Oswald Spengler in universalhistorischer Perspektive

Projektpartner/Organisation:

  • Sebastian Fink, Innsbruck
  • Robert Rollinger, Helsinki/Innsbruck
  • Max Otte, Köln

Tagungen:

*** Internationale Tagung in Iaşi: "Krise und Untergang als historisches Phänomen"
Montag 2. Juni – Mittwoch 4. Juni 2014 ***

Organisation: Lucretiu Birliba, Sebastian Fink, Max Otte, Robert Rollinger

Tagungskonzeption

Oswald Spenglers »Der Untergang des Abendlandes« ist von einem Buchtitel zu einem Schlagwort geworden. Spengler machte es sich zum Ziel, die einzelnen Stadien des Unterganges, den er als geschichtsmorphologisch begründetete Tatsache ansah, vorauszubestimmen. Dieses Ziel wollte er durch Analyse und Vergleich historisch bekannter Untergangsphänomene erreichen, da er annahm, dass alle Kulturen ähnliche Stadien von Entstehung und Zerfall durchlaufen. Jared Diamond machte vor einigen Jahren die Untergänge von Staaten und Kulturen wieder zu einem großen Thema. Anders als Spengler, der versuchte, Kulturen als quasi biologische Einheiten zu begreifen, konzentrierte sich Diamond auf die »Randbedingungen« einer Kultur. Als mögliche Faktoren wies er auf Umweltzerstörung, Klimawechsel, feindliche Nachbarn oder veränderte Bündnis- und Nachbarschafts-strukturen hin, die schlussendlich zum Untergang einer Kultur führen.

Beide Autoren gingen von einem »totalen«, eine gesamte Kultur betreffenden Untergangskonzept aus, das sie als radikalen Schnitt verstanden. Totales Ende und totaler Neuanfang stehen einander als scheinbar fest determinerte Größen gegenüber. Von solchen Konzepten hat die neuere historische Forschung allerdings zusehends Abstand gewonnen. Sie sind einer differenzierteren Betrachtung gewichen, die Kontinuitäten und Diskontinuitäten als parallel laufende Phänomene betrachtet, und die sich auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich darstellen können. Darüber hinaus können Untergänge auch als Elemente der Herrschaftsrepräsentation inszeniert werden, Herrschaften legitimieren und Brüche suggerieren, die sich bei genauerer Betrachtung als problematisch erweisen.

Die Tagung möchte diesen Fragen auf der Basis ausgewählter antiker Fallbeispiele nachgehen. Der zentrale Fokus liegt dabei auf drei thematischen Schwerpunkten, die sich als Politik, Wirtschaft und Geistesgeschichte bezeichnen lassen. Alle drei Ebenen bilden wichtige Schnittpunkte von Untergangskonzeptionen, die es näher zu bestimmen gilt.  Dabei wird die »Krise« als ein zentraler analytischer Begriff verstanden, der nicht nur als ein Begleit- und Vorstufenphänomen des Untergangs angesehen werden und somit als ein fester Bestandteil aller Untergangskonzeptionen gelten kann, sondern der es auch gestattet, historische Langzeitentwicklungen schärfer ins Auge zu nehmen. Dies wird nicht zuletzt durch aktuelle tagespolitische Ereignisse deutlich. Seit 2008 ist die Krisenrhetorik allgegenwärtig: von der Immobilien- zur Bankenkrise, von der Finanzkrise zur Staatschulden- und zur Eurokrise. Krisenrhetorik schürt die Angst vor Untergängen und mobilisiert Kräfte, die von Staaten zur Durchsetzung unpopulärer Maßnahmen genutzt werden können. Diese Phänomene lassen sich anhand historischer Ver-gleichsbeispiele näher untersuchen.

Die antiken Fallbeispiele werden in drei Sektionen näher verortet. Eine erste Sektion setzt sich mit »Krise und Politik« auseinander. Für die Untersuchung dieses Themenschwerpunktes eignet sich das Alte Vorderasien besonders gut als Unter-suchungsraum, da sich seine Geschichte über mehrere tausend Jahre verfolgen lässt und sich Langzeitphänomene ebenso wie Diskontinuitäten und Brüche besonders gut fassen lassen. Im Zentrum der Betrachtung stehen deshalb längere historische Epochen. Sie sollen auf mögliche Brüche und Kontinuitäten hin näher untersucht werden, um auf diese Weise das vielseitige Wechselspiel zwischen Krise und Untergang zu erhellen. Die zweite Sektion »Krise und Geistesgeschichte« nimmt die intellektuelle Auseinandersetzung mit den Phänomenen Krise und Untergang ins Auge. Dabei spielen sowohl der Kultur-vergleich als auch jene Kriterien eine wesentliche Rolle, mit denen Krisen und Untergänge bewertet und in ein vermeintliches historisches Kontinuum gestellt werden. Die dritte Sektion »Krise und Wirtschaft« befasst sich mit dem besonders aktuellen Thema der Wirtschaftskrise. Anhand ausgewählter Fallbeispiele, die vor allem aus dem Bereich der gut dokumentierten Entwicklungen aus dem Imperium Romanum stammen, soll das scheinbar so moderne Phänomen der Krise historisch verortet und näher analysiert werden. Dabei soll in erster Linie untersucht werden, wie sich diese Krisen konkret definieren lassen und mit welchen Lösungs-strategien ihnen in den antiken Welten begegnet wurde.

Tagungsprogramm

Sonntag 1. Juni: Anreisetag

Montag 2. Juni:

9.30-10.00 Eröffnung

Sektion I: Die Krise und die Politik:

10.00-10.30

Gebhard Selz (Wien), Von Uruk bis Akkad (3300-2300 v. Chr.)

10.30-11.00

Sebastian Fink (Innsbruck), Von Akkad bis Babylon (2300-1500 v. Chr.)

 

Kaffeepause

 

 

11.15-11.45

Hans Neumann (Münster), Von Babylon bis Assur (1500-7. Jh. v. Chr.)

11.45-12.15

Robert Rollinger (Helsinki / Innsbruck), Von Assur bis Susa (7.Jh. - 4. Jh. v. Chr.)

12.15-12.45

Sabine Müller (Innsbruck), Von Alexander bis Rom (4. Jh. - 1. Jh. v. Chr.)

 

 

12.45-14.30

Mittagspause

 

14.30-15.00

Alexander Demandt (Berlin), Von Rom bis Aachen (4.Jh.n.- 8. Jh. n. Chr.)

15.30-16.00

Josef Wiesehöfer (Kiel), Von Nisa bis Ktesiphon (3. Jh. v. - 7. Jh. n. Chr.)

 

Kaffeepause

Sektion II: Die Krise und die Geistesgeschichte:

16.30-17.00

Martin Gronau (Innsbruck), Weltenbrand, Untergang und Krise im antiken Griechenland

17.00-17.30

Alexander Rubel (Iaşi), Die Krise in Religion und Politik in Athen während des peloponnesischen Krieges

 

Kleine Führung durch Iaşi, Abendessen

 

Dienstag 3. Juni:

Ausflug zu den Moldauklöstern

 

Mittwoch 4. Juni:

Sektion III: Die Krise und die Wirtschaft

10.00-10.30

Kai Ruffing (Kassel), Das Imperium Romanum in der Krise

 

10.30-11.00

Octavian Bounegru (Iaşi), Die wirtschaftliche Krise im Osten des römischen Reichs

 

 

Kaffeepause

 

 

11.00-11.30

Lucretiu Birliba (Iaşi), Die wirtschaftliche Krise in der römischen Provinz Moesia Inferior: Das Zeugnis der epigraphischen Quellen

 

11.30-12.00

Radu Ardevan (Cluj-Napoca), Die wirtschaftliche Krise in der römischen Provinz Dakien: Das Zeugnis der epigraphischen Quellen

 

12.00-14.00

Mittagspause

 

 

 

 

14.30-15.00

Iulia Dumitrache (Iaşi), Kaufleute und die wirtschaftliche Krise im Westen des römischen Reichs

 

15.00-15.30

Bogdan Murgescu (Bukarest), Die wirtschaftliche Krise und Politik in der Walachei (16.-18. Jh.)

 





 

Gemeinsames Abendessen

 

Donnerstag 5. Juni: Abreisetag


Dauer der Vorträge: 20 Minuten + 10 Minuten Diskussion

Vortragssprachen: Deutsch und Englisch


 

*** "Stadien menschlicher Entwicklung - Ansätze zur Kulturmorphologie heute"
Konferenz in Memoriam Oswald Spengler ***

Gesamtleitung: Robert Rollinger und Sebastian Fink


Tagungskonzeption

Die Konferenz soll den Geist interdisziplinärer Diskussion und genuinen Diskurses jenseits der Fachdisziplinen fördern. Oswald Spenglers Werk dient als Ausgangspunkt, Basis und Referenzpunkt für die Fragestellungen folgender vier Sektionen:

1 Der Mensch als Spezies und Naturphänomen (Leitung: Josef Reichholf)
Biologische und evolutionsbiologische Erklärungsansätze können auch zur Erklärung menschlichen Verhaltens beitragen, ohne dass dies sofort in Biologismus umschlagen muss. Die Sektion soll dazu beitragen, die Kulturwissenschaften in einen größeren naturwissenschaftlichen Zusammenhang zu stellen.

2 Die Funktionalität politischer Gemeinschaften, Kulturvergleich und Kulturmorphologie
   (Leitung: Robert Rollinger und Sebastian Fink)
Spenglers ideengeschichtliche Konzeptionen setzten sich kritisch mit einer sich seit dem 19. Jahrhundert zunehmend verfes-tigenden Grundauffassung auseinander, die im Laufe der Zeit als eine wissenschaftliche Tatsache betrachtet wurde. Danach seien der Aufstieg der Stadt mit der damit einhergehenden Erfindung der Schrift, der Entwicklung von Dichtung und Literatur, Wissenschaft, Demokratie und Aufklärung nicht nur einzigartige und spezifische Phänomene, sondern diese hätten erst in Griechenland ihre ideale Ausformung gefunden. In späterer Zeit seien diese nur kopiert und bestenfalls weiterentwickelt worden. Spengler stellte sich dezidiert gegen diese Ansicht und versuchte zu zeigen, dass alle Kulturen – Spenglers System kennt acht eigenständige Kulturen – eine in groben Zügen gleichartige Entwicklung durchmachten.
Vor diesem Hintergrund möchten wir in unserer Sektion versuchen, durch kulturvergleichende Betrachtungen allgemeine und kulturspezifische Aspekte staatlicher Gemeinwesen herauszuarbeiten und diese in einen größeren Kontext zu stellen. Dabei sollen folgende Aspekte unsere besondere Aufmerksamkeit erfahren:
     ‐ Schrift und Stadt
     ‐ Mathematik und Verwaltung
     ‐ Dichtung und Literatur
     ‐ Recht und Religion
     ‐ Demokratie und Gemeindeautonomie
     ‐ Aufklärung und geistige Revolution
     ‐ Imperium und Weltherrschaft
Alle Vorträge sollen sich einer vergleichenden Betrachtung befleißigen, d.h. die genannten Phänomene an mindestens zwei Beispielen untersuchen.

3 Die Situation der Menschheit heute (Leitung: John Farrenkopf und Max Otte)
Auf Grundlage der von ihm propagierten "kopernikanischen Wende" der Geschichts- und Kulturforschung, welche die prinzipielle Gleichwertigkeit aller Kulturen und die Überwindung des Eurozentrismus beinhaltet, kommt Spengler bereits 1919 zu erstaun-lichen Prognosen:
     ‐ das Ende stehender Armeen gegen Ende des 20. Jahrhunderts
     ‐ das Durchsetzen eines einzigen Prinzips für den Westen (Finanzkapitalismus)
     ‐ die Herrschaft von Milliardären und Konzernen
     ‐ das Ende der Demokratie
In "Jahre der Entscheidung" spricht er als einer der ersten Denker die globale Diffusion der Technologie sowie die Umwelt-zerstörung an. Die Sektion befasst sich damit, inwieweit vergleichende und morphologische Ansätze uns Einsichten in den Zustand der heutigen Zivilisation liefern können.

4 Spenglerforschung heute (Leitung: Alexander Demandt)
Eine Sektion der Konferenz befasst sich mit dem aktuellen Stand der Spenglerforschung im engeren Sinne.

  Tagungsprogramm

 

Publikationen:

Spengler_Kulturmorphologie
Sebastian Fink und Robert Rollinger (Hgg.), Oswald Spenglers Kulturmorphologie. Eine multiperspektivische Annäherung (Universal- und kulturhistorische Studien), Wiesbaden 2018.

 

 

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