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Universität: ein privilegierter, Theologie generierender Ort?

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:Diakonia: Internationale Zeitschrift für die Praxis der Kirche 34(203)92-94.
Datum:2004-01-29

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Die normative Seite der Problematik kann in fast jedem propädeutischen Handbuch nachgelesen werden. Weil der erlösenden Wahrheit verpflichtet, leistet die Theologie einen unverzichtbaren Beitrag zum interdisziplinären Gespräch von akademischen Disziplinen und bleibt deshalb ein Anwalt des Humanum. Sie ist auf doppelte Weise in eine Gemeinschaft eingebunden; das "Wir", dem sich die TheologInnen ausgesetzt wissen, muss demnach zweifach beschrieben werden: Das Standbein der "Kirchlichkeit" garantiert die Verbindung zur communio fidelium, jenes der "Wissenschaftlichkeit" zur scientific community. Die kreativen Spannungen zwischen beiden Gemeinschaften sind eine ihrer Inspirationsquellen. Als Grenzgänger, als Menschen des Glaubens und der kritischen Reflexion, waren akademische TheologInnen jahrhundertelang Stolper- und Ecksteine beider Gemeinschaften: Sie wussten sich dem jeweiligen "Wir" ausgesetzt, trugen aber Entscheidendes zu deren Konstituierung bei. Die gegenwärtige Praxis zeigt jedoch deutlich: Die Kluft zwischen dem Selbstanspruch und der faktischen Bedeutung der universitären Theologie kann kaum größer sein.

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Jahrelang fokussierte sich unsere Aufmerksamkeit auf eine "ungute" Art und Weise auf das kirchliche Standbein. Konflikte um die kirchliche Lehrerlaubnis wurden von uns - den Theologen - eindeutig als Erweis für die Tatsache gedeutet, dass die akademische Theologie im Würgegriff des Lehramtes erstickt. Die Loslösung von der Kirche und die Annäherung der Theologie an die Religionswissenschaft schien für viele KollegInnen die beste Garantie für die Zukunft ihres Faches zu sein: Ohne Wenn und Aber sollte sich die Theologie nur noch mit der "scientific community" vermählen und ihrem Wissenschaftsethos unterwerfen. "Communio fidelium" sollte mit der gebildeten liberalen Öffentlichkeit verschmelzen. Die Erfahrungen mit der gegenwärtigen hochschulpolitischen Reform in Richtung einer vollen Autonomie der Universität in Österreich haben mich aber verblüfft und eines Besseren belehrt. Bei den politisch relevanten Diskussionen war nämlich uns allen, die wir als TheologInnen an den Universitäten arbeiten, der rettende Rückgriff auf das Konkordat mit dem Apostolischen Stuhl bedeutungsvoll geworden. Die Erkenntnis, die ich v.a. in der Mitarbeit beim akademischen Senat gewonnen habe, ist sehr bitter. Der Wissenschaftsethos kapituliert vor der Macht des Marktes! Die basisdemokratisch orientierte Reformarbeit der gebildeten liberalen Öffentlichkeit und die Rhetorik der Autonomie können die Macht des Starken sogar leichter verschleiern als die klassische Bindung an die Institutionen (inkl. der kirchlichen Institution). Wo ist aber dann die communio fidelium der akademischen Theologie zu finden und welche Bedeutung hat sie noch?

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Mit Erschrecken nimmt sie ihre zunehmende Bedeutungslosigkeit in der scientific community wahr. Der Befund hat zuerst etwas mit der Religiosität in dieser Szene zu tun. Die Bastelmentalität in Sachen Religion macht auch vor den Universitäten nicht Halt. Auch dort ist die Meinung: "Was Gott, Religion und das Heilige sind, das entscheide allein ich und sonst niemand!" längst zum Grunddogma geworden. Das Bekenntnis zu einer rein subjektivistischen Religiosität macht aber die Theologie geradezu obsolet. Wenn jeder glauben kann was er will, wozu dann die intersubjektiv überprüfbare - teures Steuergeld kostende - Theologie? Wozu sich um begriffliche Strenge bemühen? Auf dem medial strukturierten Markt der weltanschaulichen Angebote sind ja inzwischen Hellseher, Wahrsager, Möchtegern-Mystiker, Esoteriker, kirchliche Würdenträger, akademisch gebildete und akademisch ausbildende Theologen austauschbar geworden. So paradox es auch klingen mag, gerade im universitären Kontext spitzt sich das Schwerpunktthema des Heftes "Jede/r kann Theologe/in sein" zu und weist auf die Nuance hin, die alles andere als unproblematisch ist. Der Beliebigkeit muss entgegengesteuert werden. Und wodurch? Die "communio fidelium" der liberalen Öffentlichkeit braucht die ständige Konfrontation mit der "communio fidelium" einer Glaubensgemeinschaft, die einen normativen Anspruch erhebt und diesen auch rational zu verantworten versucht.

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Auf diesem Hintergrund ist für die akademische Theologie eine Rückbesinnung auf ihre beiden Standbeine notwendig. Ihre kirchliche Bindung erschöpft sich ja nicht in der Konkordatsfrage; sie weist zuerst auf das für die Theologie notwendige "Wir" hin. So paradox es auch klingen mag: Gerade eine klar definierte religiöse Institution kann im Kontext der alles beherrschenden Marktlogik zur Entgrenzung von Gruppen und Gemeinschaften beitragen; die Bindung kann deshalb auch als Kritik (im Sinn der Förderung und Forderung) an beliebigen individuellen Ansprüchen gesehen werden. Diese haben sich gegenüber einer großen und langen Tradition zu bewähren. Die Bewährung hat aber etwas mit der Wahrheitsfrage zu tun! Die Wahrheit darf gerade heute nicht den Fundamentalisten überlassen werden, sondern muss kommunikativ (gerade an der Universität) neu zur Diskussion gestellt werden.

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Solche Überlegungen sind zum Teil das Ergebnis der kommunikativen Prozesse, die in den letzten Jahren an der Theologischen Fakultät Innsbruck stattgefunden haben, zum Teil stellen sie deren Motivation dar. In mehreren Klausuren hat sich die Fakultät gemeinsam ein klares Profil und eine neue Struktur gegeben. Diese fördert den interdisziplinären Austausch und verbannt den Einzelwissenschaftler, der "klassisch isoliert" seine Forschungen betreibt, an den Rand des akademischen Geschehens. Das Profil zielt auf eine klare katholische Identität (also Kirchenbindung) mit der denkbar größten Dialogbereitschaft hin. Die ersten strukturellen Schritte der Verwirklichung stellt die Entwicklung neuer Studienpläne dar, bei denen interdisziplinäre Veranstaltungen, eine von der gesamten Fakultät getragene Studieneingans-phase und andere Fakultätsmodule im Vordergrund stehen. Hinzu kommt das geplante Bakkalaureatsstudium, das bewusst Studierende anderer Fakultäten zum Kurzstudium der Theologie animieren will. Nicht zu vergessen ist die Konzeption und die Durchführung eines postgraduierten Lehrgangs "Kommunikative Theologie", bei dem das Ernstnehmen jedes Subjektes (mit seinen Ängsten und Hoffnungen) zum methodischen Grundsatz gemacht wurde und bei dem Lehren und Lernen sich wechselseitig ergänzen. Schlussendlich ist auch die gezielte Profilierung des Forschungsschwerpuntktes "Religion-Gewalt-Kommunikation-Weltordung" zu nennen, an dem MitarbeiterInnen der vier (von fünf) Institute(n) der Fakultät im intensiven Austauschprozess eingebunden sind und im Verlauf der letzten Jahre in mühsamen und konfliktreichen Diskussionen bereits vier gemeinsame Positionspapiere zu brisanten gesellschaftspolitischen Fragen erarbeitet haben. Die konkreten Erfahrungen der an der Fakultät gemachten Interdisziplinarität führten dazu, dass die Gruppe sich nun (erfolgreich) um eine universitätsweite Ausweitung des Programms bemüht.

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Was habe ich aber selber aus diesen Erfahrungen der letzten Jahre im Hinblick auf die gestellte Frage gelernt? Begreift man das Theologietreiben als problemlose Theorien- und Bücherproduktion, so wird man die gegenwärtigen Sachzwänge und auch die Maßnahmen, die den Fakultäten aufgezwungen wurden, als Beweis dafür werten, dass die Universität aufgehört hat, ein privilegierter Ort des Theologietreibens zu sein. Sie bleibt es aber weiterhin, wenn man an ihr paradigmatisch jene Konfrontationen führt, die für unsere gesamte Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sind. So altertümlich die Formulierung auch klingen mag: Es ist immer noch die Konfrontation mit den Fragen: Gott oder Götze? Wahrheit oder Beliebigkeit? Gewaltfrei oder mit Gewalt?

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