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Gotteserfahrung auf dem Berg
(Gedanken zum 2. Fastensonntag 2011 (LJ A))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2011-03-24

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (Gen 12,1–4a); 2 Tim 1,8b–10; Mt 17,1–9

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Liebe Gläubige,

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im heutigen Evangelium von der Verklärung Jesu auf dem Berg treten zwei Gestalten des Alten Bundes auf: Mose und Elija. Und vielleicht fragen Sie sich auch, warum. Was soll das? Wieso stellt unser Evangelium Jesus in eine Reihe mit ihnen?

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Nun, alle drei – Mose, Elija und Jesus – haben etwas gemeinsam: sie machen auf einem Berg eine unmittelbare Erfahrung Gottes. Sie treten dem einen Gott gegenüber. Und doch ist ihre Gotteserfahrung eine andere und bei jedem steht diese Erfahrung in einem anderen Zusammenhang. Jesus steht in einer Reihe mit Mose und Elija, weil auch er hier eine Erfahrung Gottes macht; und Jesus unterscheidet sich von ihnen sowohl durch die Art seiner Gotteserfahrung als auch durch die Folgerung, die er daraus zieht.

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Mose begegnet Gott am Berg Sinai, wo er unter anderem die Gesetzestafeln mit den zehn Geboten und viele andere Anweisungen erhält. Das sind nicht einfach willkürliche Befehle Gottes, sondern sie sind die Konsequenzen daraus, dass Gott das Volk befreit hat. Und nun gibt er ihm Regeln, wie es gut zusammenleben und frei bleiben kann. Und doch bedeutet es, dass Mose Gott hier vor allem als Gesetzgeber erfährt. Und weil Gott so viele Gesetze gibt und Mose daher sehr lange ausbleibt, werden die Israeliten unruhig. Sie bauen sich ein goldenes Kalb, das sie verehren und anbeten, und begehen damit den schlimmsten Frevel überhaupt: den Abfall von ihrem Gott, was in der damaligen Zeit immer auch die Rückkehr zum Menschenopfer bedeuten konnte. Die Bibel schildert, dass Gott darüber in Zorn gerät und ihn Mose besänftigt. Doch dann geht Mose hinunter und wird selber so zornig, dass er die Leviten beauftragt, die Abtrünnigen zu töten – und sie schlachten 3.000 Mann hin, so erzählt es das Buch Exodus (vgl. Ex 32,28). Eine Erfahrung Gottes als – durchaus guten und weisen – Gesetzgeber, aber als Folge davon ein Zornesausbruch, der zu einem Massaker führt.

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Und Elija? Er hat es mit demselben Problem zu tun wie Mose: mit einer fremden Religion, die Menschenopfer verlangt: dem Baalskult (vgl. Jer 19,5). In einer magisch-abergläubisch anmutenden Geschichte erzählt das 1. Buch der Könige, wie Elija mit den Baalspropheten in einen Wettstreit tritt, um zu beweisen, dass nur sein Gott ein wahrer Gott ist. Elija und die Baalspropheten bereiten jeweils einen Stier als Brandopfer für ihren Gott zu, aber sie entzünden es nicht. Das soll ihr jeweiliger Gott selbst tun. Doch so sehr sich die Baalsprpropheten auch abmühen und gar in Rage und Ekstase geraten, sich selbst mit Schwertern verletzen und mit Lanzen traktieren – ihr Opfer brennt nicht. Als Elija aber Jahwe anruft, verzehrt Feuer vom Himmel das Brandopfer sofort, obwohl es Elija zuvor sogar noch mit Wasser übergossen hat (vgl. 1 Kön 18,22-38). So einen Machterweis Gottes würde sich mancher Feuerprediger wohl auch heute gerne wünschen. Doch was sind die Konsequenzen? Elija lässt alle Baalspropheten töten, worauf ihm die Frau des Königs, die aus deren Volk stammt, den Tod androht. Elija muss fliehen und schließlich bricht er entkräftet zusammen und möchte am liebsten sterben. Da wird auch er auf einen Berg gerufen; und dort hat er eine Gotteserfahrung, die so gar nicht zu Elijas brutalem „Gottesbeweis“ passen will.

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11 […] der Herr [zog] vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben. 12 Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. 13 Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.“ (1 Kön 19,11-13)

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Ist das nicht seltsam? Da wetteifern fanatische gegnerische Gottesanbeter gegeneinander und nehmen Feuer und Zerstörung als Zeichen der Macht Gottes – und dann kommt Gott selbst und er ist nicht in den Gewalten von Sturm, Erdbeben und Feuer. Er begegnet dem Elija als sanftes, leises Säuseln. Elija könnte hier lernen, dass sich Gott nicht in Gewalten der Natur oder der Menschen manifestiert, sondern in einer leisen, inneren Stimme – sanft wie ein Windessäuseln. Gerade in diesen Tagen, wo wir alle fassungslos auf die Erdbebenkatastrophe in Japan und ihre natürlichen und menschengemachten Folgen schauen, ist es wichtig zu hören: „Der Herr war nicht im Erdbeben“ – die Macht Gottes äußert sich nicht so, sondern in dem sanften Säuseln, das versucht, die Menschen zu bewegen, einander in der Naturkatastrophen beizustehen, und menschengemachte Apokalypsen möglichst zu vermeiden. Den Elija hat das nicht wirklich dazu geführt sein gewalttätiges Gottesbild zu überwinden, obwohl in der Folge nicht mehr so massiv davon die Rede ist, dass er mit Gewalt für Gott eintritt.

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Der dritte in der Reihe: Jesus. Seine Gotteserfahrung, wie sie Matthäus beschreibt, unterscheidet sich darin von den anderen beiden, dass Jesus nicht Gott als sein Gegenüber erfährt, sondern die drei Jünger erfahren Gott in und durch Jesus – einerseits im Leuchten seines Gesichts und seines Gewands; anderseits als Stimme, die Jesus als Sohn vorstellt, auf den sie hören sollen. Gott manifestiert sich in und durch Jesus und nicht ihm gegenüber. Als die Jünger das merken, bekommen sie Angst. Wer glaubt, einem Gott gegenüber zu stehen, der sich so verhält wie bei Mose und Elija, der muss ja auch Angst bekommen und sich auf den Boden werfen.

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Doch dagegen schreitet Jesus ein: „Steht auf, habt keine Angst“ (Mt 17,7) – nicht vor dem Gott, der Jesus seinen Sohn nennt. Vor ihm muss man sich nicht in den Staub werfen; vor ihm kann man aufrecht stehen. Doch – so ist sein Auftrag – sie sollen auf Jesus, seinen Sohn hören. Und was sagt ihnen der?

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Er spricht davon, dass er von den Toten auferstehen wird. Dann – so geht der Text nach dem heutigen Auszug weiter – deutet Jesus Johannes den Täufer, der von Herodes getötet worden war, als wiedergekommenen Elija und erklärt, dass er selbst leiden müsse von Menschenhand. Und nur wenig später erklärt er den versammelten Jüngern: „Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert werden, und sie werden ihn töten; aber am dritten Tag wird er auferstehen.“ (Mt 17,22f.)

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Wir treffen also auch hier in unmittelbarer Nähe zur Erscheinung Gottes auf dem Berg Gewalt an. Doch diese Gewalt geht nicht von Gott oder seinem Sohn aus, sie geht von Menschen aus, die sich im Dienst Gottes wähnen und in seinem Namen einem anderen – Jesus – das Leben nehmen. Indem Jesus Elija mit dem Täufer identifiziert, dreht er seine Bedeutung gewissermaßen um: nicht der Gottesmann tötet die Gottlosen, sondern die Gottlosen töten den Gottesmann. Das, was mit Jesus selbst auch geschehen wird, ist Johannes/Elija schon passiert.

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Mose, Elija und Jesus haben denselben Gott erfahren, aber ihre Erfahrung dieses Gottes könnte nicht unterschiedlicher sein, und auch die Konsequenzen nicht, die sie daraus ziehen. Jesus folgert daraus, dass sie nicht gemütlich auf dem Berg Hütten bauen können, sondern dass er nach Jerusalem gehen muss, um den Menschen das wahre Gottesbild zu bringen; das Bild eines Gottes, der so sanft wie ein Windessäuseln auf sie zukommt und keine Gewalt ausübt. Er tut das in der vollen Erkenntnis, dass dieses Unternehmen ihn selbst das Leben kosten wird, weil es immer wieder Menschen gibt, die meinen im Namen Gottes andere töten zu müssen oder die die Gewalt in Natur und Gesellschaft als Gewalt Gottes ausgeben.

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Jesus hat seinen Vater anders erfahren. Und diese Erfahrung gibt ihm die Kraft, auf seinen Tod zuzugehen. Vor allem hat er seinen Vater nämlich als Gott des Lebens erfahren, und daher hat er die Zuversicht, ja die Überzeugung, dass dieser Vater ihn vom Tod auferwecken wird. In diesem Glauben geht er nach Jerusalem, geht er nach Golgatha – nicht aus Todessehnsucht oder weil Gott ihm Gewalt antun wollte; sondern aus Lebenssehnsucht für die Menschen, die immer noch gelähmt sind durch die Angst vor einem gewalttätigen Gott. So hat er „dem Tod die Macht genommen und […]­ das Licht des unvergänglichen Lebens gebracht“ (2 Tim 1,10).

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Auf ihn, den Gekreuzigten und Auferstandenen sollen wir hören.

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