Witiko

H176, S. 191b

Der Herzog aber leitete sein Pferd langsam durch die Gasse, die ihm die Versammlung gemacht hatte, und durch das Volk, das sich zusammen gedrängt hatte, und die Herzogin und Dimut und die Herren, die zu ihm gehörten, folgten ihm. Auch Zuschauer und Zuschauerinnen, die auf Pferden sassen, schloßen sich an, so daß Krieger und Frauen vermischt den Weg zur Burg einschlugen.

An diesem Tage entstand noch eine große Bewegung in der Stadt. Die Führer der Krieger verkündigten ihren Leuten noch einmal die Worte deutlich, welche der Herzog gesprochen hatte, und erklärten ihnen dieselben. Die Herren der Stadt ließen Trommel= und Trompetenschall durch die Straßen und Märkte ertönen, und ließen durch Rufer ausschreien, was der Herzog in der Versammlung gesagt hatte, und die den Rufer gehört hatten, erzählten seine Verkündigung weiter an ihre Freunde und Bekannte, und diese wieder an andere. Da erhob sich Unruhe in den Gemüthern, diejenigen, welche bisher an nichts gedacht hatten, dachten jezt, die Ängstlichen wurden noch ängstlicher, und die Entschlossenen wurden entschlossener. Von den Armen gingen viele um Reisegeld in die Burg, darunter auch solche, welche nicht gewillt waren, die Stadt zu verlassen. Von den Gefangenen erklärte der größte Theil, daß er bei dem Herzoge bleiben wolle, die anderen gingen fort. Unter den Kriegern aber waren es nur Leute sehr zweifelhafter Sitten, die sich die Worte des Herzoges zu Nuzen machten, und der Stadt den Rüken kehrten. Von dem Lande kamen manche herein, und begehrten an der Vertheidigung Theil zu nehmen.

Als die zwei Tage Frist zum Aus= und Eingange um waren, wurde die Stadt geschlossen. Einer der lezten von denen, die noch herein kommen konnten, war der Schuster Sebastian von dem oberen Plane gewesen: Er hatte zehn Tage auf dem Hin= und Rükwege zugebracht, hatte Kleider Stiefel Hüte und andere nüzliche Dinge in einem Rükenkorbe für die Waldleute gebracht, und hatte auch Nachrichten gebracht, was sich in dem Walde zugetragen hatte, seit sie fortgegangen waren. Von nun an wurden nur mehr einzelne Leute auf triftige Gründe und unter Vorsichten der Sicherheit durch die Thore der Stadt gelassen. Für die, welche Lebensmittel brachten, waren eigene Empfangsmänner und Aufsichtsmänner bestellt.1

Auf den frühen Morgen des achtzehnten Tages des Monates Mai war eine große Versammlung zu dem Herzoge berufen worden. Es waren die Bischöfe Äbte Priester dann die vornehmen Herren und Lechen, die bei Wladislaw in der Stadt waren, [und] die größeren und kleineren Führer [xxx] und die Vorsteher und Herren der Stadt entboten worden. Sie kamen zu der bestimmten Stunde in den Saal. Vor dem hohen Gange des Gemaches sahen durch Gitter die Herzogin und ihre Frauen und andere Frauen und Herren der Burg und der Stadt hinab.

Als alle, die gekommen waren, ihre Pläze eingenommen hatten, trat der Herzog in das Gemach. Er war sehr einfach gekleidet, und zwar, wie es seine Sitte schien, in braune Gewänder. Auf dem Haupte hatte er eine dunkelbraune Haube mit einer weißen Feder. Seinen Oberkörper zierten ein schimmerndes Waffenhemd, und an seiner Seite hing in einer braunsammetnen Scheide das Schwert. An seiner Seite ging sein Bruder Diepold. Hinter ihnen waren einige Krieger der Burg. Als sie in dem Saale waren, schlossen sich die Thüren, und die Krieger blieben vor denselben stehen. Wladislaw und Diepold aber gingen zu dem Tische, um welchen sich die Versammlung gesezt hatte, und traten zu ihren Stühlen. Alle erhoben sich, der Herzog nahm seine Haube von dem Haupte, verneigte sich, und sprach: "Seid gegrüßet ihr Herren des priesterlichen Standes Bischöfe Äbte Pröpste und Priester, und seid gegrüßet ihr Herren des weltlichen Standes, Diepold von den Sproßen des Stammes Premysl der einzige, welcher hier ist, Lechen, Zupane, Kmeten, [Wladyken] und Führer, ich bitte euch, nehmt eure Pläze wieder ein.<">

Die Männer sezten sich nach diesen Worten nieder.

Der Herzog legte seine Haube vor sich auf den Tisch, sezte sich auf einen Stuhl, und sprach: "Es ist das erste Mal, daß wir in vollständiger Zahl versammelt sind, seit wir uns in dieser Stadt befinden. Es ist an dem, daß wir über den Fortgang der Sache, die sich in diesen Reichen erhoben hat, berathen, und zu einem Entschluße kommen, der allen lieb ist, und den sie darum gerne ausführen werden. Ich habe den allmächtigen Gott angefleht, mich und alle diejenigen, die hier zu handeln haben, zu erleuchten, ich habe meine eigenen Gedanken dieser Sache zugewendet, und habe die Gedanken der guten und weisen Männer darüber zu erfahren gestrebt. Ich werde euch sagen, was ich meine. Bleibet auf euren Stühlen, wenn ich aufstehe, und höret mich."

Nach diesen Worten stand der Herzog auf, schob seinen Stuhl zurük, schaute auf die Versammlung, und blieb schweigend ein Weilchen stehen.

Dann öffnete er die Lippen, und sprach: "Hochehrwürdige Herren der Kirche Bischöfe, Äbte, Pröpste und Priester, dann du, Nachkomme aus dem Hause des geheiligten Premysl, der du deinem Haupte treu geblieben bist, ferner ihr, ehrwürdige Lechen, Zupane, Kmeten und Wladyken, die ihr an eurem erwählten Herren der Länder Böhmen und Mähren anhänglich geblieben seid, oder ihr ihn wohl Anfangs nicht gewählt, dann aber doch anerkannt habt, [und ihm dient,] sodann ihr, starke Führer der Krieger, die das Recht stüzen, und endlich ihr

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