Witiko

H214, S. 278


ganze Nächte hindurch für [ihn] den Vater gebethet. Da er lebte, und da er gestorben war, und als ich seine christliche Bestattung erfuhr, lag ich vor Gott und der heiligen Jungfrau auf den Knieen, und dankte dafür. Auch für meinen Bruder Heinrich habe ich gebethet, und das Gebeth meines Gatten mischte sich mit dem meinigen für ihn. Er hat von Gott die Gnade erhalten noch hier in diesem Leben einen Theil seiner Schuld büßen zu dürfen, der Schoß seines Weibes war unfruchtbar, er hat wie der Vater den Bann des heiligen Stuhles tragen müssen, und er starb in der Blüthe seiner Jahre an einem kleinen Geschwüre, das ein Unding war, und das sich dennoch zu der Ursache seines Endes [xxx] vergrößerte [, nachdem er wie der Vater den Bann des heiligen Stuhles zu tragen gehabt hatte.]. Ich habe ihn in diesen Landen gesehen, da er mit dem wilden Swatopluk von Böhmen verbündet war, und wider Kolomann den König von Ungarn zog. Siebenzehn Jahre rubt er nun schon in den Dome von Speier an der Seite seines Großvaters und seines Vaters, den er im Leben verfolgt hatte, und die Herrlichkeit des deutschen Volkes ist von seinem Stamme genommen worden, und ist auf den Sachsen Lothar übergegangen, auch dieser ruht nun schon im Tode, und die Königskrone der Deutschen trägt mein Sohn Konrad auf dem Haupte. Der unruhige Ruthard, der den Namen von Hartesberg trug, starb drei Jahre nach dem schmählichen Vorgange mit meinem Vater, Adalbert zwei Jahre darauf; der kriegerische Friedrich von Köln, der den Namen von Ortenberg hatte, lebte wohl noch über zwanzig Jahre, ist aber jezt auch todt. Ebenso jener Markgraf von Meißen, der so schnell gestiegen, und dessen Geschlecht so unglüklich |endete|. Sie haben sich vor Gott verantwortet, und er wird ihnen gnädig gewesen sein. O meine liebe gute Freundin, wenn ich gleich hier in den stillen Tagen meiner Wittwenschaft immer die Bilder der Vergangenheit in dem Herzen trage, so erwekt dein Anblik die Erinnerungen der alten Zeit doch wieder stärker in mir, wenn du gleich nicht mehr als ein rosiges Mädchen wie damals, an meiner Seite bist und mich umschlingest, sondern dein Haar sich zu bleichen beginnt, dein feines Angesicht leichte Streifchen durchziehen, und dein Sohn als ein beginnender Mann voll Kraft vor uns ist."

"Lasse das Vergange immer mehr in [die Obut] den Schooß des Herrn der Heerschaaren hinunter sinken, hohe Frau," sagte Witikos Mutter, "und richte deine Augen auf die Gegenwart. Die Königskrone des deutschen Volkes ist auf dem Haupte deines Sohnes, und die Kaiserkrone wird folgen. Es kann das neue Geschlecht der Hohenstaufen sie mit Macht und Verherrlichung tragen bis in unabsehliche Zeiten. Dein Sohn anderer Ehe Heinrich der Halbbruder Konrads herrscht in diesem gesegneten Lande, er hat sich die Wittwe seines Feindes in Liebe verbunden, er wird den Herzogshut tragen, und die Österreicher werden mit den Hohenstaufen in Bruderschaft und Freundschaft desselben Weges gehen bis in jene unabsehlichen Zeiten[."], von denen ich sagte."

"Möge es glüklich kommen," [sagte] erwiederte Agnes, "mögen die Hohenstaufen und die Österreicher immer thun, was Gott gefällig ist, und mögest du, o Witiko, nie Thaten sehen, wie ich erzählt habe, und mögest du nie gezwungen sein, an solchen Thaten teilnehmen zu müssen. Jezt aber meine liebe Wentila habe ich dich lange genug deines Sohnes beraubt, ich habe seine Ankunft gesehen, gehe nun mit ihm in deine Kammer, und theilt euch eure Herzen mit. Wir wollen indessen zu der Arbeit unserer Genossen sehen, daß sie sich fördere, und wollen uns dann richten, wenn die Unsrigen aus der Stadt wieder auf diesen Berg herauf reiten. Du Witiko, bleibe in dieser Burg, so lange du willst, ich habe dir eine Kammer bereiten lassen, und werde dich zu denjenigen gesellen, welche im Geleite der Unsrigen sind."

Sie stand bei diesen Worten auf, und verneigte sich gegen Witiko und seine Mutter.

Diese hatten sich auch erhoben, neigten sich, und verließen das Gemach.

Die Mutter führte ihren Sohn des Ganges entlang in ein Gemach, das ihr zur Wohnung angewiesen worden war. Dort sagte sie: "So sei mir noch einmal willkommen, du lieber und theurer Sohn."

"Sei gegrüßt, geliebte Mutter," antwortete Witiko.

Sie führte ihn zu dem Tische, und sagte: "Lege deine Haube auf diesen Tisch, lege dein Schwert zu derselben, und seze dich dann zu mir auf ein Gesiedel, daß wir, wie die Frau Markgräfin sagt, unsere Herzen theilen."

Witiko legte seine Lederhaube, die er von dem Gemache der Markgräfin aus in der

Federproben (?) Seite vertikal mit Stift gestrichen