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Einheit oder Ausschluss?
(Gedanken zur Versöhnung mit der Bruderschaft Pius X.)

Autor:Guggenberger Wilhelm
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2009-02-09

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Schon lange hat keine innerkirchliche Entscheidung mehr solches Aufsehen, solche Verwunderung und auch Erschrecken hervorgerufen, wie die Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Piusbruderschaft am 21. Jänner 2009. Dabei wäre als Reaktion auf diese Entscheidung in der Öffentlichkeit vermutlich nicht viel mehr wahrnehmbar geworden, als das enttäuschte Raunen wacher ChristInnen, denen die Politik des Vatikans nicht immer den Rücken stärkt bei ihrem Bemühen um das Leben und Weitergeben des Glaubens; wäre da nicht Richard Williamson gewesen. Seine dreiste Menschenverachtung hat vielfältigen Protest hervorgerufen und damit auch die innerkirchliche Debatte - gottlob - geweckt.

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Die Holocaustleugnung dieses Mannes ist an sich schon unerträglich genug, dennoch muss man feststellen: Sie ist im Grunde nur das Symptom einer Geisteshaltung, die am rechten Rand der Kirche wuchert. Soll sie nun kultiviert werden und wenn ja, in welchem Sinn?

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Das Bemühen von Papst Benedikt XVI. um Einheit ist zu achten und zu würdigen. Seine Entscheidung erscheint als Akt der Toleranz und Gesprächsbereitschaft und mag auch tatsächlich in dieser Absicht erfolgt sein. Bei genauerem Hinsehen könnte sie aber eine absolut gegenteilige Wirkung entfalten. Sie könnte ein Zeichen und eine Ermutigung für Ausgrenzung und Verfeindung darstellen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird sich daran entscheiden, wie ernst es uns als Kirche mit dem Zweiten Vaticanum ist. Die Anerkennung dieses Konzils kann meines Erachtens nicht Verhandlungsmasse im Versöhnungsprozess mit den Lefebvrianern sein.

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Ich möchte in diesem Kommentar aufzeigen was damit auf dem Spiel steht, würde die Piusbruderschaft etwa aufgrund einer Anerkennung des jurisdiktionellen Primats des Papstes aber ohne Gesinnungsänderung ihrer Vertreter in der Kirche akzeptiert. Ich greife dazu auf den Artikel "Die Zeitbomben des ZweitenVatikanischen Konzils" von Franz Schmidberger zurück, der in einer 2008 aktualisierten Ausgabe auf der deutschen Website der Piusbruderschaft zu finden ist.[1] Schmidberger ist Gründungsmitglied der Bruderschaft und deren Distriktoberer in Deutschland.

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Schmidberger will das Konzil im Licht der Tradition interpretieren und sieben. Sucht er also nach einem Weg des Verständnisses für seine Texte, die die Einheit mit der Katholischen Kirche ermöglichen? Nein. Vielmehr bezeichnet er zentrale Herzstücke des Konzils als tickende Zeitbomben und fordert dazu auf, diese herauszubrechen und zu verwerfen. Diese Zeitbomben sind das Kirchenverständnis[2] des Konzils, die ökumenische Gesinnung, die Würdigung der nichtchristlichen Religionen und die Religionsfreiheit, wie eine angeblich unkritische Weltanpassung im Allgemeinen.

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Das Konzil verwässere das wahre Verständnis von Kirche und ihrer Aufgabe völlig. "Die Kirche ist so der unter uns Fleisch gewordene, der sichtbar auftretende Gott: in ihrem Leben, in ihrer Lehre, in ihrem Kult, in ihren Gebeten, in ihrer Regierung. Ihre Hauptaufgabe ist keineswegs, einen Beitrag zu einem immanenten Friedensreich oder zu einem mitmenschlichen, innerweltlichen Aufbau zu leisten; sie ist vielmehr die vom Gottmenschen eingesetzte übernatürliche Heilsanstalt, dazu ausersehen, den Glauben zu verkünden, sei es gelegen, sei es ungelegen, insbesondere den Glauben an die Gottheit Jesu Christi; die Menschen zu Bekehrung und Buße aufzurufen; ihnen in Wort und Sakrament das Heil, die Gnade, das ewige Leben zu schenken."[3]

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Dass es der Kirche nicht um eine bedingungslose Harmonie mit den Ordnungen und Unordnungen der Welt gehen kann, versteht sich wohl von selbst; sie verlöre andernfalls jegliche prophetische Funktion, in der sie - ebenso wie ihr Herr - immer wieder als Zeichen des Widerspruchs wahrgenommen werden wird. Was hier aber konstruiert wird, ist der platte Gegensatz zwischen innerweltlichem Frieden und einer menschlich gestalteten Welt auf der einen und der Verkündigung von Heil und Gnade auf der anderen Seite. Die Kirche kann demnach nicht "Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit" (LG 1) sein. Der gesamte Artikel Schmidbergers präsentiert vielmehr das Bild einer Kirche, deren gesamtes Wesen in Kontrast, Konflikt und Verneinung besteht. Insofern verwundert es nicht, dass die Konzilskonstitution "Gaudium et spes" über die Kirche in der Welt von heute als verderblichster Teil des gesamten Konzils eingeschätzt wird, "denn sie verkündet unter dem Mäntelchen der bloßen Beschreibung von Tatsachen einen unbegrenzten, schrankenlosen Heilsoptimismus, die Einrichtung des Paradieses auf Erden durch Technik, Wissenschaft und Fortschritt."[4] Was die Aussage über die Vision eines Paradieses auf Erden angeht, so handelt es sich um eine schlichte Lüge. Das Konzil bedient sich zeitbedingt einer zugegebenermaßen optimistischen Sprache, dennoch betont "Gaudium et spes", die Menschheit der Gegenwart sei "in der Lage, das Beste oder das Schlimmste zu tun; für sie ist der Weg offen zu Freiheit oder Knechtschaft, Fortschritt oder Rückschritt, Brüderlichkeit oder Hass." (GS 9). Das Konzil weist in dieser Situation nicht den Weg menschlicher Selbstvergötzung. Ganz im Gegenteil verweist es auf Jesus Christus, an dem wir erkennen können, was gelungenes menschliches Leben ist. Dem Lobpreis Christi als König entspricht in den Ausführungen Schmidbergers aber eben keine Orientierung am Leben und Geschick Jesu.

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Doch es bleibt in dieser Kritik am Konzil nicht bei einer abgrundtiefen Weltverneinung, ja Weltverteufelung. Immerhin wendet sich das obige Zitat auch gegen Heilsoptimismus. Nach dem Sprachgebrauch Schmidbergers kann Heil nichts Innerweltliches meinen. Es drückt sich in der Zurückweisung des Heilsoptimismus also eine noch tiefere Haltung der Abgrenzung aus, die sich einen Himmel nur vorzustellen vermag, wenn es auch Verdammte gibt.

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Der einzige Weg zum Heil scheint die Katholische Kirche zu sein. Ökumene kann daher nicht in einem gemeinsamen Weg der Kirchen bestehen, denn Kirche gibt es nur im Singular. Dafür, dass die Katholische Kirche immer nur Zeugnis von der Wahrheit geben und diese feiern kann, weil die Wahrheit der lebendige Gott selbst ist, der nicht besessen werden kann, besteht hier kein Verständnis. Die Kirche erscheint al Tresor, der das Heil enthält - wie oft hat sie es in der Geschichte damit wohl auch vorenthalten? Sie erscheint wie ein Bankhaus, das an die Kreditwürdigen ihre Währung verteilt und streng darauf achtet, dass keine anderen Zahlungsmittel im Umlauf sind. Man könnte auch an eine Nation mit dichten Grenzen denken, deren wesentlichstes Anliegen die Unterscheidung von Staatsbürgern und Nicht-Staatsbürgern ist.[5]

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Wen wundert es, dass angesichts solchen Selbstverständnisses der Blick auf nichtchristliche Religionen nur despektierlich und feindselig sein kann. Die Erklärung "Nostra Aetate" über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen wird von Schmidberger daher mit blankem Hohn und Spott überschüttet. Die Würdigung des Islam sei ein "großer Lobpreis ... auf jene Religion, die unsere Väter mehrfach unter größtem Einsatz und dem Opfer ihres Lebens zurückgeworfen haben, da sie sich zum Ziel gesetzt hat, die Erde durch Feuer und Schwert dem Halbmond zu unterwerfen."[6] Natürlich müssen die Türkenkriege wieder einmal als theologisches Argument herhalten. So heißt es: "Was dem Islam im 16. und 17. Jahrhundert mit Waffengewalt nicht gelungen ist, das schafft er heute in der nachkonziliaren Ära auf friedlichem Wege. Er besetzt Europa. Frankreich wird überschwemmt von Arabern, Deutschland von Türken, England und Skandinavien von Pakistani. In England wird beispielsweise alle zwei Monate eine neue Moschee eröffnet. In Deutschland gab es vor 50 Jahren eine Handvoll islamischer Zentren; heute sind es über 2000. Und daran ist das schönredende Konzil nicht unschuldig."[7]

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Solche Aussagen atmen einen Geist der Feindseligkeit und Ausgrenzung, einen Geist der Selbstidentifizierung durch Negation anderer, der lediglich eine (leider als zeitgeistig zu bezeichnende) Widerspiegelung jenes Judenhasses darstellt, der aus dem Revisionismus Richard Williamsons spricht. Es bedarf wohl keiner weiteren Ausführungen darüber, wer hier eher mit den Wölfen heult und sich den Gegebenheiten einer unheilvollen Welt anbiedert; das Konzil oder die Piusbruderschaft. Doch es genügt noch nicht, dass die Kirche aufgerufen wird, wieder eine "wohlgeordnete Schlachtreihe"[8] zu formen. Selbst die staatlich gewährte Religionsfreiheit sei von Übel. An dieser Stelle wird die theologische Borniertheit zum gesellschaftspolitischen Wahnsinn. Die Rücknahme der Religionsfreiheit als vom weltanschaulich neutralen Staat gewährtes Recht, könnte in letzter Konsequenz gerade in einer pluralen Gesellschaft nur all zu rasch in einen Kampf der Religionen, ja in Religionskrieg münden.

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Eine unbedarfte Versöhnung mit der Piusbruderschaft wäre angesichts deren Lehren also wohl weniger ein Akt im Dienst der Einheit als vielmehr ein Akt der Legitimierung von Ausschluss und Ausgrenzung. Es bleibt zu hoffen, dass im Vatikan großes Augenmerk darauf gelegt wird, worauf die Angehörigen der Bruderschaft verpflichtet werden, wenn sie in die volle Einheit mit der Kirche zurückkehren wollen. Noch mehr ist zu hoffen, dass Benedikt XVI. sich nicht vom Weg seines Vorgängers abkehrt. Johannes Paul II. war mit Sicherheit kein Synkretist, suchte aber das Gespräch und das Gebet mit allen Religionen im Wissen darum, dass alle Religionen im Anliegen der Orientierung an Transzendenz und im Anliegen des Schutzes der spirituellen Würde der Menschen geeint sind. Dass Papst Benedikt die Muslime mit seiner Regensburger Rede vor den Kopf gestoßen hat, dass er das Missale von 1962 in erweitertem Umfang wieder zugelassen hat, ohne die Karfreitagsbitte für die Juden im Voraus zu erneuern, dass er übersehen hat, dass einer derer, denen er nun die Hand reicht, ein provokanter Leugner der Shoah ist; all das mag Ungeschicklichkeit und mangelndes diplomatisches Gespür gewesen sein. Im besten Fall zeugt es von geringer Sensibilität für Menschen anderen Glaubens. Umso wichtiger wäre nun eine klare Linie, die nicht ausgrenzen soll, sondern vielmehr vor dem Geist der Ausgrenzung bewahren.

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Eine spirituelle und strukturelle Zerreißprobe für die Kirche würde es m.E. jedenfalls darstellen, sollten die Vorstellungen der Piusbruderschaft, wie sie in Schmidbergers Artikel festgehalten sind, den Fahrplan für die ausstehenden Gespräche abgeben:

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"1. Wir bitten als Vorleistung von Rom die öffentliche Rehabilitierung der überlieferten heiligen Messe - dies ist durch das Motuproprio vom 7. Juli 2007 einigermaßen erfüllt worden. Darüber hinaus erbitten wir die Zurücknahme des Exkommunikationsdekrets gegen die vier von Erzbischof Lefebvre geweihten Bischöfe, die nicht aufgrund einer Notsituation in der Bruderschaft, sondern einer Notsituation in der Kirche konsekriert worden sind; eine Notsituation, hervorgerufen durch den im II. Vatikanum triumphierenden Liberalismus und die neue Theologie.

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2. Wir wollen wenigstens die großen Linien bezüglich der Neuausrichtung der Kirche mit den römischen Behörden oder eigens dazu ernannter Theologen offen debattieren, insbesondere den Ökumenismus, die Religionsfreiheit und die Kollegialität. Oder sollen wir in einem rein praktischen Abkommen, wie Kardinal Castrillbn Hoyos es dringend wünscht, die beanstandeten Konzilstexte grundsätzlich anerkennen und beispielsweise mit Hochachtung den Islam betrachten, der in wenigen Jahren in Deutschland die Kirchenglocken durch den Muezzinruf ersetzt haben wird?

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3. Sobald wir über die Grundprinzipien in der Lehre einig sind, einig auf der Grundlage der 2000-jährigen unveränderlichen Lehre, steht die Priesterbruderschaft St. Pius X. in einer ihr verliehenen angemessenen rechtlichen Struktur Papst und Bischöfen für den Wiederaufbau der zerstörten Stadt Gottes mit Freuden zur Verfügung."[9]

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Zumindest ist Schmidberger für ein offenes Spiel ohne faule Kompromisse. Daran, einer nach seinen Plänen wiedererrichteten Stadt Gottes anzugehören, liegt mir aber nichts.

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[1] http://www.fsspx.info/lehre/schriften/zeitbomben.pdf (Zugriff am 5. Februar 2009)

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[2] Besonderen Anstoß erregt der Ausdruck die wahre Kirche Christi sei verwirklicht (subsistit) in der Katholischen Kirche. Für Schmidberger muss diese Ausdrucksweise durch ein eindeutiges Gleichheitszeichen ersetzt werden, um nicht häretisch zu sein.

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[3] Schmidberger: Zeitbomben, 7.

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[4] Ebd. 22.

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[5] Schmidbauer selbst spricht von "Brautnation Gottes". Ebd. 18.

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[6] Ebd 16.

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[7] Ebd 17.

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[8] Ebd 25.

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[9] Ebd. 27f.

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