Witiko

H181, S. 206b

Diepold gab das Zeichen, die Schaufel schnellte [auf] empor, und in dem Augenblike fiel die große Steinkugel in die Reiter.

Sofort flogen diese zurük.

Ein Geschrei des Jubels folgte ihnen von den Mauern.

Diepold sagte: "Sezima, sende die Reiter wieder an ihre Orte, und du gehe an deine Stelle."

Dann ordnete er an, daß die, welche die W[ac]ache und Spähe hatten, im Dienste bleiben, die andern in die Ruhe gehen mögen.

Er aber ging in seine Schreibstube, um Boten zu empfangen, und Vorkehrungen zu treffen.

Die Herzogin ritt an allen Männern der Mauer hin, und sprach mit ihnen. Dann begab sie sich in die Burg.

Der Abend war indessen herein gebrochen, und als es finster geworden war, sah man dort, wo sich die Feinde befanden, viele Lichter und Feuer.

Auf den Mauern blieb eine starke Huth, die abgelöst wurde, und für deren Stärkung durch Speise und Trank gesorgt war. Diepold kam drei Mal in der Nacht zu ihr.

Als der Morgen gekommen war, sah man, daß die Feinde sich der Stadt nicht weiter genähert hatten, daß aber alle Zugänge zu derselben besezt waren. Es zeigte sich als wahrscheinlich, daß sie mit Errichtung und Befestigung ihres Lagers beschäftigt waren. Diepold ordnete den Dienst der Zeichen und Nachrichten, und blieb in Beobachtung.

Der Tag verging ohne irgend einen Angrif.

Wenn das Geräusch in der Stadt zuweilen etwas geringer war, konnte man von dem Lager her Töne vernehmen, wie sie dort arbeiteten.

So verging auch der nächste Tag.

Als aber der vierte gekommen war, seit Konrad von Znaim die Stadt Prag eingeschlossen hatte, meldete man, daß sich die Feinde zum Sturme rüsten. Diepold ging nach dem Gottesdienste, der immer im Morgengrauen abgehalten wurde, auf die Mauer. Bald konnte man sehen, daß bei den Feinden Bewegung sei, und in Kurzem erkannte man, daß Schaaren langsam vorrükten. Man sah Waffen glänzen, und [erkannte] bemerkte, daß Rosse Wagen zogen, und Geräthe und Dinge aller Art sich langsam näher bewegten. [In einer gewissen Entfernung] Da dies geschah, begannen die Gloken auf allen Thürmen der Stadt zu tönen. Als die Feinde bis auf eine gewisse Entfernung heran gekommen waren, hielten sie an, und blieben immer an der Stelle. Man mußte vermuthen, daß sie ihre Geschosse aufstellen. [Da es] Da der Mittag [war] erschien, öffnete sich der dichte Wald der feindlichen Männer, und man sah Geräthe und Gerüste stehen. Und sofort flogen Pfeile Steine Eisenstüke und gefiederte Pflöke gegen die Zinnen. Diepold erwiederte mit nichts. Seine Männer mußten sich hinter [den] die Bergen [[sein] stellen] stellen. Dies dauerte eine Weile. Dann sonderten sich Haufen von Feinden los, andere drangen nach, und sie liefen mit Leitern Stangen Haken Bäumen heran, suchten sich an den Mauern zu befestigen, und sie zu erklimmen. Jezt ertönte auf den Zinnen der Kriegsruf, die Männer Diepold<s> stürzten vorwärts, und sendeten die vorgerichteten Dinge auf die Anklimmenden nieder: Steine Ziegel Blöke brennendes Pech siedendes Wasser eisengezakte Balken Lanzen und Pfeile. Von den Feinden waren Abtheilungen aufgestellt, die Pfeile nach Pfeilen auf die Vertheidiger der Zinnen schnellten. Weil die großen Schleudergeräthe der Feinde nun ihre Wurfstüke sparsamer gegen die Mauern senden mußten, um nicht die eigenen Leute zu treffen, öffnete Diepold alle die seinen, und schleuderte, was sie vermochten, und so dicht es sein konnte, auf die wenigeren Männer, die bei den Schleudergeräthen der Feinde zurük geblieben waren, die Wurfstüke der Geräthe.

In diesem Augenblike kam die Herzogin auf ihrem braunen Pferde. Neben ihr war Dimut ganz allein. Beide hatten das gezogene Schwert in der Rechten. Die Herzogin ritt mit ihrer Begleiterin an den Männern hin, welche die Mauern vertheidigten, achtete der Pfeile nicht, und rief ihnen Lob und Ermunterung zu. Als die Krieger die schöne Frau mit den glänzenden Augen unter den Pfeilen reiten sahen und an ihrer Seite die Jungfrau mit den gerötheten Wangen und den noch glänzenderen schwarzen Augen, die Rabenfeder an ihrer Haube hoch tragend, riefen sie Heil und Ruhm der Herzogin und dem Mädchen aus dem Walde. Sie

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