Witiko

H31, S. 49a


er das Land beruhigte, und nach Außen befestigte, da er an den Grenzen Burgen und Vertheidigungsmittel aufführte, und mit den fremden Fürsten in Frieden und Freundschaft lebte, wie er ja mit Boleslaw Schiefmund die alte Eintracht bewahrte, mit Stephan von Ungarn schon im ersten Jahre seiner Herrschaft an der Grenze seines Landes eine glükliche Zusammenkunft hatte, und schon ein Jahr nach der Schlacht bei Chlumec mit dreitausend Reitern in einem prächtigen Zuge zu dem Könige Lothar nach Merseburg ritt: so hatte er doch noch manigfaltige Feinde."

"Die selber nach Gelüsten schalten wollen, mögen eine überlegene Ordnung nicht leicht anerkennen," sagte Witiko.

"Das ist sehr schwer zu verstehen und zu richten," antwortete der Scharlachreiter, "wenn du nach deinen Jahren vieles beurtheilen kannst, so kannst du doch nicht alles."

"Das habe ich nie in Anspruch genommen," entgegnete Witiko.

"Es gibt Dinge, die so groß sind, daß sie nicht neben einander bestehen können," sagte der Scharlachreiter, "dann müßen sie sich stoßen, aber es kömmt nur auf die Art an, wie sie es thun."

"Es wird schon so sein, wie du sagst," entgegnete Witiko.

"Als Sobeslaw im fünften Jahre seiner Herrschaft im Sommer mit einem großen Gefolge nach Mähren zog, sagte ihm ein Kämmerling, daß zwei Männer in seinem Gefolge seien, welche ihn ermorden wollen, und dazu nur einer Gelegenheit harren. Er eröffnete dieses den Zupanen Zdeslaw und Diwis, die seine treuen Räthe waren, und befahl ihnen, die zwei Männer insgeheim, ohne daß einer im Zuge es gewahre, in Haft zu nehmen. Dies geschah, und man erkannte in den Männern die Dienstleute der Herren Miroslaw und Strezimir Söhne Johanns des Sohns Tistas des Wrsen. Ihre Waffen waren vergiftet. Sie gestanden, daß ihre Herren sie zum Morde gedungen haben. Miroslaw, welcher im Gefolge des Herzogs war, wurde gefangen, sein Bruder Strezimir floh, wurde ereilt, und beide wurden gebunden, und auf den Wyehrad gebracht. Sobeslaw kehrte nun auf seinem Zuge um, und ging nach Prag.
Randnotiz: Dort zog er
Barhäuptig barfüßig und in Bußkleidern zog er in die Stadt ein, und ging zuerst in die ¢Hauptkirche,¢
Randnotiz: St. Veit Stadt ?
um Gott und den Schuzheiligen Böhmens für Abwendung des Unheiles Dank zu sagen. Alle Gloken der Stadt Prag läuteten, schöngekleidete1 dazu obere Hälfte: Mädchen mit Zweigen standen an den Häusern, das ganze Volk war in2 den Straßen und Priester sangen den Lobgesang des heiligen Ambrosius. Nach sieben Tagen wurde ein Land= und Gerichtstag auf dem Wysehrad abgehalten. Mehr als zweitausend Menschen waren bei demselben zugegen. Der Herzog leitete ihn durch eine Rede ein, in der er sagte, was er gelitten und gethan habe, und in der er befahl, daß ungetrübte Gerechtigkeit geübt werde. Die gedungenen Männer die zwei Anstifter und der Arzt, welcher das Gift gegeben hatte, wurden für schuldig befunden. Der Bischof Meinhard, welchen Miroslaw als den ersten Anstifter des Mordes bezeichnete, war auf einer Pilgerreise nach Jerusalem abwesend. Des nächsten Tages wurden Miroslaw Strezimir die zwei Dienstmänner und der Arzt auf öffentlichem Plaze hingerichtet. Der Bischof Meinhard, da er zurück gekommen war, wurde nach des Herzogs und der böhmischen Kmeten Willen von Adalbert dem Erzbischofe von Mainz und Otto dem Bischofe von Bamberg gerichtet. Am Tage des heiligen Wenzel kam der Bischof Otto nach Prag, und that vor der Versammlung des ganzen Volkes den Spruch, daß der Bischof Meinhard unschuldig sei.
Randnotiz: So ward die Whre des Verläumdeten wieder hergestellt.
Der Bischof Otto der Bischof Zdik und sieben böhmische Äbte legten ihre Stolen nieder, und bezeugten die Unschuld Meinhards. Von diesem Tage an bis heute stand niemand mehr gegen Sobeslaw auf, und er hatte weder irgend einen Herrn des Landes [oder] noch einen Nachkommen aus dem Hause Premysls zu strafen."

"Und ich denke, daß es so bleiben wird bis zu seinem Ende, da sie seine Trefflichkeit einsehen," sagte Witiko.

"Er ist trefflich, sie sehen seine Trefflichkeit ein," sagte der Scharlachreiter, "und danken ihm dafür und sie sehen ein, daß er mit jedem Tage trefflicher wird. Und nun, du junger lederner Mann, da ich dir so vieles Ernsthafte gesagt habe, da ich dir angegeben habe, wer alle die sind, welche mit mir reiten, so könntest du doch, wenn du auch geheimnißvoll bist, sagen, wie du heißest, damit ich dich zu nennen weiß, wenn wir wieder einmal zusammen träfen; denn nach den Kleidern kann ich dich doch nicht stets benennen, weil du ja zuweilen andere haben wirst."
Randnotiz: Ledermann kann ich dich nicht immer nennen

"Mein Name ist Witiko," sagte der Gefragte.

"Und aus welchem Theile der Welt stammst du denn?" fragte der Scharlachreiter.
Randnotiz: Du kömmst vom Mittageunseres Landes.

"Ich stamme aus dem Lande Böhmen," antwortete Witiko, "in den mittäglichen Theilen desselben, wo die Moldau in Wäldern fließt, besize ich ein Weniges. Ich habe dir ja schon gesagt, daß ich dorthin gehöre. Meine Mutter, die jezt die einzige unseres Hauses ist,3

1 Stadt Prag läuteten schöngebleidete ist nur zusammen mit H31/II (untere Hälfte des Blattes) zu entziffern, da die Handschrift an dieser Stelle quer durchgeschnitten ist. 2 Letztes Wort auf H31/I (obere Hälfte des Blattes). Der gesamte Text ist mit Stift vertikal gestrichen, die Absätze 1 bis 6 sind am Rand mit Stift markiert und mit Fragezeichen versehen. 3 Letztes Wort auf H31/II (untere Hälfte des Blattes), der gesamte Text mit Stift vetikal gestrichen.