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"Burning Persons"
(Ansprache des Dekans bei der Promotions- und Sponsionsfeier am 21. Oktober 2006)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2006-10-24

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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"Was würde aus der Welt, wenn es die Ordensleute nicht gäbe?", fragt sich einer der Novizen eines angesehenen Innsbrucker Stiftes in seiner Diplomarbeit. Er zitiert dabei die skandalumwitterte Nonne Teresa von Avila, eine Frau, die von ihren Zeitgenossen den Beinamen "Loca" bekommen hat: "Spinnerin", eine Frau, die vier hundert Jahre später von Papst Paul VI. zum Doctor ecclesiae geadelt, als erste Frau zur Lehrerin der Kirche ernannt wurde. "Die Frau spinnt!" "So etwas darf eine Frau nicht!" So oder auf ähnliche Art und Weise entrüsteten sich die braven Bürgersfrauen der kleinen avilanischen Welt des XVI. Jahrhunderts. Die Frau darf nicht Klöster gründen, die primär nicht zur Versorgung der unverheirateten Frauen bestimmt sind, sondern zur Kontemplation und zum Studium. Klöster, die nicht durch Stiftungen abgesichert sind, sondern sich durch eigener Hände Arbeit durchbringen. Sie darf nicht faszinieren! Ihr Einfluss auf andere junge Frauen, jene Frauen, die durch das Frauenbild der Epoche gelähmt sich scharenweise der "spinnenden Nonne" anschlossen, war enorm. Diese Frauen hielten halt den Spruch "Gott allein ist genug!" für glaubwürdig.

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Der Spruch "Gott allein ist genug!" verbindet die "Loca" (die Spinnerin) mit ihrem nicht weniger spinnenden Zeitgenossen und Landsmann, dem genialen Strategen Ignatius von Loyola, dem das Glaubensbekenntnis "Deus semper maior" (Gott ist immer größer) zur Richtschnur wurde und der berühmt-berüchtigte "Kadavergehorsam" zum Prädikat seines Führungsstils. Sowohl die Gegner als auch die Bewunderer des Jesuitenordens können von dem faszinierenden Text nicht lassen und zitieren ihn immer wieder: "Wir müssen so mit der Katholischen Kirche übereinstimmen, dass wenn sie etwas für schwarz erklärt, was uns dem ersten Anschein nach weiß erscheint, wir dasselbe schwarz nennen müssen."

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Der geniale Stratege Ignatius ist übrigens am 12. März 1622 von Papst Gregor XV. heilig gesprochen worden - ausgerechnet mit Filippo Neri zusammen, jenem Mann, von dem wiederum tradiert wird, er habe zur Zeit, als er das römische Oratorium gründete, die Logik seiner Entscheidungen folgendermaßen beschrieben. "Ich überlege mir immer, was jetzt Ignatius tun würde, und tue dann das Gegenteil." Das Kommunikationsgenie aus Rom, das von der Gehorsamsstrategie nichts hielt, das jeden Besucher umarmte und küsste, von dem gar gesagt wird, die Berührungen mit ihm seien heilsam gewesen (als Papst Klemens VIII. an Gicht erkrankte, wurde Filippo zu ihm gerufen, stundenlang hielt er dessen Hand und als das nichts nützte, stieg der 80-jährige Filippo kurzerhand zum Papst ins Bett, legte sich dem keuchenden Kranken auf die Brust - und der Papst wurde geheilt. War der Schock der Berührung größer als das Gichtleiden?), stellt genauso eine der faszinierenden spirituellen Leadergestalten wie Ignatius und Teresa dar.

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Was würde aus der Welt, wenn es die Ordensleute nicht gäbe, jene "burning persons", jene entflammten Menschen, die potenziellen Heiligen, die meistens auch heilig wurden, obwohl sie alles anders machten als die nächstbesten Heiligen aus ihrer Umgebung? Diese Ordensleute, diese "burnig persons", haben sich allerdings unterschieden von all den heutigen Stars und Sternchen "made in Hollywood", die sich von außen betrachtet scheinbar ähnlich verhalten, sich aber im Grunde nur um sich selber drehen: "Ego semper maior!" "Ich allein ist genug!", schreien uns diese Ikonen der modernen Welt entgegen und verführen die Jugend unserer Zeit.

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Sehr geehrter Herr Rektor, liebe Kandidatinnen und Kandidaten, liebe Verwandte, Bekannte, Freundinnen und Freunde unserer (zum Abschuss freigegebenen) Kanditatinnen und Kandidaten! Sehr geehrte Feinde, sollte es welche im Saal geben! Die Frage "Was würde aus der Welt, wenn es die Ordensleute nicht gäbe", steht im Raum. Ich enge sie zuerst ein: Was würde aus dieser akademischen Feier, wenn es die Ordensleute nicht gäbe? Die Antwort ist einfach: sie wäre halbiert. Acht Kandidatinnen und Kandidaten, darunter drei Ordensmänner und ein männlicher Laie im Bann eines Ordensmannes, schrieb er doch seine Diplomarbeit über die Philosophie des bekanntesten Ordensmannes unserer Fakultät: Karl Rahner. Die aufgrund der Zahl heute gleichgestellten Frauen weisen vorläufig keine Ordensbindungen auf, außer dass sie an einer Fakultät mit einem "Sondercharakter" studiert haben: der Fakultät mit der Bindung an den Jesuitenorden.

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Was also würde aus der Theologischen Fakultät, wenn es die Orden nicht gäbe? Im Kontext unserer Fakultät tummeln sich viele Ordensgemeinschaften. Unter Professoren sind Ordensleute eine große Mehrheit, der Studentenalltag wird durch Jesuiten, Combonis, Wiltener, Redemptoristen, Serviten, Kapuziner, Herz-Jesu-Missionare, Steylerinnen und weiß Gott was alles geprägt... Dem traditionellen Witz gemäß weiß nicht einmal Gott selber, wie viele Orden weiblicher Provenienz in der Welt - warum auch nicht an unserer Fakultät - existieren. Was würde aus der Fakultät, wenn es die "burning persons", die entflammten und entflammenden Menschen in ihren Reihen nicht gäbe? Menschen, die aus dem Glauben, "erwählt" zu sein, studieren und arbeiten, um auf ihre je eigene Art und Weise dem Bekenntnis "Gott allein ist genug!" oder "Deus semper maior!" zur Glaubwürdigkeit zu verhelfen. Würden der Fakultät jene Heiligen fehlen, die der englische Starautor Tony Hendra in seinem Buch "Father Joe" folgendermaßen beschrieben hat, als er über den Ordensmann Joe schrieb und ihn als Heiligen charakterisierte? "Ein Heiliger ist ein Mensch, der die grundlegende menschliche Tugend der Demut praktiziert. Demut im Angesicht von Wohlstand und Überfluss, Hass und Gewalt, Erfolg und Lob, Schwäche und Stärke. Demut aber auch angesichts eigener genialer Begabung, angesichts der Demut eines anderen, angesichts der Liebe, der Leidenschaft und der Schönheit, angesichts von Schmerz, Elend und Tod. Heilige macht die Pracht und der Schrecken der Welt bescheiden, weil sie wissen, dass etwas Göttliches darin wirkt, dass unter der harten, toten Oberfläche der materiellen Welt etwas Lebendiges pulsiert, etwas unvorstellbar Größeres und Reineres, als sie selbst es sind." Was würde aus der Fakultät, wenn es diese Ordensleute nicht gäbe?

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Was würde aus der Welt, wenn es die Kirchen nicht gäbe? Orte, wo Menschen neben all der Hektik und dem Stress unserer Zeit zur Ruhe kommen und vielleicht auch zu jener Demut wieder finden, die den Heiligen eigen ist. "Was, wenn es die Kirchen nicht gäbe?", könnte sich der schon erwähnte Wiltener Novize Michael Oberforcher fragen, nachdem er seine Diplomarbeit geschrieben hat: "Zwischen Klosterleben und Pfarre. Der Pfarrdienst von Ordenspriester in Geschichte und Gegenwart aus dem Blickwinkel des kirchlichen Rechts" (betreut von Kollegen Wilhelm Rees). Was würde aus einer Stadt, wenn es dort nur Passanten, Touristen, Konsumenten, Klienten der Dienst- und Leistungsbetriebe gäbe? In einer Welt, in der Unverbindlichkeit zur Norm wird, scheint die "Citykirche" die Chance eines Halms zu geben, an dem sich die Menschen Richtung Himmel emporschwingen und auch die Bodenständigkeit, die Humilitas, lernen können. Frau Eva Brenn sucht in ihrer Diplomarbeit (betreut von Kollegin Anna Findl-Ludescher und Kollegen Franz Weber) nach Möglichkeiten, Heimat zu finden durch Kirchengebäude und wagt gar von den "Ahnungen des Himmels" auf Erden zu sprechen. Der Prototyp einer frustrierten Theologin ist ihr - und allen unseren Kandidatinnen und Kandidaten - fremd, wissen sie doch mit Thomas Morus: "Es gibt keinen Kummer auf Erden, den der Himmel nicht heilen kann."

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Seit Jahrtausenden - und dies weltweit - verhindert ja zuerst der Himmel den Kummer, indem er für einen zivilisierten Umgang der Menschen untereinander sorgt. In der medial strukturierten Kultur des entfesselten Begehrens, in einer Kultur, in der Gebote und Verbote klischeeartig diffamiert werden und das Gesetz zum Instrument gnadenloser Verfolgung egoistischer Interessen degradiert wird, bleiben die Verteidigung der Rechtskultur und die Rehabilitierung des Rechtsdenkens eine der entscheidenden kulturpolitischen Aufgaben. Der Jesuitenfrater Dominik Markl bringt in seiner Dissertation "Der Dekalog als Verfassung des Gottesvolkes" (betreut von Jesuitenpater Georg Fischer) den akribisch verfassten Nachweis dafür, dass der Dekalog (im Volksmund: die 10 Gebote) zu Recht den Rang eines kulturellen Grundgesetzes haben muss. Der Text ragt wie ein Berggipfel aus den Niederungen menschlicher Kulturlandschaft heraus. Atemberaubend und Atem raubend. Anstrengung fordernd, aber eben auch das menschliche Leben regulierend. Wie der höchste Berggipfel hat er eine Orientierungsfunktion. Was würde aus der Welt, wenn es den Dekalog nicht gäbe? Würde sie zu einem Ort verkommen, an dem die "grauen Herren" den Menschen gar ihre Zeit stehlen und die "Zeitzigarren" emotionslos rauchen? So könnte Frau Caroline Murauer fragen, nachdem sie (betreut von Kollegen Christian Kanzian) ihre Diplomarbeit geschrieben hat: "Das Buch ‚Momo' von Michael Ende - Kannte er die aktuelle Debatte über die Zeit?" und dabei auch den Reichtum eines Augustinus (seinerseits wiederum Ordensvater) neu entdeckte. Und auch Frau Angelika Mayr könnte sich in die Reihe der Fragenden stellen und fragen: Was würde aus dem Menschen, wenn es nur Kampf und Gewalt, Mord und Selbstmord und nur den Tod gäbe...? Und keine Liebe! "Ja Jonathan, ich sehe das Licht, ich sehe das Licht! Zur Darstellung und religionspädagogischen Bedeutung der Todesthematik in Astrid Lindgrens ‚Die Brüder Löwenherz'" (Diplomarbeit betreut von den Kollegen Drexler und Scharer). Was würde aus dem Menschen? Aus seinem Appetit? ‚Appetitus bonum' haben die Philosophen jedem Seienden zugeschrieben. Was würde aus dem Appetit, wenn er nicht verwiesen wäre auf etwas Größeres? Marco Russo weiß, dass Karl Rahner das jesuitische "Deus semper maior" immer in seinem Hinterkopf hat, deswegen auch zu einer atemberaubenden Vision des Menschen gelangen kann: "Der Mensch als Ereignis der Selbstmitteilung Gottes", eine solche Wahrheit ragt aus den Bergen (diesmal der anthropologischen Landschaft) wie der Mount Everest heraus (Diplomarbeit "Der Mensch als Wesen der Transzendenz. Streifzug durch die Religionsphilosophie Karl Rahners", betreut von Kollegen Christian Kanzian).

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Sehr geehrte Damen und Herren! Martin Luther wollte den Papst nicht nur auf Händen tragen, sondern ihm gar die Füße küssen, wenn es der Kirche gelänge, dem Glauben, dass wir allein aus Gnade und im Glauben an die Heilstat Christi gerechtfertigt werden, zur Plausibilität zu verhelfen, damit der verdammte Zwang zur Selbstrechtfertigung so ein Ende finde. Frau Elisabeth Betz geht in ihrer Diplomarbeit (betreut von Kollegin Silvia Hell) dem Weg der Annäherung der Kirchen in dieser Frage nach: "Die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Vielversprechender Konsens oder Ausverkauf der eigenen Identität?" Und ich frage mich: Wem würde Luther heute die Füße küssen wollen angesichts der Selbstinszenierungsorgie und des noch stärker gewordenen Zwangs zur Selbstbehauptung, auch der Selbstbehauptung vor sich selber? Den Ordensleuten etwa? Den "burnig persons" für einen deutlichen Gegentrend in der gegenwärtigen popular culture?

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Sicher würde er vor Gott seinen Kopf neigen, vor jenem Gott, den wir alle im Spannungsverhältnis von Nähe und Distanz wahrnehmen. Frau Helga Johanna Eisl hat in ihrer Diplomarbeit (betreut von Kollegen Andreas Vonach) die alttestamentlichen Theophanien und die Tempelfrömmigkeit verglichen und ist den Texten über den "Gott zum Greifen nahe" und dem transzendenten Gott nachgegangen. Indirekt hat also auch sie jene biblische Logik analysiert, die im Glaubenssatz des Thomas Morus mündet: "Es gibt keinen Kummer auf Erden, den der Himmel nicht heilen kann." Den radikalsten Weg der Heilung finden wir im Kontext der Dissertation des kroatischen Jesuitenpaters Niko Bilic (betreut von seinem vorarlbergischen Mitbruder Pater Georg Fischer). "Jerusalem und die Völker in Sacharija 12-14. Text, Kontext und Theologie". Pater Bilic wollte diesen Text zum Gegenstand seiner Untersuchung machen, weil der Text im Johannesevangelium mit Christus in Verbindung gebracht und liturgisch auch mit der Herz-Jesu-Frömmigkeit assoziiert wird. Im Zentrum des Textes steht der Satz, den Bilic als Schlüssel zum Gottesbild von Sacharija erblickt: "Sie werden auf mich schauen, den sie durchbohrt haben." Durchbohrung Jahwes - "Gott selber ist es, der bis in den Tod hinein mit uns solidarisch sein will" -, der radikalste Weg der Heilung unserer Nöte. Was würde aus der Welt, wenn es diesen Text und diesen Weg nicht gäbe?

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Liebe Kandidatinnen und Kandidaten, ich gratuliere Ihnen zum Abschluss des Studiums und beglückwünsche Sie zum Feuer, das in Ihnen brennt. Bleiben sie "burning persons", entflammen sie andere für die Logik jener Heiligen, die die Pracht und der Schrecken der Welt bescheiden macht, weil sie wissen, dass der menschgewordene Gott in dieser Welt wirkt. Meine Damen und Herren! Mit Teresa von Avila habe ich begonnen, mit Teresa von Avila will ich auch schließen. "Wann Fasten dann Fasten, wann Brathuhn dann Brathuhn!" Damit die Zeit des Fastens durch diese akademische Feier nicht allzu lange gedehnt wird, schreiten wir in der liturgischen Abfolge fort..., damit Sie doch nicht allzu spät zu ihrem Brathuhn kommen.

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