Kapitel
15 | |
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D. Verträge
zugunsten Dritter |
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E. Die
Form (im Privatrecht) |
Da
Form (vorschriften) ganz wesentlich auch der Sicherheit von
Rechtsakten (der Vertragsparteien oder Dritter) dient, werden Fragen
der Form hier im Rahmen privatrechtlicher Sicherungsmittel behandelt.
– Die Bedeutung der Form beschränkt sich aber nicht auf das Privatrecht
(ABGB, HGB, VersVG etc), sondern besitzt auch Bedeutung für andere
Rechtsgebiete; etwa das Arbeits- und Sozialrecht, das Verfassungs-,
Straf- und Verwaltungsrecht. | |
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I. Die Form und
ihre Entwicklung | |
1. Öffentlichkeit
und Form – Frühes Rechtsdenken | |
Die Förmlichkeit frühen Rechts hat auch damit zu tun, dass
wichtige Lebensstationen auch rechtlich von Bedeutung waren; so
Geburt, Heirat, Tod, Mündigkeit und Ehefähigkeit. – Sitte, Brauch
und Religion kleiden diese Ereignisse feierlich-rituell ein und
erfüllen für das Recht eine wichtige Publizitätsfunktion. Um die
großen Lebensstationen rankt sich wiederum ein Kranz rechtlicher
Fragen unter denen meist auch solche der Form sind: Etwa um den
Tod (Weitergabe des Vermögens an die Überlebenden; Erbrecht → KAPITEL 17: Allgemeines)
oder bei der Heirat, die aus verschiedenen Gründen (zB Kinder, Erwerb
des status familiae und des Bürgerrechts) der Form bedarf. Denn
im Falle des Todes muss das Weiterreichen des Vermögens „geordnet”
erfolgen, sollen nicht Zwist und Gewalt die Folge sein. | |
Das
hat bei uns in vorbildlicher Weise dazu geführt, dass der Staat,
als Wahrer und Garant der gesellschaftlichen Ordnung, die Erben
durch seine Gerichte ins Erbe einweist (eine Einrichtung für die
das antike griechische, nicht aber das römische Recht Vorbilder
geliefert hat); aber auch dazu, dass ’förmliche’ Testamente geschaffen
wurden, die der Tatsache Rechnung tragen, dass der (letztwillig)
Anordnende später nicht mehr gefragt werden kann, weil er tot ist.
– Der gemeinsame Nenner in beiden Fällen ist Rechtssicherheit,
der Formvorschriften in hohem Maße dienen. – Ähnliche Publizitätsbedürfnisse gelten
für Heirat, Geburt, Tod und die Vornahme bedeutender Rechtsakte
wie das Errichten von Gesellschaftsverträgen. | Rechtssicherheit |
Der starke Zusammenhang des frühen römischen Rechts mit
der Religion zeigt sich ua in Rom im Zusammenhang von Recht und
Augurentum (Sakral-Augurenrecht!) und darin, dass große Juristen
auch hohe religiöse Funktionen inne hatten; so der berühmte Rechtsgelehrte
und Augur Quintus Mucius Scaevola, der Cicero für dessen Anwaltslaufbahn
die nötigen Rechtskenntnisse vermittelte. – Für Griechenland vgl
den Beginn des platonischen Dialogs „Nomoi”; dort wird die Herkunft
der Gesetze von Göttern abgeleitet. | |
2. Entwicklung
zur Formfreiheit | |
Entgegen
dem äußeren Anschein ist das Kapitel „Form” keineswegs so langweilig
und eintönig wie man meinen könnte. Das hängt damit zusammen, dass
Fragen der Form, mögen sie auch im modernen Recht nicht mehr jene
tragende Rolle spielen wie in frühen Rechtsordnungen, immer noch
von praktischer Relevanz sind; mag es auch da und dort Überraschungen
geben. So würde man erwarten, dass der Liegenschaftskauf,
seiner Bedeutung entsprechend, auch in Österreich formpflichtig
ist. Dass dies nicht der Fall ist, haben wir bereits gehört → KAPITEL 2: Besonderheiten
des Liegenschaftskaufs. | |
Das dtBGB bestimmt bspw
in § 311 b Abs 1: „Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet,
das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben,
bedarf der notariellen Beurkundung. Ein ohne Beachtung dieser
Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig,
wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen.” | |
Das
moderne Privatrecht hat vor allem das Schuldrecht ‚entformalisiert’.
Im Schuldrecht gilt heute der Grundsatz der Formfreiheit, während
in anderen Bereichen des Privatrechts – dem Familien-, Erb- oder
Sachenrecht – Fragen der Form nach wie vor einen höheren Stellenwert bewahrt
haben, was insbesondere damit zusammenhängt, dass in diesen Bereichen
der Gedanke der Publizität / Offenkundigkeit eines Rechtsakts /
Rechtsgeschäfts eine besondere Rolle spielt. Es geht hier nämlich
häufig nicht nur um die Sicherung des konkreten Rechtsaktes selbst,
sondern auch um seine Bedeutung für andere; vgl Pfandrecht, ETV
etc. | Schuldrecht ‚entformalisiert |
Hier wird ganz allgemein bestimmt: | §
883 ABGB |
„Ein Vertrag kann mündlich oder schriftlich;
vor Gericht oder außerhalb desselben; mit oder ohne Zeugen errichtet werden.
Diese Verschiedenheit der Form macht, außer den im Gesetz bestimmten
Fällen, in Ansehung der Verbindlichkeit keinen Unterschied.” | |
Damit wird grundsätzlich Formfreiheit angeordnet. | |
Das Kapitel Form lehrt uns aber auch, wie vielfältig und
differenziert rechtliche Regelungen (über scheinbar einfachste Sachverhalte)
sein können; sie dienen unterschiedlichen Interessenlagen. Wer würde
schon so viele praktisch wichtige Fragen und Möglichkeiten im Bereich
der Schriftform erwarten? → Formzwecke
– Formfunktionen Die
Praxis ist erfindungsreich und vielgestaltig! | |
3. Äußere und innere
Form von Rechtsgeschäften | |
Spricht man von der Form
eines Rechtsgeschäfts, ist damit meist die äußere Form gemeint.
Sie besteht darin, dass zum (inneren) rechtsgeschäftlichen Konsens
auch ein nach außen hin wahrnehmbarer (Form)Akt hinzutritt, der
idR den inneren-inhaltlichen Teil des Rechtsgeschäfts uU gar nicht
berührt, aber den Geschäftsabschluss publik / öffentlich und damit
beweisbar macht; oft soll dadurch aber auch die Ernsthaftigkeit
des Abschlusses unter Beweis gestellt werden. Hierher zählt das
heute weitverbreitete Schriftformgebot oder die Beglaubigungs- oder
Notariatsaktspflicht. Vgl auch → Formzwecke
– Formfunktionen
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Die
Sanktion im Falle einer Formverletzung weist die große Bandbreite
von angeordneter Nichtigkeit, über Gültigkeit und Verwaltungsstrafe,
bis zur Unbeachtlichkeit von Formverletzungen auf → Die
Schriftform
| Sanktion |
Von der äußeren ist
die innere Form von Rechtsgeschäften zu unterscheiden,
die den inhaltlichen Teil des jeweiligen Rechtsgeschäfts berührt,
also nicht nur äußerlich bleibt, mag auch hier die Sanktion im Verletzungsfall
variieren. | Innere Form |
Beispiel ist die ins Vertragsinnere gelegte
Form bei den Realverträgen, bei denen die Übergabsverpflichtung
als eine Art Moduselement einen integralen Bestandteil des Rechtsgeschäfts
selbst darstellt. | |
Diese
innere Form will – sie stammt aus alter Rechtskultur – auf einfache
Weise Streit vermeiden und der Rechtssicherheit dienen, indem das
gemachte Versprechen ohne reale Entsprechung, also Übergabe, keinen
einklagbaren (Haupt)Vertrag entstehen lässt, sondern zB nur einen
abgeschwächten Vorvertrag; vgl § 983 ABGB. Hier dient, die in den
Typus integrierte Verbindung von Titel und Modus dem Zweck, das
Rechtsgeschäft möglichst in einem Akt zu schließen und zu erfüllen;
und nicht nur dem formalen Zweck, es in ein besonderes „Kleid” zu
stecken. Diese „Koppelung” von Titel und Modus dient auch der Rechtssicherheit
und Streitvermeidung. | |
Frühe antike griechische Rechte gingen noch
weiter und versagten bspw (Kredit)Kaufverträgen, die nicht Zug um Zug
erfüllt wurden, überhaupt die Rechtsdurchsetzung. – § 983 ABGB ist
hier mit seiner „Vorvertragssanktion” schon deutlich moderater. | |
Das ABGB von 1811 setzte die äußere Form(pflicht)
nur sehr moderat ein. Das von Martini dem bürgerlichen Recht zugrunde
gelegte Freiheitsdenken setzte sich auch nach seinem Tode durch. Formpflichtig
nach dem ABGB war nur der Ehevertrag,
der nach § 75 ABGB aF vor Zeugen geschlossen werden musste, und Schenkungen
ohne wirkliche Übergabe bedurften nach § 943 der einfachen
Schriftform und die Annahme an Kindes Statt und
die Übernahme in Pflege mussten gerichtlich bestätigt
werden; §§ 181, 186 ABGB aF. – Wette und Spiel (§§
1271 und 1272) gewährten nach dem Vorbild der Realkontrakte nur
dann ein Klagerecht, wenn der „bedungene Preis nicht bloß versprochen;
sondern wirklich entrichtet, oder hinterlegt worden ist”; zu den
Glücksverträgen → KAPITEL 12: Glücksverträge ¿ Gewagte Geschäfte. Die Sanktion einer Verletzung der äußeren (Übergabs)Form
bestand hier im Versagen der Einklagbarkeit; bei den Realkontrakten
schwächte das ABGB dies zum bloßen Zustandekommen eines Vorvertrags
und § 936 ABGB ab. – Im Gegensatz zum ABGB – das weder für Ehepakte,
Gütergemeinschaft, Gesellschaftsverträge und Liegenschaftskaufverträge
eine Form verlangte – kannten ALR und frCC umfassende Schriftform- und
Beurkundungsgebote. | Äußere
Form |
4. Bundesgesetz
über elektronische Signaturen | |
Von H. Ortner | |
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Den vorläufig letzten Schritt zur Formsicherheit
stellt das SignaturG / SigG, BGBl I 1999 / 190 dar.
Es regelt die Form beim Abschluss von Rechtsgeschäften unter Heranziehung
von Computern. | §
4 Abs 1 SigG |
Danach
erfüllt eine „sichere elektronische Signatur [Legaldefinition in
§ 2 Z 3 leg cit] ... das rechtliche Erfordernis einer eigenhändigen
Unterschrift, insbesondere der Schriftlichkeit iSd § 886 ABGB, sofern
durch Gesetz oder Parteivereinbarung nicht anderes bestimmt ist.” | |
Hier werden Ausnahmen
statuiert: | § 4 Abs 2 SigG |
• für Rechtsgeschäfte
des Familien- und Erbrechts, | |
•
andere Willenserklärungen
oder Rechtsgeschäfte, die zu ihrer Wirksamkeit an die Form einer öffentlichen Beglaubigung,
einer gerichtlichen oder notariellen Beurkundung oder
eines Notariatsakts bedürfen; | |
• für Formerfordernisse zur Eintragung ins Grundbuch oder Firmenbuch (→ Das
Firmenbuch / FB)
etc, und schließlich | |
•
für
die Verpflichtungserklärung des Bürgen nach § 1346
Abs 2 ABGB. | |
Privatrechtlich interessant sind ferner bspw:
– § 21 SigG (Pflicht des Signators die Signaturerstellungsdaten sorgfältig
zu verwahren etc); – § 22 SigG (Datenschutz); – § 23 SigG (Haftung
der Zertifizierungsstellen). | |
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II. Die Form im
modernen Privatrecht | |
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Der Schriftform unterliegen
vor allem praktisch bedeutsame Vertragsabschlüsse, wobei die Verletzung
gesetzlich vorgeschriebener Formpflicht ganz verschieden sanktioniert wird:
Die Bandbreite der Sanktionen reicht – wie erwähnt
– von schlichter Ungültigkeit bis zu verbleibender Gültigkeit des
Rechtsgeschäfts, mag auch den Verletzer (wie beim Ratenbrief) eine
Verwaltungsstrafe treffen → KAPITEL 2: Gesetzliche
Voraussetzungen. | |
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Form wird heute idR als Publizitätsform (Öffentlichkeit
des Rechtsakts) und Schutzform (für schwächere
Partner) eingesetzt. – Unterschieden wird ferner zwischen: | |
•
gesetzlicher (§
883 ABGB) oder | |
• sog gewillkürter Form (§ 884
ABGB), die von den Parteien eines Rechtsgeschäfts freiwillig übernommen
wird. | |
Die Entwicklung verläuft von starrer Formpflicht
/ Rechtsformalismus, zu Formfreiheit. Allerdings kommt es immer wieder
auch zu neuen Formvorschriften. – Das ABGB von 1811 ist weniger
formabhängig als die Parallelkodifikationen in Europa: ALR 1794
und frCC 1804. | |
2. Formzwecke
– Formfunktionen | |
Die Form dient sowohl den
Parteien eines Rechtsgeschäfts (sog innere Form), als auch anderen
insbesondere öffentlichen Zwecken (sog äußere Form); zB Abschlussklarheit
für die Parteien selbst und Übergabsform, die auch für dritte Personen
(zB Gläubiger) eine Rechtsänderung erkenntlich macht. Man denke
etwa an das Verbücherungsgebot des § 297a ABGB (Maschinenparagraph → KAPITEL 8: §
297a ABGB ¿ Der ¿Maschinenparagraph¿).
– Daneben existieren weitere Formzwecke, die idF dargestellt werden
sollen: | |
Und
zwar für die Parteien selbst: Dadurch soll das
verbindliche, weil gültig geschlossene Rechtsgeschäft vom Nicht-Rechtsgeschäft abgegrenzt
werden! | |
Frage: Wurde der Vertrag schon geschlossen?
Das ist nicht immer so selbstverständlich zu beantworten wie man meint.
So können dem Vertragsschluss lange Korrespondenzen und andere Kontakte
vorausgehen. | |
Was ist bspw Inhalt der testamentarischen Anordnung, was
Gegenstand eines sonstigen Vertrags oder Rechtsgeschäfts. – Die
Form dient hier auch als Gedächtnisstütze und Klarstellung des jeweiligen
Geschäftsinhalts; vgl die einseitige Schriftlichkeit beim kaufmännischen
Bestätigungsschreiben. | |
Inhalts- und Abschlussklarheit dienen vornehmlich
der Rechtssicherheit der am Rechtsgeschäft beteiligten Parteien.
In diesem Zusammenhang wird auch vom Garantiewert der
Form gesprochen. | |
Typisch
für diesen Formzweck ist die Regelung des § 1346 Abs 2 ABGB; Bürgschaft:
Einseitige Schriftform für die Verpflichtungserklärung des Bürgen. | |
Typisch kommt dieser Formzweck im Arbeitsrecht
vor; zB Schriftform für den Abschluss eines Lehrvertrags nach §
12 Abs 1 BAG gekoppelt mit Inhaltsvorschriften: Abs 3 – „Der Lehrvertrag hat
zu enthalten …”. | Schutzform für
sozial Schwächere |
Die Form erleichtert einen nachträglichen Beweis des Vereinbarten,
denn sie stellt nicht nur klar, dass, sondern auch wie und wofür
ein Rechtsgeschäft abgeschlossen wird. | |
Publizität
dient der Offenkundigkeit von Rechtsakten. Dieser schon mehrfach
angesprochene Formzweck wird bspw vorbildlich vom Grundbuch (Übergabsform)
erfüllt; vgl aber auch die Eheschließungsform und die Übergabsmodalitäten
der §§ 426 ff ABGB für bewegliche Sachen. | |
Dafür
dient zB die Notariatsaktpflicht nach § 1 NotZwG für Ehepakte und
für zwischen Ehegatten abgeschlossene Kauf-, Tausch-, Renten- und
Darlehensverträge sowie Schuldbekenntnisse und ganz allgemein für
Schenkungen ohne wirkliche Übergabe; § 943 ABGB. | |
Die Formpflicht kann
auch als Anlass für Rechtsberatung dienen. Das trifft etwa auf das
notarielle oder gerichtliche Testament zu. Vgl auch § 55a EheG:
einvernehmliche Scheidung. | |
Vgl auch die immer wieder geführte Diskussion
um eine Formpflicht für das Eingehen nichtehelicher Lebensgemeinschaften. | |
Rechtliche Form erschwert auch Fälschungen, Umgehungen und
Scheingeschäfte. | Fälschungen,
Umgehungen, Scheingeschäfte |
Und schließlich war die Form und ist noch heute Anknüpfungspunkt
des Fiskus für Steuern und Abgaben; vgl die beim Liegenschaftskauf
vom Finanzamt einzuholende Unbedenklichkeitsbescheinigung (Grundbuch). | |
Arten von Formvorschriften – Überblick
Mündlich
Das bedeutet Formfreiheit!
| <-> |
Schriftlich
Einfache und
qualifizierte
|
Gesetzlich
| <-> |
Gewillkürt / Kraft Parteiwillens; § 884 ABGB
|
Öffentlich
Mitwirkung von:
Gericht oder Notar
| <-> |
Privat
|
Einseitig ZB § 1346 Abs 2 ABGB
| <-> |
Zweiseitig: Normale Unterschriftsform
| Mit Zeugen: Zeugentestament | <-> |
Ohne Zeugen
|
Formwirkung kann sein: deklarativ: Form berührt
Gültigkeit nicht; zB Ratenbrief
| <-> |
konstitutiv
Form ist Gültigkeitserfordernis; zB
§ 884 ABGB: gewillkürte Form
|
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3. Verschiedene
Fragen der Schriftform | |
Wir unterscheiden – wie
im Kasten dargestellt – zwischen einfacher und qualifizierter Schriftform.
– Die einfache Schriftform meint die schlichte eigenhändige Unterschriftsform.
Sie berührt den „Inhalt / Text” eines Rechtsgeschäfts nicht, weshalb
dieser beliebig abgefasst werden kann. | Einfache
und qualifizierte Schriftform |
Eine Steigerung
kennt aber bereits § 578 ABGB (eigenhändiges oder holographes Testament → KAPITEL 17: Eigenhändiges
schriftliches Testament):
„ ... eigenhändig schreiben, und [!] eigenhändig mit seinem Namen unterfertigen”.
– Dies ist schon eine qualifizierte Schriftform. | |
Sie soll identifizieren und perfektionieren.
– Die Unterschriftsform deckt nur, was oberhalb der Unterschrift
steht; allfällige Nachträge müssen erneut (unterhalb des neuen Textes)
unterfertigt werden. | Eigenhändige
Unterschrift |
Mitunter
ordnet das Gesetz an, dass für die Unterschriftsform auch eine Nachbildung
der eigenen Unterschrift ausreicht; sog Faksimile:
zB § 39 Abs 1 VersVG. | Faksimile |
| Telegramme, Kopien, Telefax oder
e-mail |
Beispiele für qualifizierte Schriftform:
– Eingeschriebener Brief: zB für Kündigung oder Mängelrüge; – gerichtliche oder
notarielle Beurkundung: zB für den Abschluss von Gesellschaftsverträgen;
– gerichtliche oder notarielle Beglaubigung: zB Unterschriften der
Kaufvertragsparteien für das Grundbuchsgesuch. | |
Was
bedeutet eine Blankounterschrift ? – Unterschriften
auf einem leeren Zettel, einer nicht vollständigen Urkunde oder
einem Formular bedeuten rechtlich eine Ausfüllungsermächtigung.
Der Rechtsakt ist gültig und Missbrauch – dh nicht vereinbarungs-
oder erwartungsgemäßes Ausfüllen zB der Urkunde – berechtigt zur
Anfechtung nach den §§ 870 und 871 ff ABGB. Nach diesen Vorschriften
haftet der seine Ermächtigung Missbrauchende demjenigen, der das
Dokument blanko unterfertigt hat. | Blankounterschrift |
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Korrekt
haben der Vertreter oder der Bote mit
eigenem Namen zu unterschreiben und einen Zusatz anzufügen, der
auf ihre Vertreter- oder Botenrolle hinweist. | Unterfertigung durch Stellvertreter oder Boten |
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Verträge
müssen immer von beiden Vertragsparteien unterfertigt werden;
vgl § 886 ABGB: „Ein Vertrag ... kommt durch die Unterschrift der
Parteien ... zustande.“ Das bedeutet aber nicht, dass sich beide
Unterschriften auf der selben Vertragsurkunde befinden müssen; vielmehr
besteht die Möglichkeit von Brief und Gegenbrief, Schluss und Gegenschluss,
Versicherungsvertrag und Versicherungspolizze. – Die Urkunden müssen
dabei deckungsgleich sein. | Unterfertigung durch beide Vertragsparteien |
Wenn Sie als Käuferin oder Käufer einen
Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung unterschreiben, ohne dass
die Verkäuferseite gegenzeichnet, ist der Vertrag noch nicht geschlossen.
Daher sollte sicherheitshalber Zug um Zug-Unterfertigung vereinbart
oder doch eine Unterfertigungs(end)frist oder -datum für die Verkäuferseite
oder allenfalls ein Datum für das Ende der eigenen Bindung festgelegt
werden. | |
Üblicherweise
trifft die Schriftform beide Vertragsparteien. In manchen Fällen
verlangt das Gesetz die Einhaltung der Schriftform aber nur von
einem Vertragsteil. | |
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Beim Notariatsakt wird
das Rechtsgeschäft selbst vor dem – nicht vom! – Notar geschlossen
oder ein bereits abgeschlossenes Rechtsgeschäft erneuert und vom
Notar beurkundet; §§ 52 ff NO. – Der Notariatsakt stellt eine öffentliche
Urkunde dar. | Notariatsakt
und
notarielle Beglaubigung |
Nach dem NZwG 1871 besteht für bestimmte
Rechtsgeschäfte / Verträge bei sonstiger Nichtigkeit Notariatsaktpflicht. | |
Mit der notariellen Beglaubigung
wird
nur die Identität der Unterschrift eines bereits in einer privaten
Urkunde dokumentierten Rechtsgeschäfts bezeugt, indem vor Gericht
oder vor dem Notar erneut unterschrieben wird und die beiden Unterschriften
miteinander verglichen werden; §§ 76 ff NO. – Die Beglaubigung kann
auch der Richtigkeit einer Abschrift oder einer Übersetzung gelten. | |
Bis
1916 galt § 887 aF ABGB. Danach war auf mündliche Nebenabreden bei
schriftlichen Verträgen „kein Bedacht zu nehmen”. Diese Bestimmung
wurde durch die III. TN aufgehoben, was Rechtsunsicherheit zur Folge
hatte. – Auch heute gilt jedoch grundsätzlich: Nicht in den Vertrag oder
eine Urkunde aufgenommene Vereinbarungen gelten auch nicht. Das
Gegenteil müsste (von dem, der dies behauptet) bewiesen werden!
Formlose Nebenabreden sind aber heute nach geltender Rechtslage
nicht auf jeden Fall ohne Bedeutung! | |
In Verträgen und Formularen wird immer wieder
versucht mündliche Nebenabreden auszuschließen. Vgl aber § 10 Abs
3 KSchG, wonach die Rechtswirksamkeit formloser Erklärungen eines
Unternehmers oder seines Vertreters zum Nachteil eines Verbrauchers
vertraglich nicht ausgeschlossen werden können. | |
Die Punktation des § 885
ABGB ist ein von den Parteien unterfertigter „Aufsatz über die Hauptpunkte”
eines Vertrags. Sie ist bereits perfekter Hauptvertrag und
nicht nur Vorvertrag iSd § 936 ABGB → KAPITEL 6: Vorvertrag
<-> Punktation.
Die Punktation gewährt bereits einen Erfüllungsanspruch. | |
Funktional soll sie einen gültigen förmlichen Vertragsschluss
erleichtern, zumal das Rechts- und Wirtschaftsleben flexible Rechtsinstrumente
braucht. Die Punktation ist ein solches. Lange und oft schwierige
Verhandlungen sollen, vielleicht zu später Stunde, noch erfolgreich
abgeschlossen werden können. Es gilt dabei sehr oft die Gunst der
Stunde (die Griechen nannten sie: Kairós) zu nützen. Wer weiß, ob
der Vertrag am nächsten Tag noch zustande käme? – Die Punktation
hilft hier weiter. Bei ihr fehlt nur noch die Reinschrift des
Vertrags, also die Errichtung der (förmlichen) Urkunde. – Zu achten
ist bei der Ausfertigung der Urkunde aber darauf, dass keine neuen
Zusätze, die nicht vereinbart worden sind, aufgenommen werden. | |
Eine allenfalls notwendige Auslegung oder Lückenschließung
der vielleicht nur stichwortartig verfassten Punktation hat durch
die Vertragsauslegungsnorm des § 914 ABGB zu erfolgen; danach ist
„die Absicht der [!] Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu
verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht“. | |
Zur Bedeutung der Formpflicht eines Hauptvertrags für vertragliche
oder rechtsgeschäftliche Vorakte gilt: Ist der Hauptvertrag formpflichtig,
gilt das auch für seine Vorakte, insbesondere Antrag und Annahme,
aber auch den Vorvertrag. Es ist aber möglich, Gegenteiliges zu
vereinbaren. |
Form
für Offerte und
Vorvertrag? |
Ein Aspekt der Vertragsfreiheit ist die Formfreiheit. Von
zwingenden gesetzlichen Formvorstufen abgesehen entscheiden also
die Parteien unter welchen Formvoraussetzungen sie an den Vertrag gebunden
sein sollen. | |
4. Die
Heilung von Formmängeln: § 1432 ABGB | |
Unterlaufene Formverstöße können
durch nachträgliche Erfüllung des Rechtsgeschäfts geheilt werden,
mag das auch nicht immer gelten; sog Heilung/Sanierung, sanatio
(ex radice). – Darin gelangt der Gedanke zum Ausdruck, dass es vorrangiges
Ziel ist, den Vertrag oder das Rechtsgeschäft aufrechtzuerhalten;
sog favor contractus. | sanatio
ex radice |
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Auch das (häufige)
Nichteinhalten der gesetzlichen Formvorschrift für ein bloßes Schenkungsversprechen wird
durch nachträgliche Erfüllung desselben geheilt; vgl dazu SZ 45/35 (1972): „Wirkliche Übergabe”
einer Liegenschaft iSd § 943 ABGB und § 1 Abs 1 lit d NZwG: Ist
das eine Liegenschaft betreffende formlose Schenkungsversprechen
( → KAPITEL 3: Form
der Schenkung?) durch bücherliche Einverleibung des Beschenkten
erfüllt, dann kann nicht mehr auf Rückübertragung des Eigentumsrechts
wegen fehlender Notariatsaktform geklagt werden. | |
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Vgl auch JBl 1975, 161: Vorvertrag
der „Tiroler Tageszeitung” mit Redakteur (Dr. N.) der dadurch Chefredakteur
werden soll, wird nicht schriftlich abgeschlossen, obwohl das vereinbart
war, wird in der Folge aber zum Teil erfüllt. – OGH deutet Teilerfüllung
als Aufgeben der gewillkürten Form für den Vertragsrest! | |
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OGH 16. 5. 2001, 6 Ob 66/01a, JBl 2002, 242:
Erblasser hinterlässt formungültiges Testament (Erben unterschrieben
als Zeugen des fremdhändigen Testaments). Nur zwei der drei gesetzlichen
Erben anerkennen das Testament. – OGH lehnt eine Sanierung ab,
weil dafür alle in Betracht kommenden gesetzlichen Erben das formungültige
Testament vor Entscheidung des Abhandlungsgerichtes vorbehaltlos
anerkennen müssen. | |
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| Abbildung 15.49: Formzwecke (1) |
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| Abbildung 15.50: Formzwecke (2) |
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| Abbildung 15.51: Schriftform (1) |
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| Abbildung 15.52: Schriftform (2) |
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| Abbildung 15.53: Schriftform (3) |
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| Abbildung 15.54: Schriftform (4) |
|
| Abbildung 15.55: Schriftform (5) |
|
| Abbildung 15.56: Schriftform (6) |
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| Abbildung 15.57: Schriftform (7) |
|
| Abbildung 15.58: Schriftform (8) |
|
| Abbildung 15.59: Schriftform (9) |
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III. Die
Umdeutung oder Konversion | |
1. Zur Funktion
der Konversion | |
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Die Umdeutung ist ein
rechtstechnisches Mittel, um Rechtsgeschäften und Verträgen (doch
noch) Gültigkeit zu vermitteln, obwohl das konkrete Rechtsgeschäft
oder der Vertrag in der vorgenommenen Form ungültig sind. – Die
Konversion – ein Interpretationsakt – deutet ein fehlerhaftes Rechtsgeschäft
in ein zulässiges um. Das ist nur möglich, wenn der Parteiwille (iSd
§ 914 ABGB) eine solche Umdeutung duldet und auch der Gesetzeszweck dies
zulässt; vgl unten § 140 dtBGB. Es geht dabei um ein größtmögliches
Aufrechterhalten des rechtsgeschäftlichen Inhalts, wenngleich in
einem neuen, rechtlich zulässigen Gewande. | fehlerhaftes
RG wird in zulässiges umgedeutet |
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Das ABGB kennt keine Regelung der Umdeutung, wohl aber das
dtBGB in § 140: | |
„Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft
den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das Letztere, wenn
anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit
gewollt sein würde.” | |
Rspr
und Lehre haben diese deutsche Regelung gleichsam als Analogiebasis verstanden,
was sich iVm § 7 ABGB gewohnheitsrechtlich verfestigt hat. – Rechtshistorisch
ergänzt werden kann dieses Ergebnis durch einen Hinweis auf § 914
aF ABGB, der durch die III. TN beseitigt wurde. Sein zweiter Satz
lautete: | |
”„nsbesondere soll ein zweifelhafter Vertrag
so erklärt werden, daß er keinen Widerspruch enthalte, und [!] von Wirkung
sei.“ | |
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D. Verträge
zugunsten Dritter |
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