Kapitel 6 | |
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B. Cic
– culpa in contrahendo |
D. Ziel-
und Dauerschuldverhältnisse |
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C. Der
Vorvertrag: § 936 ABGB |
I. Was spricht
für den Vorvertrag? | |
1. Der Vorvertrag
ist beliebt, weil ... | |
Als Hauptgrund einen Vorvertrag
abzuschließen ist zu nennen, dass dem beabsichtigten Hauptvertrag
noch rechtliche und/oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen;
etwa der Abschlussreife des Hauptvertrags längere Vorbereitungsarbeiten
vorausgehen können oder ganz einfach die Zeit für den Abschluss
des Hauptvertrags (aus anderen Gründen) noch nicht reif ist, weil
zB die „Entwicklung” noch zu sehr im Fluss ist. | |
•
Der Vorvertrag ermöglicht
demnach eine rechtliche Regelung, obwohl die Umstände
für den Abschluss eines Hauptvertrags noch nicht reif sind; freilich
ohne endgültige / absolute Verpflichtung. – Wurde ein Vorvertrag geschlossen,
kann die künftige Entwicklung in größerer Ruhe abgewartet werden.
Dies durch eine ausdrückliche oder auch nur die in § 936 ABGB gesetzlich
vorgesehene Bedachtnahme auf geänderte Umstände: Umstandsklausel
/ clausula rebus sic stantibus → Vorvertrag
und Umstandsklausel.
Entwickeln sich die „Umstände” (= die Rahmenbdingungen für den Hauptvertrag)
nicht wie erwartet, besteht keine Verpflichtung zum Abschluss eines
Hauptvertrags. | |
• Auch steuer- und gebührenrechtliche
Überlegungen können eine Rolle spielen; Vorverträge über
Liegenschaften lösen nämlich nach § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG keine Grunderwerbssteuerpflicht
aus und Vorverträge sind allgemein nicht gebührenpflichtig. | |
• Darüber hinaus kommt der Vorvertrag angeblich
einem „Volksbedürfnis nach [vorläufiger] rechtlicher Regelung”
(Gschnitzer, SchRAT2) entgegen, schafft
aber gleichzeitig noch keine endgültigen Pflichten für den Fall,
dass sich die künftige Entwicklung unerwartet oder ungünstig entwickelt. | |
2. Typische
Vorvertragskonstellationen | |
Gemeinsam
haben alle idF angeführten praktischen Beispiele, dass sie eine
noch unsichere / unklare tatsächliche oder rechtliche Situation
vorläufig absichern wollen. – Der Vorvertrag schafft demnach ein rechtliches
Provisorium, das dennoch nicht im Unverbindlichen verbleibt. | Rechtliches Provisorium |
•
Mineralölfirma
plant die Errichtung einer Tankstelle an einer erst projektierten
Umfahrungsstraße: Deshalb schließen eine Liegenschaftseigentümerin
und die Mineralölfirma einen Vorvertrag über einen Liegenschaftskauf
und über die Errichtung und den Betrieb der Tankstelle an der projektierten
Umfahrungsstraße. Würde die Mineralölfirma die Liegenschaft endgültig,
dh bereits mit Hauptvertrag, kaufen, bliebe sie auf der Liegenschaft ‘sitzen’,
wenn die Umfahrungsstraße nicht gebaut wird. Das bedeutete für sie
uU einen beachtlichen finanziellen Verlust. Daher erscheint es klug,
in einer solchen Situation keinen Hauptvertrag, sondern nur einen
Vorvertrag zu schließen, weil dadurch zwar eine rechtliche Bindung,
aber keine endgültige rechtliche Verpflichtung geschaffen wird. | Beispiele |
• Ein/e Filmregisseur/in will
sich eine berühmte Darstellerin für die Verfilmung eines interessanten
Drehbuchs sichern, obwohl die Projektfinanzierung noch nicht gesichert
ist. | |
• Mehrere Personen wollen eine Gesellschaft gründen
und schließen dazu einen Vorvertrag in Form eines Vor(gründungs)vertrags ab.
Ihre Aufgabe ist es, die Gesellschaftsgründung vorzubereiten; rechtlich
wie wirtschaftlich. Soll eine GmbH gegründet werden, bedarf schon
der Vorgründungsvertrag eines Notariatsakts; DRdA 1980, 314 = HS
X/XI 18. | |
• Ein Fußballverein (ehemals
Wacker Innsbruck) und der Spieler eines anderen Vereins (B. Pezzey,
als er noch bei Werder Bremen spielte) schließen einen Vorvertrag
betreffend den „Erwerb” dieses Spielers, weil die Freigabe des deutschen
Clubs, bei dem Pezzey zur Zeit des Vorvertragsabschlusses spielte,
noch fehlte. Für den Fall der Freigabe verpflichtet der Vorvertrag
Bruno Pezzey mit Wacker Innsbruck einen Hauptvertrag (Spielervertrag)
zu schließen. | |
• Auch die rechtliche Unsicherheit darüber, ob
für ein Bauprojekt überhaupt eine Baugenehmigung erteilt
oder eine bestimmte Bauweise gestattet wird oder
die Wohnbauförderung genehmigt wird, spricht uU
für den Abschluss eines Vorvertrags. | |
3. Vorvertrag und
Realkontrakte | |
Das
ABGB kennt noch Realkontrakte ( → KAPITEL 3: Das
Darlehen als Realvertrag:
Folie 3.12), was den Vorverträgen größere Bedeutung beimisst. Denn:
Fehlt beim beabsichtigten Abschluss eines Realvertrags die wirkliche
Übergabe, kommt zwar kein Real-Hauptvertrag – zB ein Darlehensvertrag
(vgl § 983 ABGB Schlusssatz) – zustande, wohl aber ein Darlehens-Vorvertrag → KAPITEL 3: Darlehensvorvertrag. | |
Andere
Privatrechtsordnungen kennen die Realverträge nicht mehr. So das dtBGB,
dessen § 488 den Darlehensvertrag bereits als Konsensualvertrag
umschreibt: „Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag. (1)
Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet,
dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur
Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen
geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung
gestellte Darlehen zurückzuerstatten.” – Die Unterscheidung zwischen
Darlehens- und Kredit(eröffnungs)vertrag ( → KAPITEL 3: Der
Kredit(eröffnungs)vertrag)
erübrigt sich daher nach deutschem Recht. – Art 312 SchwOR folgt
dem Vorbild des dtBGB. – Ein künftiges europäisches ZGB wird
wohl auf die Realverträge verzichten. | Rechtvergleichung und Rechtsgeschichte |
Frühes Rechtsdenken – etwa das altgriechische – legt Wert
auf einen Zug um Zug-Leistungsaustausch und untersagt alles andere.
Ein Zuwiderhandeln wird mit rechtlicher Undurchsetzbarkeit solcher
(Leistungs)Ansprüche sanktioniert. Das hängt vornehmlich damit zusammen,
dass frühe Rechtsordnungen den Schwierigkeiten, die mit einer Kreditierung
des Kaufpreises oder einer Vorauszahlung verbunden sind, nicht gewachsen
erscheinen. Vor allem die exekutive Rechtsdurchsetzung benötigt
eine lange Entwicklung. Nur langsam erzwingt der rechtsgeschäftliche Verkehr
ein Umdenken. | |
II. Vertragsinhalt
des Vorvertrags | |
1. Was ist das
Ziel des Vorvertrags? | |
Der
Vorvertrag ist „die Verabredung, künftig erst einen Vertrag schließen
zu wollen”; § 936 ABGB. – Die Verpflichtung aus dem Vorvertrag beinhaltet
demnach den Abschluss eines Hauptvertrags. Es kann
also aus dem Vorvertrag heraus noch nicht auf Erfüllung (der Leistung!)
geklagt werden. Dazu muss erst noch der Hauptvertrag geschlossen
werden. Erst der geschlossene Hauptvertrag begründet die Leistungspflicht!
– Die Erfüllung des Vorvertrags besteht im Abschluss
des Hauptvertrags! Und diese Pflicht zum Abschluss des
Hauptvertrags ist – wie erwähnt – keine absolute. Sie steht vielmehr
unter der gesetzlichen Bedingung der „ Umstandsklausel”,
die freilich kautelarjuristisch präzisiert werden kann → Vorvertrag
und Umstandsklausel
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Zentrales Begriffsmerkmal des Vorvertrags ist
der korrespondierende Wille der Parteien, nicht schon den Hauptvertrag
abzuschließen, sondern seinen Abschluss erst zu vereinbaren, ein
Hinausschieben der endgültigen Verpflichtung, da die Zeit noch nicht
reif ist. OGH 25.6.1976: NZ 1978, 29 = JBl
1978, 153. (Dittrich / Tades, MGA-ABGB 35,
§ 936 E 3) | |
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Die Zulässigkeit
zum Abschluss von Vorverträgen ergibt sich schon aus der Vertragsfreiheit.
– Das dtBGB kennt bspw keine Regelung des Vorvertrags,
dennoch ist er aus diesem Grund anerkannt; vgl dagegen Art 22 SchwOR.
– Der Vorvertrag richtet sich auf den Abschluss eines Titel-
oder Verplichtungsgeschäfts. Die Verfügung ist
kein Gegenstand des Vorvertrags. | Vertragsfreiheit |
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Vorverträge
können einseitig oder zweiseitig verbindlich
/ verpflichtend sein, je nachdem ob nur ein oder
beide Vertragspartner einen Anspruch auf Abschluss des Hauptvertrags
haben; GH 1918, 449. | Einseitig oder zweiseitig verpflichtend |
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Wurde diesbezüglich
nichts vereinbart, sind im Zweifel beide Vorvertragsparteien
zum Abschluss eines Hauptvertrags – unter den vereinbarten Bedingungen
– verpflichtet. | Zweifelsregel |
Vorverträge
werden entgeltlich oder unentgeltlich geschlossen.
Dies in dem Sinne, dass sich – in unserem Beispiel der Mineralölfirma
– die Liegenschaftseigentümerin dafür etwas zahlen ließ, dass nur
sie die Vorvertragsverpflichtung, dh konkret: die Verpflichtung
zum Abschluss eines Hauptvertrags, auf sich nimmt! | Entgeltlich oder unentgeltlich |
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Vorverträge sind hinsichtlich der Frage der Entgeltlichkeit wie
die entsprechenden Hauptverträge zu behandeln; SZ 42/136 (1969).
Ist der Vorvertrag auf den Abschluss eines Bestandvertrags gerichtet,
ist er daher als entgeltlicher Vertrag zu behandeln; MietSlg 24.097
(1972). Das ist nicht damit zu verwechseln, dass ein Entgelt (für
den Vertragsschluss) zu entrichten ist. | |
III. Gültigkeitsvoraussetzungen
– Sanktionen | |
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Um einen gültigen Vorvertrag zu schließen, müssen zwei gesetzliche
Kriterien erfüllt werden, nämlich: | |
•
Inhaltliche Bestimmtheit:
Auch beim Vorvertrag müssen „die wesentlichen Stücke des Vertrages
bestimmt sein”. – Vorvertrag und Hauptvertrag unterscheiden sich
daher nicht in ihrer inhaltlichen Bestimmtheit! Man sagt, der Vorvertrag
müsse so bestimmt sein, dass er auch als Hauptvertrag verbindlich
wäre. | Inhaltliche
Bestimmtheit |
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•
Zeitbestimmung:
Das Gesetz verlangt ferner, dass die „Zeit der Abschließung” des
Hauptvertrags von den Parteien bereits im Vorvertrag bestimmt wird;
auch hier muss wenigstens Bestimmbarkeit vorliegen.
– Der Abschlusszeitpunkt des Hauptvertrags kann aber (im Vorvertrag)
beliebig weit in die Zukunft verlegt werden. | Zeitbestimmung |
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GlUNF 1216 (1900): Die Bestimmung
der Zeit des Hauptvertragsabschlusses durch eine Bedingung (ungewisses
Ereignis → KAPITEL 13: Die
Bedingung) genügt. | |
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2. Vorgehen bei
Nichterfüllung des Vorvertrags? | |
Wie ist vorzugehen, wenn die aus dem Vorvertrag heraus bestehende
Verpflichtung, einen Hauptvertrag zu schließen, nicht erfüllt wird? | |
Zunächst:
Was meint das Gesetz in § 936 Satz 2 ABGB, wenn es davon spricht,
dass „auf die Vollziehung solcher Zusagen ... längstens in einem
Jahre nach dem bedungenen Zeitpunkte gedrungen werden” muss? – Das
ist iSv Klage, Klagseinbringung zu verstehen! Und worauf ist zu
klagen? Auf Abschluss des Hauptvertrags! | |
Der Anspruch, einen Hauptvertrag abzuschließen, muss demnach innerhalb
1 Jahres – ab dem vereinbarten Hauptvertragsabschlusszeitpunkt
– durchgesetzt werden. | |
Fraglich
bleibt, ob in einem solchen Fall der Richter die säumige Partei
dazu verurteilen soll, eine dem Vorvertrag gemäße Willenserklärung
abzugeben (und bei Fehlen / Verweigerung derselben, diese
Partei zur Leistung von Schadenersatz zu verurteilen) oder ob die
vertragstreue Partei – wie bei der Weigerung, eine verbücherungsfähige Urkunde
auszustellen – ein Urteil erlangen kann, das schon die Wirkungen
des nicht abgeschlossenen Hauptvertrags erzeugt? – Die
Diktion des Gesetzes spricht eher für die erste Variante. Der dtBGH
lässt es zu, mit der Klage auf den Abschluss des Hauptvertrags bereits
die auf Leistung nach dem Hauptvertrag zu verbinden; in die Urteilsformel
ist aber uU der Vorbehalt aufzunehmen, dass das Zustandekommen des
Hauptvertrags Voraussetzung für die Leistung ist. | „Wozu“ ist zu verurteilen? |
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MietSlg 7828 (1960): Wird der Abschluss
des Hauptvertrags unbegründet verweigert, liegt Erfüllungsverzug vor,
der bei Verschulden auch zu Schadenersatz verpflichtet. | |
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3. Rücktritt vom
Vorvertrag? – Anfechtung | |
Wird die
Pflicht zum Abschluss eines Hauptvertrags von einer Partei nicht
erfüllt, gerät diese in (Schuldner)Verzug und die andere Partei
kann vom Vorvertrag zurückzutreten ! | |
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Hinsichtlich seiner Anfechtbarkeit ist
der Vorvertrag wie ein anderes Rechtsgeschäft zu beurteilen. Es
wäre unsinnig, dazu auf den Hauptvertrag warten zu müssen. | |
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Ist
der Hauptvertrag formpflichtig, gilt dies auch für den Abschluss
des Vorvertrags; etwa in folgenden Fällen: | |
•
§ 1346 Abs 2 ABGB: Schriftform
für die Verpflichtungserklärung des Bürgen. | |
•
§ 2 Z 1 WEG 1975 =
§ 3 Abs 1 Z 1 iVm § 6 Abs 1 Z 1 WEG 2002: Nur schriftliche Ersteinräumung
von Wohnungseigentum. | |
•
§ 24 KSchG: Errichtung eines schriftlichen Ratenbriefs. | |
• Vgl im übrigen die Formbeispiele in → KAPITEL 15: Die
Form (im Privatrecht). | |
5. Reugeld und
Konventionalstrafe | |
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IV. Vorvertrag
und Umstandsklausel | |
Die
Verpflichtung, aus dem Vorvertrag heraus einen Hauptvertrag abzuschließen,
besteht nur dann, wenn „die Umstände inzwischen
nicht dergestalt verändert worden sind, dass dadurch
der ausdrücklich bestimmte, oder aus den Umständen hervorleuchtende
Zweck vereitelt oder das Zutrauen des einen oder andern Teiles verloren
wird”. | |
Diese
gesetzliche Formulierung heißt Umstandsklausel oder clausula
rebus sic stantibus. – Die Abschlusspflicht für den Hauptvertrag
steht also unter der gesetzlichen Bedingung der Umstandsklausel
und ist daher keine absolute. Dadurch können die Parteien ihre Interessen
optimal und vorausplanend wahrnehmen und die Rspr findet Raum, sachgerechte
Entscheidungen zu treffen. – Wichtig dafür ist es, dass die am Abschluss
des Hauptvertrags vor allem interessierte Partei ihre Interessen
und Intentionen schon im Vorvertrag möglichst klar zum Ausdruck
bringt; kautelarjuristische Vorsorge! Die Parteien wissen dann,
dass sie nur im Falle einer bestimmten und von ihnen erwarteten
Entwicklung zum (Haupt)Vertragsabschluss verpflichtet sind. Vorausdenken
verhindert demnach auch hier Streit. | clausula rebus sic stantibus |
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MietSlg 31.118 (1979): Wer einen
Vorvertrag über einen Liegenschaftskauf in Kenntnis eines verbücherten Veräußerungs- und Belastungsverbotes abschließt,
ohne sich vorher der Zustimmung des Verbotsberechtigten zu versichern
oder wenigstens auf einer Zusage des Verkäufers zu bestehen, kann
nicht „geänderte Verhältnisse” geltend machen. | |
|
Ein Berücksichtigen geänderter Umstände
kennen auch: | |
•
§ 1052
ABGB: Zug-um-Zug-Prinzip und sog Vorausleistungspflicht
einer Partei (vgl auch § 1062 ABGB); | |
• die Lehre vom Wegfall / der Störung der Geschäftsgrundlage
→ KAPITEL 5: Störung
oder Wegfall
der Geschäftsgrundlage; | |
• allgemein Dauerschuldverhältnisse,
die deshalb (einseitig) gekündigt werden können → Bedeutung
der Unterscheidung; | |
• das Eherecht ermöglicht unter
bestimmten Voraussetzungen die Auflösung der Ehe (Scheidung) → KAPITEL 16: Die
Auflösung der Ehe; | |
•
Unterhaltsvergleichen (etwa
im Rahmen einer Scheidung) wohnt die Umstandsklausel inne; EvBl
2000/68. | |
V. Zur Abgrenzung
des Vorvertrags | |
Der Vorvertrag muß von ähnlichen Rechtsfiguren abgegrenzt
werden, zumal die Praxis eine ganze Reihe leicht verwechselbarer
Rechtsinstitute entwickelt hat: | |
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Vom (einseitigen)
Vorvertrag zu unterscheiden ist die Option: Option
bedeutet Einräumung eines einseitigen Gestaltungsrechts zugunsten
eines Vertragspartners. Eingeräumt wird die Option aber vertraglich,
also unter Mitwirkung des anderen Vertragsteils oder ausnahmsweise
direkt durch Gesetz. Der einseitig verpflichtende Vorvertrag berechtigt/verpflichtet
dagegen nur zum Abschluss des Hauptvertrags, während die einseitige
Ausübung des Optionsrechts schon den Hauptvertrag zustande bringt,
weshalb danach schon Erfüllungsansprüche bestehen. | |
• Übt
der Optionsberechtigte sein Optionsrecht aus, bewirkt schon seine einseitige
Gestaltungserklärung (ohne weiteres Zutun des anderen Vertragspartners)
mit ihrem Zugang die gewünschte Vertragsänderung, etwa die Verlängerung
eines Mietvertrags um weitere 5 Jahre oder auf unbestimmte Zeit
(sog Verlängerungsoption) oder überhaupt erst den Vertragsabschluss;
zB bei Einräumung einer sog Kauf- oder Abschlussoption. | |
• Optionen spielen im privaten wie
im kaufmännischen oder Unternehmensbereich eine
wichtige Rolle. Für das Einräumen einer Option wird häufig etwas
bezahlt; die Einräumung erfolgt dann entgeltlich; vgl das unten
angeführte Rspr-Beispiel. | |
• Zeitlich kann ein Optionsrecht befristet oder unbefristet eingeräumt
werden; im letzteren Fall unterliegt es dann auch nicht der kurzen,
sondern der langen Verjährung; vgl das anschliessende Rspr-Beispiel
in dem ein Optionsrecht erst nach 20 Jahren ausgeübt wird. | |
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OGH 12. 9. 2001, 4 Ob 159/01p, JBl 2002, 243 = EvBl 2002/42:
Eine Option zum Kauf einer Liegenschaft wird erst
nach mehr als 20 Jahren ausgeübt. Das ursprünglich landwirtschaftlich
genutzte Grundstück war inzwischen ein Vielfaches Wert (Umwidmung
in Bauland). – OGH: Für die Bewertung der beiden Leistungen iSd
§ 934 ABGB (laesio enormis) ist auf den objektiven Wert im Zeitpunkt
der Ausübung des Optionsrechts abzustellen (und nicht auf den Abschluss
des Optionsvertrags?). – Natürlich könnte auf jeden Fall etwas anderes
vereinbart werden. | |
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2. Vorvertrag
<-> Punktation | |
§ 885 ABGB: „Ist zwar noch
nicht die förmliche Urkunde, aber doch ein Aufsatz über
die Hauptpunkte errichtet und von den Parteien unterfertigt worden
(Punktation), so gründet auch schon ein solcher Aufsatz diejenigen Rechte
und Verbindlichkeiten, welche darin ausgedrückt sind.” | |
Die
Punktation des § 885 ABGB ( → KAPITEL 15: Punktation)
ist bereits Hauptvertrag und unterscheidet sich
dadurch sowohl von der Option, weil diese erst durch den Zugang
der Optionserklärung den Hauptvertrag zustande bringt, als auch
vom Vorvertrag. – Bei der Punktation fehlt nach dem Parteiwillen
nur noch die Ausfertigung / Errichtung der förmlichen Vertragsurkunde.
– Kurz: Der Vorvertrag verpflichtet zum Abschluss des Hauptvertrags,
die Punktation (nach „Abgabe” der Erklärung) bereits zu seiner Erfüllung. | Punktation ist Hauptvertrag |
Die Punktation ist in hervorragender Weise
geeignet, Verhandlungsergebnisse – auch noch zu später Stunde –
rasch unter Dach und Fach zu bringen, was wichtig sein kann, wenn
es darum geht, die Gunst der Stunde zu nützen! | |
3. Vorvertrag
<-> Rahmenverträge | |
Von den
Vorverträgen abzugrenzen sind auch sog Rahmenverträge → Vorvertrag
<-> Rahmenverträge Man
kann – wie im Rahmen der AGB erwähnt – auch davon sprechen, dass
es sich beim Rahmenvertrag um von beiden Vertragspartnern gemeinsam
gestaltete und ausgehandelte AGB für
künftige
Vertragsschlüsse dieser
Parteien handelt. | |
Rahmenverträge verpflichten aber rechtlich noch zu keinerlei
Leistung; insbesondere auch zu keinem (künftigen) Vertragsschluss.
Sie stecken nur den „Rahmen”, also die Konditionen, für allfällige
künftige Verträge ab. – Sinnvoll ist ihr „Abschluss” dann, wenn
eine längere vertragliche Beziehung bevorsteht, die es zu gestalten
gilt. | |
Rahmenverträge werden zB abgeschlossen zwischen
einem Großhändler (etwa einer Handelskette: ADEG, Spar etc) und
Einzelhändlern oder zwischen Produzenten und Generalimporteuren
sowie insbesondere zwischen Produktions- und Zulieferbetrieben.
– Hier gilt es die Vertragsfreiheit zu nutzen und die Geschäftsbeziehung
rechtlich „optimal” einzukleiden. – Zur Gefahr des Dissenses beim
Verwenden von Einkaufs- und Verkaufsbedingungen durch die Vertragspartner → Voraussetzungen
und Verwendung von AGB?
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4. Vorvertrag
<-> Bezugsverträge | |
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Früher erblickte die Rspr allerdings in
Bezugsverträgen irrtümlicherweise Vorverträge; vgl noch den Leitsatz
von SZ 39/35 (1966): „Bezugsverträge sind als Vorverträge zu behandeln“.
– Es konnte daher nur auf Abschluss eines (Haupt)Vertrags geklagt
werden, nicht schon auf Zahlung des Kaufpreises! | |
5. Vorvertrag
<-> Anwartschaftsverträge | |
Einem Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag können ein Vorvertrag
oder eine Punktation vorausgehen. Ob zB der Anwartschaftsvertrag
über den Erwerb eines Liegenschaftsanteils als Vorvertrag oder als
Punktation zu einem Kaufvertrag anzusehen ist, hängt davon ab, ob
er bereits auf die Begründung eines Übereignungsanspruchs (im Grundbuch)
ohne weitere rechtsgeschäftliche Abmachung gerichtet ist, die unmittelbar
klagsmäßig durchgesetzt werden kann (Punktation) oder nicht (Vorvertrag).
Aber auch ein solcher Vorvertrag ist inhaltlich (insbesondere die
essentialia negatii betreffend) deckungsgleich mit dem Hauptvertrag.
– In der Praxis wird aber immer wieder versucht einseitig Abänderungen
vorzunehmen. | |
Anwartschaftsrechte
sind Erwerbsberechtigungen, wobei der Erwerb auch
vom Willen des Berechtigten abhängen kann (Gschnitzer). – Die Anwartschaft
kann eine dingliche (zB Vorbehaltskäufer) oder
eine schuldrechtliche sein: Der Erbanwärter erlangt
durch Erbfall das Recht, die Erbschaft durch Erbserklärung und Einantwortung
zu erwerben; vor dem Erbfall besteht nur eine unbestimmte Aussicht
auf die Erbschaft. | Dingliche oder schuldrechtliche Anwartschaft |
| Anwartschaftsrechte sind geschützt |
6. Bedingter Hauptvertrag
<-> Vorvertrag | |
Zu prüfen ist auch, ob nicht schon ein bedingter Hauptvertrag
und nicht nur ein Vorvertrag von den Parteien gewollt war. Im
Zweifel ist eine aufschiebende Bedingung anzunehmen. –
Der Unterschied zum Vorvertrag liegt darin, dass beim bedingten
Hauptvertrag der Vertrag bereits, wenn auch nur bedingt, geschlossen
ist und kein weiterer (Haupt)Vertragsabschluss nötig ist. Aber der Bedingungseintritt
entscheidet über das Wirksamwerden der Vereinbarung. | |
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7. Vorvertrag <->
Vorkaufrecht | |
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Der Unterschied zum Vorvertrag liegt darin, dass mit der
Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Vorkaufsberechtigen zwischen
ihm und dem damit Belasteten / Verpflichteten bereits ein Kaufvertrag
zustande kommt und sich ein Hauptvertragsschluss erübrigt; vgl SZ
64/24 (1991). – Anders als im Fall eines bedingten Hauptvertragsschlusses
ist beim Vorkaufsrecht noch kein Hauptvertrag geschlossen, sondern
dem Vorkaufsberechtigten steht bloß das ihm vertraglich eingeräumte
Gestaltungsrecht zu. | |
| Abbildung 6.17: Zur Wiederholung: Vorvertrag (1) |
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| Abbildung 6.18: Zur Wiederholung: Vorvertrag (2) |
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| Abbildung 6.19: Zur Wiederholung: Vorvertrag (3) |
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| Abbildung 6.20: Zur Wiederholung: Vorvertrag (4) |
|
| Abbildung 6.21: Zur Wiederholung: Vorvertrag (5) |
|
| Abbildung 6.22: Zur Wiederholung: Vorvertrag (6) |
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B. Cic
– culpa in contrahendo |
D. Ziel-
und Dauerschuldverhältnisse |
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