Christoph Hackl
Warum hast du dich für das Studium der Erziehungswissenschaft in Innsbruck entschieden?
Erziehungswissenschaft war nicht meine erste Wahl. Nach meiner kaufmännischen Schule, die ich mit der Matura abgeschlossen habe, wollte ich eigentlich Wirtschaft studieren. Nach ein paar Wochen habe ich jedoch gemerkt, dass es das komplett falsche Studium war. Ich habe mich dann an meinen Zivildienst am Bahnhofsozialdienst (BSD) zurückerinnert und wie gerne ich im Kontakt mit Menschen war, vor allem mit vulnerablen Gruppen. Und so bin ich dann auf der Suche gewesen nach einem sozialen Studium. Soziale Arbeit wäre naheliegend gewesen, das habe ich aber dann ausgeschlossen und mich für das Erziehungswissenschaftsstudium entschieden, auch aufgrund der Breite, die im Studium vermittelt wird.
Was war für dich ein unvergessliches Erlebnis während deiner Studienzeit?
Es gab mehrere Erlebnisse, die mir prägend in Erinnerung geblieben sind, eines davon war am Ende des Bachelorstudiums. Ich bin damals draufgekommen, dass ich ein Modul nicht vollständig abgeschlossen habe, nämlich die kritische Geschlechterforschung bei der Frau Bergmann. Es gab nicht mehr die Möglichkeit, die Prüfung schriftlich nachzumachen. Ich musste die Prüfung mündlich ablegen. Bei dieser Prüfung wurde mir das erste Mal die Stellung der Frauen in der Gesellschaft, angefangen von der Hexenverfolgung bis hin zum Frauenwahlrecht in der Schweiz, so richtig bewusst. Aufgrund der intensiven Auseinandersetzung mit der Stellung der Frau in der Gesellschaft war dieses Thema dann immer sehr präsent für mich.
Gab es während deines Studiums Momente oder Personen, die einen besonderen Eindruck bei dir hinterlassen haben?
Als ich die Masterarbeit abgegeben habe und die Defensio der Masterarbeit waren Momente, die einen prägenden Eindruck bei mir hinterlassen haben. Ich habe während meines Masterstudiums Vollzeit gearbeitet; das Thema meiner Masterarbeit war „Gemeinwesenarbeit“, weil ich beruflich dort tätig bin. Ich habe mir viel Zeit dafür genommen. Meine Masterarbeit hat mich sehr beschäftigt und dann am Ende schon viel Kraft gekostet. Dieses Projekt abzuschließen, das Ergebnis zu sehen und die Rückmeldungen der Professoren zu bekommen, das war eine besondere Erfahrung. In prägender Erinnerung geblieben sind auch Bernd Lederer und die gesellschaftskritischen Diskussionen in seinen Vorlesungen, die ich in meiner Studienzeit sehr genossen habe.
Warst du während deiner Studienzeit im Ausland und welche Erfahrungen konntest du dort sammeln?
Nein, ich war nicht im Ausland.
Wie hat sich dein Weg zum Studium und vom Studium bis heute entwickelt?
Ich würde meinen Weg bisher als glückliche Fügung bezeichnen, eine Aneinanderreihung von Ereignissen, die mich am Ende dorthin geführt haben, wo ich jetzt bin. Ohne meinen Zivildienst beim Bahnhofsozialdienst wäre ich wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen, Erziehungswissenschaft zu studieren. Ohne mein Studium wäre ich beruflich nicht dort gelandet, wo ich bin, beim Stadtteiltreff Pradl und dem Bahnhofsozialdienst. Beim BSD konnte ich bereits während meines Studiums hauptamtlich arbeiten. Der Bahnhofsozialdienst hat eine 112-jährige Geschichte und ist eine Dienststelle der Caritas Tirol. Mich hat Geschichte schon immer sehr interessiert. Im Studium haben wir uns auch immer wieder mit der Geschichte des Menschen und der Gesellschaft auseinandergesetzt. Am Ende ist es wichtig, dass wir aus unserer Geschichte lernen, um heute Antworten auf die aktuellen Herausforderungen zu finden.
Welche im Studium erworbene Qualifikation hilft dir im heutigen Beruf am meisten?
Ich denke, der Versuch, einen ganzheitlichen, kritischen Blick aus mehreren Perspektiven auf die Dinge zu bekommen, ist vor allem in der Stadtteilarbeit enorm wichtig, weil es nicht nur die Interessen der Bürgerinnen gibt, die auch da sehr verschieden sein können, sondern auch die Interessen der Wirtschaftstreibenden, der Vereine, der Stadtverwaltung und der Stadtpolitik. Hier nur eine Seite zu beleuchten würde nicht dem Prinzip der Gemeinwesenarbeit entsprechen, auch nicht unserem Prinzip der Stadtteilarbeit. So gesehen hat mir diese Vielfalt im Studium, diese unterschiedlichen Schwerpunkte und Themen schon geholfen, Dinge oder Themen aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten.
Was sind deine zukünftigen Ziele, sowohl beruflich als auch privat?
Mein Wunsch ist es eine Familie mit meiner Verlobten zu gründen. Beruflich möchte ich die Soziallandschaft in Tirol mitgestalten. Ich bin davon überzeugt, dass die Gemeinwesenarbeit, auch wenn sie in den 1970er Jahren bis heute immer wieder als sozialromantisch und idealistisch bezeichnet wird, am Puls der Zeit ist. Wir müssen als Gesellschaft zusammenwachsen und uns als Gesellschaft über Demokratisierungsprozesse austauschen. Wir müssen uns austauschen über Herausforderungen, die die Gegenwart und Zukunft betreffen, ob es der Klimawandel ist, ob es die Pflege ist. Die Frage ist: Wie können wir das gemeinsam leisten? Wie kann jeder und jede einen Beitrag leisten? Aus diesem Grund möchte ich die Gemeinwesenarbeit noch mehr vertiefen, noch mehr Präsenz bei Stakeholdern, bei Stadt, bei Land und vor allem auch bei den Bürgerinnen und Bürgern zeigen. Es ist für mich nicht ausgeschlossen noch meine Doktorarbeit zu schreiben.
Studienanfänger*innen bzw. Studierenden rate ich…
Vernetzen, vernetzen und vernetzen. Erfahrungen sammeln. Austauschen mit anderen Studierenden. Und über den Tellerrand hinausblicken.
Was war zu Studienzeiten dein Lieblingsort in Innsbruck/an der Universität?
Also in Innsbruck mein zu Hause, da habe ich mich wahrscheinlich am meisten und am liebsten aufgehalten. Und an der Universität war mein Lieblingsort, vor allem am Anfang der Studienzeit, die Promenade hinter der Universität.
Was verbindet dich heute noch mit der Fakultät für Bildungswissenschaften bzw. der Universität Innsbruck?
Ich spüre Verbundenheit und Dankbarkeit. Ich bereue keine Sekunde, dass ich dieses Studium Erziehungswissenschaften gemacht habe, auch wenn mir manches vielleicht nicht so gefallen hat, aber in Summe war das für mich absolut die richtige Entscheidung.
Ich wollte immer schon einmal...
verstehen wieso wir Menschen nicht aus unserer Geschichte lernen.
Erziehungswissenschaft ist für mich…
eine fundamentale Säule, die sich mit dem gesellschaftlichen Zusammenleben auseinandersetzt.