Witiko

H188, S. 232b


vielleicht für die Völker einerlei, ob der eine oder der andere herrsche; aber sie kämpfen wie die Wölfe um die Obmacht, und die ihnen helfen, tragen auch nicht das Wohl des Landes in ihren Gedanken, sondern jeder möchte für sich wieder so viel Macht erringen, als nur möglich ist, um durch diese Macht zu herrschen, Reichthümer zu gewinnen, zu trozen und um unangreifbar zu sein. Darum suchen solche zu denen, die sie erheben wollen, schwache und unbedeutende Männer aus, weil diese den größten Lohn versprechen müssen. Wenn nur ein mal das Heil die Herzen der Besten erleuchte, daß sie in großer Zahl zusammen kämen, und ein Folgegesez des Fürstenstuhles errichteten, und unerschütterlich daran hielten. Aber es nüzte nichts; so lange der Räubersinn in den Herzen der großen Zahl der Krieger ist, werden sie bei dem Tode eines Herzoges oder auch bei dem Leben desselben durch die Kämpfe um die Nachfolge oder um den Sturz des Lebenden zu gewinnen trachten und werden solche Kämpfe erregen. Nur das sanfte Öhl der heiligen Lehre des Herrn kann nach und nach die Gemüther erweichen, daß sie milder werden, und der Gerechtigkeit dienen."1

"Ich habe selber mit Wladislaw dem Sohne Sobeslaws gesprochen," sagte Witiko, "er hat mir berichtet, daß sie den Fürsten Konrad von Znaim zum Herzoge erwählt haben, und daß er diesem diene. Weil er nun sein Recht selber aufgegeben hat, hielt ich die Wahl Wladislaws des Sohnes des Herzoges Wladislaw für das Recht, und ging zu ihm."

"Seit sie die Altersfolge verlassen haben," antwortete Silvester, "ist gar kein Recht mehr. Der Herzog wurde durch den Willen seines Vorgängers oder durch Macht oder sonst wie auf den Fürstenstuhl gehoben, und erhielt sich ihn durch Macht. Nur da die hohen und niederen Herren dieser Länder auf dem Tage in Sadska Wladislaw dem Sohne Sobeslaws geschworen hatten, daß sie ihn zum Nachfolger seines Vaters haben wollen, entstand wieder ein Recht. Die Wahl des andern Wladislaws des Sohnes de[r]s Herzogs Wladislaw ist ein Unrecht gewesen, und da das Recht Wladislaws des Sohnes Sobeslaws, weil er sich selber zum Mann des Mannes Konrad gemacht hatte, erloschen war, ist dieses Unrecht zu keinem Rechte geworden. Wladislaw besizt den Fürstenstuhl durch Macht, und ich glaube, er wird sich ihn erhalten. Ein Recht würde wieder werden, wenn sich alle hohen und niederen Herren dieser Länder Böhmen und Mähren zu einer christlichen Bestimmung und Entscheidung vereinigten; aber dazu neigt ihr Sinn nicht. Der heilige Adalbert <hat> in früheren Zeiten den Sinn dieser Männer nicht zu beugen vermocht, und ich habe es jezt auch nicht gekonnt. Vielleicht kömmt einmal ein Oberhirt dieses Landes, der alle Häupter in das Wort des Herrn vereinigt, und den Völkern Heil und Frieden gibt. Jezt gehen sie, wenn einer oder der andere aus den Nachkommen Premysls die Macht zeigt, den Fürstenstuhl zu behaupten, zu ihm, und suchen ihn zu stürzen und zu halten. Die Schlechten thun es mit gierigen Absichten, die Guten um Gutes zu erzeugen, weil es einen andern Weg nicht gibt. So hat Nacerat für die Wahl Wladislaws des Sohnes des Herzoges Wladislaw in den Versammlungen und auf dem Wysehrad gewirkt, weil er ihn für schwach eitel und leichtfertig hielt, und an seiner Stelle zu gebieten hoffte. So hat Zdik für ihn gehandelt, weil er in ihm ein starkes Herz einen thätigen Mann und großmüthigen Fürsten voraus sah. Als Wladislaw nun selber des Reiches waltete, und Recht und Ordnung handhabte, hielt Nacerat wieder Versammlungen, von ihm abzufallen, und gegen ihn Kämpfe zu erregen, in denen er dann selber der reichste und mächtigste Mann des Landes ruhmlos erschlagen ward, und in denen sein Sohn, der an Glanz der ganzen Jugend der Länder vorleuchtete, von der Hand eines geringen Mannes fiel, den das Land vorher nicht kannte, und dessen Namen nur die nannten, denen er im Walde Eisenarbeit machte. Die edlen Männer, welche auf dem Wysehrad gegen Wladislaw gestimmt haben, gingen zu ihm, als seine Beförderer von ihm abgefallen waren, um das Gute und Gehörige aufrecht zu erhalten, da einmal der, dem das Recht gehörte, es aufgegeben hatte. Wladislaw ist von seinem großherzigen und guten

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