Witiko

H175, S. 190b


Zwest, Jurik und andere.

Am fünfzehnten Tage des Monates Mai ritt der Herzog zu den Kriegsschaaren in die Stadt. Preda, dem die Oberaufsicht über die Gefangenen, die man auf dem Berge Wysoka gemacht hatte, anvertraut war, hatte dieselben vor den Männern des Herzoges aufstellen müssen. Neben dem Herzoge ritt die Herzogin, und neben dieser Dimut, welche über ihren schwarzen Haaren nun auch ein weißschimmerndes Ringelnez hatte wie die Herzogin, und mit ihren schwarzen Augen alles betrachtete, was rings herum geschah. Hinter dem Herzoge ritt sein Bruder Diepold und einer der edlen und vornehmen Herren. Zahlreiches Volk drängte sich, so weit es der Plaz zuließ, an die Stelle.

Da der Herzog vor seinen Kriegern angekommen war, hielt er an, und als sich sein Geleite und die andern, die auf dem Plaze waren, geordnet hatten, und er Zeichen gegeben hatte, daß er reden wolle, sprach er mit weithin vernehmlicher Stimme: "Herren des Landes, Führer der Krieger, Leiter der Bürger, und alle die anwesend sind, hört mich. Mein Großvater Wratislaw ist ein großer und weiser König gewesen, der dieses Land zum Heile und zum Guten geführt hat. Sein Sohn, der Herzog Wladislaw, mein Vater, hat es mit Güte Großmuth und Kraft verwaltet. Sein anderer Sohn Sobeslaw, mein Oheim, der vor mir Herzog in diesem Lande gewesen ist, hat mit gleicher Güte und Kraft geherrscht. Ich bin kein König, wie Wratislaw mein Großvater gewesen ist, ich bin nur ein Herzog, wie mein Vater und mein Oheim gewesen sind, ich weiß es nicht, ob ich ihnen an Gaben gleich oder untergeordnet bin; aber das weiß ich, daß ich den Willen habe, gut zu sein wie sie, und dem Lande zu helfen wie sie. Die Sache, welche jezt geführt wird, habe ich nicht [ich] begonnen, sonder<n> die Selbstsucht und der Übermuth mancher Kinder dieser Länder; aber ich werde sie zu Ende führen mit allen den Mitteln, die mir Gott gegeben hat, außer es ist in seinem Rathschluße, daß ich zum Heile und zur Wohlfahrt dieser Länder unterliegen muß, dann werde ich unterliegen. Damit [aber] jedoch in der Sache und in unsern Handlungen alles klar sei, sage ich, wie folgt. Ihr Männer, welche der Tag auf dem Wysoka als Gefangene in meine Hände gegeben hat, ihr seid frei. Man wird euch geben, was ihr zu eurer Heimkehr brauchet. Ich fordere nicht, daß ihr versprechet, in diesem Kriege nicht mehr gegen mich zu kämpfen; wer seine Ehre liebt, wird es ohnehin nicht thun, und der andere wird es nicht unterlassen, wenn er auch das Gegentheil beschworen hätte. Ihr werdet in die Burg geführt werden, und erhalten, was noth thut. Wer seine Handlungen gegen mich bereut, und zu den Meinigen wieder zurük treten will, ist gerne aufgenommen. Die andern müssen die Stadt in zwei Tagen verlassen. Preda, dich beauftrage ich mit der Ausführung dessen, was ich gesagt habe."

Als der Herzog seine Worte beendet hatte, brach ein Jubel aus. Es riefen die Krieger des Herzogs ihren Beifall, es rief das Volk, es riefen die Gefangenen. Da es wieder still war, hörte man noch unter den Gefangenen Stimmen, die riefen: "Wladislaw, dem guten gerechten großmüthigen Heil," "Wladislaw Heil!"

Preda ritt gegen die Gefangenen, und gab gegen die ihm untergeordneten Führer derselben seine Befehle. Diese wendeten die Schaar in einer halben Schwenkung, und dieselbe zog an dem Herzoge grüßend vorüber der Burg zu.

Da die Gefangenen sich entfernt hatten, und die Ruhe wieder eingetreten war, sprach der Herzog weiter: "Allen in dieser Stadt sage ich ferner: [Die] Wer von den Kriegern, die um mich sind, und von den andern, die sich in der Stadt aufhalten, dieselbe verlassen will, der gehe, er mag nun zu den Gegnern oder sonst irgend wohin gehen. Wie Gideon, als die Zaghaften fort gegangen waren, mit wenigen stärker war als mit vielen, werden auch wir stärker sein, wenn der Feind kömmt, und diese Mauern umzingelt. Ein jeder wird als dann die Stadt lieber mit seinem Lezten vertheidigen, als einem Feind in die Hände fallen, der ihn höhnt und verachtet. Wer zu arm ist, und nicht fortgehen kann, der empfängt in der Burg eine Gabe zur Wanderung. In zwei Tagen muß sich jeder entscheiden. Die da bleiben, denen sage ich meinen Gruß, die fort gehen, denen sage ich Lebewohl. Verkündiget mit Trommelschlag und durch Trompetenschall in der Stadt, was ich gesprochen habe."

Wieder erfolgte auf diese Worte ein Ruf derer, die sich versammelt hatten, und sich immer enger heran drängten.

"Ihr wißt um meinen Willen, Krieger," rief der Herzog weiter, "thut, wie es euch anmuthet, und verlaßt nach mir die Stelle, ihr andern aber gebt Raum."

Die Krieger jauchzten dem Herzoge zu, die Versammlung aber machte eine Gasse, um ihm das Fortreiten zu gestatten.

Die Hörner gaben das Zeichen, daß die Versammlung aufgelöst sei. Die Krieger riefen wieder, auch das Volk rief; aber man konnte keine Worte verstehen. Die Zurufe waren freudig.

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