Kapitel 8 | |
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A. Grundgedanken
des Sachenrechts |
C. Gutglaubenserwerb
und Doppelverkauf |
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B. Eigentumsvorbehalt
und Sicherungsübereignung |
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I. Eigentumsvorbehalt
als Warensicherungsmittel | |
1. Gründe seiner
Beliebtheit | |
Der
Eigentumsvorbehalt ist ein beliebtes Mittel, um bei Kreditkäufen
über bewegliche Sachen den Verkäufer dinglich zu sichern. Praktisch
spielt der Eigentumsvorbehalt im Zusammenhang mit dem Abzahlungsgeschäft
(§§ 16 ff KSchG → KAPITEL 2: Das Abzahlungsgeschäft) eine wichtige Rolle. Seine weite Verbreitung
rührt daher, dass er die verschieden gelagerten Erwartungen von
Verkäufer und Käufer rechtlich in geradezu idealer Weise verbindet:
Der Käufer kann die Sache nutzen und wird – was oft nicht gesehen
wird – auch hinreichend gegen den Verkäufer (und dessen Gläubiger)
geschützt. Der Verkäufer bleibt trotz Übergabe des Kaufgegenstands
(bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises) Eigentümer der
Sache / Ware und sichert so seine Kaufpreisforderung gegen den Käufer
(insbesondere dessen Zahlungsverzug oder Zahlungsunfähigkeit) und
seine Gläubiger optimal ab. Der Eigentumsvorbehalt fördert den Absatz
des Verkäufers, ohne damit ein nennenswertes Risiko zu verbinden.
Der Eigentumsvorbehalt ist bei uns das effizienteste Warensicherungsmittel
der Wirtschaft. Er kann nur an beweglichen Sachen begründet werden. | Kreditkäufe |
Rechtshistorisch
hat sich der Eigentumsvorbehalt erst spät, nämlich am Ende des 19.
Jhs. entwickelt; Vorformen existierten aber schon bei den alten
Griechen, wo das Eigentum erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung
überging, was von den Römern übernommen wurde. – Der Eigentumsvorbehalt
setzt wirtschaftlich einen intensivierten Warenabsatz und ein damit
verbundenes Sicherungsbedürfnis voraus. Dieses
Sicherungsbedürfnis bestand aber auch schon in den frühen Rechtsordnungen
Griechenlands und Roms. Das antike Recht schob daher ebenfalls den endgültigen
Rechtserwerb am Kaufgegenstand bis zur Kaufpreiszahlung hinaus. | Rechtsgeschichte |
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2. Keine gesetzliche
Regelung | |
Der
Eigentumsvorbehalt ist in Österreich (anders als in Deutschland)
gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Er beruht vielmehr auf Judikaturgewohnheitsrecht,
das sich formell auf § 1063 ABGB stützt: Kreditkauf / Kauf auf Borg.
Manche Gesetze setzen das Rechtsinstitut Eigentumsvorbehalt aber
voraus (vgl § 24 Abs 1 Z 9 KSchG), was als Indiz für die Anerkennung
von bestehendem Gewohnheitsrecht durch den Gesetzgeber angesehen
werden kann. | Judikaturgewohnheitsrecht |
Eine ausdrückliche Regelung des Eigentumsvorbehalts
trifft § 449 dtBGB, und diese Vorschrift diente der österreichischen
Rspr und Lehre als (Analogie)Vorbild. | |
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§ 449 dtBGB | |
Hat sich der Verkäufer einer beweglichen Sache
das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist
im Zweifel anzunehmen, dass die Übertragung des Eigentums unter
Zahlung des Kaufpreises erfolgt und dass der Verkäufer zum Rücktritte
von dem Vertrag berechtigt ist, wenn der Käufer mit der Zahlung
in Verzug kommt. | |
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3. Der
Eigentumsvorbehalt braucht eine Vereinbarung | |
Grundsätzlich braucht
es heute für die Begründung eines Eigentumsvorbehalts eine (vertragliche) Vereinbarung
beider Kaufvertragsparteien, zumal § 1063 ABGB für den Kreditkauf
die gegenteilige Regel normiert: Wird nämlich der Kaufgegenstand
dem Käufer ohne das Kaufgeld zu erhalten vom Verkäufer übergeben,
geht das Eigentum an demselben „gleich auf den Käufer über” und
die Sache ist „auf Borg” (dh auf Kredit) verkauft. | |
Eigentumsvorbehalte
werden häufig mit AGB vereinbart. Werden AGB (pauschal)
akzeptiert, wird dadurch auch ein darin enthaltener Eigentumsvorbehalt
toleriert! Das widerspricht nicht der Forderung, dass der Eigentumsvorbehalt
vereinbart werden muss. – Ungültig wäre es dagegen, wenn ein Vertrag
ohne Eigentumsvorbehaltsregelung abgeschlossen wurde und erst nachträglich
(einseitig) auf den Lieferschein oder die Rechnung gesetzt
wird, wie dies in der Praxis vorkommt. | Häufig in AGB vereinbart |
Zum sog einseitigen Eigentumsvorbehalt
im Rahmen eines Zug-um-Zug-Leistungsaustauschs: Gschnitzer, SchRBesT
44 (19882) sowie SchRAT (19912)
und vor allem Sachenrecht 103 (19852). Gültig
erscheint eine Erklärung, sich am Kaufgegenstand das Eigentum einseitig
vorzubehalten dann, wenn ein Zug-um-Zug-Leistungsaustausch vereinbart
war und der Warenschuldner (= Verkäufer) seine Lieferung unter den
Vorbehalt stellt, dass er sich das Eigentum für den Fall vorbehält, dass
der Warengläubiger (= Käufer) nicht ebenfalls Zug um Zug leistet.
Das kann gültig auch noch am Lieferschein vermerkt werden; ein nachträglicher
Hinweis (also nach erfolgtem Leistungsaustausch) auf einer Rechnung
käme aber auch hier zu spät. | Einseitiger
Eigentumsvorbehalt? |
Zu dieser Lösung haben (neben der angeführten
Gschnitzer-Neubearbeitung) mit ganz unterschiedlicher Zielsetzung Spielbüchler,
Frotz und F. Bydlinski beigetragen; vgl etwa F. Bydlinski, Die rechtsgeschäftliche
Voraussetzung der Eigentumsübertragung nach österreichischem Recht,
in: FS Larenz 1027 (1973). Bisher wurde diese Lösung auf das funktionelle
Synallagma ( → KAPITEL 2: Gegenseitige
Pflichten aus dem Kaufvertrag ¿ Das Synallagma) gestützt. ME sollte aber schon beim genetischen
Synallagma angesetzt werden, zumal dann, wenn zwischen den Kaufvertragsparteien
nichts anderes vereinbart wurde, ein Zug-um-Zug-Leistungsaustausch
als vereinbart gilt und diese Vereinbarung des Titelgeschäfts durch
einen nachträglichen einseitigen Eigentumsvorbehalt (nur) gesichert
werden soll. Ein Kreditkauf iSd § 1063 ABGB ist dann eben nicht
gewollt und der Eigentumsvorbehalt betont bloß die rechtliche Relevanz
des Zug-um-Zug-Prinzips. – Die Rspr hat zu dieser „Frage” bislang
aber noch nicht Stellung bezogen. | |
4. Eigentumsübergang:
„bedingt” aufgeschoben | |
Der
Eigentumsvorbehalt stellt die Übertragung des Eigentums unter die aufschiebende Bedingung ( → KAPITEL 13: Aufschiebende
und
auflösende Bedingung) vollständiger
Kaufpreiszahlung. Gerät der Käufer in (Schuldner)Verzug,
kann der Verkäufer (als Gläubiger) vom Vertrag zurücktreten, wobei
die Praxis für den Rücktritt das schlichte Zurückfordern
des Kaufgegenstandes genügen lässt. – Der Verkäufer kann aber (trotz
Käuferverzugs) auch an der Vertragserfüllung festhalten, was meist
im eigenen Interesse des Verkäufers liegt und daher häufig geschieht. | |
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5. Schutz
der Verkäuferinteressen | |
Der
Eigentumsvorbehalt sichert primär die Interessen des Verkäufers
gegen den Käufer (und dessen Gläubiger): | Rechtsstellung des Verkäufers |
• sei es für den Fall
des Käuferverzugs (Rücktritt → KAPITEL 7: Der
Schuldnerverzug); | |
•
sei es um sich
gegen Exekutionen von Gläubigern des Käufers zu
schützen (§ 37 EO: Widerspruchs- oder Exszindierungsklage); | |
•
sei es, um im Falle des Konkurses oder Ausgleichs des
Käufers (§ 44 KO und §§ 11, 21 AO) ein Aussonderungsrecht geltend
zu machen. | |
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§ 37 EO | |
(1) Gegen die Execution kann auch von einer
dritten Person Widerspruch erhoben werden, wenn
dieselbe an einem durch die Execution betroffenen Gegenstande, an
einem Teile eines solchen oder an einzelnen Gegenständen des Zubehöres
einer in Execution gezogenen Liegenschaft ein Recht behauptet, welches
die Vornahme der Execution unzulässig machen würde. | |
(2) Ein solcher Widerspruch ist mittels Klage geltend
zu machen; die Klage kann zugleich gegen den betreibenden Gläubiger
und gegen den Verpflichteten gerichtet werden, welche in diesem
Falle als Streitgenossen zu behandeln sind. | |
(3) Für diese Klage ist, je nachdem sie vor
oder nach Beginn des Executionsvollzuges angebracht wird, das Gericht,
bei dem die Bewilligung der Execution in erster Instanz beantragt
wurde, oder das Executionsgericht zuständig. | |
(4) Wenn der Klage rechtskräftig stattgegeben
wird, ist die Execution einzustellen. | |
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§ 44 KO | |
(1) Befinden sich in der Konkursmasse Sachen,
die dem Gemeinschuldner ganz oder zum Teile nicht gehören, so ist
das dingliche oder persönliche Recht auf Aussonderung nach
den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen. | |
(2) Ist eine solche Sache nach der Konkurseröffnung
veräußert worden, so kann der Berechtigte, unbeschadet weitergehender
Ersatzansprüche, die Aussonderung des bereits geleisteten Entgeltes
aus der Masse, wenn aber das Entgelt noch nicht geleistet worden
ist, die Abtretung des Rechtes auf das ausstehende Entgelt verlangen. | |
(3) Sind dem Gemeinschuldner oder dem Masseverwalter
Auslagen zu vergüten, die für die zurückzustellende Sache oder zur
Erzielung des Entgeltes aufgewendet worden sind, so sind sie vom
Aussonderungsberechtigten Zug um Zug zu ersetzen. | |
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„Aussondern“ heißt, die Sache selbst, also zB den unter
Eigentumsvorbehalt verkauften Pkw-Kombi, zurücknehmen zu dürfen. | |
Natürlich ist ein Kfz, das vom Händler an
den Kunden übergeben wurde, sofort weniger wert; aber es bleiben
zB immer noch von den 15.000 ı (Kaufpreis), 12.500 ı über! Das ist
wirtschaftlich immer noch sehr viel! | |
Nicht
zu verwechseln mit dem Aus-sonderungsrecht, ist das „Ab-sonderungsrecht“,
das bspw ein Pfandrecht (dem Pfandgläubiger) gewährt. Gemeint ist
damit das Recht bevorzugter Befriedigung aus der (Pfand)Sache bei
Exekution oder Insolvenz. Aber man erhält dabei nicht die Sache
selbst zurück! Vielmehr wird die Sache versteigert und der Pfandgläubiger
aus dem Erlös bevorzugt, dh vor allen anderen Gläubigern befriedigt!
Dazu auch → KAPITEL 19: Absonderungsansprüche. | |
Wird das
Vorbehaltsgut versehentlich zum Vorteil eines Dritten verwendet
– etwa im Rahmen einer Exekutionsführung oder eines Insolvenzverfahrens
– steht dem Verkäufer zur Wahrung seiner Interessen ein Verwendungsanspruch nach
§ 1041 ABGB ( → KAPITEL 5: Verwendungsansprüche) gegen den betreibenden Gläubiger, die
„Masse” oder allfällige befriedigte Gläubiger zu; SZ 57/192 (1984). Allein
ein solcher Anspruch ist kein dinglicher, sondern bloß ein obligatorischer. | |
6. ... aber auch
der Käuferinteressen | |
Der
Eigentumsvorbehalt sichert aber auch – gleichsam spiegelbildlich
– die berechtigten Interessen der Käuferseite gegenüber dem Verkäufer
(und dessen Gläubigern). – Die Rspr gewährt dem Vorbehaltskäufer
eine analoge Rechtsstellung zu jener des Verkäufers; also Exszindierung bei
Exekutionen auf das Vorbehaltsgut, Aussonderung in
Konkurs und Ausgleich. Darüber hinaus genießt der Vorbehaltskäufer
als Rechtsbesitzer Besitzschutz, zumal er ein Recht
auf Nutzung des Vorbehaltsguts erworben hat, obwohl er noch nicht
Eigentümer geworden ist. | Spiegelbildlicher Rechtsschutz |
7. Rechtsstellung
des Vorbehaltskäufers | |
Während der Zeit der Kreditierung
des Kaufpreises hat der Käufer ein dingliches Anwartschaftsrecht
( → KAPITEL 6: Vorvertrag
<-> Anwartschaftsverträge: Vorvertrag <-> Anwartschaftsverträge),
das, wie andere unter einer aufschiebenden Bedingung zugesagte Rechte,
bereits vererblich ist. – Gleichzeitig ist der Käufer – wie erwähnt
– Rechtsbesitzer. | Dingliches
Anwartschaftsrecht |
Die Gefahr
(des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung
des Vorbehaltsgutes) trägt ab Übergabe der (Vorbehalts)Käufer. Nur
er kann (ab Übergabe) die Sache vor Schaden bewahren. – Der Käufer
hat das Vorbehaltsgut daher ab Übergabe sorgfältig zu behandeln,
zumal es noch nicht sein Eigentum ist. | Gefahrtragung |
Allfällige Schadenersatzansprüche (zB gekauftes Auto wird
von Drittem beschädigt) stehen aber Verkäufer und Käufer gemeinsam
zu; beide Vertragsparteien haben nämlich ein rechtliches Interesse
an der Reparatur des Vorbehaltsgutes; SZ 52/63 (1979) im Gegensatz
zur früheren Rspr. | |
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| Abbildung 8.19: Eigentumsvorbehalt (1) |
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| Abbildung 8.20: Eigentumsvorbehalt (2) |
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| Abbildung 8.21: Eigentumsvorbehalt (3) |
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| Abbildung 8.22: Eigentumsvorbehalt (4) |
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| Abbildung 8.23: Eigentumsvorbehalt (5) |
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| Abbildung 8.24: Eigentumsvorbehalt (6) |
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8. Strafrechtliche
Konsequenzen | |
Beschädigt
der Käufer vorsätzlich das Vorbehaltsgut, begeht er Sachbeschädigung (§
125 StGB), veräußert er es unerlaubt (dh ohne Verkäuferzustimmung),
ist das Veruntreuung iSd § 133 StGB. – Als bloßer
Rechtsbesitzer und dinglicher Anwartschaftsberechtigter steht ihm
nämlich noch kein Verfügungsrecht (iSd § 354 ABGB) über das Vorbehaltsgut
zu. | |
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| Abbildung 8.25: Formen des Eigentumsvorbehalts/ETV |
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9. Arten des Eigentumsvorbehalts | |
Verlängerungsformen für Verarbeitung und Weiterveräußerung
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Vorauszuschicken ist der Hinweis, dass mangels gesetzlicher
Regelung des Eigentumsvorbehalts nicht einmal die Begriffe / Termini
bezüglich der verschiedenen Arten des Eigentumsvorbehalts einheitlich
verwendet werden, worauf demnach zu achten ist. | |
| Abbildung 8.26: Verlängerter ETV: Verarbeitungsklausel |
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Er spielt eine Rolle, wenn der Käufer Waren kauft, die er
idF weiterverarbeitet; zB ein Kühlschrankerzeuger
kauft Bleche oder eine Großschneiderei indische Seidenstoffe, um
daraus Blusen zu fertigen. – „ Verlängerter Eigentumsvorbehalt”
heißt diese Form deshalb, weil die Eigentümerposition des Lieferanten
/ Verkäufers gleichsam dadurch verlängert wird, indem sie auch den Verarbeitungsvorgang
überdauert. Der Lieferant der Seidenstoffe erhält nämlich an den
hergestellten Blusen zwar nicht Allein-, wohl aber Mit eigentum
(im Anteil des Wertes der von ihm gelieferten Stoffe am Endprodukt).
Dieses am Endprodukt entstehende Miteigentum des Lieferanten stellt
für ihn eine wichtige dingliche Sicherung dar. Das zeigt sich etwa
beim Konkurs des Käufers (wie zB der Großschneiderei) in SZ 49/138
(1976): Der Verkäufer kann als Miteigentümer aussondern,
erhält also entsprechend dem Wert seiner Lieferung eine bestimmte
Anzahl fertiger Produkte, etwa Seidenblusen ausgehändigt. Als schlichter
Konkursgläubiger ( → KAPITEL 19: Konkursforderungen
¿ Konkursquote)
erhielte er idR wesentlich weniger. | Verlängerter
Eigentumsvorbehalt |
Wir können aus solchen Rechtsfiguren anschaulich
das Zusammenwirken von Recht und Wirtschaft erkennen. Das
Recht – Rspr und Schrifttum – versucht, hier sogar ohne gesetzliche
Grundlage (!), der Wirtschaft sachgerechte Lösungen zu bieten. –
Die neue Lösung des OGH stammt aus dem Jahre 1976. Früher vertrat
unser Höchstgericht – anders als in Deutschland – die Meinung, dass
das Eigentum des Lieferanten mit Verarbeitung trotz eines allenfalls vereinbarten
Eigentumsvorbehalts erlischt. Der OGH schloss sich in der genannten
E der deutschen Praxis an. | Zusammenwirken von Recht und
Wirtschaft |
Dieser verlängerte Eigentumsvorbehalt
hatte einen Vorläufer aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, wo auf
Grund des Wirtschaftlichen ErmächtigungsG 1917,
RGBl 307 eine Vollzugsanweisung (~ VO; 1920, StGBl 320, zeitlich begrenzt
bis Ende 1925) erlassen worden war, die eine Sonderregelung für
die Begründung von Eigentumsvorbehalten an ausländischen Rohstoffen
vorsah. Der wirtschaftliche Hintergrund lag im Rohstoff- und Kapitalmangel
am Ende und nach dem 1. Weltkrieg. Diese damals neue Form des Eigentumsvorbehalts
ermöglichte die Kreditierung des Kaufpreises (Liegenschaftskredit → KAPITEL 3: Der
Kredit(eröffnungs)vertrag)
und zeitigte nach seiner Registrierung (!) Wirkungen nicht nur für
die Zeit der Verarbeitung, sondern auch am Fertigprodukt; am Endprodukt
entstand Miteigentum (im Normalfall zwischen Lieferant und Produzent)
sowie ein Exekutions- und Konkursschutz. Mehr bei H. Klang, GZ 1920,
Nr 45-48, S. 241. | Wirtschaftliches
ErmächtigungsG 1917 |
Die folgenden Folien stellen den offen weitergeleiteten
Eigentumsvorbehalt sowie die Vorausabtretungs- und die Erlösklausel
dar: | |
| Abbildung 8.27: Offen weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt |
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| Abbildung 8.28: ETV: Vorausabtretungsklausel |
|
| Abbildung 8.29: ETV: Erlösklausel |
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Praktische
Anwendung der Erlös- und Vorausabtretungsklausel: Die öRspr hat
sich bislang mit den vielfältigen Formen des Eigentumsvorbehalts
noch kaum detailliert auseinandergesetzt, in Deutschland sind sie
gelebte Praxis. – Ein zusätzliches Problem stellt die allenthalben
feststellbare unterschiedliche Begriffsbildung dar; auch sie wäre
EU-einheitlich zu gestalten. | Erlös- und
Vorausabtretungsklausel |
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BGHZ 26/178: Der zugunsten eines
Lieferanten von Baustoffen vereinbarte [verlängerte! Man beachte
die andere Terminologie] Eigentumsvorbehalt ... erstreckt sich auch
auf den Vergütungsanspruch (= Erlös) des Bauunternehmers, der unter
Verwendung der ihm unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Baustoffe
ein Gebäude errichtet. | |
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Überlege: Wie könnte sich der Lieferant
der Baustoffe absichern, wenn er den Liefervertrag direkt mit dem
Bauherrn (= Liegenschaftseigentümer) schließt? | |
Hier sind zu
nennen: | Andere
Erweiterungsformen des ETV |
• der Kontokorrent- oder Saldovorbehalt und
der | |
•
Konzernvorbehalt, der den
ETV auf Konzernforderungen ausdehnt. | |
| Abbildung 8.30: ETV-Erweiterungsformen: Überblick |
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| Abbildung 8.31: ETV-Erweiterungsformen (1) |
|
| Abbildung 8.32: ETV-Erweiterungsformen (2) |
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10. Der Eigentumsvorbehalt
im internationalen Handel | |
| Abbildung 8.33: ETV braucht EU-Lösung |
|
| Abbildung 8.34: ETV im internationalen Handel (1) |
|
| Abbildung 8.35: ETV im internationalen Handel (2) |
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| Abbildung 8.36: ETV im internationalen Handel (3) |
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II. Die
Sicherungsübereignung | |
Typischer Fall: Der Kaufmann A braucht Geld
und wendet sich an die Bank B. Diese ist zu einem Kredit / Darlehen bereit,
wenn entsprechende Sicherheit geleistet wird. A bietet sein wertvolles
Warenlager an und ist bereit, daran der Bank (Sicherungs)Eigentum
zu übertragen; vgl § 428 ABGB: Übergabe durch Erklärung – Besitzkonstitut → KAPITEL 2: Übergabe
durch Erklärung.
Natürlich ist A geschäftlich weiterhin auf sein Warenlager angewiesen,
das demnach Abgänge wie Zugänge verzeichnen wird. – Kann nun A,
als Kreditnehmer, der Bank B sein Eigentum am Warenlager bloß zu
Sicherungszwecken rechtsgültig übertragen und dennoch – gleichzeitig
– Innehabung und Nutzung samt Verfügungsberechtigung daran behalten? | |
1. Sicherungsübereignung:
Form der Treuhand | |
Wie schon der
Begriff ausdrückt, überträgt bei der Sicherungsübereignung der Schuldner
(= Sicherungsgeber) an den Gläubiger (= Sicherungsnehmer!)
Eigentum bloß zu Sicherungszwecken, worin eine Form der Treuhand
( → KAPITEL 15: Die Treuhand) liegt. – Damit soll erreicht werden, dass
das Rechtsinstitut der Eigentumsübertragung jene
Dienste leistet, die sonst dem Pfandrecht vorbehalten
sind. Gesichert werden soll durch die mit der Sicherungsübereignung
bewirkte (formelle) Eigentumsübertragung eine Forderung des Gläubigers
gegen seinen Schuldner. – Unternommen wurde dieser Versuch freilich
deshalb, um durch den gewählten Weg der Eigentumsübertragung, den
strengeren Pfandbegründungsregeln auszuweichen, sie zu umgehen → KAPITEL 15: Allgemeines
zum Pfandrecht. | |
2. Unzulässigkeit
der Sicherungsübereignung | |
In der bisher geschilderten Form
wird daher in Österreich die Sicherungsübereignung von der Rspr –
zu recht – nicht geduldet, weil eine solche Vorgangsweise das Faustpfandprinzip umgeht → KAPITEL 2: Die
rechtliche Erwerbungsart: Modus traditio.
– Zulässig ist die Sicherungsübereignung aber dann, wenn sie den
pfandrechtlichen Publizitätserfordernissen entspricht; dh: alle
anderen Formen der Übergabe durch Erklärung des § 428 ABGB können
gewählt werden, nur nicht das Besitzkonstitut! Damit ist aber die
Sicherungsübereignung für die Rechts- und Wirtschaftspraxis uninteressant,
weil dann gleich ein Pfandrecht bestellt werden kann. | Umgehung
des Faustpfandprinzips |
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RZ 1962, 38: Besitzkonstitut genügt
nicht zur Begründung von Sicherungseigentum an einem Lkw. Gefordert
wird eine Gewahrsamsänderung; Corpus-Element! Die Klage auf Geltendmachung
eines Absonderungsrechts am Lkw wurde daher abgewiesen. | |
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RdW 1985, 337: Die Sicherungsübereignung
eines Warenlagers wird nur wirksam, wenn das gesamte Warenlager
dem Zugriff der Übereignenden entzogen wird, wie dies etwa durch
Übergabe aller Schlüssel oder Bestellung eines Pfandhalters erreicht
werden kann. | |
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Vgl auch
den Sachverhalt von JBl 2002, 583:
Ungültige Sicherungsübereignung eines Firmen-Lkw an eine
Bank → KAPITEL 10: Die
Sachverständigenhaftung: §§ 1299, 1300 ABGB. | |
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Dem Kreditgeber als
Sicherungsnehmer kommt bei (gültiger) Sicherungsübereignung die
Stellung eines Pfandgläubigers zu; dh im Konkurs oder Ausgleich
des Kreditnehmers (= Sicherungsgeber) steht ihm ein Absonderungsrecht zu → Schutz
der Verkäuferinteressen –
Bei (Einzel)Exekutionen Dritter auf das Sicherungsgut (hier zB das
Warenlager), gewährt die Rspr dem Kreditgeber sogar eine Exszindierungsmöglichkeit;
§ 37 EO. | Absonderung
und
Exszindierung |
In
Deutschland wird die Sicherungsübereignung (unter Berufung auf §
930 dtBGB: Besitzkonstitut) zugelassen, obwohl die hA Treuhandeigentum
für nicht vereinbar mit der das Eigentum auszeichnenden Verknüpfung
von Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis ansieht. – Es ist
fraglich, ob die bisher gefestigte und begründete österreichische
Praxis den EU-Beitritt sehr lange überleben wird. Ein allfälliger
Kompromiss für ein künftiges europäisches Privatrecht könnte darin
bestehen, für die Sicherungsübereignung eine effiziente Registrierung
und allfällige Kontrollrechte des Gläubigers zu verlangen. | Rechtsvergleich |
III. Was
bedeutet dingliche Sicherheit? | |
Neben der hier
angesprochen dinglichen Sicherheit hat das Rechts- und Wirtschaftsleben
auch zahlreiche obligatorisch / schuldrechtlich wirkende Sicherheiten
(zB Akkreditiv, Bankgarantie, Kontokorrentvorbehalte (§ 355 HGB),
Bürgschaft oder die Ausstellung eines Wechsels usw) entwickelt;
zu diesen Rechtsinstituten → KAPITEL 15: Sicherungsmittel
iwS. | |
Will sich ein Gläubiger
aber nicht mit der persönlichen Haftung seines
Schuldners begnügen, dringt er idR auf zusätzliche dingliche
Sicherheit; dh, dass der Schuldner seinem Gläubiger an Sachen,
die in seinem Eigentum stehen, dingliche Rechte einräumt,
welche die Forderung des Gläubigers zusätzlich –
also neben (!) der persönlichen Haftung und über
diese hinaus – sichern. Das kann ein Eigentumsvorbehalt sein oder
ein Pfandrecht, und hier wiederum Faustpfand oder Hypothek; alle → KAPITEL 15: Das
Pfandrecht. | Persönliche
Haftung und dingliche Sicherheit |
1. Charakteristika
und Vorteile dinglicher Sicherheit | |
Warum wird dinglich gesichert? – Worin liegen
die rechtlichen und wirtschaftlichen Vorteile einer dinglichen Sicherung
für den Gläubiger? | |
•
Zunächst: Ein Schuldner kann die Sache
(die seinem Gläubiger als dingliche Sicherheit dient) nicht mehr
ohne Zustimmung des Gläubigers veräußern; bei bloßer
persönlicher Haftung ist dies aber weiterhin möglich. | Erhöhter
Gläubigerschutz |
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•
Die dingliche Rechtsposition
verleiht dem Gläubiger einen rechtlichen Vorrang (Priorität) vor anderen
– nicht dinglich gesicherten – Gläubigern; zwischen mehreren dinglich
gesicherten gilt wiederum das Prioritätsprinzip. – Man weiß daher,
woran man ist; dh man erlangt höhere Rechtssicherheit und bessere
Kalkulierbarkeit des Risikos. | |
•
Dingliche Sicherheit
gewährt vor allem bei Exekution, Konkurs, und Ausgleich erhöhte Sicherheit;
nämlich Exszindierungs- (EO), Aus-sonderungs-
(Eigentumsvorbehalt) oder doch Ab-sonderungsrechte
(bei Pfandrecht und Retentionsrecht) → KAPITEL 19: Absonderungsansprüche. | |
•
Beim Pfandrecht kommt
noch dazu, dass aufgrund des streng praktizierten Faustpfandprinzips der
Pfandgläubiger idR in den Besitz der beweglichen Pfandsache gelangt,
und diese dadurch auch vor Schaden etc bewahren kann. Aber auch
beim Liegenschaftspfand steht dem Pfandgläubiger gegen Übergriffe
des Pfandschuldners (insbesondere Verschlechterungen des Pfandobjekts) die
sog Devastationsklage zu → KAPITEL 15: Devastationsanspruch. | |
| Abbildung 8.37: Was bedeutet dingliche Sicherheit (1) |
|
2. Was zählt zu
den dinglichen Sicherungsmitteln? | |
Zu den herkömmlichen dinglichen Sicherungsmitteln zählen: | |
•
Eigentumsvorbehalt /
Sicherungsübereignung | |
•
Pfandrecht: Faustpfand, Hypothek → KAPITEL 15: Das
Pfandrecht. | |
•
Mit Vorbehalt
kann hier auch das Zurückbehaltungsrecht / Retentionsrecht
(§ 471 ABGB) genannt werden → KAPITEL 15: Das
Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB. | |
•
Zur Verpfändung
von Forderung(srecht)en
→ KAPITEL 15: Verpfändung
und Pfändung von Forderungen oder Rechten.
– Die Sicherungsabtretung von Forderungen gewährt
kein dingliches Recht. Sie ist nur das schuldrechtliche
Pendant zur Sicherungsübereignung → KAPITEL 14: Sicherungszession.
– Zum leicht irritierenden Begriff des „Eigentums” an Forderungen → Eigentum
an (Forderungs)Rechten?
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Neue
Möglichkeiten für dingliche Sicherheiten böte der EDV-Einsatz; so
könnten bspw neue Registerpfandrechte geschaffen
werden, etwa für Kraftfahrzeuge. – Auch Eigentumsvorbehalte könnten,
ja sollten EU-weit geregelt und registriert werden udglm. Rechtspolitische
Überlegungen sind hier überfällig. | Registerpfandrechte |
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A. Grundgedanken
des Sachenrechts |
C. Gutglaubenserwerb
und Doppelverkauf |
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