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Begegnungsförderndes und Gewalt minderndes Potenzial?
(Das Modell der Themenzentrierten Interaktion nach Ruth C. Cohn als Gegenstand und Grundlage wissenschaftlicher Forschung)

Autor:Drexler Christoph
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2007-09-13

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Seit November 2006 arbeiten unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Matthias Scharer Wissenschaftler/innen der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck an einem (vorerst auf ein Jahr anberaumten) Forschungsprojekt mit dem Titel: Gewalt mindernd, weil Begegnung fördernd? Eine kritische Untersuchung zur gesellschaftspolitischen Relevanz der Themenzentrierten Interaktion nach Ruth C. Cohn (TZI) im Hinblick auf gegenwärtige Konfliktfelder und deren Gewaltpotenzial. Der spezifische Charakter dieses Projekts zeigt sich nicht zuletzt darin, dass TZI in Haltung und Methode dabei gleichermaßen Gegenstand theoretischer Auseinandersetzung bzw. kritischer Reflexion wie Grundlage für die Wahl der jeweils angemessenen Arbeitsweise bzw. Methodologie ist. Im vorliegenden Beitrag soll entlang der zentralen Hypothesen ein kleiner Einblick in die aktuelle Forschungsarbeit geboten werden.

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Von und über Ruth C. Cohn veröffentlichte Abhandlungen, Gespräche und Interviews etc. lassen sich nicht zuletzt dadurch charakterisieren, dass Ruth Cohn, Jüdin und Holocaust-Flüchtling, ihre Arbeit vielfach und mit geradezu entwaffnender Selbstverständlichkeit in den Horizont der Frage rückt, auf welche Weise ungerechte, menschenverachtende und lebensfeindliche Ereignisse oder Vorgänge vermieden bzw. entsprechende Gegebenheiten verändert werden können. Dies bildet die Basis für eine erste zentrale Hypothese: In Ruth Cohns (ursprünglichem) Konzept der TZI besitzt der gesellschaftspolitische Anspruch, Gewalt zu mindern, indem Begegnungen gefördert werden, einen hohen, wenn nicht den zentralen Stellenwert. Da sich in ihren Schriften dazu aber kaum Ansatzpunkte einer systematischen Darlegung dieser Zusammenhänge finden, liegt einer der Schwerpunkte der Forschungsarbeit darin, das gesellschaftspolitische Anliegen Ruth Cohns möglichst exakt herauszuarbeiten und den gegebenenfalls damit einhergehenden Anspruch an das von ihr geschaffene Modell im Detail zu explizieren.

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Ein erster Befund bestätigt, dass die Entwicklung des TZI-Modells eng und untrennbar mit Ruth Cohns beruflichem Werdegang sowie dem bereits angedeuteten biografischen Hintergrund verbunden ist. In der Absicht, die Untersuchung des gesellschaftspolitischen Potenzials der TZI aus dem unmittelbaren beruflichen und biografischen Kontext bei Ruth Cohn ein Stück weit herauszulösen und somit der inzwischen faktisch bestehenden Vielfalt von TZI-Arbeit zumindest ansatzweise gerecht zu werden, wird zum einen einschlägige TZI-Literatur von weiteren Autor/inn/en herangezogen, und zum anderen werden – auf dem Weg qualitativ-empirischer Forschung – Erfahrungen, Meinungen und Einschätzungen sowohl von TZI-Lehrenden als auch von TZI-Ausbildungskandidat/inn/en erhoben und ausgewertet.

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Konkret bedeutet dies: Um den gegenwärtigen Stellenwert gesellschaftspolitischen Denkens und Handelns im Konzept der TZI sowie in der Arbeit nach diesem Modell zu untersuchen, wurden problemzentrierte Interviews mit Graduierten sowie eine Diskussion im Rahmen eines Peergruppentreffens durchgeführt und aufgezeichnet. Eine detaillierte Auswertung des auf diese Weise erhobenen Materials bildet unter anderem die Basis für die Überprüfung der zweiten Hypothese: Im aktuellen und vergangenen TZI-Kursgeschehen spiegelt sich die Tendenz wider, dass zwar intensiv an persönlich und gruppendynamisch orientierten Themen gearbeitet wird, dass aber eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Fragen und Zusammenhängen – auch solchen, die offensichtlich persönliche und gruppenspezifische Problematiken bestimmen und bedingen – weitgehend unterlassen wird.

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Beide somit genannten Aspekte der Studie münden schließlich in die – für diesen Kontext entscheidende – Frage, ob das Modell der TZI für den gezielten Einsatz in konflikt- bzw. gewaltträchtigen gesellschaftlichen Konstellationen geeignet ist bzw. welche Modifikationen – seien es Weiterentwicklungen, Korrektur von Fehlentwicklungen oder die Rückbesinnung auf Ursprüngliches – diese Eignung herbeiführen können.

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Wie vor allem die Diskussionen anlässlich der Präsentation des Forschungsprojekts im Rahmen des Internationalen TZI-Fachkongresses im Frühjahr 2007 zeigten, scheint die Fragestellung dafür prädestiniert, zur persönlichen Stellungnahme herauszufordern. Mit anderen Worten: Das Thema lässt kaum jemanden „kalt“, und die Bandbreite der Reaktionen erstreckt sich von begeisterter Zustimmung angesichts der Tatsache, dass TZI damit dezidiert Gegenstand akademischer Forschung wird, über die Qualifizierung der Thematik als einer einseitigen Überbewertung des gesellschaftspolitischen Aspekts bis hin zu der kritischen Frage nach dem spezifischen Mehrwert des Einsatzes von TZI in Arbeitsfeldern, in denen gewaltanfällige Situationen an der Tagesordnung sind. Darüber hinaus gab es bereits einige Anfragen von Personen, die bisher keine oder kaum Berührungspunkte mit TZI hatten, hinsichtlich der Möglichkeit, aufgrund der zu erwartenden Forschungsergebnisse in spezifischen Konfliktfeldern entsprechende Interventionen zu tätigen. Dies verpflichtet nicht nur in verstärktem Maße dazu, die bisher geleistete Forschungsarbeit sorgfältig weiterzuführen, sondern ermutigt auch, sie gegebenenfalls – unter der Voraussetzung, dass die entsprechenden finanziellen Mittel bereitgestellt werden können – zu vertiefen bzw. auf mehrere Jahre auszudehnen.

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