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Inhaltsverzeichnis
SCHNELL GENAU UMFASSEND
Kapitel 5
zurück E. Willensmängel – Irrtum
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F. Ungerechtfertigte Bereicherung
Literaturquelle
I. Auffangtatbestände
Den Kondiktionen und Verwendungsansprüchen kommt als subsidiären Auffangtatbeständen die Aufgabe zu, ungerechtfertigte Bereicherungen iSv rechtsgrundlosen Vermögensverlagerungen auszugleichen oder rückgängig zu machen. – Es handelt sich um ein Instrument der ausgleichenden Gerechtigkeit → KAPITEL 18: Austeilende und ausgleichende Gerechtigkeit.
Korrektur rechtsgrundloser Vermögensverlagerung
Abzulehnen ist es, in fragwürdiger Spurenfolge der deutschen Bereicherungsdogmatik, die von ganz anderen Voraussetzungen auszugehen hat (→ ABGB, frCode Civil und dtBGB), auch das österreichische Privatrecht mit einem komplizierten Wust bereicherungsrechtlicher Probleme zu überziehen. Verkomplizierung ist keine wissenschaftliche Leistung. Hier wurde schon großer Schaden angerichtet. Einfachheit sollte dagegen ein Rechtswert sein, den vor allem künftiges europäisches Privatrecht benötigt. Dazu kommt, dass nicht dogmatisch-juristische Selbstgefälligkeit ein künftiges österreichisches oder europäisches Privatrecht leiten sollte, sondern der Anspruch, auch in Zukunft nicht auf spürbare Gerechtigkeitsumsetzung und Verständlichkeit verzichten zu wollen.
ABGB ernst nehmen!
Kondiktionen (condictiones) sind Rückforderungsklagen / -ansprüche, die das römische Recht entwickelt hat, wenn ein Vermögenswert ohne Rechtsgrund (causa) in fremdes Vermögen gelangt ist.
Rückforderungsklagen
Diese Klagen sind auf Rückstellung des grundlos Empfangenen gerichtet, was mehr oder weniger sein kann als der beim Empfänger noch vorhandene Wert: Dennn das ABGB ordnet an, dass der redliche Empfänger (§§ 329: in Rücksicht auf die Substanz der Sache, § 330: der Nutzungen, § 331f: des Aufwandes) weniger als der unredliche (§ 335 ABGB) herauszugeben hat; vgl auch § 1437 ABGB.
Anwendung der Besitzregeln
Diese einfachen Grundgedanken des ABGB wurden im Schrifttum gedehnt und gestreckt; vgl das sog Ohla- Urteil (JBl 1969, 272 ff) und dazu F. Bydlinski, Zum Bereicherungsanspruch gegen den Unredlichen, JBl 1969, 252 ff.
Rechtssprechungsbeispiel
GlU 3065 (1868): Mann schenkte seiner Frau ante nuptias eine Stute und verlangt diese und die mittlerweile geworfenen Fohlen (2 wurden schon verkauft, 2 sind noch bei der Frau) bzw deren Wert nach Rückgängigmachung/Annulierung der Ehe heraus. – OGH: Frau muss wegen Redlichkeit nur die Stute, nicht aber die verkauften sowie die noch bei ihr befindlichen Fohlen herausgeben. Hier ist § 338 ABGB, wonach der redliche Besitzer durch die zugestellte Klage in einen unredlichen verwandelt wird, nicht anzuwenden. Und nach § 335 ABGB kommen Nutzungen und Früchte der geschenkten Sache dem Beschenkten zu Statten, er wäre denn unredlicher Besitzer.
Die nützliche Verwendung / versio in rem, die im ABGB nicht zufällig im Anschluss an die GoA behandelt wird, stellt eine Ergänzung der GoA-Regeln dar; und zwar für jenen Fall, dass eine Sache ohne Geschäftsführung(sabsicht) zum Nutzen eines anderen verwendet wird.
Nützliche Verwendung – Ergänzung der GoA-Regeln
Kondiktionen und Verwendungsansprüche haben an und für sich nichts miteinander zu tun, werden aber häufig gemeinsam behandelt. F. Gschnitzer, der dabei A. Ehrenzweig folgt, behandelt dagegen noch, durchaus konsequent, beide Rechtsinstitute getrennt. Zu den Kondiktionen merkt er an (vgl F. Gschnitzer, SchRBesT unter Rückgriff auf A. Ehrenzweig):
„Wir haben also Klagen aus grundloser Leistung vor uns und nicht Bereicherungsklagen, wie man üblicherweise sagt. Der Ton liegt nicht auf Bereicherung, sondern auf ungerechtfertigt.”
1. Zur Funktion der Kondiktionen
Wir werden Fälle behandeln, wo ein zunächst (scheinbar) gültig geschlossener Vertrag wegen eines Mangels in der Wurzel (des Titelgeschäfts) – zB eines Irrtums oder Formmangels – oder eines Mangels in der Abwicklung (zB Rücktritt des Gläubigers bei Schuldnerverzug oder Wandlung im Rahmen der Gewährleistung) wegfällt. Oft sind aber in solchen Fällen zwischen den Vertragsparteien bereits Leistungen ausgetauscht worden, die mit dem Wegfall des Vertrags (Titelgeschäfts) rechtlich buchstäblich in der Luft hängen. § 877 ABGB ordnet daher – für die Mängel in der Wurzel – an, dass derjenige, der einen Vertrag aufheben will, „auch alles zurückzustellen [hat], was er durch einen solchen Vertrag zu seinem Vorteil erhalten hat.” Und § 1435 ABGB gewährt – um allfällige Ungerechtigkeiten auszuschalten – dem jeweiligen Leistungserbringer ein Rückforderungsrecht, „wenn der rechtliche Grund [für den Vertragspartner], sie [sc die geleisteten Sachen] zu behalten, aufgehört hat.” Vgl auch § 921 ABGB, dessen zweiter Satz bestimmt, dass empfangenes Entgelt auf solche Art zurückzustellen oder zu vergüten ist, „dass kein Teil aus dem Schaden des anderen Gewinn zieht”. – In diesen Fällen liegt eine sog Leistungskondiktion (→ Die Leistungskondiktionen) wegen nachträglichen Wegfalls des Rechtsgrundes vor. Dazu gleich mehr.
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2. Eingangsbeispiel
Wenn, wie in unserem Beispiel (→ § 867 ABGB: Vertragsschlüsse mit der öffentlichen Hand – Zur Geschäftsfähigkeit von Gemeinden: SZ 61/241), ein Vertragspartner „leer ausgehen” würde – hier die Baufirma, weil sich der Vertrag, auf den er sich stützen könnte, nachträglich als ungültig herausstellt, gewährt das Gesetz „Hilfe” durch unser Rechtsinstitut. Denn es wäre „ungerechtfertigt”, dass die Gemeinde ihren Kanal gratis bekommt, nur weil ihr Vertragspartner keine Kenntnis von der in der Slbg GemeindeO vorgesehenen Formvorschrift für Verträge mit Gemeinden besaß und ihn die Gemeinde auch nicht darauf hingewiesen hat. – Auf diesen Fall wendet der OGH freilich den Verwendungsanspruch des § 1042 ABGB an (→ Verwendungsansprüche) und beseitigt dadurch die drohende Ungerechtigkeit gegenüber dem Bauunternehmer. – Vgl aber auch die folgenden Beispiele.
Zur problematischen Anwendung des § 1042 ABGB in SZ 61/241 vgl auch → Verwendungsansprüche
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1994/135: Drittschadensliquidation des Lohnfortzahlungsschadens eines Arbeitgebers bei Verletzung seines Arbeitnehmers durch einen Dritten → Drittschadensliquidation des Arbeitgebers bei einem Lohnfortzahlungsschaden Zu den Drittschäden → KAPITEL 9: Drittschäden.
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II. Begriffe / Terminologie
Man spricht einerseits:
• vom Bereicherten, dem Kondiktionsschuldner und andrerseits
• vom Entreicherten oder Verkürzten, dem Kondiktions­gläubiger.
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III. Verschulden? – Verjährung
Kondiktionsansprüche setzen – anders als Schadenersatzansprüche – weder Verschulden (des Bereicherten), noch einen Schaden voraus; vgl SZ 58/104 (1985) oder 68/116 (1995).
Kondiktionsansprüche verjähren zudem grundsätzlich erst in 30 Jahren. Handelt es sich allerdings um (Bereicherungs)Ansprüche aus sog „zweckverfehlender Arbeitsleistung” iSd § 1152 ABGB (→ Zweckverfehlende Arbeitsleistungen – Hausbau von Lebensgefährten: SZ 53/20) wendet die Rspr darauf die 3-jährige Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB an.
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IV. Die Kondiktionstypen des ABGB
Das ABGB kennt Leistungskondiktionen und Ausgleichsansprüche; neben den §§ 1431–1437 ABGB (Zahlung einer Nichtschuld), insbesondere noch die §§ 1041 ff ABGB (Verwendung einer Sache zum Nutzen eines andern): sog Verwendungsansprüche, die das römische Recht versio in rem nannte. Daher auch die Bezeichnung Versionsklage.
Zu unterscheiden sind danach zwei Typen von Ausgleichsansprüchen:
• einerseits die (Leistungs)Kondiktionen der §§ 1431 ff ABGB und
• andrerseits die Verwendungsansprüche: §§ 1041, 1042 ABGB.
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V. Die Leistungskondiktionen
Sie gehen tatbestandsmäßig von einer Leistung – iS einer gewollten und bewussten (Vermögens)Zuwendung – des idF Verkürzten an den dadurch ungerechtfertigt Bereicherten aus → Leistungskondiktionen – Überblick: Überblick. – Die zu einer ungewollten Vermögensverschiebung führende Leistung des Verkürzten kann idF kondiziert, dh – unter bestimmten vom Gesetz umschriebenen Voraussetzungen – zurückgefordert werden; vgl die oben angeführte E GlU 3065: Schenkung einer Stute. Die §§ 1431 ff ABGB formulieren die Voraussetzungen unter denen dies möglich ist.
Zu dem in § 1431 ABGB angesprochenen Rechtsirrtum → Tatsachen- und Rechtsirrtum
Bei den Leistungskondiktionen und überhaupt im Bereicherungsrecht geht es – und das ist wichtig zu verstehen – nicht darum, rechtsgeschäftliche Erklärungen oder vertragliche Vereinbarungen zu modifizieren oder zu korrigieren, wenn diese unvorteilhaft oder gar ungerecht erscheinen. Ein zwischen den Parteien bestehender Vertrag stellt vielmehr grundsätzlich – wie wir schon wissen – einen gültigen Rechtsgrund dar, der nicht ohne weiteres aus den Angeln gehoben werden kann. Er bleibt auch dann gültig, wenn er unvorteilhaft für einen Vertragsteil ist, solange nicht bestimmte Anfechtungsgründe greifen – sei es Drohung oder List, Irrtum oder Wucher (als Mängel in der Wurzel) oder ein Rücktritt beim Schuldnerverzug oder eine Wandlung bei einem Gewährleistungsmangel, welche ebenfalls die vertraglichen Grundlagen (rückwirkend) beseitigen. Mehr zur Subsidiarität unseres Rechtsinstituts → Subsidiarität der Kondiktionen
Leistungskondiktionen korrigieren nicht vertragliche Vereinbarungen
Zum Unterschied zwischen dinglicher und schuldrechtlicher Rückwirkung und Rückabwicklung → Dingliche oder obligatorische Rückwirkung?
Das Bereicherungsrecht „greift” also erst dann ein, wenn der ursprünglich bestehende Rechtsgrund – im Regelfall ein Vertrag – weggefallen ist oder überhaupt ein solcher nie wirklich bestanden hat oder entstanden ist; vgl § 1431 ABGB: Irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld. – Nur dann kann die von einem Vertragsteil erbrachte Leistung kondiziert, dh als ungerechtfertigte Vermögenszuwendung / Bereicherung zurückgefordert werden. Und zwar grundsätzlich in Natur, also zB das geleistete Auto, und nur bei Unmöglichkeit der Naturalrestitution als Wertausgleich.
Grundsätzlich ist „in Natur“ zurückzustellen
Vgl damit den Grundgedanken des § 1323 ABGB (→ KAPITEL 9: Was heißt Naturalrestitution?), der eine idente Anordnung für das Schadenersatzrecht trifft.
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VI. Verwendungsansprüche
Anders als die Leistungskondiktionen gewähren die Verwendungsansprüche der §§ 1041 ff ABGB dann einen Ausgleich, wenn die ungerechtfertigte Vermögensverschiebung oder -zuwendung nicht durch eine bewusste oder gewollte Leistung des Verkürzten, sondern auf andere Weise bewirkt wurde, und zwar durch:
• (schlichte) Verwendung einer Sache zum Nutzen eines andern (§ 1041 ABGB, sog Verwendungsklage) oder
• dass jemand einen Aufwand getätigt hat, den eigentlich ein anderer hätte machen müssen; § 1042 ABGB.
Ein Verwendungsanspruch setzt demnach voraus, dass ein Nichtberechtigter Vorteile aus der Verwendung einer Sache gezogen hat, die ihm rechtlich nicht zustehen; vgl EvBl 2003/180.
Einen sondergesetzlich geregelter Fall des § 1042 ABGB stellt das UnterhaltsvorschussG 1985 dar, das der Gewährung von Vorschüssen auf den gesetzlichen Unterhalt minderjähriger Kinder dient → KAPITEL 16: Das elterliche Sorgerecht ¿ ¿Obsorge¿.
Als Rechtsfolge statuiert das Gesetz bei Verwendungsansprüchen:
Rechtsfolge
• die Herausgabe der (ohne Rechtsgrund) verwendeten Sache; § 1041, 1. HalbS ABGB oder
• wenn eine Herausgabe nicht (mehr) möglich ist, kann Wert- oder Aufwandersatz verlangt werden; § 1041, 2. HalbS ABGB und § 1042 ABGB. – Wertersatz für einen unzulässigen Gebrauch wird durch ein Benützungsentgelt geleistet.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1999, 458: Verwendungsanspruch wegen rechtsgrundloser (Sonder)Nutzung von öffentlichem Grund – hier: Straßenflächen der Stadt Linz – im Rahmen eines Bauvorhabens. Wie dieser Fall zeigt, kann ein Benützungsentgelt auch neben der ersten Alternative (Herausgabe der Sache) verlangt werden.
Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Leistungskondiktionen (, die von einer gewollten/bewussten Vermögenszuwendung des Verkürzten ausgehen) und Verwendungsansprüchen, die den „Rest” erfassen sollen, wird von der Praxis oft so verschliffen, dass ein Unterschied kaum mehr feststellbar ist.
Leistungskondiktionen versus Verwendungsansprüche
So geschehen im Eingangsbeispiel (SZ 61/241), wo die Leistung der Baufirma zunächst durchaus als gewollte und bewusste Zuwendung (im Rahmen einer vermeintlichen Vertragserfüllung) erfolgt ist und der OGH dennoch § 1042 ABGB anwendet, weil § 1432 ABGB einen Kondiktionsausschluss für formungültige Schulden statuiert. Korrekter wäre es (gewesen), §1432 zu korrigieren, dh teleologisch zu reduzieren!
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 24/59 (1951): Erhaltungspflicht einer Brücke über einen Fluss trifft mehrere. Der Kläger begehrt von der Beklagten den Ersatz des von ihm getätigten Aufwands.
OGH 28. 5. 2002, 4 Ob 114/02x, EvBl 2002/180: Hauseigentümer will umbauen und stützt Haus mit einem Gerüst ab, damit es im Zuge der Umbauarbeiten durch das Entfernen tragender Teile nicht einstürzt. IdF kommt es zur Zwangsversteigerung des Hauses. Zwei Jahre später verlangt der ehemalige Eigentümer 71.000 S aus § 1041 ABGB, da die Ersteigerer das Gerüst zum eigenen Vorteil verwendet hätten. Tatsächlich aber hatten diese das Haus bereits abgerissen (und anschließend das Gerüst zurückgestellt), was auf Grund der Rücksichtnahme auf das Gerüst mit höheren Kosten war. – OGH: Ein Verwendungsanspruch steht nur dann zu, wenn und soweit ein Nichtberechtigter Vorteile aus der Sache gezogen hat. Fehlt auch bei objektiver Betrachtung ein Vorteil des Benützers der Sache, steht dem Eigentümer der Sache unabhängig davon, ob die Sache redlich oder unredlich verwendet wurde, kein Verwendungsanspruch zu.
OGH 29. 1. 2002, 4 Ob 266/01y, EvBl 2002/118: Ein Hersteller von Fertigteilhäusern verwendet das Foto eines Schwimmbades ohne Erlaubnis des Eigentümers für einen seiner Kataloge (als Lückenfüller auf der Rückseite), wofür der Eigentümer 20.000 S aus § 1041 ABGB (Verwendungsanspruch) verlangt. – OGH: Wird das Foto eines Schwimmbades für Werbezwecke verwendet, so hat der Eigentümer des Schwimmbads keinen Verwendungsanspruch, wenn er nicht beweist, dass und aus welchen Gründen die Abbildung gerade seines Schwimmbades werbewirksam war; eine allgemein positive Wirkung reiche nicht aus.
OGH 10. 7. 2001, 4 Ob 66/01m, EvBl 2002/3: Das Theater in der Josefstadt führt das Stück „1000 Clowns” auf. Verschiedene Verlage behaupten, sie seien die richtigen Gläubiger für die Tantiemenzahlungen. Die Theaterbetreiberin zahlt an einen der Verlage anstatt die Aufführungstantiemen gerichtlich zu hinterlegen. Der leer ausgegangene Verlag klagt idF den anderen. – OGH erklärt § 1041 ABGB – aufgrund des weiten Verständnisses von „Sache” im ABGB – als taugliche Anspruchsgrundlage.
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VII. Subsidiarität der Kondiktionen
Die Kondiktionen (condictiones) entstammen dem römischen Recht, dem sie das ABGB nachgebildet hat. – Gerichtet sind sie noch heute auf Rückforderung oder Rückstellung des (rechts)grundlos Geleisteten oder Empfangenen; vgl § 877 oder § 921 Satz 2 ABGB: Diese Bestimmungen regeln Rückstellungspflichten im Rahmen der vertraglichen Rückabwicklung (nach Wegfall des Titelgeschäfts).
Zur Anwendung gelangen die Kondiktionen aber nur subsidiär, nämlich dann, wenn das angestrebte Ziel nicht schon auf andere Weise erreicht werden kann. Deshalb wurde eingangs von Auffangtatbeständen gesprochen. – Dh: Speziellere (Rechts)Vorschriften gehen vor; zB die Verzugs- oder Gewährleistungsregeln, aber auch Anfechtungsgründe wegen Mängeln in der Wurzel, und – vor allem – Schadenersatzansprüche wie § 1299 ABGB.
Speziellere (Rechts)Vorschriften gehen vor
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 20. 1. 2000, 6 Ob 304/99w, JBl 2000, 590: Keine Rückforderung des Honorars für eine sinnlose Stuerbereatung allein aus Bereicherungsrecht. Auf Grund des geschlossenen Vertrags besteht Subsidiarität der §§ 1431ff ABGB gegenüber Gewährleistung sowie Schadenersatz wegen Schlechterfüllung; hier § 1299 ABGB: Rspr-Änderung.
Gesetz (§ 1432 ABGB) und Rspr verweigern Kondiktionsansprüche aber auch dann, wenn speziellere Ansprüche, die ursprünglich zustanden, idF verjährt sind. Da Bereicherungsansprüche nach hA erst nach 30/40 Jahren verjähren, würden ansonsten der kurzen Verjährungszeit unterliegende Ansprüche durch die Hintertüre der Kondiktionen doch wieder einklagbar, was das Rechtsinstitut der Verjährung funktional unterlaufen würde.
Verjährte Ansprüche können nicht kondiziert werden
§ 1432 ABGB statuiert für verjährte und formungültige Schulden einen Kondiktionsausschluss; vgl dazu den Sachverhalt von SZ 61/241 → § 867 ABGB: Vertragsschlüsse mit der öffentlichen Hand – Zur Geschäftsfähigkeit von Gemeinden und oben → Auffangtatbestände – Im Bereich formungültiger Schulden anerkennt § 1432 ABGB aber das Prinzip der Heilung (sanatio) durch Erfüllung → KAPITEL 15: Die Heilung von Formmängeln: § 1432 ABGB. Nicht gedeckt werden dadurch aber durch Drohung oder Gewalt erzwungene Leistungen → §§ 870, 874 f ABGB: Täuschung und Drohung: RZ 1983/71, S. 175.
Subsidiarität eines (privatrechtlichen) Kondiktions-Rückforderungsanspruchs besteht auch insoferne, als ein sozial-, also öffentlichrechtlicher Anspruch nicht wahlweise durch eine Bereicherungsklage erfolgen kann.
Rechtssprechungsbeispiel
In SZ 71/11 (1998) wollte ein Sozialhilfeträger von ihm zu Unrecht erbrachte Leistungen vom Zahlungsempfänger zurückfordern, hatte es aber unterlassen, wie in § 72 BSVG ausdrücklich vorgesehen, einen Rückforderungsbescheid gegen den Zahlungsempfänger zu erlassen. – OGH: Die Klägerin „konnte diese klare Rechtslage nicht dadurch umgehen, dass sie anstelle der Erlassung eines Rückforderungsbescheides eine auf Bereicherung gestützte Klage einbrachte. Diese Klage wurde von den Vorinstanzen zutreffend wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.”
Die Kondiktionsregeln des ABGB werden analog auf öffentlichrechtliche Sachverhalte angewandt.
Anwendung im öffentlichen Recht
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VIII. Umfang der Rückforderung
Der Umfang der Rückforderung richtet sich danach, ob der (Leistungs)Empfänger redlich oder unredlich war. – Faustregel: Der redliche Leistungsempfänger, der von der Rechtsgrundlosigkeit der erlangten Leistung weder etwas weiß, noch dies wissen musste, hat weniger, der unredliche mehr herauszugeben als die Bereicherung; vgl §§ 330, 335 (Besitz) und § 1437 ABGB. Die Besitzregeln haben also – wie bereits ausgeführt – Bedeutung für die Kondiktionen! Vgl oben → Auffangtatbestände: GlU 3065: Schenkung einer Stute.
Beispiel
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IX. Bereicherungsrecht im ABGB?
1. Kausale und abstrakte Natur der Tradition
Das ABGB besitzt nämlich, wie das römische Recht, genau genommen – anders als das dtBGB: §§ 812 ff – kein systematisches Bereicherungsrecht, sondern nur einzelne Rückforderungsklagen (Kondiktionen), die noch dazu über das ganze Gesetzbuch unsystematisch verstreut sind; vgl §§ 877, 921 Satz 2, 1041 ff, 1174, 1431 ff ABGB. Dieses Fehlen eines systematischen Bereicherungsrechts ist aber insoferne verständlich und sogar entbehrlich, weil das ABGB vom römischen Recht auch die Lehre von Titel und Modus übernommen hat und daher nach österreichischem Privatrecht grundsätzlich alle Rechtsgeschäfte kausal, dh rechtsgrundabhängig sind; sog kausale Natur der Tradition. Gültige Rechtsübertragung setzt daher – wie wir wissen – nach österreichischem Privatrecht einen gültigen Titel und (!) einen gültigen Modus voraus, während bspw nach deutschem Recht schon ein gültiger Modus für die Eigentumsübertragung hinreicht; sog abstrakte Natur der Tradition. Fehlt nach ABGB ein gültiger Titel oder stellt sich das Titelgeschäft – wie in unserem Eingangsbeispiel (SZ 61/241) – wegen Formmangels nachträglich als ungültig heraus, kommt überhaupt kein gültiger dinglicher Rechtsübergang zustande. Mittlerweile allenfalls übertragene Leistungen können dann, da der Erwerber entgegen dem äußeren Anschein nicht Eigentümer geworden ist, vom Veräußerer sogar mit der Eigentumsklage (§ 366 ABGB) zurückverlangt werden; vgl auch § 877 ABGB.
Warum hat das ABGB kein systematisches Bereicherungsrecht ausgebildet?
Mitunter „greift” aber – wie in unserem Beispiel – die Eigentumsklage nicht, denn die Rohre sind mit ihrer Verlegung in den Boden ins Eigentum der Gemeinde übergegangen und es wäre auch unwirtschaftlich sie wieder herauszureissen. Dann muss ein kondiktionsrechtlicher Ausgleich geschaffen werden. – Das dtBGB lässt dagegen trotz nichtigen Titel- oder Grundgeschäfts Eigentum (gültig!) übergehen und braucht daher als Korrektiv und Ausgleich für diese Fälle den Bereicherungsanspruch; denn es ist bereits zu einer rechtlich gültigen (!) Vermögensverschiebung gekommen. Eine Rechtsänderung wurde – trotz des zB nichtigen Grundgeschäfts – bereits bewirkt. Das ABGB kann sich dagegen mit einer Rückstellungsanordnung – eben einer Kondiktion – wie in § 877 ABGB begnügen.
Sich wieder verstärkt an dieser österreichischen Grundintention zu orientieren, erschiene ein Gebot der Stunde. Denn niemand kann einem europäischen Privatrecht die deutsche Bereicherungsdogmatik (auch nur in ihren österreichischen Versionen) wünschen.
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2. ABGB, frCode Civil und dtBGB
In Bezug auf die Ausgestaltung der Lehre von Titel und Modus unterscheiden sich also – wie wir schon wissen – ABGB (1811), dtBGB (1900) und der frCC (1804) grundlegend. – Der frCC lässt (bei Fahrnis) Eigentum bereits grundsätzlich mit dem gültigen Titelgeschäft (Schuldvertrag) übergehen; begeht also nach ABGB gleichsam einen Anfängerfehler. – Das dtBGBvertritt nicht wie das ABGB die sog kausale Natur der Tradition, sondern löst den Modus völlig von der causa; abstrakte Natur der Tradition / Übergabe. Das ABGB dagegen hält – wie Gschnitzer sagt – „die rechte Mitte zwischen frCC und dtBGB.” Vgl → KAPITEL 2: Kausale und abstrakte Rechtsgeschäfte.
ABGB, frCC, dtBGB
Von den drei angeführten gesetzlichen Lösungen besitzt die des ABGB wohl den größten Gerechtigkeitsgehalt, ohne dabei unpraktisch, weltfremd oder inkonsequent zu sein und empfiehlt sich daher für eine künftige „europäische” Lösung. Am wenigsten überzeugt die Lösung des dtBGB. – Zu erinnern ist auch daran, dass rechtliche Lösungen der „Mitte” seit den alten Griechen (Solon, Platon, Aristoteles) als gute Lösungen anzusehen sind, zumal es nie Aufgabe des Rechts war, Extreme zu fördern. Das gilt auch für ein europäisches Privatrecht.
Gerechtigkeitsgehalt
Es ist aber in Österreich üblich, diese grundlegenden Unterschiede zum dtBGB zu übergehen.
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X. Leistungskondiktionen – Überblick
• § 877 ABGB (ähnlich schon das römische Recht): condictio sine causa = Rückforderungsansprüche wegen Fehlens eines / Ungültigkeit des Rechtsgrunds; zB wegen Form- oder Willensmangels.
• § 1174 ABGB (ähnlich römisches Recht): condictio ob turpem vel injustam causam = sog verwerflicher Empfang.
Literaturquelle
• § 1174 ABGB statuiert Ausnahmen vom Grundsatz des § 877 ABGB. Nicht zurückgefordert werden können danach Leistungen:
die „jemand wissentlich zur Bewirkung einer unmöglichen oder unerlaubten Handlung gegeben hat”; § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB.
Sowie ein „zum Zweck eines verbotenen Spieles gegebenes Darlehen”; § 1174 Abs 2 ABGB.
Das Gesetz will aber nur solchen Leistungen die Rückforderbarkeit versagen, die zur Begehung einer unerlaubten Handlung (zB Mordlohn; oder im Römischen Recht: quod meretrici datur, also das, was der Dirne gegeben wurde), nicht aber solchen, die in Erfüllung eines nichtigen Vertrags erbracht wurden; SZ 23/159 (1950). Erpresstes Lösegeld kann daher zurückgefordert werden, nicht dagegen der bezahlte Verlust im verbotenen Spiel; SZ 19/184 (1937). Zurückgefordert werden kann nach der Rspr das gegebene Schweigegeld bei Offenbarwerden eines Geheimnisses (GlU 10.161: 1884), nicht aber die der außerehelichen Geliebten geschenkten Geldbeträge; so GlU 7526 (1879). – Nicht rückforderbar wäre auch das von einer politischen Partei zB einem Polizeibeamten ausbezahlte Entgelt von monatlich 10.000 S, damit dieser aus dem Polizeicomputer für diese Partei interessante Daten illegal entnimmt.
Zur sog verbotenen Ablöse im Mietrecht nach § 27 MRG → KAPITEL 6: Anwendungsbereich des MRG.
§§ 1431–1434 sowie 1436 f ABGB(ähnlich römisches Recht): condictio indebiti = irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld. – Typisches Beispiel: Fehlüberweisung einer Bank; zB SchwFr statt ı. – Die §§ 1431 ff ABGB spielen von allen Kondiktionen des ABGB die praktisch grösste Rolle.
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1999/96: Anwendung des § 1431 ABGB auf den Rückforderungsanspruch aus einer zu Unrecht abgerufenen Bankgarantie → KAPITEL 15: Garantievertrag und Bankgarantie. Ein Werkunternehmer hatte an Stelle eines sog Haftungsrücklasses eine Bankgarantie zur Verfügung gestellt, die vom Werkbesteller zu Unrecht abgerufen wurde.
OGH 18. 1. 2000, 4 Ob 348/99a, SZ 73/10 = EvBl 2000/120: Zur Absicherung der bedingten Forderung aus einem Kooperationsvertrag zwischen A u B bestellt B eine Bankgarantie. A zediert den Zahlungsanspruch aus dieser Bankgarantie an seine Hausbank zur Absicherung eines Kredites. Diese ruft die Garantiesumme ab, obwohl die Bedingung aus dem Kooperationsvertrag nicht eingetreten ist. Kurz darauf geht A in Konkurs. B will daher gegen A’s Hausbank als Zessionar bereicherungsrechtlich vorgehen. – OGH: Die besondere Vertrauenssituation bei abstrakten Garantien verlangt, dass trotz erfolgter Abtretung des Zahlungsanspruchs der Bereicherungsanspruch des Garantieauftraggebers weiterhin nur gegen den ursprünglich Begünstigten (A als Vertragspartner des Grundgeschäftes und Zedent) besteht. (?)
Beispiele zu § 1435 ABGB: – §§ 947–953 ABGB (Schenkungswiderruf);
• Eine Sondervorschrift enthält § 1421 ABGB, wenn ein beschränkt oder voll Geschäfts(un)fähiger eine Schuld zahlt, die entweder noch nicht fällig oder überhaupt „ungewiss” ist; Satz 2 gibt dem gesetzlichen Vertreter das Recht, „das Bezahlte zurückzufordern.” – Vgl auch § 1434 ABGB. Zu § 1421 ABGB auch → KAPITEL 7: ¿Von wem¿ ist zu leisten? ¿ §§ 1421 ff ABGB.
• § 1435 ABGB (ein römisches Recht): condictio causa finita = (nachträglicher) Wegfall des ursprünglich vorhandenen Rechtsgrundes und (ein römisches Recht): condictio causa data causa non secuta = Nichteintritt des erwarteten Erfolgs.
Rechtssprechungsbeispiel
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 42/94 (1969): Brautleuten steht ein Anspruch zu, wenn sie im Hinblick auf eine beabsichtigte und dann unterbliebene Eheschließung Aufwendungen für ihren/e Partner/in gemacht haben. – § 46 ABGB gewährt zusätzlich Schadenersatzansprüche und § 1247 Satz 2 ABGB gewährt ein besonderes Schenkungswiderrufsrecht.
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XI. Sondergesetzliche Ansprüche
Nicht nur das ABGB kennt Rückforderungstatbestände, Kondiktionen oder Verwendungsansprüche, sondern auch andere Gesetze wie:
• §§ 13a und b GehaltsG; sog Übergenuss.
• § 9 EFZG: Rückforderung zu Unrecht geleisteter Erstattungsbeträge – Der Krankenversicherungsträger kann zu Unrecht geleistete Erstattungsbeträge vom Arbeitgeber zurückfordern. Das Recht auf Rückforderung verjährt binnen 2 Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Krankenversicherungsträger bekannt geworden ist, dass der Erstattungsbetrag zu Unrecht geleistet worden ist.
• § 86 UrhG (ein Verwendungsanspruch): zB Verlag produziert ohne Zustimmung einer Musikergruppe deren Lieder auf CD / MC.
Literaturquelle
• Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden mehrere Rückstellungsgesetze erlassen, um während der Zeit des Nationalsozialismus zu unrecht entzogene Leistungen (vornehmlich jüdisches Vermögen) zurückfordern zu können.
Als redlicher Erwerber einer entzogenen Sache (iSd Rückstellungsgesetze) war nur derjenige anzusehen, der von der im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus erzwungenen Veräußerung des Vermögens entschuldbarerweise keine Kenntnis gehabt hat, nicht dagegen derjenige, der vermuten musste, dass sich ihr Eigentümer nicht freiwillig, sondern nur im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtübernahme entäußern musste;
vgl die bei Heller / Rauscher aaO abgedruckten Entscheidungsnummern 151, 153 und 169 der Obersten Rückstellungskommission.
• § 27 Abs 1 Z 1 iVm Abs 3 MRG statuiert einen gesetzlichen Rückstellungsanspruch verbotener Ablösen. Derartige Ansprüche können nach Abs 3 leg cit innerhalb von 10 Jahren zurückgefordert werden und sind erleichtert nach § 37 Abs 1 Z 14 MRG im Außerstreitverfahren geltend zu machen.
• Einen richterlichen Bereicherungsausgleich gewährt der OGH nunmehr zB dann, wenn ein Arbeitgeber dadurch einen Schaden erleidet, dass einer seiner Arbeitnehmer bei einem Verkehrsunfall verletzt wird und idF nicht arbeiten kann, der Arbeitgeber aber aufgrund gesetzlicher Vorschriften (zB § 8 AngG, oder § 1154 b ABGB oder § 2 EFZG) zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, wodurch der Schaden auf ihn (als mittelbar Geschädigten) überwälzt wird; Drittschadensliquidation. Näheres → Drittschadensliquidation des Arbeitgebers bei einem Lohnfortzahlungsschaden: EvBl 1994/135.
• Zu Bereicherungsansprüchen im Konkurs (§§ 44, 46 Abs 1 Z 6 KO) mangels möglicher Ersatzaussonderung; vgl EvBl 2000/103.
• Zur „Bereicherung im öffentlichen Recht”, F. Kerschner (1983).
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XII. Entstehung von Schuldverhältnissen
Schuldverhältnisse entstehen nach § 859 ABGB entweder:
§ 859 ABGB
• aus Vertrag = vertragliche Schuldverhältnisse oder
• unmittelbar aus dem Gesetz = gesetzliche Schuldverhältnisse.
Zu den vertraglichen Schuldverhältnissen gehören die Verträge. – Zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen des Privatrechts – die deswegen so heißen, weil sie nicht auf Rechtsgeschäften und den diese konstituierenden Willenserklärungen beruhen, sondern unmittelbar auf Gesetz – zählen:
Vertragliche und gesetzliche Schuldverhältnisse
• Konsensual- und Realverträge
Verträge
• Veräußerungsverträge (Kauf, Tausch, Schenkung),
• Gebrauchsüberlassungsverträge: Miete und Pacht (sog Bestandverträge), Leihe und Darlehen;
• die Dienstleistungsverträge (Dienst- oder Arbeitsvertrag, Werkvertrag, freier Dienstvertrag, Verwahrung, Auftrag / Bevollmächtigungsvertrag);
• Gesellschaftsverträge (§§ 1175 ff ABGB: Gesellschaft bürgerlichen Rechts; die hr Personengesellschaften: OHG, KG; die eingetragenen Erwerbsgesellschaften: OEG, KEG; die Kapitalgesellschaften: AG und GmbH; die Genossenschaften);
• Sicherungsverträge (Bürgschaft, Pfandbestellungsvertrag, Garantievertrag etc);
• Glücksverträge (Leibrentenvertrag, Versicherungsverträge);
• eine Reihe weiterer Vertragstypen: wie Zession, Anweisung sowie die atypischen und die Mischverträge.
• das Recht des Schadenersatzes;
gesetzliche Schuldverhältnisse
• die ungerechtfertigte Bereicherung;
• die Geschäftsführung ohne Auftrag;
• die Gläubigeranfechtung und
• die cic.
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XIII. Entscheidungsbeispiele
Allein die beiden wiedergegebenen OGH-Urteile zeigen, dass der Bereicherungsausgleich häufig schwierige Fragen betrifft.
1. Drittschadensliquidation des Arbeitgebers bei einem Lohnfortzahlungsschaden
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1994/135 (gekürzt)
§ 1295 ABGB (§§ 1042, 1358 ABGB; § 8 AngG; § 67 VersVG) – Ersatzansprüche des Dienstgebers gegen den Schädiger seines Dienstnehmers – Drittschadensliquidation des Lohnfortzahlungsschadens eines Arbeitgebers bei Verletzung seines Arbeitnehmers durch einen Dritten.
Vorauszuschicken ist, dass der OGH solche Schäden bis zu diesem Urteil als Drittschäden (→ KAPITEL 9: Drittschäden) nicht entschädigt hat. Das Urteil stellt demnach ein Judikaturwende um 180 Grad dar! – Bereicherungsrechtlich greift der OGH hier auf § 1042 ABGB (Verwendungszusage) zurück. Kläger = Arbeitgeber des Verletzten Arbeitnehmers Erstbeklagter = Schädiger / Lenker und Halter des Unfallfahrzeuges (Lkw) Zweitbeklagter = Haftpflichtversicherer des Unfall-Lkw
Leitsatz: Wird ein Dienstnehmer bei einem Verkehrsunfall [durch einen dritten Schädiger] verletzt und ist der Dienstgeber seinem Dienstnehmer deswegen gesetzlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet, dann wird der Schaden auf den Dienstgeber überwälzt; der Schädiger hat den auf den Dienstgeber überwälzten Schaden des Dienstnehmers zu ersetzen. Bei der Überleitung des Anspruchs des Dienstnehmers auf den Dienstgeber sind § 1358 ABGB und § 67 VersVG analog anzuwenden. (Eine rechtsgeschäftliche Abtretung des Schadenersatzanspruchs durch den Dienstgeber ist also nicht erforderlich.) Der Dienstgeber hat auch Anspruch auf Ersatz der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung.
Sachverhalt: Der Kläger brachte vor, dass Josef Z seit 1.1.1988 bei ihm als Angestellter mit einem Gehalt von monatlich 28.000 S brutto beschäftigt sei. Am 23.5.1989 habe der Erstbeklagte mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Lkw Josef Z als Fußgänger verletzt. Der Erstbeklagte sei alkoholisiert und nicht im Besitz einer Lenkerberechtigung gewesen; er sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Gemäß § 8 AngG [Gesetzestext am Ende der Entscheidung] sei der Kläger verpflichtet gewesen, Josef Z während seiner durch den Unfall verursachten Dienstunfähigkeit [den Lohn] einschließlich der Dienstgeberbeiträge (Lohnnebenkosten) bis August 1989, insgesamt 121.340,83 S zu zahlen. Gemäß § 1325 ABGB habe der Schädiger im Fall der Körperverletzung dem Verletzten den entgangenen Verdienst zu ersetzen. Infolge des § 8 AngG habe Josef Z selbst keinen Verdienstentgang erlitten. Der Schaden, der ohne diese Vorschrift bei ihm eingetreten wäre, sei wirtschaftlich auf den Kläger verlagert worden. Der Kläger begehrt von den Beklagten 121.340,83 S sA. Er sei zur Geltendmachung des auf ihn verlagerten Schadens aktiv legitimiert; überdies habe ihm Josef Z alle Forderungen aus dem Verdienstentgang abgetreten. – Die Beklagten wendeten ein, dass Josef Z an dem Unfall ein mindestens gleichteiliges Mitverschulden [§ 1304 ABGB] treffe, weil er durch Stehenbleiben während des Überquerens der Fahrbahn den Unfall hätte vermeiden können. Der vom Kläger geltend gemachte Schaden sei ein nicht ersatzfähiger Drittschaden → KAPITEL 9: Drittschäden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der OGH gab der außerordentlichen Revision des Klägers Folge und hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf.
§ 8 AngG: (1) Ist ein Ang[estellter] nach Antritt des Dienstverhältnisses durch Krankheit oder Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt bis zur Dauer von 6 Wochen. Beruht die Dienstverhinderung jedoch auf einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit iSd Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung, so verlängert sich die Frist von 6 Wochen um die Dauer dieser Dienstverhinderung, höchstens jedoch um 2 Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt beträgt, wenn das Dienstverhältnis 5 Jahre gedauert hat, jedenfalls 8 Wochen; es erhöht sich auf die Dauer von 10 Wochen, wenn es 15 Jahre, und auf 12 Wochen, wenn es 25 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch je weitere 4 Wochen behält der Ang den Anspruch auf das halbe Entgelt.
§ 67 VersVG: (1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten zu, so geht der Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden. Gibt der Versicherungsnehmer seinen Anspruch gegen den Dritten oder ein zur Sicherung des Anspruches dienendes Recht auf, so wird der Versicherer von seiner Ersatzpflicht insoweit frei, als er aus dem Anspruch oder dem Recht hätte Ersatz erlangen können.
(2) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen, so ist der Übergang ausgeschlossen; der Anspruch geht jedoch über, wenn der Angehörige den Schaden vorsätzlich verursacht hat.
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2. Zweckverfehlende Arbeitsleistungen – Hausbau von Lebensgefährten
Zum Bereicherungsausgleich zwischen Lebensgefährten nach Auflösung der Lebensgemeinschaft: § 1435 ABGB.
Literaturquelle
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 53/20: Hausbau von Lebensgefährten. Kläger = Ehemaliger Lebensgefährte; Beklagter = Ehemalige Lebensgefährtin. Außerhalb einer Erwerbsgesellschaft umfasst der Kondiktionsanspruch eines früheren Lebensgefährten für Geld- und Arbeitsleistungen nur die Rückerstattung der Geldleistung und angemessenes Entgelt für die Arbeit, nicht aber einen Anteil an der Werterhöhung des gemeinsam errichteten Hauses. – OGH 31. Jänner 1980, 7 Ob 802/79 (OLG Ibk, 2 R 279/79; LG Ibk 13 Cg 3/79). Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 1,994.867 Mio S samt Anhang. Von 1963 bis Jänner 1977 sei er der Lebensgefährte der Beklagten gewesen. Die Auflösung der Lebensgemeinschaft sei deshalb erfolgt, weil die Beklagte einen anderen Mann kennengelernt und schließlich geheiratet habe. Im Jahre 1972 hätten die Streitteile mit dem Bau eines Hauses auf einem der Beklagten gehörigen Grundstück begonnen. An die Professionisten und für Baumaterialien habe der Beklagte aus eigenen Mitteln 733.865,70 S gezahlt. Für die Planungsarbeiten (Verfassung der Baupläne und Erwirkung der Baubewilligung) stehe dem Kläger ein Architektenhonorar von 357.176 S und für persönliche Arbeitsleistungen beim Hausbau ein Lohnanspruch von 320.000 S zu. An der Errichtung des Hauses K, U-Weg Nr 47, das einen Wert von 4,500.000 Mio S repräsentiere, seien die Streitteile in finanzieller Hinsicht und in bezug auf ihre persönlichen Arbeitsleistungen je zur Hälfte beteiligt gewesen. Dem Kläger stehe daher gegen die Beklagte ein Bereicherungsanspruch in der Höhe des Wertes des halben Hauses zu. Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und behauptet, dass es bereits im Jänner 1976 zur Auflösung der Lebensgemeinschaft gekommen sei, weil der Kläger Beziehungen zu einer anderen Frau aufgenommen habe. Sie habe erst im Oktober 1976 ihren jetzigen Gatten kennengelernt und im Jahre 1977 geheiratet. Der Kläger habe von der Beklagten niemals den Auftrag erhalten, für sie als Architekt tätig zu werden. Seine Leistungen habe der Kläger im Rahmen der Lebensgemeinschaft erbracht. Die Streitteile seien sich auch einig darüber gewesen, dass eine Honorierung des Klägers für seine Leistungen nicht zu erfolgen habe. Am Hausbau habe sich der Kläger weder finanziell noch durch persönliche Arbeitsleistungen zur Hälfte beteiligt. Schließlich habe er bei der Auflösung der Lebensgemeinschaft auf eine Entschädigung für alle seine Leistungen im Zusammenhang mit dem Hausbau verzichtet. Der Kläger habe daher gegen die Beklagte keinen Bereicherungsanspruch. Der Beklagten stehe hingegen aus ihren für den Kläger erbrachten Leistungen eine Gegenforderung von 555.940 S zu, die von ihr aufrechnungsweise geltend gemacht werden.
Derartige Ansprüche aus sog „zweckverfehlenden Arbeitsleistungen”, die inhaltlich nach § 1152 ABGB zu beurteilen sind, verjähren gemäß § 1486 Z 5 ABGB in 3 Jahren → KAPITEL 13: Sog Forderungen des täglichen Lebens.
Rechtssprechungsbeispiel
Vgl auch JBl 1991, 588: Wurde zwischen Lebensgefährten bei gemeinschaftlicher Bebauung eines Grundstücks zwar keine ausdrückliche Abrede über den Rechtsgrund der Zuwendungen getroffen, aber doch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Leistungen im Hinblick auf den bestimmten, dem Leistungsempfänger erkennbaren Zweck des zukünftigen gemeinsamen Wohnens erbracht werden, so begründet die Zweckverfehlung der Leistungen im Fall der Aufhebung der Lebensgemeinschaft grundsätzlich einen Bereicherungsanspruch nach § 1435 ABGB. Nur bei treuwidriger Leistungsvereitelung wird die Rückforderung ausgeschlossen. Der Treuebruch des Partners einer Lebensgemeinschaft ist wegen der rechtlichen Unverbindlichkeit des Verhältnisses kein rechtserheblicher Verstoß gegen Treu und Glauben.
SZ 24/170 (1951): Teilnichtigkeit eines verbotene und unerlaubte Leistungen enthaltenden Vertrags – Vgl die Ausführungen im Rahmen der Nichtigkeit → Wie wirkt Nichtigkeit? Die Herausgabe der Bereicherung kann auch mit Klage nach § 368 EO (sog Interessenklage) verlangt werden.
zurück E. Willensmängel – Irrtum