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Neue Bereitschaft für die christliche Botschaft im säkularen Raum?

Autor:Schwager Raymund
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:Anzeichen aus verschiedenen Bereichen sprechen dafür, dass die Bereitschaft für seriöse religiöse Themen in einem Teil der Öffentlichkeit größer wird.
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2002-05-28

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Bei der Entgegennahme des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels (14. Okt. 2001) hat Jürgen Habermas die Attentate vom 11. Sept. 2001 als ein 'apokalyptisches' Geschehen gedeutet, und er reagierte darauf mit einer Rede zum Thema Glaube und Wissen. Durch seine Ausführungen suchte er auch für 'religiös unmusikalische' Menschen einen Sinn zu erschließen für die Aussage von der "absoluten Differenz zwischen Schöpfer und Geschöpf ". Viele andere haben damals für einen Augenblick wohl ähnlich empfunden. Waren dies nur Gefühle angesichts eines erschütternden Ereignisses? Schon vor dem 11. September 2001 hat Régis Debray, ein ehemaliger Kampfgefährte Che Guevara's, in einer aufsehenerregenden Arbeit (Dieu, un itinéraire) die Geschichte der monotheistischen Gottesvorstellungen verfolgt und daraus geschlossen: in einer Gesellschaft, in der alles religiöse Wissen verloren geht, zersetzt sich etwas Grundsätzliches. Angeregt durch Debray verlangte vor einigen Wochen der damalige französische Kulturminister Jack Lang, die Religion müsse in Zukunft bei der Ausbildung der Lehrer und Lehrerinnen wieder mehr Gewicht bekommen und sie solle zu einem verpflichtenden Schulfach werden. Wenn man bedenkt, wie 'heilig' den französischen Sozialisten nicht nur die Trennung von Kirche und Staat, sondern auch von Religion und Gesellschaft war, dann kommt diese Ankündigung fast einer kleinen Kulturrevolution gleich. - Dennoch: einige Schwalben machen noch keinen Frühling. Sie zeigen aber, dass für verantwortungsbewusste Anhänger eines säkularen Denkens die Frage der Religion sich auf neue Weise zu stellen beginnt.

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Im christlichen Raum liefen die Dinge während der letzten Jahrzehnte zunächst in die umgekehrte Richtung. Viele meinten, sie könnten sich dadurch in der säkularen Welt Gehör verschaffen, dass sie ständig die Kirche und die christliche Überlieferung kritisierten. Für einen Augenblick mag dies einigen gelungen sein. Längerfristig machen sich solche Stimmen aber selber bedeutungslos, und sie tragen eher zur Selbstbestätigung einer säkularen Welt bei, deren Leere selbst religiös unmusikalische, aber feinfühlige und verantwortungsbewusste Menschen heute klar zu spüren beginnen.

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Der Papst hat sich von den Moden der säkularen Welt nie anstecken lassen. Er hat sich dafür in den Medien der westlichen Welt und bei vielen Theologinnen und Theologen den Ruf eines autoritären und reaktionären Konservativen eingehandelt. Dennoch ist es ihm gelungen, zu einer weltweiten, ja zu einer einzigartigen Autorität zu werden. Für die Fragen der Gewalt und des interreligiösen Dialogs hat er durch die Friedensgebete in Assisi einen überzeugenden Ansatz gefunden, dem sich auch Führer anderer Religionen anschließen. Er ist ferner die einzige weltweit respektierte Autorität, die gegen einen uneingeschränkten Kapitalismus und eine reine Konsumgesellschaft ihre Stimme erheben kann. Ein säkularer Politologe wie Anton Pelinka schreibt: "Die Kirche hat eine weltumspannende Autorität. Diese Autorität ist einmalig - keine andere alle Kontinente und Länder erfassende Organisation, erst recht nicht die Vereinten Nationen, sind 'supranational' wie die Kirche... Die Römische Kirche ist ein Modell für übermorgen: Im Zeichen der Globalisierung braucht es globale Autorität" (Die Presse, 24. Mai 2002, 9). Pelinka meint allerdings, die Kirche sei gleichzeitig "ein Relikt von vorgestern: Für die Zukunft braucht die Welt Demokratie und Menschenrechte - und nicht die Negation von beidem". Dass die Welt Demokratie braucht ist unbestritten. Muss aber auch die Kirche gleich strukturiert sein? Sie bleibt interessant und kann der Leere einer säkularen Konsumgesellschaft dann etwas entgegensetzen, wenn sie eine eigene Botschaft hat und wenn sie sich in ihrer Struktur nicht in allem den Strukturen dieser Welt anpasst. Auch die Menschenrechte sind selbstverständlich unumstritten. Das heißt aber keineswegs, dass eine Gemeinschaft, der man frei beitreten oder die man frei verlassen kann, nicht besondere Forderungen stellen darf. Was für übermorgen taugt, darüber kann nicht heute dekretiert werden; dies wird sich erst noch zeigen. Es zeichnet sich aber jetzt schon ab, dass totale Säkularisierungen in die Leere und in die Selbstzerstörung führen. Die moderne Gesellschaft hat gerade durch ihre Erfolge, durch ihre Erfindungen und technischen Entwicklungen, unerwartet einen apokalyptischen Charakter bekommen. Angesichts dieser Herausforderungen genügen einige Strukturreformen nicht. Die apokalyptisch gewordene Welt ruft vielmehr nach einem unerschütterlichen Glauben an Gott und nach einem unbedingten Engagement für den Frieden in der Welt, wie Johannes Paul II beides bis in eine letzte Erschöpfung hinein vorlebt. Nur so werden die Menschen den großen Aufgaben, die anstehen, vielleicht gewachsen sein.

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