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Je spektakulärer, desto göttlicher?
(Gedanken zum 19. Sonntag im Jahreskreis 2011 (LJ A))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Wie erkennen wir das Wirken Gottes? Wie merken wir bei den vielen Dingen in unserem Leben, wo Gott am Werk ist? Das ist die große Frage, der man sich als glaubender Mensch immer wieder stellen muss: aus Verantwortung sich selbst und den anderen Menschen gegenüber. Ist die Antwort: Je spektakulärer etwas ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es von Gott stammt? Oder was soll uns der Gang Jesu über das Wasser und der gescheiterte Versuch des Petrus, es ihm nachzutun, sagen?
Publiziert in:
Datum:2011-08-29

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: 1 Kön 19,9a.11-13a; (Röm 9,1-5); Mt 14,22-33

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Liebe Gläubige,

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wie erkennen wir das Wirken Gottes? Wie merken wir bei den vielen Dingen in unserem Leben, wo Gott am Werk ist? Das ist die große Frage, der man sich als glaubender Mensch immer wieder stellen muss: aus Verantwortung sich selbst und den anderen Menschen gegenüber.

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Betrachtet man unsere heutigen Lesungstexte nur oberflächlich, so wäre die Antwort: Je spektakulärer etwas ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es von Gott stammt: Stürme, Erdbeben und Feuersbrünste kündigen da das Kommen Gottes an; und bei Jesus ist es nichts weniger als der Gang über das Wasser – und das auch noch bei Sturm –, der die Jünger dazu bringt, ihn als Gottes Sohn zu bekennen. Ist das aber wirklich so? Muss man sagen: je spektakulärer desto göttlicher?

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Schauen wir genauer hin. In der Geschichte von Elija ist eigentlich ziemlich deutlich, dass es anders ist. Denn es heißt ja jedes Mal, dass der Herr nicht in den spektakulären Naturschauspielen war. Ganz anders tritt er dem Propheten gegenüber: als sanftes, leises Säuseln. Es ist fast ein Kontrapunkt zur Idee, dass Gott dort zu finden sei, wo es besonders wild zugeht. Hier wird gesagt, er ist dort, wo es besonders sanft, besonders zart, besonders leise ist. Darum überhört und übersieht man Gott ja so leicht, weil man diese leisen und sanften Töne gern überhört, gerade wenn man nach dem Spektakulären Ausschau hält. Dass Elija Gott im leisen Säuseln erkannt hat, zeugt von seinem Prophetentum mehr als vieles andere, das von ihm berichtet wird. Er war fähig, den leisen, sanften Gott zu spüren und zu erkennen.

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Gut, werden Sie vielleicht sagen, für die erste Lesung mag das stimmen, aber für das Evangelium? Ist es nicht einfach nur spektakulär, was da geschieht? Und ich würde zugestehen: ja, es ist schon spektakulär, sehr sogar, aber in einem ganz anderen Sinn.

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Da ist zunächst etwas, das wir vielleicht überlesen, weil es uns nur als Vorspiel zum „Eigentlichen“ vorkommt: Jesus schickt die Jünger im Boot voraus und die Menschen, die er eben noch gespeist hat, weg, weil er alleine sein will. Und im Alleinsein steigt er auf einen Berg, um zu beten. Warum betet der Sohn Gottes? Hat er das überhaupt nötig? Und wofür betet er? Oder spielt er uns nur etwas vor, um uns ein gutes Vorbild zu geben; um uns zu zeigen, was wir nötig haben?

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Das NT spricht viel zu oft davon, dass Jesus betet, um das so einfach abzutun. Um uns zum Beten zu animieren, hätten Jesu Aufforderungen dazu, die es auch gibt, durchaus gereicht. Nein, es muss Jesus ein echtes Bedürfnis gewesen sein, zu beten. Er muss im Gebet Kraft, Trost und Freude gefunden haben. So wie Elija im sanften Windessäuseln Gott erkannt hat, so muss Jesus in seinem Gebet auf dem Berg die zärtliche Zuwendung seines Vaters erfahren haben. Da ging es wohl nicht um ein einfaches, konkretes „Wofür“. Da ging es einfach darum, in der Gegenwart Gottes zu verweilen und diese Gegenwart still zu genießen (wie es der Psalm sagt: „wie ein kleines Kind bei der Mutter ist meine Seele still in mir“ Ps 131,2) und in dieses Dasein bei Gott sind alle Anliegen für die Welt und die Menschen mithineingenommen und aufgehoben. Vielleicht ohne es konkret zu suchen geht Jesus gestärkt daraus hervor für seine Aufgabe, den Menschen diesen Gott zu bringen – und erst jetzt geht er den Jüngern über den See entgegen.

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Geht es dabei um die Oberflächenspannung des Wassers? Um die Frage, ob Jesus gewusst hat, wo die Steine versteckt liegen? Um die Aufhebung der Naturgesetze? Ich glaube nicht. Es geht darum, was die Innigkeit mit Gott für Menschen bedeutet. Der Sturm, die Wellen, die das Boot hin und her werfen – sind sie nicht wie die Widerfahrnisse unseres Lebens, die manchmal wie riesige Wogen über uns hereinbrechen und unser Lebensboot beinahe zum kentern bringen?

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Und dann kommt Jesus, der Mensch, der in der Einheit mit Gott steht. Er kommt so unverhofft und so überraschend, dass die Jünger zuerst glauben, er sei ein Gespenst. Die Kraft Gottes kommt in unseren Lebenssturm – und wir haben Angst. Wir trauen dieser Manifestation nicht. Will sie uns wohl? Bedroht sie uns?

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Jesus antwortet: „Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!“ Kein Gespenst – es bin ja nur ich, so hören wir das zuerst. Aber, in diesem „ich bin es“ steckt viel mehr; es steckt darin der Name Gottes aus dem AT: „Ich-bin-da“, Jahwe. Jesus betont hier auf ganz dezente Weise, dass in seiner Gegenwart Jahwe anwesend ist und dass die Gegenwart Gottes nicht Angst, sondern Vertrauen und Furcht­lo­sig­keit auslösen sollte. Das – liebe Gläubige – ist das erste Spektakuläre dieses Textes: Gott ist da in Jesus, und Gott ist nicht zum Fürchten, sondern zum Vertrauen.

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War es vorher Elija, der Gott im Säuseln erkannte, so erkennt nun Petrus, was das bedeutet: Es geht nicht um ein Zauberkunststück, das Jesus vorführt, um zu zeigen, wie cool er ist. Es geht darum, dass durch seine Gegenwart die anderen ermächtigt und befähigt werden, es ihm gleich zu tun. Und Petrus ist hier ganz unbescheiden und weiß doch, dass er das, was er tun will, nicht aus eigener Kraft tun kann, sondern nur aus der Kraft Gottes, die durch Jesus kommt: „Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme.“ „Komm!“ – die knappe, klare Antwort. Und Petrus geht über das Wasser auf Jesus zu.

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Ist das nicht spektakulär? In der Tat. Heißt es doch, dass der Glaube an Jesus, das Vertrauen auf ihn und seinen Vater, uns befähigt, die Wechselfälle des Lebens viel besser zu meistern, als wir uns das je erträumen würden. Wir können sogar das Boot, in dem wir sitzen, das uns vermeintlich Schutz bietet, das uns aber auch einengt und begrenzt – was wir vielleicht erst merken, wenn der Sturm so stark ist, dass das Boot zu kentern droht und sein Schutz sich ohnehin verflüchtigt; wir können sogar dieses Boot inmitten des wütenden Sturmes verlassen und über das Wasser, das uns eben noch zu verschlingen drohte, hinweg und auf Jesus zugehen. Jesus bekräftigt, die Erfahrung des Elija: Der Herr ist nicht im Sturm! Der Herr geht uns im Sturm auf dem Wasser entgegen und lädt uns ein, trotz Sturm aus der Nussschale von Boot auszusteigen und selber – auf eigenen Beinen – ihm entgegenzugehen – in seiner Kraft. Der Herr ist nicht im Sturm, aber der Sturm kann uns zum Anlass werden, dem Herrn näher zu kommen. Das ist in der Tat spektakulär!

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Aber das ist noch nicht das Spektakulärste. Das kommt erst noch. Petrus ist ja ein sehr sympathischer Apostel, weil er so menschlich ist, weil er so durchschnittlich ist. Wie die meisten Menschen verliert er den Blick auf Jesus, kann er den Kontakt nicht halten, sondern schaut auf die wilden Wellen und bekommt wieder Angst. Alles „Fürchte-dich-nicht“, „hab Vertrauen“, „ich bin es“ reicht nicht, uns die Angst zu nehmen. Und sofort, quasi in einem Atemzug mit seiner Angst, beginnt Petrus unterzugehen. Er, der Fels auf dem die Kirche steht, ist auch hier ein Bild für diese Kirche, für uns alle. Unsere Probleme mit uns, mit unserer Welt, mit den kirchlichen Vorschriften und Fehlern – das alles ist oft viel stärker als die frohe Botschaft vom sanften Gott. Und sobald wir diese aus den Augen verlieren und uns nur mehr mit den Stürmen befassen, gehen wir schon unter. Wir versagen oft, gerade so wie Petrus versagt hat. Ja, sagen wir es brutal: Petrus ist ein Versager und wir sind Versager vor der Herausforderung des Lebens und vor der Herausforderung des Glaubens. Wir schaffen es nicht, wir gehen unter. Was soll nun daran spektakulär sein?

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Liebe Gläubige,

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daran ist nichts spektakulär, das kennen wir zur Genüge. Aber, wenn wir so brutal sagen „Versager“, dann gehen wir schon wieder an dem vorbei, was an Jesus spektakulär ist. Bei ihm gibt es das Wort „Versager“ nicht. Bei ihm heißt es nicht: „Petrus, du hattest deine Chance, die hast du versaut. Pech für dich, dann wirst du halt absaufen.“ Es heißt auch nicht: „Gut, ich zieh dich raus, aber merk dir, wem du dein Leben verdankst und wer jetzt dein Chef ist. Ohne mich wärst du gar nichts, ja schon längst ertrunken.“ Das Spektakuläre an Jesus ist seine Reaktion der liebvollen Verwunderung: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ Das ist kein Vorwurf. Das ist Staunen, Verwunderung darüber, dass es solchen Kleinglauben überhaupt geben kann – und dann ist es Zuneigung. Es ist Annahme auch im Scheitern; Zuwendung gerade im Versagen. Es ist – ganz einfach göttlich.

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Und dann legen sich plötzlich die Stürme und das gerade noch gefährdete Boot unseres Lebens wird wieder zu einem sicheren Fortbewegungsmittel, in das auch Jesus steigt, um ganz unspektakulär bei uns zu sein. Und hier erst kommt das Bekenntnis „Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn.“

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Wir haben einen Gott, der auf ganz andere Weise spektakulär ist als man es sich oft erwartet: dadurch, dass er selbst leise und sanft ist, keine Furcht einflößt, sondern Vertrauen schafft; dadurch, dass er uns ermächtigt und befreit, in seiner Kraft die Stürme des Lebens zu durchschreiten und durch sie ihm näher zu kommen, wenn es sein muss auf dem Wasser gehend. Und schließlich – und am aller spektakulärsten: Wir haben einen Gott, der uns nicht ertrinken lässt, wenn wir trotzdem aus Kleinglauben scheitern, sondern der „sofort“ seine Hand ausstreckt und uns rettet. Und an all dem zusammen erkennen wir das Wirken Gottes.

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