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Johannes der Täufer, das Gewissen und die Kirche
(Gedanken zum 2. Adventsonntag 2010 (LJ A))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2010-12-07

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Jes 11,1–10; (Röm 15,4–9); Mt 3,1–12

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Liebe Gläubige,

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bevor des Messias kommt, tritt Johannes auf. Bevor die Botschaft der Vergebung kommt, braucht es die Botschaft der Umkehr – so scheint es. Es könnte einen aber ein ungutes Gefühl beschleichen. Vielleicht macht es ja Johannes schon so wie später oft die Kirche: zuerst den Menschen ein schlechtes Gewissen einreden, um dann sich selber als einzige Rettung anzupreisen. Ist Johannes vielleicht ein früher Vorläufer dieser seltsamen Art missionarischer Tätigkeit? Und sollte sich Jesus dann nicht viel eher von ihm distanzieren anstatt ihn zu preisen, wie er das später tut? Aber schauen wir genauer hin, bevor wir dem Täufer Unrecht tun.

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Johannes selber macht den Menschen kein schlechtes Gewissen. Das scheinen sie schon zu haben. Er ruft nur allgemein zur Umkehr auf und die Menschen gehen – von sich aus – zu ihm hinaus und bekennen ihm ihre Sünden. In der Tat gehört ja ein schlechtes Gewissen zu unseren wichtigsten Orientierungshilfen, wenn es wegen der richtigen Dinge Alarm schlägt und wenn man mit diesem Alarm richtig umgeht. Man könnte sagen: es ist für unsere spirituelle Gesundheit das, was für die körperliche der Schmerz ist: Beide sind unangenehm; beide können lebensrettend sein, weil sie uns auf ein Problem hinweisen, das wir sonst übersähen; beide können aber auch ihren Zweck völlig verfehlen und selbst lebensbedrohlich werden, wenn sie sich verselbständigen und Alarm schlagen, wo gar nichts zu melden ist – oder nach Beseitigung des Problems sich der Alarm nicht mehr abstellen lässt. Es gibt ein schlechtes Gewissen, das ganz zu Unrecht besteht; es ist daran erkennbar, dass es Menschen niederdrückt und unfrei macht, sie zu Selbstablehnung und innerer Lähmung führt und ihnen Angst vor Gott macht. Die spirituelle Tradition spricht von Skrupeln – und viele, auch große Heilige, hatten damit zu kämpfen. Skrupel sind die Phantomschmerzen der Seele, könnte man sagen, und sie können einen Menschen kaputt machen. Andererseits gibt es natürlich auch das abgestumpfte Gewissen, das gar nicht mehr merkt, wenn man etwas falsch macht; das keine Werte kennt und daher gar nicht Alarm schlägt. Das ist wie wenn ein Mensch keine Schmerzen empfinden kann; vielleicht meinen wir: das wäre doch toll, keine Schmerzen zu empfinden; aber wir würden uns dann ständig verletzen oder die Knochen brechen, weil wir keine Warnung bekämen.

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Das gibt es auch beim Gewissen – nur, sind da die Leidtragenden zunächst andere, nicht man selber: Frauen, die Mann schlecht behandelt und es gar nicht merkt; Kinder, die man misshandelt oder missbraucht und es sich schönredet; Menschen, die man ihrem Hunger und Elend überlässt, weil sie einen ja nichts angehen; Personen, die man belügt um des eigenen Vorteils willen, weil das doch schließlich alle machen; die Liste ließe sich fortsetzen. Aber täuschen wir uns nicht. Zwar sind zunächst andere die Leidtragenden, aber letztlich sind es doch auch die TäterInnen selber: sie merken es nicht, aber sie verändern sich dadurch selbst; sie werden zu spirituell missgebildeten und zerstörten Menschen, zu bloßen Schatten dessen, was sie eigentlich sein könnten.

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Vor beidem, der Zerstörung durch dauernde Skrupel und der durch ein ausgefallenes Wertebewusstsein, warnt ein funktionierendes Gewissen.

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Zurück zu Johannes: Einer Gruppe gegenüber verhält er sich ­­schroff, ja abweisend. Warum das? Aus seinen Worten geht es hervor: es sind Menschen, die meinen, die Abkehr von dem, was sie innerlich entstellt, ist eine bloße Show-Veranstaltung. „Gehen wir eben hin und lassen uns von diesem Johannes taufen. Es kostet ja nichts und schaut gut aus, aber worauf es wirklich ankommt, ist, wer wir ohnehin schon sind: Kinder Abrahams.“ So funktioniert es nicht – sagt der Täufer. Kind Abrahams zu sein ist ein Gnadengeschenk Gottes, das Gott jedem anbieten kann, das aber keine Privilegien beinhaltet. Das Gewissen ist der Maßstab, die aktive Annahme dieses Geschenks, nicht die Zugehörigkeit zu einer Gruppe.

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Und schließlich: Johannes ist der Letzte, der sich selber als einzige Lösung für das Problem, vor dem das schlechte Gewissen warnt, anbieten würde. Er ist ja gerade derjenige, der auf den hinweist, der nach ihm kommt: auf Jesus, der mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen wird. Jesus wird, wenn man es zulässt, die Herzen der Menschen innerlich wandeln, die Verbiegungen heilen, und zu Gott führen. Die Aufgabe des Johannes ist, die Menschen auf Jesus aufmerksam zu machen und zu ihm zu führen.

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Der Täufer und die Kirche haben eine Menge gemeinsam. Auch die Kirche soll nicht sich als alleinseligmachendes Heilmittel gegen die Verformungen des Lebens anpreisen – sie kann es ja auch gar nicht glaubwürdig, weil es doch in ihr selber genug Verformung gibt; aber sie kann und soll auf Jesus als den Heiland hinweisen und zu ihm führen. Was Johannes schon tat, bevor Jesus überhaupt sein Werk begonnen hatte, das soll die Kirche tun bis ans Ende der Zeiten. Sie darf aber dabei nicht dem Irrtum verfallen, sie hätte das Heil gepachtet. Das Heil kommt von der Gnade Gottes, und man erkennt das Wirken der Gnade u. a. daran, dass Menschen ihrem gut gebildeten und funktionierenden Gewissen folgen – Getaufte oder Ungetaufte, Christen, Juden oder Muslime, Angehörige anderer Religionen, Agnostiker oder gar Atheisten. So hat es das Zweite Vatikanische Konzil erläutert (vgl. Lumen Gentium Nr. 14-16). Und es hat – interes­san­ter­weise in seinem Dekret über die Mission – festgestellt, dass es einen Glauben gibt, der zum Heil notwendig ist, der aber unabhängig vom Glaubensbekenntnis eines Menschen bestehen kann (vgl. Ad Gentes Nr. 7). Er muss gelebt werden und er wird gelebt, wo Menschen ihrem Gewissen folgen.

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Die Kirche kann also für ihre Mission von Johannes dreierlei lernen:

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1) Das schlechte Gewissen muss sie den Menschen nicht machen. Sie muss selber lernen und den Menschen zeigen, wie sie ihr Gewissen gut bilden und wie ein gut funktionierendes Gewissen arbeitet. Sie muss die Menschen vor skrupulösen Phantomschmerzen des Gewissens ebenso bewahren wie sie warnen muss vor Verflachung und Ausfall dieses Schutzmechanismus.

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2) Für uns Christinnen und Christen gilt dasselbe wie für die Kinder Abrahams: die bloße Zugehörigkeit zu einer Religion – wir sind Kinder Arahams; wir sind Brüder und Schwestern Jesu – wird uns nicht retten. Nur wenn wir die darin uns angebotene Gnade Gottes wirklich annehmen und immer mehr in unserem Leben fruchtbar werden lassen, dann bedeutet dies etwas.

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3) Und schließlich: wir, die Kirche, sind nicht die Lösung des Problems – die Lösung ist Christus. Aufgabe der Kirche ist es, auf ihn hinzuweisen, zu ihm zu führen; in seinem Namen zu taufen und Sünden zu vergeben. Im Übrigen aber die Frage, wer erlöst ist, Gott zu überlassen. Wir haben mit der Annahme der Erlösung, die Gott uns anbietet, schon genug zu tun.

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