Witiko

H221, S. 268b


der Markgrafen von Österreich hinauf.
Randnotiz: Z (Witiko

Als er bei dem Thore angekommen war, ließ er den Klöppel des Thores erschallen. Der Thorwart ging durch das kleine Pförtchen heraus, und fragte um den Namen des Reiters. Witiko nannte ihn. Darauf ließ der Thorwart den Flügel neben dem Pförtchen öffnen, und ließ die zwei Männer in den Hof der Burg reiten. In dem Hofe stiegen sie ab. Es kam ein Mann herzu, der sagte, daß er dem Marschalke des Markgrafen diene, und daß er die Pferde besorgen werde. Mit diesem Manne brachten Witiko und Raimund die Pferde in einen Stall, und gaben ihnen die erste Sorge. Dann führte sie der Mann in ein Wartegemach, und ging fort. Nach einer Zeit kam ein anderer Mann, der sagte, daß ihm der von den beiden, welcher Witiko hieße, folgen solle. Witiko befahl dem Knechte, daß er bei den Pferden nachsehe, und ihn dort oder in diesem Gemache erwarte. Darauf folgte er dem Manne. Dieser führte ihn über eine Treppe empor, dann über einen Gang, und dann in ein Gemach, in welchem junge Mädchen saßen, die spannen. Hier ließ er Witiko stehen, und ging wieder durch die Thür hinaus. Eines der Mädchen stand von seiner Spindel auf, öffnete die Thür in ein weiteres Gemach, und ging hinein. Nach einer Weile kam es wieder heraus, und sagte, Witiko möge hinein gehen.

Witiko ging in das Gemach. Es war eine geräumige Stube in einer Eke der Burg, und hatte in jeder der zwei Ekwände zwei Fenster. An einer Wand, welche kein Fenster hatte, stand ein hölzernes Kreuz mit dem Heilande. Vor dem Kreuze stand ein Bethschemel mit grauem Tuche, und über dem Kreuze war ein Dach von dem nehmlichen Tuche. Die Wände waren mit Eichenholz getäfelt. In dem Gemache waren vier Frauen, die alle in dunkelgrauen Stoff gekleidet waren. Das Kleid hielt ein schwarzer Gürtel zusammen, und auf das Haupt war eine weiße Haube gesezt. Die Frauen waren an verschiedenen Theilen eines Tuches mit [Stiken beschäftigt] der Nadel beschäftigt, um eine Stikerei zu verfertigen. Zwei der Frauen waren jung, eine war in mittleren Jahren, eine war alt. Die Frau, welche in den mittleren Jahren war, und welche ein wenig tiefer saß als die alte, hatte ein sanftes Angesicht, welches fein und weiß war, und durch welches ein [f] zartes Roth ging. Die Augen waren blau, und die Haare, welche unter der Haube hervor sehen, waren blond, und schienen blasser zu werden. Die [alte Frau] älte[r]ste der Frauen hatte ebenfalls ein sehr feines Angesicht voll Freundlichkeit, aber das Roth darinnen war viel schwächer als bei der anderen, die Augen waren dunkelblau, und die Haare waren schneeweis wie die [Hx] Haube.

Als Witiko in dieses Gemach gekommen war, hatte er seine Haube von dem Haupte genommen, daß seine blonden Haare sein Angesicht umwallten, er hatte sich verneigt, und stand da, und sprach kein Wort.

Die ältere der Frauen erhob sich von ihrem Size, legte die Nadel auf den Tisch, und sagte: "Du bist verwundert, Witiko, daß du in diese Stube der Frauen gekommen bist. Indessen verharre ein Weilchen hier, und nimm, daß du uns nicht verschmähest, einen Siz bei uns."

Eine der jungen Frauen stand auf, und wollte einen Siz gegen Witiko rüken. Er aber kam ihr zuvor, hielt mit der Hand den Stuhl, und als sie wieder auf ihren Plaz gegangen war, sezte er sich auf ihn nieder.

Die ältere Frau hatte auch ihre Stelle wieder eingenommen.

"Jezt, da du bei uns bist, Witiko," sprach sie nach einem Weilchen, "sage ich dir meinen Gruß. Ich bin Agnes, die Wittwe Leopolds des vorvorigen Markgrafen von Österreich, die Tochter des Kaisers Heinrich des Vierten."

Witiko stand von seinem Size auf.

"Bleibe auf deinem Stuhle," sprach Agnes, "und wenn du etwas reden willst, so rede es von deinem Size."

Witiko sezte sich wieder nieder, neigte sich tief, und sprach: "Hocherlauchte Frau, [xxx] da es sich so gefügt hat, so erlaubt, daß ich einen großen Dank dafür [ausspreche] sage, daß ihr mich für werth geachtet habt, zu euch kommen zu dürfen, und daß ihr mich mit Huld empfangen habt."

"Da du dem Thorwart deinen Namen gesagt hattest," antwortete [die Herzogin] Agnes, "und da unser Vogt in dieses Gemach gekommen war, [ihn auch zu sagen xxx] [um] ihn auch zu sagen, und [ihn] deiner Mutter zu vermelden, so befahl ich, daß er dich zu uns führe. Verzeihe mir, Witiko, meine Augen wollten sehen, wie ein guter Sohn zu der guten Mutter komme. Lasse deinen Dank, grüße deine Mutter, das ist dein Erstes."

Witiko stand nach diesen Worten auf, näherte sich der Frau in mittleren Jahren, die etwas tiefer saß als die Wittwe des Markgrafen, ließ sich vor ihr auf ein Knie nieder, und sagte: "Ich grüße dich, meine gute, vielgeliebte Mutter!"

"Ich grüße dich, mein treuer, ehrbarer Sohn," antwortete die Frau.

Sie zog ihn nach diesen Worten an seiner Hand empor, und legte ihre beiden Hände auf sein Haupt.

Da sie dieselben herab genommen hatte, beugte er sich auf ihre rechte Hand nieder, und küßte sie.

Als er sich erhoben hatte, und in ihr Angesicht schaute, waren in
(1) ihren und
(2) ihren [Augen und]
(3) ihren [|Augen und in|]
(4) ihren und
seinen Augen Thränen.