Kapitel 5 | |
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E. Willensmängel
– Irrtum |
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F. Ungerechtfertigte
Bereicherung |
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Den
Kondiktionen und Verwendungsansprüchen kommt als subsidiären Auffangtatbeständen
die Aufgabe zu, ungerechtfertigte Bereicherungen iSv rechtsgrundlosen
Vermögensverlagerungen auszugleichen oder rückgängig zu machen.
– Es handelt sich um ein Instrument der ausgleichenden Gerechtigkeit → KAPITEL 18: Austeilende
und ausgleichende Gerechtigkeit. | Korrektur rechtsgrundloser Vermögensverlagerung |
Abzulehnen ist
es, in fragwürdiger Spurenfolge der deutschen Bereicherungsdogmatik,
die von ganz anderen Voraussetzungen auszugehen hat ( → ABGB,
frCode Civil und dtBGB),
auch das österreichische Privatrecht mit einem komplizierten Wust
bereicherungsrechtlicher Probleme zu überziehen. Verkomplizierung
ist keine wissenschaftliche Leistung. Hier wurde schon großer Schaden
angerichtet. Einfachheit sollte dagegen ein Rechtswert sein, den
vor allem künftiges europäisches Privatrecht benötigt. Dazu kommt,
dass nicht dogmatisch-juristische Selbstgefälligkeit ein künftiges
österreichisches oder europäisches Privatrecht leiten sollte, sondern
der Anspruch, auch in Zukunft nicht auf spürbare Gerechtigkeitsumsetzung
und Verständlichkeit verzichten zu wollen. | ABGB ernst nehmen! |
Kondiktionen
(condictiones) sind Rückforderungsklagen / -ansprüche, die das römische
Recht entwickelt hat, wenn ein Vermögenswert ohne Rechtsgrund (causa)
in fremdes Vermögen gelangt ist. | Rückforderungsklagen |
Diese Klagen sind auf Rückstellung
des grundlos Empfangenen gerichtet, was mehr oder weniger sein kann
als der beim Empfänger noch vorhandene Wert: Dennn das ABGB ordnet
an, dass der redliche Empfänger (§§ 329: in Rücksicht auf die Substanz
der Sache, § 330: der Nutzungen,
§ 331f: des Aufwandes) weniger als der unredliche (§ 335 ABGB) herauszugeben
hat; vgl auch
§ 1437 ABGB. | Anwendung
der Besitzregeln |
Diese einfachen Grundgedanken des ABGB wurden
im Schrifttum gedehnt und gestreckt; vgl das sog Ohla- Urteil (JBl
1969, 272 ff) und dazu F. Bydlinski, Zum Bereicherungsanspruch gegen
den Unredlichen, JBl 1969, 252 ff. | |
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GlU 3065 (1868): Mann schenkte
seiner Frau ante nuptias eine Stute und
verlangt diese und die mittlerweile geworfenen Fohlen (2
wurden schon verkauft, 2 sind noch bei der Frau) bzw deren Wert
nach Rückgängigmachung/Annulierung der Ehe heraus. – OGH: Frau muss
wegen Redlichkeit nur die Stute, nicht aber die verkauften sowie
die noch bei ihr befindlichen Fohlen herausgeben. Hier ist § 338
ABGB, wonach der redliche Besitzer durch die zugestellte Klage in
einen unredlichen verwandelt wird, nicht anzuwenden. Und nach §
335 ABGB kommen Nutzungen und Früchte der geschenkten Sache dem
Beschenkten zu Statten, er wäre denn unredlicher Besitzer. | |
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Die
nützliche Verwendung / versio in rem, die im ABGB nicht zufällig
im Anschluss an die GoA behandelt wird, stellt eine Ergänzung der
GoA-Regeln dar; und zwar für jenen Fall, dass eine Sache ohne Geschäftsführung(sabsicht)
zum Nutzen eines anderen verwendet wird. | Nützliche Verwendung – Ergänzung der GoA-Regeln |
Kondiktionen und Verwendungsansprüche haben an und für sich
nichts miteinander zu tun, werden aber häufig gemeinsam behandelt.
F. Gschnitzer, der dabei A. Ehrenzweig folgt, behandelt dagegen noch,
durchaus konsequent, beide Rechtsinstitute getrennt. Zu den Kondiktionen
merkt er an (vgl F. Gschnitzer, SchRBesT unter Rückgriff auf A.
Ehrenzweig): | |
„Wir haben also Klagen aus grundloser Leistung
vor uns und nicht Bereicherungsklagen, wie man üblicherweise sagt.
Der Ton liegt nicht auf Bereicherung, sondern auf ungerechtfertigt.” | |
1. Zur Funktion
der Kondiktionen | |
Wir
werden Fälle behandeln, wo ein zunächst (scheinbar) gültig geschlossener
Vertrag wegen eines Mangels in der Wurzel (des Titelgeschäfts) –
zB eines Irrtums oder Formmangels – oder eines Mangels in der Abwicklung
(zB Rücktritt des Gläubigers bei Schuldnerverzug oder Wandlung im Rahmen
der Gewährleistung) wegfällt. Oft sind aber in solchen Fällen zwischen
den Vertragsparteien bereits Leistungen ausgetauscht worden, die
mit dem Wegfall des Vertrags (Titelgeschäfts) rechtlich buchstäblich
in der Luft hängen. § 877 ABGB ordnet daher – für die Mängel in
der Wurzel – an, dass derjenige, der einen Vertrag aufheben will,
„auch alles zurückzustellen [hat], was er durch einen solchen Vertrag
zu seinem Vorteil erhalten hat.” Und § 1435 ABGB gewährt – um allfällige
Ungerechtigkeiten auszuschalten – dem jeweiligen Leistungserbringer
ein Rückforderungsrecht, „wenn der rechtliche Grund [für den Vertragspartner],
sie [sc die geleisteten Sachen] zu behalten, aufgehört hat.” Vgl
auch § 921 ABGB, dessen zweiter Satz bestimmt, dass empfangenes Entgelt
auf solche Art zurückzustellen oder zu vergüten ist, „dass kein
Teil aus dem Schaden des anderen Gewinn zieht”. – In diesen Fällen
liegt eine sog Leistungskondiktion ( → Die
Leistungskondiktionen)
wegen nachträglichen Wegfalls des Rechtsgrundes vor. Dazu gleich
mehr. | |
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Wenn, wie in unserem
Beispiel ( → § 867 ABGB: Vertragsschlüsse mit der
öffentlichen Hand – Zur Geschäftsfähigkeit von Gemeinden: SZ 61/241), ein Vertragspartner „leer
ausgehen” würde – hier die Baufirma, weil sich der Vertrag, auf
den er sich stützen könnte, nachträglich als ungültig herausstellt,
gewährt das Gesetz „Hilfe” durch unser Rechtsinstitut. Denn es wäre
„ungerechtfertigt”, dass die Gemeinde ihren Kanal gratis bekommt,
nur weil ihr Vertragspartner keine Kenntnis von der in der Slbg
GemeindeO vorgesehenen Formvorschrift für Verträge mit Gemeinden
besaß und ihn die Gemeinde auch nicht darauf hingewiesen hat. –
Auf diesen Fall wendet der OGH freilich den Verwendungsanspruch
des § 1042 ABGB an ( → Verwendungsansprüche)
und beseitigt dadurch die drohende Ungerechtigkeit gegenüber dem
Bauunternehmer. – Vgl aber auch die folgenden Beispiele. | |
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EvBl 1994/135: Drittschadensliquidation des
Lohnfortzahlungsschadens eines Arbeitgebers bei Verletzung seines
Arbeitnehmers durch einen Dritten → Drittschadensliquidation
des Arbeitgebers bei einem Lohnfortzahlungsschaden Zu
den Drittschäden → KAPITEL 9: Drittschäden. | |
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II. Begriffe / Terminologie | |
Man spricht einerseits: | |
• vom Bereicherten,
dem Kondiktionsschuldner und andrerseits | |
• vom Entreicherten oder Verkürzten,
dem Kondiktionsgläubiger. | |
III. Verschulden?
– Verjährung | |
Kondiktionsansprüche setzen – anders als Schadenersatzansprüche
– weder Verschulden (des Bereicherten), noch einen Schaden voraus;
vgl SZ 58/104 (1985) oder 68/116 (1995). | |
Kondiktionsansprüche verjähren zudem
grundsätzlich erst in 30 Jahren. Handelt es sich
allerdings um (Bereicherungs)Ansprüche aus sog „zweckverfehlender
Arbeitsleistung” iSd § 1152 ABGB ( → Zweckverfehlende
Arbeitsleistungen – Hausbau von Lebensgefährten:
SZ 53/20) wendet die Rspr darauf die 3-jährige Verjährungsfrist
des § 1486 Z 5 ABGB an. | |
IV. Die
Kondiktionstypen des ABGB | |
Das
ABGB kennt Leistungskondiktionen und Ausgleichsansprüche;
neben den §§ 1431–1437 ABGB (Zahlung einer Nichtschuld), insbesondere
noch die §§ 1041 ff ABGB (Verwendung einer Sache zum Nutzen eines
andern): sog Verwendungsansprüche, die das römische Recht versio
in rem nannte. Daher auch die Bezeichnung Versionsklage. | |
Zu unterscheiden sind danach zwei Typen von
Ausgleichsansprüchen: • einerseits
die (Leistungs)Kondiktionen der §§ 1431 ff ABGB
und | | •
andrerseits die Verwendungsansprüche:
§§ 1041, 1042 ABGB. | |
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V. Die
Leistungskondiktionen | |
Sie
gehen tatbestandsmäßig von einer Leistung – iS einer gewollten
und bewussten (Vermögens)Zuwendung – des idF Verkürzten
an den dadurch ungerechtfertigt Bereicherten aus → Leistungskondiktionen
– Überblick:
Überblick. – Die zu einer ungewollten Vermögensverschiebung führende
Leistung des Verkürzten kann idF kondiziert, dh – unter bestimmten
vom Gesetz umschriebenen Voraussetzungen – zurückgefordert werden;
vgl die oben angeführte E GlU 3065: Schenkung einer Stute. Die §§
1431 ff ABGB formulieren die Voraussetzungen unter denen dies möglich
ist. | |
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Bei den Leistungskondiktionen
und überhaupt im Bereicherungsrecht geht es – und das ist wichtig zu
verstehen – nicht darum, rechtsgeschäftliche Erklärungen oder vertragliche
Vereinbarungen zu modifizieren oder zu korrigieren, wenn diese unvorteilhaft
oder gar ungerecht erscheinen. Ein zwischen den Parteien bestehender
Vertrag stellt vielmehr grundsätzlich – wie wir schon wissen – einen
gültigen Rechtsgrund dar, der nicht ohne weiteres aus den Angeln
gehoben werden kann. Er bleibt auch dann gültig, wenn er unvorteilhaft
für einen Vertragsteil ist, solange nicht bestimmte Anfechtungsgründe
greifen – sei es Drohung oder List, Irrtum oder Wucher (als Mängel
in der Wurzel) oder ein Rücktritt beim Schuldnerverzug oder eine
Wandlung bei einem Gewährleistungsmangel, welche ebenfalls die vertraglichen
Grundlagen (rückwirkend) beseitigen. Mehr zur Subsidiarität unseres
Rechtsinstituts → Subsidiarität
der Kondiktionen
| Leistungskondiktionen korrigieren
nicht vertragliche Vereinbarungen |
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Das Bereicherungsrecht
„greift” also erst dann ein, wenn der ursprünglich bestehende Rechtsgrund –
im Regelfall ein Vertrag – weggefallen ist oder überhaupt ein solcher
nie wirklich bestanden hat oder entstanden ist; vgl § 1431 ABGB:
Irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld. – Nur dann kann die von einem
Vertragsteil erbrachte Leistung kondiziert, dh als ungerechtfertigte
Vermögenszuwendung / Bereicherung zurückgefordert werden. Und zwar
grundsätzlich in Natur, also zB das geleistete Auto, und nur bei
Unmöglichkeit der Naturalrestitution als Wertausgleich. | Grundsätzlich
ist „in Natur“ zurückzustellen |
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Anders als die
Leistungskondiktionen gewähren die Verwendungsansprüche der §§ 1041
ff ABGB dann einen Ausgleich, wenn die ungerechtfertigte Vermögensverschiebung
oder -zuwendung nicht durch eine bewusste oder gewollte
Leistung des Verkürzten, sondern auf andere Weise bewirkt wurde,
und zwar durch: •
(schlichte) Verwendung
einer Sache zum Nutzen eines andern (§ 1041 ABGB, sog Verwendungsklage)
oder | | •
dass jemand einen Aufwand getätigt
hat, den eigentlich ein anderer hätte machen müssen; § 1042 ABGB. | |
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Ein Verwendungsanspruch setzt demnach voraus, dass ein Nichtberechtigter Vorteile aus
der Verwendung einer Sache gezogen hat, die ihm rechtlich nicht
zustehen; vgl EvBl 2003/180. | |
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Als Rechtsfolge statuiert
das Gesetz bei Verwendungsansprüchen: | Rechtsfolge |
•
die Herausgabe
der (ohne Rechtsgrund) verwendeten Sache;
§ 1041, 1. HalbS ABGB oder | |
•
wenn
eine Herausgabe nicht (mehr) möglich ist, kann Wert-
oder Aufwandersatz verlangt werden; § 1041, 2.
HalbS ABGB und § 1042 ABGB. – Wertersatz für einen unzulässigen Gebrauch
wird durch ein Benützungsentgelt geleistet. | |
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JBl 1999, 458: Verwendungsanspruch
wegen rechtsgrundloser (Sonder)Nutzung
von öffentlichem Grund – hier: Straßenflächen der Stadt Linz –
im Rahmen eines Bauvorhabens. Wie dieser Fall zeigt, kann ein Benützungsentgelt
auch neben der ersten Alternative (Herausgabe der Sache) verlangt
werden. | |
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Die grundsätzliche Unterscheidung
zwischen Leistungskondiktionen (, die von einer gewollten/bewussten
Vermögenszuwendung des Verkürzten ausgehen) und Verwendungsansprüchen,
die den „Rest” erfassen sollen, wird von der Praxis oft so verschliffen,
dass ein Unterschied kaum mehr feststellbar ist. | Leistungskondiktionen versus
Verwendungsansprüche |
So geschehen
im Eingangsbeispiel (SZ 61/241), wo die Leistung
der Baufirma zunächst durchaus als gewollte und bewusste Zuwendung
(im Rahmen einer vermeintlichen Vertragserfüllung) erfolgt ist und
der OGH dennoch § 1042 ABGB anwendet, weil § 1432 ABGB einen Kondiktionsausschluss
für formungültige Schulden statuiert. Korrekter wäre es (gewesen),
§1432 zu korrigieren, dh teleologisch zu reduzieren! | |
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SZ 24/59 (1951): Erhaltungspflicht
einer Brücke über einen Fluss trifft mehrere. Der
Kläger begehrt von der Beklagten den Ersatz des von ihm getätigten
Aufwands. | |
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OGH 28. 5. 2002, 4 Ob 114/02x, EvBl 2002/180:
Hauseigentümer will umbauen und stützt Haus mit einem Gerüst ab,
damit es im Zuge der Umbauarbeiten durch das Entfernen tragender
Teile nicht einstürzt. IdF kommt es zur Zwangsversteigerung des
Hauses. Zwei Jahre später verlangt der ehemalige Eigentümer 71.000
S aus § 1041 ABGB, da die Ersteigerer das Gerüst zum eigenen Vorteil
verwendet hätten. Tatsächlich aber hatten diese das Haus bereits
abgerissen (und anschließend das Gerüst zurückgestellt), was auf
Grund der Rücksichtnahme auf das Gerüst mit höheren Kosten war.
– OGH: Ein Verwendungsanspruch steht nur dann zu, wenn und soweit
ein Nichtberechtigter Vorteile aus der Sache gezogen hat. Fehlt auch
bei objektiver Betrachtung ein Vorteil des Benützers der Sache,
steht dem Eigentümer der Sache unabhängig davon, ob die Sache redlich
oder unredlich verwendet wurde, kein Verwendungsanspruch zu. | |
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OGH 29. 1. 2002, 4 Ob 266/01y, EvBl 2002/118:
Ein Hersteller von Fertigteilhäusern verwendet das Foto eines
Schwimmbades ohne Erlaubnis des Eigentümers für einen seiner
Kataloge (als Lückenfüller auf der Rückseite), wofür der Eigentümer
20.000 S aus § 1041 ABGB (Verwendungsanspruch) verlangt. – OGH: Wird
das Foto eines Schwimmbades für Werbezwecke verwendet, so hat der
Eigentümer des Schwimmbads keinen Verwendungsanspruch, wenn er nicht
beweist, dass und aus welchen Gründen die Abbildung gerade seines
Schwimmbades werbewirksam war; eine allgemein positive Wirkung reiche nicht
aus. | |
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OGH 10. 7. 2001, 4 Ob 66/01m, EvBl 2002/3:
Das Theater in der Josefstadt führt das Stück „1000 Clowns”
auf. Verschiedene Verlage behaupten, sie seien die richtigen Gläubiger
für die Tantiemenzahlungen. Die Theaterbetreiberin zahlt an einen
der Verlage anstatt die Aufführungstantiemen gerichtlich zu hinterlegen.
Der leer ausgegangene Verlag klagt idF den anderen. – OGH erklärt
§ 1041 ABGB – aufgrund des weiten Verständnisses von „Sache” im
ABGB – als taugliche Anspruchsgrundlage. | |
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VII. Subsidiarität
der Kondiktionen | |
Die Kondiktionen (condictiones) entstammen dem
römischen Recht, dem sie das ABGB nachgebildet hat. – Gerichtet
sind sie noch heute auf Rückforderung oder Rückstellung des (rechts)grundlos
Geleisteten oder Empfangenen; vgl § 877 oder § 921 Satz 2 ABGB:
Diese Bestimmungen regeln Rückstellungspflichten im Rahmen der vertraglichen
Rückabwicklung (nach Wegfall des Titelgeschäfts). | |
Zur Anwendung gelangen die Kondiktionen aber
nur subsidiär, nämlich dann, wenn das angestrebte Ziel nicht schon
auf andere Weise erreicht werden kann. Deshalb wurde eingangs von
Auffangtatbeständen gesprochen. – Dh: Speziellere (Rechts)Vorschriften
gehen vor; zB die Verzugs- oder Gewährleistungsregeln, aber auch
Anfechtungsgründe wegen Mängeln in der Wurzel, und – vor allem –
Schadenersatzansprüche wie § 1299 ABGB. | Speziellere (Rechts)Vorschriften
gehen vor |
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OGH
20. 1. 2000, 6 Ob 304/99w, JBl 2000, 590: Keine Rückforderung des
Honorars für eine sinnlose Stuerbereatung allein
aus Bereicherungsrecht. Auf Grund des geschlossenen Vertrags besteht
Subsidiarität der §§ 1431ff ABGB gegenüber Gewährleistung sowie
Schadenersatz wegen Schlechterfüllung; hier
§ 1299 ABGB: Rspr-Änderung. | |
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Gesetz (§ 1432
ABGB) und Rspr verweigern Kondiktionsansprüche aber auch dann, wenn speziellere
Ansprüche, die ursprünglich zustanden, idF verjährt sind.
Da Bereicherungsansprüche nach hA erst nach 30/40 Jahren verjähren,
würden ansonsten der kurzen Verjährungszeit unterliegende Ansprüche
durch die Hintertüre der Kondiktionen doch wieder einklagbar, was
das Rechtsinstitut der Verjährung funktional unterlaufen würde. | Verjährte
Ansprüche können nicht kondiziert werden |
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Subsidiarität eines (privatrechtlichen) Kondiktions-Rückforderungsanspruchs
besteht auch insoferne, als ein sozial-, also öffentlichrechtlicher
Anspruch nicht wahlweise durch eine Bereicherungsklage
erfolgen kann. | |
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In SZ 71/11 (1998) wollte ein Sozialhilfeträger von
ihm zu Unrecht erbrachte Leistungen vom Zahlungsempfänger zurückfordern,
hatte es aber unterlassen, wie in § 72 BSVG ausdrücklich vorgesehen,
einen Rückforderungsbescheid gegen den Zahlungsempfänger zu erlassen.
– OGH: Die Klägerin „konnte diese klare Rechtslage nicht dadurch
umgehen, dass sie anstelle der Erlassung eines Rückforderungsbescheides eine
auf Bereicherung gestützte Klage einbrachte. Diese Klage wurde von
den Vorinstanzen zutreffend wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.” | |
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Die
Kondiktionsregeln des ABGB werden analog auf öffentlichrechtliche
Sachverhalte angewandt. | Anwendung im öffentlichen Recht |
VIII. Umfang der Rückforderung | |
Der Umfang der Rückforderung richtet sich danach,
ob der (Leistungs)Empfänger redlich oder unredlich war.
– Faustregel: Der redliche Leistungsempfänger, der von der Rechtsgrundlosigkeit der
erlangten Leistung weder etwas weiß, noch dies wissen musste, hat
weniger, der unredliche mehr herauszugeben als die Bereicherung;
vgl §§ 330, 335 (Besitz) und § 1437 ABGB. Die Besitzregeln haben
also – wie bereits ausgeführt – Bedeutung für die Kondiktionen!
Vgl oben → Auffangtatbestände: GlU 3065: Schenkung einer Stute. | |
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IX. Bereicherungsrecht
im ABGB? | |
1. Kausale und
abstrakte Natur der Tradition | |
Das
ABGB besitzt nämlich, wie das römische Recht, genau genommen – anders
als das dtBGB: §§ 812 ff – kein systematisches Bereicherungsrecht,
sondern nur einzelne Rückforderungsklagen (Kondiktionen),
die noch dazu über das ganze Gesetzbuch unsystematisch verstreut
sind; vgl §§ 877, 921 Satz 2, 1041 ff, 1174, 1431 ff ABGB. Dieses
Fehlen eines systematischen Bereicherungsrechts ist aber insoferne
verständlich und sogar entbehrlich, weil das ABGB vom römischen
Recht auch die Lehre von Titel und Modus übernommen
hat und daher nach österreichischem Privatrecht grundsätzlich alle
Rechtsgeschäfte kausal, dh rechtsgrundabhängig sind; sog kausale
Natur der Tradition. Gültige Rechtsübertragung setzt daher
– wie wir wissen – nach österreichischem Privatrecht einen gültigen
Titel und (!) einen gültigen Modus voraus, während bspw nach deutschem
Recht schon ein gültiger Modus für die Eigentumsübertragung hinreicht;
sog abstrakte Natur der Tradition. Fehlt nach ABGB
ein gültiger Titel oder stellt sich das Titelgeschäft – wie in unserem
Eingangsbeispiel (SZ 61/241) – wegen Formmangels nachträglich als
ungültig heraus, kommt überhaupt kein gültiger dinglicher Rechtsübergang
zustande. Mittlerweile allenfalls übertragene Leistungen können
dann, da der Erwerber entgegen dem äußeren Anschein nicht Eigentümer
geworden ist, vom Veräußerer sogar mit der Eigentumsklage (§ 366
ABGB) zurückverlangt werden; vgl auch § 877 ABGB. | Warum
hat das ABGB kein systematisches Bereicherungsrecht ausgebildet? |
Mitunter
„greift” aber – wie in unserem Beispiel – die Eigentumsklage nicht,
denn die Rohre sind mit ihrer Verlegung in den Boden ins Eigentum
der Gemeinde übergegangen und es wäre auch unwirtschaftlich sie
wieder herauszureissen. Dann muss ein kondiktionsrechtlicher Ausgleich geschaffen
werden. – Das dtBGB lässt dagegen trotz nichtigen Titel- oder Grundgeschäfts Eigentum
(gültig!) übergehen und braucht daher als Korrektiv und Ausgleich
für diese Fälle den Bereicherungsanspruch; denn es ist bereits zu
einer rechtlich gültigen (!) Vermögensverschiebung gekommen. Eine
Rechtsänderung wurde – trotz des zB nichtigen Grundgeschäfts – bereits
bewirkt. Das ABGB kann sich dagegen mit einer Rückstellungsanordnung
– eben einer Kondiktion – wie in § 877 ABGB begnügen. | |
Sich wieder verstärkt an dieser österreichischen
Grundintention zu orientieren, erschiene ein Gebot der Stunde. Denn niemand
kann einem europäischen Privatrecht die deutsche Bereicherungsdogmatik
(auch nur in ihren österreichischen Versionen) wünschen. | |
2. ABGB,
frCode Civil und dtBGB | |
In
Bezug auf die Ausgestaltung der Lehre von Titel und Modus unterscheiden
sich also – wie wir schon wissen – ABGB (1811), dtBGB (1900)
und der frCC (1804) grundlegend. – Der frCC lässt (bei
Fahrnis) Eigentum bereits grundsätzlich mit dem gültigen Titelgeschäft
(Schuldvertrag) übergehen; begeht also nach ABGB gleichsam einen
Anfängerfehler. – Das dtBGB vertritt nicht wie das ABGB
die sog kausale Natur der Tradition, sondern löst den Modus völlig
von der causa; abstrakte Natur der Tradition / Übergabe. Das ABGB
dagegen hält – wie Gschnitzer sagt – „die rechte Mitte zwischen
frCC und dtBGB.” Vgl → KAPITEL 2: Kausale
und abstrakte Rechtsgeschäfte. | ABGB, frCC, dtBGB |
Von
den drei angeführten gesetzlichen Lösungen besitzt die des ABGB
wohl den größten Gerechtigkeitsgehalt, ohne dabei unpraktisch, weltfremd
oder inkonsequent zu sein und empfiehlt sich daher für eine künftige
„europäische” Lösung. Am wenigsten überzeugt die Lösung des dtBGB.
– Zu erinnern ist auch daran, dass rechtliche Lösungen der „Mitte”
seit den alten Griechen (Solon, Platon, Aristoteles) als gute Lösungen
anzusehen sind, zumal es nie Aufgabe des Rechts war, Extreme zu
fördern. Das gilt auch für ein europäisches Privatrecht. | Gerechtigkeitsgehalt |
Es ist aber in Österreich üblich, diese
grundlegenden Unterschiede zum dtBGB zu übergehen. | |
X. Leistungskondiktionen
– Überblick | |
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•
§
877 ABGB (ähnlich schon das römische Recht): condictio sine
causa = Rückforderungsansprüche wegen Fehlens eines / Ungültigkeit
des Rechtsgrunds; zB wegen Form- oder Willensmangels. | |
•
§ 1174 ABGB (ähnlich römisches Recht): condictio
ob turpem vel injustam causam = sog verwerflicher Empfang. | |
| |
•
§ 1174 ABGB
statuiert Ausnahmen vom Grundsatz des § 877 ABGB. Nicht
zurückgefordert werden können danach Leistungen: | |
die
„jemand wissentlich zur Bewirkung einer unmöglichen oder unerlaubten
Handlung gegeben hat”; § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB. | |
Sowie
ein „zum Zweck eines verbotenen
Spieles gegebenes Darlehen”; § 1174 Abs 2 ABGB. | |
Das Gesetz will aber nur solchen Leistungen die Rückforderbarkeit
versagen, die zur Begehung einer unerlaubten Handlung (zB Mordlohn;
oder im Römischen Recht: quod meretrici datur, also das, was der
Dirne gegeben wurde), nicht aber solchen, die in Erfüllung eines
nichtigen Vertrags erbracht wurden; SZ 23/159 (1950). Erpresstes
Lösegeld kann daher zurückgefordert werden, nicht dagegen der bezahlte
Verlust im verbotenen Spiel; SZ 19/184 (1937). Zurückgefordert werden kann
nach der Rspr das gegebene Schweigegeld bei Offenbarwerden eines
Geheimnisses (GlU 10.161: 1884), nicht aber die der außerehelichen
Geliebten geschenkten Geldbeträge; so GlU 7526 (1879). – Nicht rückforderbar
wäre auch das von einer politischen Partei zB einem Polizeibeamten ausbezahlte
Entgelt von monatlich 10.000 S, damit dieser aus dem Polizeicomputer
für diese Partei interessante Daten illegal entnimmt. | |
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•
§§
1431–1434 sowie 1436 f ABGB(ähnlich
römisches Recht): condictio indebiti = irrtümliche
Zahlung einer Nichtschuld. – Typisches Beispiel: Fehlüberweisung
einer Bank; zB SchwFr statt ı. – Die §§ 1431 ff ABGB spielen von
allen Kondiktionen des ABGB die praktisch grösste Rolle. | |
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EvBl 1999/96: Anwendung des § 1431
ABGB auf den Rückforderungsanspruch aus einer zu Unrecht abgerufenen Bankgarantie
→ KAPITEL 15: Garantievertrag
und Bankgarantie.
Ein Werkunternehmer hatte an Stelle eines sog Haftungsrücklasses
eine Bankgarantie zur Verfügung gestellt, die vom Werkbesteller
zu Unrecht abgerufen wurde. | |
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OGH 18. 1. 2000, 4 Ob 348/99a, SZ 73/10 = EvBl 2000/120:
Zur Absicherung der bedingten Forderung aus einem Kooperationsvertrag
zwischen A u B bestellt B eine Bankgarantie. A
zediert den Zahlungsanspruch aus dieser Bankgarantie an seine Hausbank
zur Absicherung eines Kredites. Diese ruft die Garantiesumme ab,
obwohl die Bedingung aus dem Kooperationsvertrag nicht eingetreten
ist. Kurz darauf geht A in Konkurs. B will daher gegen A’s Hausbank
als Zessionar bereicherungsrechtlich vorgehen. – OGH: Die besondere
Vertrauenssituation bei abstrakten Garantien verlangt, dass trotz
erfolgter Abtretung des Zahlungsanspruchs der Bereicherungsanspruch
des Garantieauftraggebers weiterhin nur gegen den ursprünglich Begünstigten
(A als Vertragspartner des Grundgeschäftes und Zedent) besteht.
(?) | |
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Beispiele zu § 1435 ABGB: – §§ 947–953 ABGB
(Schenkungswiderruf); | |
•
Eine Sondervorschrift enthält
§ 1421 ABGB, wenn ein beschränkt oder voll
Geschäfts(un)fähiger eine Schuld zahlt, die entweder noch
nicht fällig oder überhaupt „ungewiss” ist; Satz 2 gibt dem gesetzlichen
Vertreter das Recht, „das Bezahlte zurückzufordern.” – Vgl auch
§ 1434 ABGB. Zu § 1421 ABGB auch → KAPITEL 7: ¿Von
wem¿ ist zu leisten? ¿ §§ 1421 ff ABGB. | |
•
§
1435 ABGB (ein römisches Recht): condictio causa finita =
(nachträglicher) Wegfall des ursprünglich vorhandenen Rechtsgrundes und
(ein römisches Recht): condictio causa data causa non secuta = Nichteintritt
des erwarteten Erfolgs. | |
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SZ 42/94 (1969): Brautleuten steht
ein Anspruch zu, wenn sie im Hinblick auf eine beabsichtigte und dann
unterbliebene Eheschließung Aufwendungen für ihren/e Partner/in
gemacht haben. – § 46 ABGB gewährt zusätzlich Schadenersatzansprüche
und § 1247 Satz 2 ABGB gewährt ein besonderes Schenkungswiderrufsrecht. | |
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XI. Sondergesetzliche
Ansprüche | |
Nicht nur das ABGB kennt Rückforderungstatbestände, Kondiktionen
oder Verwendungsansprüche, sondern auch andere Gesetze wie: | |
• §§ 13a und b GehaltsG;
sog Übergenuss. | |
•
§ 9 EFZG: Rückforderung zu Unrecht geleisteter
Erstattungsbeträge – Der Krankenversicherungsträger kann
zu Unrecht geleistete Erstattungsbeträge vom Arbeitgeber zurückfordern.
Das Recht auf Rückforderung verjährt binnen 2 Jahren nach dem Zeitpunkt,
in dem dem Krankenversicherungsträger bekannt geworden ist, dass
der Erstattungsbetrag zu Unrecht geleistet worden ist. | |
•
§ 86 UrhG (ein Verwendungsanspruch): zB Verlag
produziert ohne Zustimmung einer Musikergruppe deren Lieder auf
CD / MC. | |
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•
Nach dem Zweiten
Weltkrieg wurden mehrere Rückstellungsgesetze erlassen,
um während der Zeit des Nationalsozialismus zu unrecht entzogene
Leistungen (vornehmlich jüdisches Vermögen) zurückfordern zu können. | |
Als redlicher Erwerber einer entzogenen
Sache (iSd Rückstellungsgesetze) war nur derjenige anzusehen, der
von der im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus erzwungenen
Veräußerung des Vermögens entschuldbarerweise keine Kenntnis gehabt
hat, nicht dagegen derjenige, der vermuten musste, dass sich ihr
Eigentümer nicht freiwillig, sondern nur im Zusammenhang mit der
nationalsozialistischen Machtübernahme entäußern musste; | |
vgl die bei Heller / Rauscher aaO
abgedruckten Entscheidungsnummern 151, 153 und 169 der Obersten
Rückstellungskommission. | |
•
§ 27 Abs 1 Z 1 iVm
Abs 3 MRG statuiert einen gesetzlichen Rückstellungsanspruch
verbotener Ablösen. Derartige Ansprüche können nach Abs 3 leg cit
innerhalb von 10 Jahren zurückgefordert werden und sind erleichtert
nach § 37 Abs 1 Z 14 MRG im Außerstreitverfahren geltend zu machen. | |
•
Einen richterlichen Bereicherungsausgleich gewährt
der OGH nunmehr zB dann, wenn ein Arbeitgeber dadurch einen Schaden
erleidet, dass einer seiner Arbeitnehmer bei einem Verkehrsunfall
verletzt wird und idF nicht arbeiten kann, der Arbeitgeber aber
aufgrund gesetzlicher Vorschriften (zB § 8 AngG, oder § 1154 b ABGB oder §
2 EFZG) zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, wodurch
der Schaden auf ihn (als mittelbar Geschädigten) überwälzt wird;
Drittschadensliquidation. Näheres → Drittschadensliquidation
des Arbeitgebers bei einem Lohnfortzahlungsschaden:
EvBl 1994/135. | |
•
Zu Bereicherungsansprüchen
im Konkurs (§§ 44, 46 Abs 1 Z 6 KO) mangels möglicher
Ersatzaussonderung; vgl EvBl 2000/103. | |
• Zur „Bereicherung im öffentlichen Recht”,
F. Kerschner (1983). | |
XII. Entstehung von
Schuldverhältnissen | |
Schuldverhältnisse entstehen nach § 859 ABGB
entweder: | §
859 ABGB |
• aus Vertrag = vertragliche
Schuldverhältnisse oder | |
• unmittelbar aus dem Gesetz = gesetzliche Schuldverhältnisse. | |
Zu den vertraglichen Schuldverhältnissen gehören
die Verträge. – Zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen des Privatrechts
– die deswegen so heißen, weil sie nicht auf Rechtsgeschäften und
den diese konstituierenden Willenserklärungen beruhen, sondern unmittelbar
auf Gesetz – zählen: | Vertragliche
und gesetzliche
Schuldverhältnisse |
•
Konsensual-
und Realverträge | Verträge |
• Veräußerungsverträge (Kauf, Tausch, Schenkung), | |
• Gebrauchsüberlassungsverträge: Miete und Pacht
(sog Bestandverträge), Leihe und Darlehen; | |
• die Dienstleistungsverträge (Dienst- oder Arbeitsvertrag,
Werkvertrag, freier Dienstvertrag, Verwahrung, Auftrag / Bevollmächtigungsvertrag); | |
•
Gesellschaftsverträge (§§ 1175 ff ABGB: Gesellschaft
bürgerlichen Rechts; die hr Personengesellschaften: OHG, KG; die
eingetragenen Erwerbsgesellschaften: OEG, KEG; die Kapitalgesellschaften:
AG und GmbH; die Genossenschaften); | |
• Sicherungsverträge (Bürgschaft, Pfandbestellungsvertrag,
Garantievertrag etc); | |
• Glücksverträge (Leibrentenvertrag, Versicherungsverträge); | |
• eine Reihe weiterer Vertragstypen: wie Zession,
Anweisung sowie die atypischen und die Mischverträge. | |
•
das Recht des Schadenersatzes; | gesetzliche
Schuldverhältnisse |
•
die ungerechtfertigte Bereicherung; | |
•
die
Geschäftsführung ohne Auftrag; | |
•
die Gläubigeranfechtung und | |
• die cic. | |
XIII. Entscheidungsbeispiele | |
Allein die beiden wiedergegebenen OGH-Urteile
zeigen, dass der Bereicherungsausgleich häufig schwierige Fragen
betrifft. | |
1. Drittschadensliquidation
des Arbeitgebers bei einem Lohnfortzahlungsschaden | |
|
EvBl 1994/135 (gekürzt)
| |
§
1295 ABGB (§§ 1042, 1358 ABGB; § 8 AngG; § 67 VersVG) – Ersatzansprüche
des Dienstgebers gegen den Schädiger seines Dienstnehmers –
Drittschadensliquidation des Lohnfortzahlungsschadens eines Arbeitgebers
bei Verletzung seines Arbeitnehmers durch einen Dritten. | |
Vorauszuschicken ist,
dass der OGH solche Schäden bis zu diesem Urteil als Drittschäden ( → KAPITEL 9: Drittschäden)
nicht entschädigt hat. Das Urteil stellt demnach ein Judikaturwende
um 180 Grad dar! – Bereicherungsrechtlich greift der OGH hier auf
§ 1042 ABGB (Verwendungszusage) zurück.
Kläger = Arbeitgeber des Verletzten
Arbeitnehmers
Erstbeklagter =
Schädiger / Lenker und Halter des Unfallfahrzeuges (Lkw) Zweitbeklagter =
Haftpflichtversicherer des Unfall-Lkw | |
Leitsatz: Wird ein Dienstnehmer
bei einem Verkehrsunfall [durch einen dritten Schädiger] verletzt
und ist der Dienstgeber seinem Dienstnehmer deswegen gesetzlich
zur Lohnfortzahlung verpflichtet, dann wird der Schaden auf den
Dienstgeber überwälzt; der Schädiger hat den auf den Dienstgeber
überwälzten Schaden des Dienstnehmers zu ersetzen. Bei der Überleitung
des Anspruchs des Dienstnehmers auf den Dienstgeber sind § 1358
ABGB und § 67 VersVG analog anzuwenden. (Eine rechtsgeschäftliche Abtretung
des Schadenersatzanspruchs durch den Dienstgeber ist also nicht
erforderlich.) Der Dienstgeber hat auch Anspruch auf Ersatz der
Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. | |
Sachverhalt: Der Kläger
brachte vor, dass Josef Z seit 1.1.1988 bei ihm als Angestellter
mit einem Gehalt von monatlich 28.000 S brutto beschäftigt sei.
Am 23.5.1989 habe der Erstbeklagte mit seinem bei der Zweitbeklagten
haftpflichtversicherten Lkw Josef Z als Fußgänger verletzt. Der
Erstbeklagte sei alkoholisiert und nicht im Besitz einer Lenkerberechtigung
gewesen; er sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Gemäß §
8 AngG [Gesetzestext am Ende der Entscheidung] sei der Kläger verpflichtet
gewesen, Josef Z während seiner durch den Unfall verursachten Dienstunfähigkeit
[den Lohn] einschließlich der Dienstgeberbeiträge (Lohnnebenkosten)
bis August 1989, insgesamt 121.340,83 S zu zahlen. Gemäß
§ 1325 ABGB habe der Schädiger im Fall der Körperverletzung dem
Verletzten den entgangenen Verdienst zu ersetzen. Infolge des §
8 AngG habe Josef Z selbst keinen Verdienstentgang erlitten. Der Schaden,
der ohne diese Vorschrift bei ihm eingetreten wäre, sei wirtschaftlich
auf den Kläger verlagert worden. Der Kläger begehrt von den Beklagten
121.340,83 S sA. Er sei zur Geltendmachung des auf ihn verlagerten
Schadens aktiv legitimiert; überdies habe ihm Josef Z alle Forderungen
aus dem Verdienstentgang abgetreten. – Die Beklagten wendeten ein,
dass Josef Z an dem Unfall ein mindestens gleichteiliges Mitverschulden
[§ 1304 ABGB] treffe, weil er durch Stehenbleiben während des Überquerens
der Fahrbahn den Unfall hätte vermeiden können. Der vom Kläger geltend
gemachte Schaden sei ein nicht ersatzfähiger Drittschaden
→ KAPITEL 9: Drittschäden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme
ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers
nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht
zulässig sei. Der OGH gab der außerordentlichen
Revision des Klägers Folge und hob die Entscheidungen der Vorinstanzen
auf. | |
§ 8 AngG: (1) Ist ein
Ang[estellter] nach Antritt des Dienstverhältnisses durch Krankheit
oder Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne
dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit
herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt
bis zur Dauer von 6 Wochen. Beruht die Dienstverhinderung jedoch
auf einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit iSd Vorschriften
über die gesetzliche Unfallversicherung, so verlängert sich die
Frist von 6 Wochen um die Dauer dieser Dienstverhinderung, höchstens
jedoch um 2 Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt beträgt, wenn das
Dienstverhältnis 5 Jahre gedauert hat, jedenfalls 8 Wochen; es erhöht
sich auf die Dauer von 10 Wochen, wenn es 15 Jahre, und auf 12 Wochen,
wenn es 25 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch je weitere 4
Wochen behält der Ang den Anspruch auf das halbe Entgelt. | |
§ 67 VersVG: (1) Steht dem Versicherungsnehmer
ein Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten zu, so geht der Anspruch
auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer
den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers
geltend gemacht werden. Gibt der Versicherungsnehmer seinen Anspruch
gegen den Dritten oder ein zur Sicherung des Anspruches dienendes Recht
auf, so wird der Versicherer von seiner Ersatzpflicht insoweit frei,
als er aus dem Anspruch oder dem Recht hätte Ersatz erlangen können. | |
(2) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers
gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen,
so ist der Übergang ausgeschlossen; der Anspruch geht jedoch über, wenn
der Angehörige den Schaden vorsätzlich verursacht hat. | |
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2. Zweckverfehlende
Arbeitsleistungen – Hausbau von Lebensgefährten | |
Zum Bereicherungsausgleich zwischen Lebensgefährten nach
Auflösung der Lebensgemeinschaft: § 1435 ABGB. | |
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SZ 53/20: Hausbau von Lebensgefährten.
Kläger = Ehemaliger Lebensgefährte; Beklagter = Ehemalige Lebensgefährtin.
Außerhalb einer Erwerbsgesellschaft umfasst der Kondiktionsanspruch
eines früheren Lebensgefährten für Geld- und Arbeitsleistungen nur
die Rückerstattung der Geldleistung und angemessenes Entgelt für
die Arbeit, nicht aber einen Anteil an der Werterhöhung des gemeinsam
errichteten Hauses. – OGH 31. Jänner 1980, 7 Ob 802/79 (OLG Ibk,
2 R 279/79; LG Ibk 13 Cg 3/79). Mit seiner Klage begehrt der Kläger
von der Beklagten die Zahlung von 1,994.867 Mio S samt Anhang. Von
1963 bis Jänner 1977 sei er der Lebensgefährte der Beklagten gewesen.
Die Auflösung der Lebensgemeinschaft sei deshalb erfolgt, weil die
Beklagte einen anderen Mann kennengelernt und schließlich geheiratet
habe. Im Jahre 1972 hätten die Streitteile mit dem Bau eines Hauses
auf einem der Beklagten gehörigen Grundstück begonnen. An die Professionisten
und für Baumaterialien habe der Beklagte aus eigenen Mitteln 733.865,70
S gezahlt. Für die Planungsarbeiten (Verfassung der Baupläne und
Erwirkung der Baubewilligung) stehe dem Kläger ein Architektenhonorar
von 357.176 S und für persönliche Arbeitsleistungen beim Hausbau
ein Lohnanspruch von 320.000 S zu. An der Errichtung des Hauses
K, U-Weg Nr 47, das einen Wert von 4,500.000 Mio S repräsentiere,
seien die Streitteile in finanzieller Hinsicht und in bezug auf
ihre persönlichen Arbeitsleistungen je zur Hälfte beteiligt gewesen.
Dem Kläger stehe daher gegen die Beklagte ein Bereicherungsanspruch
in der Höhe des Wertes des halben Hauses zu. Die Beklagte beantragt
Klagsabweisung und behauptet, dass es bereits im Jänner 1976 zur
Auflösung der Lebensgemeinschaft gekommen sei, weil der Kläger Beziehungen
zu einer anderen Frau aufgenommen habe. Sie habe erst im Oktober
1976 ihren jetzigen Gatten kennengelernt und im Jahre 1977 geheiratet.
Der Kläger habe von der Beklagten niemals den Auftrag erhalten,
für sie als Architekt tätig zu werden. Seine Leistungen habe der Kläger
im Rahmen der Lebensgemeinschaft erbracht. Die Streitteile seien
sich auch einig darüber gewesen, dass eine Honorierung des Klägers
für seine Leistungen nicht zu erfolgen habe. Am Hausbau habe sich
der Kläger weder finanziell noch durch persönliche Arbeitsleistungen
zur Hälfte beteiligt. Schließlich habe er bei der Auflösung der
Lebensgemeinschaft auf eine Entschädigung für alle seine Leistungen
im Zusammenhang mit dem Hausbau verzichtet. Der Kläger habe daher
gegen die Beklagte keinen Bereicherungsanspruch. Der Beklagten stehe
hingegen aus ihren für den Kläger erbrachten Leistungen eine Gegenforderung
von 555.940 S zu, die von ihr aufrechnungsweise geltend gemacht
werden. | |
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Vgl auch
JBl 1991, 588: Wurde zwischen Lebensgefährten bei gemeinschaftlicher
Bebauung eines Grundstücks zwar keine ausdrückliche Abrede über
den Rechtsgrund der Zuwendungen getroffen, aber doch deutlich zum
Ausdruck gebracht, dass die Leistungen im Hinblick auf den bestimmten,
dem Leistungsempfänger erkennbaren Zweck des zukünftigen
gemeinsamen Wohnens erbracht werden, so begründet die Zweckverfehlung
der Leistungen im Fall der Aufhebung der Lebensgemeinschaft grundsätzlich
einen Bereicherungsanspruch nach § 1435 ABGB. Nur bei treuwidriger
Leistungsvereitelung wird die Rückforderung ausgeschlossen. Der
Treuebruch des Partners einer Lebensgemeinschaft ist wegen der rechtlichen Unverbindlichkeit
des Verhältnisses kein rechtserheblicher Verstoß gegen Treu und
Glauben. | |
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SZ 24/170 (1951):
Teilnichtigkeit eines verbotene und unerlaubte Leistungen enthaltenden
Vertrags – Vgl die Ausführungen im Rahmen der Nichtigkeit → Wie
wirkt Nichtigkeit? Die
Herausgabe der Bereicherung kann auch mit Klage nach § 368 EO (sog
Interessenklage) verlangt werden. | |
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E. Willensmängel
– Irrtum |
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