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Wie dem Herrn den Weg bereiten?
(Gedanken zum 2. Adventsonntag 2011, LJ B)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Der große Trostjubel des Jesaja scheint so gar nicht zum Bußprediger Johannes zu passen - und doch soll der Täufer gerade die Prophetie des Jesaja erfüllen. Wie geht das zusammen?
Publiziert in:
Datum:2011-12-07

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Jes 11,1–10; (Röm 15,4–9); Mt 3,1–12

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Liebe Gläubige,

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wie bereitet man den Weg für Gott? Was muss geschehen, damit Gott unter den Menschen gegenwärtig wird? Einen Weg durch die Wüste bauen – und eine Straße durch die Steppe, sagt Jesaja. Täler sollen sich heben, Berge und Hügel sich senken, verlangt er. Es klingt wie ein gigantisches Straßenbauprojekt, eine Art Brennerautobahn des Glaubens: weg mit allem, was hindert! Eine breite, ebene, leicht zu befahrende Bahn für den herannahenden Gott! Und Jesaja sagt es mit jubelndem, ja fast triumphierendem Ton. Man möchte sich gerne mitreißen lassen von diesem Jubel, mit einstimmen in diesen Triumph, aber irgendwie will mir das nicht ganz gelingen.

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Und das liegt vielleicht gerade am Evangelium, das uns die Kirche dazugestellt hat: den Anfang das Markusevangeliums. Der Text selber sagt, dass in Johannes, dem Täufer, das geschieht, was Jesaja angekündigt hat: der Weg des Herrn wird bereitet. Und doch scheint das, was Johannes tut, unspektakulär zu sein – und auch so unattraktiv, dass es gar nicht zur jubelnden Ankündigung des Jesaja passt. Johannes ist rustikal-provokant gekleidet, führt einen konsumverweigernden Lebensstil, fordert zu Umkehr und Buße auf, und setzt sich selber herunter, verweist auf einen anderen, der größer ist als er. Das passte schon damals nicht in den Zeitgeist – und tut es heute noch viel weniger. Ein raubeiniger Bußprediger, der uns Bedürfnislosigkeit vorexerziert, sich selber klein macht und auch uns dazu auffordert uns klein zu machen. Die emotionale Stimmung, die dieser Johannes auslöst, ist doch irgendwie genau das Gegenteil von der des Jesajatexts: dort Trost, Vorfreude, fast schon Jubel; hier Strenge, Entsagung und Selbsterniedrigung. Wie also kann Johannes die Erfüllung dessen sein, das Jesaja ankündigt?

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Einer Antwort kommen wir näher, wenn wir überlegen, was denn die Hindernisse für das Kommen Gottes sind, die weggeräumt werden müssen. Was sind denn die Berge und Täler, Wüsten und Steppen, um die es da geht? Was hindert denn Gott daran, in dieser Welt anzukommen? Ja, letztlich sind es die Hindernisse und Untiefen, Trockenheiten und Dürren im menschlichen Herzen, letztlich sind es immer wieder menschliche Widerstände, die sich Gott entgegenstellen. Und da gibt es ja eine ganze Menge: Bosheiten und Gewalttaten der Mächtigen, die ihren Völkern die Freiheit nicht gewähren; Lug und Trug der Reichen, die andere in Armut stürzen und halten; Hartherzigkeit und Legalismus in weltlichen und religiösen Institutionen, die die Menschen niederdrücken statt sie aufzurichten. All das kennen wir aus eigener Erfahrung oder zumindest aus den Medien.

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Aber – so möchten wir fragen – warum lässt sich Gott dadurch aufhalten? Sollte er nicht erst recht schnell kommen und aufräumen?! So können wir nur sprechen, weil wir das Unmenschliche, das Böse – sagen wir es mit einem altmodischen kirchlichen Wort: die Sünde – immer woanders sehen: bei denen da oben oder bei anderen weit weg, nur nicht bei uns selber. Stimmt das aber? Beunruhigt uns nicht der Täufer gerade deshalb, weil er dem ganzen Volk die Botschaft der Umkehr bringt? Nicht nur die Mächtigen, sondern alle haben Sünden zu bekennen und umzukehren. Haben wir nicht die gleichen Haltungen im Herzen wie so viele Mächtige? Nur, dass sie bei uns keine so schlimmen Wirkungen zeigen, weil wir eben nicht so mächtig sind. Aber das ist ja nicht unser Verdienst, das ist unser Glück – oder jedenfalls das Glück derer, die uns sonst ausgeliefert wären. Und ist es nicht so, dass auch in unserem kleinen persönlichen Bereich wir selber es sind, die das Kommen Gottes in unser Leben aufhalten? Und steht nicht letztlich dahinter die Angst, zu kurz zu kommen, die Angst zu wenig zu kriegen, die Angst als der Dumme und Schwache dazustehen? Also genau die Angst vor dem, das Johannes ganz gelassen aussprechen kann: nach mir kommt einer, der ist größer als ich. Natürlich: Johannes sagt das über Jesus, und über ihn würden wir das ja auch sagen. Aber, der Nachbar im Haus gegenüber, der Banknachbar in der Kirche, der Kollege – die Kollegin am Arbeitsplatz? Bin ich nicht größer und besser als sie? Das Problem ist nur: sie denken vielleicht genauso. Wer soll dann der größere sein?

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Liebe Gläubige,

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wir denken nicht von ungefähr oft so. Wir haben es erlebt, dass wir ausgenutzt und übervorteilt wurden; dass unser Vertrauen missbraucht und wir verletzt wurden – manche weniger, manche zutiefst, aber alle haben wir unsere Verletzungen. Und diese Verletzungen wirken in uns weiter und bewirken oft gerade unsere dunkelsten Seiten. Wir verletzten andere – meist ohne es zu wollen –, weil wir selber verletzt wurden; wir verbreiten oft Dunkelheit, weil wir selber dunkel sind. Und das schlimmste ist es für uns, das zuzugeben. Denn wer zugibt, dass er verletzt ist, der zeigt sich als schwach, der macht sich erst recht verletzlich. Wir wollen das nicht, wir wollen stark und unverletzlich sein.

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Und gerade das hindert Gott daran, in unser Leben zu treten: wer unverletzlich ist, der ist auch unberührbar für die zärtliche Zuwendung Gottes; wer unempfindlich wird, der wird auch unempfindsam. Das sind die Berge und Täler, die Wüsten und Steppen in unseren Herzen, die das Kommen Gottes in unser Leben aufhalten. Johannes wusste eine Lösung dafür: die Größe derer neben uns anerkennen, gerade derer, die klein und unscheinbar sind; und die eigene Sünde bekennen und umkehren. „Sünde“ müssen wir nicht als moralische Kategorie verstehen, nicht als Kategorie des erhobenen Zeigefingers; die Sünde bekennen heißt auch nicht ein Register herunterzusagen. „Sünde“ ist eine Kategorie des Verletztseins und des Verletzens; die Sünden bekennen, heißt vor sich und vor Gott ehrliche Selbsterkenntnis zu gewinnen, die eigenen Dunkelheiten und Schattenseiten, die eigenen Schwächen zuzugeben und wahrzunehmen, damit sie eben nicht die Herrschaft über uns gewinnen und wir durch sie andere verletzen und ihnen dieselben Dunkelheiten zufügen. Oft brauchen wir dazu Hilfe: einen Partner/eine Partnerin, die uns trotz der Dunkelheiten annimmt, wie wir sind; einen Freund/eine Freundin, die zu uns halten, nicht obwohl, sondern weil sie unsere Schwächen kennen; einen Seelsorger, der uns mit klugem Rat begleitet und uns in kirchlicher Vollmacht die Sünden vergibt; zuweilen vielleicht auch professionelle psychologische Beratung und Hilfe. Nicht dass wir das brauchen, hält Gott aus unserem Leben fern, sondern, die Leugnung, dass wir das eine oder andere davon brauchen.

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Einen wichtigen Unterschied zwischen Jesaja und Johannes gibt es allerdings: Bei Jesaja kommt der Trost erst, nachdem das Volk die volle Strafe erlitten hat und dadurch die Schuld beglichen ist. Johannes tauft zur Vergebung der Sünden: Nicht Strafe, nicht Abarbeiten der Schuld, sondern Umkehr und Bekenntnis machen die Menschen bereit für das Kommen Gottes. So gesehen ist die Botschaft des Johannes viel fröhlicher als die des Jesaja. Gott kommt nicht erst, wenn wir perfekt geworden sind, er kommt schon, wenn wir eingestehen können, dass wir nicht perfekt sind.

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Aber, Gott ist sogar noch größer als Johannes es sich vorstellen konnte und das ist der eigentliche Anfang der Frohen Botschaft von Jesus Christus: Gott wartet nicht bis alle Berge und Täler eingeebnet, die Wüsten und Steppen mit Autobahnen versehen sind. Er tut es sich an, über Berg und Tal, durch Wüste und Steppe zu uns zu kommen, um es uns zu erleichtern, unsere inneren Wüsten überhaupt zu erkennen, anzunehmen und von ihm in Oasen der Gnade verwandeln zu lassen. Und wie macht er das?

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Er selbst wird ein unvollkommener Mensch – wir bereiten uns in diesen Wochen darauf vor. Gott wird ein Kind in der Krippe, das schwächer ist als alle anderen, damit wir lernen, zu unseren Schwächen und Armseligkeiten zu stehen. Und dann kann es geschehen, dass Orte der größten Dunkelheit und Dürre zu Quellen des Lichts und Oasen der Fruchtbarkeit werden.

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Anfang der Frohen Botschaft von Jesus Christus!

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