Witiko

H221, S. 267b


[zwei Stunden] auf dem nehmlichen Ufer die große Burg der Herren von Walse. Darauf fuhr das Schif in eine finstere Schlucht ein, wie die gewesen war, welche man unterhalb Passau durchfahren hatte. [Die Donau ging als ein mächtiger Strom hin, weil die Flüsse Inn und Traun und Ens zu ihr gekommen waren.] [In der Schlucht wurden die Wasser eingeengt. Von einem hölzernen Hause kamen] Als eine Zeit vergangen war, kamen drei Männer in einem Kahn zu dem Schiffe, hefteten den Kahn an das Schif, bestiegen es, und übernahmen die Leitung desselben. Nach einer kurzen Zeit kam man zu hohen Steinen, die an den Ufern standen, und Zwingthürme trugen. Und in der Mitte des Stromes war auch ein Stein, auf dem ein Zwingthurm stand. Und an der Uferstelle, die Struden genannt wurde, war ein Rollen und Schäumen des Wassers über steinerne Kugeln und Riffe, als ob man ein Schneefeld erblikte. Es wurde von den Menschen ein Gebet angestimmt, und die drei Männer lenkten das rothschnablige Schif in ein schnelles Wasser, welches zwischen dem Steine der Zwingburg im Strome und zwischen der schäumenden Stelle dahin ging. Das Schif ging in Eile an dem Steine entlang. Und als es hinter ihn kam, war in großen Kreisen ein Wirbel, welcher die Wasser in seine Mitte zog. Die Männer leiteten das Schif an dem Rande des Wirbels vorüber. Und da man das Rauschen nicht mehr hörte, und da das Gebet beendet war, erhoben die Menschen, die auf dem Schiffe waren, noch ein Mal ein Gebet des Dankes zu Gott. Und als auch dieses Gebet zu Ende gebracht war, kam ein Schifflein herzu, und heischte eine Gabe für die Armen und für ein Gotteshaus, in welchem um Heil für die Schiffenden gebethet wird. Die Menschen reichten ihre Gaben in den hölzernen Kasten, der an einer Stange empor gehalten wurde. Dann fuhr das Schifflein wieder davon. Jezt kam ein größeres Schif herzu, und verlangte Zins und Wassermauth. Der Zins und die Wassermauth wurden bezahlt, und das Schif fuhr wieder [xxx] fort. Dann erhielten die drei Männer ihren Lohn, stiegen in den Kahn, und lenkten ihn an das Ufer. Jezt fuhr das rothschnablige Schif ruhig auf dem seichten Wasser in der Schlucht weiter. Zu beiden Seiten war das Land des Markgrafen von Österreich. Als es Abend wurde, kamen [sie wieder aus] die Schiffenden aus der Schlucht, und man sah Wiesen und Felder und Wälder und Häuser und Kirchen und Burgen, und an dem rechten Ufer war die Stadt [Ips] Ibs, und als man eine große Zunge des Landes umfahren hatte, standen auf dem linken Ufer an Felsen die Häuser von Marbach. Das Schif wurde in Marbach beigelegt, und die Menschen hielten dort ihre Nachtruhe.

In der Morgendämmerung fuhr das Schif auf dem Wasser der Donau weiter, und Witiko und Raimund waren wieder auf ihm. Es waren bebaute Gefilde rechts auf dem Ufer und links auf dem Ufer, und Kirchen und Ortschaften und Burgen konnte man erbliken. Auf einer Felsenzunge des rechten Ufers stand die Veste Melk, in welcher einmal die Markgrafen von Österreich gehauset hatten, und neben der Veste war ein ehrwürdiges Münster. Und von Melk ging das Schif wieder in eine Schlucht hinab, die größer und länger war als alle, durch welche die Schiffer bisher gekommen waren. Die Berge waren höher als die sie bisher gesehen hatten, sie waren mit lauter Wald bedekt, und Burgen des Geschlechtes der Kuenringe und andere Burgen sahen von ihnen nieder, und manche waren so hoch auf den Bergen, und standen [an] so steil[en Hängen] an Gehängen, daß es hätte Furcht zu erregen vermocht. Und an dem Fusse der Berge und am Saume des Wassers waren Wiesen und Felder und alte Ortschaften und Kirchen, und es grünte der Weinstok. Als man an dem linken Ufer neben der Veste Dürenstein, die auf vielen Klippen eines Berges stand, vorüber gefahren war, gelangte man neben dem Orte Mautern in ein ebenes Land. Das Schif fuhr zwischen den Auen des Landes dahin. Es fuhr an den Städten Stein und Krems vorüber, die Menschen sahen die grünen Säume des Ufers, sie sahen die blauen Berge der steirischen Mark, und manchen Kirchthurm und manche Burg. Nach langer Zeit, da die Sonne schon im Untergehen war, kamen sie wieder zu Bergen des rechten Ufers. Der Kahlenberg ragte hoch empor, und auf ihm stand die Burg der Markgrafen von Österreich. Das Schif ging an dem Kahlenberge vorüber, es ging an Wä<l>dchen und an Häusern und Gärten vorüber, und da die Nacht schon dunkelte, wendete es sich, und wurde an das Gestade des Salzgrieses der Stadt Wien gelegt. Die Menschen gingen an das Ufer, Witiko und Raimund bestellten einen Träger für ihre Habe, führten ihre Pferde an das Land, und zogen in die Herberge des Gestades. Dort verbrachten sie die Nacht.

In der Morgendämmerung pflegten sie die Pferde. Dann ging Witiko in das [kleine Kirchlein, welches das Kirchlein der heiligen Jungfrau Maria am Gestade hieß,] Kirchlein des heiligen Ruppert, welches auf der Höhe des Gestades stand, und bethete. Darauf [zäum] rüsteten sie die Pferde, bestiegen sie, und ritten fort. Witiko ritt nicht in die Stadt, um sie anzuschauen, sondern er ritt am Rande des Grabens dahin gegen die Freiung, welche so hieß, weil fliehende Missethäter dort eine Freistätte fanden. Er sah, wie an seiner [l]linken [Seite] an dem großen Hause gebaut wurde, welches Heinrich, der Markgraf von Österreich errichten ließ, daß er da mit Gertrud, der Wittwe [des] Heinrichs, des stolzen Herzogs von Baiern, wenn sie seine Gemalin sein würde, lebe. Witiko ritt nicht zu dem Hause, um es zu betrachten, sondern er ritt an der Freiung vorüber in die grünen Fluren hinaus. Es standen Bäume da, es waren Felder und Gärten, [und] es war manches Haus, und an Pflöken oder Gittern ragten Weinreben empor. Witiko ritt an diesen Dingen vorüber, er ritt eine Stunde [fort], bis es in einen [Wald kam, der gegen xxx] <Wald>gelangte, der über kleine Höhen und dann zu dem Kamme des Kahlenberges empor ging. Witiko ritt den Waldweg über die Höhen, und dann zu der Burg

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