Witiko

H201, S. 256b


die in dem Hochstifte Passau sind, werden dich jezt mit ihren Augen schüzen, daß dir kein Unheil nahen kann. Nun aber komme zu kurzer Rast in meine Stube, bis dir Gemächer und Diener gegeben sind. Und ihr, edler Witiko, seid euretwillen sehr freundlich gegrüßt und seid sehr freundlich gegrüßt des Mannes willen, mit dem ihr gekommen seid. Es gefalle euch, uns in die Stube zu begleiten."

Nach diesen Worten berührte er den schlechten Ärmel Zdiks des Bischofes von Mähren, und führte den Bischof bei diesem Ärmel in den Saal, der mit rother Seide ausgeschlagen war. Dort geleitete er ihn zu einem Thronstuhle, und wies Witiko ein anderes seidenes Gesiedel an. Beide sezten sich. Der Bischof Regimbert aber ging zu einer silbernen Gloke, die an einem silbernen Arme, der aus der Wand hervor ragte, befestiget war, und that mit einem silbernen Hammer einen Schlag auf die Gloke. Sofort erschien ein Diener in Veilchenblau und Gelb, zu welchem der Bischof sagte: "Rufe mir Constantius."

Der Diener entfernte sich wieder, und ehe der Bischof einen Siz einnahm, kam ein Priester in die Stube, welcher ein weites schwarzes Priestergewand an hatte, und eine silberne Kette auf der Brust trug.

Zu diesem Priester sagte der Bischof von Passau: "Lieber ehrwürdiger Bruder Constantius, der hochehrwürdige Oberhirt des Landes Mähren Zdik der Bischof von Olmüz hat uns die Freude seines Besuches gewährt, ich bitte dich, der Leiter alles dessen zu sein, was für den Leib und für die Seele und für die Ehren des Bischofes nothwendig ist. Er soll in Allem über uns sein."

"Ich werde meines Amtes zu walten bestrebt sein, hoher Herr," sagte der Priester, verneigte sich tief vor beiden Bischöfen, und entfernte sich.

Der Bischof von Passau sezte sich jezt neben seinen Gast.

Zdik sagte: "Für meinen Leib brauche ich eine Hand voll Nahrung, für meine Seele ein freundliches Gebet, und für meine Ehren die Ehre dessen, dem allein Ehre gebührt."1

"Ihm gebührt allein alle Ehre," sagte der Bischof von Passau, "aber wir ehren ihn auch darin, wenn wir die ehren, welche er mit Ehren geziert hat. Du bist vor mehreren Jahren, und vor einigen Jahren wieder in Jerusalem gewesen, hast an dem Grabe des Herrn das Auferstehungsfest mitgefeiert, und hast dort gebethet. Und der Herr hat auf dich gesehen. Er hat das Zeichen auf dein Haupt gesezt, daß er deine Kirche und dich erheben wolle. Wie Hiob mehr bekam, als er je hatte, wie Jakobs Trauer in dem Lande seines Vaters zu Jakobs Freude wurde im Lande Egiepten, wie David aus den Höhlen, in die er flüchten mußte, in das Königshaus kam, wie der Tempel nach der Gefangenschaft reiner und schöner erhöht wurde, als er vordem gewesen, wie die Lehre dessen, den man gekreuzigt hat, zum Heile der ganzen Welt geworden ist, wie die Schmach des Todes jene Stätte zum Haupte der Christenheit gemacht hat, wie in unseren Tagen die Verbannung Gregors die Kirche muthiger gemacht hat als die Siege Heinrichs die Welt: so erhört, kräftigt, reinigt und klärt der Herr die Kirche durch Trübsal Kümmerniß und Verfolgung, und er macht alle die Säulen glänzender, die diese Kirche tragen. Und ist es nicht schon eine Gnade, die er dir gewährt hat, Bruder Zdik, daß du zwei Male an der Stätte bethen konntest, wo der Herr seine Mutter seine Jünger und Apostel gewandelt sind, wo er gelitten hat, wo er gestorben ist, und wo er begraben liegt, indeß wir andern noch bethen müssen, daß es uns gegönnt werde, uns dort in den Staub werfen zu dürfen?"

"Es geziemt mir nicht so zu denken, theurer Bruder Regimbert," sagte Zdik, "Läuterungen geschehen auch durch Strafe, und es sind viele Dinge geschehen, die viele Leiden auf viele Häupter gehäuft haben. In unseren Ländern haben wir in langen Zeiten die schwere Hand des Herrn auf uns herab gezogen. Da haben in der alten Zeit der Heiden Menschen gelebt, die zu Wohlthätern derer wurden, die mit ihnen an den gleichen Flüssen und auf den gleichen Fluren anderer Gebiete lebten, [und] und man hat zum Danke ihren Rath und ihre Gerichte geehrt. So war der Held Samo, so war Krok, der vielleicht Samos Sohn gewesen ist, so war Libusa Kroks Tochter, welche dem Mann Premysl zu ihren Gatten gewählt hat, und man hat ihnen und ihren Nachkommen die Rechte des Hauptes des ganzen Landes gegeben, sie waren Wla-

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