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Homosexualität und der Vatikan

Autor:Schwager Raymund
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2003-08-14

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Die letzte Verlautbarung der Glaubenskongregation zur Frage der homosexuellen Beziehungen und ihrer öffentlichen Anerkennung hat Staub aufgewirbelt. Angesichts der Tatsache, dass die kirchliche Sexuallehre weit von der öffentlichen Meinung abweicht, war dies nicht anders zu erwarten. Dennoch ist die Wortwahl vieler Reaktionen seltsam. Da redet "Der Spiegel" von einer fundamentalistischen Philippika, die von Zynismus strotze und mit der Ratzinger unter Zustimmung des Papstes gegen die Homosexualität wüte (4. August 2003, 20f.). Wer wütet in diesem Fall? Wäre es nicht trotz Meinungsverschiedenheiten heute an der Zeit, die Fragen der Sexualität ruhiger anzugehen. Es zeigt sich ja immer mehr, dass fundamentale Fragen auf dem Spiel stehen. Im Zuge der Trennung zwischen Sexualität und Fortpflanzung wird in den intimsten Bereich des Lebens technisch eingegriffen, und das Leben kommender Generationen wird immer mehr der Herrschaft der jeweils Lebenden unterworfen. Manche Stimmen aus feministischen Kreisen beginnen diese Probleme klar anzusprechen.

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Auch bezüglich der Homosexualität dürften hintergründige Fragen nicht zu übersehen sein. Der erfolgreiche Modedesigner und seit neuestem auch Romanautor Wolfgang Joop, der diesbezüglich wohl unverdächtig ist, spricht von einer 'totalen Homosexualisierung der Gesellschaft' und von einer Zivilisation der Tristesse, basierend auf dem 'sadomasochistischen Schrei: Gib mir schnell etwas, das mich tröstet, ich kann es bezahlen' (Profil, 4. August 2003, 90-94). Reaktionen à la 'Spiegel' zeigen wohl nur das eine: man will sich in diesem Schrei und seinem hindergründigen Trübsinn nicht stören lassen.

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Alle bisherigen Kulturen und Gesellschaften - sei es in Europa, Afrika oder Asien - ruhten zentral auf der Institution Familie. Diese in Frage zu stellen hat Folgen, die heute wohl niemand absehen kann. Drängt sich in dieser Situation für ein verantwortungsbewusstes Handeln nicht auf, mindestens mit großer Vorsicht und Zurückhaltung voranzugehen? Und dies dürfte besonders für eine Gesellschaft gelten, die auf eine massive Überalterung zugeht und der ein echter Lebenswille zu fehlen scheint. Passt zu ihr nicht bestens eine Tristesse, die man durch künstlichen und chemisch aufgepulverten Spaß zu überdecken sucht und die - wie jetzt selbst 'Die Zeit' schreibt - einem 'Land von Egoisten', die keine Kinder mehr wollen, entspricht. Aus dieser Sicht wäre es wenigstens originell, sich darüber zu amüsieren, dass es einem Mann wie Ratzinger noch gelingt, eine dekadente Zivilisation zu ärgern, - und daraus vielleicht sogar einen gewissen Respekt zu gewinnen. Während die meisten Nonkonformisten längst zur Masse der Konformisten geworden sind, ist der Vatikan wenigstens noch ein echter Nonkonformist: Er beugt sich nicht dem Geschrei der Medien.

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Gewiss, es bleibt das sachliche Problem der Homosexualität, das auch der Vatikan anerkennt, und die Tatsache, dass stabile homosexuelle Beziehungen, wenn sie Treue einschließen, sowohl menschlich wie ethisch weit höher zu werten sind als eine allgemeine Promiskuität. Dies anzuerkennen, ohne dass dadurch die fundamentale Institution der Familie beeinträchtigt wird, ist eine schwierige Aufgabe. Wer mit der kirchlichen Lehre nicht einverstanden ist, sollte wenigstens vorsichtig argumentieren und zeigen, dass ihm die Problematik mit ihrer weltgeschichtlichen Tragweite bewusst ist.

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