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FSP-Tag: Imaginarien des Alpinen

Wie lassen sich die Begriffe Natur und Kultur zueinander in Relation setzen? Wie sprechen wir über unsere Umwelt und konstruieren sie dadurch? Welche Bilder, Vorstellungen und Begriffe des Alpinen prägen die Wahrnehmung unserer unmittelbaren Umwelt? An diesem Tag widmen wir uns historischen und gegenwärtigen Konzeptionen von Mensch-Umwelt-Verhältnissen und speziell des Alpinen.

09. November 2023, 09:00-17:00
Künstlerhaus Büchsenhausen, Weiherburggasse 13, 6020 Innsbruck

Die Environmental Humanities haben sich in den letzten Jahren als neues Forschungsfeld der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften entwickelt. Ausgehend davon, dass umweltbezogene Fragestellungen nicht allein Sache der Natur- und Technikwissenschaften sind, sondern vor allem anhand von interdisziplinären Ansätzen betrachtet werden müssen, bilden sich derzeit neue Perspektiven auf die Erforschung der Umwelt. In diesem Feld richtet sich der spezifisch geistes- und kulturwissenschaftliche Blick in aktivem Dialog mit den Naturwissenschaften auf die ökologischen Krisen unserer Gegenwart. Der FSP-Tag „Imaginarien des Alpinen“ bildet den Auftakt, um diese neue Forschungsperspektive der Environmental Humanities am FSP zu stärken und bereits entwickelte Ansätze miteinander zu vernetzen. Dabei wollen wir uns insbesondere dem Verhältnis Natur/Kultur widmen, das hinsichtlich seiner historischen und gegenwärtigen Konzeption und als kulturelle Form der Bedeutungseinschreibung in Mensch-Umwelt-Verhältnisse aus unterschiedlicher Perspektive untersucht werden soll. Wie produzieren und kommunizieren wir Wissen über ökologische Aspekte? Wie lassen sich die Begriffe Natur und Kultur zueinander in Relation setzen, können sie überhaupt getrennt betrachtet werden? Inwiefern prägen soziale, kulturelle Praktiken, Literatur und Kunst unsere Vorstellungen von Natur, lassen sich Wechselwirkungen identifizieren? Wie interagieren Menschen mit ihren belebten und unbelebten Umwelt(en), welche Landschaften entwickeln sich dadurch und welche Rolle spielen dabei die Imaginarien dieser Räume? Und nicht zuletzt, was zeigt der historische und kulturelle Vergleich?


Die grundlegende Einführung in das Feld der Environmental Humanities und die Auseinandersetzung mit konzeptionellen Fragen rund um Kultur/Naturbegriffe eröffnen die Möglichkeit, den Blick auf die unmittelbar eigene Umwelt zu richten. So wollen wir uns im zweiten Teil des FSP-Tages mit den Bildern, Vorstellungen und Begriffen des Alpinen beschäftigen und deren Verwobenheit mit sozio-kulturellen Dynamiken und ökologischen Prozessen und Veränderungen untersuchen.


Wir bitten um Anmeldung bis 02. November 2023 per Mail an fsp-kultur@uibk.ac.at


Programm


09:00–09:15 Uhr | Eintreffen

09:15–09:30 Uhr | Begrüßung und Einführung

09:30–10:30 Uhr | "Der Geist der Umwelt. Umweltgeisteswissenschaften und die Geschichte der Landschaft" von Sonja Dümpelmann

Moderation: Juliana Krohn

Dieser Vortrag stellt die Geschichte der Landschaft in den Kontext der interdisziplinären Umweltgeisteswissenschaften. Er zeigt wie Landschaft sogleich als Kultur und Natur sowie als Koproduktion menschlichen Handelns und nichtmenschlicher Naturkräfte verstanden worden ist. So wie der Landschaftsbegriff, ist auch die Gestalt der physischen Landschaft sowohl Ausdruck als auch Formgeber für Mensch-Umweltbeziehungen. Anhand verschiedener Landschaftsbeispiele mit Verbindung zum Alpinen wird das Potential der Landschaftsgeschichte für die Umweltgeisteswissenschaften im neuen Erdzeitalter des Plantationocene bzw. Anthropozän aufgezeigt.

10:30–11:00 Uhr | Kaffeepause

11:00–12:00 Uhr | "Wo sind die Utopien? (Amerikanische) Literatur im Anthropozän" von Catrin Gersdorf

Moderation: Maximilian Gröber

In ihrem Kern wurden utopische Erzählungen von der Hoffnung getragen, dass das gute Leben eine Zukunft hat. Gerade in Krisenzeiten hatten Utopien Hochkonjunktur. Allerdings verharrte ihr kritisches Potential gerade im 20. Jahrhundert oft in dystopischen Szenarien. Dafür stehen Namen wie Aldous Huxley, George Orwell, Margaret Atwood oder Octavia Butler. Angesichts der ökologischen Krisen, von denen die ersten beiden Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts gekennzeichnet sind – Artensterben, Klimawandel, immer knapper werdende Ressource – nimmt es nicht Wunder, dass apokalyptische und dystopische Szenarien Erzählungen von der Zukunft dominieren, sei es Romanen wie Cormac McCarthys The Road (2006) oder in Filmen wie Roland Emmerichs The Day After Tomorrow (2004) und Bong Joon-hos Snowpiercer (2013). Aber wo sind die Utopien? Wo sind die Erzählungen, mit denen sich die Angst vor der Klimakatastrophe begegnen lässt? Ist es naiv, überhaupt eine solche Frage zu stellen? Dieser Frage will ich mit meinem Vortrag nachgehen und dabei aufzuzeigen versuchen, welche Bedeutung das Projekt der Environmental Humanities für die literatur- und kulturwissenschaftliche Forschung im 21. Jahrhundert hat.

12:00–13:00 Uhr | Mittagspause

13:00–14:30 Uhr | “Natur als Schöpfung. Ein christlicher Blick auf das Mensch-Umwelt-Verhältnis" von Wilhelm Guggenberger // "Umweltgeschichte der Alpen: ein Werkstattbericht" von Patrick Kupper und Reinhard Nießner

Moderation: Roland Köchl

Die menschliche Rede von Natur findet oft als Abgrenzung gegenüber dem Anderen statt: Natur als das, was nicht Kultur ist, was den Menschen umgibt, ohne wirklich zu ihm zu gehören. Das mag im Sinne einer Strukturierung der Realität unvermeidlich sein, sollte aber als konstruierte Abstraktion erkennbar bleiben. Welche Rolle nehmen im Rahmen dieser Weltwahrnehmung jene Religionen ein, die an einen Schöpfergott glauben, insbesondere das Christentum? Dieser Frage geht der erste Vortrag dieses Panels nach und zeigt, dass es auch hier ein breites Interpretationsspektrum gibt, vom überzogenen Anthropozentrismus hin zu einer kosmischen Christologie, in der Evolution und Heilsgeschichte miteinander identifiziert werden. Zentral bleibt jedenfalls der Schöpfungsbegriff, der unvermeidlich eine personale Relationalität in das Mensch-Umwelt-Verhältnis bringt.

Der zweite Vortrag dieses Panels führt in das Feld der Umweltgeschichte ein, stellt umwelt- und alpenhistorische Arbeiten des Arbeitsbereichs Wirtschafts- und Sozialgeschichte vor und gibt einen vertieften Einblick in eine laufende Dissertation zur gescheiterten Begradigung des Inns im 18. Jahrhundert.

14:30–15:00 Uhr | Kaffeepause

15:00–16:30 Uhr | "'Welcome to Our World': Tyrolean Tourism Imaginaries and the (Re)/(Un)shaping of Alpine Cultural Ecological Realities" von Christine Le Jeune // "The Alps and the Horrors of the Anthropocene" von Michael Fuchs

Moderation: Manuel Schmidinger

Tourism has come to dominate Tyrol, and tourism defines the ways in which Tyrol represents itself to outsiders and to locals. Tourism imagery—whether through advertising campaigns, social media, cultural events, film, art, or literature—cultivates image-works that entice outsiders with the chance to experience firsthand the pleasurable aesthetic features of places. Yet locals likewise absorb this tourism imagery and experience, internalize, and project image-works in their own ways. This contribution examines the imagery that has fostered a particular type of tourism development pathway in Tyrol and which has shaped its alpine cultural ecological realities.

The second presentation of this panel will situate two Austrian horror movies within the context of Anthropocene horrors: Blood Glacier (2013) and Attack of the Lederhosen Zombies (2015). Both films struggle with global warming’s effects on alpine regions, but in different ways. Lederhosen Zombies’ titular monsters emerge in response to trying to counter global warming’s expected effects on winter tourism. In the process, the always-hungry undead come to embody capitalism’s insatiable hunger, which ultimately destroys that which nourishes it. Blood Glacier, on the other hand, revolves around the idea that global warming will set free microorganisms that have lain dormant in permafrost for hundreds of thousands of years. While much of the film’s runtime focuses on how humans fight the monstrous hybrids that the prehistoric microorganisms create, a humanoid hybrid emerges as humankind’s hope for future existence (in altered form) on a human-altered planet.

16:30–17:00 Uhr | Gemeinsame Abschlussdiskussion

Vortragende


Sonja Dümpelmann
Sonja Dümpelmann ist Landschaftsarchitektin und Inhaberin des Lehrstuhls für Environmental Humanities an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, an der sie zudem Co-Direktorin des Rachel Carson Centers ist. In ihrer Arbeit legt sie einen besonderen Fokus auf die Beziehungen von Innerem und Äußerem, bspw. die Beziehungen zwischen Architektur und Landschaft, Zentrum und Peripherie, Theorie und Praxis; Machtbeziehungen; Zufall und Intention; sowie die Beziehungen zwischen sozialen bzw. politischen Prozessen und Landschaftsveränderungen. 

Catrin Gersdorf
Catrin Gersdorf ist Professorin für Amerikanistik an der Universität Würzburg und Sprecherin der Environmental Humanities Class der Graduiertenschule für die Geisteswissenschaften. In ihrer aktuellen Forschung fokussiert sich Catrin Gersdorf auf literarische und kulturelle Antworten auf die Herausforderungen des Anthropozäns.

 

Wilhelm Guggenberger
Wilhelm Guggenberger studierte Katholische Theologie und Philosophie. Er ist Dozent für Christliche Gesellschaftslehre und derzeit Dekan der Katholisch-theologischen Fakultät Innsbruck.  

Patrick Kupper

 

Reinhard Nießner
Reinhard Nießner, MA, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an diesem Arbeitsbereich.

Christine Le Jeune
Christine Le Jeune ist PhD Studentin der kulturellen Anthropologie an der University of Florida. Sie studierte German and European Studies an der Georgetown University in Washington, D.C., sowie Internationale Beziehungen an der Freien Universität Berlin, Humboldt Universität Berlin und Universität Potsdam. 

Michael Fuchs
Michael Fuchs arbeitet als Postdoc im FWF-Projekt “Delocating Mountains: Cinematic Landscapes and the Alpine Model” am Institut für Amerikastudien an der Universität Innsbruck. Er ist Mitherausgeber von zahlreichen Büchern und Special Issues, unter anderem von Fantastic Cities: American Urban Spaces in Science Fiction, Fantasy, and Horror (UP Mississippi, 2022), und “Beyond Petromodernity” for Extrapolation (vol. 64, no. 1, 2023).


Organisation

Forschungsschwerpunkt "Kulturelle Begegnungen - Kulturelle Konflikte // Teresa Millesi & Nadja Neuner-Schatz

Kontakt: fsp-kultur@uibk.ac.at // Teresa Millesi & Nadja Neuner-Schatz

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