Witiko

H251



"Wie es sich fügt," antwortete der Wirth, "ich habe sie schon öfter gesehen."

"Sind sie [gerne] zu vieler Zeit in dieser Gegend hier?" fragte Witiko.

"Sie sind einmal Kriegsknechte des seligen Herzoges Heinrich gewesen," sagte der Wirth, "sie müssen in der Nähe von Passau zu Hause sein, und werden [zu Zeiten] manches Mal bei uns und da herum gesehen."

"Gehen sie auch über den Wald hinein?" fragte Witiko.

"Das wird [schon sein," entgegnete der Wirth, "weil die Leute dort den Fremden wenig Verdienst gönnen."

"Eines Verdienstes willen gingen sie schon hinein," sagte Witiko.

"Nun, ich meine, wenn der Verdienst leicht ist," antwortete der Wirth.]
sich schwerlich zutragen, weil es dort nichts zu verdienen gibt," entgegnete der Wirth.

"Sind sie in diesem Sommer nicht einmal in einer längeren Zeit abwesend gewesen?" fragte Witiko.

"Ich glaube es nicht," sagte der Wirth, "sie haben sich in der lezten Zeit sehr oft auf unserer Gasse erbliken lassen."

"Also auch in den lezten zwei Wochen?" fragte Witiko.

"Da gewiß," antwortete der Wirth.

"Ist der Mann an jenem Tische ein Krämer?" fragte Witiko.

"Ja," sagte der Wirth.

"So erweiset mir den Dienst, ihn zu unserem Tische her zu bitten," sagte Witiko.

Der Wirth ging zu dem Krämer, und kam mit ihm zu Witiko zurük.

"Ihr seid ein Krämer," sagte Witiko.

"Ja," entgegnete der Mann.

"Ihr reiset wohl in [den] mehreren Gegenden herum?" fragte Witiko.

"Nun, wie es der Brauch ist," sagte der Krämer.

"Beantwortet mir eine Frage wegen dieses Mannes da," sagte Witiko.

"Wenn ich das weiß, um was ihr fragt," sagte der Krämer.

"Habt ihr ihn etwa mit einem andern, der einen grauen Bart hat, öfter gesehen?" fragte Witiko.

"Ja, sehr oft," antwortete der Krämer.

"Habt ihr diese Männer [in verschiedenen Landestheilen gesehen,] auch in der Weite gesehen, wenn ihr so herum kömmt, auch jenseits des Waldes, in diesem Sommer?" fragte Witiko.

"Sie sind im Frühlinge bis auf diese Zeit [[herzu] xxxxxx] herzu von dem Grafen von Formbach eingesperrt gehalten worden," sagte der Krämer.

"Wißt ihr das gewiß?" fragte Witiko.

"So gewiß, weil ich diesem Manne da Linnen von seiner Mutter bringen mußte," antwortete der Krämer, "[die] ich habe <sie%gt; ihm in sein Verließ [trug,] getragen, wo auch der andere war."

"Kennt ihr sie genauer?" fragte Witiko.

"Sie kommen zuweilen an meinen Karren, und haben mir nie ein Leides gethan," antwortete der Krämer.

"Welche sind ihre Namen?" fragte Witiko.

"Sie heißen beide Heinrich, wie der junge Herzog," antwortete der Krämer.

"Ich danke euch und dem Wirthe für die Antworten," sagte Witiko.

Dann wendete er sein Angesicht gegen den Gefangenen, und sprach: "Ich habe dir vor vier Jahren hier gesagt, daß ich dir einmal einen Dienst [leisten] erweisen werde. Jezt ist die Zeit dazu gekommen. Ich lasse dich frei; aber merke dir: ich bin oft in diesen Wäldern, oft in dem der drei Sessel, und weiter gegen Morgen. Ich werde mir in dem Walde ein Haus bauen, und wenn ich dich ein mal mit Waffen in dem Walde treff[, daß du Kundschafter in Haft nehmen, oder bethen gehen, oder dich irren willst], so lasse ich dich auf dem Baume, unter dem du stehst, aufhängen. Sage das auch deinem Genossen. Ich erfülle meine Worte, wie ich sie jezt erfüllt habe, Raimund, löse ihm die Bande."

Raimund band zuerst seinen langen Strik los, dann entfernte er den Knebel, und löste die Schleife um die Hände.

"So, jezt laufe[, du Fichtengeier], so weit dich deine Füsse tragen," sagte er.

Der Mann rieb sich mit den Händen die Knöchel, [dann] und strich mehrere Male über sein Koller herab. Dann sagte er: "Schönen Dank, schönen Dank."

"Geh," sagte Witiko.

"Ich würde um die Armbrust bitten," sagte der Mann.

"Die Armbrust wird zerbrochen werden," sprach Witiko, "du gehe[,]."

"So geh' um deines Heiles willen," rief ihm Raimund zu.

Der Mann ging nun von dem Hause weg gegen die Bäume, und wurde dann hinter denselben nicht mehr gesehen.

"Zerschlage mit deinem Beile die Armbrust," sagte Witiko zu Raimund.

Dieser zerhieb das Holzwerk der Armbrust und den Strang mit dem Beile. Den eisernen Bogen zerbrach er dadurch, daß er ihn mit der Wölbung nach oben [auf die Erde] legte, und auf ihn sprang.