Slawische Sprachwissenschaft
seit 01.10.2020
Leben
Jürgen Fuchsbauer, geboren 1977, studierte Slawistik, Politikwissenschaften, osteuropäische Geschichte und Byzantinistik an der Universität Wien. Er promovierte 2010 bei Heinz Miklas mit der Untersuchung einer bulgarisch-kirchenslawischen Übersetzung aus dem Griechischen. Fuchsbauer war an der Universität Wien zunächst am Institut für Byzantinistik und Neogräzistik, dann am Institut für Slawistik beschäftigt. Ab dem Jahr 2014 forschte und lehrte er am Institut für Slawistik der Universität Regensburg, wo er 2017 für das Fach Slawische Philologie habilitiert wurde.
Forschung
In seiner Forschung beschäftigt sich Jürgen Fuchsbauer mit den Sprachen Ost- und Südosteuropas sowie mit der älteren slawischen Schriftlichkeit von deren Begründung durch Kyrill und Method an. Es ist ihm ein besonderes Anliegen, Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Sprachen in deren Geschichte nachzuvollziehen. Den Schlüssel hierfür liefern Texte, die durch den orthodoxen Kulturraum wanderten und dabei an das jeweilige Umfeld adaptiert wurden. Sie eröffnen Einblicke nicht allein in sprachliche, sondern auch in gesellschaftliche Phänomene. Ein Beispiel bietet die Vita der Paraskeue von Epibatai, einer Asketin aus Thrakien, deren Kult sich von Griechenland bis nach Russland ausbreitete; dabei wurde sie im Laufe von neun Jahrhunderten von einer Volks- zu einer Staats- und dann wieder zu einer Volksheiligen. Ihre Vita wurde nicht nur sprachlich an das Umfeld angepasst, sondern auch inhaltlich entsprechend der jeweiligen gesellschaftlichen Funktion der Heiligen.
Ein weiteres Werk, mit dem sich Fuchsbauer intensiv auseinandersetzt, ist von hoher ideengeschichtlicher Bedeutung, nämlich die Dioptra. Hierbei handelt es sich um ein äußerst umfangreiches Lehrgedicht, das im 11. Jahrhundert von einem byzantinischen Mönch namens Philippos verfasst wurde. Es ist zum Großteil als Dialog zwischen Fleisch und Seele gestaltet und stellt dank seines inhaltlichen Reichtums ein regelrechtes Kompendium des byzantinischen theologischen und (natur)philosophischen Denkens seiner Zeit dar. Die Dioptra wurde am Balkan ins Slawische übersetzt, gelangte in weiterer Folge bis in den äußersten Norden Russlands und wurde bis ins 19. Jahrhundert rezipiert.
Fuchsbauer hat es sich zum Ziel gesetzt, die von ihm untersuchten Werke als Textausgaben vorzulegen. So bringt er die altrussische Dracula-Erzählung, in der ein anonymer russischer Literat des späten 15. Jahrhunderts einen aus dem Balkanraum stammenden Stoff, nämlich Anekdoten über den walachischen Vojvoden Vlad III. Dracula, verarbeitete, erstmals in kritischer Edition heraus. Bei seiner editorischen Tätigkeit bedient sich Fuchsbauer moderner Texttechnologien und legt auf eine zeitgemäße Präsentation, d.h. auf Anwendbarkeit im Rahmen der Digital Humanities, größten Wert. Für die nähere Zukunft plant er ein internationales, interdisziplinäres Projekt, das die Schaffung einer umfangreichen Datenbank zum älteren slawischen Schrifttum zum Ziel hat.