Witiko

H214, S. 277


seze ein Gericht der Fürsten und Priester ein, daß es untersuche, und entscheide. Allein Gebhard sprach wieder: Du bleibst für dein Leben gefangen, wenn du nicht sogleich dich entschließest. Der Vater sprach: Und wenn ich bekenne, und wenn ich die Herrschaft nieder lege, wirst du den Bann von mir nehmen? Gebhard sagte: Das wird vielleicht der heilige Vater thun, wenn du nach Rom pilgerst, und Genüge leistest. Nach diesen Worten fiel mein Vater auf die Knie, und rief: Um der Gnade und Barmherzigkeit des Himmels willen bitte ich euch alle um Milde und Gerechtigkeit, und dich, Heinrich mein Sohn, beschwöre ich, vollbringe nicht an mir das Unwürdigste und Entsezlichste. Vielen Fürsten rannen nun die Thränen von ihren Wangen, Gebhard blieb bei seinem Worte, und Heinrich sagte nichts, und blikte nicht auf den Vater. Er mochte mit den düstern Augen und den zusammengekniffenen Lippen dagestanden sein, mit denen er am Regen vor mir stand, als er mir [mein Schiksal] meinen Gatten ankündigte. Der Vater erhob sich nun, und sprach: So werde ich der Kirche genügen, und wie Christus sagt, thut Gutes denen, die euch verfolgen, so empfehle ich euch meinen Sohn, und entsage der Herrschaft. Er wurde aber nicht freigegeben, und bath seinen Gefängnißherrn Gebhard de[m]n Bischof[e] von Speier: Gib mir eine Pfründe in deinem Stifte, daß ich zum Chore gehe. Dieser verweigerte es, und da der Kaiser erfuhr, daß auch sein Leben nicht sicher sei, versuchte er die Flucht, und floh nach Köln, und von da mit kleinem Geleite gen Lüttich. Sie hörten hier Jagdgetöne, der Herzog von Lotharingen trat hervor, und sagte: Du hast an mir unrecht gehandelt. Der Vater antwortete: Ich leide dafür [und] wie für das Andere.
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Der Herzog sagte: Ich will aber zu dir stehn.
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Und er sendete sein ganzes Kriegsgefolge nach Lüttich, und auch andere Städte erklärten sich für den Kaiser. Da sendete mein Bruder Heinrich Boten zu ihm, um ihn demüthig zu grüßen, und zu sagen, daß er sich mit ihm aussöhne, und daß er bei ihm in Lüttich das Osterfest feiern wolle. Der Vater antwortete: Ich fürchte Arglist, ich bin an die Grenze des Reiches gegangen, um Ruhe zu finden, und du bleibe fern, weil das Volk dir hier feindlich ist. Mein Bruder Heinrich ging aber jezt mit einem Heere nach Lüttich, wurde geschlagen, und rettete kaum sein Leben. Der Kaiser ließ einen Brief ergehen an die Fürsten Bischöfe hohe und niedere Herren des Reiches: Gott und der heiligen Jungfrau und den Aposteln klage ich das Leid, was ich von der Kirche erfahre; aber doch will ich mich ihr unterwerfen, und wenn es nicht anders geschehen kann, ihr selber den Streit übergeben, daß sie prüfe und entscheide. So ist dann der Grund gehoben, weßhalb mein Sohn gegen mich ist, wenn er nicht geradezu nur die Macht rauben will. Mein Bruder Heinrich hatte wieder Männer gesammelt, und rükte vor Köln, das dem Vater ergeben war, und belagerte es mit großer Macht vergeblich durch lange Zeit, bis Hunger und Krankheit bei ihm ausbrachen, und viele seiner besten Leute umgekommen waren. Da bath er den Vater um Stillstand der Waffen, und um eine Zusammenkunft, daß sie sich besprechen, und versöhnen. Der Vater sagte, er werde nicht kommen, die Schlichtung gehöre vor einen Reichstag. Nun zog mein Bruder Heinrich von Köln fort, zog gegen Lothringen, und suchte sich dort zu sammeln und zu stärken. Da kam eines Tages Burkard der Bischof von Münster zu ihm, und sagte: Dein Vater der Kaiser sendet dir das Reichsschwert, welches das einzige Reichskleinod ist, das er noch bei sich hatte, er ist am siebenten Tage des Erntemonates in Lüttich gestorben. Er läßt bitten, daß du ihn begrabest, und den Seinigen verzeihest. Aber es konnte nicht so sein. Der Bischof von Lüttich, welcher den Vater christlich begraben hatte, mußte ihn, weil er im Banne starb, wieder ausgraben, und die Leiche stand auf ungeweihtem Grunde einer Insel der Maas, und nur ein einziger [Mönch, der] Pilger aus Jerusalem [gekommen war,] bethete und [stand] sang bei ihm. Dann wurde sie mit Einwilligung meines Bruders in einem steinernen Sarge nach Speier gebracht. Der Diener des Vaters Erkenbald wollte sie mit Priestern und Volk in der Kirche der heiligen Jungfrau Maria, die der Vater gebaut hatte, begraben; aber der Bischof gestattete es nicht. Fünf Jahre stand die Leiche in einer ungeweihten Kapelle. Dann ward sie begraben, und mein Bruder feierte das Begräbniß. Das Todesjahr des Vaters war das Jahr meiner Vermählung mit Leopold. Ich [xxx] habe

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