinglichen Rechten ist auch zum Erwerb eines gültigen
Pfandrechts sowohl ein Titel, wie die nötige Übergabs- oder Erwerbungsart
(Modus) erforderlich. | |
Gültiger Titel des Pfandrechtserwerbs ist
entweder: | |
•
ein Pfandbestellungsvertrag =
Ver-pfändung (§
1368 ABGB: Realkontrakt). Man spricht in diesem Fall von Vertragspfand. | |
Heute wird auch ein bloß auf Konsens beruhender
Pfandbestellungsvertrag als zulässig erachtet. – Vgl damit: Darlehen
<-> Kreditvertrag. | |
• Oder eine Pfandrechtsbegründung
durch Richterspruch =
Pfändung; und schließlich | |
gibt es auch
das gesetzliche Pfandrecht; zB das des Vermieters
(§ 1101 ABGB) oder von Rechtsanwälten nach § 19 Abs 4 und § 19a
RAO. – Hier ist das Gesetz Titel des dinglichen Rechtserwerbs. | |
Eine Übersicht der gesetzlichen Pfand- und
Vorzugsrechte sowie zum richterlichen Pfandrecht findet sich bei Dittrich
/ Tades, ABGB34, S. 488 f bei § 450
ABGB. | |
Als Modus oder taugliche Erwerbungsart
für eine Pfandrechtsbegründung dient: | |
| |
bei Liegenschaften die Intabulation; | |
Modus
für das Pfändungspfandrecht (bei Exekutionen) ist die Eintragung
ins Pfändungsprotokoll (bewegliche Sachen) oder
ins Grundbuch (für Liegenschaften). | |
| |
|
OGH 26. 2. 2002, 1 Ob 32/02s, JBl 2002, 523 = EvBl 2002/119:
Die Betreiberin einer Pfandleihanstalt nimmt als Sicherheit für
einen Kredit an einen Kunden den
Typenschein seines Pkw entgegen. Dieser meldet
den Typenschein bei der Bundespolizeidirektion als verloren und
lässt sich einen neuen ausstellen. Die Behörde ließ sich entgegen
§ 30 Abs 5 KFG den Verlust des alten Typenscheins nicht bescheinigen. Die
Klägerin klagt nach AHG auf Schadenersatz. – OGH verneint Rechtswidrigkeitszusammenhang:
§ 30 Abs 5 KFG sei zwar eine Schutznorm iSd § 1311 ABGB, sie bezwecke
aber nicht den Schutz zivilrechtlicher Ansprüche eines Darlehensgebers,
der zur Sicherung der Rückzahlungsverpflichtung den Typenschein
in seine Gewahrsame nimmt. Vielmehr soll die Bestimmung im öffentlichen
Interesse ganz allgemein den Gefahren vorbeugen, die durch den Betrieb
nicht typengerechter Fahrzeuge im Straßenverkehr hervorgerufen werden. | |
|
|
OGH 25.8.1999,
3 Ob 308/97h, JBl 2000, 32 (Austausch eines Porsche Carrera 911
gegen einen Audi 100 Quatro als Pfandobjekt): Soll
an die Stelle einer im vorbehaltenen Eigentum des Verkäufers und
idF des Finanzierers (Bank) stehenden Sache (Porsche) eine andere
treten (Audi), die dem Käufer gehört, so bedarf es neben dem entsprechenden
Vertrag, der insofern einen tauglichen Titel bildet, für die Begründung von
Sicherungseigentum der körperlichen Übergabe des Austauschobjekts
und nicht nur der Übergabe des Typenscheins. Im Falle des Konkurses
des Käufers steht daher der Bank kein Herausgabeanspruch nach der
KO zu, weil nach hA Sicherungseigentum nur nach den Regeln der gültigen
Pfandrechtsbegründung erworben werden kann. | |
|
|
Pfändung
körperlicher Sachen – § 253 EO | |
(1)
Die Pfändung ... körperlicher Sachen wird dadurch bewirkt, daß das
Vollstreckungsorgan dieselben in einem Protokolle verzeichnet und
beschreibt;
Pfändungsprotokoll
| |
(2) Die Pfändung kann nur für eine ziffernmäßig
bestimmte Geldsumme stattfinden. | |
(3) Behaupten dritte Personen bei der Pfändung
an den im Protokolle verzeichneten Sachen solche Rechte, welche
die Vornahme der Exekution unzulässig machen würden [zB Eigentum: Exszindierung ],
so sind diese Ansprüche im Pfändungsprotokoll anzumerken. | |
(4) Der Beschluß, durch welchen die Pfändung
bewilligt wurde, ist dem Verpflichteten bei Vornahme der Pfändung
zuzustellen. | |
|
6. Das Pfandrecht
als Zwei- oder Dreipersonenverhältnis | |
Der persönliche Schuldner kann eine eigene Sache verpfänden,
wodurch er sowohl Pfandbesteller, als auch Pfandschuldner wird.
In diesem Fall ist das Pfandrecht ein: | |
•
Zwei-Personen-Verhältnis
| |
• Dingliche Sicherheit in Form eines Pfandrechts
kann dem persönlichen Gläubiger aber auch dadurch eingeräumt werden,
dass ein Dritter für den Schuldner eine Sache als
Pfand bestellt. Dann stehen dem persönlichen Gläubiger, der zugleich
Pfandgläubiger ist, auf der einen Seite nach wie vor der persönliche
Schuldner gegenüber und andererseits ein Dritter als Pfandbesteller und
Pfandschuldner. | |
| |
 | Abbildung 15.27: Pfandrecht als 2-Personenverhältnis |
|
 | Abbildung 15.28: Pfandrecht als 3-Personenverhältnis |
|
 | |
7. Verpfändung
und Pfändung von Forderungen oder Rechten | |
Nach
§ 448 ABGB kann als Pfand „jede [!] Sache dienen, die im Verkehr
steht”. Sie muss nur als Vermögensobjekt verwertbar sein → Mehr
zum Pfandrecht Zum
Sachbegriff des ABGB zählen auch Rechte und Forderungen. Sie sind
unkörperliche Sachen → KAPITEL 8: Körperliche
und unkörperliche Sachen und
ebendort , S.. Auf unkörperliche Sachen finden aber die Regeln des
Sachenrechts grundsätzlich keine Anwendung. Die Übertragung des
Vollrechts an einer Forderung erfolgt daher nicht nach den §§ 426
ff ABGB, sondern nach den Zessionsregeln der §§ 1392 ff ABGB. | |
Dennoch lässt man, mag
das auch einen Systembruch darstellen, die Pfandrechtsbegründung sowohl
an | Systembruch |
•
Forderungsrechten (also
schuldrechtlichen Ansprüchen), wie | |
•
dinglichen Rechten (zB Fruchgenuss,
Pfandrecht: Pfandrecht am Pfandrecht = Afterpfandrecht – §§ 454
f ABGB) und | |
•
absoluten Rechten (zB Patentrechten)
zu. | |
Dabei sind weiters
zu unterscheiden (wobei die Regeln von Titel und Modus
auch hier zu beachten sind): | Weiters zu unterscheiden |
• Forderungen, die
in Inhaber- oder Orderpapieren verbrieft
sind, werden durch die Übergabe des jeweiligen (Wert)Papiers verpfändet; | |
•
(offene) Buchforderungen können
auch durch einen deutlichen Vermerk in den Geschäftsbüchern des
Pfandbestellers verpfändet werden; und | |
•
die Verpfändung sonstiger Forderungsrechte erfolgt
iSd § 424 ABGB (symbolische Übergabe, Übergabe durch Zeichen), zumal
eine körperliche Übergabe von Forderungen ausscheidet. Zur formlosen
(Titel)Vereinbarung zwischen Pfandgläubiger und Pfandschuldner iSd
§ 1368 ABGB hat aber hier noch die Drittschuldnerverständigung zu
erfolgen, die zu enthalten hat, welche Forderung, an wen verpfändet
wurde. | |
Von der Begründung eines Pfandrechts
an einer Forderung ist die Sicherungszession ( → KAPITEL 14: Sicherungszession)
zu unterscheiden, die allerdings vergleichbaren Regeln folgt. –
Der Unterschied liegt aber darin, dass die Sicherungszession (nur)
das obligatorische Vollrecht an einer Forderung überträgt; wenngleich
unter der treuhändischen Einschränkung, über die Forderung nur im
Sicherungsfall zu verfügen, also sich daraus zu befriedigen. – Das
Pfandrecht dagegen überträgt immer nur ein beschränktes und kein
Vollrecht, allerdings ein (quasi)dingliches Recht. | Unterscheide:
Sicherungszession |
 | Abbildung .28: Pfändung einer Forderung (s. Zession!) |
Wird eine Forderung gepfändet (zB Sparbuch, Gehalt)
kommt noch der sog Drittschuldner (= Schuldner der gepfändeten Forderung)
hinzu. |
|
 | Abbildung 15.29: A pfändet Forderung des B gegen C |
|
 | Abbildung 15.30: Pfändung von Geldforderungen |
|
8. Prinzipien
des Pfandrechts | |
| |
Auch das Pfandrecht ist ein dingliches Recht,
das an der Sache haftet und das mit absoluter Wirkung ausgestattet
ist. – Es zählt zu den beschränkten dinglichen Rechten. | |
Entstehung und Weiterbestand des Pfandrechts hängen vom
Bestand der gesicherten Forderung ab, dessen Nebenrecht das Pfandrecht
ist; Akzessorietät. Erlischt die gesicherte Forderung, erlischt auch
das Pfandrecht. | |
Das Pfandrecht muss für Dritte (insbesondere andere Gläubiger)
erkennbar sein. Dafür sorgen das Faustpfand- und das bücherliche
Intabulationsprinzip. Beim Forderungspfand sorgen andere Akte für
seine Publizität; Drittschuldnerverständigung oder Buchvermerk. | |
Dabei sind zwei Aspekte (der Spezialität) zu unterscheiden: | |
• Einerseits kann ein
Pfandrecht nur an bestimmten Sachen begründet werden
und in der Folge bestehen. Es gibt also bei uns keine Generalpfandrechte!
Weder am gesamten Vermögen (etwa in Form einer Generalhypothek),
noch in der Form der Verpfändung eines ganzen Unternehmens oder
einer sonstigen Gesamtsache → KAPITEL 8: Gesamtsachen.
Pfandrechtsbegründung und Veräußerung – zB eines Unternehmens –
gehen unterschiedliche Wege. | |
War eine Liegenschaft mit einer Hypothek belastet
und brennt das darauf stehende Haus ab, erfasst das Pfandrecht nunmehr
die (Feuer)Versicherungssumme; bei Enteignungen erfasst
das Pfandrecht die Entschädigungssumme und bei Verarbeitung der
Pfandsache belastet das Pfandrecht künftig die neue Sache. Man spricht
hier von einer Wandlung des Pfandrechts oder Pfandrechtsmodifikation.
– Der Gedanke der Spezialität wird dadurch kaum beeinträchtigt. | |
•
Andrerseits
kann nach § 14 Abs 1 GBG ein Pfandrecht nur für ziffernmäßig
bestimmte Geldforderungen eingetragen werden; eine Ausnahme
bildet aber die Höchstbetragshypothek nach
§ 14 Abs 2 GBG → KAPITEL 2: Ausnahmen
vom Spezialitätsgrundsatz. | |
| |
Werden an einem Pfandgegenstand
mehrere Pfandrechte begründet, was für Liegenschaften praktische
Bedeutung besitzt, richtet sich ihr Rang – und damit die Reihenfolge
der Befriedigung aus dem Pfand – nach der Reihenfolge ihrer Begründung;
vgl auch → Priorität
oder Rangprinzip Das jeweils ältere Recht geht vor; Priorität. | Priorität
oder Rangprinzip |
Vgl die Rechtssprichwörter: „Wer zuerst kommt,
mahlt zuerst”; oder: römisches Recht: „prior tempore potior iure”. | |
Eine
Änderung erfährt der Grundbuchsrang dadurch, wenn bei mehrfacher
hypothekarischer Belastung die Forderung eines Hypothekargläubigers
– etwa des dritten von fünf Rängen – getilgt und die Hypothek gelöscht
wird; vgl § 469 ABGB. In diesem Fall rücken – wenn der Liegenschaftseigentümer
nicht von seinem Verfügungsrecht nach § 469 ABGB
Gebrauch macht, und kein Rangvorbehalt (§ 58 GBG) begründet wird
und es zu keiner bedingten Pfandrechtseintragung (§ 59 GBG) kommt
– die Nachhypothekare jeweils eine Stelle vor: der vierte wird dritter
und der fünfte vierter usw. Man nennt dies Vorrückungsprinzip. | Vorrückungsprinzip |
Zu diesen Bestimmungen gleich unten. | |
| ”Recht an fremder Sache”
und „Grundsatz der ungeteilten Pfandhaftung” |
9. Das
Pfandrecht als Recht an fremder Sache | |
Das Pfandrecht teilt dieses Kriterium mit den
Servituten. Die Rspr lehnt Pfandrechte an eigener Sache grundsätzlich
ab; zu den Ausnahmen gleich mehr. Das Pfandobjekt darf nicht dem
Pfandgläubiger, sondern muss dem Schuldner der (Gläubiger)Forderung
oder einem Dritten als Pfandbesteller gehören. | |
Das Grundbuchsrecht kennt
aber wichtige Ausnahmen, wobei zu beachten ist,
dass in diesen Fällen auch von einem Wiederaufleben des Eigentums
als dinglichem Vollrecht gesprochen werden kann: | Ausnahmen |
Eine Verbindlichkeit
wird nach § 1412 ABGB grundsätzlich durch Zahlung, das ist die Leistung dessen,
was man zu zahlen schuldig ist, erfüllt. Das gilt nach § 469 ABGB
auch für das Pfandrecht. Für Hypotheken statuiert jedoch § 469 Satz
3 ABGB: | §
469 ABGB: Verfügungsrecht des Liegenschaftseigentümers |
„Zur Aufhebung einer Hypothek ist die Tilgung
der Schuld allein nicht hinreichend. Ein Hypothekargut bleibt so lange
verhaftet, bis die Schuld aus den öffentlichen Büchern gelöscht
ist.” | |
Bis
dorthin besteht das Pfandrecht fort. Man spricht vom Verfügungsrecht
des Liegenschaftseigentümers nach Tilgung der Schuld ohne
grundbücherliche Löschung des Pfandrechts; sog forderungsentkleidete
Eigentümerhypothek. – Die Hypothek steht daher, genauer:
das Verfügungsrecht über den Hypothekenrang der getilgten Schuld,
dem Liegenschaftseigentümer als vormaligem Schuldner und Pfandbesteller
zu. | Forderungsentkleidete Eigentümerhypothek |
| |
•
Auch
beim Rangvorbehalt des § 58 GBG besteht die Möglichkeit, dass der
pfandbestellende Schuldner über den Rang der ursprünglich für den
Gläubiger begründeten Hypothek nachträglich erneut verfügen kann. | |
Abs 1: „Im Falle der Löschung des Pfandrechts
kann der Eigentümer zugleich die Anmerkung im Grundbuch erwirken,
das die Eintragung eines neuen [!] Pfandrechtes im Rang und bis
zur Höhe des gelöschten Pfandrechtes binnen drei Jahren nach der
Bewilligung der Anmerkung vorbehalten bleibt ....” | |
•
Vgl § 470 Satz 2 (Erlöschen
des Pfandrechts) iVm § 1446 (Vereinigung) ABGB:
Von echter Eigentümerhypothek wird deshalb gesprochen, weil die
Stellung des Pfandgläubigers und jene des Pfandschuldners (in einer
Person) zusammenfallen; etwa dadurch, dass der (Pfand)Gläubiger, die
ihm als Pfand dienende Liegenschaft kauft. Die gesicherte Forderung
besteht auch dann weiter; als Pfandobjekt dient nunmehr aber die
eigene Liegenschaft. Vgl den Text des § 470 ABGB. | Echte oder forderungsbekleidete Eigentümerhypothek |
•
Bedingte Pfandrechtseintragung | |
Vgl insbesondere Abs 1: „Der Eigentümer
einer Liegenschaft kann begehren, dass im Rang und bis zur Höhe
eines auf der Liegenschaft [bereits] haftenden Pfandrechtes das
Pfandrecht für eine neue [!] Forderung mit der Beschränkung eingetragen
werde, dass es Rechtswirksamkeit erlangt, wenn binnen einem Jahr
nach der Bewilligung der Eintragung des neuen Pfandrechtes die Löschung
des älteren Pfandrechtes einverleibt wird.” Nach Abs 2 ist der Eintritt
dieser Bedingung im Grundbuch anzumerken. | |
Diese
Möglichkeit dient in der Praxis der Umschuldung.
– So, wenn ein gewährter teurer Kredit oder ein solches Darlehen
gegen günstigere Kredite oder Darlehen „ausgetauscht” werden soll.
Das geht allerdings nur mit Zustimmung des Hypothekargläubigers.
An die Stelle der Hypothek für das alte Darlehen, soll der gleiche
Rang künftig das günstigere neue Darlehen sichern. Ist der alte Hypothekargläubiger
einverstanden, zahlt der Liegenschaftseigentümer, der zugleich Pfandbesteller
ist, Zug um Zug gegen Aushändigung einer Löschungsquittung den Darlehensbetrag
an den Altgläubiger zurück. Würde die Althypothek gelöscht und nicht
von der Möglichkeit einer bedingten Pfandrechtseintragung Gebrauch
gemacht, würden allfällige Nachhypothekare rangmäßig nachrücken
und die hypothekarische Sicherung des günstigeren Kredits könnte
nur im Rang nach den bereits eingetragenen Pfandrechten, also im
letzten Rang, erfolgen. Das hätte wiederum Auswirkungen auf die
Kreditkonditionen. | Umschuldung §
59 GBG: Bedingte Pfandrechtseintragung |
•
Vgl in diesem Zusammenhang auch das gesetzliche
Pfandrecht des Kommissionärs nach den
§§ 397 ff HGB: Nach § 398 HGB kann sich der Kommissionär, „auch
wenn er Eigentümer des Kommissionsguts ist, für die in § 397 bezeichneten
Ansprüche ... aus dem Gute befriedigen.” | Pfandrecht
des Kommissionärs |
10. Grundsatz
der ungeteilten Pfandhaftung | |
Das bestellte
Pfand(recht) haftet für die gesamte Forderung; und zwar für die Hauptforderung – zB
die Darlehnssumme – samt Nebengebühren; etwa Zinsen,
seien es gesetzliche oder vertragliche, aber auch Verfahrenskosten
iwS, also Prozess- und Exekutionskosten (§
16 GBG) etc. Nach § 14 Abs 1 GBG muss bei einer verzinslichen Forderung
auch die Höhe der Zinsen eingetragen werden. Dreijährige Zinsenrückstände
genießen nach § 17 GBG „gleichen Rang mit dem Kapital”. Das Pfand
haftet auch für allfällige Schadenersatzansprüche oder
eine Konventionalstrafe. | Hauptforderung
und Nebengebühren |
Zur
(Rang)Sicherung von Nebengebühren bedient sich die Praxis der Nebengebührensicherstellung,
die im Rang der Hauptforderung verbüchert wird. Man spricht auch
von Nebengebührenkaution. | Nebengebührensicherstellung |
Vgl
hinsichtlich unseres Grundsatzes auch die Regelung des § 13 Abs
1 GBG: Bei Alleineigentum belastet die Hypothek
den ganzen Grundbuchskörper, bei Miteigentum den
ganzen Miteigentumsanteil. Eine kleine Ausnahme gestattet § 13 Abs
2 GBG. | Alleineigentum
und
Miteigentum |
Tilgt zB der Pfandschuldner / -besteller
die durch Pfandrecht gesicherte Forderung bloß teilweise, verpflichtet
das den Pfandgläubiger nicht zur Teilrückstellung des Pfandes, was
meist auch praktisch nicht möglich wäre. Anders aber beim Geldpfand.
– Wurde eine Liegenschaft hypothekarisch belastet und wird an ihr
später Miteigentum begründet, bleibt die ursprüngliche Pfandbelastung
der ganzen Liegenschaft grundsätzlich (an allen Teilen) aufrecht. | |
11. Unerlaubte
Pfandabreden | |
§
1371 ABGB erklärt eingangs in einer Generalklausel alle
der Natur des Pfand- und Darlehnsvertrags entgegenstehenden Bedingungen
und Nebenverträge für ungültig. – Danach ist bspw die Sicherungsübereignung
durch Besitzkonstitut unerlaubt, weil dies dem Faustpfandprinzip
widerspricht. | Generalklausel |
Als Beispiele nennt §
1371 ABGB: | Beispiele |
• Sog
Verfallsklauseln (lex commissoria), also
Abreden, „daß nach der Verfallszeit der Schuldforderung das Pfandstück
dem Gläubiger zufalle”; | |
• oder, „daß er es [sc das Pfandstück] nach
Willkür, oder in einem schon im voraus bestimmten Preise veräußern,
oder für sich behalten könne;” [Warum verbietet
das Gesetz das wohl?] | |
• oder, „daß der Schuldner das Pfand niemals
einlösen”, | |
• oder „ein liegendes Gut keinem andern
verschreiben”, | |
• oder „daß der Gläubiger nach der Verfallszeit
die Veräußerung des Pfandes nicht verlangen dürfe”. | |
Was unterscheidet das letzte Beispiel von
den vorangehenden? – Beachtet werden sollte die vorbildliche legistische Kombination
von Generalklausel (Satz 1) und in der Folge aufgezählten Beispielen,
die das zunächst allgemein Angeordnete anschaulich und die Rechtsanwendung
zusätzlich flexibel machen. | |
|
EvBl
2000/85 (§ 1371 ABGB, § 24 UrhG) – Fehlende
Rückübertragungspflicht als Verfallsabrede: Eine der
Sicherung des Werknutzungsberechtigten dienende Vereinbarung, die
dessen Pflicht, das Werknutzungsrecht bei Auflösung des Vertrags
(über die Einräumung des Werknutzungsrechts) dem Vertragspartner
rückzuübertragen, auf einen bestimmten Sachverhalt einschränkt und
damit dazu führt, dass das Werknutzungsrecht dem Werknutzungsberechtigten
endgültig verbleibt, wenn sein Vertragspartner die durch die Vereinbarung
gesicherten Zahlungsverpflichtungen nicht ordnungsgemäß erfüllt,
ist eine unzulässige Verfallsabrede. | |
|
§
1372 ABGB verbietet es dem Gläubiger, sich die
Fruchtnießung
der verpfändeten Sache auszubedingen; das ist das alte
pactum antichreticum. Hier besteht nämlich die Gefahr verdeckten Wuchers.
Satz 2 unserer Bestimmung gestattet dem Gläubiger aber den „bloße[n]
Gebrauch eines beweglichen Pfandstückes”, wenn dieser ihm vom Pfandbesteller
gestattet wurde; vgl auch § 459 ABGB. Bei Hypotheken ist das aber
nicht gestattet, wenngleich die Praxis es zulässt, dass eine verpfändete
Liegenschaft dem Pfandgläubiger in Bestand gegeben wird; GlU 11.289
(1886): Verpfändung von Zimmern eines Hauses und Einräumung ihrer
Bewohnung an Stelle von Darlehenszinsen. | |
| Ertragspfand |
| |
Das
Pfandrecht ist – wie wir gehört haben – Sicherungsrecht,
aber es gewährt auch ein Befriedigungsrecht. Das
bedeutet letztlich, dass sich der Pfandgläubiger aus dem Pfand –
wenn auch nicht eigenmächtig und unmittelbar – befriedigen kann,
wenn der Schuldner die geschuldete und durch das Pfand gesicherte
Forderung/Leistung nicht erbringt. | |
Der Pfandgläubiger darf aber nach bürgerlichem
Recht das Pfand nicht eigenmächtig veräußern: Das Verfahren der
„Umänderung” des Pfandrechts von einem bloß abstrakten
Sicherungs-, in ein konkretes Recht zur
Befriedigung aus der Pfandsache, heißt Pfandverwertung. Sie erfolgt unter
Einbeziehung des Gerichts. (Die Rechtsgeschichte lehrt uns nämlich,
dass es hier leicht zu Übergriffen des Gläubigers kommen kann.)
Das Verfahren ist relativ kompliziert und nur für Kaufleute – genauer:
wenn der Pfandgläubiger Kaufmann ist – einfacher. In diesem Fall
steht dem Kaufmann zur rascheren Verwertung die Möglichkeit des
außergerichtlichen Verkaufs zu; Art 8 Nr 14 der 4. EVHGB. – Über
angemessene Vereinfachungen sollte nachgedacht werden. | Was heisst
Pfandverwertung? |
Die (normale) Pfandverwertung erfolgt im
Exekutionsverfahren, also durch Zwangsvollstreckung;
§§ 461 ff ABGB und 81 ff EO. – Die §§ 465, 466 ABGB stellen klar,
dass sich der Pfandgläubiger entweder an das Pfand, oder „anderes
Vermögen des Schuldners” oder beides halten kann! Daran zeigt sich
das Zusammenspiel von persönlicher und Sachhaftung. | |
| |
Bezahlt der Schuldner
aber seine Schuld bei Fälligkeit, hat ihm der Pfandgläubiger Zug
um Zug (§ 1052 iVm § 469 Satz 2 ABGB) das Faustpfand zurückzugeben und
der Hypothekargläubiger hat eine Löschungserklärung auszustellen;
§ 1369 Satz 2 und 3. – Ein allfälliger Schaden,
den das Pfand genommen hat, ist vom Pfandgläubiger zu ersetzen. | Erfüllung der
Pfandschuld |
Umgekehrt steht
aber dem Pfandgläubiger nach § 458 ABGB „bei Entdeckung eines unzureichenden
Pfandes” (Marginalrubrik) das Recht zu, vom „Pfandgeber ein anderes
angemessenes Pfand zu fordern.” Aus § 458 ABGB wird der sog Devastationsanspruch des
Pfandgläubigers abgeleitet. Danach kann der Pfandgläubiger den Pfandbesteller
auch auf Unterlassung schuldhaft (§ 458 ABGB fordert „Verschulden
des Pfandgebers“!) schädigender Einwirkungen klagen. Es ist dies
eine
dingliche
Unterlassungsklage (auch) wegen drohender Verschlimmerung
des Pfandes oder nach bereits erfolgterVerschlechterung auf Wiedergutmachung. | |
|
EvBl 1962/56: Bäume fällen; | |
|
|
EvBl 1984/119: Abschluss
von Mietverträgen nach Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens. | |
|
|
OGH 24. 2. 2000, 8 Ob 254/99g, SZ 73/40:
Hochverschuldeter (über 20 Mio S) Wohnungseigentümer belastet
seine Zweitwohnung mit einer Hypothek. Kurz darauf vermietet
er sie zu unüblichen Bedingungen: Bestanddauer von 15 Jahren, Mietzins
von 20.000 S jährlich, Mietzins-Vorauszahlung von 300.000/der Mietzinse
der ersten 5 Jahre. Dem Beseitigungsanspruch auf Grund der Devastationsklage (§
458 ABGB) hält der Mieter seine Unkenntnis von der wirtschaftlichen
Situation des Vermieters entgegen; fehlendes Verschulden. – OGH
verlangt vom Mieter unter bestimmten Voraussetzungen (hier: gravierende
Abweichungen von den üblichen Konditionen) Grundbuchseinsicht; um
in seinem Vertrauen geschützt zu sein, mit dem Abschluss des Mietvertrags
nicht in absolut geschützte Rechte Dritter einzugreifen. – Die Linie
des OGH überzeugt nicht, zumal bspw nichtberücksichtigt wird, dass
das Mietobjekt in der Heizungsperiode nicht benutzbar war, was den
Mietpreis ja bereits verdoppelt hätte. Einfachheit sollte auch heute
ein Ziel zivilistischer Praxis bleiben. | |
|
|
OGH 20. 12. 2001, 6 Ob 261/01b, EvBl 2002/94:
Nach Anmerkung der Zwangsversteigerung einer hypothekarisch belasteten
Liegenschaft im Grundbuch vermietet der Hypothekarschuldner das
Wohnhaus samt Tischlereiwerkstätte um die Hälfte des angemessenen
erzielbaren Mietzinses mit der Zusatzvereinbarung, der Mieter müsse
die desolaten Räumlichkeiten in Stand setzen. Der Hypothekargläubiger
erhebt die
Devastationsklage (§
458 ABGB). – OGH: Eine Räumung des Mieters kommt nur in Frage, wenn rechtswidrig
und schuldhaft gehandelt wurde. OGH verneint eine Verletzung der
Erkundungspflicht/Schuldhaftigkeit (Einsicht ins Grundbuch) aus
zwei Gründen: Weder sei der Mietvertrag ein solcher über ein üblicherweise
nicht vermietetes Objekt, noch sei er zu unüblichen Konditionen
geschlossen worden (Berücksichtigung der Instandsetzungskosten von
fast 1 Mio S). | |
|
|
OGH 24. 4. 2001, 1 Ob 286/00s, EvBl 2001/174:
Gattin wird im Rahmen einer Ehescheidung richterlich nach
§ 87 EheG ein unbefristetes Mietrecht (8.000 S
monatlich) an vormaliger Ehewohnung eingeräumt. Hypothekargläubiger
(Bank) wendet Pfandverschlechterung /Devastation ein
und argumentiert mit „materieller Enteignung”. – OGH: Ein Pfandgläubiger,
der dadurch eine Pfandverschlechterung erfährt, dass die Ehewohnung
an einen früheren Ehepartner vermietet wird, kann eine gerichtlich
angeordnete Vermietung zu üblichen Konditionen nicht verhindern.
OGH weist überdies verfassungsrechtliche Bedenken zurück; keine
willkürliche Verletzung eines dinglichen Rechts. | |
|
Wird
der Pfandgläubiger „nach Verlauf der bestimmten Zeit [= Fälligkeit]
nicht befriedigt; so ist er befugt, die Feilbietung des
Pfandes gerichtlich zu verlangen”; § 461 Satz 1 ABGB. | Fälligkeit der
Pfandschuld |
Nach hA kann ein Hypothekargläubiger
seine (gesicherte) Forderung nur durch Klage (!) geltend machen.
Die Realisierung des Pfandrechts erfolgt mittels Pfandrechts- oder Hypothekarklage. Das
erwirkte Urteil bringt dem Pfandgläubiger den nötigen Exekutionstitel,
der schließlich die Befriedigung durch Zwangsvollstreckung gestattet.
– Die hA verlangt aber dieses umständliche Verfahren, das für Liegenschaften
zu billigen ist, auch für das Fahrnispfand, was problematisch erscheint. | |
 | Abbildung 15.31: Pfandverwertung |
|
13. Erlöschen
des Pfandrechts | |
Grundsätzlich
erlischt ein bestehendes Pfandrecht (an beweglichen Sachen) durch Erfüllung
der (durch das Pfand gesicherten) Schuldforderung;
wurde es an einer Liegenschaft bestellt, bedarf es darüber hinaus
der Löschung im Grundbuch: § 469 ABGB → Das
Pfandrecht als Recht an fremder Sache
| |
| Weitere Erlöschensgründe: |
• Sonstiger
Untergang der Forderung, | |
• Verzicht (auf das Pfandrecht), | |
• Untergang (der Pfandsache, § 467 ABGB), | |
• Vereinigung (der Pfandgläubiger- und Pfandbestellerstellung,
§ 467 ABGB), | |
• bedingungslose Rückstellung (der Pfandsache), | |
• allenfalls durch Zeitablauf (Verjährung: §
1499 und § 1483 ABGB) und schließlich | |
• gutgläubigen lastenfreien Pfandrechtserwerb;
§ 456 ABGB. | |
14. Verwandte Sicherungsrechte | |
Das Pfandrecht
begründet ein Sicherungs-, kein Nutzungsrecht.
– Daher werden anstelle der Pfandrechtsbegründung immer wieder andere
Sicherungsmittel verwendet; etwa: | Kein Nutzungsrecht |
• das Sicherungseigentum
→ KAPITEL 8: Die
Sicherungsübereignung; | |
• die Sicherungsabtretung
→ KAPITEL 14: Sicherungszession; | |
• der Eigentumsvorbehalt
→ KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt
als Warensicherungsmittel. | |
II. Das
Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB | |
Das ABGB von
1811 kannte das Zurückbehaltungsrecht noch nicht. Das von Zeiller
in den Ur-Entwurf eingefügte Retentionsrecht wurde in der Revision
des ABGB wieder gestrichen. Pratobevera hatte auf dessen missbräuchliche
Verwendung in Galizien hingewiesen. – So gelangte das Zurückbehaltungsrecht
erst durch die III. TN (Vorbild: § 273 Abs 2 dtBGB) ins ABGB, wo
es nunmehr in § 471 geregelt ist. | |
| |
Mit Gschnitzer
ist das Zurückbehaltungsrecht als dingliches Recht anzusehen;
Sachenrecht 235 (19852): Es haftet
an der Sache! | Dingliches Recht |
In der Rechts- und Wirtschaftspraxis spielt das Zurückbehaltungs-
oder Retentionsrecht keine allzu große Rolle. Allein es ist für
manche Konstellation praktisch. – Beim Zurückbehaltungsrecht spielt das
(Rechts)Prinzip der Gegenseitigkeit, das wir in
Kapitel 2 ( → KAPITEL 2: Zug
um Zug-Leistung) kennen gelernt haben, eine funktional
wichtige Rolle → Druckmittel
| |
2. Gesetzliche
oder vertragliche Begründung | |
Das
Zurückbehaltungsrecht besteht schon kraft Gesetzes.
Es kann aber auch vertraglich begründet werden;
vgl SZ 55/112 (1982) → Mehr
zum Pfandrecht Nach
dem Gesetz dient es – dem Pfandrecht vergleichbar – der Sicherung
einer (fälligen) Forderung. – Neben der gesetzlichen Regelung in
§ 471 kennt das ABGB noch weitere Anordnungen; vgl § 970c ABGB → KAPITEL 3: Zurückbehaltungsrecht
¿ § 970c ABGB. | |
§ 471 ABGB Abs 1 bestimmt:
„Wer zur Herausgabe einer Sache verpflichtet ist, ... kann sie zur
Sicherung seiner fälligen Forderung wegen des für die Sache gemachten
Aufwandes oder des durch die Sache ihn verursachten Schadens mit
der Wirkung zurückhalten, daß er zur Herausgabe nur gegen die Zug
um Zug zu bewirkende Gegenleistung verurteilt werden kann.” | |
Abs
2 unserer Bestimmung legt fest, dass ein „Zurückbehaltungsrecht
... durch Sicherheitsleistung abgewendet werden”
kann. | |
 | |
3. Anwendung auf
bewegliche und unbewegliche Sachen | |
Die weite Formulierung des Gesetzestextes – „… Herausgabe einer
Sache …” – gestattet es, das Zurückbehaltungsrecht auf bewegliche und unbewegliche
Sachen anzuwenden. Das tut die Praxis auch; vgl SZ 48/9
(1975): Liegenschaftsschenkung der Ehegattin an ihren Gatten im
Rahmen der Eheschließung → KAPITEL 5: Ungerechtfertigte
Bereicherung.
Nach dem HHB 80 (III. TN) ist es aber auf körperliche Sachen beschränkt.
Dafür spricht auch der Regelungsort im Sachenrecht; systematische
Interpretation. | |
| |
Das
Zurückbehaltungsrecht des ABGB dient als Druckmittel, darüber hinaus
aber auch zur Beweissicherung; es gewährt aber kein
Befriedigungsrecht wie das Pfandrecht. – Anders das handelsrechtliche
Retentionsrecht der §§ 369 ff HGB; nach § 370 HGB kann dieses auch
wegen nicht fälliger Forderungen geltend gemacht werden kann. | |
 | Abbildung 15.32: Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB |
|
 | Abbildung 15.33: Kaufmännisches ZurückbehaltungsR |
|
III. Das
Bauträgervertragsgesetz / BTVG | |
Von Wiltrud Priglinger | |
Ein wichtiges
SicherungsG der jüngsten Vergangenheit ist das
BauträgervertragsG /
BTVG 1997, BGBl I 7. – Das BTVG findet auf den Kauf von zu errichtenden
oder durchgreifend zu erneuernden Eigentumswohnungen und Reihenhäusern
Anwendung. –
Bauträger ist,
wer sich verpflichtet, einem Erwerber die angeführten Rechte einzuräumen.
Bauträger kann jede natürliche oder juristische Person sein, wobei
es auf eine Gewerbsmäßigkeit nicht ankommt. – Die Anwendbarkeit des
BTVG ist zusätzlich daran geknüpft, dass der Erwerber vor der Fertigstellung
vereinbarungsgemäß Zahlungen von mehr als 145 /m² Nutzfläche zu
leisten hat. – Ziel des BTVG ist der Schutz der
Käufer vor dem Verlust ihrer Vorleistungen im Fall der Insolvenz
des Bauträgers. Wesentlich ist, dass die Bestimmungen des Bauträgervertragsgesetzes
nicht zum Nachteil des Erwerbers abbedungen werden können, wenn
dieser Verbraucher (§ 1 Abs 1 Z 2 KSchG) ist; zwingendes Recht. | Voraussetzungen und Ziele |
Die Nichteinhaltung des
BTVG wird mehrfach sanktioniert. So ist der Bauträgervertrag gemäß
§ 4 Abs 1 Z 5 BTVG relativ nichtig, wenn er nicht eines der im BTVG
vorgeschriebenen Sicherungsmodelle oder eine gleichwertige Sicherung
beinhaltet; dazu gleich mehr. Der Erwerber kann gemäß § 14 Abs 1
BTVG sämtliche Leistungen hoch verzinst zurückfordern, die er entgegen
den Bestimmungen des BTVG erbracht hat. Überdies begeht der Bauträger,
der Zahlungen entgegen dem BTVG vereinbart, fordert oder entgegennimmt,
eine Verwaltungsübertretung und es drohen ihm Geldstrafen bis zu
28.000 ı; §§ 17 BTVG. | Sanktionen |
Trotz dieser Sanktionen werden laut Auskunft
des Vereines für Konsumenteninformation die Bestimmungen des BTVG
häufig nicht eingehalten, oder es wird versucht, das BTVG zu umgehen → KAPITEL 11: Die
(Gesetzes)Umgehung. | |
| |
Der
Bauträgervertrag bedarf nach § 3 BTVG der Schriftform. | |
In
§ 4 BTVG wird der Mindestinhalt eines Bauträgervertrags vorgeschrieben;
danach müssen geregelt sein: | Mindestinhalt |
• der bestimmt bezeichnete
Vertragsgegenstand samt Plänen und Ausstattungsbeschreibung, | |
• das vom Erwerber zu zahlende Entgelt und dessen
Fälligkeit, | |
• der späteste Übergabetermin, | |
• die vom Erwerber allenfalls zu übernehmenden
Lasten, | |
• die Art der Sicherung des Erwerbers (dazu sogleich)
und | |
• die Person des beim grundbücherlichen (§§ 9,
10) und pfandrechtlichen Sicherungsmodell (§ 11) zu bestellenden
Treuhänders. – Es kann dies nur ein Notar oder Rechtsanwalt (und
eine Rechtsanwalts-Partnerschaft) sein. | |
Werden
die angeführten Punkte nicht in den Bauträgervertrag aufgenommen,
so steht dem Erwerber gemäß § 5 BTVG die Möglichkeit des Rücktritts
von seiner Vertragserklärung zu, die innerhalb einer Woche ab Erhalt
einer Kopie des Vertrags und der Belehrung über das Rücktrittsrecht
ausgeübt werden kann. | Rücktrittsrecht |
| |
§ 7 BTVG sieht vor, dass
die Sicherung entweder: | § 7 BTVG |
•
durch schuldrechtliche Sicherung
(§ 8 BTVG), | |
• durch grundbücherliche Sicherstellung
des Rechtserwerbs auf der zu bebauenden Liegenschaft iVm der Zahlung
nach Ratenplan (§§ 9 und 10 BTVG) oder | |
•
durch pfandrechtliche Sicherung
(§ 11 BTVG) erfolgen kann. | |
Die Bestimmungen über die Sicherungspflicht gelten aber
auch dann als erfüllt: | |
• wenn eine inländische Gebietskörperschaft Bauträger
ist oder dem Erwerber für seine allfälligen Rückforderungsansprüche
unmittelbar haftet (§ 7 Abs 6 Z 1 und 2 BTVG); oder | |
• wenn eine inländischen Gebietskörperschaft
eine den §§ 7 ff BTVG gleichwertige Sicherheit leistet,
die insbesondere in Förderungsregelungen vorgesehen ist, deren Einhaltung
von der Gebietskörperschaft überwacht wird (§ 7 Abs 6 Z 3 BTVG);
oder | |
• bei Einrichtung eines
Treuhand-Baukontos (§
7 Abs 6 Z 4 BTVG). | |
Diese Aufzählung
ist demonstrativ. – Entscheidend ist, dass der
Sicherungszweck erfüllt ist. | Demonstrative Aufzählung |
Vor Vorliegen einer tauglichen
Sicherung werden Ansprüche des Erwerbers nicht fällig.
– Die Sicherungspflicht des Bauträgers endet mit
der tatsächlichen Übergabe des fertiggestellten Vertragsobjekts
und der Sicherung der Erlangung der vereinbarten Rechtsstellung
des Erwerbers. | Fälligkeit |
3. Das
schuldrechtliche Sicherungsmodell des § 8 BTVG | |
Das schuldrechtliche
Sicherungsmodell ist in erster Linie darauf ausgerichtet, dass der
Erwerber im Insolvenzfall des Bauträgers seine Investitionen rasch
und zur Gänze zurückbekommt; „ Geld-zurück-Garantie”.
– Die Bankgarantie ist die in der Praxis häufigste Sicherungsvariante.
Die Bankgarantie ist ihrem Wesen nach materiell abstrakt; dazu → Garantievertrag
und Bankgarantie Wichtig
ist, dass die Sicherstellung auch die rückständigen Zinsen für drei
Jahre in Höhe von 6 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz umfassen
muss. | „Geld-zurück-Garantie” |
4. Das grundbücherliche Sicherungsmodell
des § 9 BTVG | |
Das grundbücherliche Sicherungsmodell kommt nur in Betracht,
wenn der Bauträgervertrag auf den Erwerb des Eigentums, Wohnungseigentums oder
des Baurechts gerichtet ist. | |
Mit der bücherlichen Sicherstellung gemäß
§ 9 BTVG ist das nach Bauabschnitten prozentual festgelegte Zahlungsschema,
der Ratenplan gemäß § 10 BTVG, untrennbar verbunden. Der Ratenplan
sieht die einzelnen Bauabschnitte, bei denen eine Rate fällig gestellt
werden kann, zwingend vor. Die Ratio der grundbücherlichen Sicherung
liegt darin, dem Erwerber durch eine rangwahrende Anmerkung
im Grundbuch (zB § 40 Abs 2 WEG- Anmerkung) die Verschaffung der
vertraglich vereinbarten Rechte an der Liegenschaft zu sichern.
Die bezahlten Beträge sollen dem Erwerber als Wertzuwachs seines
Grundstücks letztlich wirtschaftlich zugute kommen und seine Rückforderungsansprüche
– sollte das Bauwerk nicht fertiggestellt werden können – sollen im
Fall der Versteigerung der Liegenschaft zum größten Teil Deckung
finden. | §
9 BTVG |
§ 40 Abs 2 WEG regelt, dass der WE-Organisator
vor der Anmerkung der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum
Zahlungen weder fordern noch annehmen darf. Das Verbot wird durch
einen Anspruch auf Rückforderung und spürbare Verzinsung des Kapitals
effektuiert und geht insofern seit dem WEG 2002 mit dem BTVG konform. | |
Es ist bei
dieser Sicherung verpflichtend, einen Treuhänder zu
bestellen, der über die wesentlichen Vertragsinhalte, vor allem
über die Belastungen und die Art der Sicherung in rechtlicher Hinsicht zu
belehren hat und die Einhaltung des Ratenplans überwachen soll;
Belehrungs- und Überwachungstreuhänder, nicht Abwicklungstreuhänder. |
Treuhänderbestellung |
Das
grundbücherliche Modell stellt jedoch keineswegs sicher, dass der
Käufer im Fall der Insolvenz des Bauträgers mit
vertretbarem Kostenaufwand die Fertigstellung „seiner Wohnung” durchsetzen
können wird. Sollte eine Fertigstellung scheitern, muss der Käufer
zur Rückgewinnung seiner eingezahlten Beträge seine Liegenschaftsanteile verwerten,
was im Regelfall zu weiteren Kosten führen wird. | Insolvenz des Bauträgers |
Das pfandrechtliche Sicherungsmodell und
das
Baukontomodell sind
aus praktischer Sicht nicht zu empfehlen und werden in der Praxis
auch nie vereinbart. | |
| |
Von Viktor Thurnher | |
Die Treuhand ist ein uraltes Rechtsinstitut, das seit Jahrtausenden
in der Rechtspraxis Anwendung findet. Auch heute erfüllt die Treuhand
außerordentlich wichtige Funktionen im täglichen Rechts- und Wirtschaftsleben.
In zahlreichen Anwendungsfällen wurde die Treuhand gesetzlich
verankert: zB § 225a Abs 2 AktG: Treuhändige Abwicklung
der Anteilsübertragung bei einer Verschmelzung, vgl auch § 2 UmwG
oder § 114 Abs 4 AktG: Ermächtigung der Bank, die Stimmrechte aus
den in ihren Depots liegenden Aktien wahrzunehmen. – In anderen
Fällen hat sich die Kautelarpraxis des Instituts
der Treuhand bedient und überaus nützliche Konstruktionen entwickelt. | |
1. Weiter Anwendungsbereich | |
So wird
etwa ein Großteil der Liegenschaftstransaktionen,
insbesondere bei Fremdfinanzierung, unter Einschaltung eines Treuhänders
abgewickelt; zum Liegenschaftskauf → KAPITEL 2: Besonderheiten
des Liegenschaftskaufs.
Da aufgrund der für den Eigentumsübergang erforderlichen Eintragung
in das Grundbuch das Zug-um-Zug-Prinzip nicht (so einfach) eingehalten
werden kann, soll der Treuhänder den für alle Beteiligten mit Unsicherheiten
behafteten Zeitraum überbrücken, indem er zB den Kaufpreis treuhändig
übernimmt, die für die grundbücherliche Durchführung erforderlichen
Urkunden und Erklärungen einholt und nach Eintragung der Rechtsänderungen
den Kaufpreis an den Verkäufer aushändigt. | Liegenschaftstransaktionen |
 | |
 | |
Judikaturbeispiele belegen aber auch, dass
auch „untreue” Treuhänder tätig werden. | |
|
OGH 7.9.2000, 8 Ob 13/99s, JBl 2001, 175:
A wendet sich an die Bank B und begehrt einen Kredit zur Finanzierung
des Erwerbs einer Eigentumswohnung. B räumt den gewünschten Hypothekarkredit
ein. Im Gegenzug soll ein Höchstbetragspfandrecht im ersten Rang
auf der zu erwerbenden Liegenschaft einverleibt werden. Der vom
Verkäufer (V) der Liegenschaft bestellte Treuhänder T übernahm die
Kreditvaluta mit dem Auftrag, diese für Rechnung des A an den V
zu zahlen, sobald die für die grundbücherliche Durchführung der
Eigentumsübertragung und der Pfandrechtsbestellung erforderlichen
Urkunden vorliegen. Nach Unterzeichnung des Kaufvertrags und der
Kreditvereinbarung überwies B die Kreditvaluta an T. „In der Folge
ist der Treuhänder mit dem von [B] an ihn überwiesenen Betrag verschwunden,
ohne die genannten Aufträge ausgeführt zu haben”. Entgegen seiner
früheren Rspr nimmt der OGH nunmehr – zutreffend – eine gleichmäßige
Risikoverteilung unter den beteiligten Parteien vor. Eine eindeutige
Zuordnung des Vermögens während der Abwicklung der Treuhandschaft
sei ausgeschlossen, die treuhändige Abwicklung erfolge im Interesse
aller Beteiligten, daher haben sie auch gemeinsam das Risiko zu
tragen. | |
|
Auch bei gesellschaftsrechtlichen
Abwicklungen werden häufig Treuhänder eingeschaltet, sei
es zur Vermeidung unerwünschter Steuernachteile, sei es um die wahren
wirtschaftlichen Berechtigten (Handelnden) nicht offen zu legen,
sei es aus Vereinfachungsgründen (etwa zur Bündelung von Unterbeteiligungen
an Mitunternehmeranteilen). | Gesellschaftsrecht |
Neben
diesen zahlreichen legalen und durchaus zweckmäßigen Anwendungsfällen
der Treuhand, wird dieses Institut jedoch auch zur
Gesetzesumgehung eingesetzt;
dazu → KAPITEL 12: Geschäftsbesorgung. Die vertraglichen Regelungen sind in solchen
Fällen zumeist mit Nichtigkeitssanktion bedroht: zB Erwerb einer
Liegenschaft durch einen Treuhänder, um die grundverkehrsrechtliche
Genehmigung zu erlangen; Übernahme eines Gesellschaftsanteils durch
einen Treuhänder, weil der Treugeber bei einer direkten Beteiligung
gegen ein Wettbewerbs- oder Konkurrenzverbot verstoßen würde; Erwerb
einer geförderten Eigentumswohnung durch einen „förderungswürdigen” Treuhänder
für Rechnung eines „förderungsunwürdigen” Treugebers. | Gesetzesumgehung |
2. Anwendungsfall
der Geschäftsbesorgung | |
Die
Treuhand ist ein Anwendungsfall der Geschäftsbesorgung ( → KAPITEL 12: Der
Auftrag).
Ihr liegt also ein Auftrag des Treugebers an den
Treuhänder zu Grunde, Rechte des Treugebers im eigenen Namen aber
auf der Grundlage der vertraglichen Bindung (
Treuhandabrede)
auf bestimmte Weise auszuüben. – Werden dabei die Rechte auf den
Treuhänder übertragen spricht man von einer
Vollrechtstreuhand (Fiduzia). Wird der Treuhänder
hingegen nur ermächtigt, liegt sog
Ermächtigungstreuhand vor.
Im Rechtsleben überwiegt die Fiduzia. | Arten der Treuhand -Treuhandabrede |
Der Treuhänder
hat im Hinblick auf das ihm anvertraute Treuhandgut eine Rechtsposition,
die über den mit der Treuhandabrede verfolgten Zweck hinaus reicht.
Er hat also überschießende Rechtsmacht: „Er kann mehr, als er darf.”
Dieses „fiduziarische Element” findet sich aber auch in anderen
Rechtsinstituten; etwa bei der Verwahrung, der Kommission, der Leihe
etc. Bei manchen Geschäften tritt dieses Element so stark in den
Vordergrund, dass man von Anwendungsfällen der Treuhand spricht;
etwa bei der Sicherungsübereignung ( → KAPITEL 8: Die
Sicherungsübereignung)
und der Sicherungsabtretung (Sicherungszession → KAPITEL 14: Sicherungszession). | Überschießende Rechtsmacht |
Da
bei diesen Geschäften die Sicherungsfunktion im Vordergrund steht,
die auch (oder vielleicht überwiegend) im Interesse des Sicherungsnehmers
(Treuhänders) steht, spricht man in diesem Zusammenhang auch von
eigennütziger
Treuhand im Gegensatz zur herkömmlichen
fremdnützigen
Treuhand, bei der die Wahrnehmung der Interessen des Treugebers
durch den Treuhänder im Vordergrund steht. | Eigennützige und fremdnützige Treuhand |
3. Unterscheidung
von „formeller” und „materieller” Berechtigung | |
Charakteristisch bei der Treuhand ist das Auseinanderfallen
von Rechtszuständigkeiten zwischen dem „formal” berechtigten
Treuhänder und dem „materiell” oder „wirtschaftlich” berechtigten
Treugeber. Augenscheinlich wird das Problem im Fall der
Insolvenz
des Treuhänders. Das nach außenhin dem Treuhänder zustehende
Vermögen zählt nicht zur Befriedigungsmasse seiner Gläubiger. Der
Treugeber hat Anspruch auf Aussonderung (im Fall der Exekutionsführung
gegen den Treuhänder: Exzindierung → Die Treuhand)
seines Eigentums und zwar unabhängig davon, ob für die Gläubiger
erkennbar war, dass es sich um „Eigentum” des Treugebers handelte
( offene
Treuhand) oder nicht ( verdeckte Treuhand;
Durchbrechnung des sachenrechtlichen Publizitätsgrundsatzes). | |
4. Abgrenzung der
Treuhand von anderen Rechtsinstituten | |
Die Abgrenzung der Treuhand von anderen Rechtsinstituten
(Stellvertretung, Verwahrung) bereitet im Allgemeinen keine Schwierigkeiten.
Eine Abgrenzung von der mittelbaren Stellvertretung ( → KAPITEL 13: Die
indirekte Stellvertretung)
kann in Wahrheit nicht gelingen, weil idente Sachverhalte vorliegen: Auch
der mittelbare Stellvertreter nimmt fremde Rechte im eigenen Namen
wahr; er „unterscheidet” sich vom Treuhänder nur durch eine andere
Bezeichnung. Auch der
Strohmann ist typischer Treuhänder. | |
Unerfindlich
ist daher, warum ein Aussonderungs- und Exszindierungsanspruch des
(mittelbar) Vertretenen gegen die Gläubiger des mittelbaren Stellvertreters
von der Rspr verwehrt wird, während die Ansprüche auch des verdeckten
Treugebers gegenüber den Gläubigern des Treuhänders gewahrt werden.
Diese Diskrepanz in der Judikatur blieb bislang unbegründet. | Ungereimtheiten in der Rspr |
|
GesRZ 1978, 30: Eine Bank gewährte Autoreparaturkredite.
Die Forderungen gegen die Kreditnehmer wurden zu 100 % als Forderungen
der Bank gegen die jeweiligen Kreditnehmer verbucht. Die Kreditmittel stammten
aber nur zu 50 % von der Bank, die restlichen 50 % kamen von der
A-KG. Die Kredite wurden ausnahmslos im Namen der Bank gewährt,
die A-KG schien den Kreditnehmern gegenüber nicht auf. Die Bank
verfiel in Konkurs, die A-KG begehrte die Aussonderung von 50 %
der von der Bank (Gemeinschuldnerin) eingezogenen Kreditforderungen.
Der OGH ging vom Bestand einer Innengesellschaft aus und meinte,
eine solche könne sich nicht durch einen Bevollmächtigten vertreten
lassen. Daher komme nur indirekte Stellvertretung in Frage. Der
indirekte Stellvertreter erwerbe aber nur für sich, nur er würde persönlich
berechtigt und verpflichtet. Die an die Bank rückfließenden Beträge
seien daher in ihr Alleineigentum gelangt und nicht aussonderungsfähig. | |
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RdW 1990, 911: Eine Liegenschaft
wurde exekutionsweise versteigert. A ging mit Exzindierungsklage gegen
das Exekutionsverfahren vor und machte geltend, dass der Liegenschaftseigentümer
S diese aufgrund der vor einigen Jahren abgeschlossenen Treuhandvereinbarung
nur als Treuhänder des A erstanden habe. Der OGH gesteht dem Treugeber
den Exzindierungsanspruch zu, stellt allerdings Anforderungen an den
Nachweis des Bestands des Treuhandverhältnisses. | |
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BGH, ZIP 1993, 1185: Die Ehegattin hat
ein Widerspruchsrecht gegen die Zwangsvollstreckung in ein
Bankkonto ihres Ehemannes, wenn der Mann das Konto als
Treuhandkonto für Rechnung seiner Gattin führt: „Für das Widerspruchsrecht
des Treugebers nach § 771d ZPO (= § 37 EO) ist die Publizität des
Treuhandkontos … nicht zwingend erforderlich”. Dem BGH genügt bereits,
wenn an den Nachweis des Treuhandverhältnisses „nicht nur verbal,
sondern tatsächlich strenge Anforderungen gestellt werden”. | |
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I. Die
Anweisung: §§ 1400 ff ABGB | |
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Zum
Verständnis des Streckengeschäfts als Anweisung → KAPITEL 7: Das Streckengeschäft
als Sonderfall des § 1423 ABGB.
– Anders als bei der Besitzanweisung, bei welcher der Anweisende
bereits Eigentümer und Besitzer der zu veräußernden Sache ist, muss
sich beim Streckengeschäft der Verkäufer die Ware selbst erst „besorgen”,
um seine Vertragspflichten erfüllen zu können. Er bedient sich dabei
eines Dritten. | Streckengeschäft |
Rechtsgeschichtlich
stammt die Anweisung aus dem alten Griechenland. Wir besitzen Inschriften
/ Urkunden (Delphi) darüber, dass zB Tempelverwaltungen (Delphi)
sich der Anweisung bedienten, um ihre Schulden an Handwerker oder
Baumeister im Rahmen getätigter Bauführungen etc zu begleichen.
Griechenland besaß bereits ein entwickeltes Bankwesen und einschlägige
Rechtsberufe (Trapizites) und übermittelte dieses Wissen früh an
die Römer. | Rechtsgeschichte |
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§ 1400 ABGB | |
Durch die Anweisung auf eine Leistung eines Dritten
wird der Empfänger der Anweisung (Assignatar) zur Einhebung der
Leistung bei dem Angewiesenen (Assignat) und der letztere zur Leistung
an ersteren für Rechnung des Anweisenden (Assignant) ermächtigt.
Einen unmittelbaren Anspruch erlangt der Anweisungsempfänger gegen
den Angewiesenen erst, wenn die Erklärung des Angewiesenen über
die Annahme der Anweisung ihm zugekommen ist. | |
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1. Die Anweisung
als „Dreiecks”-Beziehung | |
Das schuldrechtliche Grundmuster der Anweisung ist – wie
jenes der Zession oder der Bürgschaft – ein dreipersonales Schuldverhältnis
(Dreiecksbeziehung → Die Parteien der
Anweisung),
mag auch die jeweilige innere Ausgestaltung dieser Rechtsinstitute
unterschiedlich erfolgt sein. – Bei der Zession zahlt
der Zedent seine Schuld gegenüber dem Zessionar dadurch, dass er
diesem seine Forderung gegen den Zessus abtritt, also überträgt.
Bei der Anweisung tilgt der Assignant seine Schuld
dadurch, dass er den Assignaten, der ihm etwas schuldet, anweist,
an den Assignatar – er ist Gläubiger des Assignanten – zu leisten.
Durch die Leistung des Assignaten an den Assignatar erfüllt sowohl
der Assignat seine Schuld gegenüber dem Assignanten, wie dieser
die seine gegenüber dem Assignatar. | |
Eine beliebte Prüfungsfrage Franz Gschnitzers
lautete: Der Dritte oder Dreiecksbeziehungen im Privatrecht. – Was fällt
Ihnen über die hier genannten Rechtsinstitute hinaus noch ein? | |
2. Die Parteien der
Anweisung | |
Parteien der Anweisung sind: | |
•
Anweisender /
Assignant, | |
•
Angewiesener / Assignat und | |
•
Anweisungsempfänger / Assignatar. | |
Daraus erhellt: Die Anweisung ist ein dreipersonales
Schuldverhältnis. | |
 | Abbildung 15.34: Beispiel einer Anweisung |
|
3. Die Anweisung
als Doppelermächtigung | |
Die Anweisung
enthält eine doppelte Ermächtigung: | |
•
Einerseits ermächtigt
der Anweisende den Angewiesenen für seine, also des Anweisenden Rechnung,
an den Anweisungsempfänger zu leisten; und | |
•
andrerseits ermächtigt der
Anweisende den Anweisungsempfänger, vom Angewiesenen die Leistung
zu verlangen; vgl § 1400 ABGB. | |
Die Ermächtigung beinhaltet keine Pflicht,
sondern bloß die Befugnis auf Rechnung des Ermächtigenden – hier
des Anweisenden – zu handeln. Die Ermächtigung wirkt bloß im Innen-,
nicht im Außenverhältnis. Der Ermächtigte handelt im eigenen Namen,
aber auf fremde Rechnung. – Zur Erinnerung: Ermächtigung bedeutet,
dass der Ermächtigende das (künftige) Handeln des Ermächtigten rechtlich
gegen sich gelten lässt. | |
Typisches Beispiel der Praxis ist die Einziehungsermächtigung:
Sie ermächtigen zB als MieterIn ihren Vermieter, die jeweilige Monatsmiete
von ihrer Bank „einzuziehen”. – Grundsätzlich sollte mit Einziehungsermächtigungen sparsam
umgegangen werden. Kontrolle erscheint nämlich stets nötig. Unzulässig
ist es bspw alte Menschen (im Alters- oder Pflegeheim) dazu zu zwingen. | |
4. Die drei Rechts-Verhältnisse
der Anweisung | |
Bei der Anweisung sind drei Rechtsverhältnisse zu
unterscheiden: das Deckungsverhältnis, das Valutaverhältnis
und das Abwicklungsverhältnis. | |
 | Abbildung 15.35: Anweisung §§ 1400 ff ABGB |
|
•
Die Gründe für
eine Anweisung können verschiedene sein. Sie liegen – auch im vorhin
erwähnten Beispiel – der Rechtsbeziehung zwischen A und B zugrunde:
sog Deckungsverhältnis. Das Dekkungsverhältnis kann sein: | |
•
Anweisung auf Schuld; A besitzt
bspw ein Kontoguthaben bei B. Hier ist B (vertraglich) verpflichtet
der Anweisung Folge zu leisten, denn B ist Schuldner von A; daher:
Anweisung auf „Schuld”! | |
•
Anweisung auf Kredit; Angewiesener
(B) räumt dem Anweisenden (A) Kredit ein, indem er zustimmt an C
zu leisten. Hier liegt der Fall umgekehrt. B muss zustimmen. | |
Ist der Anweisung ein Rechtsgrund
zu entnehmen, spricht man von titulierter (= mit
Titel „versehener”) oder kausaler (causa = Rechtsgrund)
Anweisung, sonst von abstrakter. | |
Die
Rechtsbeziehung im Valutaverhältnis ist entweder
eine: | |
•
Anweisung
zur Zahlung; A will seine Schuld C gegenüber durch Anweisung
an B begleichen. – Oder eine | |
•
Anweisung zur Kreditgewährung;
A räumt C über B Kredit ein. | |
Das Abwicklungs-, Einlösungs-,
Annahme- oder Honorierungsverhältnis: Wie die Offerte wird die Anweisung
mit Zugang wirksam und unwiderruflich. Weist A den B an, an C zu
leisten, so entsteht daraus aber noch kein Recht des C von B die
Leistung zu verlangen. Erst wenn B die Anweisung annimmt (Akzept),
entsteht ein Anspruch des C gegen B auf Leistung, wobei zu beachten
ist, dass auch C wiederum die Annahme des B zugehen muss; § 1400
ABGB. Leistet B in der Folge an C, erfüllt er für A. | |
| |
Sie beruht –
wie die
Postanweisung –
auf einem
Girovertrag (=
Dauerschuldverhältnis), dessen Inhalt insbesondere in Kontoeröffnung
und Kontoführung besteht. Die Verfügung des Kontoberechtigten
über sein Konto erfolgt mittels Weisung. | |
| |
Sonderfälle der Anweisung sind Wechsel und Scheck.
Dazu gleich mehr. Hier heißen die Parteien der Anweisung: | |
•
Anweisender = Aussteller
| |
•
Angewiesener = Bezogener (beim
Scheck immer ein Kreditinstitut) | |
•
Anweisungsempfänger
= Begünstigter oder Remittent. | |
Wechsel
und Scheck sind – wie Aktie oder Schuldverschreibung – Wertpapiere;
dh es handelt sich um Urkunden, die ein Privatrecht verbriefen,
wobei das Recht aus der Urkunde von der Inhabung der Urkunde abhängt.
Oder kurz: Das Recht aus dem Papier, folgt dem Recht am
Papier. – Zur Unterscheidung der Wertpapiere von bloßen
Beweispapieren / -urkunden wie einem Schuldschein, der etwa einen
Darlehensempfang beweisen soll → KAPITEL 3: Schuldschein
und Quittung. | Wertpapiere |
| |
Rechtsgrundlage: WechselG 1955, BGBl 49
(Vorläufer: WechselO 1850, RGBl 51). | |
 | |
Der Wechsel ist ein formgebundenes
Orderpapier. Er muss ausdrücklich als Wechsel bezeichnet werden;
Art 1 WG für den gezogenen Wechsel. Er ist ein schuldrechtliches
Wertpapier und enthält als: | |
•
gezogener
Wechsel oder Tratte die unbedingte Anweisung,
eine bestimmte Geldsumme (=Wechselsumme) zu bezahlen oder als | |
•
eigener oder Sola-Wechsel (Aussteller
= Bezogener) ein unbedingtes Zahlungsversprechen. | |
Die Tratte ist dreipersonales, der Solawechsel ein zweipersonales
Schuldverhältnis. | |
Vgl dazu die folgenden Muster. | |
1. Gültigkeitsvoraussetzungen | |
Erforderlich sind nach Art 1 Z 3 ff WG auch: | |
•
Die Nennung dessen, der zahlen
soll (= Bezogener), | |
• die Angabe der Verfallszeit (also
der Fälligkeit), | |
• des Zahlungsorts, | |
• des Tages und Ortes
der Ausstellung sowie | |
•
der Name dessen, an
den oder dessen Order zu zahlen ist (= Begünstigter /
Remittent), | |
• schließlich die Unterschrift des Ausstellers. | |
 | Abbildung 15.36: Sola-Wechsel |
|
Ordre (fr),
deutsch „Order” bedeutet: Auftrag, Anweisung, Befehl,
Verfügung. – Durch die Orderklausel macht der Aussteller
ein sog gekorenes Wertpapier zum Orderpapier; positive Order:
„Zahlen Sie an Frau Y oder an Ihre Order”; die negative
Order nimmt einem geborenen Orderpapier seinen Charakter:
„ ... nicht an Order”. Vgl Art 11 Abs 1 WG: „Jeder Wechsel kann
durch Indossament übertragen werden, auch wenn er nicht ausdrücklich
an Order lautet” (geborenes Orderpapier); – Abs 2: „Hat der Aussteller
in den Wechsel die Worte „nicht an Order„ ... aufgenommen, so kann
der Wechsel nur in der Form und mit den Wirkungen einer gewöhnlichen
Abtretung [= Zession: §§ 1392 ff ABGB] übertragen werden.” | „Order” |
Das Orderpapier ist
– neben den Inhaber- und Rektapapieren –
ein weiterer Typus des Wertpapiers. Darin verspricht der Aussteller
des Wertpapiers an eine bestimmte Person (den Berechtigten) oder
eine vom Berechtigten durch Indossament bezeichnete Person zu leisten.
Es werden die geborenen (Wechsel oder Namensaktie) von den gekorenen
(kaufmännische Anweisung, Lade- und Lagerschein, Konossement) Orderpapieren
unterschieden; letztere werden nur dadurch zu Orderpapieren, dass
die positive Orderklausel in das Wertpapier aufgenommen wird. Für
geborene Orderpapiere ist das nicht nötig, vielmehr müsste ihnen
durch die negative Orderklausel der Charakter des geborenen Orderpapiers
genommen werden. | Orderpapier |
2. Gezogener Wechsel
und Sola-Wechsel | |
Als gezogener Wechsel /
Tratte ist der Wechsel eine Anweisung, als eigener oder Sola-Wechsel, stellt
er ein besonderes Schuldversprechen des Ausstellers dar. | |
Der Wechsel enthält eine abstrakte Verpflichtung /
Forderung; dh: der Wechselverpflichtung ist kein bestimmter Rechtsgrund
/ Titel zu entnehmen. Der Wechsel begründet vielmehr eine eigenständige,
vom ursprünglichen (Grund)Geschäft losgelöste Verpflichtung. | |
Dennoch liegt der Wechselverbindlichkeit
regelmäßig ein bestimmtes Rechtsverhältnis zugrunde; sei es Kauf, Darlehen
oder ein Sicherungsgeschäft. – Die Änderung einer Kauf-, in eine
Wechselschuld ist Novation / Neuerungsvertrag. Geändert wird dabei
der Rechtsgrund → KAPITEL 7: Novation
oder Neuerungsvertrag. | |
Wer ist Hauptschuldner des
Wechsels? – Beim gezogenen Wechsel der Bezogene; er heißt nach Annahme
/ Akzept; Akzeptant. – Beim eigenen Wechsel ist es der Aussteller
selbst, da Aussteller und Bezogener identisch sind. – Darüber hinaus
haften allfällige Indossanten oder Wechselbürgen. | |
3. Materielle und
formelle
Wechselstrenge | |
Einwendungen aus dem
Grundgeschäft (zB Verzug, Gewährleistung oder Schadenersatz, aber
auch die bereits erfolgte Erfüllung der Schuld oder ihre Verjährung)
können nach Begebung des Wechsels – also seiner Weitergabe durch
Indossament – nicht mehr erhoben werden; sog materielle
Wechselstrenge. | Materielle
Wechselstrenge |
Dieser
Gefahr versucht § 11 KSchG vorzubeugen, indem er verbietet, bei Verbrauchergeschäften Orderwechsel auszustellen.
Aber dieser Schutz ist ein unvollkommener, weil ein Verstoß nur
eine Verwaltungsstrafe nach sich zieht, nicht aber die Ungültigkeit
des verbotswidrig ausgestellten Orderwechsels zu Folge hat. Das
führt in der Verbraucherpraxis immer wieder zu Problemen, weil Verbraucher
die Gefahren des Wechselrechts nicht kennen oder unterschätzen und
daher etwa eine Kauf- oder Werkvertragsschuld, zu deren Sicherung
sie einen Wechsel blanko unterfertigt haben, bezahlen ohne den Wechsel
Zug um Zug zurückzufordern. Im Falle der – wenn auch rechtswidrigen
– Begebung des Wechsels durch den Aussteller (= Verkäufer/Indossant)
erwirbt der Indossatar (zB eine Bank) daher eine gültige Wechselforderung.
Das kann bedeuten, dass der Wechselschuldner (= Käufer) erneut,
also ein zweites Mal leisten muß, was im Konkurs des Verkäufers
eine Rolle spielt. | Verbot der Ausstellung von Orderwechseln |
Unter formeller
Wechselstrenge versteht man: | |
einerseits, dass der Text der Wechselurkunde klar
und zweifelsfrei den Inhalt der Wechselverpflichtung zum Ausdruck
bringen muss, weil nicht auf Umstände außerhalb der Wechselurkunde zurückgegriffen
werden darf. – Die Formstrenge des Wechsels dient der Rechtssicherheit und Verkehrsfähigkeit des
Wechsels; daher kennt der Wechsel – wie der Scheck – zwingende Gültigkeitsvoraussetzungen
(s. oben), ohne deren Erfüllung kein Wechsel vorliegt. | |
Zur formellen Wechselstrenge gehört aber andererseits auch
die erleichterte und rasche Durchsetzbarkeit wechselmäßiger
Ansprüche gegen den Akzeptanten oder sonstige Haftende
in einem eigenen (Sonder)Verfahren; dazu unten: Wechselmandatsverfahren. | |
 | Abbildung 15.37: Gezogener Wechsel/Tratte |
|
| |
Wir unterscheiden – im Hinblick auf das abgeschlossene /
zugrunde liegende (Grund)Geschäft (!) – folgende Wechseltypen: | |
• den
Warenwechsel,
dem ein Kaufvertrag zugrunde liegt. Der Verkäufer stellt dabei über
die Kaufpreissumme einen Wechsel aus und lässt diesen vom Käufer
(als Bezogenen) akzeptieren.In dieser häufig vereinbarten Zahlungsart
liegt für beide Seiten ein Vorteil; der Käufer braucht nicht bar
zu zahlen, da ihm der geschuldete Betrag bis zur Fälligkeit des
Wechsels kreditiert wird. Und für den Verkäufer bedeutet der Wechsel,
den er diskontieren kann (→ Wechseldiskont)
praktisch Bargeld. | |
•
der Finanz(ierungs)wechsel dient
der Geldbeschaffung. Eine Bank akzeptiert als Kreditgeber einen
von ihrer Kundschaft (als Kreditnehmer) auf sie gezogenen Wechsel;
auch als sog Akzeptkredit bezeichnet; | |
•
und den Kautionswechsel, welcher
der Sicherstellung (idR eines Kredits) dient; und zwar so, dass
der Kreditnehmer, seinem Kreditgeber ein Blankoakzept aushändigt,
das vorerst (unausgefüllt) den Kreditunterlagen beigefügt und erst
ausgefüllt wird, wenn der Kreditnehmer mit seiner (Kredit)Rückzahlung
in Verzug gerät. Der Wechsel dient der Bank als (zusätzliches) Sicherungsmittel
im Ernstfall. | |
Für diese Kreditform sprechen in der Praxis die rasche Erledigungsmöglichkeit
und ihre Kostengünstigkeit. Auf diese Weise kann ein nötiger Kredit
noch „am selben Tag” gegeben und damit rasch geholfen werden. | |
Die Forderung aus dem Grund- oder Kausalgeschäft –
zB einem Warenkauf – und die Wechselforderung bestehen
solange parallel nebeneinander, bis die Wechselschuld
bezahlt wird. Da die Fälligkeit eines Wechsels idR deutlich später
vereinbart wird, als die Fälligkeit des Grundgeschäfts – sonst könnte
gleich bar bezahlt werden! – gilt die Forderung aus dem Grundgeschäft
bis zur Wechselfälligkeit als gestundet; wenn nicht ausdrücklich,
so doch schlüssig (§ 863 ABGB). | Grundgeschäft
und Wechselforderung |
5. Praktische Handhabung
– Das Indossament als Übertragungsakt | |
Im Normalfall (eines gezogenen Wechsels) wird ein Wechsel
vom Aussteller ausgestellt und an den Begünstigten / Remittenten
„ begeben”. Die Annahme des Wechsels durch den Bezogenen ( Akzept)
kann demnach vor oder nach Begebung des Wechsels durch den Aussteller
an den Begünstigten erfolgen. Der Begünstigte wiederum kann den
Wechsel selbst behalten (und zB diskontieren → Wechseldiskont)
oder (an einen Gläuber von ihm mittels Indossament) weitergeben. | |
Die
Übertragung des Wechsels erfolgt durch seine Übergabe + Indossament (=
Übertragungsvermerk eines Wechsels auf dessen Rückseite). Damit
werden alle Rechte aus dem Wechsel übertragen. Mittels Indossament
überträgt der bisherige Wechselgläubiger (Altgläubiger = Indossant) die
Wechselforderung an den Indossatar (= Neugläubiger). | Übertragung des Wechsels |
Jeder, der einen Wechsel in Händen hält, gilt nach Art 16
WG als sein rechtmäßiger Inhaber, sofern er sein Recht durch eine
ununterbrochene Reihe von Indossamenten nachweisen kann. – Bezahlt der
Akzeptant bei Fälligkeit den Wechsel, erlöschen alle Wechselverbindlichkeiten. | |
 | Abbildung 15.38: Beispiel eines Indossaments |
|
6. „Notleidender”
Wechsel | |
Zahlt der Akzeptant (als
Hauptschuldner des Wechsels) aber nicht oder verweigert der Bezogene schon
die Annahme, kann der Wechselinhaber Rückgriff nehmen; Wechselregress.
Dazu braucht es (als Voraussetzung) den
Wechselprotest:
Der Protestvermerk erfolgt üblicherweise auf der Rückseite des Wechsels
oder einem Anhang / Allonge. Er wird von einem Notar oder Gerichtsbeamten
durchgeführt, dem dazu Inkassobefugnis übertragen wird. | |
„Protestiert” wird entweder: | |
• mangels Zahlung oder | |
• mangels Annahme. | |
Die Protesturkunde ist eine öffentliche Urkunde, zumal sie
von einer Amtsperson errichtet wird. In ihr wird bescheinigt, dass
die gewünschte wechselmäßige Leistung (Zahlung oder Annahme / Akzept)
verweigert wurde. Die Daten des Wechselprotests und sein Urkundencharakter
erleichtern ein sich allenfalls anschließendes Wechselmandatsverfahren. | |
Beim Rückgriff nimmt
der jeweilige Wechselinhaber zB seinen Vormann oder auch alle Vorberechtigten
in Anspruch. – Der Rückgriff endet letztlich beim Aussteller, der
wiederum den Akzeptanten in Anspruch nehmen kann. | |
 | |
Beachte: Wechselhaupt schuldner
ist der Akzeptant, der ohne weitere Voraussetzungen (zB Wechselprotest)
3 Jahre ab Verfallstag haftet; weitere Rückgriffsschuldner sind
der Aussteller und die Indossanten sowie allfällige Wechselbürgen
oder Ehrenannehmer, deren Haftung aber einen rechtzeitigen Wechselprotest
voraussetzt. – Der Rückgriff ist entweder: Erstrückgriff (von
jedem beliebigen einzelnen Rückgriffsschuldner, von mehreren oder allen
solidarisch) oder Einlösungs- oder Remboursregress (ein
zahlender Rückgriffsschuldner – vgl § 1358 ABGB – nimmt seine Vormänner
einzeln oder als Solidarschuldner in Anspruch). | |
7. Das Wechselmandatsverfahren | |
Wechselansprüche
können effektiv und schnell in einem Sonderverfahren, dem Wechselmandatsverfahren
(§§ 556-559 ZPO), durchgesetzt werden. Es ist Teil der sog formellen
Wechselstrenge. Das Wechselmandatsverfahren ist ein reiner Urkundenprozess.
Das Erlassen eines Wechselzahlungsauftrags setzt
– zusammen mit dem Antrag – die Vorlage eines formgültigen und unbedenklichen
Wechsels (Art 1 WG) im Original voraus; vgl EvBl 1999/158: Verfahren
bei Vorliegen eines formungültigen Wechsels. Das Gericht erlässt
im Normalfall (ohne Anhörung des Beklagten) einen
Wechselzahlungsauftrag =
Auftrag an den Beklagten / Wechselverpflichteten entweder zu bezahlen
oder Einwendungen zu erheben. Nur in letzterem Fall kommt es zu
einer mündlichen Verhandlung, die mit Urteil endet. Der Beklagte
hat dann binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen. | Sonderverfahren |
Die Ansprüche des Klägers können – zusätzlich
– schon während des Wechselverfahrens durch eine Exekution zur Sicherstellung
gesichert werden, die in der Folge in eine Exekution zur Befriedigung
übergeleitet werden kann → KAPITEL 19: Exekution
zur Sicherstellung. | |
| |
Der Wechsel ist wahrscheinlich
erst eine Erfindung der oberitalienischen Städte (Lombardei) des 12.
Jhd. Das Wechselgeschäft ist auch für Banken wichtig und einträglich.
– Unter Wechseldiskont versteht man den Erwerb / Verkauf eines noch
nicht fälligen Wechsels unter Abzug der Diskont- oder Zwischenzinsen
(+ Provision und Unkosten) an/von ein/em Kreditinstitut. – Banken
können Wechsel wiederum an die Österreichische Nationalbank rediskontieren: Rediskont- oder Eskontgeschäft. | |
Voraussetzungen für die Diskontierbarkeit eines Wechsels: | |
•
Warenwechsel (→
Wechselarten / -typen), | |
• lautend auf Euro, | |
•
Fälligkeit
innerhalb von 3 Monaten vom Ankaufstag an gerechnet (sog Dreimonatsakzept), | |
•
Haftung (aus dem Wechsel) von
wenigstens zwei zahlungsfähigen Personen; zB Aussteller und Bezogener. | |
Worin
liegt die Attraktivität des Wechseldiskontgeschäfts,
das zu den Bankgeschäften zählt? – Beide Parteien des Grundgeschäfts
und das beteiligte Kreditinstitut können Vorteile buchen. Der Käufer
profitiert vor allem von der Kreditierung des Kaufpreises und von
der damit einhergehenden Möglichkeit, bargeldlos zahlen zu können.
Das dadurch eingegangene – höhere – Risiko des Verkäufers hält sich
in Grenzen, zumal das Kreditinstitut nicht jeden Wechsel diskontiert, vielmehr
Voraussetzungen gestellt werden, und zudem die formelle und materielle
Wechselstrenge seiner Sicherheit dienen. Durch die Diskontierbarkeit
des Wechsels bedeutet dieser für den Verkäufer fast soviel wie Bargeld.
Der Verkäufer muss also nicht bis zum Verfallstag des Wechsels (seine
Fälligkeit) warten, bis er zu seinem Geld kommt. Das Kreditinstitut
schließlich macht ein Geschäft – § 1 Abs 1 Z 4 BWG. – und kann seinerseits
an die Österreichische Nationalbank rediskontieren. | |
| |
Rechtsgrundlage: ScheckG 1955, BGBl 50. | |
Der Scheck ist wie der Wechsel
ein formgebundenes schuldrechtliches Wertpapier (Orderpapier), das
ausdrücklich als Scheck bezeichnet werden muss und auf Zahlung einer
bestimmten Geldsumme zu lauten hat. Auch der Scheck ist bürgerlichrechtliche
Anweisung. – Die wirtschaftliche Bedeutung des
Schecks liegt in seiner Eigenschaft als bargeldloses Zahlungsmittel.
Obwohl der Scheck ein Orderpapier ist, kommt er praktisch nur als Inhaberpapier vor.
Auch der Scheck enthält / verbrieft eine abstrakte Verbindlichkeit,
die vom Grundgeschäft losgelöst ist, das aber – wie beim Wechsel
– idR die Scheckverbindlichkeit begleitet. | |
| |
Nach Art 3 SchG darf ein Scheck nur auf
einen ”Bankier gezogen werden, bei dem der [Scheck]Aussteller
ein Guthaben hat, und gemäß einer ausdrücklichen oder stillschweigenden
Vereinbarung, wonach der Aussteller das Recht hat, über dieses Guthaben
mittels Scheck zu verfügen.” | |
Anders als der
Wechsel kann ein Scheck nicht angenommen werden; Art 4 SchG. Schecks
sind zwingend bei Sicht (= Vorlage) zahlbar; Art 28 Abs 1 SchG:
Dadurch soll vermieden werden, dass der Scheck, der ausschließlich
dem Zahlungsverkehr dienen soll, als Kreditmittel verwendet wird. | |
Nach Art 12 SchG haftet der Scheckaussteller für
die (Aus)Zahlung des Schecks. Die Zahlung mit Scheck erfolgt nicht
an Zahlungsstatt, sondern nur zahlungshalber → KAPITEL 7: Leistung
zahlungshalber . |
Haftung des
Scheckausstellers |
Die Übertragung des Schecks erfolgt
(wie bei einer Sache) durch Titel + Übergabe (sog Begebungsvertrag)
oder Indossament; Art 14 ff SchG. Da der Scheck aber – wie erwähnt
– hauptsächlich als Inhaberscheck vorkommt, spielt das Indossament,
weil zu umständlich, keine Rolle. | |
Schecks, die im
Inland zahlbar sind, müssen binnen 8 Tagen zur Zahlung vorgelegt
werden; Auslandsschecks binnen 20 Tagen und binnen 70 Tagen, wenn
Ausstellungs- und Zahlungsort sich in verschiedenen Erdteilen befinden;
Art 29 SchG. | Vorlegungsfristen |
Schecks
können vom Aussteller – jederzeit – widerrufen werden! Der Widerruf
richtet sich an den Bezogenen / die Bank und wird „erst nach Ablauf
der Vorlegungsfrist wirksam”; Art 32 SchG. Der Bezogene kann daher
einen vorzeitigen Widerruf (= vor Ablauf der Vorlegungsfrist) beachten, muss
es aber nicht. Wurde ein Scheck nicht widerrufen, kann der Bezogene
nach Art 32 Abs 2 SchG auch nach Ablauf der Vorlegungsfrist zahlen. | |
Der
Aussteller sowie jeder Inhaber eines Schecks kann durch den quer
über die Vorderseite gesetzten Vermerk „(Nur) Zur Verrechnung” oder
durch einen gleichbedeutenden Vermerk untersagen, dass der Scheck
bar ausbezahlt wird; Art 38 Abs 1 SchG. – „Der Bezogene darf in
diesem Fall den Scheck nur im Weg der [Konto-]Gutschrift einlösen
.... Die Gutschrift gilt als Zahlung”; Abs 2. – „Die Streichung
des Vermerks ‘nur zur Verrechnung’ gilt als nicht erfolgt”; Abs
3: Warum? – Fiktion! „Der Bezogene, der [diesen] Vorschriften zuwiderhandelt,
haftet für den entstandenen Schaden, jedoch nur bis zur Höhe der
Schecksumme”; Abs 4. | Verrechnungsscheck |
Eine Strafbestimmung für ungedeckte Schecks
enthält Art 67 SchG. Danach ist eine Ordnungsstrafe in der Höhe
von 20 Prozent des nicht gedeckten Scheckbetrags zu verhängen. Daran
kann sich eine strafgerichtliche Verfolgung wegen Betrugs anschließen.
– Der Aussteller haftet natürlich weiter für seine Schuld und kann
geklagt werden. | Ungedeckte
Schecks |
2. Sonderformen
des Schecks | |
Der Traveller- oder Reisescheck ist
eine im internationalen Reiseverkehr entwickelte Anweisung. Seine
Verbreitung und Beliebtheit rührte daher, dass er gegen Diebstahl
und Verlust von inländischem oder ausländischem Geld sichert. –
Ein Reisender kauft bei seiner Inlandsbank für eine bestimmte Summe
Travellerschecks in einer ausländischen Währung; zB Dollar. Er kann
nun im jeweiligen Ausland gegen Vorlage seines Reisepasses und der
entsprechenden Menge Travellerschecks (verschiedene Stückelung,
zB 50 oder 100 Dollar) Zahlung von der angewiesenen Bank verlangen. | Traveller-
oder Reisescheck |
Euro und Kreditkarte haben den Anwendungsbereich von Travellerschecks
stark eingeschränkt, er ist heute ein Auslaufprodukt. | |
 | Abbildung 15.39: Travellers Scheck |
|
Der Eurocheque war
ein international vereinheitlichter Scheck. Zusätzlich zum normalen
Scheck erhielt der Kontoinhaber eine Scheckkarte.
Mit ihr konnte er auch gegenüber ausländischen /europäischen Kreditinstituten
verfügen. Die Scheckkarte wurde von einer (Haus)Bank ausgestellt
und damit die (Aussteller)Verpflichtung seitens der Bank übernommen,
Schecks bis zur Höhe von 2.500 S (Deutschland: 400 DM) einzulösen; Einlösungsgarantie. | Eurocheque |
Die Scheckkarte war mit oder ohne Bankomatfunktion ausgestattet.
War sie das, konnte Geld nicht nur am Schalter, sondern bei allen
Bankomaten (des gesamten Netzes) im In- und Ausland in der jeweiligen
Landeswährung abgehoben werden. Die Abhebung war – um Missbrauch
zu erschweren – auf einen bestimmten täglichen Betrag (zB 5.000
S) beschränkt. Bei Geldbehebung war eine Codenummer einzutippen,
die daher nicht mit der Scheckkarte gemeinsam aufbewahrt werden
sollte. | |
 | Abbildung 15.40: Euroscheck-Vorderseite |
|
 | Abbildung 15.41: Euroscheck-Rückseite |
|
| |
Die Kreditkarte
dient dem bargeldlosen Zahlungsverkehr. Sie ist Legitimationspapier
und berechtigt den Kreditkarteninhaber, bargeldlos
„einzukaufen”; Finanzierung von Käufen + Dienstleistungen. | |
 | Abbildung 15.42: Die Kreditkarte |
|
Die Kreditkarte wird von einer bestimmten Kreditkartenorganisation (KK-O),
zB Visa, Mastercard, American Express oder Diners Club, ausgestellt
und berechtigt den Kreditkarteninhaber (KK-I),
mit allen Kreditkartenunternehmen (KK-U) der jeweiligen
Kreditkartenorganisation Verträge zu schließen. Die Kreditkartenorganisation
schließt mit möglichst vielen Unternehmen Verträge, dass diese „ihre”
Karte akzeptieren. Die Kreditkartenorganisation erhält vom jeweiligen
Rechnungsbetrag des von ihrem Vertragspartner mit dem Kunden geschlossenen Geschäfts
für ihre Dienstleistung eine Provision (zB 3%), um deren Höhe immer
wieder gerungen wird. Die Vertragspartner der Kreditkartenorganisation,
d. s. die KK-U (= Kaufleute), die mit ihrer Kundschaft Geschäfte
schließen, erwarten sich durch ihre Akzeptanz einer bestimmten Kreditkarte Umsatzsteigerungen. | KK-O,
KK-U und KK-I |
Die Kreditkarte hat durch den Euro und
die von Kreditinstituten ausgegebenen vor allem im Inland verwendeten Bankomatkarten,
mit denen aber auch im Ausland Geld behoben werden kann, an Attraktivität
verloren. – Bei Geschäftsleuten war Sie ohnehin nie sonderlich beliebt. | |
Der Vorteil
für Kunden liegt in bequemer Zahlungsmöglichkeit, da nur
noch zu unterschreiben ist; es ist nicht einmal mehr ein Scheck
auszustellen. Die Musterunterschrift auf der Rückseite der
Kreditkarte kann bei Zahlung durch die Kundschaft vom Geschäftspartner
geprüft werden. – Mitunter besteht auch die Möglichkeit (zB bei
telefonischer Bestellung von Theaterkarten), durch bloße Bekanntgabe
der Kartennummer zu zahlen. In einem solchen Fall ist eine genaue
Überprüfung der Monatsabrechnung ratsam. – Mit der Kreditkarte kann
uU auch Bargeld an Bankomaten behoben werden; Bankomatfunktion der
Kreditkarte. Das kostet aber 3% vom behobenen Betrag. Im Ausland
kommt noch die Devisenumrechnungsprovision dazu. | Vorteil für Kunden |
 | Abbildung 15.43: Das Kreditkarten- als Anweisungsverhältnis |
|
Der Kreditkarteninhaber
schließt mit einer Kreditkartenorganisation einen Kreditkartenvertrag ab,
in dem die gegenseitigen Rechte und Pflichten näher geregelt werden;
insbesondere unverzüglicher Ausgleich von Negativsalden und Zahlung
eines jährlichen Entgelts (zB 55 ı). – Die Abrechnung zwischen
Kreditkarteninhaber und Kreditkartenorganisation erfolgt periodisch,
zB monatlich und beinhaltet dadurch eine gewisse Kreditierung. | |
Mit der Kreditkarte, die häufig – freilich unterschiedlich
je nach Kreditkartenorganisation – weltweit gilt, wurde ein internationales
Zahlungsmittel geschaffen. | |
 | Abbildung 15.44: Kreditkarte – Vorderseite |
|
 | Abbildung 15.45: Kreditkarte – Rückseite |
|
Was tun bei Verlust, Diebstahl oder Betrug ? –
Im Verlust-, Diebstahls- oder Betrugsfall ist auch bei der Kreditkarte
unverzüglich ihre Sperre zu veranlassen: Bei Auslandsreisen sollte
daher die sog Notfallnummer für die Sperre der
Karten getrennt von der Kreditkarte mitgeführt werden! | Verlust, Diebstahl
oder Betrug |
IV. Garantievertrag
und Bankgarantie | |
Das österreichische
Privatrecht – und zwar das bürgerliche wie das Handelsrecht – kennt
keine Regelung des Garantievertrags (die III. TN fügte allerdings
§ 880a, 2. HalbS ABGB ein), was nicht verwundern sollte, weil es
sich um eine rechtliche Neuschöpfung handelt, einen sog atypischen
Vertrag → KAPITEL 5: Gemischte
und atypische Verträge. – Mittlerweile spielt die (Bank)Garantie
im Rechts- und Wirtschaftsleben eine bedeutende Rolle, und zwar
national, wie international. Das hat seinen Grund in der Einfachheit,
Raschheit, Kostengünstigkeit (2 Prozent / Anno Avalprovision + 1
Promille Ausfertigungsgebühr vom Haftungsbetrag) und Effektivität
dieses Sicherungsmittels. | |
Der Garantievertrag
beinhaltet ein Sicherungsgeschäft und erfüllt keine
Zahlungsfunktion. Abgeschlossen wird er bspw zwischen Käufer und
Garant (Bank), wobei der Garant verspricht, an den Begünstigten
(zB den Verkäufer), als Dritten des Garantievertrags, unter bestimmten
Voraussetzungen zu leisten. Die Gründe für den Abschluss eines Garantievertrags
sind sehr unterschiedlich, weshalb es viele Arten der Garantie gibt → Inhalt
des Garantievertrags
| Sicherungsgeschäft |
1. Inhalt
des Garantievertrags | |
Im Garantievertrag übernimmt der Garant (idR
eine Bank) gegenüber einem Dritten (= Begünstigter)
die vom Kausalverhältnis oder Grundgeschäft losgelöste (sog Abstraktheit
der Garantieverpflichtung) Haftung für einen noch ungewissen
Erfolg (eines Unternehmens) oder für den durch ein Unternehmen möglicherweise
entstehenden Schaden einzustehen. Der Garant leistet Gewähr, dass
der Begünstigte „seine” ihm rechtlich zustehende Leistung erhält;
und zwar wenn schon nicht vom ursprünglichen Vertragspartner, dann
eben von ihm. | |
Die
Bankgarantie ist – als einseitig verpflichtender Schuldvertrag –
ein Sonderfall des allgemeinen Garantievertrags; zur Rechtsnatur etwa
EvBl 1999/96 mwH. | Sonderfall des allgemeinen Garantievertrags |
 | Abbildung .45: Garantievertrag – Bankgarantie – GewährV |
Der Garantievertrag ist Sicherungsgeschäft. |
Abgeschlossen wird er zB zwischen Käufer und Garant (zB
Bank). |
Geleistet wird an den Begünstigten (= zB an den Verkäufer);
der Begünstigte ist Dritter des Garantievertrags. |
Die Garantie ist unabhängig vom Grundgeschäft; sog Abstraktheit
der Garantieverpflichtung. |
Es gibt viele verschiedene Garantie-Arten. |
|
 | |
„Die garantierende Bank hat typischerweise
nicht den erwarteten Erfolg selbst herbeizuführen, also etwa Waren
zu liefern, sondern nur das wirtschaftliche Interesse des Begünstigten
in Geld abzudecken ..., wobei die Verpflichtungen der Banken regelmäßig
durch Höchstbeträge begrenzt sind”; Koziol, in: Avancini / Iro /
Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II 246 (1993). | |
 | |
Der
Garantievertrag zielt darauf ab, jemandem eine Leistung zu garantieren oder einen Erfolg (durch
einen zusätzlichen Garanten) zusichern. – Dieser
„Erfolg” kann etwas sehr Verschiedenes sein, nämlich: | |
• die korrekte Geldzahlung einer
vertraglichen Schuld; | |
• eine Warenlieferung oder Dienstleistung; | |
• der vertraglich zugesagte Gewinn aus
einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung; | |
• oder ein bestimmter Ertrag eines
Unternehmens usw. | |
Man
unterscheidet – Zahlungs-, – Liefer-, – Bietungs- oder Ausschreibungsgarantien,
– Anzahlungs-, – Erfüllungs-, – Gewährleistungs-, – Haftrücklassgarantien
(im Baugeschäft), – Konossementgarantien, – direkte und indirekte Garantien.
– Eine praktische Standardvariante der Bankgarantie ist die sog
„Garantie auf erste Anforderung”, was soviel bedeutet
wie: Der Garant hat unabhängig von anderen, vielleicht noch nicht
geklärten (Rechts)Fragen, unverzüglich zu leisten. | Arten von Bankgarantien |
 | Abbildung 15.46: Die (Bank)Garantie als Anweisung |
|
2. Zur Abstraktheit
der Bankgarantie | |
Man meint damit, dass
die Leistungspflicht des Garanten – zB der Bank
– auf einer eigenen Rechtsgrundlage (eben der im Garantievertrag
enthaltenen Garantiezusage) beruht, die unabhängig und
losgelöst vom Grundgeschäft (dem Kausal- oder Valutaverhältnis)
besteht. Die abstrakte Leistungspflicht des Garanten ist auch vom
Deckungsverhältnis unabhängig. Diese – abstrakte – Losgelöstheit
der Garantiezusage von allen anderen Rechtsbeziehungen macht sie
so effektiv; denn im Garantiefall müssen nicht
erst andere (zeitaufwendige) Rechtsfragen (zB Gewährleistung, Verzug,
Schadenersatz oder Deckung) vor der Leistungserbringung durch den Garanten
geklärt werden. | |
Missbrauch wird
dadurch aber nicht gedeckt! – Zu unrecht abgerufene Bankgarantien
können nach § 1431 ABGB zurückgefordert / kondiziert werden; und
zwar innerhalb von 30 Jahren (§ 1479 ABGB): vgl EvBl 1999/96. | Missbrauch |
|
EvBl 1999/104: Voraussetzungen
für den wirksamen Abruf einer Bankgarantie – Wer
behauptet, aus einer Bankgarantie begünstigt zu sein, hat die dafür
sprechenden Umstände auf eine (auch von der Warte der Garantiebank
aus) völlig unbedenkliche Weise darzutun. Dem entspricht ein die
Garantie Abrufender nicht, der sich von der Bezeichnung des Begünstigten
in der Garantieerklärung deutlich unterscheidet. | |
|
|
OGH 18. 1. 2000, 4 Ob 348/99a, SZ 73/10 = EvBl 2000/120:
Zur Absicherung der bedingten Forderung aus einem Kooperationsvertrag
zwischen A u B bestellt B eine Bankgarantie. A
zediert den Zahlungsanspruch aus dieser Bankgarantie an seine Hausbank
zur Absicherung eines Kredites. Diese ruft die Garantiesumme ab,
obwohl die Bedingung aus dem Kooperationsvertrag nicht eingetreten
ist. Kurz darauf geht A in Konkurs. B will daher gegen A’s Hausbank
als Zessionar bereicherungsrechtlich vorgehen. – OGH: Die besondere
Vertrauenssituation bei abstrakten Garantien verlangt, dass trotz
erfolgter Abtretung des Zahlungsanspruchs der Bereicherungsanspruch des Garantieauftraggebers weiterhin
nur gegen den ursprünglich Begünstigten (A als Vertragspartner des
Grundgeschäftes und Zedent) besteht. (?) | |
|
|
OGH 3. 2. 2000, 2 Ob 339/99p, SZ 73/24:
Die Klägerin und die Beklagte schließen einen Garantievertrag,
der zeitlich begrenzt ist, Schriftlichkeit der Abruferklärung und
eine Bezugnahme auf das kausale Grundverhältnis in dieser vorsieht.
Am letzten Tag der Frist ruft der Begünstigte den Garantievertrag schriftlich
ab, ohne jedoch auf das Grundverhältnis Bezug zu nehmen. Erst nach
Hinweis auf diesen Mangel am nächsten Morgen faxt der Begünstigte
diese Behauptung nach. – OGH: Der Garant habe vor Erbringung der
Garantieleistung die Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen „präzise,
ja nachgerade pedantisch genau” zu überprüfen. Zwar sei der Garant
verpflichtet, dem Begünstigten unverzüglich die Beanstandung einer
fehlerhaften Inanspruchnahme mitzuteilen, wenn dieser dadurch noch
die Möglichkeit hätte, die Garantie formgerecht und rechtzeitig
in Anspruch zu nehmen. Dies zu beweisen sei jedoch Aufgabe des Begünstigten
und in diesem Fall nicht gelungen. Aufgrund des Grundsatzes der
Garantiestrenge sei die Bank zur Gewährung einer Nachfrist nicht
verpflichtet. (?: Blinder Formalismus wird der Sache nicht immer
gerecht!) | |
|
3. Unterschied
zur Bürgschaft | |
Abzugrenzen
ist der Garantievertrag von der Bürgschaft, die ähnliche Zwecke
verfolgt; denn beide Rechtsinstitute sichern die Erfüllung einer
fremden Schuld. | |
Die Bankgarantie ist
aber auch insoferne abstrakt – und nicht
akkzessorisch wie die Bürgschaft, weil
ihr Bestand nicht vom Bestand einer anderen Forderung
abhängt. Darin liegt der charakteristische Unterschied beider Rechtsinstitute.
In der Praxis verwenden die Parteien aber oft falsche Begriffe –
zB das Wort Garantie im Rahmen einer Bürgschaftsvereinbarung und
umgekehrt, sodass Vereinbarungen in Bezug auf ihren wahren Charakter
mitunter auslegungsbedürftig sind; § 914 ABGB → KAPITEL 11: Auslegung
von Rechtsgeschäften und Verträgen: §§ 914, 915 ABGB. | |
Verpflichtet sich
ein „Garant” unter Verzicht auf Einreden und Einwendungen zu zahlen,
liegt Garantie vor; Loslösung vom Grundgeschäft. – Sonst ist (eher)
Bürgschaft anzunehmen. | Auslegungsregel |
|
OGH 24. 10. 2000, 1 Ob 163/00b, JBl 2001, 380:
Hat die Haftungserklärung erkennbar die Sicherung des
Begünstigten gegen allfällige Einwendungen aus dem Valutaverhältnis
oder eine sonstige Verstärkung seiner Rechtsstellung im Vergleich
zur bloßen Bürgschaft zum Ziel, so spricht das für die Annahme einer Garantie.
Es ist dann keine Bürgschaft oder eine bloße Verwendungszusage anzunehmen. | |
|
V. Das
Dokumentenakkreditiv | |
Das Dokumentenakkreditiv wird – wie erwähnt
– in Österreich als Anweisung verstanden, nach deutschem Recht liegt
dagegen Auftrag vor! Seine praktische Bedeutung liegt darin, dass
es im internationalen Warenverkehr als Sicherungsmittel dient.
Das Dokumentenakkreditiv soll das bei Distanzkäufen – typisch: Import-
/ Exportgeschäften – nicht streng durchführbare Zug-um-Zug-Prinzip
(§ 1052 ABGB) wenigstens annäherungsweise nachbilden, indem eine
Zahlung des importierenden Käufers erst dann erfolgt, wenn der (exportierende)
Verkäufer seine (Liefer)Dokumente der Akkreditivbank vorlegt, die
wenigstens die Absendung der Ware, wenn auch nicht deren Mangelfreiheit!,
beweisen. | |
1. Die Parteien
des Dokumentenakkreditivs | |
Auch das Dokumentenakkreditiv ist ein dreipersonales Schuldverhältnis.
Zu unterscheiden sind: | |
•
Der Auftraggeber des Dokumentenakkreditivs
= Akkreditiversteller (Importeur); | |
•
die Bank = Akkreditiv(eröffnungs)bank
+ allenfalls Korrespondenzbank und | |
•
der
Begünstigte = Akkreditivempfänger (Exporteur). | |
 | Abbildung 15.47: Dokumentenakkreditiv – Einfache Form |
|
Letter of Credit:
„Das Akkreditiv im weitesten Sinn ist die von einer Bank im Auftrag
eines Kunden einem Dritten (dem „Begünstigten”) gegenüber rechtsgeschäftlich
eingegangene Verpflichtung, ihm auf Rechnung ihres Auftraggebers
unter bestimmten Voraussetzungen eine Leistung zu erbringen. Das
heute praktisch allein gebräuchliche Dokumentenakkreditiv zeichnet
sich dadurch aus, dass die Leistung der Bank an den Begünstigten
von der Übergabe bestimmter Dokumente und der Erfüllung sonst im
Akkreditiv noch vorgesehener Bedingungen abhängig gemacht ist ....
Unserem Akkreditiv entspricht im anglo-amerikanischen Rechtsbereich
weitgehend der Letter of Credit.” – Avancini, in:
Avancini / Iro / Kozil, Österreichisches Bankvertragsrecht II 357. | Definition
des
Dokumentenakkreditivs |
”Bei
den vor allem in den USA gebräuchlichen Standby
Letters of Credit (einer besonderen Ausprägung des vorgenannten
Letter of Credit) handelt es sich um Haftungsübernahmen,
deren Einkleidung in die Form des Akkreditivs deshalb erfolgt, weil
den amerikanischen Banken das eigentliche Bürgschafts- und Garantiegeschäft
grundsätzlich untersagt ist. Der Ausweg, sich zur Haftungsübernahme
der Akkreditivform zu bedienen, wurde als zulässig anerkannt. Wie
bei einem Akkreditiv wird die Zahlungspflicht der Bank von einer
fristgerechten Vorlage bestimmter Dokumente abhängig gemacht. Dementsprechend
erfolgt die Abwicklung eines Standby Letter of Credit im Prinzip wie
beim Akkreditiv.” (Avancini aaO). | USA |
2. ERA 1983 – Funktionen
und Abgrenzung | |
Die Abwicklung des Akkreditivgeschäfts richtet sich heute
vornehmlich nach den „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen
für Dokumenten-Akkreditive”; sog ERA 1983. | |
Beim Dokumentenakkreditiv lassen sich verschiedene Funktionen unterscheiden
(Avancini, aaO 363): | |
•
Zahlungsfunktion | |
•
Sicherungsfunktion | |
•
allenfalls
noch eine Kreditfunktion. | |
 | Abbildung 15.48: Dokumentenakkreditiv – Erweiterte Form |
|
Das
Dokumentenakkreditiv erfüllt idR primär eine Zahlungsfunktion und
unterscheidet sich dadurch von der Bankgarantie, deren primärer
Zweck (immer) die Sicherung eines Erfolgs ist. | Abgrenzung von
der Bankgarantie |
VI. Aufrechnung
/ Kompensation | |
| |
Max hat den alten Pkw
von Hans um 5.000 ı gekauft und – obwohl ihm das Fahrzeug schon
übereignet wurde – noch nicht bezahlt. Hans hat sich für seine Australienreise
von Max 4.000 ı „ausgeliehen”, die er ihm noch schuldet. Um die
jeweiligen Geldbeträge nicht umständlich hin- und herschieben zu
müssen, vereinbaren sie, dass Max an Hans die Differenz von 1.000
ı bezahlt und sie damit „quitt” sind. – Die Aufrechnung rationalisiert
und vereinfacht das gegenseitige Schuldenzahlen. | |
2. Aufrechnung
vermittelt auch Sicherheit | |
Die
Aufrechnung – geregelt in den §§ 1438 ff ABGB –
im Rahmen der Sicherungsmittel zu behandeln, mag unüblich sein.
Dafür spricht jedoch der auch in ihr steckende Sicherungszweck und ihre
praktische Verwendung im Geschäftsleben. – Meine Forderung gegen
meinen Schuldner kann nämlich auch dadurch gesichert werden, dass
ich ihm selbst etwas schulde, er also (wenigstens hinsichtlich eines
Teilbetrags) mein Gläubiger wird. Und ein solches Herstellen
einer Aufrechnungslage kann
bewusst geschehen! Ich kann dann – zur Sicherung meiner Forderung
– (gegenüber meinem Geschäftspartner) – meine Schuld mit meiner
Forderung aufrechnen; vgl → Kriterien
der einseitigen
Aufrechnung:
Gegenseitigkeit. | § 1438 ff ABGB |
3. Forderung und
Gegenforderung | |
Die Aufrechnung
spielt im praktischen Rechts- und Wirtschaftsleben (insbesondere
für Geldforderungen) eine wichtige Rolle und bewirkt das Erlöschen
/ die Aufhebung einer Schuld durch das Geltendmachen einer Gegenforderung.
– Kurz: Kompensation bedeutet das Aufheben einer Forderung durch
das Geltendmachen einer Gegenforderung. | |
Klar auseinanderzuhalten sind aber die beiden Forderungen
die einander (bei der Aufrechnung) gegenübertreten: Der eine (erste)
Gläubiger macht seine Forderung geltend, der andere
(zweite), ebenfalls Gläubiger des anderen, rechnet mit seiner Gegenforderung auf.
Dazu gleich mehr. | |
§ 1438 ABGB formuliert: „Wenn
Forderungen gegenseitig zusammentreffen, die richtig, gleichartig,
und so beschaffen sind, dass eine Sache, die dem Einen als Gläubiger
gebührt, von diesem auch als Schuldner dem andern entrichtet werden
kann; so entsteht, insoweit die Forderungen sich gegeneinander ausgleichen,
eine gegenseitige Aufhebung der Verbindlichkeiten (Kompensation),
welche schon für sich die gegenseitige Zahlung bewirkt.” | |
| |
ien der AufrechnungWir unterscheiden
den: | Parte |
•
(aktiv) Aufrechnenden und | |
•
den Aufrechnungsgegner, der
die Aufrechnung (passiv) dulden soll. | |
5. Zwecke oder
Funktionen der Aufrechnung | |
•
Die
Aufrechnung erfüllt nicht nur einen Zweck, sondern deren mehrere;
nämlich: | Aufrechnungszwecke |
•
Befreiung =
Aufrechnung befreit von eigener Schuld; | |
•
Befriedigung =
durch die Aufrechnung wird die eigene Forderung vom Schuldner erfüllt; | |
•
Verrechnung =
kein unnötiges Hin- und Herschieben von Geldbeträgen; | |
•
Sicherung =
die eigene Schuld sichert die eigene Forderung: Im Ausmaß der eigenen
Schuld wird die eigene Forderung einbringlich und von der Bonität
des Schuldners unabhängig. | |
6. Arten oder Formen
der Aufrechnung | |
vertragliche und einseitige AufrechnungEs werden unterschieden: | |
•
Die einvernehmliche
Kompensation wird vertraglich von den Beteiligten vereinbart; | |
•
die einseitige Kompensation erfolgt
einseitig, dh auch gegen den Willen des Aufrechnungsgegners und
muss uU im Prozess durchgesetzt werden; vgl die unten angeführte
E JBl 2003, 180. – Soll einseitig aufgerechnet werden, muss die
Forderung des (aktiv) Aufrechnenden bestimmte Voraussetzungen erfüllen → Voraussetzungen
für beide Forderungen
| |
7. Voraussetzungen
für beide Forderungen | |
Während
bei der einvernehmlichen Aufrechnung nur die Gegenseitigkeit
vorliegen muss, verlangt die einseitige Aufrechnung
darüber hinaus weitere Kriterien, nämlich neben: | Kriterien der einvernehmlichen Aufrechnung |
•
der Gegenseitigkeit,
noch | |
•
Fälligkeit, | |
•
Gültigkeit und | |
•
Gleichartigkeit, der sich gegenüberstehenden
Forderungen. | |
8. Kriterien
der einseitigen
Aufrechnung | |
•
Gegenseitigkeit (der
Forderungen) meint, dass Aufrechnender und Aufrechnungsgegner jeweils Gläubiger
und Schuldner des anderen ist. – Mit einer Forderung gegen einen
Dritten kann man nicht gegenüber dem Aufrechnungsgegner (= Zweiter)
aufrechnen. Man kann sich aber die Forderung eines Dritten gegen
den Aufrechnungsgegner abtreten lassen, was in der Folge die eigene Aufrechnung
gegen den Aufrechnungsgegner ermöglicht. | Kriterien der einseitigen Aufrechnung |
•
Fälligkeit bedeutet: Beide
(!) Forderungen, die gegeneinander aufgerechnet
werden sollen, müssen im Aufrechnungszeitpunkt fällig sein. | |
•
Gültigkeit: Die Forderungen
müssen gültig entstanden und – zudem – im Zeitpunkt der Aufrechnung
noch (erfolgreich) einklagbar sein. | |
Grundsätzlich besteht daher keine Aufrechnungsmöglichkeit
mit verjährten Forderungen; Naturalobligationen → KAPITEL 7: Naturalobligationen.
Manche halten dies aber für möglich. | |
•
Gleichartigkeit:
Beiden Forderungen müssen Schulden gleicher Art zugrunde liegen;
also zB Geldschulden. Hier geht es um Inhalt und Art
der Leistungspflicht. – Nicht gleichartig wären eine Geldschuld
und eine Dienst- oder Sachleistung. Mangels Gleichartigkeit können
auch nicht privatrechtliche mit öffentlichrechtlichen Ansprüchen
aufgerechnet werden; zB gewisse Ansprüche zwischen Ärzten und Gebietskrankenkassen.
– Die Gleichartigkeit von Forderungen wird aber nicht dadurch beeinträchtigt,
dass die eine Forderung aus einem Vertrag stammt, die andere eine
unmittelbar gesetzliche ist; zB aus deliktischem Schadenersatz. | |
9.
Vollzug der Aufrechnung | |
Er geschieht durch Aufrechnungserklärung gegenüber
dem Aufrechnungsgegner, wobei diese Erklärung von jedem Beteiligten
(aktiv) ausgehen kann. – Eine Aufrechnung wirkt aber nach hA nicht
„ipso iure”, dh automatisch / von selbst, obwohl
der Gesetzeswortlaut des § 1438 ABGB dafür spricht; arg: „ ... schon
für sich ... bewirkt.” Allenfalls muss die Berechtigung zur Aufrechnung
prozessual geklärt werden. | Ipso
iure? |
 | |
Ein
gesetzliches oder vertragliches Aufrechnungsverbot verhindert
die Aufrechnung. – § 1440 ABGB nimmt „eigenmächtig oder listig
entzogene, entlehnte, in Verwahrung oder in
Bestand genommene Stücke” von der Aufrechnung aus. |
Aufrechnungsverbot |
|
OGH 30. 4. 2002, 1 Ob 64/02x, JBl 2003, 121 = EvBl 2002/167:
Das Betreiben einer Tiefgarage (Pacht) wird für
600.000 S im Jahr der beklagten Partei übertragen. Die Betreiberin
muss ua die Einnahmen regelmäßig auf das Konto der Eigentümerin
überweisen. Bei Beendigung der Vertragsbeziehung klagt die Eigentümerin
auf Überweisung ausständiger Einnahmen. Die Betreiberin will mit
einer Gegenforderung aufrechnen. – OGH lässt Aufrechung trotz §
1440 ABGB zu und begründet dies damit, dass der Sinn des Zurückbehaltungs- und Aufrechungsverbotes dieser
Norm für in Verwahrung genommene Sachen nur darin gefunden werden
kann, dass in den vom Gesetz genannten Fällen der Rückforderungsgläubiger
typischerweise nicht mit Gegenansprüchen rechnet, was hier aber
nicht angenommen werden kann. – Deshalb bleibt § 1440 ABGB überall
dort außer Betracht, wo von vornherein Ansprüche des Schuldners
aus diesem Rechtsverhältnis zu erwarten sind; hier aus dem Tragen
des laufenden Aufwands für die Erhaltung der Sache. | |
|
10.
Wirkung der Aufrechnung | |
Die Aufrechnung wirkt auf
jenen Zeitpunkt zurück, zu dem sich beide Forderungen
erstmals kompensabel, also aufrechenbar, gegenüber gestanden sind;
Aufrechnungslage. Sie hebt die gegenseitigen Verbindlichkeiten –
seien es vertragliche oder gesetzliche – auf. Welche Probleme dabei auftreten
können, zeigt das folgende Urteil. | Aufrechnungslage |
|
OGH 6. 5. 2002, 2 Ob 95/02p, JBl 2003, 180:
Eine GmbH geht am 26. 11. 1997 in Konkurs.
Auf ihrem Konto, das am 25. 11. 1997 ein Minus von 75.000 S aufweist,
werden am 26. 11. 1997 mit Valuta 27. 11. 230.000 S gutgeschrieben.
Die Bank rechnet am 26. 11. mit einer Gegenforderung auf und überweist
nur den Restbetrag an den Masseverwalter. Dieser klagt idF auf Zahlung
der restlichen 75.000 S, da die Wertstellung gleichzeitig mit der
Konkurseröffnung erfolgt sei. – OGH: Mit der Gutschrift gibt die
Bank ein abstraktes Schuldversprechen gegenüber dem Kontoinhaber
ab. Schon allein daraus ergibt sich, dass bereits zu diesem Zeitpunkt
die Forderung gegenüber der Bank entsteht und nicht erst bei Wertstellung; letztere
ist grundsätzlich nur für den Beginn des Zinsenlaufs maßgeblich.
Die Aufrechnung der Bank erfolgte daher zu recht. – Beachte: Die materielle Aufrechnungslage war
bereits am 26. 11. gegeben, die Wirkungen des Konkurses dagegen
erst am 27. 11., da die Konkurswirkungen erst am Tag nach der Konkurseröffnung
eintreten. | |
|
| |
| Sonderform
der Aufrechnung |
|
OGH 17. 8. 2001, 1 Ob 83/01i, EvBl 2001/14:
Hausverwalter eines Mietwohnhauses klagt den Dritteleigentümer auf
Zahlung der von ihm vorgestreckten Auslagen, wogegen der Miteigentümer
Verjährung einwendet. – OGH wendet § 355 HGB (Kontokorrent)
analog an, obwohl eine Kaufmannseigenschaft des Hausverwalters nicht
festgestellt wurde. Ein solches „uneigentliches” Kontokorrentverhältnis
kann auch schlüssig zustande kommen. Die Verjährung beginnt in diesem
Fall erst mit Beendigung der Kontokorrentperiode. | |
|
D. Verträge
zugunsten Dritter |
Nach Besprechung von Bürgschaft, Anweisung, Wechsel und
Scheck, Garantievertrag und Dokumentenakkreditiv, allesamt grundsätzlich
dreipersonale Schuldverhältnisse, sollen hier noch kurz die Verträge
zugunsten und zu Lasten Dritter behandelt werden, mögen diese auch
keinen unmittelbaren Bezug zu den Sicherungsmitteln aufweisen. | |
I. Der Vertrag zugunsten
Dritter: §§ 881, 882 ABGB | |
Üblicherweise
treten die Rechtsfolgen eines Vertrags inter partes, also zwischen
den an seinem Abschluss beteiligten Parteien selbst ein. Sie werden
aus dem Vertrag unmittelbar berechtigt und verpflichtet. – Aber
das muss nicht so sein. Beim Vertrag zugunsten Dritter wird vereinbart,
dass der im Vertrag versprochene Vorteil (nicht nur der Vertragsparteien,
sondern) einer dritten Person (Dritte/r, Begünstigte/r, Destinatär)
zukommen soll. | |
 | |
|
GlU 7355 (1879): Der Versprechensempfänger kann
Erfüllung zugunsten des (begünstigten) Dritten fordern, dh sie einklagen; | |
|
|
OGH 11.9.1974, 1 Ob 130/74[Dittrich
/ Tades, MGA ABGB34, § 881 E 8]: Für
die Form eines Vertrags zugunsten Dritter ist das
zwischen den vertragschließenden Parteien bestehende Rechtsverhältnis
maßgebend und nicht das zum Dritten. Daher ist im obigen Beispiele
(Abo) nicht Schenkungs-, sondern Kaufvertragsrecht anzuwenden. | |
|
|
SZ 29/53 (1956): Der bäuerliche
Übergabsvertrag ist ein echter Vertrag zugunsten Dritter.
Er stellt als lebzeitige Vermögensabhandlung eine verfrühte Erbfolge
– sog successio antecipata – dar und enthält zahlreiche erb- und
familienrechtliche Bestandteile. Er ist ein Vertrag eigener Art,
häufig ein Mischvertrag jedoch ein einheitliches Rechtsgeschäft,
das nicht in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden darf! –
Vgl die Erwähnung des Gutsübergabevertrags in § 881 Abs 3 ABGB. | |
|
 | Abbildung .48: Vertrag zugunsten Dritter |
C als Dritter, erlangt ein eigenes Forderungsrecht
gegen A, wenn er das ihm aus der Vereinbarung zwischen B und A erwachsende
Recht nicht zurückweist, dh es annimmt; § 882 ABGB: Die Schenkung
bedarf als Vertrag der Annahme! |
Unterscheide die Verpflichtung des Schuldners zur Leistung
– auf Grund des abgeschlossenen Grundgeschäfts – und das Recht des
Gläubigers auf Leistung an den Dritten von dessen eigenem Forderungsrecht
auf Vertragserfüllung (gegen den Versprechenden). – Der Vertrag
zwischen A und B wird unter der Bedingung der Annahme des C geschlossen. |
|
Es gibt zwar Verträge zugunsten,
nicht aber zulasten Dritter. – § 880a ABGB regelt
nur den Fall, dass „jemand einem anderen eine Leistung eines Dritten”
verspricht und fügt hinzu, dass dies „als Zusage seiner Verwendung
bei dem Dritten” zu verstehen ist; sog
Verwendungszusage:
§ 880a 1. HalbS ABGB. – Ist der Zusagende „für den Erfolg [des Dritten
aber] eingestanden, so haftet er für volle Genugtuung, wenn die
Leistung des Dritten ausbleibt”; § 880a 2. HalbS ABGB. Hier liegt
ein Fall der Garantie(übernahme) vor. Eine
Erfolgszusage macht
den Garanten ersatzpflichtig, wenn der Dritte die Leistung nicht
erbringt; NZ 1978, 158. | Keine
Verträge
zulasten Dritter |
|
GlUNF 2512 (1903): Die ”Verbürgung”
eines Bürgermeisters für die Erlangung einer Gewerbekonzession
bedeutet nur die Verwendung innerhalb seiner Amtsbefugnisse iSd
§ 880a 1. HalbS ABGB. | |
|
|
GlUNF 3281 = ZBl 1906/94: Als Erfolgszusage gilt
dagegen die Verpflichtung des Verkäufers zur Beschaffung eines Darlehens
an den Käufer zur Bezahlung des Kaufpreises. Zum drittfinanzierten
Ratenkauf → KAPITEL 2: Drittfinanzierter
Abzahlungskauf: §§ 18, 19, 22 KSchG. | |
|
| |
II.
Verträge
zu Lasten Dritter? | |
Wie eben
bemerkt, gibt es zwar Verträge zugunsten, nicht aber zulasten Dritter.
Letztere widersprechen dem Wesen der Privatautonomie und
hier besonders dem Gedanken der Selbstverpflichtung und
sind daher (ohne Ausnahme) unzulässig; vgl SZ 69/176 (1996): Sponsorvertrag
– Carreras, Domingo und Pavarotti im Wiener Stadion. | |
| |
E. Die
Form (im Privatrecht) |
Da
Form (vorschriften) ganz wesentlich auch der Sicherheit von
Rechtsakten (der Vertragsparteien oder Dritter) dient, werden Fragen
der Form hier im Rahmen privatrechtlicher Sicherungsmittel behandelt.
– Die Bedeutung der Form beschränkt sich aber nicht auf das Privatrecht
(ABGB, HGB, VersVG etc), sondern besitzt auch Bedeutung für andere
Rechtsgebiete; etwa das Arbeits- und Sozialrecht, das Verfassungs-,
Straf- und Verwaltungsrecht. | |
 | |
I. Die Form und
ihre Entwicklung | |
1. Öffentlichkeit
und Form – Frühes Rechtsdenken | |
Die Förmlichkeit frühen Rechts hat auch damit zu tun, dass
wichtige Lebensstationen auch rechtlich von Bedeutung waren; so
Geburt, Heirat, Tod, Mündigkeit und Ehefähigkeit. – Sitte, Brauch
und Religion kleiden diese Ereignisse feierlich-rituell ein und
erfüllen für das Recht eine wichtige Publizitätsfunktion. Um die
großen Lebensstationen rankt sich wiederum ein Kranz rechtlicher
Fragen unter denen meist auch solche der Form sind: Etwa um den
Tod (Weitergabe des Vermögens an die Überlebenden; Erbrecht → KAPITEL 17: Allgemeines)
oder bei der Heirat, die aus verschiedenen Gründen (zB Kinder, Erwerb
des status familiae und des Bürgerrechts) der Form bedarf. Denn
im Falle des Todes muss das Weiterreichen des Vermögens „geordnet”
erfolgen, sollen nicht Zwist und Gewalt die Folge sein. | |
Das
hat bei uns in vorbildlicher Weise dazu geführt, dass der Staat,
als Wahrer und Garant der gesellschaftlichen Ordnung, die Erben
durch seine Gerichte ins Erbe einweist (eine Einrichtung für die
das antike griechische, nicht aber das römische Recht Vorbilder
geliefert hat); aber auch dazu, dass ’förmliche’ Testamente geschaffen
wurden, die der Tatsache Rechnung tragen, dass der (letztwillig)
Anordnende später nicht mehr gefragt werden kann, weil er tot ist.
– Der gemeinsame Nenner in beiden Fällen ist Rechtssicherheit,
der Formvorschriften in hohem Maße dienen. – Ähnliche Publizitätsbedürfnisse gelten
für Heirat, Geburt, Tod und die Vornahme bedeutender Rechtsakte
wie das Errichten von Gesellschaftsverträgen. | Rechtssicherheit |
Der starke Zusammenhang des frühen römischen Rechts mit
der Religion zeigt sich ua in Rom im Zusammenhang von Recht und
Augurentum (Sakral-Augurenrecht!) und darin, dass große Juristen
auch hohe religiöse Funktionen inne hatten; so der berühmte Rechtsgelehrte
und Augur Quintus Mucius Scaevola, der Cicero für dessen Anwaltslaufbahn
die nötigen Rechtskenntnisse vermittelte. – Für Griechenland vgl
den Beginn des platonischen Dialogs „Nomoi”; dort wird die Herkunft
der Gesetze von Göttern abgeleitet. | |
2. Entwicklung
zur Formfreiheit | |
Entgegen
dem äußeren Anschein ist das Kapitel „Form” keineswegs so langweilig
und eintönig wie man meinen könnte. Das hängt damit zusammen, dass
Fragen der Form, mögen sie auch im modernen Recht nicht mehr jene
tragende Rolle spielen wie in frühen Rechtsordnungen, immer noch
von praktischer Relevanz sind; mag es auch da und dort Überraschungen
geben. So würde man erwarten, dass der Liegenschaftskauf,
seiner Bedeutung entsprechend, auch in Österreich formpflichtig
ist. Dass dies nicht der Fall ist, haben wir bereits gehört → KAPITEL 2: Besonderheiten
des Liegenschaftskaufs. | |
Das dtBGB bestimmt bspw
in § 311 b Abs 1: „Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet,
das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben,
bedarf der notariellen Beurkundung. Ein ohne Beachtung dieser
Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig,
wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen.” | |
Das
moderne Privatrecht hat vor allem das Schuldrecht ‚entformalisiert’.
Im Schuldrecht gilt heute der Grundsatz der Formfreiheit, während
in anderen Bereichen des Privatrechts – dem Familien-, Erb- oder
Sachenrecht – Fragen der Form nach wie vor einen höheren Stellenwert bewahrt
haben, was insbesondere damit zusammenhängt, dass in diesen Bereichen
der Gedanke der Publizität / Offenkundigkeit eines Rechtsakts /
Rechtsgeschäfts eine besondere Rolle spielt. Es geht hier nämlich
häufig nicht nur um die Sicherung des konkreten Rechtsaktes selbst,
sondern auch um seine Bedeutung für andere; vgl Pfandrecht, ETV
etc. | Schuldrecht ‚entformalisiert |
Hier wird ganz allgemein bestimmt: | §
883 ABGB |
„Ein Vertrag kann mündlich oder schriftlich;
vor Gericht oder außerhalb desselben; mit oder ohne Zeugen errichtet werden.
Diese Verschiedenheit der Form macht, außer den im Gesetz bestimmten
Fällen, in Ansehung der Verbindlichkeit keinen Unterschied.” | |
Damit wird grundsätzlich Formfreiheit angeordnet. | |
Das Kapitel Form lehrt uns aber auch, wie vielfältig und
differenziert rechtliche Regelungen (über scheinbar einfachste Sachverhalte)
sein können; sie dienen unterschiedlichen Interessenlagen. Wer würde
schon so viele praktisch wichtige Fragen und Möglichkeiten im Bereich
der Schriftform erwarten? → Formzwecke
– Formfunktionen Die
Praxis ist erfindungsreich und vielgestaltig! | |
3. Äußere und innere
Form von Rechtsgeschäften | |
Spricht man von der Form
eines Rechtsgeschäfts, ist damit meist die äußere Form gemeint.
Sie besteht darin, dass zum (inneren) rechtsgeschäftlichen Konsens
auch ein nach außen hin wahrnehmbarer (Form)Akt hinzutritt, der
idR den inneren-inhaltlichen Teil des Rechtsgeschäfts uU gar nicht
berührt, aber den Geschäftsabschluss publik / öffentlich und damit
beweisbar macht; oft soll dadurch aber auch die Ernsthaftigkeit
des Abschlusses unter Beweis gestellt werden. Hierher zählt das
heute weitverbreitete Schriftformgebot oder die Beglaubigungs- oder
Notariatsaktspflicht. Vgl auch → Formzwecke
– Formfunktionen
| |
Die
Sanktion im Falle einer Formverletzung weist die große Bandbreite
von angeordneter Nichtigkeit, über Gültigkeit und Verwaltungsstrafe,
bis zur Unbeachtlichkeit von Formverletzungen auf → Die
Schriftform
| Sanktion |
Von der äußeren ist
die innere Form von Rechtsgeschäften zu unterscheiden,
die den inhaltlichen Teil des jeweiligen Rechtsgeschäfts berührt,
also nicht nur äußerlich bleibt, mag auch hier die Sanktion im Verletzungsfall
variieren. | Innere Form |
Beispiel ist die ins Vertragsinnere gelegte
Form bei den Realverträgen, bei denen die Übergabsverpflichtung
als eine Art Moduselement einen integralen Bestandteil des Rechtsgeschäfts
selbst darstellt. | |
Diese
innere Form will – sie stammt aus alter Rechtskultur – auf einfache
Weise Streit vermeiden und der Rechtssicherheit dienen, indem das
gemachte Versprechen ohne reale Entsprechung, also Übergabe, keinen
einklagbaren (Haupt)Vertrag entstehen lässt, sondern zB nur einen
abgeschwächten Vorvertrag; vgl § 983 ABGB. Hier dient, die in den
Typus integrierte Verbindung von Titel und Modus dem Zweck, das
Rechtsgeschäft möglichst in einem Akt zu schließen und zu erfüllen;
und nicht nur dem formalen Zweck, es in ein besonderes „Kleid” zu
stecken. Diese „Koppelung” von Titel und Modus dient auch der Rechtssicherheit
und Streitvermeidung. | |
Frühe antike griechische Rechte gingen noch
weiter und versagten bspw (Kredit)Kaufverträgen, die nicht Zug um Zug
erfüllt wurden, überhaupt die Rechtsdurchsetzung. – § 983 ABGB ist
hier mit seiner „Vorvertragssanktion” schon deutlich moderater. | |
Das ABGB von 1811 setzte die äußere Form(pflicht)
nur sehr moderat ein. Das von Martini dem bürgerlichen Recht zugrunde
gelegte Freiheitsdenken setzte sich auch nach seinem Tode durch. Formpflichtig
nach dem ABGB war nur der Ehevertrag,
der nach § 75 ABGB aF vor Zeugen geschlossen werden musste, und Schenkungen
ohne wirkliche Übergabe bedurften nach § 943 der einfachen
Schriftform und die Annahme an Kindes Statt und
die Übernahme in Pflege mussten gerichtlich bestätigt
werden; §§ 181, 186 ABGB aF. – Wette und Spiel (§§
1271 und 1272) gewährten nach dem Vorbild der Realkontrakte nur
dann ein Klagerecht, wenn der „bedungene Preis nicht bloß versprochen;
sondern wirklich entrichtet, oder hinterlegt worden ist”; zu den
Glücksverträgen → KAPITEL 12: Glücksverträge ¿ Gewagte Geschäfte. Die Sanktion einer Verletzung der äußeren (Übergabs)Form
bestand hier im Versagen der Einklagbarkeit; bei den Realkontrakten
schwächte das ABGB dies zum bloßen Zustandekommen eines Vorvertrags
und § 936 ABGB ab. – Im Gegensatz zum ABGB – das weder für Ehepakte,
Gütergemeinschaft, Gesellschaftsverträge und Liegenschaftskaufverträge
eine Form verlangte – kannten ALR und frCC umfassende Schriftform- und
Beurkundungsgebote. | Äußere
Form |
4. Bundesgesetz
über elektronische Signaturen | |
Von H. Ortner | |
| |
Den vorläufig letzten Schritt zur Formsicherheit
stellt das SignaturG / SigG, BGBl I 1999 / 190 dar.
Es regelt die Form beim Abschluss von Rechtsgeschäften unter Heranziehung
von Computern. | §
4 Abs 1 SigG |
Danach
erfüllt eine „sichere elektronische Signatur [Legaldefinition in
§ 2 Z 3 leg cit] ... das rechtliche Erfordernis einer eigenhändigen
Unterschrift, insbesondere der Schriftlichkeit iSd § 886 ABGB, sofern
durch Gesetz oder Parteivereinbarung nicht anderes bestimmt ist.” | |
Hier werden Ausnahmen
statuiert: | § 4 Abs 2 SigG |
• für Rechtsgeschäfte
des Familien- und Erbrechts, | |
•
andere Willenserklärungen
oder Rechtsgeschäfte, die zu ihrer Wirksamkeit an die Form einer öffentlichen Beglaubigung,
einer gerichtlichen oder notariellen Beurkundung oder
eines Notariatsakts bedürfen; | |
• für Formerfordernisse zur Eintragung ins Grundbuch oder Firmenbuch (→ Das
Firmenbuch / FB)
etc, und schließlich | |
•
für
die Verpflichtungserklärung des Bürgen nach § 1346
Abs 2 ABGB. | |
Privatrechtlich interessant sind ferner bspw:
– § 21 SigG (Pflicht des Signators die Signaturerstellungsdaten sorgfältig
zu verwahren etc); – § 22 SigG (Datenschutz); – § 23 SigG (Haftung
der Zertifizierungsstellen). | |
 | |
II. Die Form im
modernen Privatrecht | |
| |
Der Schriftform unterliegen
vor allem praktisch bedeutsame Vertragsabschlüsse, wobei die Verletzung
gesetzlich vorgeschriebener Formpflicht ganz verschieden sanktioniert wird:
Die Bandbreite der Sanktionen reicht – wie erwähnt
– von schlichter Ungültigkeit bis zu verbleibender Gültigkeit des
Rechtsgeschäfts, mag auch den Verletzer (wie beim Ratenbrief) eine
Verwaltungsstrafe treffen → KAPITEL 2: Gesetzliche
Voraussetzungen. | |
 | |
Form wird heute idR als Publizitätsform (Öffentlichkeit
des Rechtsakts) und Schutzform (für schwächere
Partner) eingesetzt. – Unterschieden wird ferner zwischen: | |
•
gesetzlicher (§
883 ABGB) oder | |
• sog gewillkürter Form (§ 884
ABGB), die von den Parteien eines Rechtsgeschäfts freiwillig übernommen
wird. | |
Die Entwicklung verläuft von starrer Formpflicht
/ Rechtsformalismus, zu Formfreiheit. Allerdings kommt es immer wieder
auch zu neuen Formvorschriften. – Das ABGB von 1811 ist weniger
formabhängig als die Parallelkodifikationen in Europa: ALR 1794
und frCC 1804. | |
2. Formzwecke
– Formfunktionen | |
Die Form dient sowohl den
Parteien eines Rechtsgeschäfts (sog innere Form), als auch anderen
insbesondere öffentlichen Zwecken (sog äußere Form); zB Abschlussklarheit
für die Parteien selbst und Übergabsform, die auch für dritte Personen
(zB Gläubiger) eine Rechtsänderung erkenntlich macht. Man denke
etwa an das Verbücherungsgebot des § 297a ABGB (Maschinenparagraph → KAPITEL 8: §
297a ABGB ¿ Der ¿Maschinenparagraph¿).
– Daneben existieren weitere Formzwecke, die idF dargestellt werden
sollen: | |
Und
zwar für die Parteien selbst: Dadurch soll das
verbindliche, weil gültig geschlossene Rechtsgeschäft vom Nicht-Rechtsgeschäft abgegrenzt
werden! | |
Frage: Wurde der Vertrag schon geschlossen?
Das ist nicht immer so selbstverständlich zu beantworten wie man meint.
So können dem Vertragsschluss lange Korrespondenzen und andere Kontakte
vorausgehen. | |
Was ist bspw Inhalt der testamentarischen Anordnung, was
Gegenstand eines sonstigen Vertrags oder Rechtsgeschäfts. – Die
Form dient hier auch als Gedächtnisstütze und Klarstellung des jeweiligen
Geschäftsinhalts; vgl die einseitige Schriftlichkeit beim kaufmännischen
Bestätigungsschreiben. | |
Inhalts- und Abschlussklarheit dienen vornehmlich
der Rechtssicherheit der am Rechtsgeschäft beteiligten Parteien.
In diesem Zusammenhang wird auch vom Garantiewert der
Form gesprochen. | |
Typisch
für diesen Formzweck ist die Regelung des § 1346 Abs 2 ABGB; Bürgschaft:
Einseitige Schriftform für die Verpflichtungserklärung des Bürgen. | |
Typisch kommt dieser Formzweck im Arbeitsrecht
vor; zB Schriftform für den Abschluss eines Lehrvertrags nach §
12 Abs 1 BAG gekoppelt mit Inhaltsvorschriften: Abs 3 – „Der Lehrvertrag hat
zu enthalten …”. | Schutzform für
sozial Schwächere |
Die Form erleichtert einen nachträglichen Beweis des Vereinbarten,
denn sie stellt nicht nur klar, dass, sondern auch wie und wofür
ein Rechtsgeschäft abgeschlossen wird. | |
Publizität
dient der Offenkundigkeit von Rechtsakten. Dieser schon mehrfach
angesprochene Formzweck wird bspw vorbildlich vom Grundbuch (Übergabsform)
erfüllt; vgl aber auch die Eheschließungsform und die Übergabsmodalitäten
der §§ 426 ff ABGB für bewegliche Sachen. | |
Dafür
dient zB die Notariatsaktpflicht nach § 1 NotZwG für Ehepakte und
für zwischen Ehegatten abgeschlossene Kauf-, Tausch-, Renten- und
Darlehensverträge sowie Schuldbekenntnisse und ganz allgemein für
Schenkungen ohne wirkliche Übergabe; § 943 ABGB. | |
Die Formpflicht kann
auch als Anlass für Rechtsberatung dienen. Das trifft etwa auf das
notarielle oder gerichtliche Testament zu. Vgl auch § 55a EheG:
einvernehmliche Scheidung. | |
Vgl auch die immer wieder geführte Diskussion
um eine Formpflicht für das Eingehen nichtehelicher Lebensgemeinschaften. | |
Rechtliche Form erschwert auch Fälschungen, Umgehungen und
Scheingeschäfte. | Fälschungen,
Umgehungen, Scheingeschäfte |
Und schließlich war die Form und ist noch heute Anknüpfungspunkt
des Fiskus für Steuern und Abgaben; vgl die beim Liegenschaftskauf
vom Finanzamt einzuholende Unbedenklichkeitsbescheinigung (Grundbuch). | |
Arten von Formvorschriften – Überblick
Mündlich
Das bedeutet Formfreiheit!
| <-> |
Schriftlich
Einfache und
qualifizierte
|
Gesetzlich
| <-> |
Gewillkürt / Kraft Parteiwillens; § 884 ABGB
|
Öffentlich
Mitwirkung von:
Gericht oder Notar
| <-> |
Privat
|
Einseitig ZB § 1346 Abs 2 ABGB
| <-> |
Zweiseitig: Normale Unterschriftsform
| Mit Zeugen: Zeugentestament | <-> |
Ohne Zeugen
|
Formwirkung kann sein: deklarativ: Form berührt
Gültigkeit nicht; zB Ratenbrief
| <-> |
konstitutiv
Form ist Gültigkeitserfordernis; zB
§ 884 ABGB: gewillkürte Form
|
| |
| |
| |
3. Verschiedene
Fragen der Schriftform | |
Wir unterscheiden – wie
im Kasten dargestellt – zwischen einfacher und qualifizierter Schriftform.
– Die einfache Schriftform meint die schlichte eigenhändige Unterschriftsform.
Sie berührt den „Inhalt / Text” eines Rechtsgeschäfts nicht, weshalb
dieser beliebig abgefasst werden kann. | Einfache
und qualifizierte Schriftform |
Eine Steigerung
kennt aber bereits § 578 ABGB (eigenhändiges oder holographes Testament → KAPITEL 17: Eigenhändiges
schriftliches Testament):
„ ... eigenhändig schreiben, und [!] eigenhändig mit seinem Namen unterfertigen”.
– Dies ist schon eine qualifizierte Schriftform. | |
Sie soll identifizieren und perfektionieren.
– Die Unterschriftsform deckt nur, was oberhalb der Unterschrift
steht; allfällige Nachträge müssen erneut (unterhalb des neuen Textes)
unterfertigt werden. | Eigenhändige
Unterschrift |
Mitunter
ordnet das Gesetz an, dass für die Unterschriftsform auch eine Nachbildung
der eigenen Unterschrift ausreicht; sog Faksimile:
zB § 39 Abs 1 VersVG. | Faksimile |
| Telegramme, Kopien, Telefax oder
e-mail |
Beispiele für qualifizierte Schriftform:
– Eingeschriebener Brief: zB für Kündigung oder Mängelrüge; – gerichtliche oder
notarielle Beurkundung: zB für den Abschluss von Gesellschaftsverträgen;
– gerichtliche oder notarielle Beglaubigung: zB Unterschriften der
Kaufvertragsparteien für das Grundbuchsgesuch. | |
Was
bedeutet eine Blankounterschrift ? – Unterschriften
auf einem leeren Zettel, einer nicht vollständigen Urkunde oder
einem Formular bedeuten rechtlich eine Ausfüllungsermächtigung.
Der Rechtsakt ist gültig und Missbrauch – dh nicht vereinbarungs-
oder erwartungsgemäßes Ausfüllen zB der Urkunde – berechtigt zur
Anfechtung nach den §§ 870 und 871 ff ABGB. Nach diesen Vorschriften
haftet der seine Ermächtigung Missbrauchende demjenigen, der das
Dokument blanko unterfertigt hat. | Blankounterschrift |
| |
Korrekt
haben der Vertreter oder der Bote mit
eigenem Namen zu unterschreiben und einen Zusatz anzufügen, der
auf ihre Vertreter- oder Botenrolle hinweist. | Unterfertigung durch Stellvertreter oder Boten |
 | |
Verträge
müssen immer von beiden Vertragsparteien unterfertigt werden;
vgl § 886 ABGB: „Ein Vertrag ... kommt durch die Unterschrift der
Parteien ... zustande.“ Das bedeutet aber nicht, dass sich beide
Unterschriften auf der selben Vertragsurkunde befinden müssen; vielmehr
besteht die Möglichkeit von Brief und Gegenbrief, Schluss und Gegenschluss,
Versicherungsvertrag und Versicherungspolizze. – Die Urkunden müssen
dabei deckungsgleich sein. | Unterfertigung durch beide Vertragsparteien |
Wenn Sie als Käuferin oder Käufer einen
Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung unterschreiben, ohne dass
die Verkäuferseite gegenzeichnet, ist der Vertrag noch nicht geschlossen.
Daher sollte sicherheitshalber Zug um Zug-Unterfertigung vereinbart
oder doch eine Unterfertigungs(end)frist oder -datum für die Verkäuferseite
oder allenfalls ein Datum für das Ende der eigenen Bindung festgelegt
werden. | |
Üblicherweise
trifft die Schriftform beide Vertragsparteien. In manchen Fällen
verlangt das Gesetz die Einhaltung der Schriftform aber nur von
einem Vertragsteil. | |
 | |
Beim Notariatsakt wird
das Rechtsgeschäft selbst vor dem – nicht vom! – Notar geschlossen
oder ein bereits abgeschlossenes Rechtsgeschäft erneuert und vom
Notar beurkundet; §§ 52 ff NO. – Der Notariatsakt stellt eine öffentliche
Urkunde dar. | Notariatsakt
und
notarielle Beglaubigung |
Nach dem NZwG 1871 besteht für bestimmte
Rechtsgeschäfte / Verträge bei sonstiger Nichtigkeit Notariatsaktpflicht. | |
Mit der notariellen Beglaubigung
wird
nur die Identität der Unterschrift eines bereits in einer privaten
Urkunde dokumentierten Rechtsgeschäfts bezeugt, indem vor Gericht
oder vor dem Notar erneut unterschrieben wird und die beiden Unterschriften
miteinander verglichen werden; §§ 76 ff NO. – Die Beglaubigung kann
auch der Richtigkeit einer Abschrift oder einer Übersetzung gelten. | |
Bis
1916 galt § 887 aF ABGB. Danach war auf mündliche Nebenabreden bei
schriftlichen Verträgen „kein Bedacht zu nehmen”. Diese Bestimmung
wurde durch die III. TN aufgehoben, was Rechtsunsicherheit zur Folge
hatte. – Auch heute gilt jedoch grundsätzlich: Nicht in den Vertrag oder
eine Urkunde aufgenommene Vereinbarungen gelten auch nicht. Das
Gegenteil müsste (von dem, der dies behauptet) bewiesen werden!
Formlose Nebenabreden sind aber heute nach geltender Rechtslage
nicht auf jeden Fall ohne Bedeutung! | |
In Verträgen und Formularen wird immer wieder
versucht mündliche Nebenabreden auszuschließen. Vgl aber § 10 Abs
3 KSchG, wonach die Rechtswirksamkeit formloser Erklärungen eines
Unternehmers oder seines Vertreters zum Nachteil eines Verbrauchers
vertraglich nicht ausgeschlossen werden können. | |
Die Punktation des § 885
ABGB ist ein von den Parteien unterfertigter „Aufsatz über die Hauptpunkte”
eines Vertrags. Sie ist bereits perfekter Hauptvertrag und
nicht nur Vorvertrag iSd § 936 ABGB → KAPITEL 6: Vorvertrag
<-> Punktation.
Die Punktation gewährt bereits einen Erfüllungsanspruch. | |
Funktional soll sie einen gültigen förmlichen Vertragsschluss
erleichtern, zumal das Rechts- und Wirtschaftsleben flexible Rechtsinstrumente
braucht. Die Punktation ist ein solches. Lange und oft schwierige
Verhandlungen sollen, vielleicht zu später Stunde, noch erfolgreich
abgeschlossen werden können. Es gilt dabei sehr oft die Gunst der
Stunde (die Griechen nannten sie: Kairós) zu nützen. Wer weiß, ob
der Vertrag am nächsten Tag noch zustande käme? – Die Punktation
hilft hier weiter. Bei ihr fehlt nur noch die Reinschrift des
Vertrags, also die Errichtung der (förmlichen) Urkunde. – Zu achten
ist bei der Ausfertigung der Urkunde aber darauf, dass keine neuen
Zusätze, die nicht vereinbart worden sind, aufgenommen werden. | |
Eine allenfalls notwendige Auslegung oder Lückenschließung
der vielleicht nur stichwortartig verfassten Punktation hat durch
die Vertragsauslegungsnorm des § 914 ABGB zu erfolgen; danach ist
„die Absicht der [!] Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu
verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht“. | |
Zur Bedeutung der Formpflicht eines Hauptvertrags für vertragliche
oder rechtsgeschäftliche Vorakte gilt: Ist der Hauptvertrag formpflichtig,
gilt das auch für seine Vorakte, insbesondere Antrag und Annahme,
aber auch den Vorvertrag. Es ist aber möglich, Gegenteiliges zu
vereinbaren. |
Form
für Offerte und
Vorvertrag? |
Ein Aspekt der Vertragsfreiheit ist die Formfreiheit. Von
zwingenden gesetzlichen Formvorstufen abgesehen entscheiden also
die Parteien unter welchen Formvoraussetzungen sie an den Vertrag gebunden
sein sollen. | |
4. Die
Heilung von Formmängeln: § 1432 ABGB | |
Unterlaufene Formverstöße können
durch nachträgliche Erfüllung des Rechtsgeschäfts geheilt werden,
mag das auch nicht immer gelten; sog Heilung/Sanierung, sanatio
(ex radice). – Darin gelangt der Gedanke zum Ausdruck, dass es vorrangiges
Ziel ist, den Vertrag oder das Rechtsgeschäft aufrechtzuerhalten;
sog favor contractus. | sanatio
ex radice |
 | |
|
Auch das (häufige)
Nichteinhalten der gesetzlichen Formvorschrift für ein bloßes Schenkungsversprechen wird
durch nachträgliche Erfüllung desselben geheilt; vgl dazu SZ 45/35 (1972): „Wirkliche Übergabe”
einer Liegenschaft iSd § 943 ABGB und § 1 Abs 1 lit d NZwG: Ist
das eine Liegenschaft betreffende formlose Schenkungsversprechen
( → KAPITEL 3: Form
der Schenkung?) durch bücherliche Einverleibung des Beschenkten
erfüllt, dann kann nicht mehr auf Rückübertragung des Eigentumsrechts
wegen fehlender Notariatsaktform geklagt werden. | |
|
|
Vgl auch JBl 1975, 161: Vorvertrag
der „Tiroler Tageszeitung” mit Redakteur (Dr. N.) der dadurch Chefredakteur
werden soll, wird nicht schriftlich abgeschlossen, obwohl das vereinbart
war, wird in der Folge aber zum Teil erfüllt. – OGH deutet Teilerfüllung
als Aufgeben der gewillkürten Form für den Vertragsrest! | |
|
|
OGH 16. 5. 2001, 6 Ob 66/01a, JBl 2002, 242:
Erblasser hinterlässt formungültiges Testament (Erben unterschrieben
als Zeugen des fremdhändigen Testaments). Nur zwei der drei gesetzlichen
Erben anerkennen das Testament. – OGH lehnt eine Sanierung ab,
weil dafür alle in Betracht kommenden gesetzlichen Erben das formungültige
Testament vor Entscheidung des Abhandlungsgerichtes vorbehaltlos
anerkennen müssen. | |
|
 | Abbildung 15.49: Formzwecke (1) |
|
 | Abbildung 15.50: Formzwecke (2) |
|
 | Abbildung 15.51: Schriftform (1) |
|
 | Abbildung 15.52: Schriftform (2) |
|
 | Abbildung 15.53: Schriftform (3) |
|
 | Abbildung 15.54: Schriftform (4) |
|
 | Abbildung 15.55: Schriftform (5) |
|
 | Abbildung 15.56: Schriftform (6) |
|
 | Abbildung 15.57: Schriftform (7) |
|
 | Abbildung 15.58: Schriftform (8) |
|
 | Abbildung 15.59: Schriftform (9) |
|
III. Die
Umdeutung oder Konversion | |
1. Zur Funktion
der Konversion | |
 | |
Die Umdeutung ist ein
rechtstechnisches Mittel, um Rechtsgeschäften und Verträgen (doch
noch) Gültigkeit zu vermitteln, obwohl das konkrete Rechtsgeschäft
oder der Vertrag in der vorgenommenen Form ungültig sind. – Die
Konversion – ein Interpretationsakt – deutet ein fehlerhaftes Rechtsgeschäft
in ein zulässiges um. Das ist nur möglich, wenn der Parteiwille (iSd
§ 914 ABGB) eine solche Umdeutung duldet und auch der Gesetzeszweck dies
zulässt; vgl unten § 140 dtBGB. Es geht dabei um ein größtmögliches
Aufrechterhalten des rechtsgeschäftlichen Inhalts, wenngleich in
einem neuen, rechtlich zulässigen Gewande. | fehlerhaftes
RG wird in zulässiges umgedeutet |
 | |
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Das ABGB kennt keine Regelung der Umdeutung, wohl aber das
dtBGB in § 140: | |
„Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft
den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das Letztere, wenn
anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit
gewollt sein würde.” | |
Rspr
und Lehre haben diese deutsche Regelung gleichsam als Analogiebasis verstanden,
was sich iVm § 7 ABGB gewohnheitsrechtlich verfestigt hat. – Rechtshistorisch
ergänzt werden kann dieses Ergebnis durch einen Hinweis auf § 914
aF ABGB, der durch die III. TN beseitigt wurde. Sein zweiter Satz
lautete: | |
”„nsbesondere soll ein zweifelhafter Vertrag
so erklärt werden, daß er keinen Widerspruch enthalte, und [!] von Wirkung
sei.“ | |
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