Kapitel 17 | |
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A. Erbrecht |
C. Die
gesetzliche Erbfolge |
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B. Das
Testament: §§ 552 ff ABGB |
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Eingangs
wurde auf den historischen Entstehungszusammenhang von Familienrecht
und Erbrecht (E. Gans) hingewiesen. Beide Rechtsgebiete weisen insbesondere
in der Frühzeit (auch) Verbindungen mit dem Totenkult auf.
In diesem Konnex liegt auch eine Wurzel für die Entstehung des Testaments
und die Testierfreiheit des kinderlosen Erblassers, worüber uns
das griechische und idF auch das römische Recht Aufschlüsse liefern:
Hinterließ in Athen oder Rom ein Erblasser weder eine (Manus)Ehefrau,
noch eigene Nachkommen, brauchte er jemand anderen, um den Totenkult
besorgen zu lassen. Das führte einerseits zur Entwicklung der Adoption und
andrerseits allmählich zur Anerkennung von Testamenten,
also letztwilligen Verfügungen über den Kreis von Familie und Verwandtschaft hinaus;
vgl für Rom etwa Manthe, Geschichte des römischen Rechts 32 ff (2000).
– Der erste Schritt zu dieser bedeutenden rechtshistorischen Entwicklung
war aber ein griechischer, der Zusammenhänge mit dem Totenkult längst hinter
sich gelassen hatte. Solon hatte im Rahmen seiner
berühmten Gesetzgebung (594/3 v. C.) dem kinderlosen Erblasser Testierfreiheit
gewährt und dadurch einen wichtigen profanen Entwicklungsschritt
in Richtung des „modernen” Testamentsrechts, aber auch des Rechtssubjekts
und der Rechts- und Geschäftsfähigkeit gesetzt. Das antike griechische
Rechtsdenken wies in diesem Zusammenhang auch weitere interessante
Besonderheiten auf; insbesondere achtete es sehr darauf, daß das
Familienvermögen – der Oikos – möglichst erhalten blieb. Das führte zu
interessanten Regelungen im Familienrecht (etwa Epikleros / Erbtochterrecht)
und wie erwähnt im Erbrecht und vor allem auch dem Sachenrecht,
Erhalt von Grund und Boden der Bürger: sog gebundenes Bodenrecht (E.
Schönbauer, 1952). | rechtsgeschichtlicher Entstehungszusammenhang |
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I. Testament und
Kodizill | |
Will ein/e Erblasser/in selber
(!) entscheiden, wer, was erben soll, müssen sie testieren; testamentarische
im Gegensatz zur gesetzlichen Erbfolge. – Letztwillige Verfügungen
sollten sorgfältig und mit Bedacht auf ihre Wirkungen erstellt werden.
Ist doch ihre Korrektur oft nicht mehr möglich. Ältere Testamente
sollten nach einigen Jahren allenfalls revidiert werden. – Dazu
rät schon Cicero in den „Tusculanae disputationes” / Gespräche in
Tusculum (Reclam UB 5028). | |
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„Die Anordnung, wodurch ein Erblasser sein Vermögen,
oder einen Teil desselben einer oder mehreren Personen widerruflich
[!] auf den Todesfall [!] überlässt, heißt eine Erklärung
des letzten Willens.” | |
Damit
wird klargestellt, dass Testamente bis zum Tod des/r Eblassers/in frei –
dh ohne Rücksichtnahme auf etwa eingesetzte Personen – widerrufen werden
können → Widerrufbarkeit
von Testamenten
| Widerruflichkeit von Testamenten |
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§ 553 ABGB grenzt – wie das römische Recht –
das Testament vom Kodizill ab: Das ist letzter Wille mit anderen
Verfügungen und ohne Erbeinsetzung. Kodizille enthalten zB die letztwillige Bestellung
eines Vormunds oder das Aussetzen eines Vermächtnisses. – Gschnitzer
(Erbrecht) meint in Bezug auf diese Unterscheidung: | |
„Im Sprachgebrauch heisst aber letzter Wille
Testament, und für das Kodizill gelten dieselben Bestimmungen, ausgenommen
die Auslegungsregeln zweifelhaften Wertes der §§ 713, 714 [ABGB].” | |
Das ABGB erwähnt das Kodizill auch noch an anderen Stellen:
§§ 578, 695, 714-716, 721. | |
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SZ 22/210 (1949): Der Gültigkeit
eines mündlichen Kodizills steht nicht entgegen
(gemeint ist wohl eine Konversion; vgl Binder, Konversion 144 → KAPITEL 15: Die
Umdeutung oder Konversion),
dass der Erblasser ein schriftliches Kodizill beabsichtigt hat.
Ein in schriftlicher Form als Kodizill nicht gültiges, aber sofort
bei Errichtung des letzten Willens niedergeschriebenes und von drei
Zeugen unterschriebenes Schriftstück steht einer schriftlichen Aufzeichnung
iSd §585 ABGB gleich. | |
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SZ 62/131 (1989): Ist nur die Erbeinsetzung
der Ehegattin, nicht aber die Beschränkung der Kinder auf den Pflichtteil
formungültig, so ist im Erbrechtsprozess die Absicht des Erblassers
festzustellen, ob auch in diesem das negative Testament Bestand
haben sollte. (Ein negatives Testament enthält
keine positive Erbeinsetzung und wird daher iSd § 553 ABGB als Kodizill
verstanden.) | |
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3. Gültigkeitsvoraussetzungen
– Testierfähigkeit | |
Beurteilungszeitpunkt für die Gültigkeit
einer letztwilligen Verfügung ist der Zeitpunkt ihrer Errichtung;
§§ 575, 576 ABGB. Der/die ErblasserIn muss testierfähig sein.
Diese Fähigkeit tritt vollständig mit Vollendung des 18. Lebensjahres
ein. – Unmündige können nach § 569 ABGB überhaupt
nicht testieren, mündige Minderjährige aber bereits
mündlich vor Gericht oder einem Notar; sog öffentliches Testament. | Zeitpunkt
der Errichtung |
Wird eine letztwillige Verfügung
unter Zwang oder Anwendung von List errichtet,
ist sie anfechtbar. – Zum wesentlichen Irrtum des
Erblassers: § 570 ABGB. § 571 ABGB folgt der Maxime: falsa demonstratio
non nocet. | |
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§
577 ABGB zählt die Testamentsformen auf: | |
„Man kann außergerichtlich oder gerichtlich,
schriftlich oder mündlich; schriftlich aber mit, oder ohne Zeugen testieren.” | |
Ein Erblasser kann – will er außergerichtlich und schriftlich
testieren – entweder: | Außergerichtlich
und schriftlich |
•
den gesamten
Text eigenhändig schreiben und unterschreiben: sog eigenhändiges oder holographes
Testament (§ 578 ABGB; vgl das Beispiel → Testamentsbeispiele); | |
Ein (wenn auch selbst) maschinengeschriebener
oder „gemailter” Text reicht für ein eigenhändiges Testament daher nicht
aus, wohl aber ein stenographisch verfasster. | |
•
oder ihn von
einer anderen Person schreiben lassen und eigenhändig unterfertigen:
sog fremdhändiges oder allographes Testament;
§§ 579–581 ABGB (vgl das Beispiel → Testamentsbeispiele).
Bei dieser Testamentsform genügt aber die bloße Unterschrift des/r
Testierenden nicht. Es braucht auch die Unterschrift von drei Zeugen. | |
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OGH 16. 5. 2001, 6 Ob 66/01a, JBl 2002, 242:
Erblasser hinterlässt formungültiges Testament (Erben unterschrieben
als Zeugen eines fremdhändigen Testaments). Nur zwei der drei gesetzlichen
Erben anerkennen das Testament. – OGH lehnt eine Sanierung ab, weil
dafür alle in Betracht kommenden gesetzlichen Erben das formungültige
Testament vor Entscheidung des Abhandlungsgerichtes vorbehaltlos anerkennen
müssen. | |
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Ein gültiges Testament kann auch mündlich vor 3
Zeugen errichtet werden; §§ 584-586 ABGB: Mündliches Zeugentestament.
– Die Testamentspraxis zeigt, dass dabei immer wieder Fälschungsgefahr
besteht. Auf der anderen Seite gilt es die Vielfalt privatautonomer
Erklärung zu erhalten, denn auch die Sorge beruflicher Interessenvertretungen
trägt nicht nur selbstlose Züge. | Mündliches
Zeugentestament |
Vgl etwa die folgende Zeitungsmeldung: „Testament
nicht mehr mündlich. – Die Abschaffung der mündlichen Testamente
verlangt die Notariatskammer als Konsequenz aus dem Fall
Blauensteiner. Die mutmaßliche Mörderin soll versucht haben,
einen Detektiv gegen Zahlung von 300.000 S zur Bestätigung eines
mündlichen Testaments zu überreden. Für ein mündliches Testament
genügt es, dass der letzte Wille vor 3 Zeugen geäußert wird – mit
dem Problem, dass die Aussagen nach Jahren nicht mehr übereinstimmen
....” (Aus: Der Standard, 1.2.1996, S. 4) | |
Die §§
585, 586 ABGB regeln also das außergerichtliche mündliche (Zeugen)Testament
und verlangen dafür, „drei fähige Zeugen, welche zugleich gegenwärtig,
und zu bestätigen fähig sind, dass in der Person des Erblassers
kein Betrug oder Irrtum unterlaufen sei” und dieser vor ihnen ernstlich seinen
letzten Willen erklärt habe. – Erinnerungslücken der Zeugen befürchtend,
ordnet § 585 Satz 2 ABGB an: | |
„Es ist zwar nicht notwendig, aber vorsichtig,
daß die Zeugen entweder alle gemeinschaftlich, oder ein jeder für
sich zur Erleichterung des Gedächtnisses, die Erklärung des Erblassers
entweder selbst aufzeichnen, oder, so bald als möglich, aufzeichnen
lassen.” | |
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SZ 69/161 (1996) mwH: Stimmen die
Aussagen der eidlich vernommenen Zeugen eines mündlichen Testaments in
den für die Erbeinsetzung wesentlichen Fragen nicht überein, liegt
ein Mangel der äußeren Form des Testaments vor (vgl die Marginalrubrik
vor § 577 ABGB), der zur Zurückweisung der auf eine solche Anordnung
gestützten Erklärung nach § 122 AußStrG führt. | |
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SZ 71/7 (1998): Formungültiges
gerichtliches Testament
→ KAPITEL 12: Rspr-Beispiele. | |
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OGH 27. 2. 2002, 3 Ob 30/02m, JBl 2002, 518:
Eine Woche vor seinem Tod erklärt der Erblasser im Beisein von vier
Freunden: „Männer, ich sage euch jetzt etwas! Wenn mit mir etwas
passiert, bekommt alles die Christina” [seine Lebensgefährtin].
Die Schwester des Erblassers begehrt die Feststellung, dass keine formgültige
letztwillige Verfügung vorliegt. – OGH: Zu den Gültigkeitserfordernissen
bei der privaten mündlichen letztwilligen Verfügungen gehört auch
das Bewusstsein der Zeugen, als Zeugen einer solchen Verfügung fungiert
zu haben, was hier angenommen wird. (Dem erbrechtlichen Willensprinzip wird
vorbildlich Rechnung getragen.) | |
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| Abbildung 17.3: Private Testamentsformen |
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| Abbildung 17.4: Öffentliche und Nottestamente |
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Hält
ein/e Erblasser/in im Rahmen des Testierakts die gesetzlichen Formvorschriften
nicht ein, „so ist die letzte Willenserklärung ungültig”; § 601
ABGB. – Die Formstrenge des Erbrechts hat ihren
Grund darin, dass die Echtheit letztwilliger Verfügungen sichergestellt
und Fälschungen möglichst verhindert werden sollen. | Rechtsfolgen eines Formmangels |
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5. Testamentarische
Erbrechts- oder Vermächtnisanordnung | |
Der
Erblasser kann im Testament über den gesamten Nachlass verfügen
oder bloß über einen bestimmten Teil /Quote; vgl
§ 532 Satz 1 ABGB : | |
„Das ausschließende Recht, die ganze Verlassenschaft,
oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Teil derselben
(zB die Hälfte, ein Drittel) in Besitz zu nehmen, heißt Erbrecht.” | |
Eine diesbezügliche
testamentarische Anordnung ist Erbeinsetzung. | Erbeinsetzung |
tWill
der Erblasser aber nur über bestimmte (Einzel)Stücke verfügen, nennt
man dies – wie wir schon wissen – Vermächtnis/Legat → Erbeinsetzung
und Vermächtnis;
zB ein Schmuckstück, Auto oder die Bücher / Bibliothek, aber auch
eine Liegenschaft. – Wichtig ist, dass der Legatar / Vermächtnisnehmer
nicht die Stellung eines Erben hat. Gegenstände eines Vermächtnisses
sind nach § 653 ABGB: | Vermächtnis/Lega |
„Alles was im gemeinen Verkehre steht: Sachen,
Rechte, Arbeiten und andere Handlungen, die einen Wert haben, können
vermacht werden.” | |
Vermächtnis kommt von ver-machen, womit
Laien – wie erwähnt – oft auch ver-erben iSv Erbeinsetzung
meinen. | |
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SZ 27/ 215 (1954): Verpflichtung
des Erben zur Sicherstellung eines vermachten (Liegenschafts)Anwartschafts-
oder Aufgriffsrechts. | |
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Der Eigentumserwerb am einzelnen Vermächtnisgegenstand
erfolgt – je nach Sachbeschaffenheit – durch dessen Übergabe oder
Verbücherung (Modus), der Erbe dagegen erwirbt durch gerichtlichen
Einweisungsakt pauschal (Universalsukzession); Einantwortung. | |
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Das Testament muss einen oder mehrere
Erben benennen; Erbseinsetzung: § 553 ABGB. – Erbe/in ist
jene Person, die in die vermögenswerten, vererblichen Rechte und
Pflichten des/r ErblassersIn nachfolgt; Universalsukzession /
Gesamtrechtsnachfolge. | |
Erben
können – also passiv erbfähig sind – grundsätzlich
alle natürlichen und juristischen Personen;
also auch Stiftungen und Vereine etc. – Aktiv vererben
können dagegen nur natürliche Personen, denn juristische Personen
kennen eigene Regeln wie ihr Vermögen im Falle ihres Endes („Todes”)
aufzuteilen ist. Man spricht bei juristischen Personen von Liquidation /
Abwicklung → KAPITEL 4: Fusion
/ Verschmelzung und Spaltung. | Wer kann erben und ver-erben? |
Wurde
vom Erblasser nur ein einziger Erbe ohne Beschränkung auf einen
Teil der Verlassenschaft eingesetzt, erbt dieser das Ganze; er ist Allein-
oder Universalerbe. Wurde der Erbteil des Erben dagegen
bemessen – zB mit 1/3, „so fallen die übrigen Teile den gesetzlichen
Erben zu”; § 554 ABGB: – Testamentarische und gesetzliche
Erbfolge können danach also nebeneinander zur Anwendung
gelangen! Vgl auch § 534 ABGB. – Wurden mehrere Erben ohne
Teilungsvorschrift eingesetzt, „teilen sie zu gleichen Teilen”;
§ 555 ABGB. | Testamentarische
und gesetzliche Erbfolge können nebeneinander zur Anwendung gelangen |
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SZ 27/142 (1954): Im Zweifel, ob
mehrere in einem Testament angeführte Personen zusammen Erben sein sollen,
ist dem Erbserklärten, der das ausschließliche Erbrecht in Anspruch
nimmt, gegenüber den anderen, die gemäß § 555 ABGB mit ihm zu gleichen
Teilen teilen wollen, die Klägerrolle zuzuteilen → Widersprechende
Erbserklärungen – Erbrechtsklage
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7. Widerrufbarkeit
von Testamenten | |
Testamente können – als einseitige (aber
nicht empfangsbedürftige!) Rechtsgeschäfte/Willenserklärungen ( → KAPITEL 5: Ein-,
zwei- und mehrseitige Willenserklärungen)
– bis zum Tod des Erblassers / Testators von diesem frei, dh jederzeit
widerrufen werden; §§ 717 ff ABGB. Vgl auch den Wortlaut des § 552
ABGB: „widerruflich auf den Todesfall”. – Der Widerruf kann ausdrücklich (§§
719 ff ABGB), schlüssig oder stillschweigend (§§
721 ff ABGB) – zB Durchstreichen des Textes oder der Unterschrift
– geschehen. | Formen
des Widerrufs |
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EvBl 1999/195 – Schlüssiger Widerruf
eines Testaments. | |
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Ein
in einer letztwilligen Verfügung erklärter Widerrufsverzicht –
sog derogatorische Klausel – gilt nach § 716 ABGB
als nicht beigesetzt. | Widerrufsverzicht |
In der Praxis erfolgt der Widerruf oft
dadurch, dass ein neues Testament errichtet wird.
Dadurch wird das ältere Testament vollständig aufgehoben, „dafern
der Erblasser in dem letzteren nicht deutlich zu erkennen gibt,
dass das frühere ganz oder zum Teil bestehen solle”; § 713 ABGB.
– Davon abweichend ordnet § 714 ABGB für Kodizille an,
dass ein später errichtetes Kodizill frühere Vermächtnisse und Kodizille
nur dann aufhebt, wenn es mit früher errichteten in Widerspruch
steht; ansonsten bleiben die mehreren Anordnungen „nebeneinander
bestehen”. – Dies wird sinnvoller Weise analog auf Testamente angewandt. | Errichtung
eines
neuen Testamentes |
§
715 ABGB regelt den Fall, dass „man nicht entscheiden [kann], welches
Testament oder Kodizill das spätere sei”. – Es gelten dann,
„insofern sie nebeneinander bestehen können, beide, und es kommen
die im Hauptstücke von der Gemeinschaft des Eigentums aufgestellten
Vorschriften [§§ 825 ff ABGB] zur Anwendung”. | |
Trotz dieser gesetzlichen Anordnungen treten
in der Praxis immer wieder Fragen bezüglich der Konkurrenz letztwilliger
Verfügungen auf. | |
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8. Auflagen, Bedingungen,
Befristungen | |
Die Erbeinsetzung
kann – was in der Praxis oft vorkommt – mit Belastungen /
Auflagen (§§ 709 ff ABGB) verbunden sein. | |
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Auch Bedingungen (§§ 696 ff ABGB) oder Befristungen (§§
704 ff ABGB) in Testamenten sind möglich: | |
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Die Überschrift vor § 709 ABGB lautet: „Auftrag”.
Das ABGB meint aber „Auflage”. Dazu → KAPITEL 13: Die
Auflage.
§ 709 ABGB ordnet an, dass eine „Nichterfüllung des Auftrages” als
„auflösende Bedingung anzusehen” sei. Der Nachlass wird dadurch
„verwirkt”. – Zur Bedingung → KAPITEL 13: Die
Bedingung. | |
9. Schranken der
Testierfreiheit | |
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| Eigenhändiges
schriftliches Testament |
| Abbildung 17.5: Eigenhändiges schriftliches Testament |
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Das ABGB verlangt – wie wir
gehört haben – für die Gültigkeit eines eigenhändigen Testaments nur,
dass es eigenhändig geschrieben und (!) unterschrieben wird. Die Beisetzung
des Datums (Tag, Monat, Jahr, Ort) ist „nicht notwendig,
aber zur Vermeidung der Streitigkeiten rätlich”.
– Zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung Gschnitzer, in: Franz Gschnitzer
Lesebuch 444 (1993). | Datum |
Im Gegensatz zum frCC verzichtete
das ABGB auf das Datum als Gültigkeitsvoraussetzung,
was sinnvoll ist, weil dadurch die Zahl ungültiger Testamente gesenkt
werden kann. Auch der itCC (Art 602) verlangt noch
heute das Datum als Gültigkeitsvoraussetzung („datiert und unterschrieben”), lockert
dieses Kriterium aber bereits auf; vgl dessen Art 606. | FrCC und itCC |
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| Abbildung 17.6: Fremdhändiges Testament |
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Hier
schreibt nicht der Erblasser selbst, sondern eine andere Person
den Text des Testaments. Dazu kommt die eigenhändige Unterschrift des
Erblassers und die Unterschrift von 3 Zeugen, die
auf der Testamentsurkunde selbst (!) – „entweder inwendig oder von
außen” – unterschreiben müssen. Sie müssen das 18. Lebensjahr vollendet
haben und dürfen in dem von ihnen „bezeugten” Testament nicht bedacht
werden; § 579 ABGB. | Testamentszeugen |
Die §§ 591 ff ABGB handeln von „unfähigen” iSv befangenen
Zeugen; vgl etwa § 591 ABGB: „Personen unter achtzehn Jahren,
Sinnlose, Blinde, Taube oder Stumme, dann diejenigen, welche die
Sprache des Erblassers nicht verstehen, können bei letzten Anordnungen
nicht Zeugen sein.” | |
Nach
§ 579 ABGB, letzter Satz müssen die Testamentszeugen den Inhalt
des Testaments nicht kennen; daher die im Gesetz vorgesehene
Möglichkeit, auf der Testamentsurkunde auch „außen” (aber nicht
etwa auf dem Umschlag!) zu unterschreiben. – Der Erblasser muss
aber vor drei fähigen Zeugen, von denen wenigstens zwei zugleich
anwesend sein müssen, „ausdrücklich erklären, dass der Aufsatz seinen
letzten Willen enthalte”. | |
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EvBl 1999/123: §§ 579, 569, 577,
588 ABGB – Einheit des Testierakts bei einem fremdhändigen Testament.
Hier kann eine Zeugenunterschrift in gewissen zeitlichen Grenzen
nachgeholt werden. Eine erst Monate nach dem Tod des Erblassers
nachgeholte Zeugenunterschrift ist aber verspätet. – Der dritte Testamentszeuge
darf nach § 579 ABGB nachträglich beigezogen werden. Das gilt aber
nur für den Fall, dass die Einheit des Testierakts erhalten bleibt,
was voraussetzt, dass das Testament in der Zwischenzeit nicht verändert
worden ist. | |
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Besonderheiten
gelten für Personen mit körperlichen oder geistigen
Gebrechen, wie Blinde oder unter Sachwalterschaft stehende
Personen oder für Ausnahmesituationen, wie Katastrophen, Krieg
etc; vgl §§ 597 ff ABGB. | |
§ 597 ABGB erklärt auch „Personen, die das vierzehnte
Jahr zurückgelegt haben, [zu] gültige[n] Zeugen”; § 598 ABGB lässt
bspw „zwei Zeugen” genügen und § 599 ABGB bestimmt, dass Schifffahrts-
und Seuchentestamente „sechs Monate nach geendigter Schifffahrt
oder Seuche” ihre „Kraft” verlieren. | |
Erweiterte testamentarische Möglichkeiten bestehen auch
für Ehegatten und Brautleute,
die Testamente auch gemeinsam errichten können.
Die Praxis hat hier aber noch nicht zufriedenstellende Lösungen
gefunden. – Zu unterscheiden sind dabei das: | |
•
wechselseitige oder gemeinschaftliche
Testament und das | |
•
wechselbezügliche Testament. | |
Vgl § 583 iVm § 1248
ABGB. Die Gatten können sich dabei sowohl gegenseitig als
auch (gemeinsam) andere Personen zu Erben einsetzen.
– Die Judikatur verlangt aber – anders als der Gesetzeswortlaut
des § 583 und noch klarer § 1248 ABGB! – von jedem Ehegatten eine
eigenhändig geschriebene und (!) unterschriebene Erklärung. Berechtigte
Kritik daran schon von Gschnitzer! – Es erscheint nötig hier umzudenken
und – wenn auch spät – dieser interpretatio contra legem ein Ende
zu bereiten. | Wechselseitiges
oder gemeinschaftliches Testament |
Auch gemeinsam
errichtete Testamente können aber einseitig (!) widerrufen werden
(§ 1248 Satz 2 ABGB), was einen wichtigen Unterschied zum Erbvertrag
darstellt ( → Erbvertrag
– Vermächtnisverträge), der als Vertrag eben nicht mehr (einseitig)
widerrufbar ist. – Beim wechselseitigen Testament kann aber nach
§ 1248 Satz 2, 2. HalbS ABGB „aus der Widerrufung des einen Teiles
auf die Widerrufung des andern Teiles nicht geschlossen werden (§
583).” – Darin liegt der Unterschied zum wechselbezüglichen Testament. | |
Ehegatten oder Verlobte können ein gemeinschaftliches
Testament aber nicht nur – wie im folgenden Beispiel – in einer gemeinsamen
Urkunde errichten. Die Urkunden können auch
getrennt errichtet werden und auch ein fremdhändiges Zeugentestament
kann als gemeinschaftliches durch Ehegatten errichtet werden. | |
|
Nicht- Ehegatten können
derartige Testamente nicht errichten; SZ
55/143 (1982): Ein gemeinschaftliches Testament
von Nichtehegatten (zB Lebensgefährten!) wird auch von dem Erblasser
ungültig errichtet, der selbst das außergerichtliche schriftliche
Testament eigenhändig schrieb und unterschrieb. (?) – Auch hier täte
ein Umdenken not; § 7 ABGB böte die Möglichkeit, für die nötige
Korrektur durch Annahme einer unechten oder Wertungslücke ( → KAPITEL 11: Echte
und unechte Lücken)
zu sorgen. | |
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Ein von Brautleuten errichtetes
gemeinsames Testament steht unter der Bedingung der späteren Eheschließung,
sonst ist es ebenfalls ungültig. | |
Beim wechselbezüglichen
Testament wird – nach hA und Rspr – mit dem Widerruf des
einen Teils auch die letztwillige Verfügung des andern Teils hinfällig.
Es steht unter der auflösenden Bedingung des gegenseitigen Bedachtwerdens.
– Das zum wechselseitigen Testament Gesagte, gilt auch hier. | Wechselbezügliches Testament |
| Abbildung 17.7: Wechselbezügliches Testament (1) |
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| Abbildung 17.8: Wechselbezügliches Testament (2) |
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II. Exkurs:
Die Patientenverfügung | |
| |
Die Patientenverfügung
in Europa | |
1. „Patientenverfügung”,
sog „Patiententestament”, „Psychiatrisches Testament” | |
Darunter wird eine
(schriftliche) Willenserklärung verstanden, in der eine Person bestimmt,
was im Falle einer künftigen schweren oder zum Tode führenden Erkrankung
oder bei Bewusstlosigkeit und Dauerschädigung des Gehirns samt Ausfall
lebenswichtiger Körperfunktionen (medizinisch) geschehen soll. | |
Angeordnet
wird typischerweise: | Was wird angeordnet? |
• Dass auf künstliche,
lebensverlängernde medizinische Maßnahmen verzichtet werden soll;
oder | |
•
dass bestimmte psychiatrische
Behandlungsmethoden wie Elektroschock, Insulinschock oder das Verabreichen von
Neuroleptika abgelehnt werden; vgl EvBl 1999/21: Psychiatrisches
Testament. Diese E setzt sich vor allem mit der Bindungswirkung
der Patientenverfügung auseinander. Im Zeitpunkt der Errichtung
einer Patientenverfügung muss der Erklärende handlungsfähig sein. | |
• dass alle Möglichkeiten der Schmerzlinderung,
ungeachtet allfälliger lebensverkürzender Nebenwirkungen angewandt
werden sollen. | |
2. Patientenverfügungen
sind keine Testamente iSd Erbrechts | |
Und
sie sind auch keine Rechtsgeschäfte. Sie dienen
vielmehr ausschließlich einer wirksamen Ausübung des Selbstbestimmungsrechts
in einer oder für eine schwierige/n gesundheitlich-medizinischen
Situation. In solchen Anordnungen werden grundsätzlich keine Verfügungen
für die Zeit nach dem Tod getroffen. | Kein
Rechtsgeschäft – Ausübung des Selbstbestimmungsrechts |
| |
Solche
Erklärungen ergänzen uU den Behandlungsvertrag, ähnlich (!) dem
Weisungsrecht des Werkbestellers. Der Vertragspartner, der Arzt
oder eine Krankenanstalt, ist hier auf Beratung beschränkt. – Patienten/innen
wollen dafür vorsorgen, dass, falls sie später ihre Entscheidungsfähigkeit
verlieren, gegen Fremdbestimmung geschützt sind. – Solche Anordnungen
können aber nur innerhalb des von der Rechtsordnung akzeptierten
Entscheidungs- und Selbstbestimmungsrahmens getroffen werden. Eine
Anordnung, auch für den Fall einer Querschnittlähmung alle Behandlungsmaßnahmen
auszusetzten wäre daher ungültig und nicht zu befolgen. – Zu beachten ist
jedoch, dass ein solches Selbstbestimmungsrecht ein absolutes Persönlichkeitsrecht
darstellt, mit dem nicht leichtfertig umgegangen werden darf. | |
Es existiert bislang keine inhaltlich
determinierende gesetzliche Regelung und auch keinerlei Formpflicht;
also weder Schriftform noch etwa Notariatsaktspflicht. Vgl aber
immerhin die Erwähnung in § 10 Abs 1 Z 7 KAKuG iVm § 21 ABGB und
§ 2 UbG. – Eine gesetzliche Regelung erschiene im Interesse der
Rechtssicherheit aller Beteiligten aber sinnvoll. | Keine
gesetzliche Regelung |
Patientenverfügungen
können derzeit jederzeit und auf jede Weise widerrufen werden.
– Sinnvoll erschiene es im Falle einer gesetzlichen Regelung, eine
derartige Anordnung nach dem Vorbild des § 599 ABGB ebenfalls 6
Monate nach Beendigung der Ausnahmesituation außer Kraft treten
zu lassen. Ohne Zusammenhang mit einer Ausnahmesituation errichtete
Patientenverfügungen sollten aber grundsätzlich unbegrenzt gelten;
eine Verlängerungserklärung nach dem Ablauf von bspw 5 oder 7 Jahren
erschiene aber in Bezug auf die anzustrebende Rechtssicherheit diskussionswürdig. | Widerruf |
Häufig werden Vertrauenspersonen bestimmt
und mit (Voraus)Vollmacht ausgestattet. Sie sollen bei Handlungsunfähigkeit
für die betreffende Person handeln; dh die erwünschten Maßnahmen bewirken. | Vertrauensperson |
III. Substitution:
Ersatz- und Nacherbschaft | |
Das ABGB
behandelt in den §§ 604 ff unter dem Begriff der
Substitution oder Nacherbschaft iwS: | |
•
einerseits die Ersatzerbschaft (auch
gemeine oder Vulgarsubstitution genannt: §§ 604 ff ABGB und | |
•
andrerseits
die Nacherbschaft ieS (auch fideikommissarische
Substitution: §§ 608 ff ABGB. | |
Der Sinn von Ersatz- und Nacherbschaft ist darin zu erblicken,
dass diese Anordnungen des Erblassers einerseits die sonst mögliche | |
•
Anwachsung /
Akkreszenz (auch Zuwachs genannt) der Erbschaft (→ Anwachsung,
Akkreszenz, Zuwachs)
verhindern und andrerseits den | |
• Eintritt der gesetzlichen Erbfolge (→ Die
gesetzliche Erbfolge)
ebenso ausschließen, wie das außerordentliche Erbrecht der
Legatare und das Heimfallsrecht des Staates
(Kaduzität) → Erbrecht
der Vermächtnisnehmer – Kaduzität
| |
§ 652 ABGB ordnet an, dass die Substitutionsregeln
auch für Vermächtnisse gelten. | |
| |
§
614 ABGB enthält eine Auslegungsregel für Substitutionen.
Sie folgt dem Grundgedanken der Unklarheitenregel des § 915, Fall
1 ABGB, wonach im Zweifel die geringere Last – hier zB nur eine
gemeine Substitution – anzunehmen ist. | Auslegungsregel |
1. Die Ersatzerbschaft
oder gemeine Substitution | |
| |
Ein
„Erblasser kann für den Fall, dass der eingesetzte Erbe [Institut/us]
die Erbschaft nicht erlangt, einen; und wenn auch dieser sie nicht
erlangt, einen zweiten, und im gleichen Falle einen Dritten, oder
auch noch mehrere Nacherben [Substituten] berufen”; § 604 Satz 1
ABGB. Eine solche Anordnung heißt eine gemeine Substitution und
wird auch Vulgarsubstitution oder Ersatzerbschaft genannt. | |
Wir kennen den Begriff der Substitution (substituieren)
aus der Alltagssprache und haben ihn auch beim Auftrag ( → KAPITEL 12: Der
Auftrag)
kennen gelernt. Substitut ist eine Ersatzperson, eine Art Stellvertreter.
Substitution meint Ersatz, substituieren, etwas ersetzen. Erbrechtlich
bedeutet der Begriff – wie erwähnt – entweder Ersatz- oder Nacherbschaft. | |
Der Ersatzerbe (Substitut)
ersetzt den zunächst eingesetzten Erben (Institut/us); § 604 ABGB.
–
§ 605 ABGB nennt Gründe für eine Ersatzerbschaft: Der ernannte Erbe
kann zB nicht Erbe sein – erweist sich vielleicht als erbunwürdig
– oder will es nicht sein; schlägt bspw die Erbschaft aus. | Ersatzerbe |
Die Stellung
des Substituten entspricht (ganz) der des eingesetzten Erben; das
bedeutet bspw, dass auch dem/r Substituten/in die Erbschaft mit
dem Tod des Erblassers anfällt und dass, wie § 606 ABGB anordnet,
die „den Erben aufgelegten Lasten [zB ein Vermächtnis oder eine
Auflage]” grundsätzlich auch für den Nacherben gelten. Das gilt
aber nicht für Bedingungen; das schließt ausdrücklich § 702 ABGB
aus. | |
§
607 ABGB regelt den Sonderfall einer Ersatzerbschaft unter Miterben;
zB wechselseitige Ersatzerbschaft eingesetzter Miterben. | Miterben |
2. Die
Nacherbschaft oder fideikommissarische Substitution | |
| |
Zum
Unterschied zur Ersatzerbschaft, bei der der zunächst eingesetzte
Erbe (Vorerbe, Institut/us) die Erbschaft gar nicht erlangt, verpflichtet
der Erblasser bei der Nacherbschaft ieS seine/n Erben (Institut/us)
dazu, „dass er die [bereits] angetretene Erbschaft [entweder] nach
seinem Tode oder in andern bestimmten Fällen [zB ab dem 50. Geburtstag]
einem zweiten ernannten Erben [Substitut] überlasse”; § 608 Satz
1 ABGB. | |
Die
§§ 611, 612 ABGB schränken die Nacherbschaft ein, weil eine zeitlich
zu lange Bindung(smöglichkeit) von Vermögenswerten durch den Erblasser
rechtlich unerwünscht ist. – Das Gesetz bestimmt, dass der Erblasser
zwar beliebig viele „Zeitgenossen” als Nacherben
ieS einsetzen kann. Zeitgenossen meint: Geboren oder doch schon
gezeugt. Für Nicht-Zeitgenossen verlangt § 612
ABGB: bei „Geldsummen, und anderen beweglichen Sachen” ist die Zahl
der Nacherben auf zwei, bei unbeweglichen Gütern sogar auf eine
Person – das Gesetz spricht von Graden – eingeschränkt. | Einschränkung
der
Nacherbschaft |
Streitig ist, ob bestehende juristische
Personen als Zeitgenossen anzusehen sind; contra: Koziol/Welser
II12 420 – pro: Eccher in Schwimann1 §§
611 f ABGB Rz 1. Gesetzestext und ratio legis legen eher eine teleologische Reduktion
dieser Bestimmungen und des § 26 ABGB nahe. | |
Die
Einsetzung eines Nacherben muss „ bestimmt” erfolgen;
und zwar muss sie vom Erblasser (selbst) vorgenommen werden, nicht
etwa vom Vorerben: vgl § 564 ABGB. Bestimmt muss vor allem auch
der Nacherbfall festgelegt werden. – Die Nacherbschaftsanordnung
des Erblassers betrifft nur das von ihm hinterlassene Vermögen (§
609 ABGB), nicht auch das Vermögen des (erbenden) Vorerben. § 609
ABGB stellt dies für die sog Pupillarsubstitution klar;
Größenschluss: arg a maiori ad minus → KAPITEL 11: Die
Größenschlüsse. | |
Nach § 609 ABGB „können auch die Eltern
ihren Kindern, selbst in dem Falle, dass diese zu testieren unfähig
sind, nur in Rücksicht des Vermögens, das sie ihnen hinterlassen,
einen Erben oder Nacherben ernennen”. | |
Von stillschweigender
Nacherbschaft wird gesprochen, wenn ein Erblasser dem Erben
verbietet, „über den [erlangten] Nachlass zu testieren”. Das Gesetz
ordnet in diesem Fall an, dass der Erbe den Nachlass „für seine
gesetzlichen Erben aufbewahren” muss; § 610 ABGB. Ein auferlegtes
Veräußerungsverbot schließt nämlich das Recht, über diese Sache
zu testieren, nicht aus; § 610 Satz 2 ABGB. | Stillschweigende
Nacherbschaft |
Für bedingte oder befristete Erbeinsetzungen ordnen
die §§ 707, 708 ABGB an, dass auf sie die Bestimmungen über die
Nacherbschaft anzuwenden sind. | |
§
613 ABGB bestimmt die Rechtsstellung des Vorerben als „eingeschränkte[s]
Eigentumsrecht, mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers”;
Rspr und Schrifttum billigen ihm zum Teil „mehr als Fruchtgenuss”
zu, nämlich Eigentum, wenngleich auflösend bedingt oder befristet. | Rechtsstellung
bei der Nacherbschaft |
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EFSlg 54.127: Zwischen Einantwortung
und Eintritt des Nacherbfalls gebühren dem Vorerben die
Nutzungen und Früchte uneingeschränkt; | |
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Daher ist der Vorerbe
selbst gegen den Willen des Nacherben zum Abschluss langfristiger
Mietverträge berechtigt; NZ 1930, 142. | |
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SZ 61/9 (1988): Dem Vorerben
eines Waldgrundstücks steht das forstmäßig geschlagene
Holz, nicht aber die Rodung des Grundstücks zur Schottergewinnung
zu. | |
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Der Vorerbe darf
nämlich die Bewirtschaftungsart nicht ändern; ebendort = EFSlg 63.037. | |
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SZ 21/22 (1947) oder SZ 41/151 (1968): Dingliche
Verfügungen des Vorerben über das Substitutionsgut (zB
die Eigentumsübertragung mittels eines Kaufvertrags) sind nicht
nur den Nacherben gegenüber (also relativ), sondern auch gegenüber
Dritten – also absolut – unwirksam, insoweit sie die Rechte eines
Fruchtnießers übersteigen und jene des Nacherben tangieren. | |
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OGH 18. 10. 2001, 2 Ob 252/01z, EvBl 2002/67:
Vater stirbt, seine Gattin ist im Testament als Alleinerbin eingesetzt.
Dieses enthält auch folgende Anordnung: „Nach dem Tode des Überlebenden
soll dessen Nachlass unseren Kindern Mario und Manuela zukommen.”
– Der Sohn beantragt idF, seiner Mutter die Hinterlegung der Gelder
und Wertpapiere bei einer Bank zur Sicherstellung aufzutragen. –
OGH: Die Art der Sicherung von Nacherben ist in
§ 158 Abs 2 AußStrG geregelt; die §§ 1373 f ABGB (Art der Sicherstellung)
gelten, anders als bei Vermächtnissen, dafür nicht. § 158 Abs 2
AußStrG sei auch ungenau und missverständlich formuliert; er verlangt
nämlich nicht, die zu einer Erbschaft gehörenden Gelder, Wertpapiere
und Einlagebücher auf Verlangen eines Noterben bei einem Kreditinstitut
zu hinterlegen. Der Vorerbe kann vielmehr nach den §§ 613 und 510
ABGB (Rechtsstellung eines Fruchtnießers) über Geld nach Belieben
verfügen und schuldet dem Nachlass nur den Wert. | |
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Nur Vor-
und Nacherbe gemeinsam besitzen zusammen die Rechtsstellung
eines Vollerben und (damit) eines Volleigentümers;
SZ 63/209 (1990). Sie können daher gemeinsam die Substitutionsbindung
aufheben, einschränken oder auf eine andere
Sache übertragen; ebendort. Daraus folgt auch,
dass eine Exekution in die Substanz durch Gläubiger des Vorerben
unzulässig ist; GlU 9457 (1883). Die Früchte der Vorerbschaft können
aber verpfändet werden; GlU 6743 (1875). | Substitutionsbindung |
Nach
§ 615 ABGB erlischt eine angeordnete Ersatzerbschaft,
„sobald der eingesetzte Erbe die Erbschaft angetreten hat; die [Nacherbschaft],
wenn keiner von den berufenen Nacherben mehr übrig ist; oder wenn
der Fall, für den sie errichtet worden, aufhört”. – Nach § 615 Abs
2 ABGB geht im Zweifel das Recht der Nacherbschaft ieS auch dann
auf dessen Erben über (§ 537 ABGB), wenn er den Eintritt des Substitutionsfalls
nicht erlebt. | Erlöschen |
Rspr und Schrifttum gestatten auch die
sog befreite Vorerbschaft oder fideikommissarische
Substitution auf den Überrest. Hier kann der Vorerbe über
das Substitutionsgut frei verfügen und der Nacherbe erhält nur das,
was übrig bleibt. | Befreite
Vorerbschaft |
Dafür
ist beim Tod des Erblassers von Amts wegen ein Inventar zu
errichten. Man weiß dann, woraus die (Vor)Erbschaft besteht. Das
reduziert oder verhindert späteren Streit. – Bei Liegenschaften ist
das Substitutionsband im Grundbuch (B-Blatt! → KAPITEL 2: Aufbau
des Grundbuchs)
anzumerken; JB 214 (1915). | Sicherung der Interessen des Nacherben |
Vgl
auch § 158 Abs 1 AußStrG: Amtswegige Sicherung von beweglichem Vermögen
Minderjähriger oder begünstigter Personen. Nach § 77 Z 3 AußStrG
vertritt die Interessen noch nicht geborener Nacherben ein Substitutions- oder Posteritätskurator. | |
IV. Anwachsung,
Akkreszenz, Zuwachs | |
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„Mein letzter Wille! | |
Nach meinem Tod sollen meine Wohnungsnachbarin Frau Sabine
M. und meine Freunde Georg L. und Hans H. [zu gleichen Teilen] meine
Erben sein und alles erhalten, was ich besitze. – Frau Grete Müller,
die bei mir immer sehr ordentlich aufgeräumt hat, setze ich ein
Vermächtnis von 2.000 ı aus. Sie kann sich auch 15 Bücher nach eigener Wahl
aus meiner Bibliothek aussuchen.” | |
Eigenhändige Unterschrift von Hubert H., mit Datum und Ortsangabe. | |
1. Was bedeutet
ein solches Testament erbrechtlich? | |
Die Wohnungsnachbarin und die beiden Freunde werden je zu
einem Drittel als Testamentserben eingesetzt, Frau
Müller erhält Vermächtnisse / Legate: nämlich 2.000
ı und 15 Bücher. | |
Was
ist aber, wenn bspw wenige Tage nach dem Tod von Hubert H. einer
seiner erbrechtlich bedachten Freunde bei einem Autounfall ums Leben
kommt oder seine Nachbarin, um nicht ins Gerede zu kommen, die Erbschaft
ausschlägt? Was bedeutet das erbrechtlich insbesondere für den freiwerdenden
Anteil von Frau Sabine M.? – Die Lösung bringt § 560 ABGB, der die
Überschrift trägt: „Recht des Zuwachses”: | |
„Wenn alle Erben ohne Bestimmung der Teile,
oder in dem allgemeinen Ausdrucke einer gleichen Teilung zur Erbschaft
berufen werden, und es kann, oder will einer der Erben von seinem
Erbrechte keinen Gebrauch machen; so wächst der erledigte Teil den
übrigen eingesetzten Erben zu.” | |
Wir haben es mit sog Anwachsung / Akkreszenz zu tun. Georg
L. und Hans H. erhalten demnach nicht nur – wie ursprünglich vorgesehen
– je ein Drittel, sondern je die Hälfte aus der Erbschaft des Hubert
H. – Zur Anwachsung kommt es, wenn alle Erben unbestimmt
eingesetzt sind. Für unbestimmt eingesetzt gelten Erben
aber auch dann, wenn der Erblasser sagt, dass sie alle gleich oder zu
gleichen Teilen erben sollen. Hier gebührt allen Erben ein gleiches
Zuwachsrecht. Also etwa dann: | Alle Erben unbestimmt eingesetzt |
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Sind dagegen alle
zu bestimmten Teilen eingesetzt, oder einige Erben
unbestimmt, andere dagegen bestimmt, enthalten
die §§ 561 und 562 ABGB die Lösung: | |
§ 561: „Sind ein oder mehrere Erben mit,
ein anderer oder mehrere ohne Bestimmung des Erbteiles eingesetzt;
so wächst der erledigte Teil nur dem einzelnen, oder den mehrern
noch übrigen, unbestimmt eingesetzten Erben zu.” | |
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§ 562 ABGB enthält die Regel, dass bestimmt eingesetzten
Erben ”in keinem Falle das Zuwachsrecht”
gebührt. Daher fällt, wenn kein unbestimmt eingesetzter Erbe übrig
ist, ein erledigter Erbteil den gesetzlichen Erben zu und nicht
etwa „einem noch übrigen, für einen bestimmten Teil eingesetzten”. | |
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Zur Anwachsung nach den §§ 560 ff ABGB kommt es dann, wenn
der Erblasser für den Fall des Ausfalls eines andern Erben nichts
anderes verfügt hat; also zB nicht durch Ersatz- oder Nacherbschaft
vorgesorgt hat. Aber nur bei der testamentarischen, nicht bei der
gesetzlichen Erbfolge spielt das eine Rolle. Den verbleibenden eingesetzten
Erben wächst der Anteil des „ausfallenden” Erben zu, ihr Anteil
erhöht sich also. | |
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Das lässt sich wie folgt zusammenfassen: | |
„Das Zuwachsrecht ist
das Recht der eingesetzten Erben, (nebst ihrem eigenen Antheile)
denjenigen Erbteil zu erhalten, welchen ein Miterbe (oder mehrere)
nicht annehmen kann (§§ 538-546), oder nicht annehmen will (§ 805); vorausgesetzt,
dass der Erblasser nicht schon eine ausdrückliche Vorsehung durch
Ernennung eines Nacherben
(§ 604) getroffen hat.” (Zeiller, Commentar § 560 ABGB Anm 1) | Zuwachsrecht |
Nach
§ 689 ABGB gelten die Anwachsungsregeln auch für Vermächtnisse. | Vermächtnisse |
Die Gründe, warum ein eingesetzter
Erbe nicht zur Erbschaft gelangt, können vielfältig sein; etwa früherer
Tod, Erbsentschlagung oder eingetretene Erbunwürdigkeit. – Der
eingesetzte Erbe kann zB vor oder nach dem Erblasser verstorben
/ weggefallen sein. | Gründe |
Gelangen die Anwachsungs-, Zuwachs- oder Akkreszentregeln
zur Anwendung, wird dadurch der Eintritt der gesetzlichen
Erbfolge ausgeschlossen. | |
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A. Erbrecht |
C. Die
gesetzliche Erbfolge |
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