Daniela Atzl

Warum hast du dich für das Studium der Erziehungswissenschaft in Innsbruck entschieden?

Ich wollte eigentlich Gesundheitssport studieren. Die Aufnahmeprüfung dort ist sehr schwierig. Nachdem ich da zweimal gescheitert bin, hab ich mir gedacht: „Eigentlich ist mein Ziel, mit Menschen zu arbeiten und das ist auch auf einem anderen Weg möglich.“ Ich habe mich dann für den Weg der Erziehungswissenschaft entschieden und im Laufe des Studiums gemerkt, dass das der richtige Platz für mich ist.

Was war für dich ein unvergessliches Erlebnis während deiner Studienzeit?

Ich hatte eine sehr gute Zeit in der Fachschaft. Dieses Engagement war für mich sehr wichtig, da der erste Studienabschnitt sehr mühsam für mich war. Es waren im Diplomstudium riesen Lehrveranstaltungen mit 300 bis 400 Studierenden, bei denen es recht schwierig war, irgendwie mit den Leuten in Kontakt zu kommen. Im zweiten Abschnitt gab es mit Seminaren mehr Diskussionsmöglichkeiten und auch die Möglichkeit, bei der Fachschaft mitzugestalten. Daraufhin habe ich mich mehr zugehörig gefühlt im Studium. Die Gruppe der Fachschaft war eine tolle Gruppe, in der wir uns inhaltlich ausgetauscht haben. Ich habe andere Studierende begleitet beim Einstieg ins Studium; das hat total Spaß gemacht. Am Anfang war es für mich schwierig reinzukommen ins Studium. Diese Erfahrung habe ich mitgenommen. Ich habe dann versucht andere Studierende zu unterstützen. In der Fachschaft haben wir gemeinsam viele Events organisiert, bei denen Studierende der Erziehungswissenschaft mit Studierenden anderer Disziplinen zusammengekommen sind, unter anderem auch das Frühlingsfest im Treibhaus. Das war ein Riesenevent, bei dem am Ende das ganze Treibhaus überrannt wurde, weil fünf unterschiedliche Disziplinen ihre Studierenden eingeladen haben.

Gab es während deines Studiums Momente oder Personen, die einen besonderen Eindruck bei dir hinterlassen haben?

Ganz klar Paul Mecheril und Claus Melter. Ich habe mich für den Zweig Integrative Pädagogik/ rassismuskritische Pädagogik im Diplomstudium entschieden und das war für mich augenöffnend. Ich habe von Paul Mecheril so eine „Brille“ aufgesetzt bekommen. Er hat eigentlich mein Auge geschult, mit dem ich jetzt auf die Welt blicke und mit dem mir jetzt Menschen begegnen. Das prägt mich und mein ganzes Leben, auch meinen weiteren Werdegang nach dem Studium.

Warst du während deiner Studienzeit im Ausland und welche Erfahrungen konntest du dort sammeln?

Ich habe ein Semester im Norden von Frankreich verbracht. Ich würde allen Studierenden empfehlen, ein Semester im Ausland zu machen. Es ist super, wegzugehen von dem bekannten Ort und neue Menschen kennenzulernen, neue Orte kennenzulernen, ohne dort Anknüpfungspunkte zu haben. Das wirft vielleicht alles, was man bisher so erlebt hat, über den Haufen. Es ist aber eine wichtige Erfahrung. Ich habe viel gefeiert und viel Gemeinschaft erlebt. Ich habe in einem Studierendenheim gewohnt und habe mit einer Gruppe von Menschen aus sieben unterschiedlichen Nationen viel Zeit verbracht und mich auch mit der Erziehungswissenschaft beschäftigt, die in Frankreich ja wesentlich dogmatischer ist. Und das war spannend zu sehen, wie die Disziplinen, die ich in Innsbruck kennengelernt habe, in einem anderen Land, an einer anderen Universität vermittelt werden.

Wie hat sich dein Weg zum Studium und vom Studium bis heute entwickelt?

Mir war es im Studium extrem wichtig, Praxiserfahrungen und Berufserfahrungen zu sammeln. Einerseits war mir das zu viel Theorie an der Universität, andererseits bin ich eigentlich Praktikerin und wollte genau herausfinden, was ich mit dem Studium dann noch machen kann. Zudem habe ich einen Ausgleich zu den geistlichen Tätigkeiten gesucht. Ich habe viele ehrenamtliche Engagements ausprobiert und habe dann bei der Plattform Rechtsberatung angedockt. Von dort ausgehend war ich in unterschiedlichen Einrichtungen im Bereich „Flucht“ tätig, so auch beim Roten Kreuz. Ich habe dort zunächst ehrenamtlich in einem Projekt mitgearbeitet und es dann hauptberuflich weiterentwickelt. Über dieses Projekt habe ich auch meine Diplomarbeit geschrieben. Ich konnte dann weitere Projekte im Rahmen des Roten Kreuzes aufbauen und umsetzen. Zum Schluss meiner Tätigkeit beim Roten Kreuz habe ich eine Jugendeinrichtung für geflüchtete Jugendliche geleitet und von dort hat mich der Weg wieder zurück zur Plattform Asyl geführt. Die Plattform Asyl hat sich aus der Plattform Rechtsberatung entwickelt. Hier bin ich jetzt im dritten Jahr hauptamtlich tätig, wo ich ursprünglich ehrenamtlich begonnen habe. Einerseits koordiniere ich bei der Plattform Asyl ein Patenschaftsangebot, im Rahmen dessen wir geflüchtete Jugendliche mit in Tirol lebenden Menschen vernetzen.  Andererseits bin ich für das Projekt „Starthilfe“ tätig. Hier organisiere ich Workshops für Jugendliche, bei denen es um Stressmanagement geht. Ich organisiere dort auch Fortbildungen für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Bereich Flucht und Trauma. Und wir widmen uns stark dem Thema Kinderrechte, Rechte von geflüchteten Kindern und Jugendlichen – ein Herzensprojekt.

Welche im Studium erworbene Qualifikation hilft dir im heutigen Beruf am meisten?

Was mir in meiner heutigen Tätigkeit am meisten hilft ist das kritische Denken, das ich im zweiten Studienabschnitt gelernt habe. Dinge, über die ich lese oder höre, nehme ich nicht einfach so für bare Münze, sondern überprüfe die Informationen noch selbst, indem ich nachlese und mit anderen in Austausch trete, um die Dinge zu hinterfragen. Ich habe eben diese rassismuskritische, gesellschaftskritische Brille von Paul Mecheril mitbekommen und eine Sensibilität entwickelt für Rassismus, Sexismus, ... Ich bin jetzt auch sensibler in der Art, wie ich auf Menschen zugehe und diese einordne und hinterfrage meine eigenen Schubladen und mein Handeln und Denken.

Was sind deine zukünftigen Ziele, sowohl beruflich als auch privat?

Ich habe das Ziel, in meinem Leben viel Sinn zu stiften und meine Energien sinnvoll und Gemeinwohl orientiert einzusetzen. Ich sehe keine große Trennung zwischen privat und beruflich, da ich eine Person bin. Ich habe das Ziel, mein Wirken im Bereich Soziales und Natur zu vereinen und hier einen Unterschied zu machen. Ich wirke derzeit in der Plattform Asyl hauptberuflich und habe die Speis von Morgen ehrenamtlich mitaufgebaut. Neuerdings bin ich gerade in einer großen Veränderung, auf einem Hof lebend und an einem neuen Wohnort ankommend und dort diese Verschränkung von Natur und Sozialem ausprobierend. Mal sehen, was dieses Experiment bringt und ob es mich mein gemeinwohl-orientiertes Ziel umsetzen lässt.

Studienanfänger*innen bzw. Studierenden rate ich…

Ins Ausland zu gehen und über den Tellerrand zu blicken, irgendwo neu und fremd zu sein. Viele Arbeitserfahrungen zu sammeln, um Theorie und Praxis schon im Laufe des Studiums zu verknüpfen. Viel mit anderen Studierenden zu diskutieren, um das Gehörte/Gelesene zu verankern und gemeinsam zu hinterfragen.

Was war zu Studienzeiten dein Lieblingsort in Innsbruck/an der Universität?

Ich war sehr gerne an der Mauer hinter der Geiwi.

Was verbindet dich heute noch mit der Fakultät für Bildungswissenschaften bzw. der Universität Innsbruck?

Neben schönen Erinnerungen immer wieder interessierte Studierende, die sich für eine Patenschaft mit einem geflüchteten Jugendlichen interessieren. Oder ich gehe in ein Seminar der EZWI und stelle die Angebote der Plattform Asyl vor. Oder ich besuche eine Tagung der EZWI, wie gerade kürzlich Stadt.Macht.Utopien organisiert von Frauke Schacht. Oder ich laufe meiner Diplomarbeitsbetreuerin Michi Ralser über den Weg und es ergibt sich ein schönes Gespräch. Oder ich plane ein neues Projekt mit einer ehemaligen Studienkollegin, … es sind viele Verbindungen noch da.

Ich wollte immer schon einmal...

nach Nepal reisen.

Erziehungswissenschaft ist für mich…

Grenzen sprengen im Kopf.

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